der chemischen Technologie bietet das Werk ganz erwähnen unter den umfangreicheren Artikeln sesonders jenen von Häutzeermann über Brennstoffe. Selbstverständlich nehmen die eigent⸗ lich technischen Abhandlungen, entsprechend der Zahl der hierfür vor⸗ handenen Stichworte, den größten Raum ein. Den Hauptantheil an den Architekturartikeln hat bis jetzt von Schubert⸗Soldern, und seine Darlegungen sind ebenso interessant wie lehrreich, auch f vielen und guten Figuren ausgestattet. Hervorzuheben diesem Gebiete sind ferner die Artikel von Guz⸗ mann, Hacker, Stoeving, Tiedemann und in den neueren Heften die knapp und klar geschriebenen von Weinbrenner. Möglichste Kürze im Ausdruck hat offenbar auch der Herausgeber in den von ihm ge⸗ zeichneten Artikeln „Bad“, „Bewegung des Wassers“, „Brunnen“ ꝛc. gesucht, die in das Bauingenieurwesen gehören. Letzteres ist sehr aut vertreten durch die umfassenden Artikel von Goering über Bahnhofs⸗ onlagen, durch verschiedene Abhandlungen von Drach und Lubberger über Kulturtechnik, von Frühling und Zschokke über Wasserbau u. A. Einen sehr guten, ausführlichen Artikel lieferte Brix über Bedürfniß⸗ anstalten. Die Abhandlungen von Melan, Ritter und Weyrauch aus dem Gebiete des Brückenbaues und der Ingenieurmechanik sind so wissenschaftlich gründlich, daß das Lexrikon hierin andere Werke ganz entbehrlich macht. Das Maschineningenieurwesen und die mechanische Technologie erhielten bis jetzt den diesen wichtigen Zweigen gebührenden Raum; die Haupt⸗ stichworte dieser Gebiete sind aber noch nicht zur Behandlung ge⸗ kommen, sodaß ein Urtheil noch nicht möglich ist. Mehrere treff⸗ liche Artikel aus der Maschinen⸗Kinematik lieferte Burmester; ebenso seien hervorgehoben die Artikel von Arndt, Boßhard (Baumwollspinnerei), Frank, Gutermuth, Hermann (größere Artikel über Blech, Blechbearbeitung, Böttcherei, Bohrmaschinen), von Ihering, Kraft (größere Artikel über Buntpavier⸗Fabrikation), Lindner, Rudeloff (größere Artikel über Biegeprobe, Biegeversuch ꝛc.). Elektrotechnik haben Heim, Peukert und Fein behandelt. Die Technik der Gewerbe svielt selbstverständlich eine Hauptrolle in dem Lexikon. Landwirth⸗ schaftliche Maschinen vertritt Strebel, Fischerei Sieglin, Bierbrauerei in einem sehr umfassenden Artikel Herzfeld, Zeugdruck, Wäscherei, Bleicherei und Färberei Kielmeyer und Weckerlin. — Es sei hiermit auf dieses verdienstliche, deutschem Fleiß und deutscher Arbeit zur Ehre gereichende Unternehmen, welches dereinst ein erschöpfendes Kompendium des gesammten technischen Wissens zu werden verspricht, wiederholt aufmerksam gemacht.
Weihnachts⸗Publikationen. 1.“.“
— Die vortreffliche und billige Sammlung von Meyers Klassiker⸗Ausgaben (Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipeig und Wien) hat eine weitere Vermehrung erfahren, und zwar durch Platen’s Werke, mit Platen's Leben, Porträt und Faksimile, Ein⸗ leitungen und erläuternden Anmerkungen, herausgegeben von G. A. Wolff und V. Schweizer (2 Bände, geb. Preis je 2 ℳ). Die Herausgeber haben nicht nur das reiche gedruckte, sondern auch vieles ungedruckte Material berücksichtigt und auch die Aufzabe der Erläute⸗ rung mit Fleiß und Geschick gelöst. Denn überaus häufig sind gerade bei Platen die Anspielungen auf längst vergessene Zeitereignisse und entlegene Gebiete des Wissens. Die Anmerkungen unter dem Text wie auch die alles Wichtige bequem zusammenfassenden Einleitungen zu den einzelnen Werken bieten dem Leser alle erwünschte Aufklärung, deren er bedarf, und ermöglichen ihm so erst ein genuß⸗ reiches Vertiefen in die Schönheiten der Dichtungen. Auf dem Weihnachtsbüchertisch dürfte diese neue, auch äußerlich gediegen aus⸗ gestattete Platen⸗Ausgabe gewiß vielen Literaturfreunden will⸗ kommen sein. 1 . .
— Nordland⸗Sagen. Nordisch⸗germanische Lieder und Mären, für das deutsche Haus bearbeitet von Emil Engelmann. Mit vielen Bildern nach Zeschnungen von G. Cloß, C. Häberlin, Th. Hoffmann, R. E. Kepler u. a. Pr. geb. 7 ℳ Stuttgart, Paul Neff, Verlag. — Dieses gelegentlich des Erscheinens der einzelnen Lieferungen bereits mehrfach empfohlene Werk liegt nunmehr vollständig vor und bestätigt das darüber ausgesprochene günstige Urtbeil im ganzen Um⸗ fange. Der Verfasser, der sich durch seine Bearbeitungen des Nibelungen⸗ und des Gudrunliedes, des Parzival, des Frithjof und namentlich auch durch das schöne Werk „Germania's Sagenborn“ in den weitesten Kreisen vortheilhaft bekannt gemacht hat, giebt in dem vorliegenden neuen Werk eine Darstellung der nordischen Sagen, die sich gleich seinen früheren Schriften durch Einfachbeit der Sprache und durch gefällige Darstellung auszeichnet. Die vielen guten Illustrationen sind nach Zeichnungen namhafter Künstler hergestellt und gereichen dem Werke zum schönsten Schmuck. Eltern seien auf dieses preiswerthe, gediegene und künstlerisch aus⸗ gestattete Buch als auf eine empfebhlenswerthe Festgabe für die reifere Jugend besonders aufmerksam gemacht.
