Schwarzburg⸗Zondershausen.
Der Landtag ersuchte die Regierung, mit den anderen Bundesregierungen in Verhandlungen einzutreten: „behufs Her⸗ beiführung von gesetzgeberischen Maßregeln zur Bekämpfung der dem mittleren Handels⸗ und Gewerbestand * Geschäfts⸗ gebahrung der Waarenhäuser und Versandgeschäfte, Konsum⸗ vereine, das Filial⸗ und Versteigerungswesen drohenden wirthschaftlichen Gefahren.“
Reuß j. L.
Der Landtag beendete in seiner vom Sonnabend die Etatsberathung und nahm darauf die Abänderung bzw. Ergänzung der Sporteltaxe sowie das Gesetz, betreffend die Besoldung der Lehrer an den Volksschulen, an. Die Session wurde sodann durch den Staats⸗Minister Dr. Vollert geschlossen.
Bremen.
Bei der am Sonnabend vorgenommenen Wahl zum Senat wurde der Rechtsanwalt Dr. Hildebrand mit 87 von 140 Stimmen zum Mitglied des Senats gewählt.
Elsaß⸗Lothringen.
Das am 31. März d. J. abgeschlossene Etatsjahr 1894/95 2 für die elsaß⸗lothringischen Finanzen infolge be⸗ onderer günstiger Umstände einen Ueberschuß von 1 831 773 ℳ ergeben. In dem Landeshaushalts⸗Etat für 1894/95 war zur Ergän⸗ zung der Einnahmen die Aufnahme einer Anleihe von 1019295 ℳ vorgesehen. Die im Etat veranschlagten ordentlichen Einnahmen haben indessen die Etatsansätze derart überschritten, daß, wie dies bei der Etatsberathung im Landesausschuß seitens des Unter⸗ Staatssekretärs von Schraut bereits in Aussicht gestellt werden konnte, die Aufnahme der Anleihe nicht noth⸗ wendig wurde, sich vielmehr noch der vorgenannte Ueber⸗ schuß ergab. Dieses günstige Resultat ist insbesondere dem Umstand zu verdanken, daß die wirklichen Ueberweisun⸗ gen des Reichs. den Etatsansatz um 889 220 ℳ über⸗ schritten haben, während der an das Reich vom Lande zu zahlende Matrikularbeitrag um 738 929 ℳ hinter dem Etats⸗ ansatz zurückgeblieben ist. Das Finanzverhältniß des Landes zum Reich gestaltete sich hiernach für 1894/,95 um rund 1 600 000 ℳ günstiger, als im Landeshaushalts⸗Etat ange⸗ nommen war. Hierdurch wurde die Aufnahme der vor⸗ erwähnten Anleihe allein schon unnöthig und es blieb noch der Betrag von rund 600 000 ℳ verfügbar. Außerdem ergab sich gegenüber den Etatansätzen eine Mehreinnahme von 1 364 521 ℳ bei der Erbschaftssteuer und von 301 317 ℳ an eigentlichen Enregistrementsgebühren, während bei anderen Posten kleinere Mindereinnahmen und Mehrausgaben ein⸗ traten. Der Ueberschuß von 1 831 773 ℳ kommt dem der nächsten Tagung des Landesausschusses vorzulegenden Landes⸗
haushalts⸗Etat für 1896/97 zu gute.
Oesterreich⸗Ungarn.
Die Landtage von Böhmen, Galizien, Oesterreich unter und ob der Enns, Steiermark und Krain, Mähren, Schlesien, sowie von Görz und Gradiska sind für den 28. Dezember, die Landtage von Kärnten und Tirol für den 2. Januar, der Landtag von Salzburg für den 7. Januar, die Landtage von Istrien, Vorarlberg und der Stadt Triest für den 8. Januar, der Landtag der Bukowina für den 10. Januar und der Landtag von Dalmatien für den 11. Januar einberufen worden. Der Minister⸗Präsident Graf Badeni empfing gestern ine Abordnung der in Wien eingetroffenen Deputationen von Ruthenen in freundlichster Weise und theilte den Delegirten, ach Einsichtnahme in das Audienzgesuch, in den Text der an een Kaiser zu richtenden Ansprache und in das dem Kaiser u unterbreitende Memorandum, mit, daß der Kaiser die Miiglieder der Deputation heute Abend 6 Uhr empfangen werde. Er empfahl ihnen sodann, die Abordnung aus zwei Geistlichen und je zwei Angehörigen des Bürger⸗ und des Bauernstandes mfenkwaaseten 1 In der vorgestrigen Sitzung des österreichischen Ab⸗ eordnetenhauses führte der Abg. Dr. Lueger in der Spezialdebatte über das Budget aus, daß eine Reihe von Deputationen zu dem Kaiserlichen Throne nicht zugelassen worden seien, beispielsweise die böserx.g- Gewerbetreibenden und die ungarischen Rumänen. Der Minister⸗Präsident Graf Badenierklärte, der Empfang und die Audienz einer Deputation hii dem Kaiser hänge ganz allein von dem persönlichen Willen des Kaisers ab. Er ber Minister⸗Präsident) könne aber im Namen der Regierung erklären, daß, so oft er oder ein anderes Mitglied des Kabinets in dieser Beziehung von dem Kaiser befragt worden seien, sie sich stets für den Empfang oder die rachgesuchte Audienz ausgesprochen hätten; ganz speziell sei dies der Fall gewesen, wenn es sich um eine Beschwerde gegen ie Regierung oder gegen Mitglieder derselben gehandelt habe. Der Berichterstatter Graf Palffy betonte hierauf, die Erklä⸗ ng des Minister⸗Präsidenten schließe jeden Zweifel aus. as Haus nahm sodann die Kapitel des Budgets über den Reichsrath, das Reichsgericht und den Ministerrath an. Der ungarische Ackerbau⸗Minister Daranyi und der andels⸗Minister Daniel haben sich vorgestern von Budapest nach Wien begeben. Die Meldung, daß der Minister⸗ räsident Baron Banffy und der Finanz⸗Minister Lukacs sich schon jetzt nach Wien begeben würden, um die Ausgleichsverhand⸗ ngen mit der österreichischen Regierung zu eröffnen, bestätigt ch nicht. Der Minister⸗Präsident und der Finanz⸗Minister werden nicht vor Januar nach Wien reisen. Das ungarische Oberhaus bewilligte vorgestern ein⸗ stimmig das dreimonatige Budgetprovisorium, nachdem der Minister⸗Präsident Baron Banffy die Beschuldigung der Volkspartei, es seien Wahlmißbräuche vorgekommen, energisch zurückgewiesen hatte. Großbritannien und Irland. G Loord Salisbury hat es, wie „W. T. B.“ erfährt, im öffentlichen Interesse abgelehnt, eine Deputation armenischer Christen zu empfangen.
