jed die Bemerkung nicht unterlassen, daß es auffallen —2 wenn eine größere Anzahl von Geistlichen Lemberg in dem Augenblicke verlasse, in welchem der neuernannte Kardinal daselbst seinen Einzug halte; denn die Verleihung der Kardinalswürde an den Erzbischof Sembratowicz gelte als ein Zeichen des hohen Interesses, welches sowohl der Papst, als auch der Kaiser an dem Aufblühen der ruthenischen Kirche nähmen. Auch müsse er mißfällig bemerken, daß die Entsendung dieser übergroßen Anzahl von Deputations⸗Mitgliedern eine ebenso kostspielige als ungehörige Demonstration sei, welche sich keineswegs als ein bI Mittel zur Förderung des ebten Zwecks darstelle. 3 eee n Papeicn Massenaufzug der Ruthenen durch die Stadt nach der Hofburg war von der Polizei untersagt worden. Es fanden infolgedessen keinerlei Ansammlungen auf Straßen statt. 8 S. Das⸗ 5et., ische Abgeordnetenhaus berieth gestern, nachdem die Regierung die Vorlage, betreffend die Errichtung von landwirthschaftlichen Berufs⸗ genossenschaften und von Rentengütern, zurückgezogen hatte, über den Dispositionsfonds. An der Debatte be⸗ theiligten sich die Abgg. Noske, Graf Dubsky und Hagen⸗ hofer, welche dafür, Pernerstorffer, Dr. Lueger und Lorsey, welche dagegen sprachen. Letzterer erklärte, die katho⸗ lische Volkspartei, welche sonst eine zuwartende Haltung ein⸗ nehme, stimme nur angesichts der Haltung der offiziösen Presse gegen diesen Posten. Der Minister⸗Präsident Graf Badeni erklärte, er erblicke in der Bewilligung des Postens „Dispo⸗ sitionsfonds“ keine Vertrauensfrage. Ueber die Raten⸗ verwendung werde er in einem Jahre jeder sachlichen Kritik Rede stehen können. Hierauf wurde die Debatte geschlossen und die Sitzung unterbrochen. In der Abendsitzung wurde der Dis⸗ positionsfonds mit großer Mehrheit genehmigt; ferner wurde das Gesetz über das Urheberrecht mit einigen Abänderungen in der vom Herrenhause beschlossenen Fassung in allen Lesungen angenommen. Der Justiz⸗Minister Graf Gleisbach trat auf das wärmste für die beantragten Aenderungen, be⸗ sonders für die Ausdehnung der Uebersetzungsfrist auf drei Jahre, ein und betonte, das Gesetz bilde einen Markstein in der Entwickelung des Urheberrechts in den europäischen Staaten. Der Budget⸗Ausschuß genehmigte das Budget⸗ Provisorium bis Ende März 1896.
Die Kommission des Senats genehmigte gestern, dem Regierungsentwurfe entsprechend, die Verlängerung der Guͤltigkeit der Ausnahmegesetze gegen die An⸗ archisten bis zum 31. Dezember 1895.
Die Deputirtenkammer setzte gestern die Berathung der Interpellationen über Afrika fort. Der Deputirte Attillio Luzzati (regierungsfreundlich) begründete eine
Interpellation, worin er die Frage stellte, ob sich die Re⸗ gierung nicht augenblicklich entscheiden müsse, entweder jeden Bedanken an eine Kolonialexpedition aufzugeben oder endgültige Anstrengungen zu machen, um die Schwierig⸗ keiten zu beseitigen und jeden Widerstand, der sich der Oberherrschaft Italiens in Erythraea und dem Ein⸗ fluß Italiens in Aethiopien entgegenstelle, zu brechen. Die Deputirten di San Giuliano (Opposition), Antonio Gaetani (radikal) und Costa (Soz) brachten eine Inter⸗
pellation ein, in welcher sie die ohiranice Politik der Regierung bekämpften. Der Minister⸗Präsident Crispi ergriff darauf unter allgemeiner Aufmerksamkeit des Hauses das Wort und führte, dem „W. T. B.“ zufolge, aus, daß nichts geschehen sei, was begründeter Weise das Ver⸗ trauen des Parlaments in die afrikanische Politik der Regierung erschüttern könnte. Die ruhmreiche Episode von Amba⸗Aladji gehöre zu jenen, welche in allen Kolonial⸗ kriegen unvermeidlich seien. Die Regierung könne nicht der Unvorsichtigkeit geziehen werden. Der eral Baratieri habe das verlangt, was er für nothwendig gehalten habe, und die Regierung 28 mehr gegeben, als er verlangt habe. Die ersten Kachrichten von der Bewegung des Feindes stammten vom 2. Dezember. Er wolle damit nicht sagen, daß der General Baratieri gefehlt habe. Dies sei so wenig wahr, daß nach dem Vorfall von Amba⸗Aladji die Regierung den General Baratieri benachrichtigt habe, daß sie ihm ihr volles Vertrauen bewahre. Er weise die Beschuldigung “ daß die Regierung gegen das der Kammer gemachte Versprechen verstoßen habe. Die italienische Flagge sei seit Juli in Makalle gehißt, und man sei nicht nach Amba⸗Aladji gegangen, um das Gebiet Dalbos zu occupieren, sondern einfach, um eine strategische Bewegung auszuführen. Der Minister⸗Präsident setzte sodann die Gründe auseinander, welche es seit Dezember 1893 hätten räthlich erscheinen lassen, die Bewegung gegen Tigre zu unter⸗ nehmen. Alles, was seit Juli d. J. geschehen, sei die logische und nothwendige Entwicklung der Ereignisse und der Verfolg eines Krieges, der von Italien nicht gesucht sei, und in welchem es sich in der Vertheidigung befinde. Es sei unmöglich, daß das Parlament in einem