— Der von Dr. Hans Nehry herausgegebene „Zitaten⸗ schatz“, enthaltend geflügelte Worte sowie Sprichwörter und Sen⸗ tenzen aus den Werken neuerer und älterer Dichter und Denker, ist bei Fr. Wilh. Grunow (Leipzig) in zweiter, vermehrter und verbesserter Auflage erschienen. Von anderen Büchern ähnlicher Art unterscheidet sich diese Sammlung durch ihre alphabetische Ordnung nach den Anfangsworten, knappe Fassung der Erläuterungen und kurze Angabe der Fundstellen. Das schnelle Auffinden erleichtert ein besonderes Verzeichniß der den Gedanken des betreffenden Spruchs kennzeich⸗ nenden Worte. Die neue Auflage ist auf 6000 Zitate vermehrt. In seiner praktischen Einrichtung bietet das Buch ein vortreffliches literarisches Hilfsmittel und durfte sich auch als Weihnachtsgabe des Beifalls der damit Beschenkten erfreuen.
— „Der Lehnsmann vom Liebenstein“. Historische Er⸗ zählung aus dem 16. Jahrhundert von H. Brand. Stuttgart, Paul Neff. Pr. geb. 6ℳ — Diese Erzählung gehört zu der anerkannt vortrefflichen Serie historischer Erzählungen, welche der Verfasser unter dem Titel „Aus der Geschichte eines deutschen Volksstammes“ in dem obengenannten Verlage hat erscheinen lassen. Der neue Band reiht sich den früheren durch kulturgeschichtlich getreue, warme, Herz und Gemüth erfreuende Schilderung und sütliche Haltung gleichwerthig an. Der Held, Ritter Asmus vom Stein zum Liebenstein, wird durch seine persönlich nahen Beziehungen zu Johann Friedrich dem Mittleren von Sachsen, sowie durch seine eigenthümlich verwickelten Lehnsverhältnisse ohne Verschuldung seinerseits und lediglich durch die gewissenhafte Er⸗ füllung seiner Lehnspflicht tief in die traurigen Händel Wilhelm von Grumbach's verwickelt. Die Erzählung beruht auf strenger Wahr⸗ heit, denn vieles darin ist dem Freiherrlich von Stein’schen Archiv und anderen Familienpapieren entnommen. In dem gefälligen Ein⸗ bande eignet sich das Buch zum Festgeschenk für Freunde einer gediegenen historischen Unterhaltungs⸗Lektüre.
— Von Carl Preser, der sich bereits durch verschiedene Bände lprischer und epischer Dichtungen bekannt gemacht hat, liegt aus dem Verlage von Baumert und Ronge (Großenhain und Leipzig) jetzt ein neues Epos mit dem Titel „Das Arminslied“ vor. Dasselbe ist im Nibelungenversmaß geschrieben und schildert in 21 Gesängen die Thaten und Schicksale des Befreiers Germaniens von seiner Jugend bis zum Tode. Der Dichter bekundet eine sichere Beberrschung der Spracce, die Verse sind flüssig und die Darstellung häufig von packender Lebendigkett, so nameatlich in der Schilderung des Gladiatorenkampfes im römischen Zirkus und der Varusschlacht. Da sich das Epos im Ganzen getreu an die geschichtliche Ueberlieferung hält und namentlich auch das kulturgeschichtliche Beiwerk interessant und mit eingehender Kenntniß behandelt ist, so kann die Dichtung in dieter fesselnden Form wool dazu dienen, den spröden, fernliegenden Stoff der heatigen Generation wieder näher zu bringen und das Andenken des nationalen Helden neu zu beleben. Das elegant ausgestattere Bändchen eignet sich zum Weihnachtsgeschenk.
— Aus Fortunis's Erinnerungen. Von Emile Erhard. Illustriert von Hertha von Warburg. Preis 3 ℳ, elegant gebunden 4 ℳ Stuttgart. Deutsche Verlags⸗Anstalt. — Die wohlbekannte Autorin bietet in diesem neuesten Bändchen einen ganz ungewöhnlichen, originellen Einfall, nämlich die Lebensgeschichte eines berühmten Hengstes, von ihm selbst erzählt. „Fortunio“ weiht den Leser selbst in die einzelnen Denkwürdigkeiten seines Lebens ein
8 8 8
orragendes; wir versteht es, die Aufmerksamkeit vom Anfang bis zum Ende wach zu
erhalten. Fortunio ist übrigens kein erdachter Romanheld, sondern hat wirklich gelebt: die angeführten Daten und sonstigen Angaben über seine Abstammung sind dem oldenburgischen Gestütbuch entnommen, wie auch die Illustrationen nach Gemälden der Großherzoglichen Bildergalerie kopiert werden durften. Das eigenartige Buch wird namentlich Spartsfreunden viel Vergnügen bereiten.
4 Land⸗ und Forstwirthschaft. v
Oel⸗ und Weinernte in Süditalien und Sizilien.
Nach den bisher vorliegenden Nachrichten scheint die diesjährige Oelernte in Süditalien nicht den anfänglich gehegten Erwartungen zu entsprechen und nur einen Viertelertrag, bestenfalls eine halbe Ernte zu ergeben. Günstiger sind die Aussichten in Sizilien, wo bei vorzüglicher Qualität, eine 3⸗Ernte erwartet wird.
Was den Wein anlangt, so wird die Qualität des geernteten Mostes sowie die Haltbarkeit des Stoffes gelobt, quantitativ ist in⸗ dessen die Weinernte in Süditalien nur spärlich ausgefallen. Namentlich in Nord⸗Apulien ist die Ernte durch die Peronospora schwer geschädigt worden. Auch Sizilien schätzt seinen diesjährigen Herbst geringer als den des Vorjahres, d wird auch hier die Qualität als hervorragend schön bezeichnet.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ b v Maßregeln.
Durch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Parä seit dem 15. v. M. für rein erklärt worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 271 vom 12. v. M.)