Frankreich. 114“
In dem am Sonnabend abgehaltenen Ministerrath unterzeichnete der Präsident Faure ein Dekret, durch welches der General Z6d6 zum Kommandeur des XIV. Armee⸗Korps und zum Militär⸗Gouverneur von Lyon ernannt wird. Dem Verlangen des früheren Minister⸗Präsidenten Ribot ntsprechend, beschloß der Ministerrath sofort eine
11A4“
Verfolgung und strengste Bestrafung derjenigen, die sich der
— 2
Verhaftung Arton's beauftragte Agent sich seiner Aufgabe entledigt habe. Im Senat legte vorgestern der Finanz⸗Minister Doumer
das Budget vor. Rußland.
Der Großfürst⸗Thronfolger ist am Freitag in Batum eingetroffen und hat sich sofort an Bord des Dampfers der freiwilligen Flotte „St. Petersburg“ begeben, der darauf ins Ausland abging.
Der Gouverneur von Livland, General⸗Lieutenant Sinowjew ist vorgestern Abend auf der Reise von St. Peters⸗ burg nach Riga in Gatschina plötzlich gestorben. Die Regierung brachte am Sonnabend im Senat einen Gese ein, wonach die Ausnahmegesetze gegen die Anarchisten vom 19. Juli 1894 bis Ende 1896 ver⸗ längert werden sollen. In den Motiven des Entwurfs wird eine Statistik der bisherigen Anwendung der Gesetze gegeben, aus welcher sich ergiebt, daß auf Grund derselben 860 Ver⸗ urtheilungen erfolgt sind, von denen 426 auf Zwangsaufent⸗ halt lauteten. Die von Senat ernannten Kommissions⸗ mitglieder sind, dem „W. T. B.“ zufolge, dem Entwurfe günstig gestimmt.
Die Anfragen, welche de Bernardis und andere Ab⸗ eordnete in der vorgestrigen Sißa der Deputirten⸗ kammer über den Ankauf ausländischen Getreides seitens des Kriegs⸗Ministiums an die Regierung richteten, riefen zwei Anträge hervor: einen Antrag des Deputirten Cavallotti auf Einsetzung einer parlamentarischen Unter⸗ suchungskommission und einen des Deputirten Lucca auf eine Untersuchung durch die Behörden. Im Verlaufe der Debatte vertheidigte der Kriegs⸗Minister General Mocenni den Ankauf ausländischen Getreides, zu welchem er durch das Gesetz berechtigt gewesen sei und den er unter vortheilhaften Bedingungen gemacht habe. Den Anträgen der Deputirten Cavallotti und Lucca gegenüber erklärte der Minister, er werde eine weitere Untersuchung der Angelegen⸗ heit durch eine Kommission von solchen Personen veranlassen, die der Verwaltung fern ständen. Das Ergebniß der Unter⸗ suchung werde er dem Hause in etwa einem Monat vorlegen. Der Deputirte di Rudini äußerte, er sei nicht gegen den Kriegs⸗Minister, sondern gegen das Ministerium, welches zum Ruin der parlamentarischen Institutionen führe. In Vertretung des noch nicht völlig genesenen Minister⸗Präsidenten Crispi erklärte der Minister Saracco, er habe nicht Leglaubt, daß die Frage einen politischen Charakter annehmen könnte. Wenn beabsichtigt werde, die Vertrauensfrage aufzuwerfen, so würde diese Absicht keinen Widerstand finden. In namentlicher Ab⸗ stimmung genehmigte die Kammer sodann mit 239 gegen 139 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen den Vorschlag des Kriegs⸗Ministers. 11““
Gestern verhandelte die Deputirtenkammer über die Inter⸗ pellationen wegen der Ereignisse in Afrika. Die Deputirten Imbriani, Cavallotti und Bovio (radikal), Bonin, de Martino (oppositionell) und Sanguinetti (ministeriell) setzten ihre Tagesordnungen ohne Zwischenfall auseinander. Der Minister der öffentlichen Arbeiten Saracco kündigte an, der Minister⸗Präsident Crispi werde an der heutigen Sitzung der Kammer theilnehmen. Die Regierung werde unverzüglich, voraussichtlich schon heute, einen Gesetzentwurf einbringen, durch den sie ihre Absichten über Afrika kundgeben werde. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
Das „Giornale militare uffiziale“ veröffentlicht ein Dekret, durch welches die Urlaubsklasse des Jahrgangs 1873 einberufen wird. — Die „Italia militare“ meldet, es gelte als sicher, daß nach der bevorstehenden, bereits ange⸗ kündigten Absendung von 5 Bataillonen und 2 Gebirgs⸗ Batterien nach Afrika noch 4 Bataillone und wahr⸗ scheinlich auch 2 Feld⸗Batterien dorthin abgehen würden.
Der Kreuzer „Etruria“ ist am Sonnabend von Smyrna nach Massowah in See gegangen.
Die Beisetzung des Kardinals Melchers ist auf den 17. d. M. festgesetzt und wird in der Kirche San Bernardo alle Terme stattfinden.. 8
“ 8 1“
Spanien. Graf Tejada Valdosera, bisher Gouverneur der Bank von Spanien, ist zum Justiz⸗Minister und Linares Rivas, bisher Präsident des Staatsraths, zum Minister der öffentlichen Arbeiten ernannt worden. Zum Gouver⸗ neur der Bank von Spanien wurde der frühere Finanz⸗ Minister Garcia Barzanallana ernannt 1
Türkei. 8
Das ‚Reuter'sche Bureau“ meldet aus Konstantinopel: Ein neues Irade des Sultans befehle die schonungslose
Plünderung, des Raubes von Fabathtercn, des Mordes, der Brandstiftung und anderer Missethaten schuldig machten. Die Truppen müßten Unordnungen mit Waffengewalt unterdrücken. Diejenigen Personen, welche Waffen trügen, sollten nach dem Kriegsrecht abgeurtheilt werden.
