1895 / 272 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Nov 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Erneck zwar mit natürlicher Veranlagung, aber etwas zag⸗ haft verkörpert wurde. Nicht recht am Plaß erschien Carl Schönfeld in der Rolle des Schlossers Knorr; sein Versuch, den hier unumgänglich nothwendigen Berliner Dialekt durchzuführen, mißlang. Männlich und glaubhaft stellte Herr Kraußneck den Fabrikanten Körner dar. Auch Herr Bassermann zeichnete sich in der Episodenrolle eines blasierten Barons aus. Die beifällige Aufnahme des Stücks und der zahlreiche Besuch ließen darauf schließen, daß es noch recht lange auf dem Spielplan verbleiben wird.

Konzerte.

Die hier wohlbekannte Violinvirtuosin Fräulein Frida Scotta aus Kovpenhagen ließ sich gestern im Saal der Sing⸗Akademie hören und gewann sich d den gelungenen Vortrag zweier Sätze aus dem D-dur-Konzert von Mozart, des Rondo capriccioso von Saint⸗Saëns, einer Romanze von Holter, der Polonaise von Wieniawski und einiger anderen Violinstücke von neuem die Gunst des zahlreich erschienenen Publikums. Der mitwirkende Baritonist Herr Vigo Bielefeldt erfreute außerdem durch mehrere Lieder von Hornemann und Heise, die er mit gut geschulter Stimme und

verständiger Vortragsweise unter lebhaftem Beifall ausführte.

An demselben Abend trat der hier noch unbekannte Klaviervirtuose Karl Prohaska aus Wien mit seinen künstlerischen Leistungen im Saal Bechste in hervor. Er begann mit Beethoven's Variationen und Fuge op. 35, die er mit technischer Sicherheit und lebendiger Ausdrucksweise vortrug. Eine Sonate eigener Komposition, die hierauf folgte, schloß sich etwas zu bemerkbar an den Stil J. Brahms' an, ließ jedoch, von einigen Längen abgesehen, ein erfreuliches Talent er⸗ kennen. Von den noch außerdem vorgetragenen Stücken gefielen am meisten „Des Abends“ und „Traumeswirren“ von Schumann, sowie die poetischen Stimmungsbilder von Dvoraͤk und Liszt'’s fünfzehnte Rhapsodie, welche sich einer sehr günstigen Aufnahme erfreuten.

Im Königlichen Overnhause geht morgen Wilhelm Kienzl's musikalisches Schauspiel „Der Evangelimann“ zum 14. Mal in folgender Besetzung in Scene: Mathias: Herr

Zum 3. Symphonie⸗Abend der Königlichen Kapelle am 20. November findet an demselben Tage, Mittags um 12 Uhr, die öffentliche obe statt. 1

Im nächsten (IV.) Philharmonischen Konzert (am 25. No⸗ vember) wird Arthur Nikisch zwei klassische Symphonien, und zwar

vodn’s G-dur-Symphonie Nr. XIII und Schumann's CG-dur- vmphonie aufführen. Der Solist des Abends ist Eugen d'Albert.

Am Montag, den 18. November, Abends 7 ½ Uhr, findet in der Dreifaltigkeits⸗Kirche zum Besten des seit mehreren Jahren erblindeten Familienvaters Hermann ein Geistliches Konzert statt. Ihre Mitwirkung haben zugesagt: Frau FF Schultzen von Asten (Sopran), der Konzertsänger Herr Kleinecke (Baß⸗ Bariton), Professor Emanuel Wirth (Violine), der Königliche Kammermusiker Herr Fritz Maneke (Cello). Herr Organist Friedrich und der aus über 100 Personen bestehende Otto Schmidt'sche gemischte Chor: Dirigent Herr Otto Schmidt. Billets zu 1 und 2 sind zu haben in der Hof⸗Musikalienhandlung von Bote und Bock, Leipziger⸗ straße 31, und am Konzertabend am Eingang der Kirche.

Mannigfaltiges.

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Z11“ 8 F11.

Die unausgesetzten mehrtägigen Verhandlungen über die abend⸗ liche Beleuchtung der gr. Industriehalle der Berliner Gewerbe⸗Ausstellung 1896 haben, wie der Arbeitsausschuß mittbeilt, gestern ihren Abschluß in einem Uebereinkommen gefunden, das allen Strömungen und Anschauungen unter Wahrung der finanziellen Gesichtspunkte gerecht wird. Das Syndikat der deutschen Elektrotechniker hat, ausgebend von dem dankenswerthen An⸗ erbieten einer zu ihm gehörigen Firma, sich mit gleichem Entgegenkommen bereit erklärt, eine eigene Kraftstation ein⸗ zurichten, von der aus 1000 P. S. elektrischer Span⸗ nung abgegeben werden. Hierdurch wird eine Beleuchtung der großen Industriehalle in so ausgiebiger Weise ermöglicht, daß die besondere Beleuchtung für die einzelnen Aussteller in Wegfall kommt. Um gleichzeitig den Forderungen der Maschinenbauer zu genügen, die bis 3400 P. S. liefern, ist vereinbart, daß die erwähnte Kraftstation

wöchentlich oder vielleicht . Vorträge bedeutenden 16 —2 i A e

Nachdem auf das Preisausschreiben des Vereins deutscher Ingenieure, welches „eine kritische Darstellung der Entwickelung des Dampfmaschinenbaues während der letzten fünfzig Jahre“ zum Gegenstand hatte, eine Bewerbung nicht eingegangen war, hat der Verein unter Mitwirkung der Verlagsbuchhandlung voen Julius Springer den Preis verdoppelt, auf 10 000 ℳ, und die B. von neuem mit dem Schlußtermin für die Einlieferung am 31. De⸗ zember 1898 ausgeschrieben. Die näheren Bedingungen sind kosten⸗ frei von der Geschäftsstelle des Vereins deutscher Ingenieure, Berlin, W. Wilhelmstraße 80 a., zu erhalten.