Der Gesundheitsstand in Berlin blieb im allgemeinen in der Woche vom 24. bis 30. November ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (15,9 pro Mille und Jahr). Unter den Todesursachen traten akute Entzündungen der Athmungsorgane in an⸗ sehnlich gesteigerter Zahl zu Tage und führten auch in zahlreicheren Fällen zum Tode. Erkrankungen an Grippe kamen gleichfalls wieder häufiger zur Beobachtung, auch wurden 2 Todesfälle infolge von Grippe berichtet. Dagegen zeigten sich akute Darmkrank⸗ heiten in beschränkter Zahl und führten nur in mäßiger
ahl (wie in der Vorwoche) zum Tode; die diesen Krank⸗ eitsformen erlegenen Personen befanden sich ausschließlich im Alter von unter 2 Jahren. Die Betheiligung des Säuglings⸗ alters an der Sterblichteit blieb eine geringe; von je 10 000 Lebenden starben, auf’s Jahr berechnet, 42 Säuglinge. — Von den Infektions⸗ krankheiten blieben Erkrankungen an Typhus vereinzelt, Erkrankungen an Masern haben zu⸗, an Scharlach und Diphtherie etwas abgenommen. Erkrankungnn an Masern kamen aus dem Stralauer Viertel und aus dem Wedding, an Scharlach aus dem Stralauer⸗ und Königsviertel, der Rosenthaler Vorstadt und Moabit, an Diphtherie aus der Friedrichstadt und Schöneberger Vorstadt, der jenseitigen Louisenstadt, dem Stralauer Viertel, der Rosenthaler und Oranienburger Vorstadt sowie aus dem Wedding am zahlreichsten zur Anzeige. Weitere Erkrankungen an Pocken kamen 3 (2 aus der Friedrichstadt und Schöneberger Vorstadt und 1 aus dem Königsviertel) und 1 Todesfall an Pocken zur Mel⸗ dung. Erkrankungen an Kindbettfieber sind nur 2 bekannt geworden. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden wenig beobachtet. Erkrankungen an Keuchhusten, die in 12 Fällen tödtlich endeten, gelangten wieder zahlreicher zur ärztlichen Behandlung. ear-seea cs Beschwerden aller Art riefen zahlreiche Erkrankungen ervor.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Ko an der Ruhr und in Oberschlesien. 1“ In Oberschlesien sind am 10. d. M. gestellt 5847, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Zwangs⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 11. Dezember die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Guttmannstraße 15, der Frau Zimmermeister Marie Stephan, geb. Reichert, zu Berlin, gehörig; Fläche 8,89 a; Nutzungswerth 11 205 ℳ; für das Meistgebot von 164 500 ℳ wurde der Rentier Carl Lippelt, Marienburgerstraße 1, Ersteher. — Schliemann⸗ straße 6, dem Bautechniker Paul Schul gebörig; Fläche 11,44 a; für das festgesetzte geringste Gebot von 1000 ℳ wurde die Aktien⸗ gesellschaft für Grundbesitz und Hypothekenverkehr, Dorotheenstraße 95, Ersteherin.
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin wurde das Verfahren der Zwangsversteigerurg des im Grundbuch von Weißen⸗ see Band 36 Blatt Nr. 10412 auf den Namen des Maurermeisters Otto Riedel eingetragenen, zu Weißensee, Friesickestraße 7, be⸗ legenen Grundstücks aufgehoben. Die Termine am 7. und 12. Fe⸗ bruar 1896 fallen fort.
Beim Königlichen Amtsgericht zu Charlottenburg wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung des im Grundbuch von der Stadt Charlottenburg Band 126 Blatt Nr. 4594 auf den Namen des Architekten Gustav Mutzenbach eingetragenen, zu Char⸗ “ Marburgerstraße 14, belegenen Grundstücks aufge⸗
oben.
— Wie die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ meldet, findet am 28. De⸗ zember in Essen eine Sitzung des Beiraths des Kohlen⸗ syndikats statt zur Feststellung der Entschädigungen nach § 5 Abs. 2 des Statuts und zur Entscheidung des Einspruchs der Magdeburger Bergwerks⸗Aktiengesellschaft gegen die Festsetzung der Einschätzunzs⸗ kommission.
— Aus Wien wird der „Frkf. Ztg.“ gemeldet, daß die Ver⸗ handlungen zwischen der Verwaltung der österreichischen Nord⸗ westbahn und dem Vertreter der Regierung zum Abschluß ge⸗ kommen seien.
Breslau, 11. Dezember. (W. T. B.) Getreide⸗ und Produktenmartt. Sprritus pr. 100 1 100 % erkl. 50 ℳ Ver⸗ brauchsabgaben pr. Dezember 49,80, do do. 70 ℳ Verbrauchsabgaben pr. Dezember 30,30, do. do. Rüböl pr. Dezember 45,00, pr. Mat —,—. Zink —.
Magdeburg, 11. Dezember. (W. T. B.) Zucerbericht Kornzucker exkl., von 92 % —,—, neue —,—. Kornzucker erkl. 88 % Rendem. 10,75 — 11,00, neue 10,80 — 11,05. Nachprodukte exkl., 75 % Rendem. 7,70 — 8,70. Ruhig, stetig. Brotraffinade I 23,25. Brorcafsnade II 23,00. Gem Raffinade mit Faß 23 25 — 23 ,50. Gem. Melis J mit Faß 22,50 — 22,62 ½. Ruhig. Rohzucker 1. Produkt Tranf. f. a. B Hamburg pr. Dezember 10,72 ½ Gd., 10,80 Br., pr. Januar⸗März 11,00 GEd., 11,05 Br., pr. April 11,17 ½ Gd., 11,22 ½ Br., pr. Juni⸗Juli 11 35 Gd., 11,42 ½ Br. Ruhig, stetig.
Frankfurt a. M., 11. Dezember. (W. T. B.) In einer hie abgehaltenen Sitzung der deutschen Blech⸗Emaillierwerke wurde der günstige Beschäftigungsgrad aller Werke festgestellt. Der Preisaufschlag von 5 % ist glatt durchgeführt worden. Angesichts der weiter aufstrebenden Konjunktur wurde beschlossen, Abschlüsse über das erste Vierteljahr 1896 bhinaus zu den gegen⸗ wärtigen Preisen nicht mehr einzugehen. Eine weitere Preiserhöhung um 2 ½ respektive 5 % erscheint gesichert. Auch die in der Aktiengesellschaft „Austria“ vereinigten österreichischen Werke waren in der Versammlung zur Unterstützung der Preisbewegung auf dem internationalen Markt vertreten. Die nächste Versammlung zur Feststellung der Preisfrage wird anfangs Februar 1896 stattfinden.