Das zweite österreichisch⸗ungarische Stations⸗ schiff ist am Sonnabend, das zweite russische Stations⸗ schiff gestern in Konstantinopel eingetroffen.
Der „Standard“ meldet aus Konstantinopel, daß der Inspektor der Tabackregie Fetrneh⸗ dessen Tod gemeldet wurde (siehe Nr. 290 d. Bl.), wohlbehalten in Kharput einge⸗ troffen sei.
Bulgarien.
Die nach Sofia berufene Versammlung der mace⸗ donischen Vereinigungen hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern ihre Berathungen begonnen. 8
Schweden und Norwegen. ¹ Die Staatseinnahmen aus den Zöllen, der Brannt⸗ weinsteuer, der Rübenzuckersteuer und den Staatseisenbahnen ö den beet0 1is Monaüen dieses Jahres auf ronen gegen 60 15 Kronen in der gleichen Zeit des Vorjahres. 38 “ Hech
Zus Havanna von gestern wird gemeldet: Ein Tru⸗ von 800 Aufständischen unter dem Befehl von Nodrigurg, Lopez und Recio habe eine von dem Hauptmann Borrego und dem Lieutenant Ardieta geführte Kolonne von 72 Sol⸗ daten bei dem Dorfe Minas, zwischen Nuevitas und Puerto Principe, überrascht. Trotz heldenmuͤthiger Vertheidigung hätten die Spanier 1 Lieutenant und 29 Mann verloren, 8 Mann
gerichtliche Untersuchung eröffnen zu lassen, um die An und Weise zu erfahren, in welcher der von Ribot mit der
“ I
8 3
sei gefangen genommen worden. Die Rebellen verhinderten
die Erntearbeiten in Camaguey. Eine Insurgentenschaar unter
Führung Mirabal's habe zwei Barken auf dem Sugua⸗Fluß
genommen und plündere Ortschaften und Zuckerplantagen. Afrika.
Die „Agenzia Stefani“ erfährt aus Massowah: der Kommandant des Forts Makalle Major Galliano melde daß am 11. d. M. Abends die Ergänzungsarbeiten an den Befestigungen vollendet gewesen seien; die Stimmung der Besatzung sei eine sehr gehobene. Das Verhalten der Schoaner mache einen Angriff unwahrscheinlich. Ein Eingeborener, welcher unversehrt aus Amba Aladji zurückgekommen sei, berichte, er habe dem von Ras Makonen “ Leichenbegängniß des Majors Toselli beigewohnt. nter dem gestrigen Datum wird der „Agenzia Stefumt⸗ berichtet: der Lieutenant Scala, der am Kampf bei Amba Aladji theilgenommen hatte, habe geschrieben, er werde von Ras Makonen gefangen gehalten und gut behandelt; es seien noch mehrere andere Italiener wohlbehalten im Lager der Schoaner, deren Namen man aber nicht kenne. Nach den letzten Mittheilungen sei das Gros des Feindes noch nicht über Maimesghi (2) hinausgekommen.
eral Arimondi habe sich nach Massowah begeben, um Anordnungen für die Ankunft der aus Italien nachkommenden Truppen zu treffen.
Privattelegramme aus Massowah melden, mehrere Sol⸗ daten, die unter Persico gestanden, seien wohlbehalten und berichteten, daß 40 Mann dieser Abtheilung eim Rückzuge von Amba Aladji auf der Höhe bis Mitternacht Widerstand geleistet hätten. Bisher hätten die regulären ein⸗ geborenen Truppen, die den Kampf von Amba Aladji überlebten, die Zahl 500 erreicht, nicht eingerechnet die Eingeborenen, die verschiedenen anderen Trupps angehörten. — Ein zufällig ab⸗ gegebener Schuß habe einen großen Lärm in dem Lager der Schoaner verbreitet, welche bewaffnet unter Rufen: „Da sind Baschibozuks!“ herbeigeeilt seien. Dieser Lärm, der den Eindruck der bei Amba Aladji erlittenen Verluste widerspiegele, erkläre die Unthätigkeit der Schoaner seit dem 7. d. M. In Adua herrsche Ruhe. Sämmtliche Bewohner der Kolonie, die fähig seien, die Waffen zu tragen, seien einberufen worden; die Bevölkerung entspreche wider alles Erwarten dem Rufe. Gestern sei ein von dem Major Devito befehligtes Bataillon angekommen, welches in dem Landstrich von Keren gewesen sei; sämmtliche eingeborenen Häuptlinge hätten sich eingestellt und gebeten, an den ferneren Kämpfen theilnehmen zu dürfen. Die Schoaner, die sich in Maimesghi befänden, seien demnach 70 km von Makalle entfernt; der Feind halte sich nach wie vor südlich; die gegentheiligen Gerüchte in dieser Beziehung seien unbegründet.
Nach einer Depesche des Generals Duchesne aus Tananarivo vom 6. d. sind die Unruhen, welche aus dem Südwesten von Tananarivo gemeldet waren, mit Nachdruck unterdrückt worden; die madagassische Regierung habe hierbei ihre Unterstützung gewährt.
Dem,ZReuter'schen Bureau“ wird aus Cape Coast Cast le vom heutigen Tage gemeldet: unter den Eingeborenen sei das Gerücht verbreitet, der König Kumassi habe den Häuptling der Ashantis im Süden von Kumasst angegriffen, infolge der Weigerung des Häuptlings, ihm (dem König) Hilfe zu leisten; die Ashantis seien unter großen Verlusten zurück⸗ geschlagen worden. Man betrachte die Angelegenheit als ein Anzeichen dafür, daß der König entschlossen s den Engländern zu schlagen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (9.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Hr⸗ von Boetticher beiwohnte, wurde auf Antrag des Abg. Auer zunächst beschlossen, das gegen den Abg. Lütgenau schwebende Strafverfahren einzustellen.