Der Abschluß des Grund⸗ und La gerbuches der Stadt⸗ gemeinde Berlin für das Rechnungsjahr 1. April 1894/95 ergiebt an Aktiven 543 339 486 ℳ, darunter an Grundstückswerthen 356 645 526 Schulden waren dagegen vorhanden 288 803 031 ℳ, darunter an Obligations⸗ und Anleiheschulden 282 644 123 Es ergab sich mithin Ende März 1895 ein Vermögensbestand von 254 536 473 ℳ; derselbe ist um 3 161 692 höher als im Vorjahre. Das Stiftungsvermögen der Stadtgemeinde ist gegen das Vorjahr gewachsen; dasselbe betrug Ende März 1895

5 7 767

Straßburg, 12. November. Der Gemeinde Kurzel, zu welcher das Kaiserliche Schloß Urville gehört, wird, wie die „Straßb. Korr.“ mittheilt, ein neuer Gnadenbeweis Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin durch Errichtung einer Wohl⸗ thätigkeitsanstalt zu theil. In der Urkunde, welche diesem Akt hochherziger Fürserge Ausdruck verleiht, einer vom 17. Oktober d. 88* aus Schloß Urville datierten Kaiserlichen Ordre, heißt es darüber: „Zu dauernder Erinnerung an den ersten Besuch, den Ich in Gemeinschaft mit Meiner Gemahlin, Ihrer Majestät der Kaiserin, Meinen Besitzungen in Lothringen gemacht habe, wollen Wir, die Kaiserin und Ich, zum Besten der Gemeinde Kurzel eine Stiftung errichten, welche dazu dienen soll, hochbetagten Angehörigen dieser Gemeinde beiderlei Geschlechts und

8 Im Jubiläumsjahr des großen Krieges gegen

Sylva; Johannes: Herr Bulß; Justitiär: Martha: Frau Pierson; Magdalena: Herr Lieban; Schnappauf: Herr Krolop; Kapellmeister Dr. Muck dirigiert. tasien und Urbanska auftreten. Sir Arthur Sullivan

hier eingetroffen und wohnte bereits einer Probe von „Ivanhoe“ bei.

Der Billetverkauf für die erste Aufführung beginnt 16. d. M.

Im Königlichen Lustspiel „Frauenlob“ und das Possenspiel Herren“ gegeben.

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Das Deutsche Theater hat die Schauspielerin Frau Agnes

Sorma auch für die Spielzeit 1896/97 verpflichtet. Das Grillparzer'sche Trauerspiel „Des

ersten Mal aufgeführt werden soll, wird von Dr. Scene gesetzt.

Herr von Reznicek, der Komponist der schon an mehreren Bühnen erfolgreich aufgeführten Oper „Donna Diana“, wird der Erstaufführung seines „Requiems“ im Konzert des Königlichen Opernchors (Dirigent Weingartner) am 23. November beiwohnen. Piofeffor Halir spielt in demselben Konzert das Violin⸗Konzert von

Brahms.

Herr Mödlinger; Frau Götze;

Hierauf folgt das Ballet „Phan⸗ im Bremer Rathskeller“, in welchem die Damen Dell' Era

Schauspielhause wird

sche T. 3 Meeres und der Liebe n Wellen“, das am nächsten Sonnabend im Berliner Theater zum über das

Zitterbart:

Herr Philipp. Ueber die Gruppe XXIII

ist aus London

Sonnabend, den Vorsitzende Herr E. Selberg hob

morgen das Diener zweier der Ausstellung vertreten sein. sich betheiligen. der Ausstellung nenten der Fortschreiten der Herr Maler Hellgrewe über Ausstellung, Arbeiten,

Max Pohl in

des Syndikats der Elektrotechniker weder ausstellungsmäßig hergestellt noch den Ausstellungsbesuchern zugängig gemacht wird.

stellung“ wird von dem Preßbureau der Ausstellung berichtet: In der letzten Vorstandssitzung ließ sich erkennen, daß durch das Zusammen⸗ wirken so vieler hervorragender Kräfte auf kolonialem Gebiet diese setzen Wir den Betrag von 60 000 aus und behalten Uns vor, Ausstellung etwas ganz Hervorragendes bieten wird. Der stellvertretende für!

besonders hervor, daß die gesammte deutsche Industrie, soweit sie für die deutschen Kolonien in Betracht käme, berechtigt sei, an der Ausstellung theilzunehmen. städte Hamburg und Bremen werden voraussichtlich gemeinsam auf 1 Auch die deutschen Missionen werden Das Auswärtige Amt hat zu seinem Vertreter auf Herrn Legations⸗Rath Rose ernannt. verschiedenen Unterkommissionen Arbeiten in

Baurath, Professor Wolff über die Konsul Vohsen über den wissenschaftlichen Theil und Graf Schweinitz über Ost⸗Afrika. freuliche Mitrheilung, daß Südwest⸗Afrika ganz hervorragend vertreten sein werde, indem die Kolonie selbst eine Abordnung auf eigene Kosten hierher sendet; dieser Abordnung schließen sich einige angesehene Ein⸗ geborene an. Während der ganzen Dauer der Ausstellung sollen all⸗

„Deutsche Kolonial⸗Aus⸗

Stift“ führen.

zu machen.“

aller Konfessionen ein Asyl für die Tage ihres Alters zu gewähren. Die Stiftung, welche durch einen besonderen Vorstand zu vertreten und zu verwalten sein wird, soll den Namen „Wilhelm⸗Viktoria⸗

Zur Errichtung und Unterhaltung der Stiftung

für die erste innere Einrichtung der Anstalt noch ein besonderes Geschenk

Die Hanse⸗

Die Dezer⸗ referierten alsdann ihrem Ressort, so den künstlerischen Theil der technischen

Herr Dr. Dove machte die er⸗

Konstantinopel, 13. amtlichen türkischen Kreisen spricht man den pessimistischen Berichten eines Theils der europäischen Presse über die Lage in Konstantinopel auf das entschiedenste jede Berechtigung ab und bezeichnet die in dieser Beziehung gehegten Besorgnisse als gänzlich unbegründet. Auch die Nachricht von einer Erhebung in Yemen wird von amtlicher türkischer Seite als durchaus grundlos bezeichnet, da der Pforte bisher keine derartige Mel⸗ dung zugegangen sei.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Nach Schluß der Redaktion eingegangene

Depeschen. November.