Leipzig, 11. Dezember. (W. T. B.) Kammzug⸗TYerxmin⸗ an del. La Plata. Hrundmuster B. pr. Dezember 3,17 ½ ℳ, pr. 3,20 ℳ pr. Februar 3,22 ½ ℳ, vr ürz 3,25 ℳ, vr April
Manr 3,27 ½ ℳ, pr. Jum 3,30 ℳ, pr. Juli 3,32 ½ ℳ,
September 3,32 ½ ℳ, pr. Oktober 3,32 ½ ℳ, Umsatz 20 000 kg. Ruhig.
er
Mannheim, 11. Dezember. (W. T. B.) Produktenmarkl.
Weizen pr. März —,—, pr. Mai 14,95. Roggen pr. März 12,75 pr. Mai 12,75. Hafer pr. März 12,75, pr. Mai 12,75. Mais pr. März 10,00, pr. Mai 10,00.
Bremen, 11. Dezember. (W. T. B.) Börsen⸗Schlußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer
etroleum.Börse.) Höher. Loko 7,20 Br. Russisches Petroleum. Loko 6,80 Br. — Schmalz. Matt. Wilcor 30 4, Armour shield 29 ½ ₰, Cudahr 30 ½ 28, Choice Grocerv 30 ½ ₰, White label 30 ½⅞ ₰, Fairbanks 26 — Speck. Matt. Short clear middling loko 24 ₰, Extralongs 25 J. — Reis ruhig. Kaffee ruhig. — Baumwolle Steigend. Upland middl. loko 44 ½ 3. — Wolle. Umsatz: 105 Ballen. 8
Hamburg, 11. Dezember. (W. T. B.) Kaffee. (Nachmittags⸗ bericht.) Good average Santos pr. Dezember 73, pr. März 69 ½, pr. Mai 67 ½. pr. September 63 ¾. Kaum behauptet. — Zuckermarti. (Schlußbericht.) Rüben⸗Rohzucker I. Produkt Basis 88 % Rende⸗ ment neue Usance, frei an Bord Hamburg pr. Dezember 10,77 ½, pr. März 11,12 ½, per Mai 11,25, vr. August 11,50. Stetig.
Pest, 11. Dezember. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen loko ruhig, pr. Frühjahr 6,87 Gd., 6,88 Br., pr. Herbst 7,14 Gd., 7,16 Br. Roggen pr. Frühjahr 6,17 Gd., 6,18 Br. Hafer pr. Frühjahr 6,07 Gd., 6,09 Br. Mais pr. Mai⸗Juni 4,46 Gd., 4,48 Br. Kohlraps pr. August. September 10,75 Gd., 10,80 Br.
London, 11. Dezember. (W. T. B.) Wollauktion. Schluß fest. Feine australische Merino einen halben bis einen Penny höher, Croßbreds einen halben bis einen Penny niedriger. Kapwolle ungefähr einen halben Penny niedriger als auf der letzten Auktion.
An der Küste 1 Weizenladung angeboten.
96 % Jabpazucker 12 ½ stetig, Rühen⸗Rohzucker loko 10 ¾ stetig. — Chile⸗Kupfer 42 ¾, pr. 3 Monat 432/18.
Amsterdam, 11. Dezember. (W. T. B.) Java⸗Kaffee good ordinary 54. — Bancazinn 37 ½.
New⸗York, 11. Dezember. (W. T. B.) Nach unregelmäßiger Eröffnung herrschte im weiteren Verlauf der heutigen Börse träge Stimmung vor. Der Schluß wat schwankend. Der Umsatz in Aktien betrug 203 000 Stück.
Heute gelangte eine Million Dollar Gold zur Verschiffung nach Deutschland.
Weizen anfangs schwach, dann fallend infolge von lokalen Ver⸗ käufen und weichenden Kabelmeldungen während des ganzen Börfen⸗ verlaufs mit wenigen Reaktionen. Der Schluß blieb schwach. — Mais eröffnete schwach und fiel auf bedeutende Ankünfte und Ab⸗ gaben der Baifsiers während des ganzen Börsenverlaufs mit wenigen Reaktionen.
Wagrenbericht. Baumwolle⸗Preis in New⸗York 8 ½, do. do. in New⸗ Orleans 8 ½, Petroleum Stand. white in New⸗York 8 75, do. do. in Philadelphia 8,70, do. rohes (in Cases) —, do. Pipe line Certific. vr. Januar 156, Schmalz Western steam 5,45, do. Robe u. Brothers 5,70. Mais per Dezember 34 ½, do. per Januar 34 ½, do. per Mai 35. Rotber Winterweizen 69 ⅞, Weizen per Dezember 66 ⅛½, do. per Januar 66 ¼, do. pr März 68 ⅜, do. per Mai 67 ⅞⅛. Getreidefracht nach Liverpool 3, Kaffee fair Rio Nr. 7 14 ½, do. Rio Nr. 7 per Januar 13,70, do. do. per März 13,50, Mebl. Spring⸗Wheat clears 2,60, Zucker 3 ½, Kupfer 10,50.
Chicago, 11. Dezember. (W. T. B.) Weizen infolge von reichlichem Angebot und friedlicheren Aussichten während des ganzen Börsenverlaufs im Preise weichend mit wenigen Reaktionen. Mais nach Eröffnung einige Zeit im Preise anziehend auf Käufe der Baissiers, später Reaktionen, entsprechend der Mattigkeit in den Weizenmärkten.
Weizen pr. Dezember 57 ½, pr. Januar 57 ¾3. Mais per De⸗
25 ¾. Schmalz per Januar 5.20, do. per Mai 5,42 ½. hort clear nom. Pork per Januar 8,30.
Verkehrs⸗Anstalten.
Nach einer Bekanntmachung der Kaiserlichen General⸗Direktion der Eisenbahnen in Elsaß⸗Lothringen werden vom 15. Dezember 1895 ab in den Binnen⸗Ausnahme⸗Tarif 12 (Transit⸗Tarif) für den Straßburg⸗Baseler Umschlagsverkehr noch folgende Artikel mit ermäßigten Sätzen aufgenommen: Felle und Häute, rohe, gesalzene und getrocknete, Schmalz (Schweinefett), Kaffee, Pfeffer, Piment, Cassia, Terpentinöl, Rohtaback, Talg, Thran, Leinöl, Speck, Heringe, Gambir, Catechu, Farbholzextrakt, rohe Baumwolle, Reis, roher und geschälter (auch Bruchreis). Weitere Auskunft ertheilt das Tarifbureau.