Augenblick, in welchem ganz Italien die Regierung auffordere, ihre Pflicht zu thun (stürmische Unterbrechungen auf der äußersten Linken und lebhafter Bei⸗ fall auf der Rechten), es ablehne, das Wirken der Regierung zu würdigen. Der Minister⸗Präsident schloß damit: Die Regierung wolle den occupierten Pro⸗ vinzen den Frieden bringen, die italienischen Grenzen befestigen und in Zukunft derartige bedauernswerthe Ereignisse unmöglich machen. Die Regierung beschränke sich für jetzt darauf, zu erklären, daß sie — entgegen den An⸗ schuldigungen ihrer Gegner — wisse, was ihre Pflicht sei, und daß sie dieselbe erfüllen werde. Der Deputirte Antonio Gastani erwiderte auf die Rede des Minister⸗ Präsidenten und erklärte im Verlauf seiner Ausführung, daß er Republikaner sei. Diese Erklärung verursachte einen lebhaften Zwischenfall. Der Präsident rief Gastani zur Ordnung und hob, als Gastani zu sprechen fortfuhr, die Sitzung auf. Nachdem die Sitzung wieder aufgenommen worden war, führte der Präsident aus, Gastani habe, als er sich dem Ordnungsruf nicht gefügt habe, die Geschäftsordnung verletzt. Der Deputirte Bovio bemerkte, Mazzini sei auch Republikaner gewesen. Der Präsident erwiderte hierauf, Mazzini habe auch nicht den Eid auf die Verfassung geleistet. (Lang anhaltender, lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses, ausgenommen die äußerste Linke.) Der Minister des Auswärtigen Baron Blanc erklärte, er behalte sich vor, bei der Berathung der Vorlage über die in Afrika zu treffenden Maßregeln zu sprechen. Mehrere Deputirte brachten hierauf Anträge ein. Der Minister⸗Präsident Crispi schlug vor, diese Anträge an demselben Tage zu berathen, an dem die Vorlage über die Maßnahmen in Afrika, welche die Re⸗
ierung heute einbringen werde, zur Berathung komme. Pieser Vorschlag wurde angenommen und darauf die Sitzung aufgehoben.
ig e⸗ „Fanfulla“ meldet, daß das Kriegsschiff „Aetna“ von Ancona aus nach Massowah abgegangen sei; an Bord des⸗ eelben befinde sich der Kontre⸗Admiral Turi, welcher das nach
Rothen Meer entsandte Geschwader befehligen werde. Außer dem „Aetna“ umfasse das Geschwader die Kriegsschiffe „Cur⸗ tatone“, „Scilla“, „Citta“, „Milano“, welche bereits vor Massowah angelangt seien, „Etruria“, das auf der Fahrt sei, und „Caprera“, das unverzüglich von Spezia abgehen werde. 8 1 88
Die „Italia militare“ berichtet aus gut beglaubigter Quelle, wenn auch mit äußerstem Vorbehalt, daß Ras Makonen dem General Baratieri einen Brief überfandt habe, worin er ihn bitte, einen Friedensunterhändler zu senden. Ras Makonen habe selbst die Friedensbedingungen aufgestellt. Der „Fanfulla“ verzeichnet ein gleiches Gerücht. Die „Opinione“ erklärt das Gerücht von einer Unterzeichnung des
f zwischen Italien und Schoa auf Basis des Status quo nach der Schlacht von Amba⸗Aladji für völlig unbegründet. — Nach der „Tribuna“ würde die Regierung einen Kredit von 15 Millionen, nach der „Italie“ und nach der „Italia militare“ einen solchen von 20 Millionen für die Ex n nach Afrika verlangen. Der „Italie“ zufolge werde man 10 — 12 000 Mann dahin entsenden. . 8
Wie der „Osservatore Romano“ erfährt, hat der Papst außer der an den Patriarchen Azarian zur Unterstützung der Armenier gesendeten Summe von 50 000 Frcs. noch weitere 20 000 Frcs. zu Gunsten der anderen christlichen Riten ange⸗ hörigen Opfer der letzten Ereignisse besimmt.
Türkei.
Der russische Botschafter von Nelidow wurde, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonntag von dem Sultan in Audienz empfangen und sprach dabei im Namen des Kaisers von Rußland den Dank dafür aus, daß der Sultan das gemeinsame Verlangen der Mächte hinsichtlich der zweiten Stationsschiffe erfüllt habe. Der Kaiser hoffe, die Pforte werde alles aufbieten, um weitere Unruhen zu verhindern. Von russischer Seite seien Schritte eingeleitet worden, um die Repatriierung von einigen Tausend 2 Rußland geflüchteten Armeniern zu veranlassen.
Costaki Autopoulos, der neuernannte türkische Bot⸗ schafter in London, hat sich auf seinen Posten begeben. — Reschid Bey, bisher Mitglied des Kassationshofes, ist zum Justiz⸗Inspektor in Konstantinopel ernannt worden. — Kiamil Pascha, welchem in Smyrna nahegelegt worden war, es be⸗ stehe die Absicht, ihn zurückzuberufen, hat es, unter Berufung auf seine Gesundheit, abgelehnt, solchem Rufe Folge zu leisten.
Die Lage in den Provinzen erscheint, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel erfährt, entschieden gebessert, da keine neuen Gewaltthätigkeiten gemeldet worden sind. Heute werden die Botschafter neuerlich zu Besprechungen zusammen⸗ treten.
Die „Times“ meldet aus “ unter dem 15. d. M.: Es sei eine Spezialkommission eingesetzt worden, um das Budget und einen Entwurf zur Vexbesserung der Finanzverwaltung vorzubereiten. Der Minister der öffentlichen Arbeiten führe den Vorsitz in dieser Kommission.