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Berlin... WNW stin Nebel

Wien.. W 3 Regen 14 3 Regen 14 still wolkig 15 S Isbedeckt 18 Uebersicht der Witterung. Ein tiefes Minimum, welches sich gestern in Süd⸗ wendeutschland entwickelt hat, ist, begleitet von er⸗ giebigen Niederschlägen und starker Luftbewegung, nach der Gegend von Wisby fortgeschritten und verursacht noch jetzt an der ostdeutschen Küste mäßige bis stürmische südliche bis westliche Winde. Haupt⸗ minimum liegt über der norwegischen See, gegenüber einem Hochdruckgebiet über dem südlichen Rußland. Bei meist schwachen, vorwiegend südwestlichen Winden ist das Wetter in Deutschland andauernd mild, trübe und vielfach regnerisch. Allenthalben ist Regen efallen, 21 mm zu Bamberg, 31 mm zu Kaisers⸗ autern, 33 mm zu Karlsruhe. Das Barometer ist über West⸗Europa in sehr starkem Steigen be⸗ griffen, und daber dürfte kälteres Wetter mit wechselnder Bewölkung zu erwarten sein. Deutsche Seewarte.

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Theater.

Ksnigliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗ haus. 160. Vorstellung. Der Evangelimann. Musikalisches Schauspiel in 2 Aufzügen, nach einer von Dr. Leopold Florian Meißner erzählten wahren Begebenheit, von Wilhelm zI. In Scene ge⸗ setzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Ein⸗ richtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Phantasien im Bremer Rathskeller. Phantastisches Tanzbild, frei nach Wilhelm Hauff, von Emil Graeb. Musik

von Adolf Steinmann. Dirigent: Musikdirektor Steinmann. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 250. Vorstellung. Frauenlob. Lustspiel in 3 Aufzügen von Rudolyb Lothar. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Der Diener zweier Herren. ossenspiel in 1 Aufzug, nach dem Italienischen des Carlo Goldoni, von Emil Pohl. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Max Grube. Anfang hr.

Freitag: Opernhaus. 161. Vorstellung. Alessandro Stradella. Romantische Oper in 3 Akten mit Tanz von Friedrich von Flotow. Text von Wilhelm Friedrich. (Alessandro Stradella: Herr Emil Götze, Königlicher Kammersänger, als Gast.) Phantasien im Bremer Rathskeller. Pbantastisches Tanzbild, frei nach Wilhelm Hauff, von Emil Graeb. Musik von Adolf Steinmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 251. Vorstellung. Egmont. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Wolfgang von Goethe. Musik von Ludwig van Beethoven. Anfang 7 Uhr.

Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: In Kvroll’'s Theater: Hänsel und Gretel. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humperdinck. Die Puppenfee. Pantomimisches Ballet⸗Divertissement von Haßreiter und Gaul. Preise der Plätze: Fremdenloge 5 Mittel⸗Parquet und Mittel⸗ Balkon 3 Seiten⸗Parquet und Seiten⸗Balkon 2 Stehplatz 1ℳ Abends 7 Uhr: Wie die Alten sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Niemann. Preise der Plätze: Fremden⸗Loge 4 Mittel⸗Parquet und Mittel⸗Balkon 2 50 ₰. Seiten⸗Parquet 2 Seiten⸗Balkon 1 ℳ% 50 ₰. Stehplatz 75 ₰.

Deutsches Theater. Donnerstag: Zum ersten Male: Tedeum. Komödie von Ernst Rosmer. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Romeo und Iulia.

Sonnabend: Tedeum.

Berliner Theater. Donnerstag: Hasemann’s Töchter. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag (11. Abonnements⸗Vorstellung): Hase⸗ mann’s Töchter.

Sonnabend: Zum ersten Male: Des Meeres und der Liebe Wellen.

Lessing-Theater. Donnerstag: Die Benns 1g. Die Romantischen. Anfang 7 r.

Freitag: Gräfin Fritzi.

Sonnabend: Madame Saus⸗Geéene.

Residenz⸗Theater. Lautenburg. Donnerstag: Der Rabenvater. Schwank in 3 Akten von 4 Fr. Fischer und Josef Jarno. Vorher: Aber die Ehe! Komödie in 1 Akt von P. Linsemann. Anfang 7 ½ Ubr.

Freitag und folgende Tage: Der Rabenvater. Vorher: Aber die Ebe!

Friedrich⸗-Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25 26. Donnerstag: Gastspiel der Liliputaner. Jeden Abend 7 ¼ Uhr: Die Reise nach dem Mars.

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4 a./5. Donnerstag: Seine Gewesene. Schwank in

3 Akten von Fritz Brentano und Carl Tellheim.

Direktion: Sigmund

Vorher: Illnsionen. Plauderei in 1 Akt von Arpad von Berzik. Deutsch von Josef Jarno. Anfang 7 ½ Ubr. Freitag: Seine Illusionen. Sonnabend: Zum ersten Male: Die neue Zeit. Schauspiel in 4 Akten von Richard Voß. Sonntag Nachmittag: Vorstellung des Vereins für Volksunterhaltungen. 8 Sonntag Abend: Die neune Zeit.

Theater Unter den Linden. Direktion: Julius Fritzsche. Donnerstag: Neu einstudiert: Der Mikado, oder: Ein Tag in Titipn. Burleske⸗Operette in 2 Akten von W. S. Gilbert. Deutsch von Julius Fritzsche. Musik von A. Sulli⸗ van. Dirigent: Herr Kavpellmeister Federmann. Hierauf: Großes Ballet⸗Divertissement, arrangiert und entworfen vom Balletmeister Herrn Jean Reisinger. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Der Mikado. Hierauf: Großes Ballet⸗Divertissement.

Adolph Ernst⸗Theater. Donnerstag⸗Parade⸗ bummler. Besetzung der Hauptrollen: Anna I Dora, Ida 23 *. en Ernst, Julius Eyben. Hugo Haßkerl, Richard Jürgas Guido Carl Weis, Georg Worlitzsch. Anfang 7 ½ Ubr.

Freitag: Dieselbe Vorstellung. 8

Sonnabend, Nachmittags 3 Uhr: Zum ersten Male wiederholt: Der kleine Lord. Kinder in Begleitung Erwachsener zahlen die Hälfte.

Bentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30 Direktion: Richard S Emil Thomas a. G. Donnerstag: Eine tolle Nacht. Große Aus⸗ stattungsposse mit Gesang und Tanz in 5 Bildern von Wilb. Mannstädt und Julius Freund. Musik von Julius Einödshofer. In Scene gesetzt vom Dircktor Richard Schultz. Die Tanz⸗Arrangements vom Balletmeister Gundlach. Anfang 7 ½ Ubr.

Freitag: Eine tolle Nacht.

