1895 / 279 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Nov 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Freihssesca rechtskräftig verurtheilten

ür das Verfahren in der Berufungsinstanz ist in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 dem Angeklagten, welcher ohne gewählten Ver⸗ theidiger ist, ein solcher gleichzeitig mit der Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung zu bestellen. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 ist der Antrag auf Bestellung eines Vertheidigers, sofern er nicht schon in erster Instanz gestellt war, spätestens binnen iner Frist von drei Tagen nach der Zustellung der Ladung zur Haupt⸗

verhandlung zu stellen. § 156 Absatz 2. strafbaren Handlungen, deren Verfolgung nur auf

Bvep.en Behörden schriftlich oder zu Protokoll angebracht werden. von einer nicht gerichtlichen Behörde aufgenommene Protokoll muß von dem Antragsteller unterschrieben werden. § 176 Absatz 2. In denjenigen Strafsachen, welche zur Zuständigkeit der Land⸗ gerichte gehören, findet die Voruntersuchung statt, wenn die waltschaft dieselbe beantragt. n

Gegen den Beschluß des Gerichts, durch welchen der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung der Voruntersuchung abgelehnt worden ist, findet sofortige bie e; statt.

8 206 Absatz2 wird aufgehoben. § 208 Abs.

atz 3.

Die endgültige Einstellung des The abrens kann vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft beschlossen werden, wenn einer zu on eine strafbare Hand⸗

ung zur Last gelegt wird und die Feststellung des Straffalles mit Rersecht auf die noch nicht vollständig verbüßte Strafe unwesentlich erscheint.

211. Personen, welche auf frisbe⸗ That betroffen oder verfolgt und

vorläufig festgenommen worden sind, können von der Staatsanwalt⸗ sschaft unmittelbar dem zuständigen Gericht mit dem Antrag auf

sofortige Aburtheilung vorgeführt werden. Dieser Antrag ist auch dann zulässig, wenn der Beschuldigte in den Fällen des § 10 einem danach zuändigen Gericht vorgeführt wird. 1

Das Gericht hat ohne schriftlich erhobene Anklage und ohne eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens sofort oder spätestens am zweiten Tag nach der Vorführung zur Hauptverhandlung zu schreiten und dabei über die Verhaftung oder Freilassung des An⸗ geklagten zu entscheiden. Der wesentliche Inhalt der Anklage ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen.

Die ordnungsmäßige Ladung der Zeugen kann von jedem Be⸗ amten der Staatsanwaltschaft oder des Polizei⸗ und Sicherheitsdienstes mündlich erfolgen.

Erweist sich die Sache in der Hauptverhandlung als nicht spruch⸗ reif, so hat das Gericht die Verhandlung auf eine der nächsten Sitzungen zu vertagen. In Fällen, wo eine Voruntersuchung statthaft ist, kann das Gericht die Eröffnung derselben auf Antrag der Staats⸗ anwaltschaft I. -

Auf das Verfahren vor dem Reichsgericht und vor dem Schwur⸗ gericht sinden die Bestimmungen dieses Paragraphen keine An⸗

wendung. 5 211 a.

Vor den Schöffengerichten kann nach der Vorschrift des § 211 auch dann verfahren werden, wenn der Beschuldigte entweder sich freiwillig stellt oder infolge einer vorläufigen Festnahme in anderen als den im § 211 bezeichneten Fällen dem Gericht vorgeführt oder nur wegen Uebertretung verfolgt Les.

Der Amtsrichter kann in dem Falle der Vorführung des Be⸗ schuldigten mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ohne Zuziehung von Schöffen zur enibereadsanes schreiten, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte That eingesteht. Gegen die im Laufe der Hauptverhandlung ergehenden Entscheidungen und Urtheile des Amts⸗ richters finden dieselben Rechtsmittel statt, wie gegen die Entschei⸗ dungen und Urtheile der Süehh aeste

Die Anklageschrift und der Beschluß über die Eröffnung des

Hauptverfahrens sind dem Angeklagten spätestens mit der Ladung

zuzustellen. § 215 Absatz 1. Die Ladung eines auf freiem schieht schriftlich unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen seines un⸗ entschuldigten Ausbleibens. § 216 Absatz 1.

Zwischen der Zustellung der Ladung 215) und dem Tage der Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einer Woche, oder wenn eine Uebertretung den Gegenstand der Untersuchung bildet, von mindestens drei Tagen liegen.

224 a. Vor der Hauptverhandlung kann auf Grund neu hervorgetretener Umstände die Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten die Wiederaufhebung des Eröffnungsbeschlusses und eine anderweite Beschlußfassung in Gemäßheit der, 88 196 ff. beanttagen.

Bleibt der febäeig geladene Angeklagte ohne genügende Ent⸗

schuldigung aus, so kann die Vorführung angeordnet oder ein Haftbefehl erlassen werden.

In den vor den Schöffengerichten und vor den Strafkammern zu verhandelnden Sachen kann das Gericht zur Hauptverhandlung schreiten, sofern es die Anhörung des hr-ö. Aufklärung der Sache nicht für erforderlich erachtet. Diese Vorschrift findet in den Fällen, in denen ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung

bildet, keine Anwendung. § 230 Absatz 2.

Entfernt der Angeklagte sich dennoch, oder bleibt er bei der Fort⸗ setzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden. Für die Fälle, in denen ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet, sowie für die Hauptverhandlung vor dem Reichsgericht und vor dem Schwurgericht ilt dies nur dann, wenn die Vernehmung des Angeklagten über die

Inklage schon erfolgt war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. 9 381 1““

§ 232.

Ist das Erscheinen eines Angeklagten wegen großer Entfernung seines Aufentsaltsorts besonders erschwert und hat der Angeklagte unter 8 Ze. hierauf sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung angekündigt,

o kann das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen denselben durch einen ersuchten Richter über die Anklage vernehmen lassen und dem⸗ nächst in seiner Abwesenheit zur Hauptverhandlung schreiten.

Von dem zum Zweck der Vernehmung anberaumten Termin sind die Staatsanwaltschaft und der Vertheidiger vorher zu benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht. Das Protokoll über die Vernehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen.

„Auf das Verfahren vor dem Reichsgericht und vor dem Schwur⸗ gericht finden die Bestimmungen 1. Paragraphen keine Anwendung.

wird aufgehoben.