1“
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Dresden, 11. Dezember. (W. T. B.) Die Internationale Fahrplankonferenz (vgl. Nr. 295 d. Bl.) hielt heute Vor⸗ mittag Gruppensitzungen ab. Die nächste Konferenz wird am 10. und 11. Juni 1896 in Genf stattfinden.
Bremen, 11. Dezember. (W. T. B.) Wie „Boesmann's Telegr. B.“ erfährt, hat sich der Norddeutsche Lloyd entschlossen, infolge der in England vorhandenen starken Nachfrage nach einer guten Verbindung mit Madeira seinen am 10. Januar 1896 von Bremen nach Brasilien abgehenden Salondampfer „Hohenstaufen“, Kapitän Groß, auch Madeira anlaufen zu lassen. Dieser Dampfer wird außer über Antwerpen auch über Southampton abgefertigt.
Bremen, 12. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Havel“ hat am 11. Dezember Vormittags Beachy⸗Head passiert. Der Schnelldampfer „Saale“ hat am 11. Dezember Nachmittags Seilly passiert. Der Postdampfer „Crefeld“ ist am 11. Dezember Vormittags in Corunna an⸗ gekommen. Der Postdampfer „Braunschweig“ hat am 11. De⸗ zember Vormittags Lizard passiert. 8 1
Hamburg, 11. Dezember. (W. T. B.) Der Postdampfer „Phönicia“ hat heute früh Lizard passiert. Der Postdampfer „Palatia“ ist heute früh in New⸗York eingetroffen. 1
Sofia, 11. Dezember. (W. T. B.) Die telegraphische Verbindung zwischen Philippopel und Sofia ist wieder⸗ hergestellt.
Mannigfaltiges.
Heute Abend um 6 Uhr findet eine 1“ Sitzung des Magistrats und der Stadtverordneten statt behufs der Wahl von 8 Mitgliedern und 8 Stellvertretern des Steuerausschusses der Gewerbesteuerklasse I für den Veranlagungs⸗ bezirk Berlin 8
8 1““
München, 11. führer der Räuberbande, welche seit einiger Zeit die Umgebung von Mainburg in Niederbayern unsicher machte und im November unter anderem einen Karriol⸗ Postwagen beraubte, ist bei Mainburg festgenommen worden; sein Name ist Johann Leidig.
“
London, 11. Dezember. In der Kohlengrube Dungannon in Irland ertranken heute infolge Durchbruchs von Wasser sechs Bergleute, welche mit der Bohrung eines neuen Schachtes be⸗ chäftigt waren.
„11. Dezember. Der Dampfer „Germanic“
r⸗Linie, welcher heute nach New⸗York abging,
T. B.“ meldet, an der Mündung des Mersey⸗Flusses
mit einem schottischen Küsten⸗Dampfer zusammen; die „Ger⸗
manic“ wurde hierbei stark beschädigt und mußte nach Liverpool zurückkehren. 86
Deiezaber. W TB. meldet: Der An⸗
zun Deusschen Reichs⸗Arzeiger und Küniglich Prenn
296.
△
Berlin, Donnerstag den 12. D
ezember
Denutscher Reichstag.
8 5. Sitzung vom 11. Dezember 1895, 12 Uhr.
Tagesordnung: Fortsetzung der ersten Berathung des Reichshaushalke⸗ tats für 1896 97.
Die gestern nur im Auszuge wiedergegebene Rede des Staatssekretärs des Reichs⸗Schatzamts Dr. Grafen von Posa⸗ dowsky hatte folgenden Wortlaut:
Meine Herren! Der Herr Abg. Richter hat gestern eine Anzahl Ausführungen gemacht, die mich zu einer Antwort nöthigen. Ich will aber diese Antwort nicht in die Form persönlicher Angriffe kleiden, die der Herr Abg. Richter anzuwenden beliebt. Auf diese Plattform folge ich ihm nicht.
Der Herr Abg. Richter hat ausgeführt, im Jahre 1894/95 hätten wir ein Defizit von 53 Millionen ausgerechnet; das habe sich that⸗ sächlich reduziert auf 2 ½ Millionen. Im Jahre 1895/96 sei ein Defizit von 33 Millionen im Etatsentwurf gewesen; und ich schätzte jetzt, es würden die Bundesstaaten noch 20 Millionen heraus⸗ gezahlt erhalten. Welch ungeheuere Summe bedeute das an er⸗ sparten Steuern! Herr Abg. Richter ist zunächst sehr kurz über die Thatsache fortgegangen, daß diese Differenzen zum theil be⸗ ruhen in den Einnahmen, daß die Einnahmen von den verbündeten Regierungen auch für das Jahr 1894/95 veranschlagt worden sind nach den Grundsätzen, die bestanden haben, seit ein deutscher Reichs⸗Etat aufgestellt wird, mit Aus⸗ nahme von ganz unbedeutenden vorübergehenden Abweichungen in drei Jahren; daß ferner für 1894/95, entgegen der bisherigen Veranschlagungspraxis, vom Reichstag die Einnahmen erheblich er⸗ höht und daß endlich für die Schätzung der Einnahmen aus der Betriebsverwaltung selbstverständlich nicht eine Schätzung der Reichs⸗ Finanzverwaltung maßgebend sein kann, sondern nur die Angaben, die von den sachkundigen Chefs der Betriebsverwaltungen gemacht werden. Demnächst hat der Reichstag auch durch sehr erhebliche Streichungen in den Ausgaben die Spannung vermindert auf 30 Millionen. Die Spannung hat sich weiter vermindert dadurch, daß nachträglich das Börsensteuergesetz ergangen ist, daß diese Börsensteuer wesentlich höhere Erträge gleich im ersten Jahre erbracht hat, als man angenommen hatte; schließlich ist den Bundesstaaten eine unerwartete Mehrüberweisung von 12 bis 13 Millionen zugeflossen. Im Jahre 1895/96 ferner wurde gerade seitens der Reichs⸗Finanzverwaltung, entsprechend den in der Budget⸗ kommission geltend gemachten Wünschen, ein Veranschlagungs⸗ verfahren für die Einnahmen gewählt, was geeignet war, dieselben in höherem Betrage wie bisher einzustellen. Aber auch entgegen dieser Praris hat der Reichstag für 1895/96 die Einnahmen weiter er⸗ höht, er hat wesentliche Streichungen