Gewesene. Vorher:

Konzerte. Konzert-Haus. Donnerstag: Karl Meyder⸗

Konzert. Quv „Le Roi d'Ys“, Adam. „Mignon“, Thomas. „Dichter und Bauer“, Suppé. „Auf⸗ forderung zum Tanz“ von Weber. Phantasie aus „Lohengrin“ von Wagner. Walzer „Der Frauen Liebe und Leben“ von Blon. „öOffenbachiana“, Potpourri von Conradi. Faust⸗Phantasie für Violine von Sarasate (Herr Carnier). „Karneval von Venedig“ für Piston von Arban (Herr Werner).

Sing-Akademie. Donnerstag, Anfang 8 Uhr: Kounzert der Pianistin Elsa Rau.

Philharmonie. Donnerstag, Anfang 7 ½ Uhr: Konzert vom Sängerbund des Berliner Lehrer⸗ Vereins.

Saal Hechstein. Linkstraße 42. Donnerstag, Anfang 8 Uhr: Lieder⸗Abend von Selma Nicklaß⸗

Konzertsaul, Potsdamerstraße 9. Donnerstag, Anfang 7 ½ Uhr: Konzert von Pauline Hofmann (Klavier) und Johanna Weise (Gesang).

Zirkus Renz. Karlstraße. Donnerstag, Abends

7 Uhr: Gala⸗Vorstellung. 1870/71. Großes militärisches Ausstattungsstuͤck mit Tänzen, Gruppie⸗

rungen, Gefechten zu Fuß und zu Pferde in zwei

Abtheilungen vom Direktor Fr. Renz. Außerdem: Donner und Darius, Rapphengst, auf eine originelle Art dressiert und vorgeführt von Herrn Rob. Renz. Hierauf: Donner, Rapphengst, das Vollendetste der Pferdedressur. Auftreten der Schulreiterin Frau Robert Renz mit dem Schulpferde Feruccio. Hierauf: Neu! Der Bagnettesprung. Miß Amalie und Mr. James Jee auf zwei gespannten Telephondrähten. Chicago, Rappbengst, in der hohen Schule geritten von Mr. Gaberel. Auf⸗ treten der hervorragendsten Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. Komische Entrées und Intermezzis von sämmtlichen Clowns und dem beliebten „August“ Mr. Lavater Lee. Alles Nähere aus Plakaten und Austragezetteln ersichtlich.

Freitag, Abends 8 Uhr: Inbiläums⸗Vor⸗ stellung. Zum 25. Male: 1870/71.

Sonntag: 2 Vorstellnugen. Nachmittags 4 Uhr: Tjo Ni En. Abends 7 ½ Uhr: 1870/71.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Martha Behnisch mit Hrn. Guts⸗

besitzer Bruno Münster (Raduschkowitz— Kroitsch). Frl. Maria von Conring mit Hrn. Rittmeister a. D. Ferdinand Frhrn. von Wrede⸗Melschede (Hamburg Düsseldort). Frl. Elisabeth Jarius mit Hrn. Regierungs⸗Baumeister Franz S (Wriezen a. O. Freienwalde a. O.). Frl. Margarethe Kubig mit Hrn. Hans von Köller⸗ Banner (Berlin). b

Verehelicht: Hr. Kammerherr Karl Frbr. Vitz⸗ thum von Egersberg mit verw. Fr. Oberst von Haeseler, geb. Gedike (Dresden). Hr. Diakonus Kosmala mit Frl. Bertha Regehly (Konstadt).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem.⸗Lieut. Körner (Breslau). Eine Tochter: Hrn. Pastor Ernst Schlapp (Brandshagen).

Gestorben: Hr. Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. theol. Karl Friedrich Theodor Schneider (Schles⸗ wig). Fr. Professor Oscar Begas, Marie, geb. Beerend (Berlin Wannsee). Verw. Fr. Superintendent Eveline Fichtner, geb. Kierstein (Trebnitz i. Schles.). Hr. Strafanstalts⸗ Inspektor a. D. Gustav Dobschall (Görlitz). Hr. Inspektor Ferdinand Appler (Berlin). Hr. Kalkulator Wilhelm Jahnke (Altdamm). Hr. Kanzlei⸗Rath a. D. Eduard Benstein (Berlin).

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagt⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Fünf Beilagen [einschließlich Börsen⸗Beilage).

Lipperheide. 1871) finden. Von den Liedern der Kriegsz

8

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen

Staats⸗Anzeiger. 1895.

Berlin, Mittwoch, den 13. November

vrisches, Episches ꝛc.)

jab Frankreich ist neben den gewaltigen Ereignissen sener denkwürdigen Zeit, die das deutsche Volk mit stolzer Freude feiert, auch die Gestalt des „Füsiliers Kutschke“ wieder in den Vordergrund des allgemeinen Interesses worden. Bekanntlich war es dem Geschlechte von 1870, das ie herrlichen Siege auf Frankreichs Boden erfochten hat, nicht ver⸗ önnt, so wie die Ahnen aus der Zeit der Befreiungskriege seinem Fütle und Denken im Liede Ausdruck zu geben. Die Lieder, die vor

Jahren unsere Krieger begeisterten, stammten aus früheren Zeiten, und die Leier unserer großen lebenden Dichter, denen vorher 2 die Sehnsucht nach der Einheit und nach dem Reiche so

e Herzenstöne zu Gebote standen, versagte nun, wo es in den Entscheidungskampf ging, ebenso wie

1— sie versagte, es sgalt. das Errungene, das endlich gewonnene en.