Das „Reuter'sche Bureau“ berichtet aus Kreta, daß drei türkische Bataillone am 9. d. M. die Aufständischen in Apokorona angegriffen hätten. Der Kampf habe sich auf die Dörfer Prosnero, Vryse und Alicampo erstreckt; dabei seien fünf Christen getödtet und acht verwundet worden. Die türkischen Truppen, welche auf Vampos zurückgegangen seien, hätten 24 Todte und 32 Ver⸗ wundete gehabt; unter den Todten befänden sich ein Major, zwei Hauptleute und ein Lieutenant. In Alicampo seien von den türkischen Soldaten drei Greise, zwei Frauen und fünf Kinder getödtet worden. Die Lage sei sehr ernst; 300 Mann würden zur Verstärkung der türkischen Garnison nach Canea abgehen.
Rumänien.
Die Königliche Familie ist gestern . Winter⸗ aufenthalt in Bukarest eingetroffen und am Bahnhof von den äußerst zahlreich Anwesenden begeistert begrüßt worden.
Serbien. “ In der gestrigen Sitzung der Skupschtina wurde ein⸗ stimmig beschlossen, an dem Empfang der Königin Natalie in corpore theilzunehmen. Der Beschluß wurde mit stürmischen Hochrufen auf die Königin aufgenommen. DDie Konferenz von Delegirten des macedonischen Comités hat die angesetzte Berathung, da noch viele Mitglieder fehlten, vertagt. Wie in den Kreisen der Dele⸗ girten versichert wird, handele es sich um die Wahl eines neuen Präsidenten.
Amerika. .
Der Jahresbericht des Schatzsekretärs Carlisle weist, wie dem „W. T. B.“ aus Washington berichtet wird, folgende Zahlen auf: Die Einnahmen betrugen im letzten Etatsjahr 390 373 203, die Ausgaben 433 178 426 Dollars. Die Einnahmen des Jahres 1895 F'e die des Jahres 1894 um 17 570 705 Dollars. Die Ein⸗ nahmen bis Ende des laufenden Etatsjahres werden auf 431 907 407, die Ausgaben auf 448 907 407 Dollars ge⸗ schätzt. Die Einnahmen des nächsten, am 30. Juni 1897 endigenden Etatsjahres werden auf 464 793 120, die Ausgaben auf 457 884 193 Dollars geschätzt. Der Baarabschluß am 1. Dezember 1895 betrug 177 406 386 Dollars; es -n. , 2 kein Grund vor, daran zu e. daß die Regierung in Lage sei, allen laufenden Ve “ gerecht zu werden. Am Ende des laufenden Etatsjahres ee die Regierung, ohne Erhebung einer Zusatzsteuer, einen bedeutenden Baarüberschuß haben. Der Schatzsekretär Carlisle dringt trotzdem darauf, daß der Schatzsekretär immer ermächtigt sein solle, Bonds mit kurzem Fälligkeitstermin und mit niedrigem Zins⸗ fuß auszugeben, um einem etwaigen Defizit in den Einnahmen begegnen zu können. Er verurtheilt das gegenwärtige System, wonach die gesetzlichen Zahlungsmittel ausgegeben, wieder eingezogen und wieder ausgegeben würden, und schlägt als Heilmittel vor, die Noten, welche die Zurück⸗ ziehungen von Gold erleichterten, einzuziehen und zu an⸗ nullieren und den Schatzsekretär zur Ausgabe von lang⸗ sichtigen, in Gold zahlbaren Bonds zu ermächtigen, deren Zinsfuß 3 Proz. nicht übersteigen solle. Diese Bonds sollen gegen Vereinigte Staaten⸗ und Schatznoten .“ cht oder im Auslande gegen Gold verkauft werden. Schatzsekretär
schlägt ferner vor, die Notenausgabe der Nationalbanken zu vermehren, die Taxe auf deren im Umlauf befindliche Noten
herabzusetzen, und verlangt, der Kongreß solle verbieten, daß bei zukünftigen Ausgaben von Vereinigten Staaten⸗, atz⸗
oder Banknoten die Noten auf Beträge unter 10 Dollars
lauteten. .
Aus Havanna wird gemeldet, der Oberst Arizon mit 500 Mann spanischer Truppen habe bei Malliempo in der Nähe von Las Cruces 6000 Aufständige unter Gomez zurückgeschlagen. Die Verluste der Aufständischen seien sehr beträchtlich; die Spanier hätten zwei Offiziere und 30 Mann an Todten, vier Offiziere und 40 Mann an Verwundeten
loren. Afrika.
Die „Agenzia Stefani“ erfährt aus Massowah, der Major Gelliano habe aus Makalle vom 14. d. be⸗ richtet, daß der Feind noch nicht weiter vorgerückt sei. Diese Nachricht werde durch die letzten Informationen bestätigt. Ras Mangascha solle durch Streifzüge der Schoaner sehr beunruhigt ein. Aus Kassala berichte Major Hildalgo, daß am Atbara alles ruhig sei.
Eine bei der Regierung des „Unabhängigen Congostaats“ vom Congo eingegangene Depesche besagt, daß der Lieutenant Lothaire in einem Gefecht, welches am 18. Oktober auf dem rechten Ufer des Lomami stattgefunden habe, die Auf⸗ ständischen vom Lualaba, denen 84 die bedeutenderen
äuptlinge der aufständischen ingeborenen ange⸗ schlossen hätten, geschlagen und zerstreut habe. Der
ufstand gelte als endgültig unterdrückt. Die Aufständischen ne-. bedeutende Verluste erlitten, Lothaire habe eine große
nzahl Gefangene gemacht. Vor der Schlacht hätten i Abtheilungen der Truppen des Congostaats, die eine unter dem Befehl Michans’, die andere unter dem Swenson'’s, am 9. Oktober Zusammenstöße mit den Aufständischen gehabt, bei denen ersterer geschlagen worden, letzterer aber Sieger ge⸗ blieben sei.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (10.) Sitzung des bIB welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs⸗Schatz⸗ amts Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, stand zunächst di einmalige Berathung der Denkschrift über die Ausführung der seit dem Jahre 1875 erlassenen Anleihegesetze auf der Tagesordnung. Abg. Graf Kanitz (d. kons.): Die A neuerer Zeit kolossal gestiegen, ohne daß die Einnahmen damit Schritt gehalten haben. Die Handelsverträge haben durch die Verminderun der Zolleinnahmen dazu beigetragen. 1894 wurden rund 43 Millionen Doppelzentner Getreide, ungerechnet die Mühlenfabrikate, eingeführt.