Hierauf ergriff zur Einleitung der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Errichtung von Handwerker⸗ kammern, das Wort der
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher: Ich halte mich für verpflichtet, eine Reihe von Miß⸗ verständnissen und Besorgnissen zu berichtigen bezw. zu zerstreuen, die man an diesen Gesetzentwurf in der Presse geknüpft hat. Die Bildung von Handwerkskammern habe ich bereits vom 15. Januar d. J. an als einen der Wege zur Lösung der wichtigen Fr e der Handwerkerorganisation bezeichnet. Dieser Gesetzentwurf verfolgt keines⸗ wegs die Absicht, die Organisation in bieser Frag⸗ hinauszuschieben oder ihr zu präjudizieren. Ich würde nicht die Wahrheit gesprochen haben, wenn auch nur entfernt der Gedanke, die Handwerkerorganisation auf die lange Bank zu schieben, bei uns aufgekommen wäre; ich ins⸗ besondere, der ich mich durchaus nicht schäme, diesen Weg zu betreten, würde mit meiner ganzen Vergangenheit in Widerspruch ge⸗ rathen sein, „wenn mir auch nur entfernt der Gedanke gekommen wäre, durch diesen Weg die verbündeten Regie⸗ rungen ven der Lösung der Handwerkerfrage zu befreien. Dieser Gesetzentwurf versolgt im Gegentheil die Absicht, zunächst eine praktische und wirksame Handhabe zu gewinnen für die Lösung der Handwerkerfrage. Man hat in der Presse von einer Meinungs⸗ verschiedenheit zwischen meinem Kollegen von Berlepsch und mir in dieser Sache gesprochen und sogar von einem großen Siege auf meiner Seite und von einer Uneinigkeit im preußischen Staats⸗Ministerium. Das entsprang dem Bedürfniß, von Zeit zu Zeit dem hochverehrten Publikum eine pikante, sensationelle Notiz zu bringen — und was ist pikanter als ein Konflikt im Staats⸗Ministerium. Herr von Berlepsch und ich, die wir eng mit einander befreundet sind, haben bisher in der Hand⸗ werkerfrage einen und denselben Strang gezogen, und wenn eine gewisse Meinungsverschiedenheit zwischen uns in Bezug auf die Oppor⸗ tunität der jehigen Maßregel obgewaltet hat, so sind daraus absolut nicht die Schlüsse zu ziehen, die die Presse daraus gezogen hat. Wir werden auch ferner denselben Strang ziehen, -8. Finsichtlich der definitiven Organisation des Handwerks. Ich vertrete hier den ein⸗ müthigen Vorschlag der verbündeten Regierungen; es kann demnach keine Bosheit oder schädliche Absicht vorgewaltet haben, sonst würde wenigstens eine Regierung diesen Vorschlag verworfen haben. Da ich mich überzeugt hatte, daß man in den Handwerker⸗ kreisen über die Ausgestaltung der Organisation keineswegs einig war, schien es mir nützlich, zur Feststellung dessen, was eigentlich dem ge⸗ sammten Handwerk, nicht einer Partei, im Interesse der Fortent⸗ seiner Thätigkeit ersprießlich sei, eine Einrichtun zu schaffen, vermöge welcher die Handwerker sich gutachtli äußern können. Ich dachte dabei an einen Unterbau, wie er in den Landwirthschaftskammern geschaffen ist, ähnlich wie in anderen Ländern. Man hat, ehe man die genossenschaftliche Drganisation in Oesterreich
seien verwundet worden. Einem Hauptmann und vier Sol⸗
durchführte, auch erst Gewerbekammern eingeführt, die bei der Durch⸗ führung der genossenschaftlichen Organisation wesentlich
daten sei es geglückt, zu entkommen. Der Rest der Aolonn⸗
wissen müßten, wie die
Wenn die
zwei Sessionen vergehen. orisa satio als Vorbereitung zur definitiven nothwendig? Sie ist bedenklich in sofern, als dadurch Zeit verloren wird, und nothwendig erscheint sie nicht. Ich freue mich, 1 Beoetticher und Herrn von Berlepsch besteht, und ich hoffe
muß im eresse der technischen andn Darüber b 28* nicht erst eine Abstimmung herbeizuführen.