vorgenommen, und schließlich ist nur eine Spannung von 10 Millionen übrig geblieben, während nach meiner Schätzung im laufenden Rechnungsjahre die verbündeten Regierungen voraussichtlich eine Herauszahlung von 20 Millionen erhalten würden. Wenn der Abg. Richter gegenüber diesen Thatsachen glaubt auch seinerseits auf die Erinnerung der älteren Mitglieder dieses Hauses exemplifizieren zu können, so kann ich nur annehmen, daß ihm selbst die Erinnerung an die Vergangenheit verloren gegangen ist, und daß er solches auch bei den älteren Mitgliedern des hohen Haufes annimmt. Denn ich habe bereits nachgewiesen, daß wir unerwartete Mehrüberweisungen an die Bundesstaaten in drei⸗ bis vierfachem Betrage in früheren Jahren gehabt haben. Durch⸗ schnittlich haben die Mehrüberweisungen an die Bundes⸗ staaten gegen über dem Etatsoll seit dem Jahre 1879/80 16 bis 17 Millionen jährlich betragen. Dann muß ich doch noch auf Eines hinweisen: wenn sich die Angriffe des Abg. Richter gegen die Reichs⸗Finanzverwaltung richten, so glaube ich, muß er doch mit in Rechnung ziehen, daß die Schwankungen nicht vorkommen bei den eigenen Einnahmen des Reichs, sondern bei den Ueberweisungen, die durchlaufende Posten des Reichs⸗ haushalts⸗Etats sind, und daß bei der Höhe der Ueberweisungen die Reichs⸗Finanzverwaltung als solche immer erst ein sekundäres Inter⸗
esse hat. Es ist überhaupt überraschend, wenn eine Reichs⸗Finanz⸗
verwaltung deshalb angegriffen wird, weil der Abschluß günstiger war, wie vorausgesagt. Es wäre mir verständlich, wenn sich heftige Angriffe gegen die Reichs⸗Finanzverwaltung deshalb richteten, weil wir die Einnahmen zu günstig geschätzt hätten, die Einahmen gingen nicht ein, die Ausgaben sind gemacht, und wir hätten ein Deftzit. Wenn aber die Reichs⸗Finanzverwaltung vorsichtig veranschlagt und der Abschluß ist ein günstigerer, wie wir vorausgesehen haben — daraus Angriffe herzuleiten, ist geradezu unverständlich. Der Abg. Richter sagt, bei der Veranschlagung soll die Schablone nicht maßgebend sein. Nun, meine Herren, wie nothwendig eine gewisse Schablone bei der Veranschlagung der Einnahmen ist, ergiebt sich daraus, daß wir selbst bei der Veranschlagung nach dreijährigem Durchschnitt Fehlbeträge gegen den Etat aus der eigenen Wirthschaft des Reichs von 23 Millionen und bei den Ueberweisungen von 14 Millionen zu ver⸗
zeichnen gehabt haben.
Der Herr Abg. Richter hat auch weiter eingewendet, man solle
nicht nach Konjunkturen veranschlagen. Nun, wenn ich gestern seine Ausführungen richtig verstanden habe, will er sogar nach der
Konjunktur des laufenden Rechnungsjahres veranschlagen (Sehr richtig! rechts), was noch gar nicht einmal abgeschlossen ist. Hätte er diese Absicht nicht, so vermöchte ich mir in der That nicht zu er⸗ klären, wie er monieren kann, daß die Schätzungen der Einnahmen für das laufende Jahr schon höher sind, wie die Etatansätze für das Jahr 1896/97. Meine Herren, das ist ja ganz unzweifelhaft, daß, wenn der günstige Aufschwung, in dem wir uns mit unseren Finanzen zur Zeit befinden, anhält, nicht nur nicht für das Jahr 1896/97 die Bundesstaaten 12 ¾ Millionen zuzuzahlen haben, sondern daß sie wahrscheinlich eine ebenso hohe Auszahlung bekommen werden (Hört, hört! links), wie ich für das laufende Jahr gerechnet habe, ja vielleicht noch eine erheblich höhere Ueberweisung. (Hört, hört! links.) Aber hierin, meine Herren, liegt der grundsätzliche
Unterschied der finanziellen Auffassung zwischen dem Herrn Abg. Richter einerseits und der Reichs⸗Finanzverwaltung und der Mehr⸗ beit des hohen Hauses andererseits. Der Herr Abg. Richter will die Einnahmen einstellen, die voraussichtlich ein⸗ gehen können; die Reichs⸗Finanzverwaltung will die Einnahmen einstellen, von denen sie mit Sicherheit an⸗ nimmt, daß sie einge hen werden. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, ich habe gestern aus den Ausführungen des Herrn Abg. Richter wirklich viel gelernt; ich habe daraus ersehen, daß er die gesammte Etataufstellung von den etats⸗ technisch bewährten Grundsätzen loslösen und den Etat nach vorübergehenden parteipolitischen Gesichtspunkten aufstellen will. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe mich in der Vergangenheit häufig gefragt: aus welchen Gründen ist der Herr Abg. Richter und warum sind diejenigen, die hinter ihm stehen, Gegner der Finanzresorm? Denn daß wenigstens bei der Reichs⸗ Finanzverwaltung der Grund, warum sie die Reichs⸗Finanzreform be⸗ fürwortete, auch der war, einen gewissen Hemmschuh den wachsenden Ausgaben anzulegen, die Ausgaben möglichst zu bemessen nach der wachsenden Steuerkraft des Landes, darüber, glaube ich, hat auch der Herr Abg. Richter nicht zweifelhaft sein können. Aber ich habe gestern ersehen: der Herr Abg. Richter will, aus parteitaktischen Gesichtspunkten, auch auf dem Gebiete des Finanzwesens die Politik der freien Hand führen, und deshalb ist ihm eine Norm, wie sie mit dem Reichsfinanz⸗Reformgesetz verbunden ist, oder, wie sie mit einem billigen Schlagwort genannt wird: mit einem „Automaten“, unsympathisch.