Nehme ich als Zollausfall durchschnittlich 1 ℳ pro Doppelzentner an, so hat sich unsere Einnahme dadurch um 43 Millionen Mark vermindert.
Mit dieser Einnahme hätten wir nicht zu einer Vermehrung der Reichs⸗ schuld zu greifen brauchen. Ich will darauf nicht eingeben, sondern nur auf eine Bemerkung des I Barth in der Generaldebatte über den Etat. Er hat in meiner Abwesenheit behauptet, ich h. Wahlversammlung gesagt, daß sämmtliche Handelskammerberich sich ungünstig über die Wirkung der Handelsrerträge ausgesprochen hätten. Das ist abjolut unrichtig. Herr Barth hat seine Kenntniß vermuthlich aus der „Freisinnigen Korrespondenz“ geschöpft. Ich habe deren Artikel bereits am 3. Oktober in der Presse berichtigt. Ich bedauere, daß Herr Barth von dieser v ae Notiz genommen hat. Herr Barth hat ferner am letzten Mittwoch gesagt, es wäre bedauerlich, daß ernste Männer mit einer sol⸗ bodenlosen Unkenntni an die Oeffentlichkeit träten. Das ist eine Ausdrucksweise, deren i mich in diesem Hause nicht zu bedienen pf Ich bitte Herrn Barth, ehe er derartige Vorwürfe gegen Mit des ses erhebt, sich etwas genauer zu informieren. Dann möge er auch einer milderen Ausdrucksweise bedienen.
Abg. Rickert (fr. Vgg.): Wenn mein Freund Barth hier wäre, würde er sicherlich erklären, daß er, wenn er gewußt hätte, daß Graf Kanitz diese allerdings unerhörte Behauptung nicht ge⸗ than hat, keinen Gebrauch davon gemacht 88 würde. Graf Kanitz hat aber übertrieben, indem er sagte, ein
oßer Theil der Handelskammerberichte dahin lauten. kenn Grüf Kanitz diese Gelegenbeit wieder benutzt hat, um auf die bekannten 43 Millionen hinzuweisen, die wir jetzt hätten, wenn die Dinge nicht so gekommen wären, so wäre er zunächst verpflichtet, die 43 Millionen zu detaillieren. Dazu wird er nicht im stande sein; ich bestreite das auf das positivste. . 1
Abg. Graf Kanitz: Herr Rickert scheint vorauszusetzen, 82 wenn wir die Handelsverträge nicht geschlossen hätten, vermuthlich nicht 43 Millionen Doppel⸗Zentner eingeführt worden wären; damit wider⸗ spricht er den früheren Behauptungen seiner Partei, daß die Handels⸗ verträge die Einfuhr nach Deutschland nicht steigern würden. Ich erkläre hiermit ausdrücklich, daß ich nicht gesagt habe, daß die meisten Handelskammerberichte sich über die Handelsverträge un⸗
ünstig ausgesprochen haben, dazu kenne ich die Handelskammer⸗ kernte viel zu genau; sondern ich habe gesagt, daß n. fast sämmtlichen Handelskammerberichten die allgemeine schäfts⸗ lage ungünstig erscheint; und daraus habe ich für mich den Schluß gezogen, daß die erhofften Segnungen der Handelsverträge und der ße kommerzielle Aufschwung nicht eingetreten seien. Ich Herrn ickert, seinen Frakti ossen davon Mittbeilung zu machen.
Abg. Rickert: die meisten Handelskammerberichte die Geschäftslage ungünstig wa veas meint Graf Kanitz, können die
lsverträge keinen günstigen Erfolg gehabt haben. (Abg. Graf
itz: Sehr richtig!) Wer eine solche Logik hat, mit dem können wir eine wirthschaftspolitische Diskussion mit irgendwelchem Erfolge nicht fübreg. —
Die Denkschrift wurde darnach durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. -
Auch die Uebersicht der Reichsausgaben und⸗Einnahmen für 1894/95 wurde zur ntniß genommen; die in derselben zu⸗ sammengestellten und motivierten Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben wurden genehmigt.
Die -eön. Uebersicht der Einnahmen und der Schutzg von Kamerun und o, sowie des s west⸗ afrikanischen Schutzgebiets für 1 und für 1893/94, die vorläufige Uebersicht für 1893,94, die vorläufige Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der sämmtlichen afrikanischen Schutzgebiete für 1894/95 und die allgemeinen Rechnungen über den Reichshaushalt für 1884/85 bis 1891/92 wurden der Rechnungskommission zur Prüfung überwiesen.
Bei Schluß des Blattes wurde die 8 abgebrochene erste Berathung des Gesetzentwurfs, nd die Er⸗ richtung von Handwerkskammern, fortgesetzt.
— Der Vorstand des Reichstags hat beschlossen, am 21. März, als am Tage der Eröffnung des ersten Deutschen Reichs⸗ tags, im Reichstagsgebäude eine Feier zu veranstalten.
deren Ersatzmitteln, hat v dem in Nr. 279 d.