man kann
und Meisterprüfung. Aber gen sind die
1 nung,
haben. Im Januar wurde dieser Weg im preußischen Ministerium erörtert, der Gesetzentwurf wurde ausgearbeitet, konnte aber dem Reichstag nicht mehr vorgelegt werden. Ich selbst beantragte s ar im Ministerium den Entwurf wieder ganz fallen zu lassen, wenn bis zur nächsten Session dem Reichstag ein vollständiges Organisationsgesetz vor⸗ elegt werden könnte. Dieser Erfolg ist nicht eingetreten. Der preu⸗ ische Handels⸗ Minister hat im Verein mit mir eine Untersuchung über die Bewährung der Zwangsorganisation in Oesterreich anzestellt, und über die Durchführbarkeit derselben bei uns wurde eine Stich⸗ proben⸗Enquste in verschiedenen Bezirken über die Verbreitung und die Art des Handwerks vorgenommen. Diese Enquste ist in diesem Moment abgeschlossen und dem Reichstag mitgetheilt. Die Herren werden seben, daß es ein ausgezeichnetes Werk ist, welches dem Statistischen Amt zu großer Ehre gereicht. Aber wenn diese Enquste die Verhältnisse auch wesentlich klärte, so hat sie doch noch keine Entscheidung gebracht. Bei den Arbeiten für das definitive Organisationsgesetz wird sie zu Rathe gezogen werden. Die jetzige Vorlage will die Errichtung von Handwerkskammern. Nach der Aufnahme, welche dieser Gedanke im vorigen Jahr im Reichstag und auch hier und da in Handwerker⸗ kreisen gefunden hat, aen ich, würde der Reichstag den Entwurf acceptieren. Sowohl bei den Rednern des Zentrums wie der Konservativen fand dieser Gedanke vorbehaltlich der definitiven des Handwerks sympathische Aufnahme. Auch auf der Konferenz von Handwerkern in diesem Sommer, welche den Entwurf des preußischen Ministers von Berlepsch einer Besprechung unterzog, fand der Gedanke über die Errichtung von Handwerker⸗ kammern sympathische Aufnahme. In dem Protokoll der Konferenz beißt es, daß die Mitglieder der Konferenz sich nicht der Ueberzeugung verschließen konnten, daß die Errichtung der Handwerker⸗ kammern eine vorbereitende Maßregel für das Inslebentreten der definitiven Organisation des ndwerks sei und daß hierfür der Entwurf des Herrn von Boetticher über die Handwerkerkammern, die einen provisorischen Charakter tragen, geeignet sei. Es sollen zu⸗ nächst autoritative Organe hergestellt werden, die uns sagen, was dem Handwerk frommt, und die bei der demnächstigen Organisation mit⸗ wirken sollen, um die Organisationsbezirke festzustellen, das Statut zu entwerfen u. s. w. Haben wir diese Organe nicht, dann können Sie uns mit Recht vorwerfen, wir machten Organisationspläne vom grünen Tisch aus; so aber können wir uns darauf berufen, daß das Handwerk selbst in dieser Weise sein Geschick gestaltet zu sehen wünscht. Man hat gemeint, dazu brauche man nicht organisierte Bildungen, sondern nur freie Konferenzen; allein solchen freien Konferenzen haben aber noch immer die, denen das Ergebniß Fn. nicht paßte, den Vorwurs gemacht, die Regierung habe nach ihrem Belieben die Konferenz zusammenzesetzt. Allerdings giebt es schon die Innungen, aus denen Vertreter berufen werden könnten. Ich bin auch gern bereit, diesen ein Mitwirkungs⸗ recht zu geben; aber darüber dürfen wir uns nicht täuschen, daß zur Zeit die Zahl der im korporierten Handwerk vertretenen Handwerks⸗ meister eine sehr geringe ist. (Sehr richtig! links.) Sie können nicht anders zu einem heilsamen Ergebniß kommen, als wenn Sie Organe schaffen, die nach Maßgabe berechtigter Interessen zusammengesetzt sind. Die Leute, die außerhalb der Innungen steben, haben doch auch das Recht oder mindestens den Wunsch, gehört zu werden. Auf der sechsten ordentlichen Hauptversammlung des Ver⸗ bandes deutscher Gewerbevereine ist es als ein unbedingtes Erforderniß erachtet worden, daß das ganze deutsche Handwerk mitwirke, nicht nur das in den Innungen vertretene. Die nicht den Innungen an⸗ gehörenden Leute sind doch auch sozusagen Menschen. Die Hand⸗ werkskammern sollen nun nicht nur uns mit Gutachten unterstützen, sondern sie sollen auch ein wesentlicher Faktor sein zur Mithilfe bei der 8 In Oesterreich bestehen die Handwerkskammern schon über 10 Jahre, und doch konnten sie noch nicht in allen Kron⸗ ländern durchgeführt werden. Gegen die Art der Zusammen⸗ setzung der Handwerkerkammern mögen berechtigte Bedenken vorliegen; diese können ja zum Ausdruck gebracht werden. Das Bedenken aber, daß der vorliegende Entwurf der ganzen Orga⸗ nisation präjudiziere, ist vollständig unberechtigt. Der Entwurf hat nur einen provisorischen Charakter. Seine Bestimmungen sollen nur so lange in Kraft bleiben, bis es gelungen ist, ein definitives Organisationsgesetz zu schaffen. Auf Einzelheiten will ich nicht eingehen. Die Zeit, wann es möglich sein wird, ein definitives Gesetz zu schaffen, kann jetzt noch nicht mit Bestimmtheit angegeben werden. Der preußische Handels⸗Minister ist an der Arbeit, und diese wird nach Möglichkeit gefördert. Vielleicht kann es in der ersten Hälfte des Februar dem Bundesrath vorgelegt werden. Dort werden die Meinungen über die Organisationsfrage von vornherein wenigstens kaum übereinstimmen. Selbst wenn die Berathung im Bundesrath nur vier Wochen dauert, so könnte der Entwurf doch nicht vor Ende März dem Reichstag vor⸗ gelegt werden. Die Durchberathung desselben im Laufe dieser Session erscheint mir absolut unausführbar. Demnach wird wohl erst in der nächsten Session dem Reichstag der Entwurf vorgelegt werden können. — Die Handelskammern werden für uns gutachtliche Organe bilden, deren Votum, wie es auch falle, dem Vaterland zum Nutzen und Heil gereichen möge. 2 Abg. Hitze (Zentr.): Die Bildung von Handwerkskammern als vorbereitendes Stadium ist von unserer Seite nicht ab⸗ gelehnt worden; ich habe aber immer betont, daß wir erst Organisation beschaffen sein soll. Die Handwerkskammern in der vorgelegten Form sind für uns nicht acceptabel. Ich kann um so unbefangener an die Beurtheilung dieser Vorlage herantreten, als die Regierung selbst anerkannt hat, daß sie die Vorlage aufgeben könne, wenn es baldigst gelinge, die Organisationsvorlage zu machen. Handwerkskammern st zusammentreten und die begutachten sollen, dann muß das Material erst bearbeitet werden, und darüber werden mindestens Ist eine solche provisorische Organisation
daß kein Gegensatz zwischen Herrn von daß sie
beide an einem Strange ziehen werden. Ich werde beantragen,
die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen, um über dieselbe
eine Aussprache berbeizuführen. Die Organi⸗ sation des Handwerks ist eine Forderung, die erfüllt werden Hebung des Handwerks.
