1895 / 293 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Dec 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Wird das Gesuch verworfen, so kann der Gemeinschuldner das⸗ selbe nicht vor Ablauf von einem Jahre seit der Abweisung des An⸗

trags wiederholen.

§ 208 i. Die Kosten des Verfahrens hat der Gemeinschuldner zu tre selben nicht durch den unbegründeten Eins bigers verursacht sind, in welch letzterm spruchsverfahrens dem mit seinem zur Last fallen.

Die Wiederbefähigung tritt kraft Gesetzes ein mit dem Ablauf von! fünf Jahren seit dem Tage der Eröffnung des Konkursverfahrens. Dauert dasselbe länger als drei Jahre, so tritt die Wiederbefähi erst mit dem Ablauf von zwei Jahren verfahrens ein. 1 Im Falle des § 208 b tritt an Stelle der fünfjährigen Frist eine

von zehn Jahren. Das Gleiche gilt, wenn der Gemeinschuldner

wegen betrügerischen Bankerutts rechtskräftig verurtheilt worden ist; ist in diesem Fall zugleich auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt, so tritt die Wiederbefähigun Wiedererlangung der bürgerlichen Ehrenrechte ein. 1 8 Ist der Gemeinschuldner wegen Verfehlung gegen die Straf⸗ mmung der Konkursordnung rechtskräftig zu Freiheitsstrafe ver⸗ urtheilt, so ruht der Lauf der Frist während der Zeit der Straf⸗ verbüßung.

War die Konkurseröffnung wegen mangelnder Konkursmasse ab⸗ gelehnt, so finden die vorstehenden Bestimmungen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß an die Stelle des Tages der Konkurs⸗ eröffnung der Tag des Ablehnungsbeschlusses tritt.

pruch eines G lle die Kosten des Ein⸗ abgewiesenen Gläubiger

seit Beendigung des Konkurs⸗

g nicht vor dem Zeitpunkt der

I. Der § 210 der Konkursordnung erhält folgende Fassung:

§ 21 Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängniß bestraft, wenn durch Spiel oder Wetten, oder Börsenpapieren Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind; 2) aus Leichtsinn ihren Erwerbsbetrieb vernachlässigt haben; 3) obwohl sie ihre Ueberschuldun erheblichem Werth um Schleuderprei erheblichem Werth auf Borg gekauft haben, um dieselben zu ver⸗ pfänden oder zu geringeren Preisen als den laufenden Marktpreisen wiederzuverkaufen oder an Zahlungsstatt hinzugeben oder wechselmäßige Verbindlichkeiten eingegangen sind, um sich Gelder oder Geldwerthe zu verschaffen; 1 4) Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, daß sie keine Uebersicht ihres Vermögens⸗ zustandes gewähren, oder 88 5) es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuches unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen

oder durch

1) durch Aufwand, 2 dur übermäßige

Differenzhandel

kannten, Vermögensstücke von veräußert oder Waaren von

II. Hinter § 210 der Konkursordnung werden folgende Be⸗ stimmungen eingefügt:

Wer im Inlande wegen betrügerischen Bankerutts worden ist, darauf abermals im Inlande einen betrügerischen Bankerutt begangen hat, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren und. so⸗ fern mildernde Umstände vorliegen, mit Gefängniß nicht unter einem Jahre bestraft.

Wer im Inlande, nachdem er im Inlande wegen Bankerutts bestraft worden ist, einen einfachen Bankerutt begangen hat, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.

Diese Bestimmungen finden Anwendung, auch wenn die frühere Strafe nur theilweise verbüßt oder ganz oder theilweise erlassen ist, bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlaß der letzten Strafe bis zur Begehung des neuen Bankerutts zehn Jahre verflossen sind.

§ 210 Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wei Jahren bestraft, falls sie entgegen der

mit Gefängniß bis zu r s. 2 es unterlassen haben, den Antrag auf

Bestimmung des § 96 Eröffnung des Konkursverfahrens zu stellen. b 8 III. Der § 211 der erhält folgende Fassung: 21

Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie, obwohl sie ihre Zahlungsunfähigkeit kannten,

1) einem Gläubiger in der Absicht, ihn vor den übrigen Gläu⸗ bigern zu begünstigen, eine Sicherung oder Befriedigung gewährt haben, welche derselbe nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte; ) unter Verschweigung ihrer Vermögenslage jemanden dazu ver⸗ anlaßt haben, daß er ihnen persönlichen Kredit gab. b e zu 2 tritt die Verfolgung nur auf Antrag des Gläubigers ein. 8 IV. Der § 214 der Fohh.hg erhält folgende Fassung: 214

Die Strafvorschriften der §§ 209 die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesells genen Genossenschaft und gegen die schaft oder eingetragenen Genossensch gestellt hat, oder über deren Vermö b worden ist, Anwendung, wenn sie in dieser Eigenschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben. Die persönlich haftenden Gesellschafter und die Liquidatoren einer ooffenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien werden mit Gefängniß bis zu drei Monaten und zugleich mit Geldstrafe bis zu 5000 bestraft, falls sie entgegen der Bestimmung des § 199 Abs. 2 es unterlassen haben, den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zu stellen. Umstände vorhanden, so ist ausschließlich auf Geldstrafe egen denjenigen, ohne dessen Verschulden

„210, 210 a, 211 finden gegen chaft oder eingetra⸗ Liquidatoren einer Handelsgesell⸗ aft, welche ihre Zahlungen ein⸗ gen das Konkursverfahren eröffnet

Sind mildernde zu erkennen. Die Strafe tritt nicht ein der Eröffnungsantrag unter

freisinnigen Vo lks⸗

Zentrum und der deutsch Antrag ein⸗

partei ist im Reichstag gleichlautend folgender gebracht worden: b

8 Der Reichstag wolle beschließen: dem nachstehenden Gesetz⸗ entwurf, betreffend die eingetragenen Berufsvereine, die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen:

I. Allgemeine Vorschriften.

§1. Vereine, welche die Förderung der Berufsinteressen und die Unterstützung ihrer Mitglieder bezwecken, erlangen Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister desjenigen Amtsgerichts, in dessen Bezirk sie ihren Sitz haben. Als Sitz des Vereins gilt, wenn

nicht ein anderes erhellt, der Ort, an welchem die Verwaltung ge⸗

führt wird.