he geben im Ministerium der öffentlichen
Das Wort nahm zuerst der aben des Reichs sind in
— Der dem Reichstag zugegangene Gesetzentwurf, be⸗ treffend den Verkehr mit Butter, Käse, S men 1 und öffentlichten Wortlaut eini bänderungen erfahren. Zunächst ist nicht bloß den Beamten der Polizei, sondern auch den von der Polizei⸗ behörde ftragten Sachverständigen die Befugniß verliehen, in den Räumen, in welchen Margarine, Margarinekäse und Kunstspeisefett ge⸗ werbsmäßig hergestellt, aufbewahrt, feilgehalten und verpackt werden, jeder⸗
it Revisionen vorzunehmen. Sodann hat der § 9 insofern eine neue assung erhalten, als der Bandesrath ermächtigt ist, das gewerbs⸗ mäßige Verkaufen und Feilhalten von Butter, deren Fettgehalt nicht eine bestimmte Grenze erreicht oder deren Wasser⸗ oder Salzgehalt eine bestimmte Grenze überschreitet, zu verbieten. Die dritte Abänderuag bezieht sich gleichfalls auf eine Ermächtigung des Bundesraths, und zwar auf diejenige, Grundsätze aufzustellen, nach 23 -g Gesetzes sowie des Gesetzes über den r m rungs⸗ un uchungen von Fetten und Käsen vorzunehmen sind. Die letzte bänderung betrifft eine Strafbestimmung. Nach der neuen Fassung derselben wird mit Geldstrafe bis 150 ℳ oder mit Haft bis zu vier Wochen bestraft: 1) wer den Vorschriften des § 3 zuwiderhandelt; 2) wer bei der nach § 5 von ihm erforderten Auskunftsertheilung aus Fahrlässigkeit unwahre Angaben macht.
— Die Abgg. Ancker und Genossen haben im Reichstag folgenden Antrag eingebracht: 1 Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten vnswergase zu ersuchen, angesichts der Ergebnisse der neuen Volkszählung dem Reichstag in der nächsten Session das in § 6 des Reichswahl⸗ gesetzes vom 31. Mai 186 vorgesehene Reichsgesetz über die Ab⸗ renzung der Wahlkreise vorzulegen und bei der Neueintheilung der Wablkreise die seit 1867 veränderten Bevölkerungsverhältnisse in angemessener Weise zu berücksichtigen.
— Die VI. Kommission des Reichstags zur Veorberathung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs hat sich konstituiert und den Abg. de Witt zum Vorsitzenden den Abg. Bassermann zum Stellvertreter des Vor⸗ sitzenden, und die Abgg. Fusangel, Kraemer und von Werdeck⸗ Schorbus zu Schriftführern gewählt.
— Die VII. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Ge⸗ setzes über die Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossen⸗ schaften, hat sich gleichfalls konstituiert und den Abg. Freiherrn von Stumm⸗Halberg zum Vorsitzenden, den Abg. Dr. Schneider zum Stellvertreter des Vorsitzenden und die Abgg. Wattendorff und Wurm zu Schriftführern gewählt. 8
Nr. 50 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, 3 Arbeiten, vom 14. De⸗ zember, hat folgenden Inbalt: Amtliches: Dienst⸗Nachrichten. — Nichtamtliches: Das neue Reichsgerichtsgebäude in Leipzig. (Schluß) — Das Schiffsbebewerk bei Henrichenburg am Kanal von Dortmund nach den Emshäfen. (F etzung.) — Spannungsverhältnisse in Doppeldrahtzügen. (Schluß) — Vom Bau der O brücke in Berlin. — ischtes: Wettbewerb für das Gewerbemuseum in Reichenberg i. B. — Wettbewerb für Entwürfe zum Neubau eines Rathhauses in Duisburg. — Preisbewerbung um Entwürfe für Thür⸗ und Fensterbeschlags⸗Garnituren. — Staumauer von Bouzey bei Epinal. — Neue Patente.
Nr. 61 des „Eisenbahn⸗Verordnungsblatts“, heraus⸗
ben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 14. Dezember,
folgenden Inhalt: Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 4. Dezember 1895, betr. Frachtbegünsti 2 die Kaninchen⸗ Ausstellung in Chemnitz; vom 6. Dezember 1895, betr. Prüfungs⸗ vorschriften für Lokomotivführer; vom 9. Dezember 1895, 3 Wiedereinziehung überzahlter Unfallrente; vom 9. Dezember 1895, betr. Frachtbegünstigung für die Kaninchen⸗Ausstellung in Dresden; vom 10. Dezember 1895, betr. Verhütung von Unfällen beim Aus⸗ steigen aus den Personenwagen außerhalb der Bahnsteige; vom 11. Dezember 1895, betr. Bestellung von Amtskautionen. — Nachrichten.
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Nach §§ 49, 50 des Feld⸗ und Forstpolizeigesetzes vom 1. April 1880 hbat der Waldeigenthümer nicht nur das Recht, en den ihm bekannt zu machenden Antrag eines Anderen auf Heilung einer polizeilichen Genehmigung zur Errichtung einer Feuer⸗ stelle in der Umgebung einer Waldung gemäß § 47 des Ge⸗ etzes Einspruch bei der Behörde zu erheben, sondern auch das Recht der Klage im altungsstreitverfahren gegen den Antragsteller und die Be⸗ hörde, wenn der Bescheid den Einspruch zurückweist. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, IV. Senat, durch Urtheil vom 23. Oktober 1895 ausgesprochen: Ist der Bescheid der Behörde dem Einspruche des Waldeigen⸗ thümers entsprechend ergangen, so muß die Klage des Antragstellers nicht nur gegen die Behörde, sondern auch gegen den Wald⸗ eigenthümer gerichtet werden, und das zuständige Verwaltungs⸗ hat den Waldbesitzer als Mitbeklagten neben der den
ntrag versagenden Behörde, als Streitgenossen der letzteren, zu be⸗ theiligen. Ist dies unterblieben, so steht dem Waldeigenthümer die Befugniß zu, im Wege der Einlegung des Rechtsmittels gegen die ihm ungünstige erstinstanzliche Entscheidung als Streitgenosse der beklagten Behörde in den Rechtsstreit einzutreten. „Ein Dritter, der bei analoger Sach⸗ und Rechtslage im Zivilprozeß als Nebenintervenient gemäß § 66 der Zivilprozeßordnung mit der Wirkung, daß er als Streitgenosse der Hauptpartei zu gelten hat, eintreten kann, ist auch im Verwaltungsstreitverfahren zum Eintreten in einen zwischen anderen Personen anhängigen Verwaltungsrechtsstreit aus eigenem Recht wenigstens dann befugt, wenn er in letzterem Verfahren von vorn⸗ herein als Partei hätte zugezogen werden sollen. Daraus folgt, daß die vom Waldeigenthümer eingelegte Berufung gegen das Urtheil des Kreisausschusses zulässig war; denn die auch für die Nebenintervention auf Grund des § 66 Z.⸗P.⸗O. geltende und analog anzuwendende Bestimmung des § 63 Abs. 2 daselbst gestattet die Nebeninterpention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung F.“ in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels.