Die Vertretung eines ausgebliebenen Angeklagten durch einen Vertheidiger ist im Fall des § 232 und außerdem dann zulässig, wenn die den Gegenstand der Untersuchung bildende That nur mit Geldstrafe, Haft oder Einziehung, allein oder in Verbindung mit ein⸗

ander, bedroht ist.

Der Vertheidiger bedarf zur Vertretung schriftlicher Vollmacht. § 234 Absatz 2

Fr⸗ jedoch die Vernehmung des Angeklagten nach Maßgabe des 232 Abs. 1 stattgefunden, oder hatte derselbe von der Befugniß,

vertreten zu lassen, Gebrauch gemacht, so findet eine Wieder⸗ einsetzung in den vorigen Stand nicht statt.

uße befindlichen Angeklagten ge⸗

§ 237. Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angekl. und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitenden⸗ L,2 selbe ist befugt. in einzelnen Sachen diese Geschäfte ganz oder theil⸗ weise einem beisitzenden Richter zu übertragen.

Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des die Verhandlung leitenden Richters von einer bei der Verhandlung be⸗ theiligten Person als unzulässig de⸗ so entscheidet das Gericht.

§ 8

Das Gericht bestimmt den Umfang der Beweisaufnahme, ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Besgrlüh⸗ gebunden zu sein. In der Hauptverhandlung vor dem Reichsgericht und vor dem Schwurgericht ist die Beweisaufnahme auf die sämmtlichen vor⸗ geladenen Zeugen und Sachverständigen, sowie auf die anderen herbei⸗ eschafften Beweismittel zu erstrecken. Von der Erhebung einzelner eweise kann 1 abgesehen werden, wenn die Staatsanwaltschaft

und der Angeklagte hiermit S C vgs. sind.

§ 254a.

Schreitet das Gericht in Gemäßheit des § 229 Absatz 2 beim Ausbleiben des Angeklagten zur Hauptverhandlung, so können die in einem richterlichen Protokolle enthaltenen Erklärungen des Angeklagten auch dann verlesen werden, wenn damit die Beweisaufnahme über ein Geständniß nicht bezweckt wird.

§ 264 Absatz 5.

Auf die Verhandlungen vor den Schöffengerichten und vor den

Strafkammern findet die Vorschrift des dritten Absatzes nicht An⸗

wendung. § 266 Absatz 1. 1

Wird der Angeklagte verurtheilt, so müssen die Urtheilsgründe die für erwiesen erachteten Thatsachen, in welchen die gesetzlichen Merk⸗ male der strafbaren Handlung gefunden werden, und die Gründe an⸗ geben, welche für die richteniche U beansupung leitend gewesen sind.

atz 1.

Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Haupt⸗ verhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen, die ergangenen Entschei en und die Urtheils T 8

8 § 273 Absatz 2 wird aufgehoben. 8

2235 3 Erfolgt die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten nach Ansicht der bei der Verhandlung Betheiligten in mangelhbafter oder ungenügender Weise, so sind die letzteren berechtigt, die Feststellung des Vorganges und dessen ““ in das Protokoll zu verlangen.

Ein Beschuldigter gilt als abwesend, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist oder wenn er sich im Auslande aufhält. § 319 Absatz l. Gegen Abwesende, an welche Zustellungen nicht nach Maßgabe der Bestimmung des § 37 bewirkt werden können, findet eine Haupt⸗ verhandlung nur statt, wenn nach dem Ermessen des Gerichts voraus⸗

sichtlich keine andere Strafe als Geldstrafe oder Einziehung, allein

oder in Verbindung mit K g; erwarten steht.)

Die öffentliche Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht bewilligt.

Die Ladung ist in einer beglaubigten Abschrift an die Gerichts⸗ tafel bis zum Tage der Hauptverhandlung anzuheften. Außerdem ist ein Auszug der Ladung in das für amtliche Bekanntmachungen des betreffenden Bezirks bestimmte Blatt und nach Ermessen des Gerichts auch in ein anderes Blatt dreimal einzurücken. Zwischen dem Tage der letzten Bekanntmachung und dem Tage der Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einem Monat liegen.

§ 327 Absatz 1.

Gegen einen Abwesenden, dessen Gestellung vor das zuständige Gericht nicht ausführbar oder nicht angemessen erscheint, kann ein Verfahren eingeleitet werden, welches die Aufgabe hat, für den Fall seiner künftigen Gestellung die Beweise zu sichern.

§ 346 Absatz 3.

Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Reichsgerichts findet eine Beschwerde nicht statt, gegen Beschlüsse und Verfügungen der Ober⸗ Landesgerichte nur, sofern sie in 6 XX“ erlassen sind.

54. Die Berufung findet statt gegen die Urtheile der Schöffengerichte und gegen die Urtheile der Strafkammern in erster Instanz. § 357 Absatz 2. Dem Beschwerdeführer, welchem das Urtheil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist dasselbe nach Einlegung der Berufung sofort durch den ö

Die Berufung muß spätestens binnen einer Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urtheil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem Gericht erster Instanz zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder in einer Beschwerdeschrift unter Aufstellung bestimmter Beschwerdepunkte gerechtfertigt werden.

Dieser Bestimmung ist genügt, wenn die W““ des Beschwerdeführers klar erkennen läßt, ob er die die Schuldfrage betreffende Entscheidung oder nur einen anderen Theil des Urtheils

anfechte. § 358a.

Hat der Angeklagte gegen ein auf sein Ausbleiben ergangenes Urtheil neben der Einlegung der Berufung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht, so beginnt die Frist zur Rechtfertigung der Berufung erst mit der endgültigen Erledigung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen 99b.

§ 360 Absatz 1. 8

Ist die Berufung verspätet eingelegt oder nicht rechtzeitig gerecht⸗ fertigt, so hat das Gericht erster Instanz das Rechtsmittel als un⸗ zulässig zu verwerfen. § 361

Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt und gerechtfertigt, so hat der Gerichtsschreiber die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Diese stellt, wenn die Berufung von ihr eingelegt ist. dem An⸗ geklagten die Schriftstücke über Einlegung und Rechtfertigung der

Berufung zu. § 363 Absatz 1.