§ 2. fassung eines rechtsfähigen Berufsvereins wird, soweit chfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereins⸗

ß den Zweck, Namen und Sitz des Vereins ent⸗ ß der Verein eingetragen werden soll. Namen der an demselben Ort oder in der⸗ eingetragenen Berufsvereine deutlich

t auf den na satzung (Statut) be

Das Statut mu halten und ergeben, Name soll sich von den selben Gemeinde besteh

Das Statut soll Bestimmungen enthalten:

1) über den Eintritt und Austritt der Mitglieder,

2) darüber, ob und welche Beiträge die Mitglieder zu leisten und welche Unterstützungen sie zu beziehen bern

3) über die Bildung des Vorstandes, 1

4) über die Voraussetzungen, unter welchen eine Berufung der Mitgliederversammlung zu erfolgen hat, über die Form für die Be⸗ Bfung über die Beurkundung der in der Versammlung gefaßten

eschlüsse, 9 über die etwaigen sonstigen Vereinsorgane und deren Be⸗ ugnisse,

6) über die etwaige Bildung von Zweigvereinen. 1b

§ 4. 1

Der Berufsverein muß einen Vorstand haben. Der Vorstand kann aus mehreren Personen bestehen. Die Bestellung des Vorstandes erfolgt durch Beschluß der Mitgliederversammlung. .

Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet der Ent⸗ schädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Die Widerruflichkeit kann durch das Statut auf den Fall beschränkt werden, daß ein wichtiger, den Widerruf rechtfertigender Grund vorliegt. FEin solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. 1u“

Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang seiner Vertretungsmacht kann durch das Statut mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden. Die Rechte und Pflichten des Vorstandes gegen⸗ über dem Verein werden durch die für den Auftrag geltenden gesetz⸗ lichen Vorschriften geregelt.

§ 5.

Besteht der Vorstand ans mehreren Personen, so erfolgt die Be⸗ schlußfassung desselben nach den für die Beschlüsse der Mitglieder⸗ versammlung geltenden Vorschriften. Ist eine Willenserklärung dem Vereine gegenüber abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitgliede des Vorstandes. Soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstandes fehlen, sind dieselben bei Gefahr im Verzug auf Antrag eines Betheiligten von dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verein 1 Sitz hat, für die Zeit bis zur Hebung des Mangels zu

estellen.

§ 6.

Der Vorstand hat den Verein bei dem Amtsgericht zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung sind beizufügen:

1) das von mindestens sieben Mitgliedern unterzeichnete Statut und eine Abschrift desselben;

n 8 eine Abschrift der Urkunden über die Bestellung des Vor⸗ andes.

Das Amtsgericht hat den Verein, sofern den in diesem Gesetz aufgestellten örsordernt en genügt ist, unverzüglich in das Vereins⸗ register einzutragen. Bei der Eintragung sind der Name und der Sitz des Vereins, das Datum des Statuts, sowie die Mitglieder des Vor⸗ standes anzugeben. Einzutragen sind auch Bestimmungen, welche den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstandes beschränken oder die Beschlußfassung desselben abweichend von den Vorschriften des § 4 Abs. 3 und § 5 Satz 1 regeln. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen und sind für die Willenserklärungen desselben in dem Statut Bestimmungen gegeben, welche von den Vorschriften des § 5 Satz 1 abweichen, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen.

Gegen den die Eintragung ablehnenden Beschluß des Amtsgerichts findet die sofortige Beschwerde nach Maßgabe der Zivilprozeß⸗ ordnung statt.

Mit der Eintragung erhält der Name des Vereins die zusätzliche Bezeichnung „eingetragener Berufsverein“. Das Amtsgericht hat die Eintragung durch das für seine Bekanntmachungen bestimmte Blatt zu veröffentlichen.

Nach der Eintragung ist das Statut, mit der Bescheinigung der⸗ selben versehen, zurückzugeben. Die Abschrift des Statuts wird nach vorgängiger Beglaubigung sammt den übrigen Schriftstücken bei Ge⸗ richt aufbewahrt. 8

§ 7.

Jede Aenderung des Vorstands sowie die erneute Bestellung eines Vorstandsmitglieds ist von dem Vorstande bei dem Amtsgerichte zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunde über die Aenderung oder die erneute Bestellung beizufügen. Die Eintragung gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder erfolgt von Amtswegen. Eine nicht in das Vereinsregister eingetragene Aenderung des Vorstands kann einem Dritten von dem Vereine nur entgegen⸗ gesetzt werden, wenn der Dritte die Aenderung bei der Vornahme des Rechtsgeschäftes kannte. Ist die Aenderung eingetragen, so muß der Dritte sie gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß er sie ber der Vornahme des Rechtsgeschäfts weder kannte noch kennen mußte. Diese Vorschriften finden auf die nach § 6 Abs. 2 einzutragenden Bestim⸗ mungen entsprechende Anwendung.

Der Nachweis, daß der Vorstand aus den in das Register einge⸗ tragenen Personen besteht, wird Behörden gegenüber durch ein Zeugniß des Amtsgerichts über die Eintragung geführt.

§ 8.

Jeder für einen bestimmten Bezirk oder innerhalb eines Bezirks für bestimmte Klassen von Mitgliedern gebildete Zweigverein ist von dem Vorstand bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sich jener be⸗ findet, zur Eintragung in das Vereinsregister anzumelden. Die An⸗ meldung muß den Sitz und Bezirk des Zweigvereins sowie die mit der Zweigverwaltung betrauten Personen nach Namen und Wohnort angeben. Derselben ist eine Abschrift des Statuts sowie eine Ab⸗ schrift der Urkunden über die Vorstandsbestellung und die Beauftra⸗ gung des Geschäftsführers des Zweigvereins beizufügen.

Das Amtsgericht hat den Zweigverein sowie den Namen und Wohnort des Geschäftsführers einzutragen.