Die prinzipielle Frage der Organisation ist hier erörtert und ent⸗ schieden worden. Wir können eine solche Frage nicht erst in die breiten Massen der Handwerker hineintragen, ebenso wenig wie wir über die Fragen der Arbeiterversicherung die große Masse der
Arbeiter selbst gehört haben. Es giebt allerdings einige Streit⸗
fragen, welche durch die Betheiligten selbst entschieden werden müssen: streiten über die Dauer der Lehrzeit, ob man Befähigungsnachweis verlangen soll, ob eine Gesellen⸗ für die Entscheidung dieser Fra⸗ Handwerkerkammern untauglich; die Entschei⸗ dung kann nur erfolgen für jeden einzelnen Handwerks⸗ bwesg Es soll auch zulässig sein, daß dem Handwerk nicht an⸗
einen
Fbörige Personen zu den Handwerkskammern zugezogen werden. Dar⸗
wird die Mebrheit der Kammer entscheiden, die vielleicht der Organisation feindlich ist. Alles, was die Handwerkskammern leisten sollen, kann durch besonders berufene Vertrauensmänner geleistet werden. Eine provisorische Organisation brauchen wir nicht; die Handwerker meinen,
daß keine Zeit zu verlieren sei, daß man sich endlich verständigen müsse.
Bei Schluß des Blattes spricht der Abg. Gamp (Rp.).
— Dem Reichstag sind die Gesetzentwürfe, betreffend den
1 Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatz⸗ mitteln, und betreffend Aenderungen und Ergänzungen des
Gerichtsverfassun sgesetzes und der Strafprozeßord⸗ sowie eine enkschrift über die Thätigkeit der
Technischephyfikalischen Reichsanstalt vom Oftober 1893 bis
Ostern 1895 zugegangen.
— Das Resultat der am 13. d. M. im 15. württem⸗ bergischen Wahlkreise (Blaubeuren, Ehingen, Laup⸗ heim und Münsingen) vorgenommenen Ersatzwahl zum Reichstag ist, 183 einer Meldung des „W. T. B.“, folgendes: Gröber (Zentrum) 10 346, Quidde (Volkspartei) Schmid (deutsche Partei) 2277 und Kloß (Sozialist) 110 Stimmen. Gröber ist somit gewählt.
Nr. 51 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 13. Dezember, hat fol⸗ genden Inhalt: Konsulatwesen: Entlassung eines Konsuls bezw. Ein⸗ ziehung eines Konsulats und anderweite Zutheilung des Amtsbezirks desselben; — Exequatur⸗Ertheilungen. — Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende November 1895. — Allgemeine Ver⸗ waltungssachen: Erlaß, betreffend die Ausführung von Dienstreisen für die Zivilverwaltung des Reichs. — Zoll⸗ und Steuerwesen: Zoll⸗ tarifierung von eingehendem frischem und zubereitetem Fleisch in her⸗ metisch verschlossenen Gefäßen; — Namhaftmachung einer zur Zu⸗ sammensetzung des allgemeinen Branntwein⸗Denaturierungsmittels ermächtigten Füme. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. 2
Nr. 50 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, vom 11. Dezember, hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen die Cholera ꝛc. — Desgl. gegen Gelbsieber. — Verwaltungsbericht von Leipzig, 18935. — Ungarisches statistisches Jahrbuch, 1893. — Gesundheitsverhältnisse Londons 1893. — Gesetzgebung u. s. w. (Preußen.) Oeffentliche und Privat⸗Kranken⸗, Entbindungs⸗ und Irrenanstalten. — (Sachsen.) Einfuhr von Wieder⸗ käuern und Schweinen. — 1] Viehseuchen. Maul⸗ und Klauenseuche. — ( Waldeck.) Geheimmittel. — (Oesterreich. Galizien.) Bekleben von Gebäck. — (Böhmen.) Todtenbeschau. — (Bukowina.) Gemeinde⸗Sanitätsdienst. — (Italien.) Milzbrand und Rothlauf. — (Großbritannien.) Tolwuth. — Gang der Thierseuchen im Deutschen Reiche, November. — Desgl. in Frankreich, 3. Viertel⸗ jahr. — Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Preußen, Berlin, Regierungsbezirk Schleswig, Elsaß⸗ Lothringen.) — Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften, Vereinen, Kongressen u. s. w. (Oesterreich.) II. internationale pharmazeutische Ausstellung. — (Belgien.) III. internationaler landwirthschaftlicher Kongreß. — Vermischtes. (Preußen.) Aerztliche ꝛc. Prüfungen, 1894/95. — (Berlin.) Kaffee und Kaffcesurrogate. — (Düsseldorf.) Oeffentliche Nahrungsmittel⸗Untersuchungsanstalt, 1894/95. — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Aus⸗ landes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. — Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, Oktober. — Beilage: Gerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiele der öffent⸗ lichen Gesundheitspflege (Heilmittel).
Kunst und Wissenschaft.
Im Lichtho 1 sind gegenwärtig Lüstre⸗Fayencen von dem Kunsttöpfer Hermann A. Kähler in Nestved (Dänemark) ausgestellt. Die Arbeiten sind mit metallisch glänzenden, sogenannten Lüstrefarben ausgeführt und von einer großen Mannigfaltigkeit der Färbung bei eigenartiger, mit nordischen Elementen durchsetzter Ornamentik. Im Anschluß hieran sind die übrigen modernen Lüstrefayencen aus dem Besitze des Museums sowie die verwandten japanischen Arbeiten mit zur An⸗ schauung gebracht.
— Der Professor der Zoologie an der Universität Leipzig, Dr. Rudolf Leuckart, ist aus Anlaß seines 50 jährigen Doktorjubiläums zum Ehrenmitgliede der Gesellschaft zur Förderung der gesammten Naturwissenschaften in Marburg, der Deutschen Zoologen⸗Gesellschaft und der Pariser Akademie der Wissenschaften ernannt worden.
— Aus Jena meldet „W. T. B.“: Zur Feier des bevorstehenden 100. Geburtstags Leopold von Ranke's (21. Dezember) fand am 14. d. M. Abends im Saale des Deutschen Hauses eine festliche Versammlung statt, zu welcher zahlreiche Professoren, Mitglieder des Ober⸗Landesgerichts, viele Studierende und andere Theil⸗ nehmer erschienen waren. Nach einer einleitenden Ansprache des Vorsitzenden Gelzer und nach Gesang folgte die Festrede des Professors Lorenz. Hieran schlossen sich weitere An⸗ sprachen und Gesänge. Aus Ranke’s Geburtsort Wiehe war der Bürgermeister Kamradt anwesend. T 9 und der Schwiegersohn hatten Schreiben gesandt.