Deutsche Reich zu Nichts von den vielen schönen, begeisterten Versen Freiligrath's, Geibere, Wilhelm Jensen’s vermag auch nur annähernd ein Bild zu 83 von der nationalen Begeisterung, die damals wie ein Sturmwind der die Lande ging. Zur hinreißenden Nationalhymne wurde keins von ihren Liedern, sondern die „Wacht am Rhein“, die schon 1840 entstanden war! Und niemand packte die Stimmung des Augenblicks so glücklich, wie das Sturmlied des alten Ernst Moritz Arndt aus dem gleichen Jahre „All Deutschland in Frankreich hinein!“, das wit an der Spitze der Sammlung „Lieder zu Schutz und (Berlin, 1— eit selbst sind es eigentlich nur zwei, die im Volke lebendig geblieben sind: das frische „König Wilhelm saß ganz heiter Einst zu Ems und dacht’ nicht weiter An die Händel dieser Welt“ von Wolrad Kreusler und das berühmte „Kutschke⸗Lied“. Schon bald nach dem Kriege begannen die Streitigkeiten über den Verfasser des letzteren. Es entstand eine kleine Kutschkeliteratur. Eine Broschüre von Karl Pauli „Neue Forschungen über den Ursprung des Kutschke⸗Liedes“ (Münden, H. Augustin. 1872) suchte mit Glück nachzuweisen, daß wir es in den ersten Versen mit einem Kriegslied⸗ Motiv zu thun haben, das eine Jahrtausende alte Tradition hinter sich hat! Pauli führte altpersische, altbaktrische, hebräische, äthiopische und alte deutsche Terte an. Im Zusammenhang dieser Forschungen mit denen von Hermann Grieben („Das Kutschke⸗Lied vor dem Unter⸗ suchungsrichter“; Berlin, Lipperheide. 1872) schien sich klar zu er⸗ geben, daß die beiden Reihen „Was kraucht dort in dem Busch herum? Ich glaub', es ist Napolium“, die schon seit den Befreiungs⸗ iegen auftauchen, bereits vor dem 1. August 1870 im „Daheim“ zugleich mit dem Namen des Füsiliers Kutschke erschienen, daß diese Notiz dann von der „Kreuzzeitung“ am 14. August übernommen wurde, und daß nun nach ihr der Pastor Hermann Alexander Pistorius in Base⸗ dow bei Malchin das Gedicht gemacht habe, das alsbald berühmt wurde. Dem gegenüber trat schon vor fast einem Vierteljahrhundert der Füsilier Gotthelf Hoffmann aus See bei Nieskyv, jetzt Kgl. Stations⸗Assistent in Breslau, auf und nahm das Kutschke⸗Lied als seine Erfindung und sein Eigenthum in Anspruch. Jetzt, wo Hoff⸗ mann einen kleinen Band „Kutschke'’s ausgewählte Gedichte“ ¹) ver⸗ öffentlicht hat, ist der Streit von neuem entfacht worden. Für Hoff⸗ mann trat Hermann Unbescheid auf (in der „Zeitschrift für d. deutschen Unterricht“ 9. Jahrgang, 4. Heft), gegen ihn ein Anonymus in der „Vossischen Zeitung“ (Nr. 175 u. 353 d. Jahres). Wir wollen die Frage hier sine ira et studio prüfen und mehr das Für und Wider darlegen, als eine Entscheidung treffen. Hoffmann erzählt: „Es war am 3. August 1870, Nachts zwischen 11 und 1 Uhr, als ich hinter Queichheim bei Landau vor Weißenburg mit Kamerad Breiter, meinem vertrautesten Freunde, auf Vorposten stand. Da deutete dieser auf ein Gebüsch vor uns und rief mir zu „Was mag dort wohl 'rumkriechen?“ Und: „Was kriecht dort rum? Napolium!“ reimte ich. Abgelöst, dichtete ich in einer Scheune das Lied fertig in der Frühe des 4. August. Ich las es Breiter vor, Viele kamen und hörten zu, schrieben es ab, und so ging es, wie viele andere, in die weite Welt hinaus, ohne mein Zuthun.“ Damit stimmt nun nicht die Thatsache der Erwähnung im „Daheim“ bereits vor dem 1. August, die bezeugt ist. Seltsam sind auch die starken Abweichungen des nun in der Gedichtsammlung abgedruckten ann’'schen Kutschke⸗Liedes von dem allgemein verbreiteten istorius'schen, das heute noch in allen Soldatenliederbüchern sich findet. opulär und allgemein bekannt wird ein derartiges Lied meist haupt⸗ sächlich erst durch die Melodie; nun ist das Kutschke⸗Lied offenbar schon 1870, ebenso wie heute, nach der Melodie des Liedes vom „Doktor Eisenbart“ gesungen worden. Zu dieser Melodie aber passen von dem Hoffmann’'schen Gedichte nur die beiden ersten Strophen, während die letzten drei in den ersten Zeilen stets am Schluß klingende Reime haben (z. B. „Du mit den ganzen Herren Franken! Wir kennen Dich und Deine Gedanken“), so daß sie sich auf die bekannte Weise nur sehr schlecht singen lassen; das mac⸗t die Sa zweifelhaft. Als Gegengewicht aber steht wieder die Behauptung Hoffmann's, er sei bei seinen Kameraden stets unter dem Namen Kutschke bekannt gewesen: eine Behauptung, die ihm durch eine von seinem Korpskommandanten General v. Kirchbach veranlaßte Unter⸗ suchung und durch das Kriegstagebuch des Obersten z. D. Elpons, wie er in der Vorrede seiner Gedichtsammlung mittheilt, bestätigt worden ist. Seltsam klingt es auf der anderen Seite wieder, daß Hoffmann schon in früherer Zeit auch den Vornamen Kutschke's, „August“, als seine Er⸗ findung reklamiert hat, während es nachgewiesen ist, daß dieser von dem eur des „Fremdenblattes“, G. Schenck, stammt, dem Verfasser der sieben Kutschke⸗Lieder, die als Fortsetzungen des ursprünglichen Ur⸗ liedes erschienen und keinen geringen Theil an dessen Ruhm haben. Die ganze Frage, zu der hier nur das Material zusammengestellt werden sollte, ist sehr kompliziert und schwer zu entscheiden. Weitere Forschungen führen vielleicht einmal zur Klarheit, zumal, wenn es gelingen würde, von ehemaligen Kriegskameraden Hoffmann’'s Näheres zu erfahren. Die übrigen Nummern der Kutschke⸗Sammlung bergen wenig von Bedeutung. Einige ganz frische, kernige Soldatenlieder fallen angenehm auf; die Hau tsache aber bilden harmlose, warm und bravy empfundene, jedoch ohne sonderliches poetisches Geschick hergestellte Gedichte. VVon den zahlreichen lyrischen Bändchen, welche die Spät⸗ sommerzeit an den Tag gebracht hat, sei hier nur die Sammlung „Aus Tag und Traum“ von Ludwig Jacobowskiz) genannt, dem jungen Dichter, dessen Araber⸗Komödie „Diyab der Narr“ im „Schillertheater“ einen so freundlichen Erfolg davongetragen hat. obowski ist schon früher als Lyriker aufgetreten, aber er hat sein ent seit jener Zeit vertieft und nach der formalen Seite hin in scht genommen. Freilich auch hier fehlen nicht Stellen von einer rivialität, die bei einem so geschmackvollen, künstlerisch echt und wahr empfindenden Autor verblüffen; auch hier fehlt nicht der kleine Kreis von Motiven, die allzu oft wiederkehren und besonders seine Natur⸗

5

¹) Kutschke's ausgewählte Gedichte. Ein patriotisches Liederbuch

ür alte und junge Krieger. Breslau, Schlesische Verlagsanstalt

Schottländer) 1895. .