Jede Aenderung in dem Bezirk des Zweigvereins oder in der Geschäftsführung ist von dem Vorstand anzumelden. Die Vorschriften des § 6 Abs. 2 und 3 und des § 7 finden entsprechende Anwendung.

Das Amtsgericht hat die Eintragung des Zweigvereins sowie die Aenderungen des Eintrags demjenigen Amtsgericht mitzutheilen, in dessen Bezirk der Verein seinen Sit hat.

Der Zweck der Berufsvereine kann insbesondere durch folgende Unterstützungen und Einrichtungen erstrebt werden:

1) unentgeltliche Rechtsberathung und Rechtsschutz;

2) Arbeitsnachweisung und Unterstützung bei Reisen, bei Arbeits⸗ losigkeit, Arbeitsausständen und Arbeitsausschlüssen, sowie in außer⸗ ordentlichen Nothfällen;

3) berufliche Bildung durch Vorträge, Diskussionen und Beschluß⸗ fassungen über alle das Interesse der Mitglieder berührende Fragen, Unterrichtskurse, Bibliothek und Zeitschriften, insbesondere Förderung der körperlichen, technischen, geistigen und sittlichen Ausbildung der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter;

4) Vertretung der Rechte und Interessen der Mitglieder, ins⸗ besondere durch Errichtung von Schieds⸗ und Einigungsämtern.

Die Unterstützungen und Einrichtungen können auch auf die

Familienangehörigen der Mitglieder ausgedehnt werden.

II. Rechte und Pflichten der Mitglieder.

§ 10. Die Ansprüche aus der Mitgliedschaft sind nicht übertragbar, sie können nicht gepfändet und nur auf geschuldete Beiträge aufgerechnet werden. § 11

Die Mitglieder sind zum Austritt aus dem Vereine berechtigt. Durch das Statut kann bestimmt werden, daß der Austritt nur am Schluß eines Geschäftsjahres stattfindet; auch kann eine Kündigungs⸗ frist von höchstens zwei Jahren bestimmt werden.

Die Mitglieder können nur aus den in dem Statut bezeichneten Gründen aus dem Verein werden.

Die ausgeschiedenen Mitglieder haften dem Verein für die bis zum Ausscheiden fälligen Vereinsbeiträg

12

Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit die Besorgung derselben nicht dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan ob⸗ liegt, durch Beschlußfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, daß der Hegenstand desselben bei Berufung der Versammlung bezeichnet ist. len Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der erschienenen

itglieder.

Ein auf der Zustimmung aller Mitglieder beruhender Beschluß ist auch ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn die Zu⸗ stimmung schriftlich erklärt ist.

Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn ihm die bürger⸗ lichen Ehrenrechte aberkannt sind oder wenn die Beschlußfassung die Eingehung eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Vereine betrifft. Die Urkunde über die in der Mitgliederversammlung gefaßten Be⸗ schlüsse ist von dem Vorsitzenden und mindestens zwei Mitgliedern zu unterschreiben. § 13

Die Mitgliederversammlung kann aus Vertretern bestehen, welche von den stimmberechtigten Mitgliedern gewählt sind. Die Wahl kann von den Mitgliedern nach Abtheilungen erfolgen. Die Zahl der Ver⸗ treter muß die Zahl der Vorstandsmitglieder um das Doppelte über⸗ steigen und mindestens zehn betragen.

§ 14.

Zur Gültigkeit eines Beschlusses, durch welchen das Statut geändert wird, bedarf es einer Mehrheit von drei Viertheilen der erschienenen Mitglieder. Die Aenderung ist von dem Vorstand an⸗ zumelden. Der Anmeldung ist der die Aenderung enthaltende Beschluß und eine Abschrift desselben beizufügen. Die Vorschriften des § 6 Absatz 2 und 5 finden ““ .

Die Mitgliederversammlung ist außer den im Statut bestimmten Fällen zu berufen, wenn es das Interesse des Vereins erfordert oder wenn der zehnte Theil oder der im Statut hierfür bestimmte größere oder geringere Theil der Mitglieder in einer von ihnen unterschriebenen he unter Anführung des Zwecks und der Gründe die Berufung verlangt.

Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht,

in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat, die Mitglieder, welche das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung er⸗

mächtigen, auch über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung Bestimmung treffen. Auf die Ermächtigung muß bei der Berufung

der Versammlung Bezug 8 16

Die Einnahmen und Ausgaben des Vereins sind von allen den Zwecken des Vereins fremden Vereinnahmungen und Verausgabungen

getrennt festzustellen und zu verrechnen; ebenso sind Bestände gesondert zu verwahren.“

Der Vorstand ist verpflichtet, binnen 6 Monaten nach Ablauf

jeder Geschäftsperiode den Mitgliedern Rechnung zu legen.

III. Auflösung. H 17

Der Verein kann durch Beschluß der Mitgliederversammlung

aufgelöst werden. Zu dem Auflösungsbeschlusse bedarf es einer Mehr⸗ heit von drei Viertheilen der erschienenen Mitglieder.

Sinkt die Zahl der Vereinsmitglieder unter drei herab, so hat das Amtsgericht auf Antrag des Vorstandes und, wenn der Antrag nicht binnen sechs Monaten erfolgt, von Amtswegen nach Anhörung

des Vorstandes die Auflösung des Vereins auszusprechen. Der Be⸗

schluß ist dem Verein zuzustellen. Gegen denselben findet die sofortige Beschwerde nach Maßgabe der Zivilprozeßordnung statt. Der Verein

erlischt mit der Rechtskraft des

Der Verein kann aufgelöst werden, wenn er durch esetzwidrige

Beschlüsse der Mitgliederversammlung oder durch gesetzwidriges Ver halten des Vorstandes das Gemeinwohl gefährdet und der Auflag der Aufsichtsbehörde, solche Beschlüsse aufzuheben. beziehungsweise den

Vorstand abzusetzen, innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist.

Die Auflösung kann in diesem Falle nur auf Betreiben der

höheren Verwaltungsbehörde durch gerichtliches Erkenntnin erfolgen. 1

Als das zuständige Gericht ist dasjenige anzusehen, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat.

19.