— Wenn bei der Versicherung von Gebäuden gegen Feuersgefahr der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherungs⸗ geber und unter dessen mindestens stillschweigendem Einverständniß auf die Rechte aus dem Versicherungsvertrag in zulässiger und wirksamer
e verzichtet hat, so darf für eine gleichzeitig genommene ander⸗
1 g das polizeiliche nicht ver⸗ sagt werden, welches nach der durch die Allerhöchste Kabinets⸗ ordre vom 30. Mai 1841 auf Versicherung von Immobilien bei in⸗ und ausländischen Feuer⸗Versicherungsgesellschaften aus⸗ Füehütes Vorschrift im § 14 des über das
obiliar⸗Feuerversicherungswesen vom 8. Mai 1837 zur Aushändi⸗ gung einer Police oder eines Prolongationsscheins durch den Agenten erforderlich ist. Dies gilt, wie für das Gebiet des Allgemeinen Land⸗ rechts, so auch für das des Rheinischen Rechts. Insbesondere enthält auch das Gesetz, betreffend die Ha der Versicherungsgelder für die Ansprüche der Inhaber von Privilegien und Hypotheken im Bezirk des ehemaligen Appellationsgerichtshofes zu Köln, vom 17. Mai
1884 nichts Entgegenstehendes. (Urtheil des III. Senats vom 17. Juni 1895.)
— Nach dem Urtheil des III. Senats vom 27. Juni 1895 ist es unzulässig, bei einer Betriebs⸗(Fabrik⸗) Krankenkasse die bis dahin auf 3 % des durchschnittlichen Tagelohns bemessenen, zur
Deckung der Ausgaben nicht zulangenden Beiträge fortan in dieser
nur für die Zeit vom 1. Januar bis Ende Seeeen
öhe von 4 ½ % (einschließlich des Antheils des Unternehmers)
223 Zeit vom 1. September bis Ende Dezember jeden Jabres zu er
— Im Sinne des § 26a. Abs. 2 Ziff. 2 des Krankenversiche⸗ rungsgesetzes vom 15. Juni 1883/10. April 1892 setzt die Trunk⸗ fälligkeit ein gewohnheitsmäßiges Trinken voraus, liegt also nicht schon bei einmaliger oder gelegentlicher Trunkenheit vor. Als Schlä⸗ oder Raufhandel sich der einem Beamten geleistete Wider⸗
Land und die Widerstands gerichtete beurtheilen. (Urtheil des
† Aus i ichen Besitz hat die Königliche National⸗ Galerie aus Anlaß des achtzigjährigen Geburtstages Adolf Menzel's eine stattliche Anzahl von Lit hien, ierungen, Holzschnitten, Zeichnungen, rellen und Gouachen des gefeierten Meisters zu einer Festausstellung vereinigt. Das Genie Menzel's spiegeln die graphischen Erzeugnisse fast noch vielseitiger und glänzender wider als seine Oelbilder; der Einblick, den wir hier in die Werk⸗ statt des rastlosen Beobachters, des stets an sich und der Vervoll⸗ kommnung seiner Kunst arbeitenden Malers thun, gewährt einen intimen Reiz und eine Bereicherung unseres Wissens vom künstlerischen Schaffen, die kein noch so eingehendes Studium seiner vollendeten Werke ersetzen lann. Die Bedeutung seines Wirkens für die Entwicklung des Holz⸗ schnitts führen uns Menzel's Zeichnungen zu den verschiedenen Fridericianischen Publikationen deutlich vor Augen. Er hat die Holzschneiderschule der beiden Unger, der Unzelmann und Gubitz, der Brüder Vogel zu einer technischen Gewandtheit erzogen, die noch heute, wo die Fylographie mit weit komplizierteren Mitteln arbeitet, dem Beschauer Bewunderung abnöthigt. Die hohen Anforderungen, die er an die ausführenden Holzschneider stellte, die Sorgfalt, mit der er jedes Stadium der Ausführung überwachte, das feine Gefühl für das, was die Formschnitttechnik willig hergiebt, wirkten zusammen, um eine Reform des Reproduktionsverfahrens anzubahnen. Eigen⸗ händig versuchte sich Menzel auf dem Gebiet des Steindrucks und der Radierung. Seine Lithographienfolge „Künstlers Erdenwallen“ (1834) und zabhlreiche frühe Gelegenheitsarbeiten, Adressen, Ein⸗ ladungen, Tischkarten ꝛc. zeigen noch die schlichte Federzeichnung auf Stein übertragen; in den „Denkwürdigkeiten aus der brandenburgisch⸗ preußischen Geschichte“ (Berlin 1836 bis 1837) benutzt er neben der Feder bereits die Kreide zur Vorzeichnung und gelangt damit zu breiterer malerischer Haltung. Interessant sind die neben den Drucken ausgestellten, sorgfältig in Blei, Feder und Tusche ausgeführten Ent⸗ würfe zu dieser Lithographienfolge. Auf französische Anregung gehen dann die „Versuche auf Stein mit Pinsel und Schabeisen“ (1851) zurück, die Menzel zum Virtuosen auf dem Gebiet der Steindruck⸗ technik stemveln. Sein Einzelblatt „Christus als Knabe im Tempel“ überrascht nicht minder durch seinen kecken Naturalismus als durch die feine malerische Durchführung in Schabmanier. Auch das „Armeewerk Friedrich's des Großen“ (1851 — 57) muß zu den namhaftesten litho⸗ graphischen Leistungen der Zeit gezählt werden.