Erachtet das Berufungsgericht die Bestimmungen über die Ein⸗ legung oder über die Rechtfertigung der Berufung nicht für beob⸗ achtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. Andernfalls ZZ“ dasselbe durch Urtheil.

§ 370.

Ist das Erscheinen des Angeklagten wegen großer Entfernung seines Aufenthaltsortes besonders erschwert oder befindet sich derselbe nicht auf freiem Fuße, so kann das Gericht auf seinen Antrag be⸗ schließen, daß über die von ihm eingelegte Berufung in seiner Ab⸗ wesenheit zu verhandeln sei. Außer diesem Falle ist die von dem Angeklagten eingelegte Berufung sofort zu verwerfen, wenn bei dem Beginn der Hauptverhandlung weder er selbst, noch in den Fällen, wo solches zulässig, ein Vertreter für ihn erschienen und das Aus⸗ bleiben nicht genügend entschuldigt ist. 1 Ifst die Berufung von der Staatsanwaltschaft eingelegt, so ist über dieselbe zu verhandeln, wenn das Ausbleiben des Angeklagten nicht eenügend entschuldigt oder von ihm, falls er sich nicht auf freiem

uße befindet, auf die Vorführung zur Hauptverhandlung ausdrücklich verzichtet ist.

Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung des Urtheils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den 4 44, 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen, insoweit er nicht senese hatte, daß die Verhandlung in seiner Abwesenheit

attfinde.

wird aufgehoben.

374. Deie Revision findet statt 8 die Urtheile der Strafkammern in der Berufungsinstanz, gegen die Urtheile der Ober⸗Landesgerichte

in der Berufungsinstanz und 1,* Urtheile der Schwurgerichte.

wird aufgehoben. § 383 Absatz 2.

Dem Beschwerdeführer, welchem das Urtheil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist dasselbe nach Einlegung der Revision durch den Gerichtsschreiber

5) Wenn neue Thatsachen oder Beweizmittel beigebracht sind, aus welchen allein oder in Verbindung mit den 5 er erhobenen Beweisen sich die Unschuld des Verurtheilten, sei es bezüglich der ihm zur Last gelegten That überhaupt, sei es bezüglich eines die An⸗ wendung eines schwereren Steaigghe 8 Umstandes, ergiebt.

atz 2.

Die Vernehmung der Zeugen und Sechverständigen erfolgt, soweit

die Beeidigung zulässig ist, eidlich. § 410 Absatz 1. .

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen:

1) wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben;

2) wenn in den Fällen des § 399 Nr. 1, 2 oder des § 402 Nr. 1, 2 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die in diesen Bestimmungen bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluß gehabt hat; .

3) wenn in den Fällen des § 399 Nr. 5 der Wegfall eines die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes begründenden Umstandes nicht geeignet erscheint, cine geringaee, F hr herbeizuführen.

atz 1.

Ist der Verurtheilte bereits verstorben, oder ist derselbe in Geisteskrankheit verfallen, so hat ohne Erneuerung der Haupt⸗ verhandlung das Gericht nach Aufnahme des etwa noch erforderlichen Beweises entweder auf Freisprechung zu erkennen oder den Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen.

§ 411 Absatz 2 und 4

§ 413 a.

Wird im Wiederaufnahmeverfahren auf Freisprechung erkannt, so ist auf Verlangen des Verurtheilten und im Falle des § 411 auf Verlangen des Antragstellers die Aufhebung des früher ergangenen Urtheils durch den „Deutschen Reichs⸗Anzeiger’ bekannt zu machen; nach dem Ermessen des Gerichts kann die Bekanntmachung auch in anderen öffentlichen Blättern erfolgen. 1

4 8

Personen, gegen welche eine im Strafverfahren rechtskräftig er⸗ kannte Strafe ganz oder theilweise vollstreckt worden ist, können, wenn sie im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes mit einer geringeren Strafe belegt werden, Ersatz des Vermögensschadens beanspruchen, den sie durch die erfolgte Strafvollstreckung erlitten haben.

Außer dem Verurtheilten können Dritte, denen derselbe nach Vorschrift des bürgerlichen Rechts zur Gewährung von Unterhalt ver⸗ pflichtet war, in so weit Ersatz fordern, als ihnen durch die Straf⸗ vollstreckung der Unterhalt ehee , ist.

413c.

Der Anspruch auf Entschädigung ist ausgeschlossen, wenn der Verurtheilte die frühere Verurtheilung vorsätzlich herbeigeführt oder durch grobe Fahrlässigkeit .“ be

Die Entschädigung wird aus der Kasse desjenigen Bundesstaats,

8 8

werden aufgehoben.

bei dessen Gericht das Strafverfahren in erster Instanz anhängig war,

oder, wenn das Reichsgericht in erster und letzter Instanz erkannt hat,

aus der Reichskasse geleistet.

Bis zum Betrage der geleisteten Entschädigung tritt die Kasse in die Rechte ein, welche dem Entschädigten gegen Dritte um deswillen zustehen, weil durch deren rechtswidrige Handlungen seine Verurtheilung

herbeigeführt war.

§ 413 e. b Der Anspruch auf Entschädigung ist bei Vermeidung des Ver⸗

lustes binnen drei Monaten nach Rechtskraft des im Wiederaufnahme⸗

verfahren ergangenen Urtheils mittels Antrags bei der Staatsanwalt⸗

schaft des machen.

erkannt hat, der Reichskanzler.

Eine Ausfertigung der Entscheidung ist dem Antragsteller nach

den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zuzustellen.

Gegen die Entscheidung ist die Berufung auf den Rechtsweg zu⸗

erichts, welches dieses Urtheil erlassen hat, geltend zu

Ueber den Antrag entscheidet die oberste Behörde der Landesjustis⸗ verwaltung oder, wenn das Reichsgericht in erster und letzter Instanz

lässig. Die Klage ist binnen einer Ausschlußfrist von drei Monaten

nach Zustellung der Entscheidung zu erheben.

Entschädigung sind die 1 hne

auf den Werth des ausschließlich zuständig. 841.

Für die Ansprüche au b Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht

Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn der Berechtigte

stirbt, ohne ihn gemäß § 413 e geltend gemacht zu haben.

Vor der endgültigen Entscheidung über den Anspruch ist derselbe

der Pfändung nicht unterworfen. Berechtigte unter Lebenden nicht darüber verfügen. § 414 Absatz 1 und 2.