Der Verein wird durch Eröffnung des Konkurses aufgelöst. Der Vorstand hat im Falle der Ueberschuldung die Eröffnung des Kon⸗ kurses zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so haften die Vorstandsmitglieder, welchen ein Verschulden zur Last fällt,

den Gläubigern für den Ersatz des daraus entstandenen Schadens als

Gesammtschuldner. Auf das Konkursverfahren finden die Vorschriften

der §§ 193, 194 der GWE“ entsprechende Anwendung. § 20.

Die Auflösung des Vereins sowie das Erlöschen eines Zweig⸗ vereins ist in das Vereinsregister einzutragen, sofern die Auflösung

nicht die Folge des eröffneten Konkurses ist.

Im Fall der Auflösung durch Beschluß der Mitgliederversamm⸗ lung oder durch Ablauf der für die Dauer des Vereins bestimmten

Zeit sowie im Fall des Erlöschens eines Zweigvereins hat der Vorstand diesen Vorgang anzumelden. Der Anmeldung ist im ersten und letzten Fall eine Abschrift des Beschlusses beizufügen. 1

Wird der Verein in Gemäßheit des § 18 oder auf Grund des

öffentlichen Vereinsrechts aufgelöst, so erfolgt die Eintragung auf

Anzeige der zuständigen Behörde. 1

Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vereins ist von Amtswegen einzutragen. Das Gleiche gilt von der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses sowie von der Einstellung und Aufhebung des Konkurses.

8 21lä 1

Nach Auflösung des Vereins fällt dessen Vermögen an diejenigen,

welche durch das Statut oder durch einen im Statut vorgesehenen

Beschluß der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereins⸗ organs als anfallberechtigt bestimmt sind. 1 3

Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so fällt das Vermögen

vhnh zur Zeit der Auflösung vorhandenen Mitglieder zu gleichen

eilen.

§ 22.

Nach Auflösung des Vereins muß die Liquidation des Vereins⸗ vermögens stattfinden. 8

Die Liquidation geschieht durch den Vorstand, wenn nicht andere Liquidatoren bestellt werden. die Bestellung der letzteren sind die für die Bestellung des Vorstandes in den §§ 4 und 5 gegebenen Vorschriften maßgebend. Die Liquidatoren haben, soweit nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes sich ergiebt, die rechtliche Stellung des Vorstandes. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so ist, sofern nicht ein anderes bestimmt ist, zur Beschlußfassung Ueber⸗ einstimmung sämmtlicher Ehges erforderlich.

Die Liquidatoren sind in das Vereinsregister einzutragen. Das Gleiche gilt von Bestimmungen, welche die Beschlußfassung derselben abweichend von der Vorschrift des § 22 Abs. 2 regeln.

Die Anmeldung hat durch den Vorstand, bei späteren Aenderungen durch die Liquidatoren zu erfolgen. Die Eintragung gerichtlich be⸗ stellter Liquidatoren geschieht von Amtswegen. 8

Der Anmeldung der durch Beschluß der Mitgliederversammlung bestellten Liquidatoren ist eine Abschrift des Beschlusses, der An⸗ meldung einer Bestimmung über die Beschlußfassung der Liquidatoren eine Abschrift der die ““ Urkunde beizufügen.

Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte des aufgelösten Vereins zu beendigen, die Gläubiger zu befriedigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und den ver⸗ bleibenden Ueberschuß den Anfallberechtigten auszuantworten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen und die Um⸗

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betheiligten Vereine seinen hat. 8 9

setzung des übrigen Vermögens in Geld kann insoweit unterbleiben, c diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Vertheilung des Ueberschusses unter die Anfa llberechtigten er⸗ forderlich sind. . v“ b Bis zur Beendigung der Liquidation ist der Verein noch inso⸗ weit als fortbestehend anzusehen, als der Zweck der Liquidation es erfordert. Die Auflösung des Vereins ist durch die Liquidatoren öffentlich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung sind die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Die Bekanntmachung er⸗ folgt durch das im Statut für Veröffentlichungen bestimmte Blatt, in Ermangelung eines solchen durch dasjenige Blatt, welches für Be⸗ kanntmachungen des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat, bestimmt ist. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt mit Ablauf des zweiten Tages nach der Einrückung oder der ersten Ein⸗

ekannte Gläubiger sind durch besondere Mittheilung zur An⸗ meldung aufzufordern. . § 26.

Vorstandsmitglieder und Liquidatoren, welche die ihnen nach den §§ 16, 24 und 25 obliegenden Verpflichtungen verlehen oder schuld⸗ hafter Weise Vermögen den Anfallberechtigten vor Befriedigung der Gläubiger ausantworten, haften den Gläubigern für den Ersatz des daraus entstandenen Schadens als Gesammtschuldner.

IV. Verband.

§ 27.

Eine Vereinigung mehrerer Berufsvereine zu einem Verbande behufs gemeinsamer Verfolgung ihrer Zwecke (§§ 1, 9) sowie Er⸗

Das Statut darf keine Bestimmung enthalten, welche mit dem Zweck des Verbandes nicht in Verbindung steht oder den Vorschriften dieses Gesetzes zuwiderläuft.

§ 28.

Der Verband ist durch einen aus der Wahl der Vorstände oder Mitgliederversammlungen der betheiligten Vereine hervorgegangenen Vorstand zu verwalten. Seine Pflichten und Befugnisse bestimmt das Statut. Sein Sitz darf nur an einem Orte sein, wo einer der

Auf die Mitglieder des Vorstandes und die fonstigen Organe des Verbandes finden die Bestimmungen der §§ 4— 7 entsprechende Anwendung. 1

V. Schlußbestimmungen. Die Vorschriften des § 4 Abs. 3 Satz 3, des § 5 Satz 1, der §§ 12, 14 Satz 1 und des § 17 Abs. 1 Satz 2 finden keine Anwen⸗ ung, wenn das Statut ein anderes bestimmt.

Das Amtsgericht kann die Mitglieder des Vorstandes zur Befol⸗ ung der in den §§ 7, 8, 14, 20 Abs. 2 und dem § 23 Abs. 2 und 3 nthaltenen Vorschriften durch Ordnungsstrafen bis zu dreihundert Mark anhalten. In gleicher Weise können die Liquidatoren zur Be⸗ olgung der Vorschrift des § 23 Abs. 2 und 3 angehalten werden.