Meine Herren, ich glaube, der Herr Abg. Enneccerus hat gestern treffend ausgeführt, wie eine gesunde Finanzverwaltung, eine auf soliden Grundsätzen beruhende Finanzverwaltung, garnicht bestehen kann, ohne eine feste Norm der Veranschlagung. Wie man die Norm wählt, darüber, gestehe ich zu, kann man zweifelhaft sein, und wenn der Herr Abg. Richter Vorschläge machen sollte, eine andere Norm zu wählen, so würden die verbündeten Regierungen gern bereit sein, mit ihm die Frage sachlich und unparteiisch zu prüfen; ich erinnere aber den verehrten Herrn Abgeordneten daran, daß man in den Jahren 1877 bis 1879 den Versuch gemacht hat, eine bessere Norm zu finden in der Weise, daß man zu den Durchschnittssätzen gewisse Prozente nach Maßgabe der wachsenden Bevölkerung hinzu⸗ geschlagen hat, daß man aber diese neue Norm, welche der gegen⸗ wärtigen Konjunktur mehr Rechnung tragen sollte, als unpraktisch sehr bald aufgegeben hat. Es hat sich gestern auch ein interessanter Gegensatz geltend gemacht zwischen den Auffassungen des Herrn Abg. Richter und denjenigen des Herrn Abg. Dr. Enneccerus. Der Herr Abg. Dr. Enneccerus hat mit Recht auf die große Gefahr hingewiesen, die in dem unbeschränkten Besteuerungsrecht der Matrikularbeiträge liegt. Er will also die Einnahmen gewissermaßen knapp halten. Der Herr Abg. Richter hat aber in seiner ganzen Rede die Tendenz ver⸗ treten, die Einnahmen möglichst hoch zu veranschlagen, und ferner hat er auch wiederum die große Belastung des Ordinariums be⸗ mängelt — mit anderen Worten, der Schuldentitel soll wiederum höher belastet, die Steuerkraft der lebenden Generation weniger in Anspruch genommen werden. Wenn die Reichsverwaltung diesen Weg gehen wollte, so könnte der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts wirklich einmal ein paar ruhevolle, vergnügte Jahre verleben. Der Schulden⸗ titel wird erhöht, man wird sich da auch mit den Ressorts, die alljähr⸗ lich mit erheblichen Neuforderungen an die Reichsverwaltung heran⸗ treten, unendlich viel leichter einigen, die Aussicht auf neue Steuern wird möglichst in die Ferne geschoben. In diesem Falle würde wahr⸗ scheinlich auch der Herr Abg. Richter weniger scharfe Angriffe gegen die Reichs⸗Finanzverwaltung richten, wie er gestern gethan hat, und wir könnten alle ein paar Jahre ein ziemlich ruhiges und sorgenloses Leben zusammen führen. Meine Herren, wenn man in Pessimismus arbeiten wollte, müßte man eigentlich diesen Rath⸗ schlägen folgen; denn einer solchen Finanzpolitik würde das Defizit auf dem Fuße folgen, und aus dem Defizit würde sich die zwingende Nothwendigkeit zu neuen Steuern ergeben, ob Sie wollen oder nicht wollen; denn schließlich sind die Thatsachen immer stärker wie alle partei⸗ politischen Gründe. (Sehr richtig! rechts.) Und meine Herren, das ist doch auch nicht zweifelhaft — auch das hat der Herr Abg. Enneccerus treffend nachgewiesen, daß, je höher die Einnahmen — und darin nähere ich mich der Auffassung des Herrn Abg. Richter — idesto mehr die Ausgaben steigen. Das läßt sich nicht verhindern. Es ist keine Macht der Welt stark genug, da einen Hemmschuh anzulegen, und wie Herr Abg. Enneccerus nachgewiesen hat, daß in den Einzelstaaten die höheren Ausgaben die Folge der überreichen Ueberweisungen gewesen sind, so würde auch eine künftige höhere Ansetzung der Einnahme⸗ titel im Reichshaushalts⸗Etat eine schnellere Steigerung der Ausgaben ganz unzweifelhaft herbeiführen. Meine Herren, wenn man der Aus⸗ führung des Herrn Abg. Richter folgen wollte, so wäre es doch wohl das Allereinfachste, wenn man die Schätzung der Einnahmen abwartete, die sich auf Grund der Dezemberabschlüsse ergeben werden und etwa Ende Januar oder Anfang Februar in der Budgetkommission von mir mitgetheilt werden werden, und wenn Herr Richter dann beantragte, daß diese Schätzung des voraussichtlichen Einnahmesolls des lau⸗ fenden Jahres einfach als Einnahme in den Etatsentwurf für 1896/97 eingestellt werde: dann würden wir doch der Gegenwart am allernächsten kommen. Ich glaube aber, daß eine Majorität im hohen Hause für ein solches Verfahren sich nicht finden würde; denn das ist eben die Differenz zwischen den finanziellen Grundsätzen des Herrn Abg. Richter und den bisherigen Grundsätzen der Reichsverwaltung und der Mehrheit des hohen Hauses, daß wir durch eine Veranschla⸗ gung der Einnahmen nach Durchschnittssätzen günstige und ungünstige Jahre, sowie Mindereinnahmen und Mehreinnahmen zwischen den einzelnen Einnahmetiteln begleichen wollen. Darin liegt allerdings eine gewisse stille Reserve, indem wahrscheinlich die Thatsachen günstiger sein werden wie die Annahme im Etat; aber in dieser stillen
Reserve liegt doch auch ein gewisser Ansporn zur Sparsamkeit, und 8
wir reservieren uns damit Mittel, um künftig neuen Ausgaben Stand halten zu können, ohne sofort neue Steuern verlangen zu müssen.
Ueberhaupt muß ich namens der Finanzverwaltung bei dieser Gelegenheit auf das allerentschiedenste gegen die Annahme Einspruch erheben, als ob die Finanz⸗Minister steuerlustig wären; es ist uns nichts unangenehmer, als an den Reichstag mit neuen Steuerforde⸗ rungen heranzutreten; denn schließlich müssen wir die neuen Steuer⸗ forderungen doch vor dem Lande vertreten. Aber wir müssen unter Umständen neue Steuern fordern, um den nothwendigen berechtigten Forderungen der Ressorts nachkommen zu können, ohne zu einem Defizit zu gelangen.