Bis zu diesem Zeitpunkte kann der

Im Wege der Privatklage können ohne vorgängige Anrufung der

Staatsanwaltschaft verfolgt werden:

1) das Vergehen des Hausfriedensbruchs im Falle des § 123

des Strafgesetzbuchs;

das Vergehen der Beleidigung in den Fällen der nur auf

Antrag eintretenden Verfolgung;

3) das Vergehen der Körperverletzung in den Fällen der nur auf Antrag eintretenden Verfolgung, sowie im Falle des § 223 a des

Strafgesetzbuchs;

4) das Vergehen der Bedrohung mit der Begehung eines Ver⸗

brechens im Falle des § 241 des Strafgesetzbuchs;

5) das Vergehen des strafbaren Eigennutzes im Falle des § 289 des Strafgesetzbuchs;

6) das Strafgesetzbuchs. , Die Befugniß zur Erhebung des Privatklage steht dem Verletzten sowie denjenigen zu, welchen in den Strafgesetzen das Recht, selbständig auf Bestrafung anzutragen, beigelegt ist.

§ 447 Absa

ergehen der Sachbeschädigung im Falle des § 303 des

1. In denjenigen Sachen, welche 8”-- § 27 Nr. 1 bis 3 und 5 des

Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit der Schöffengerichte ge⸗ hören, kann durch schriftlichen Strafbefehl des Amtsrichters ohne vo gängige Verhandlung eine Strafe festgesetzt werden, wenn die Staat anwaltschaft schriftlich hierauf anträgt. § 496 Absatz 2. Der Betrag der dem Beschuldigten, dem Privatkläger oder dem

8

Nebenkläger zu erstattenden Auslagen wird auf Antrag von dem Ge⸗

richt erster Instanz festgesetzt. Die Vollstreckung des 1 beschlusses erfolgt auf Grund einer durch den Gerichtsschreiber zu ertheilenden Ausfertigung nach Maßgabe des § 495. 1

Artikel III.

Dieses Gesetz tritt am 8 in Kraft. Auf bereits anhängige Strafsachen findet dasselbe nur dann An⸗

1181“

wendung, wenn vor dem genannten Tage ein Urtheil erster Instanz

noch nicht ergangen ist. 8

Wird ein vor dem ergangenes Urtheil erster Instanz in der höheren Instanz aufgehoben und die Sache zur noch⸗ maligen Verhandlung in die erste Instanz zurückgewiesen, so findet dieses Gesetz auf das weitere Verfahren Anwendung.

schlossenen Verfahrens sind die Vorschriften dieses Gesetzes auch dann

Füur die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil ge⸗

Festsetzungs⸗

5

8

„wenn das Urtheil vor dem Tage des Inkrafttretens dieses

Fües bafe oder rechtskräftig geworden war. 2 S. s llsd bis 413e finden auf diejenigen Straffachen An⸗ dung, in denen die im § 413 b gedachte, im Wiederaufnahme⸗

neahre, ergangene Entscheldung nach dem.

afolgt ün. Artikel IV.

Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Text des Gerichts⸗ ffungsgesetzes und der Strafprozeßordnung, wie er sich aus den in Artikel I und II festgestellten Aenderungen ergiebt, durch das Reichs⸗Gese zblatt bekannt zu machen. 8 8 Urkundlich ꝛc. Gegeben ꝛc. . Begründung. Nachdem die wiederholten Versuche, unseren Strafprozeß von den ihm anhaftenden Mängeln zu befreien, bisher nicht zum Ziele geführt ben, glauben die verbündeten Regierungen von neuem an die Auf⸗ be herantreten zu sollen, durch entsprechende Vorschläge zur Ab⸗ znderung der Strafprozeßordnung und der mit ihr im Zusammen⸗ zang stehenden Theile des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Beseitigung der bauptsächlich wahrgenommenen Mißstände herbeizuführen.

Unter den Abänderungsvorschlägen sind einige von so hervor⸗ ngender Wichtigkeit, daß es sich empfiehlt, dieselben, abweichend von der Ordnung der Gesetzesparagraphen, vorweg im Zusammenhang zu görtern. Dies sind namentlich:

1) die Einführung der Berufung gegen die Urtheile der Straf⸗

kammern in erster Instanz;

2) die Entschädigung unschuldig Verurtheilter und in Verbindung

damit die Einschränkung des Wiederaufnahmeverfahrens;

3) die Aufhebung einiger der zum Ersatze für die mangelnde Be⸗

rufung eingeführten sogenannten Garantien des Versahrens;

4) die Ausdehnung des Kontumazialverfahrens;

5) veränderte Vorschriften über die Beeidigung der Zeugen;

6) die Einführung eines abgekürzten Verfahrens für gewisse, eine

schleunige Behandlung erheischende Strafthaten;

7) Veränderungen in der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte.

1) Einführung der Berufung gegen die Urtheile der Strafkammern erster Instanz.

Bereits in der Begründung früherer Entwürfe ist anerkannt worden, 28 „die Erwartungen, welche an die Wirksamkeit der in der Strafprozeßordnung mit Rücksicht auf den Wegfall der Berufung den Angeklagten gewährten Garantien geknüpft waren, sich nur unvoll⸗ kändig erfüllt hätten’. Ebenda ist hervorgehoben worden, wie die zuf Einführung der Berufung gegen die Urtheile der Strafkammern gerichteten Bestrebungen in immer weiteren Kreisen, namentlich auch in Reichstag Unterstützung gefunden haben. Wenn bis zum vorigen Jahre dennoch von der Einführung der Berufung Abstand genommen vurde, so geschah dies in der Hoffnung, „daß die Eingewöhnung der Bevölkerung und der Gerichte in die neue Gesetzgebung von selbst dau führen werde, einen großen Theil der erhobenen Klagen ver⸗ stummen zu lassen“.

Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Die erwähnten Klagen sid nicht verstummt, und insbesondere im Reichstag ist seitdem 298 Aenderung des Rechtsmittelsystems in Anregung ge⸗ hracht worden.