§ 31.

Die Anmeldungen zum Vereinsregister sind von den Mitgliedern des Vorstandes sowie von den Liquidatoren persönlich oder mittels öffentlich beglaubigter Erklärung zu bewirken.

Das Vereinsregister ist öffentlich. Die Einsicht des Registers sowie der von dem Berufsverein bei dem Amtsgericht eingereichten Schriftstücke ist während der gewöhnlichen Dienststunden einem Jeden gestattet. Von den Eintragungen kann gegen Erlegung der Kosten eine Abschrift gefordert werden, welche auf Verlangen zu be⸗ glaubigen ist.

§ 32.

Die Eintragung der Berufsvereine und die gemäß § 7 Abs. 2 ertheilten Zeugnisse sind gebühren⸗ und stempelfrei.

Im Reichstag ist ferner von den Abgg. Dr. Förster (Neu⸗ stettin) und Metzner (Neustadt) ein Antrag auf ufhebung des Reichsgesetzes über die Impfung mit Schutzpocken, vom 8. April 1874, eingebracht worden.

Die Abgg. Bassermann und Genossen beantragen: Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die Bauhandwerker und Bauarbeiter für ihre aus Arbeiten und Lieferungen an Neu⸗ und Um⸗ bauten erwachsenden Forderungen gesichert werden, und dabei ins⸗ besondere die Einräumung eines gesetzlichen Pfandrechts an der Liegen⸗ schaft in Erwägung zu ziehen, welches den durch ihre Leistungen geschaffenen, durch gerichtliche Schätzung festzustellenden Mehrwerth erfaßt und allen hypothekarischen Ansprüchen vorgeht, soweit solche den gerichtlich festzusetzenden Werth der Liegenschaft zur Zeit des Baubeginns überschreiten.

Von den Abgg. Colbus und Genossen sind im Reichstag folgende Anträge eingebracht worden:

1) Der Reichstag wolle beschließen, dem nachstehenden Gesetz⸗ entwurf die Ferfaftango mäßig⸗ Zustimmung zu ertheilen:

Das Gesetz über die Presse vom 7. Mai 1874 tritt in Kraft in

Elsaß⸗Lothringen als Reichsgesetz am 1. April 1896.

Der zweite Satz des § 31 dieses Gesetzes, betreffend Einführung des Gesetzes in Elsaß⸗Lothringen, ist aufgehoben.

2) Der Reichstag wolle beschließen: dem nachstehenden Gesetz⸗ entwurf die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen:

§ 1.

Der Landesausschuß von Elsaß⸗Lothringen geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor, nach den Be⸗ stimmungen der Wahlen zum Deutschen Reichstag.

§ 2. Auf je 30 000 Einwohner wird ein Abgeordneter gewählt. Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten infolge der steigen⸗

den Bevölkerung wird das Gesetz bestimmen.

§ 3. Die Bestimmungen der §§ 12 bis inklusive 16 des Gesetzes vom

4. Juli 1879, betreffend die Verfassung und Verwaltung Elsaß⸗

Lothringens, werden aufgehoben.

„— Die deutsch⸗soziale Reformpartei hat im Reichstag Initiativ⸗Anträge eingebracht, betreffend das Verbot der Konsum⸗ vereine in staatlichen Betrieben, Wiedereinführung einer konfessionellen Eidesformel, Einschränkung der Postbestellungen am Sonntag, Vorrechte der Bauhand⸗ werker, Einführung der Reichsta swahlpflicht, Forde⸗ rung der Betäubung der Schlachtthiere vor der Schlach⸗ tung, sowie einen Gesetzentwurf, betreffend die Einwanderung ausländischer Juden.

Die Feier des achtzigsten Geburtstages Adolf Menzel'’s.