²) Aus Tag und Traum. Neue Gedichte von Ludwig Jacobowski. Berlin, S. Calvary u. Co. 1896.

gedichte beeinträchtigen. Aber daneben glüht in manchen Liedern ein so warmes Feuer lodernder Leidenschaft, ein so inniges unmittelbares Gefühl, eine so fröhliche Dichterkraft, eine so frische Phantasie, daß man nicht daran zweifeln kann, einen rechten Poeten vor sich zu haben. Der Cyclus „An eine junge Frau“ birgt die Perlen der Sammlung, und die Scene, wo er dem kleinen Buben der Angebeteten, die den Wittwenschleier trägt, beim nahenden Abenddämmer traulich die deutschen Märchen erzählt, während sie selbst, die holde traurige Mutter, sinnend zum Fenster hinaus schaut, ist wundervoll erfunden und wieder⸗ gegeben. Aus tiefstem Herzen kommt dem Verfasser, der schon früher einmal in einem Roman „Werther, der Jude“ die Wehmuth zu schildern suchte, die ihm durch die Seele zieht, auch das prächtige rondellmäßige Stückchen „Der Ketzer“. 1G

Einige andere unserer jüngeren Poeten, die auf der Bühne vor kurzem mit Erfolg sich eingeführt haben, treten nun mit epischen Arbeiten vor das Publikum. Carlot Reuling ³), dessen „Mann im Schatten“ ein so bemerkenswerthes Talent zur Zeitsatire verrieth, hat in einem Bändchen „Fragwürdige Gestalten“ eine Reihe kleiner Novellen veröffentlicht, die zwar nicht ohne konventionelle Züge und ohne Unwahrscheinlichkeiten sind, aber ausnahmslos mit feiner plastischer Kunst ein Stück wirklichen Lebens geben. Die Geschichte von dem jungen Korps⸗Studenten, der am Tage vor einem ernsten Duell ans Totenbett seines Vaters gerufen wird und nun, als der Ernährer der Familie, zu dem er plötzlich geworden ist, den schweren Kampf zwischen innerer und äußerer Pflicht zu kämpfen hat, sowie ihr Gegensatz, der öe“ Schwank von der „schwarzen Käth““, seien besonders ge⸗ nannt.

Ein reiferes Talent als Reuling ist Georg Hirschfeld“), dessen Schauspiel „Die Mütter“ zu den wenigen wirklich literarischen Neu⸗ heiten der Berliner Bühnen in diesem Herbste gehört. Der junge 22 jährige Dichter hat nun eine Geschichte erscheinen lassen, die man vergebens in eine der bestehenden Gattungsrubriken einzuschachteln ver⸗ sucht hat: „Der Bergsee.“ Diese wunderseltsame Erzählung steht ganz für sich; sie ist das Werk eines Mannes, der fest und sicher seine eigenen Wege wandelt. Ihr Inhalt ist bald erzählt: Hoch oben im Gebirge, am Ufer des klaren blauen Bergsees sitzt der alte blinde Waland mit seiner Frau und dem alten Mathias, dem Knecht, und hält das einsame Gasthaus. Zwei Maler ziehen wandernd die Straße und kehren ein; Weltmann und Faber sind sie genannt, ein Alter und ein Junger, der die Züge seines Dichters trägt; und sie hören von den Schicksalen der Menschen, die hier leben. Sie hören von dem weisen Blinden, den einst die Sehnsucht nach der Kunst weit ins Leben hinausgetrieben hatte, der dann heimgekehrt war und seine Gertrud fand und lieben lernte. Aber sein Mädchen ward das Opfer einer Vergewaltigung, und sein krankes Aug enlicht erlosch. Ihr Lebensglück ist zerrüttet, und ohne Leidenschaft reichen sie sich die Hände zu einer reinen, geistigen Ehe. Die Fremden sehen die sanfte Frau, die einhergeht, als laste ihr ein Furchtbares auf der Seele, deren bleiche Haare ein noch an Jugend und Schönheit leise mahnendes Antlitz umkränzen, deren Lippen und Augen klagend zu erzählen scheinen, daß sie nie glücklich war; und sie hören von dem braven Konrad, dem wälschen Knecht, der damals .. . vor vierzig Jahren war's.. dort am Bergsee beim Waland in Diensten stand, der hinausfuhr in stürmischer Nacht auf den See, als er merkte, daß er und die Herrin ihren Sinnen unterliegen würden, wenn er länger bliebe, und der im Strudel den Tod fand. Die Wanderer ziehen von dannen. Der alte Waland stirbt, und die arme Frau im Gefühl der furchtbaren Einsamkeit, die rings umher sie umgiebt, läßt sich auf dem Boot hinaustreiben in die Wasser, zu sterben wie Konrad.. einst... vor vierzig Jahren. Man kann sich nach dieser kurzen Wiedergabe der wenigen Ereignisse keine Vorstellung machen von der ergreifenden Kunst, mit der hier Menschen und Natur geschildert sind. Im Innersten ist alles gefühlt und er⸗ faßt. Die realistische Darstellung der Vorgänge ist dem Verfasser ziemlich gleichgültig gewesen. Mit guter Absicht spielen hin und wieder ein paar mystische Züge hinein. Sie erhöhen den seltsamen Zauber, der auf den Leser von diesem Werke ausgeht. Gewiß ist es nicht zu leugnen, was schon von einigen Seiten geltend gemacht wurde, daß Hirschfeld in seinen „Bergsee“, wie Goethe von sich und seinem zweiten Theil des „Faust“ sagte, „ein bischen viel hineingeheimnißt hat.“ Aber das ist nebensächlich. Es ist das Werk eines genialen jungen Dichters, dem man eine große Zukunft prophezeien möchte. Denn er besitzt das sieht man klar aus seinen en und seinem ernsten Wirken den Talisman gegen Uebermuth und Versumpfung: die unerbittliche Selbstkritik.