Bei Berathung der Strafprozeßordnung sind die Ansichten über die Berufung getheilt gewesen. Die Vorlage der verbündeten Regierungen wollte sie abschaffen. Sie berief sich dabei auf gesetzgeberische Vor⸗ ginge in Sachsen, Württemberg, Baden, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen⸗Altenburg, Waldeck und Hamburg, wo die Beseitigung des gedachten Rechtsmittels seit kürzerer oder längerer Zeit, zum theil sedoch nur in beschränktem Umfange, erfolgt war. Die Reichs⸗Justiz⸗ kommission hatte sich in erster Lesung, entgegen der Vorlage, für die Beibehaltung der Berufung in den landgerichtlichen Straf⸗ sachen ausgesprochen. Diesen Standpunkt gab sie erst gegenüber dem etschiedenen Widerspruch der auf, indem sie ihre Forde⸗ ung auf die schöffengerichtlichen Sachen beschränkte. Der Reichstag tet dem Beschlusse bei.

Für die Ausschließung der Berufung ist insbesondere die Annahme naßgebend gewesen, die Falefens eines solchen Rechtsmittels sei un⸗

wereinbar mit der Durchführung des Grundsatzes der Mündlichkeit 1nnd Unmittelbarkeit des Verfahrens.

Man glaubte eine bessere Ge⸗ währ für richtige Entscheidunzen hinsichtlich der Thatfrage darin zu finden, daß man das Verfahren in erster Instanz mit einer Anzahl dem früheren Prozeßrecht unbekannter Garantien umgab. Die prakrischen Erfahrungen im größten Theile des Reichs haben die Richtigkeit dieser Annahme nicht bestätigt. Wiederholt sind Klagen über Mangelhaftigkeit der Rechtsprechung der Strafkammern hinsicht⸗ lcch der Thatfrage laut geworden. Mögen dieselben auch übertrieben sein, so erscheint doch eine bessere Gewähr gegen unrichtige Entschei⸗ dungen dieser Art wünschenswerth. Eine solche wird aber am sichersten dadurch erreicht, daß die Möglichkeit der Nachprüfung der Thatfrage in einer zweiten Instanz gegeben wird. Jedenfalls hat sich heraus⸗ estellt, daß ein Strafverfahren, welches die Berufung ausschließt, im olksbewußtsein nicht das erhoffte Vertrauen zu gewinnen vermag. Der Berücksichtigung dieses Umstandes kann sich der Gesetzgeber, selbst venn vom Standpunkte der Theorie sich gegen die Berechtigung der Berufung Zweifel erheben lassen, nicht entziehen, da das öffentliche Vertrauen in die Gestaltung der Strafrechtspflege eine wesentliche Voraussetzung für deren gedeihliche Wirksamkeit bildet.

Weiterhin kommt in Betracht, daß die Fulassung der Berufung senstige Abänderungen des Verfahrens ermöglicht, welche dasselbe zu vereifjachen und die Wirksamkeit der Strafrechtspflege zu erhöhen geignet sind.

Die ausländische Gesetzgebung hat denn auch dem Schritte, welchen das Reich mit der Beseitigung der Berufung gethan hat, sich nicht ingeschlossen. Wie aus der Anlage A ersichtlich, ist fast in allen enropäischen Staaten die Appellation bis auf die Gegenwart bei⸗ zehalten. Namentlich aber haben diejenigen Gesetze oder Entwürfe, die der deutschen Strafprozeßordnung zeitlich nachgefolgt sind, die Appellation nicht aufgegeben; so der belgische Entwurf von 1885, das nederländische Wetboek van Strafvordering von 1886, die norwegische Strafprozeßordnung vom 1. Juli 1887 und der ungarische Entwurf don 1888. Die Niederlande, welche die Berufung früher abgeschafft Hatten, haben dieselbe im Jahre 1874 wieder eingeführt. Es arf hiernach angenommen werden, daß im Auslande die Erfahrungen bis auf die neueste Zeit zu Gunsten der Berufung sprechen. 8 Die Vorlage will demgemäß zu dem früher in dem überwiegenden Theile Deutschlands und jetzt noch in dem weitaus größten Theile des

landes herrschenden Rechtszustande durch Einführung der Berufung egen die in erster Instanz gefällten Urtheile der Strafkammern zu⸗ tückkehren (Art. II § 354).

Die Gestaltung des Rechtsmittels ist von zu großer Bedeutung

seine Wirksamkeit, um an dieser Stelle vollständig übergangen id in den besonderen Theil der Begründung verwiesen zu werden. db Die Entscheidung über die Berufung soll grundsätzlich den

ver⸗Landesgerichten übertragen werden (Art. 1 § 123 Nr. 2). ders erscheint als ein unerläßliches Erforderniß, wenn der unter⸗ wammene gesetzgeberische Schritt zu dem angestrebten Ziele führen soll, dessfentliche Vertrauen in die Strafrechtspflege zu stärken beziehungs⸗ eise wieder herzustellen. det Der Streit, ob die Ober⸗Landesgerichte oder die Landgerichte zur scheidung über die Berufung geeigneter seien, ist in der Wissen⸗

ft, in der politischen Tagespresse und in gesetzgebenden Körper⸗

F. mit einem großen Aufwande von Gründen geführt worden.

ie ersten Bestrebungen zu Gunsten der Berufung hervortraten, n a überwiegende Meinung den Landgerichten den Vorzug ufcn „Für diese Regelung wird geltend gemacht, daß die Be⸗ ichte lediglich eine erneute Sachverhandlung vor einem anderen richte sei und daß eine solche Verhandlung vor den Ober⸗Landes⸗ Fichten bei der Größe ihrer Bezirke ohne Beeinträchtigung der sätze der Mündlichkeit nicht ausführbar erscheine.