Der Meister, welcher gestern aus Anlaß seines achtzigjäbrigen

Geburtstages mit Ehrungen und Auszeichnungen aller Art reich be⸗ dacht wurde, darf diese Huldigungen mit selbstbewußtem Stolz ent⸗ gegennehmen: sie sind mehr als konventzjonelle Aeußerungen, sie gelten nicht dem achtzigjährigen Jüngling sie sind der Ausdruck spontaner allseitiger Verehrung, der Ausdruck des Dankes gegen das Geschick, das dem deutschen Volk einen solchen Genius bis ins Greisenalter er⸗ hielt; sie schließen die Bewunderung ein für die unvergleichliche Spannkraft, die im Schaffen des Meisters sich ausdrückt. Menzel's Künstlerruhm ist nicht auf einem Siegeswege von Erfolg zu Erfolg erwachsen, er ist errungen in unablässiger strenger Arbeit. Gerade desbalb ist eine Betrachtung seines Lebenslaufs so anziehend, weil der Künstler seine Entwicklung sich allein selbst durch unverdrossenes Bemühen, ohne Hilfe und Unterstützung von außen geschaffen. Man darf vor dem Charakter Menzel's gleichen Respekt haben wie vor seinen Fähigkeiten und Leistungen. Bei den ersten Schritten auf seiner Künstlerlaufbahn fühlt man bereits das Bahnbrechende seiner Auffassung, die sich in bewußten Gegensatz zu der mattherzig gewordenen Romantik und Gedankenmalerei jener Tage stellt. Selbst die kleinen Aufgaben, die ihm die Noth des Lebens aufdrängt, weiß er zu geistvollen Bekenntnissen einer tiefen Künstlerseele zu gestalten: so die zwölf lithographierten Darstellungen aus „Künstlers Erdenwallen“ (1833) und das „Vaterunser“ (1837). Man hat nicht das Gefühl, vor den Leistungen eines jugendlich gährenden Talents zu stehen: die Tiefe und Reife des hier nieder⸗ gelegten Inhalts, die bedeutende Technik geben auch den frühen Arbeiten den Charakter abgeschlossener Meisterleistungen. Mit der Gewissenhaftigkeit eines gelehrten Historikers schildert der Zwanzigjährige die „Denkwürdigkeiten aus der brandenburgisch⸗ preußischen Geschichte“, die Franz Kugler’'s Aufmerksamkeit auf das junge Talent lenkten. Im Verein mit diesem ] schuf er dann die epochemachende „Geschichte Friedrich's des roßen“, dessen Zeitalter für Viele heute nur in der von Menzel geschaffenen Gestaltenwelt lebt. Auch für die Wiederbelebung der Holzschnitt⸗ technik bedeutet dieses Werk einen wichtigen Markstein. In das acht⸗ zehnte Jahrhundert spann sich Menzel mit einer an Gelehrteneifer grenzenden Vorliebe ein; sein tiefdringender Blick durchforschte alle Einzelheiten des äußeren und inneren Lebens dieser Zeit, und die aus solchem Studium heraus geschaffenen Werke, unter denen wir nur die Illustrationen der dreißigbändigen Neuausgabe der Schriften Friedrich's des Großen (1840) und die Oelgemälde der Tafelrunde und des Flötenkonzerts des Großen Königs nennen, dürfen als geradezu klassische Schilderungen der Ver⸗ gangenheit gelten. Trotz aller Gewissenhaftigkeit des Studiums, die sie verrathen, haben sie doch nichts Aengstliches an sich; sie sind ge⸗ boren aus der Empfindung der Fridericianischen Epoche und sprühen deren Geist und Leben. Die unzähligen witzigen Apercus, die Menzel allein in die Vignetten und Zierstücke jenes großen Illustrationswerks verwob, beweisen aufs deutlichste, daß der Illustrator durchaus über seinem Stoff stand. Daneben ver⸗ rathen sie in jedem Federzuge den Meister, der die Technik seiner Zeit vollkommen beherrscht. Und das alles ist ohne pathetisches Phrasen⸗ thum vorgetragen mit der schlichten Unbefangenheit eines gewaltigen Naturalisten. Daß ein solcher nicht blind für die malerischen Auf⸗ gaben seiner unmittelbaren zeitgenössischen Umgebung bleiben konnte, war natürlich. Wie einzig er auch die Aufgaben eines Sittenschilderers der eigenen Zeit zu lösen wußte, beweisen die zahllosen Gouachen und Zeichnungen, die gegenwärtig in der Akademie und der National⸗ Galerie ausgestellt sind. Mit dem gleichen Scharfblick erhascht der Meister die künstlerisch fruchtbarsten Momente des glänzenden Hof⸗ lebens, des Treibens der eleganten Welt im Bade, das verwirrende Gewühl eines oberitalienischen Marktplatzes oder des Pariser Straßen⸗ getriebes, mit gleichem Interesse studiert er die Mühsale moderner Cyklopen in seinem „FEisenwalzwerk“. Ein Historienbild im höchsten Sinn bleibt trotz seiner genrehaften Ausgestaltung die „Abreise König Wilhelm's zur Armee“. Aus einem Zeremonien⸗ bild, wie es die „Krönung König Wilhelm's in Königsberg“ seinem Gegenstande nach ist, gestaltet er eine malerische Leistung von groß⸗ artiger Wirkung. Die Vielseitigkeit und Beweglichkeit seines Künstler⸗ eistes auch nur andeutungsweise durch eine Aufzählung seiner ver⸗ fhe e Werke zu schildern, beansprucht einen Raum, für den die Spalten eines Zeitungsartikels zu eng sind. Schon eine ganz kleine Theilerscheinung seines Genius, wie sie in der Beherrschang und Durchdringung der Ornamentformen der verschiedenen Epochen zu Tage tritt, würde Stoff zu einem Essay bieten. Man hat Menzel mit Meissonnier verglichen, und doch fehlt den Schöpfungen des fran⸗ zösischen Meisters jene ehrfurchtgebietende Charaktergröße, die aus den kleinsten Einzelheiten eines Menzel'schen Werks zu uns redet. Vor dieser Wucht eines felsenfesten Charakters muß sich auch derjenige beugen, dem der Zugang zu der rein künstlerischen Bedeutung unseres großen deutschen Malers verschlossen bleibt; sie verbürgt seinem Schaffen jene Bedeutung in der Weltgeschichte der Kunst, die Max Klinger in einem Widmungsblatt an den Meister andeutete, auf dem zwei Riesenhände einen mächtigen Felsblock auf die Erde herabsenken mit der Inschrift: „Adolf Menzel“.