Bauten.
Für Entwürfe zum Neubau eines Rathhauses in Duis⸗ burg ist ein allgemeiner Wettbewerb ausgeschrieben worden. Die Bausumme beträgt 500 000 ℳ, der erste Preis 7000, der zweite 5000, der dritte Preis 3000 ℳ EE’ außer dem Ober⸗Bürger⸗ meister Lehr die Herren Geheimer Regierungs⸗Rath, Professor Ende in Berlin, Professor F. Thiersch in München, Stadtbaurath Stübben in Köln und Stadtbaurath Quedenfeldt in Duisburg. Die Entwürfe sind bis zum 15. April 1896 an das Ober⸗Bürgermeister⸗ amt in Duisburg einzusenden, dortigen Stadtbauamt kostenfrei zu beziehen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Reis⸗ und Maisernte Italiens im Jahre 1895. Amtlichen Bekanntmachungen zufolge wurden in diesem Jahre in Italien geerntet an: 1 Mais 21 160 976 hl gegen 21 004 080 im Jahre 1894, Reis 5 959 192 hl gegen 5 738 015 im Jahre 1894.
Saagtenstand in Rumänien. 1 Die Nachrichten über den Stand der Wintersaaten lauten im allgemeinen befriedigend, stellenweise 2 recht Fnt Zur Zeit sind die Saaten fast durchweg durch tiefen Schnee geschützt.
Handel und Gewerbe.
— gliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der düh sind am 14. d. M. gestellt 13 435, nicht recht⸗ eitig gestellt 33 Wagen. In Oberschlesien sind am 13. d. M. gestellt 5746, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Zwangs⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 13. Dezember die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Raumerstr. 16, den Kaufleuten Otto Roeseler und Karl Roeseler gehörig; Fläche 11,48 a; Nutzungswerth 15 800 ℳ; mit dem festgesetzten geringsten Gebot von 1600 ℳ blieb die Actien⸗ esellschaft für rundbesitz und Hypotheken⸗Verkehr, Porotheenstr. 95, Meistbietende. — Fehrbellinerstr. 100, dem Schlächtermeister J. F. Schieke gehörig; Nutzungswerth 4560 ℳ; für das Meistgebot“ von 75 000 ℳ wurde der Kaufmann Franz Wagener, Leipzigerstr. 66, Ersteher. — Strelitzerstr. 62, dem Maurermeister E. Mudrack gehörig; Fläche 10,01 a; Nutzungs⸗ werth 13 550 ℳ; mit dem Gebot von 201 600 ℳ blieb der Kauf⸗ mann Max Priester, Kanonierstr. 39, Meistbietender.
78 W“ 1 8 des Königlichen Kunstgewerbe⸗Museums
Der Sohn, Profe Ranke,
die Wettbewerbs⸗Unterlagen vom
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin standen die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Grundstück zu Pan⸗ kow, angeblich in der Brehmestraße belegen, dem Zimmerpolier Karl Wiese zu Berlin gehörig; mit 0,09 Thlr. Reinertrag und einer Fläche von 7,88 a zur Grundsteuer veranlagt; das 2 die Aktiengesellschaft für Grundbesitz und Hypotheken⸗ Verkehr zu ö Dorotheenstr. 95, abgegebene Gebot von 921 ℳ (Mindestgebot) blieb auch Meistgebot. — Grundstück zu Neu⸗ Weißensee, Straßburgerstr. 17, dem Oekonomen Hermann Bechlin zu Neu⸗Hohen⸗Schönhausen gehörig; Flächenraum 7,10 a; Nutzungswerth zur Gebäudesteuer 1210 ℳ; da ein Gebot nicht ab⸗ gegeben wurde, trat Einstellung des Verfahrens auf drei Monate ein. — Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung wegen des Grundstücks zu Hohen⸗Schönhausen, angeblich Warten⸗ bergerstr. 7 belegen, dem Gärtner Johann Friedrich Wilhelm Leh ne zu Hohen⸗Schönhausen gehörig.
— Der Aufsichtsrath der Aktien⸗Brauerei⸗Gesellschaft „Moabit“’ in Berlin hat beschlossen, der in der ersten Hälfte des Monats Januar 1896 stattfindenden Generalversammlung vorzu⸗ schlagen, daß der im Geschäftsjahr 1894/95 erzielte Reingewinn zur Vertheilung einer Dividende von 4 ½ % auf die Vorzugs⸗Aktien ver⸗ wendet werde. 8
— Die Generalversammlung der Posener Sprit⸗Aktien⸗ gesellschaft genehmigte die Vertheilung einer Dividende von 12 % und die Erhöhung des Aktienkapitals um 600 000 ℳ, wovon
500 000 ℳ zum Bezugspreise von 140 ℳ für die Aktie den alten Aktionären angeboten werden sollen.
1 Theater und Musik.
Königliches Schauspielhaus.
„Marino Falieri“, das Trauerspiel des greisen Dichters Hein⸗ rich Kruse, welcher gestern seinen achtzigsten Geburtstag feierte, gelangte am Sonnabend neu einstudiert zur Darstellung und wurde vom Publikum sehr freundlich aufgenemmen. Die Königliche Bühne wollte dadurch einem Mann, der mit unermüdlichem Eifer und voll edler Gesinnung im Reich der Dichtung sich gemüht und geschaffen hat, ein sichtbares Zeichen der Verehrung und Anerkennung geben. — So lange die Zuschauer an eine tragische Ursache für die blutige Entwickelung der Vorgänge glauben können, vermag die Handlung sie zu fesseln. Der Eindruck des Trauerspiels wird jedoch geschwächt, sobald man erfährt, daß nicht eine wirkliche sittliche Schuld, sondern ein zufälliges Versehen den tragischen Verwicke⸗ lungen zu Grunde liegt, die zum Tode des Helden führen. — Die Darstellung hielt sich wirkungsvoll im Stil der klassischen Tragödie. Herr Nesper sprach als Doge mit königlicher Haltung und mit würde⸗ vollem Ernst die Verse der Dichtung, die im einzelnen manche schöne Empfindung zum Aasdruck bringt und viele kluge Gedanken enthält. Die Rolle des ungestümen, offenherzigen Michael Steno spielte Herr Purschian kraftvoll und im Ausdruck vornehm. Die holde Herzogin gab Fräulein Lindner schlicht und zart, und Fräulein von Mayburg führte die Rolle der Geliebten Michael Steno's frohsinnig und
launig durch. Lessing⸗Theater.