Zum Wesen der Berufung gehört jedoch nicht nur ein Wechsel

in der Person des erkennenden Richters, sondern zugleich auch die Gestaltung der zweiten Instanz als einer oberen. Der zweite Richter muß ein höherer Richter und damit ein solcher sein, welchem in der Volksmeinung ein größeres Maß von Erfahrung und Unbefangenheit beigemessen wird. Mit der wiederholten Sachverhand⸗ lung im Berufungsverfahren ist fast immer auch eine Kritik der Entscheidung des ersten Richters verbunden, welche nur einem Richter übertragen werden kann, der im allgemeinen einen weiteren Gesichts⸗ kreis hat und den Einflüssen des Ortes der ersten Aburtheilung entrückt ist. Die Berufung von einem Landgericht an das andere oder von einer Kammer desselben Landgerichts an die andere wird vielfach nicht als eine Einrichtung angesehen, welche die Richtigkeit der endlichen Entscheidung in genügendem Maße sicherstellt. Gleich⸗ geordnete Richter erscheinen einem großen Theile der Bevölkerung zur Nachprüfung der Urtheile ihrer Amtsgenossen nicht geeignet, weil ihnen eine bewährtere, als die schon im Gericht erster Instanz vertretene Einsicht nicht zugetraut wird, und weil die Befürchtung Platz greift, daß die zwischen ihnen und ihren in erster Instanz rechtsprechenden Kollegen bestehenden Lebensbeziehungen ihre Unparteilichkeit beein⸗ trächtigen könnten. Mit Vertrauen erfüllt die Rechtnehmenden nur das Bewußtsein, daß die weitere Prüfung der Sache durch das obere Gericht stattfindet, bei welchem sie die tiefere Einsicht und die größere Unbefangenheit voraussetzen. „Dieser Anschauung entspricht auch die Entwickelung der Berufung in Deutschland, welche mit sehr vereinzelten und vorübergehenden Ausnahmen die Entscheidung über die Berufungsbeschwerde einer höheren Instanz übertragen hat. In neuerer Zeit haben von den jetzt preußischen Landestheilen nur die Rheinprovinz und Hannover eine entgegengesetzte Einrichtung besessen. Ueber die dort gemachten Erfahrungen sind die Meinungen verschieden. Jedenfalls erscheinen diese vereinzelten Vorgänge nicht geeignet, einen richtigen Maßstab für die voraussichtliche Bewährung im ganzen Reich abzugeben.

Auch das europäische Ausland kennt, wie in der Anlage A näher dargestellt ist, nur die Berufung an ein höheres Gericht. Die beiden einzigen Staaten, welche früher ein entgegengesetztes System befolgten, nämlich Frankreich und Belgien, haben dasselbe seit 1856 beziehungs⸗ weise seit 1846 aufgegeben und leiten seitdem die Appellation aus⸗ schließlich an die Appellhöfe.

Bei Wahl der Landgerichte als Berufungsgerichte würden sich Unzuträglichkeiten hinsichtlich der Einheitlichkeit und Kollegialität dieser Gerichte infolge der Erhebung eines Theiles ihrer Mitglieder zu einer den anderen übergeordneten Instanz nicht überall ausschließen lassen. Der Mangel an geeigneten Kräften zur Bildung von Be⸗ rufungskammern würde bei den kleineren Landgerichten empfindlich fühlbar werden. Man würde bei diesen, oft nur mit acht Richtern, einschließlich der Vorsitzenden, besetzten Gerichten häufig zu einer durch das Arbeitsmaß nicht gerechtfertigten Vermehrung der Mitglieder schreiten müssen.

Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung hinsichtlich der Straf⸗ zumessung würde durch die Schaffung vieler kleiner Berufungsgerichte beeinträchtigt werden, da insoweit eine Nachprüfung des Revisions⸗ gerichts ausgeschlossen ist.

„Es würde nicht folgerichtig sein, gegenüber den Klagen über

Mängel in der Rechtsprechung der Strafkammern dem Verlangen nach Einführung der Berufung stattzugeben, das Rechtsmittel aber den⸗ selben Gerichten zur Entscheidung zu überweisen, gegen welche sich die Klagen richten. Daß diesen Gerichten eine nähere Kenntniß der Per⸗ sonen und Verhältnisse beiwohne als den Ober⸗Landesgerichten, wird in dieser Allgemeinheit nicht zuzugeben sein. Auch läßt sich die Frage aufwerfen, ob für die Berufungsgerichte nicht gerade die Freiheit von einer näheren örtlichen Verbindung mit den Bezirkseingesessenen wünschenswerth ist, insofern sie eine größere Unbefangenheit zu ver⸗ bürgen scheint. Scchließlich kommt in Betracht, daß die Ober⸗Landesgerichte die Beschwerdeinstanz für die Beschlüsse der Landgerichte bilden und auch in Zukunft bilden sollen. Es würde unzweckmäßig sein, die Entschei⸗ dung über die Rechtsmittel gegen die Urtheile und gegen die Be⸗ schlüsse der Landgerichte verschiedenen Gerichten zu übertragen.

Die Größe der Bezirke einiger Ober⸗Landesgerichte dürfte der Wahl der letzteren zu Berufungsgerichten nicht entgegenstehen. Aller⸗ dings liegt in dieser Größe eine gewisse Schwierigkeit für die Durch⸗ führung des Grundsatzes der Mündlichkeit, insofern die unmittelbare Vernehmung der oft entfernt wohnenden Zeugen am Sitze des Ober⸗ Landesgerichts in manchen Fällen nur mit Weiterungen für die Be⸗ theiligten und mit nicht unbeträchtlichen Kosten zu bewerkstelligen sein wird. Es könnte in Frage kommen, ob in der Berufungsinstanz eine volle Durchführung der Mündlichkeit unbedingt nothwendig ist, und ob nicht, wie es in anderen europäischen Staaten Rechtens ist, gewisse Beschränkungen der Mündlichkeit für diese Instanz statthaft Der Entwurf hat jedoch geglaubt, von dem Grundsatz der Unmittel⸗ barkeit der Verhandlung nicht in weiterem Umfange abweichen zu sollen, als dies in dem Berufungsverfahren gegen schöffengerichtliche Urtheile der Sn ist. Die aus der Größe einzelner Ober⸗Landes⸗ gerichtssprengel erwachsenden Schwierigkeiten lassen sich durch die Errichtung abgezweigter Strafsenate wesentlich vermindern. Auf diese Weise wird es möglich sein, die Spruchbezirke der einzelnen Berufungssenate ungefähr auf den Umfang der Sprengel der ehemaligen preußischen Appellationsgerichte zu bringen und dadurch Schwierigkeiten in Betreff der mündlichen Vernehmung der Zeugen und EE vorzubeugen. Eine ähnliche Einrichtung besteht bereits jetzt in den durch § 78 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu⸗ gelassenen abgezweigten Strafkfammern. Um den Unzuträglichkeiten zu begegnen, welche durch das häufige Zureisen einer größeren Zahl von Mitgliedern der Ober⸗Landesgerichte zu den Sitzungen der aus⸗ wärtigen Senate hervorgerufen werden könnten, soll die Besetzung der letzteren auch durch Richter der betheiligten Landgerichte zugelassen werden.