Bereits am frühen Morgen wurde der Jubilar gestern durch ein Ständchen überrascht, welches ein aus Hausgenossen gebildeter Chor ihm darbrachte. Nachdem der Künstler die herzlichen Glückwünsche der Fa⸗ milie entgegengenommen hatte, erschien in der Wohnung Menzel's, im dritten Stock des Hauses Sigismundstraße Nr. 3, im Allerhöchsten Auftrage Seiner Majestät des Kaisers der Chef des Zivil⸗ kabinets, Wirkliche Geheime Rath Dr. von Lucanus, um dem Kanzler des Ordens pour le mérite die Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Titel „Exeellenz“ zu überbringen. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich sandte gleichfalls in die Wohnung ein Hand⸗ schreiben nebst einem Angebinde, einer bronzenen Medaille mit Ihrem Bildniß. Der Kaiser von Oesterreich zeichnete den Jubilar durch Verleihung des Ehrenzeichens für Kunst und Wissenschaft aus. Das Institut de France ernaunte Menzel, wie ihm ein vom Maler Bouguereau unterzeichnetes Telegramm meldete, unterm gestrigen Tage zum Membre associé de l'Institut de France. Die Stadt Kissingen verlieh, wie ein vom Bürgermeister Fuchs aus⸗ gefertigtes Telegramm besagte, „dem treuesten Stammgast Kissingens“ die Ehrenbürgerwürde. Bereits in der Wohnung konnte der Jubilar zahlreiche persönliche Glückwünsche entgegennehmen. Den Gefühlen treuer Verehrung gab der General der Infanterie von Verdy du Vernois namens der Ritter des Ordens pour le mérite Ausdruck. Im Auftrage der Akademischen b für die bildenden Künste erschienen Professor Anton von Werner und Professor Brausewetter. Auch viele herrliche Blumenspenden wurden schon am frühen Morgen in der Wohnung abgegeben. Fürst Bismarckbeglückwünschte den „Gleichaltrigen“ telegraphisch. Kurz nach 10 ½ Uhr erschien der Präsident der Akademie der Künste, Geheime Regierungs⸗Rath Professor Ende, um den Jubilar zur g nach der Akademie abzuholen. In der Akademie, deren Mittel⸗ acade mit zahlreichen Flaggen geschmückt war, hatten sich inzwischen die Deputationen versammelt, die dem gefeierten Künstler inmitten seiner Werke ihre Huldigungen erwiesen. Das Treppenhaus und die Säle des ersten tockes waren in reicher Weise mit Blumen und Teppichen geschmückt. Die schönste Zier bildeten allerdings die Werke des Altmeisters selbst. Eine ganz besondere Ueberraschung bereitete Seine Majestät der Kaiser dem Jubilar: auf selegtapbische Ordre aus Hannover erschien der Flügel⸗Adjutant, Oberst von Kessel mit einer Ehrenwache, die die Montur des Bataillons der Leibgarde Friedrich's des Großen trug. Die aus dem 1. Garde⸗Regiment z. F. gebildete Ehrenwache bestand aus einem Unteroffizier mit Sponton, einem Spielmann und acht Soldaten, deren Flügelmann der bekannte große Flügelmann des Regiments war. Zwei Soldaten dieser hresen arde nahmen am Eingang zum Uhrsaal, die übrigen im Saale felbst Aufstellung. Die Chargierten der Akade⸗ mischen Hochschule für Musik und die des dieser Hoch⸗ schule angehörenden Akademischen Vereins „Teutonia“ paradierten auf der Treppe. Der Jubilar wurde vom gesammten Senat der Akademie auf der Treppe des Gebäudes begrüßt und nach dem Uhrsaal geleitet, wo ihn die Ehrenwache unter präsentiertem Gewehr und mit

Trommelwirbel empfing. Menzel war sichtlich überrascht, als er die Gardemänner sah. Herzlich begrüßte dann der Jubilar den Obersten von Kessel und bat ihn, Seiner Majestät für die Aufmerksamkeit seinen tiefsten Dank auszusprechen. Nachdem der Jubilar noch dem Professor Begas, dem Wirklichen Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath

chöne u. A. die Hand gereicht hatte, folgte er dem Präsidenten der Akademie in den Langen Saal, in dessen erster Nische die Jubelgabe Seiner Majestät des Kaisers, die von Walter Schott modellierte, in Bronze gegossene Büste, welche Seine Majestät in der Uniform der Gardes du Corps zeigt, aufgestellt war. Der a cappella-Chor der Hochschule sang unter Professor Joachim's Leitung zunächst Mendelssohn’'s Neujahrslied „Mit der Freude zieht der Schmerz“, und alsdann Mendelssohn's stimmungsvolles Lied „Die Nachtigall“. Hierauf nahm Geheimer Regierungs⸗Rath Mießner, der Korrespondenz⸗Sekretär des Kaisers, das Wort, um dem huldvollen Glückwunsche Seiner Majestät Ausdruck zu geben. Der Jubilar wurde darauf zu der Nische geleitet, wo die Jubelgabe der Akademie, das für den Sitzungssaal derselben bestimmte Bild Menzel'’s, von Professor Max Koner gemalt, seinen Platz gefunden hatte. Nach Besichtigung desselben ging man in die Menzel⸗Nische, in der zwei Soldaten der Ehrenwache Aufstellung genommen hatten. Hier spielte sich der weitere Huldigungsakt ab. An erster Stelle nahm der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse, welcher mit dem Geheimen Regierungs⸗Rath von Moltke erschienen war, das Wort. Er wies darauf hin, daß die Ernennungsurkunde zum Wirklichen Geheimen Rath vom gesammten Staats⸗Ministerium gegengezeichnet sei. Es sei dies ein Zeichen, welchen hohen Werth die Staatsregierung dem Wirken Menzel's beimesse. Es stehe ihm nicht zu, Menzel'’s künstle ische Leistungen voll zu würdigen, das würden Andere eingehender und verständnißvoller bessrgen, aber als Vertreter der preußischen Kunstverwaltung wolle er doch daran erinnern, wie Menzel durch Gottes Fügung der Maler der Fridericianischen Epoche geworden und welchen Einfluß er auf das gesammte künst⸗ lerische Wirken und durch sein Schaffen auf das deutsche Volk und Alle ausgeübt habe, die sich an Schönheit und Wahrheit erfreuen. Diese Thätigkeit werde unvergeßlich bleiben, und daher gezieme es sich wohl, daß auch der Vertreter der preußischen Kunstverwaltung dem Jubilar Dank sage und den Wunsch ferneren Wohl⸗ ergehens ausspreche. „Möge“, so etwa schloz der Minister, „der Sonnenschein eines ungetrübten Glücks auf Ihrem ferneren Alter ruhen, mögen Sie noch viele Jahre mit gleicher Schaffensfreudigkeit und Kraft unserm Volke und seinen höchsten Idealen dienen; erhalte Sie Gott noch lange als das Vorbild einer harmonisch ausgereiften, künstlerischen Persönlichkeit“, und überreichte dem Jubilar den ersten Aetzdruck des mit Hilfe der preußischen Kunstverwaltung von Professor Eilers geschaffenen Kunstblatts nach Menzel's „Friedrich der Große auf dem Lande“: ein Blatt, über das sich der Altmeister erfreut und bewundernd aussprach. Den Glückwünschen der Akademie gab der Präsident, Geheime Rath Ende beredten Ausdruck, verlas darauf die Adresse der Akademie und überreichte gleich⸗ zeitig die dem Meister zu Ehren geprägte Medaille. Im Namen der Akademischen Hochschule für Musik gratulierte Professor Dr. Joachim. Im Namen der deutschen Kunstgenossenschaft nahm alsdann Pro⸗ fessor von Stieler⸗München das Wort, um den Glückwünschen von 3000 deutschen Künstlern Ausdruck zu geben und eine Adresse zu überreichen. Es folgten Professor Hagen⸗Weimar, Professor Schönleber⸗Karlsruhe, Professor Knackfuß⸗Cassel und Professor Deininger⸗Wien, sowie Professor Müller⸗Breslau, der Rektor der Technischen Hochschule zu Charlottenburg, der mit dem Prorektor, Professor Slaby erschien. Der nächste Redner war der General⸗Direktor der Königlichen Museen, Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schöne. Im Auftrage des russischen Botschafters verlas der Wirkliche Geheime Staats⸗ rath von Arripoff die Adresse, welche die Kaiserliche Akademie der Künste zu St. Petersburg „ihrem besten Jünger“ und Ehren⸗ mitglied gewidmet hat. Professor Bauer⸗Duͤsseldorf überreichte die Urkunde als Ehrenmitglied des Düsseldorfer „Vereins zur gegenseitigen Unterstützung der Künstler“; für den Düsseldorfer „Malkasten“ und die Düsseldorfer Künstlerschaft erschienen die Herren Erdmann, Bosch und Kröner, für den Verein Berliner Künstlerinnen und Kunst⸗ freundinnen Frau Minister Delbrück mit einigen anderen Damen. Auch die Künstlerinnen Weimars ließen ihre Glückwünsche entbieten, ebenso das städtische Kunstinstitut zu Frantfurt a. M. Es erschienen ferner Ober⸗Bürgermeister Bender und Stadtverordneten⸗Vorsteher Geheimer Rath Freund aus Breslau mit einer Adresse der Vater⸗ stadt Menzel's, deren Ehrenbürger er ist, eine Abordnung des Bre lauer Kunstvereins. Im Auftrage des Vereins Berliner Künstler, dem Menzel seit 40 Jahren angehört, überreichte Professor Körner mit herz⸗ lichen Glückwünschen das Erinnerungsblatt, das für die abendliche Fei bestimmt war. Frau Professor Breitbach, die frühere Hofschauspieleri Döllinger, widmete ein sinniges Blumengewinde aus italienischem Euka lyptus; auch Rechnungs⸗Rath Schwertfeger, der Wortführer der Beamte der Akademie, überreichte Blumen. Hierauf trat der Vorstand des Ve eins Berliner Presse vor, um durch den Vorsitzenden, Hermann Sude mann den Jubilar zu beglückwünschen. Dem Vertrete des St. Petersburger Aaquarellistenvereins und dem Herrn Fran Paczka, dem Vertreter des ungarischen Vereins für Kun in Budapest folgte Professor von Donop vom Direktorium der National⸗Galerie, welcher die festschrift zu der in de Galerie veranstalteten Menzel⸗Ausstellung überbrachte. Professor Vogel an der Spitze der Deputation des Vereins zur Förderung der Photographie, rühmte das große Interesse, das Menzel der Photographie, dieser treuen Dienerin der Kunst, entgegengebracht, und überreichte die vositive Reproduktion eines Negativs, welches Menzel 1865 mi Karmin auf Glas gemalt hatte, des einzigen Versuchs dieser Art, de wohl je ein Maler unternommen. Inzwischen war der Hofmarschall Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Leopold General⸗Major z. D. von Nickisch⸗Rosenegk zur Gratulation erschienen. Als letzte der größeren Deputationen fanden sich die Vertreter der Stadt Berlin ein. Der Ober⸗Bürger⸗ meister Zelle verlas die Urkunde, in der die Reichs⸗Haupt⸗ stadt die höchste Gabe, die ein Gemeinwesen überhaupt ver⸗ leiben kann, das Ehrenbürgerrecht, dem Jubilar darbietet. Mit herz⸗ lichen Worten begrüßte sodann der Stadtverordneten⸗Vorsteher Dr. Langerhans den Jubilar. Es trat nun eine längere Pause ein, in der der Gefeierte, dessen geistige und körperliche Frische allseitige Bewunderung erregte, sich in stiller Zurückgezogen⸗ heit etwas erfrischte. Alsdann nahm derselbe im Uhrsaal noch weitere Glückwünsche entgegen: es erschien Kammergerichts⸗Rath von Uechtritz als Ehren⸗Präsident des Vereins für Geschichte der bildenden Künste in Breslau, der gestern im Musiksaale der dortigen Universität gleichfalls eine Menzelfeier veranstaltet und Menzel zum Ehrenmit⸗ glied ernannt hat; es erschienen ferner die Chargierten der Hochschule für Musik, die beiden Akademiker Mommsen und Curtius, Fürst Anton Radziwill, Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs. Rath Lüders, Professor von Treitschke, Professor von Bergmann, Ludwig Barnay, Geheimer Medizinal⸗Rath Dr. Körte und Frau Lina Morgenstern. Viele Andere, unter ihnen auch Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Althoff, gaben ihre Karten in der Akademie ab, noch Andere, wie Geheimer Medizinal⸗Rath Leyden, sandten dorthin prächtige Blumen.

Als der Huldigungsakt beendet war, nahm Adolf Menzel das Wort, um den Versammelten seinen tiefsten Dank auszusprechen. Der greise Meister zog sich nun in den Rothen Saal der Akademie der Wissen⸗ schaften zurück, um die überaus zahlreich eingegangenen Telegramme durch⸗ zusehen. Es hatten telegraphische Grihe entsandt u. A. Staats⸗ Minister Falk als Ehrenmitglied der Akademie, die Akademie der bildenden Künste zu Wien, die Kunstgenossenschaften zu Königsberg und Magdeburg, die Vereinigung der Münchener Künstler, die Allotria⸗München, der Hamburger Künstlerverein, der Verein ungari⸗ scher bildender Künstler, das Künstlerhaus in Budapest, Staats⸗Minister Nokk⸗Karlsruhe, G von Stumm, der seinen Glückwunsch aus Schön⸗ hausen datiert hatte, der russische Bildhauer Antokolski aus Paris, Brahms aus Wien, der erblindete Julius Schrader, Ferd. Keller aus Karlsruhe, der Holländer Jsrael, Wilh. Ruemann aus München, die