Menzel’s Radierungen, von denen er bereits 1844 ein von 6 Blättern berausgab, zeichnen sich durch ungemein feinfühlige — der Radiernadel aus. Noch im letzten Jahre steuerte der
tzigjährige für die Publikation des Berliner Vereins für Original⸗ radierung ein Blatt bei, dessen Titel „Das Letzte“ hoffentlich kein Omen für die Zukunft bedeutet.
Was aber der Ausstellung ihren Hauptwerth verleiht, sind die zahlreichen Zeichnungen in Blei, Kreide und Feder, sowie die Aquarelle und Gouachen. Die Porträt⸗ und Kostümstudien für die verschiedenen großen Illustrationswerke, sowie zu den Oelbildern des Flötenkonzerts, des Eisenwalzwerks und der Krönung König Wilhelm's I. in Königs⸗ berg, die entzückend frischen Gouachen und Aquarelle zu dem Kinder⸗ album, sowie die Entwürfe zum Schmuck des Tafelgeschirrs, das zur silbernen Hochzeit des Kronprinzen, nachmaligen Kaisers Friedrich im Jahre 1883 in der Königlichen Porzellanmanufaktur hierselbst hergestellt wurde, zählen zu den kostharsten Schätzen der National⸗Galerie. Welch ein Fleiß und Ernst physiognomischen Charakterstudiums, welche lie Intimität der Beobachtung, welch schalkhafter Kinderhumor, welche Beweglichkeit der ornamentalen der Meister auch den farbigen Kreidestift, wie seine Pastelle (Nr. 477, 486, 494 und 506 des Katalogs) beweisen; sie sind mit einer Sicher⸗ beit des Farbengeschmacks und einer geistreichen Flottheit auf das Papier gezaubert, die in scheinbarem Widerspruch mit der peinlichen Ge⸗ wissenhaftigkeit steht, die alle Einzelstudien Menzel's auszeichnet. Von der letzteren geben dagegen die zahlreichen Zeichnungen von Köpfen, Glied⸗ maßen, Kostümen, Geräthen, Baulichkeiten einen erstaunlichen Begriff; sie sind theils, wie der Künstler selbst es nennt, „Erinnerungen“, die von einem fabelhaften Gedächtniß zeugen, theils vor dem Modell bis durchgearbeitet. Man erkennt aus ihnen, wie die Gewissen⸗ haftigkeit des Besbachters sich niemals genug thun kann, wie jede Einzelheit wieder neue Probleme bietet und der Schaffenseifer nicht erlahmt, bis das künstlerische Motiv völlig ausgeschöpft ist. Als kulturgeschichtliche Schilderungen des Lebens unseres Jahr⸗ hunderts haben insbesondere Menzel's Gouachen einen Werth, den erst die Zukunft ganz schätzen lehren kann. Seine Deckfarbenbilder aus Kissingen und Gastein, seine Veduten von Berliner Straßen ꝛc. sind so häufig als vollendete Meister⸗ werke und Kabinetstücke gerühmt, daß es überflüssig erscheint, auf ihre Vorzüge von neuem hinzuweisen. — Wenn man bedenkt, daß die in der Ausstellung vereinigten Stücke nur einen Bruchtheil dessen darstellen, was allein die Königliche Sammlung von Menzel besitzt, daß auch die ver8—2. in der Akademie trotz ihrer Reichhaltigkeit die Fülle des von ihm Geschaffenen keineswegs erschöpft, so begreift man, welch eine Energie des Willens sich in diesem Mann mit dem Reich⸗ thum der von der Natur verliehenen Gaben paaren mußte, um ein so überreiches Schaffen zu ermöglichen.
— Die Anthropologische Gesellschaft beschäftigte sich, wie die „Nat.⸗Ztg.“ berichtet, in ihrer Sitzung am Sonnabend mit der schon vielfach erörterten und umstrittenen Frage des Darwin'⸗ schen „missing link“. Der holländische Militärarzt Dr. Dubois aus Leyden, der Entdecker der vielbesprochenen Skeletreste aus Java, die zu dem sogenannten Pithecanthropus erectus gehören sollen, hatte selbst das Referat übernommen. Der Vortragende, der deutsch, wenn auch mit fremdländischem Aeccent, sprach, fesselte durch sein klares und sachgemäßes Referat das Interesse der zahlreichen Zuhörer. An der Hand einer großen Reihe von aus⸗ . Modellen, Bildern, Zeichnungen sowie der von ihm gefundenen
ste selbst suchte er den Beweis für seine Ueberzeugung zu erbringen, daß ein Mittelglied zwischen Mensch und Affen existiere. Er zog alle auch nur einigermaßen in Betracht kommenden Momente in Erwägung und verbreitete sich mit eingehender er n über die einzelnen Theile seines Fundes: über die Knochen, den Oberschenkel, den Schädel und die Zähne des Pithecanthropus. Am Schlusse führte er einen von ihm aufgestellten Stammbaum vor, der den allmählichen Uebergang vom niederen Affen durch den Pithecanthropus hindurch zum Menschen erläutern sollte. In der anschließenden Diskussion, die wegen der vorgerückten Zeit sehr beschränkt werden mußte, sprach 8 5 Nehring von der Landwirthschaftlichen Hochschule. Derselbe ärte, durchaus auf dem Dubois'schen Standpunkt zu stehen; besonders die vv. nisse der Skeletreste und die Beschaßenheit der Zähne ihn zu dieser Meinung gebracht. Der folgende Redner, Professor Koll⸗ mann⸗Basel, bekannte sich ebenfalls als einen eifrigen Anhänger der Lehre von dem Pithecanthropus, glaubte aber auf Grund seiner
eigenen Forschunpen zu der Annahme berechtigt zu sein, daß das Geschlecht der Pithecanthropus ein Pygmäen⸗
geschlecht gewesen sei. Geheimer Medizinal⸗Rath, Professor Virchow
verwies auf seinen schon öfters betonten, von dem Dubois'schen abweichenden Standvunkt. An einigen Schädeldemonstrationen suchte er klar zu machen, daß der Schädelrest auf keinen Fall von solch einem „Affenmenschen“ herrühren könne. Er könne sich der Ueber⸗ zeugung von der Unzulänglichkeit der Dubois'schen Hypothese so lange nicht verschließen, bis man ihm vollgültige Beweise erbracht habe, und diese fehlten noch. Nach einer kurzen Schlußbemerkung des Dr.