Die Schwierigkeiten, welche mit einer weiteren Entfernung des Gerichts verbunden sind, dürfen in Anbetracht der jetzigen Verkehrs⸗ verhältnisse überhaupt nicht zu hoch angeschlagen werden. Weitaus die meisten Gegenden werden mit dem Sitze des Berufungssenats durch die Eisenbahn verbunden sein, und wenn der Wohnort einmal perlassen werden muß, macht es für die Betheiligten meist keinen erheblichen Unterschied, ob die Eisenbahnfahrt etwas länger dauert. Auch trifft die Nothwendigkeit, in Strafsachen Zeuge in der Berufungsinstanz zu sein, doch nur einen kleinen Bruchtheil der Bevölkerung. Jedenfalls wird die Rücksicht auf die unter Umständen für einzelne erwachsenden Unbequemlichkeiten vor der Fürsorge für eine zweckentsprechende Ent⸗ scheidung über das Rechtsmittel zurücktreten müssen. 1

Hiernach sieht der Entwurf die Errichtung abgezweigter Straf⸗ senate für die vom Sitze des Ober⸗Landesgerichts entfernteren Land⸗

erichte vor (Art. I § 124 Abs. 2). Ob ein Landgericht als ein vom itze des Ober⸗Landesgerichts entfernteres anzusehen ist, wird selbst⸗ verständlich nicht ausschließlich nach der geographischen Entfernung, vielmehr unter Berücksichtigung der gesammten Verkehrsverhältnisse zu beurtheilen sein. 4 8

Das Verfahren in der Berufungsinstanz ist wie bereits er⸗ wähnt als ein mündliches gedacht und gegenüber dem bisherigen Gesetze nicht wesentlich verändert. Doch wird für die Zulassung des Rechtsmittels eine FK durch vasehe bestimmter Beschwerde⸗ punkte verlangt, um einem Mißbrauch desselben zu begegnen.

2) Entschädigung für unschuldig erlittene Bestrafung und Einschränkung 2 Wieberaafnabme des rechtskräftig geschlossenen Strafverfahrens auf Grund neuer Thatsachen und Beweismittel.

Seit länger als einem Jahrzehnt ist der Reichstag fast in jeder Session mit Anträgen befaßt gewesen, welche bezweckten, in der Reichsgesetzgebung den Grundsatz zur Anerkennung zu bringen, daß der Staat verpflichtet sei, Schadensersatz für die Nachtheile zu gewähren, welche jemand infolge eines ohne sein Verschulden gegen ihn ein⸗ geleiteten Strafverfahrens erleidet.

Hierbei machten sich mehrfache Meinungsverschiedenheiten geltend, namentlich in der Richtung, ob es sich empfehle, auch für die erlittene Untersuchungshaft eine Entschädigung zu gewähren, und ob es nicht

richtiger sei, nur die Fälle einer zu ne eüc⸗e Staabdos i

frefung ins Auge zu fassen, ob jedem im Wiederaufnahmeverfahren reigesprochenen ein Anspruch

nur demjenigen, dessen Unschuld zu Tage getreten, ob die Entschädi gung auf den Ersatz der vermögensrechtlichen Nachtheile, welche durch die Strafvollstreckung verurfacht sind, zu beschränken, sowie endlich daxüber, wie das Verfahren für die Geltendmachung des Entschädi⸗ gungsanspruchs zu gestalten sei. G

Während diese Meinungsverschiedenheiten in den von den Kom⸗ missionen des Reichstags gefaßten Heschleßfen bald in diesem, bald in jenem Sinne entschieden sind, hat der Reichstag selbst in den von ihm angenommenen Gesetzentwürfen unter Ablehnung weitergehender Anträge sich dafür ausgesprochen, daß eine Entschädigung nur den im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen zu gewähren und daß dieselbe auf den 8 der vermögensrechtlichen, durch die Strafvollstreckung verursachten Nachtheile zu beschränken sei.

Stenographischer Bericht 1886 S. 1475 ff., . 1886 1497, b 1888 1257.

Eine große Mehrheit hat sich zu dem Verlangen vereinigt, daß der Anspruch auf Schadensersatz innerhalb der vorbezeichneten Be⸗ grenzung nicht nur gesetzlich anzuerkennen, sondern daß demselben auch der Charakter eines gerichtlich verfolgbaren Rechtes beizulegen sei.

Wenn der Bundesrath Anstand genommen hat, den beschlossenen Gesetzentwürfen seine Zustimmung zu ertheilen, so geschah das nicht etwa infolge der Auffassung, daß wirklich unschuldig Verurtheilten eine Entschädigung aus öffentlichen Mitteln grundsä 92 zu versagen sei. Im Gegentheil ist in dem Beschlusse vom 17. März 1887 in Verbindung mit der Ablehnung des mittels Schreibens des Prä⸗ sidenten des Reichstags vom 13. März 1886 übersandten Gesetz⸗ entwurfs das Vertrauen ausgesprochen,

daß in den Bundesstaaten überall in ausreichender Weise für

ddie Beschaffung der Geldmittel Fen⸗ getragen werde, welche erforderlich sind, um den bei Handhabung der Strafrechtspflege nachweisbar unschuldig Verurtheilten eine billige Entschädigung zu gewähren.

Die Gründe der ablehnenden Haltung des Bundesraths beruhten vielmehr darin, daß es bei der gegenwärtigen Lage der Gesetzgebung auch Schuldigen gelingen kann, durch veränderter Umstände ihre Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen, und daß es gegen die Rechtsordnung und das öffentliche Rechtsbewußtsein ver⸗ stoßen würde, solchen Personen einen Anspruch auf Entschädigung zu gewähren. Das Gewicht dieser Gründe war übrigens im Jahre 1886 vom Reichstag selbst dadurch anerkannt worden, daß gleichzeitig mit dem die Entschädigung für erlittene Strafen bezielenden Gesetzentwurf ein weiterer Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung und Ergänzung der Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens, zur Annahme gelangte.