Meine Herren, der Abg. Richter ist wieder auf einen Einwand zurückgekommen, den er bereits im vorigen Jahre erhoben hat. Er hat gesagt, die Spannung im vorigen Jahre wäre gerade auf die Tabacksteuer zugeschnitten gewesen, d. h. mit anderen Worten, man hätte die Ausgaben um den Betrag erhöht, um den man die Taback⸗ steuer erhöhen wollte, und man hätte jetzt auch den Betrag, den man von den Bundesstaaten fordert, netto auf die Summe bemessen, um die man die Ausgaben im Etatsentwurf für 1895/96 höher berechnete. Wenn ich in der Lage wäre, sekretes amtliches Material her⸗ auszugeben, würde ich dem Herrn Abg. Richter den schlagenden Gegenbeweis führen können, und hier am Bundesrathstisch steht eine ganze Anzahl klassischer Zeugen dafür, daß diese Behauptung unrichtig ist. Die Forderungen seitens der Ressorts waren sowohl im Jahre 1894/95 wie 1895/96 und für das Jahr 1896/97 ganz erheblich höher, und erst infolge langwieriger ernster Verhandlungen ist es schließlich in den vergangenen Jahren und für das Jahr 1896/97 gelungen, die Spannung auf den Betrag herunterzudrücken, den Sie im Etat gefunden haben.
Der Abg. Richter sagt ferner, die einmaligen Ausgaben des Ordinariums wären wieder wesentlich höher als im vorigen Jahre, so hoch wie noch nie. Das ist richtig, es trifft nicht nur auf die ein⸗ maligen Ausgaben des Ordinariums zu, sondern auch auf die fort⸗ dauernden Ausgaben; es ist aber leider eine Erscheinung in allen Kulturstaaten, daß mit der wachsenden Bevölkerung von Jahr zu Jahr die Ausgaben steigen, und ich würde bereit sein, den zahlenmäßigen Nachweis zu führen, daß im vorliegenden Etats⸗ entwurf die Ausgaben um einen wesentlich geringeren Prozentsatz gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind als in den früheren Etats⸗ entwürfen, sodaß der vorliegende Etatsentwurf jedenfalls schon eine Wendung zum Besseren darstellt.
Der Abg. Richter hat auch moniert, es befänden sich im Ordi⸗ narium des Militär⸗Etats 141 Forderungen erster Raten, ohne daß sich ergäbe, welche Belastung der Zukunft daraus folge. Ich glaube, der Abg. Richter kann nur überhört haben, daß ich ausdrücklich — und ich berufe mich auf das Stenogramm — die Zahlen angegeben habe, dieses Jahr allerdings zum ersten Male, wie sich aus den Forderungen des Ordinariums und des Extraordinariums im Gebiete der Militär⸗ verwaltung die Belastung für die Zukunft, für den Etat von 1897/98 ab stellt.
Der Herr Abg. Richter hat demnächst auch geglaubt, jetzt schon von einer neuen Zuckersteuer sprechen zu sollen. Ich könnte mich zunächst darauf beschränken, zu antworten: der Entwurf der Zucker⸗ steuer ist auf illegitime Weise in die Oeffentlichkeit gekommen, auf die Art und Weise, die gestern vom Herrn Staatssekretär des Innern gekennzeichnet worden ist. Der Entwurf liegt dem hohen Hause noch nicht vor und ich hätte keine Veranlassung, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Ich glaube aber, wenn der Abg. Richter bei den Angriffen auf die Zuckersteuer exemplifiziert auf die Bedenken, die gegen den bekannt gewordenen Entwurf in den östlichen Provinzen erhoben sind, so wird er vielleicht, wenn das Gesetz an den Reichstag kommen wird, eine falsche Rechnung machen. Denn die verbündeten Regierungen werden eventuell bereit sein, sowohl über die Form der Kontingen⸗ tierung wie über die Entwicklung der Betriebssteuer mit sich sprechen zu lassen, und ich bin fest überzeugt, daß ein Modus sich finden läßt, um auch die Bedenken, die im Osten gegen den Gesetzentwurf erhoben worden sind, zu beseitigen.
Der Herr Abg. Dr. Enneccerus hat gestern gefragt, ob die Be⸗ willigungen, die wir neu aus dem Reichs⸗Invalidenfonds erbeten hätten, auch ausreichen würden gegenüber den Bedürfnissen zur Unterstützung von nicht anerkannten Militärinvaliden. Ich gestatte mir, dem Herrn Abgeordneten darauf zu antworten, daß über die Grundsätze, nach denen diese Unterstützungen stattfinden, zwischen der Reichs⸗Heeresverwaltung bezüglich den einzelnen Kontingentsverwal⸗ tungen und der Reichs⸗Finanzverwaltung eine Einigung erfolgt ist und daß diese Grundsätze individuell angewendet werden nach Maß⸗ gabe der Erwerbsfähigkeit und Bedürftigkeit der einzelnen Kriegs⸗ theilnehmer. Gewähren Sie uns den Mehrbetrag von 300 000 ℳ, so hoffen wir auch im kommenden Jahre allen berechtigten Anforderungen genügen zu können. Der Beharrungszustand ist noch nicht erreicht; vielmehr wächst das Bedürfniß von Jahr zu Jahr.
Meine Herren, ich kann aus der ganzen Finanzdebatte einen tröstlichen Gedanken herauslesen, der sowohl aus den Erklärungen des Herrn Abg. Enneccerus, wie aus denen des Herrn Abg. Fritzen her⸗ ausklingt: daß die Parteien, welche von den beiden Herren vertreten werden, geneigt sind, ernster an die Frage der Schuldentilgung heran⸗ zutreten, und daß Sie in Verbindung mit der Lösung dieser Frage auch nicht abgeneigt sind, zu einer Finanzreform, vorbehaltlich aller Einzelheiten, die Hand zu bieten; ich gebe mich der Hoffnung hin, daß trotz des Widerspruchs des Herrn Abg. Richter auch ein derartiges Gesetz, wie so viele anderesegensreiche wirth⸗ schaftliche Gesetze, mit der Majorität des hohen Hauses später vereinbart werden wird. (Bravol rechts.)
Im weiteren Verlauf seiner Rede, deren Anfang bereits gestern mitgetheilt wurde, äußerte der
Abg. Bebel (Soz.): Wir sind als vaterlandslos bezeichnet Sorden. Aber das Streben nach Einigung Deutschlands ging nicht