Ein anderer jüngerer deutscher Dichter, dessen Lyrika an dieser Stelle in der vorigen Uebersicht besprochen wurden, Carl Busses), hat eine Sammlung lieber kleiner „stiller“ Geschichten, wie er sie nennt, in zweiter Auflage erscheinen lassen. Es sind zwölf Skizzen von frischer Eigenart. Nur einige kleine Liebeserzählungen weisen ein wenig bedenkliche Aehnlichkeit auf, nicht nur in den Vor⸗ gängen, sondern auch in den Stimmungen; aber damit versöhnt uns die blühende, lachende Jugend, die Freude am Leben, die hier ebenso wie aus Busse’'s Gedichten so warm hervorströmt. Novelletten jedoch wie die vom „Doktor Bäffchen“, dem vertrockneten Schul⸗ meister mit dem Kinderherzen, der sich von einem schmucken blonden Mädchen geliebt glaubt, aber als er, mit großem Bouquet be⸗ waffnet, ihr den Antrag zu machen kommt, sie in den Armen eines seiner schlechtesten Primaner findet, oder die Kindergeschichten, „Die Marseillaise“ und „Der kleine Ben“ mit ihrer schlichten Wahrheit vergißt man nicht wieder.

Eines der bizarrsten Talente unter den modernen Schriftstellern ist der Pole Stanislaw Przybyszewski.8) Er, der sich sonst so gern in psycho⸗physische Experimente verirrt und oft eine wilde, tolle Mystik zu Hülfe ruft, hat nun einen Roman „Unterwegs“ herausgegeben, der zwar nicht ganz und gar frei ist von den Absonder⸗ lichkeiten seines Verfassers, aber doch den Beweis giebt, wie ausge⸗ zeichnet Przybyszewski es versteht, feinen psychologischen Vorgängen nachzuspüren und auch Erlebnisse plastisch zu schildern, wenn er nur das unnöthige Beiwerk fortläßt, die ungesunden Triebe seiner Kunst rücksichtslos abschneidet. Selten ist die Seele eines skrupel⸗ und rück⸗ sichtslosen Verführers so zerlegt worden wie in diesem merkwürdigen Roman. 1

Weniger versteht es Rudolf Golm!¹) klar zu machen, was im Innern seiner Personen vor sich geht. Er ging in seinem neuesten Roman von einer Theorie aus, und das ist niemals gut für einen Dichter. Er läßt einen Raisonneur, den er zum Schluß in seinen Roman einführt, wie früher die Franzosen in ihren „Sittenstücken“, und der nun das Facit zieht, die These aufstellen: „Das Weib hat zweifellos in den letzten Jahrzehnten weit größere Fortschritte gemacht, zum mindesten sich weit mehr verändert, als der Rann⸗ Aus dieser Divergenz der Entwickelung müssen zwischen Voll⸗

²) Carlot Reuling, Fragwürdige Gestalten. Berlin, F. Fon⸗ tane u. Cie. 1895. 1 . 3

4⁴) Georg Hirschfeld, Der Bergsee. Dresden, Georg Bondi. 1895

⁵) 1 Busse, Stille Geschichten. 2. Auflage. München, C. Rupprecht. 1895. j M

6) Stanislaw Przybyszewski, „Unterwegs.“ Roman. Berlin, F. Fontane & Cie. 1895.

7) Rudolf Golm, „Der alte Adam und die neue Eva.“ Ein Roman unserer Uebergangszeit. Dresden. E. Pierson. 1895.

naturen die heftigsten Konflikte erwachsen. Und beinahe möchte ich sagen. . : Jede Ehe, die einen alten Adam und eine neue Eva ver⸗ bindet, bedeutet ein verlorenes Paradies.“ Um diese, nebenbei gesagt, in allen einzelnen Theilen sehr anfechtbare Behauptung zu beweisen, wählte Golm nun ein junges feines weibliches Wesen, eine Erzieherin, die sich selbst in hartem Kampfe gebildet und erzogen hat, und einen brutalen reichen Wittwer, der sie zur Gattin nimmt. Zum Theil mit unleugbarem Geschick, dann aber wieder mit ermüdender Breite zeigt er, wie die zarte Käthe Hübner unter der Herrschaft des rohen Buggenrieth leidet, wie sie sich von ihm trennt, aber ohne Stütze nicht vorwärts kommt, weil und auch hier tritt die These wieder aufdringlich in den Vordergrund „eine junge Frau unter den beutigen Verhältnissen nicht so ganz allein leben kann“, und wie sie schließlich zurückkehrt, einem sterbenden Vater und lebenden Kindern zu Liebe an der Seite des Gatten freudlos ihre Pflicht zu thun. Golm sieht die Dinge in ihrem Verlauf offenbar fich lebendig genug vor Augen, um sie ganz und gar wirklich zu schildern.

Die Heirath eines jungen Mädchens mit einem reichen Wittwer von doppeltem Alter benutzte auch Ernst Wicherts) zum Ausgangspunkt seiner Novelle „Blinde Liebe“, deren Hauptvorwurf die Geschichte einer Professorstochter ist, die sich in einen Schau⸗ spieler verliebt und ihre Familie verläßt, um sich mit ihm für immer zu vereinigen. Aber sie, die ihrem Gatten nur aus inniger, unbezwingbarer Liebe folgt, hat Elend auf Elend durchzumachen, bis sie arm und verhungert ins Vaterhaus heimkehrt, während die Schwester, die reinen Ver⸗ nunftgründen nahm, in fröhlichem Glücke dahinlebt. Wie dieser absichtliche Gegensatz, so ist auch die Ausführung im einzelnen nicht gerade originell, aber doch meist spannend und nicht uninteressant. Auch eine kleine Humoreske hat Wichert in den letzten Monaten ver⸗ öffentlicht: „Die verlorene Tochter“ ²), eine harmlose, recht niedliche und unterhaltende Geschichte. Ihr schließen sich die hübschen Erzählungen des bekannten Militärschriftstelles Freiherrn von Dincklage 0) an, der viel erlebt, viel gesehen hat und munter zu schildern weiß. Ein wenig sensationell aufgebauscht ist die Novelle „Die Thierbändigerin von Fedor von Zobeltitz; u) aber die Schilderungen aus dem Leben und Treiben einer Zirkusgesellschaft sind fesselnd und geschickt geschrieben. Die Gestalt der jungen Nila, die von ihrer Mutter zur Löwenbändigerin erzogen wird, der fremde Flüchtling, der als Kunstschütze Zuflucht bei der Bande sucht und findet, der zwischen der zarten Nila und ihrer robusten Mutter hin⸗ und her⸗ geworfen wird, dann der „Chef“ des Zirkus, der Clown und das Publikum alle diese Figuren geben ein lebendiges Ganzes. Es ist heiße Luft von Korsika, wo die Geschichte spielt, die uns aus diesen Blättern entgegenweht.