Ergab sich hiernach vom Standpunkte der verbündeten Regie⸗ rungen die Nothwendigkeit, bei Gewährung der Entschädigung unter den im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen zu unter⸗ scheiden, so gab andererseits die Frage, welcher Behörde bei Gestaltung des Anspruchs auf Schadensersatz als eines gerichtlich verfolgbaren Rechts die Entscheidung zu übertragen sei, zu schwerwiegenden Be⸗ denken Anlaß. Diese Entscheidung dem im Wiederaufnahmeverfahren erkennenden Gericht zu übertragen, verbietet sich schon aus dem Grunde, weil eine solche im schwurgerichtlichen Verfahren übrigens kaum denkbare Einrichtung die Wirkung haben müßte, diejenigen Freigesprochenen, welchen ein Entschädigungsanspruch nicht zuerkannt würde, in der öffentlichen Meinung mit einem Makel zu behaften und damit wenigstens zum theil die Uebelstände wieder ins Leben zu rufen, die mit der früheren sogenannten absolutio ab instantia ver- bunden waren. Nicht wesentlich anders aber wird die Sachlage, wenn die hier in Frage stehende Entscheidung von einer anderen richter⸗ lichen Behörde getroffen wird. Sobald dem Freigesprochenen ein Anspruch gewährt wird, der von der gegichtrichen Anerkennung seiner Unschuld abhängig ist, bildet es eine Ehrensache für ihn, diesen Anspruch durchzusetzen, und es wird, wenn ihm das nicht gelingt, fortdauernd der Verdacht der shssberee Handlung auf ihm lasten.

Mit Rücksicht auf die vorstehend angedeuteten Bedenken erschien der Standpunkt gerechtfertigt, die Gewaͤhrung des Schadensersatzes im einzelnen .. von dem Ermessen der ...ge S abhaͤngig zu machen. Wenn die Gewährung hiermit mehr den Charakter einer Gnadenbewilligung erhielt, so ließ sich dafür geltend machen, daß es gerade der Beruf der Gnade ist, im einzelnen Falle da einzutreten, wo, von einem höheren Standpunkte aus beurtheilt, Unrecht geschehen ist, obwohl das, was geschehen, auf formellem Recht beruht.

Diese Erwägungen haben indessen nicht vermocht, den Reichstag zu einer seiner Stellung zu bestimmen. Vielmehr liefern die Beschlüsse, welche der Reichstag gefaßt hat, nachdem der von ihm 1886 angenommene Gesetzentwurf durch den Bundesrath abgelehnt war, sowie die bis auf die neueste Zeit, und zwar von Mitgliedern verschiedener Parteien, gestellten Anträge den Beweis, daß seitens der Mehrheit nach wie vor daran festgehalten wird, den einem unschuldig Verurtheilten zuzugestehenden Anspruch auf Schadensersatz mit dem Charakter eines gerichtlich verfolgbaren Rechts zu bekleiden. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser Standpunkt, der inzwischen auch in dem österreichischen Gesetz vom 16. März 1892 zur Geltung gelangt ist, in weiten Kreisen der Bevölkerung getheilt wird.

Diese Wahrnehmung mußte Veranlassung geben, von neuem in die Prüfung der Frage einzutreten, ob es nicht angängig sei, innerhalb der in dem Gesetzentwurf vom 13. März 1886 vom Reichstag selbst ezogenen Grenzen dem Verlangen desselben zu entsprechen. Das Ergebniß dieser Prüfung bilden die Bestimmungen im Art. II §8§ 399 ff. des vorliegenden Entwurfs. Derselbe geht davon aus, daß darüber, ob die Voraussetzungen der staatlichen Entschädigungspflicht vorliegen, endgültig von den Gerichten zu entscheiden ist. Alsdann empfiehlt es sich aber, den Anspruch auf Entschädigung im wesentlichen von einem lediglich formalen Umstande, der nachträglichen Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren, abhängig zu machen. Die Gründe, aus denen es unthunlich erscheint, den Anspruch auf Schadensersatz an die Bedingung zu knüpfen, daß durch den im Wiederaufnahmeverfahren erkennenden Strafrichter oder in einem besonderen nachfolgenden gerichtlichen Verfahren die Unschuld des früher Verurtheilten fest⸗ gestellt sei, oder daß wenigstens alle gegen ihn vorliegenden Verdachts⸗ gründe für beseitigt erklärt seien, sind bereits erwähnt. Ist hiernach die Nothwendigkeit begründet, als Voraussetzung des Entschädigungs⸗ anspruchs lediglich die Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren hinzustellen, so ergiebt sich daraus die dringende und gegebenenfalls das Rechtsgefühl verletzende Gefahr, daß auch solchen Personen eine Entschädigung zutheil werden kann, welche im Wiederaufnahme⸗ verfahren ihre Freisprechung erzielt haben, obwohl das Ergebniß des ersten Verfahrens dem Sachverhalte thatsächlich entsprach. Will man dieser Gefahr entgehen, so bietet sich kein anderer Ausweg, als, ab⸗ weichend von der jetzigen Gesetzgebung, das Wiederaufnahmeverfahren so zu gestalten, daß dasselbe voraussichtlich nur Unschuldigen zu gute kommt. 8 1 8

Der Entwurf trifft demgemäß durch die veränderte Fassung des § 399 Nr. 5 der Strafprozeßordnung (Artikel II1) Vorsorge dahin, daß fortan nur solche Verurtheilte die Wiederaufnahme des Ver⸗ fahrens erlangen können, deren Unschuld für dargethan zu erachten ist, sei es in Betreff der That überhaupt, sei es hinsichtlich eines die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes begründenden Umstandes. Er befindet sich hierbei in Uebereinstimmung mit dem im Jahre 1886 vom Reichstag beschlossenen Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung und Ergänzung der Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens, sowie mit späteren im Reichstag ge stellten Anträgen. 1

Zu vergleichen Drucksachen des Reichstags

8. Legislaturperiode I. Session 1890 Nr. 144, 8. 5 II. 5 1892/93 Nr. 18.

Gleiche Bestimmungen sind in einem neuen belgischen Gesetze ent⸗ halten (loi contenant le titre IX du livre III du code de pro- cédure pénale, 18 Juin 1894).

Das Bedürfniß einer Abänderung der Vorschrift des § 399 Nr. 5

auf Entschädigung zuzugestehen sei oder 8