Oskar Blumenthal's dreiaktiges Lustspiel „Gräfin Fritzi' gelangte vorgestern im Lessing⸗Theater mit Luise Dumont in der Hauptrolle zur Aufführung. Mit der ungarischen Gräfin Friederike Laray werden alle Vertreterinnen des Faches der Salon⸗ damen Ehre einlegen; auch Luise Dumont spielte sie mit Würde und Anstand, und dafür, daß sie die nicht gerade geschickt einge⸗ schobene Vertheidigung des Standes der Schauspieler im zweiten Akt, welche beinahe an die berüchtigte Rede vom „Komödianten Kean“ erinnert, mit möglichster Harmlosigkeit sprach, brachte das Publikum ihr besondere Anerkennung entgegen. Im übrigen ist über diese Aufführung nichts Neues zu be⸗ richten. Die dankbarste schauspielerische Aufgabe im ganzen Stück, welche dem alten Kommerzien⸗Rath Meinhard zufällt, führte Franz Guthery wiederum geradezu virtuos durch. Man vergaß fast über seiner Leistung das Triviale und Schablonenhafte gerade dieser Figur. Recht gut waren auch in den kleineren Rollen die übrigen Mitwirkenden: Jenny Groß als Wiener Operetten⸗Sängerin
erline Grundel, Luise von Pöllnitz als Kommerzien⸗Räthin, eta Jaeger als deren Tochter Hedda, Ludwig Stahl als Rechtsanwalt Opitz, Franz Schönfeld als Franz Helling, Ferdinand Suske als Kapellmeister Ambrosius und Karl Waldow in der amüsanten Rolle des Lohnkellners Flieder. Gelacht wurde daher auch während der vorgestrigen Aufführung wieder reichlich und herzlich von dem dankbaren Publikum, und das ist ja bei einem Lustspiel oder Schwank für den Dichter und den Theaterdirektor nun einmal die Hauptsache.
Zentral⸗Theater.
Die „Gesellschaft deutscher Dramatiker“⸗ veranstaltete gestern Nachmittag im Zentral⸗Theater eine zweite Versuchsaufführung mit drei Dramen, jedes in einem Akt, die ausnahmslos von sehr seringem Werth waren. Weder „Das Recht der Meinung, eine alt⸗ babvlemische Legende in einem Vorgang“, in welcher in ziemlich all⸗ gemein gebräuchlichen Wendungen über die Freiheit der Schrift⸗ forschung gestritten wird, noch das Drama „Tyrannen“, in dem die Hauptrolle eine von Ibsen'schen Ideen angekränkelte Pfarrersfrau spielt, war einheitlich gestaltet; man gewann desbalb kein klares Bild über die künstlerische Absicht, die etwa den Verfassern vorgeschwebt haben mag. Den Abschluß machte eine Märchen⸗Komödie „Prinzessin Sida“, die zuweilen gefälligen Humor entwickelte und an einzelnen Stellen nicht ungeschickt gesellschaftliche Zustände parodierte. Die Darsteller waren ebenso unzulänglich wie die Theaterstücke, sodaß durch sie eine Klärung der Dichterwerke nicht vermittelt werden konnte.
Konzerte.
Im Saal der Iilje xhesrie führte am Freitag v. W. der Komponist Herr Gustav Mahler, Kapellmeister an der Oper zu mburg, seine neue Symphonie in Cmoll für Soli, Chor und rchester auf. Das von selbständiger Erfindung zeugende Werk enthält besonders in den drei ersten Sätzen große Schönheiten. Das finstere Motiv des ersten Satzes, das von den Kontrabässen zuerst allein gespielt wird, wechselt bald mit einem sehr melodiös gehaltenen Gegenthema ab und kehrt am Schluß des Satzes nach stilgerechter Behandlung beider Themata sehr wirkungs⸗ voll wieder. Ein besonders reizvoller Satz ist das Andante, welches vom Publikum mit anhaltendem Beifall aufgenommen wurde, der auch dem mit tanzartigen Motiven beginnenden Scherzo folgte. Von da an tritt jedoch ein auffallender Wendepunkt in dem Werke ein. Der elegisch gebaltene vierte Satz bringt ein Alt⸗Solo von geringem musikalischen Werthe. N weniger bedeutend ist der fünfte Sh. Einleitung, Allegro energico (mit Chor, Sopran⸗ und d. Sg der in dem Streben nach Originalität sich in harmonischen Unschönheiten, gewaltsamen Orchestereffekten und in gesuchter Verwendung einzeln ertönender Flöten und Glockenklänge bewegt, außerdem aber auch an erheblichen Längen leidet. Der Komponist, der sich anscheinend noch in seiner Sturm⸗ und Drangperiode befindet, zeigt jedoch auch hierin einzelne treffliche Ge⸗ danken und erweckt die besten Hoffnungen für seine weiteren Schöpfungen. Das zahlreich erschienene Publikum nahm die Symphonie sehr günstig auf. Das Philharmonische Orchester und der Stern'sche Gesangverein führten unter Leitung des Komponisten das Werk mit lobenswerther Präzision aus, auch waren die Damen Zoee bin⸗ 8 G und Hedwig Felden (Alt) wohl befriedigend in ihren Leistungen. 1“ 8 An . Abend ließen sich zwei Geschwister, Rose und Ottilie Sutro aus Amerika im Saal der Sing⸗Akademie hören, und zwar mit Vorträgen auf zwei Klavieren. Die bekannte und beliebte Sonate in D-dur von Mozart machte den Anfang. Variationen von E. Rudorff (op. 1), Chopin's Rondo (op. 73) und andere Klavier⸗ Duos von C. Reinecke, J. B. Duvernoy, J. Raff und F. Liszt folgten. Im Vortrag sämmtlicher Werke bekundeten die Künstlerinnen Klarheit
—