Durch den Erfolg seiner ersten Publikation „Exotisches“ muthig gemacht, hat der Königliche Hofschauspieler Adalbert Matkowsky ¹²) ein zweites Memoiren⸗Bändchen herausgegeben. Er erzählt da freundlich und nett von allerlei Dingen und Menschen, die er gesehen, von allerlei Geschichtchen, die er erlebt, mit einem ganz zutraulich wirkenden naiven Selbstgefühl. Er spricht mit warmen Herzenstönen von seiner Mutter und seiner Jugend, berichtet von seiner zufälligen Be⸗ gegnung mit dem Hochverräther Kraszewski, der sein Hauswirth war, als er in Dresden des Königs Rock trug, und plaudert von seinem Be⸗ suche bei der berühmten Kollegin Sarah Bernhardt in Amerika. Amüsant ist es, wie bei dieser letzten Gelegenheit Direktor Amberg sich vergebens müht, eine „Romeo und Julia“⸗Aufführung mit den beiden Künstlern zu stande zu bringen, ohne indessen sein Ziel zu erreichen, da Matkowsky nicht französisch spielen kann und Madame Sarah nicht deutsch spielen will. Ganz im Sensationellen geht leider des bekannten und beliebten Ernst Eckste in ¹½) Novelle „Nora“ auf. Sie beginnt sogleich mit den Schrecken eines Schiff⸗ bruchs und den Zufälligkeiten einer wunderbaren Errettung. Sofort hinterher folgt eine unerwartete Begegnung des schiffbrüchigen Grafen Sanfelice mit einer Cousine aus einem ihm verfeindeten Zweige der Familie. Maria, die selbstverständlich über alle Maßen schön ist, folgt dem Grafen in sein Haus nach Neapel zu seiner Gattin, der sanften Nora, trotzdem sich zwischen den Beiden bereits unerlaubte Beziehungen gewebt haben. Nun beginnt eine wilde Hast von aufregenden Vorgängen. Eifersucht einer Dritten, Wahrsagerin, Liebeselixir, Gift, nächtlicher Besuch beim Grabe des Vergil am Posilipp, langsamer Wahnsinn, und schließlich ein doppelter Selbstmord täuschen über den Mangel an tieferer Begründung der Ereignisse hinweg. Manche kleine Schilderung und manche Bilder, die offenbar aus intimer Kenntniß des südlichen Italien und seiner heißblütigen Menschen stammen, sind jedoch nicht ohne Reiz.

Betrübt uns hier der Rückgang eines kraftvollen schriftstellerischen Talents, das lange Jahre hindurch einen hervorragenden Platz unter den gelesensten deutschen Autoren eingenommen hat, so ist es ein noch peinlicheres Gefühl, einen ganz jungen begabten Dichter, der vielversprechend be⸗ gonnen hat, schon bei seinem vierten Werke auf sensationellen, un⸗ künstlerischen Abwegen zu treffen. Felix Hollaender ¹⁸⁴), der in seinem Erstlingswerke „Jesus und Judas“ durch die lebensvollen, un⸗ mittelbaren Schilderungen des Berliner Studentenproletariats große Hoffnungen erweckte, der dann nach einem weniger guten zweiten Buche in seinem dritten Roman („Frau Ellin Roethe“) eine feine Studie bot, hat nach langem Schweigen alle Wartenden enttäuscht. In seinem „Sturmwind im Westen“ nahm er eine Reihe Berliner Skandalgeschichten der letzten Jahre, fügte dann noch ein paar andere Personen hinzu und rührte alles das zu einem sauren Teig zusammen, aus dem er seinen Roman buk. Von vorn herein ist sicherlich nichts dagegen einzuwenden, daß ein Dichter Ereiznisse seiner Zeit in einem großen Kulturbilde mit einander verwebt: man denke an Emile Zola's gewaltigen Roman „L Argent“, der einen ähnlichen Stoffkreis mit unnachahmlich feiner Kunst behandelte. Aber hier liegt der Hauptpunkt: Künstlerisch muß die Sache angefaßt werden, nicht reportermäßig. Es muß geschildert werden, wie das alles entstand; auf breiter psychologischer Grundlage muß sich das ganze Gebäude erheben. Nicht auf die Vorführung der sensationellen Ereignisse darf es ankommen, sondern die Wurzeln müssen ausgegraben und gezeigt werden. Der alte Aristoteles, den auch junge deutsche Dichter noch mit Nutzen studieren können, sagt sehr richtig, daß darin eben sich der Dichter vom Historiker unterscheide, daß der Historiker zeigt, wie etwas gewesen, der Dichter aber, warum es so und nicht anders geworden sei. Hollaender’'s Roman bedeutet einen Bruch mit seiner Vergangenheit, ein Verlassen seiner früheren literarischen Be⸗ strebungen. Und nicht seiner Bedeutung halber ist seiner in dieser Uebersicht ausführlicher gedacht werden, sondern aus dreifachen

oberflächliche ihren Gemahl aus

Dresden und

Ebenda 1895. Erzählungen.

³) Ernst Wichert, Blinde Liebe. Novelle. Leipzig, C. Reißner, 1895.

⁵) Derselbe, die verlorene Tochter. Humoreske.

89 üs n von Dincklage, Auf Posten. Berlin, Rich. Eckstein Nachf. (H. Krüger). 11) Fedor von Zobeltitz, die

Berlin, Fontane. 1895. Eigenes, Fremdes.

Thierbändigerin.

Novelle 12) Adalber: Matkowsky, Berlin, F. Schneider & Cie. 1895. ¹¹) Ernst Eckstein, Nora. Dresden u. Leipzig, C. Reißner. 1895. 14) Felix Hollaender, Sturmwind im Westen. Berliner Roman. Berlin, J. Fischer. 1895.

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