Dubois, die gegen Professor Kollmann gerichtet war, schloß Professor Virchow die Sitzung, indem er dem Vortragenden für seine interessanten Ausführungen den k der Gesellschaft aussprach.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Ergebnisse der Sammelforschung über das Diphtherie⸗Heilserum für das zweite Quartal (April — Juli) 1895. Die Sammelforschung des Kaiserlichen Gesundheitsamts über die Beobachtungen, welche während des zweiten Viertel⸗ jahres 1895 mit dem Diphtherie⸗Heilserum in den verschiedenen Krankenanstalten Deutschlands gemacht wurden, umfaßt im Ganzen 2130 Fälle aus 192 Krankenhäusern. Von diesen 2130 mit Serum Behandelten starben 306 = 14,3 Proz.; nach Abrechnung der hoffnungslos Eingelieferten, welche innerhalb der ersten 12 Stunden nach der Aufnahme starben, betrug die Sterblich⸗ keitsziffer sogar nur 13,3 Proz. Bei 1278 (60 Proz.) wurde durch die bakteriologische Untersuchung die Diagnose „Diphtherie“ sichergestellt; davon starben 173 = 13,5 Proz. Die Gesammtzahl der als schwer bezeichneten Fälle betrug 1021 = 47,9 Proz.; davon genasen 731. Leichte Fälle waren es 710 = 33,3 Proz.; davon genasen 709. Auch in diesem Vierteljahre ist die Sterblichkeitsziffer der Kinder unter zwei Jahren insofern eine günstige, als von 259 Kindern nur 97 (37,5 Proz.) starben, trotzdem die Mehrzahl der Fälle als schwer bezeichnet wird 841 Kranke zeizten bei der Aufnahme Diphtherie des Kehl⸗ kopfes. Davon mußten 588 tracheotomiert oder intubiert werden. In 253 Fällen konnte also ein operativer Eingriff umgangen werden. Die Sterblichkeitsziffer der 588 operierten Kranken betrug 29,9 Proz. Je früher die Erkrankten Heilserum injiziert erhielten, um so geringer war das Sterblichkeitsverhältniß; so betrug z. B. Se 8 bei den am 1. Krankheitstag injizierten 5,4 Proz) 2 6,7 Proz. 10,0 Proz.
6,4 Proz.
22 2 82 8 822 bEee 2 T11“ 8 1 23,1 Proz.
Als Nachwirkungen des Serums wurden im wesentlichen nur Hautausschläge, Glieder⸗ und Gelenkschmerzen sowie leichte Fieberbewegungen in einer Anzahl von Fällen beobachtet. Ernstere Schädlichkeiten, die mit Bestimmtheit auf die Wirkung des Mittels hätten zurückgeführt werden können, traten inner⸗ halb der Zeit, während welcher die Kranken nach der Injektion noch in den Krankenhäusern verblieben, nicht hervor. b
Auch das Ergebniß der Sammelforschung des zweiten Quartals ist ein derart günstiges, sowohl was die Erfolge als was die Unschädlichkeit des Heilserums betrifft, daß die weitere An⸗ wendung desselben empfohlen werden kann. Ein sicheres Urtheil über den wirklichen Nutzen der Serumbehandlung wird sich allerdings erst durch die Zusammenstellung des Materials von mindestens einem Jahr erzielen lassen. 1
Der Raum des Blattes gestattet nicht, auf die Einzelheiten näher einzugehen; doch hat sich das Kaiserliche Gefundheiksamt bereit erklärt, solchen Fachmännern, welche sich für die Sache interessieren, einen Abdruck zur Verfügung zu stellen, soweit der zu diesem Zweck reservierte Vorrath reicht.
Handel und Gewerbe. .“
der Reichsbank vom 14. Dezember weist
enbestand auf von 928 615 000 ℳ, das ist der
weniger 378 000 ℳ; der Metallbestand allein
sich um 436 000 ℳ vermindert. Der Bestand an Wechseln zeigt mit
634 449 000 ℳ eine Zunahme um 6 126 000 ℳ während der Bestand an Lombardforderungen mit 81 530 000 ℳ eine Abnahme um 2 074000 ℳ zeigt.
Diese beiden Anlagekonten zusammen haben also eine Vermehrung
um 4 052 000 ℳ erfahren. Auf passiver Seite erscheint der Betrag
der umlaufenden Noten mit 1 086 877 000 ℳ um 5 857 000 ℳ
niedriger als in der Vorwoche, während die sonstigen täglich fälligen
Verbindlichkeiten um 20 145 000 ℳ auf 459 986 000 ℳ an⸗
gewachsen sind.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 16. d. M. gestellt 12 681, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 1 In Oberschlesien sind am 14. d. M. gestellt 5260, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 3
. Verkehr auf dem Berliner chlachtviehmarkt vom 14. Dezember 1895. Marktpreise ach Se er nur Schweine werden nach Lebendgewicht ehandelt. inder. Auftrieb 3986 Stück. (Durchschnittspreis ür 100 kg) I. Qualität 120 — 124 ℳ, II. Qualität 104 bis 4 ℳ, III. Qualität 90 — 100 ℳ, IV. Qualität 80 — 86 ℳ — Schweine. Auftrieb 7574 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 90 ℳ, Landschweine: a. gute 84 — 88 ℳ, b. geringere 76 — 82 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— ℳ bei 20 % Tara, Bakonyer — ℳ bei — kg Tara pro Stück. — Kälber. Auftrieb 952 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,10 — 1,20 ℳ, II. Qualität 0,96 — 1,08 ℳ, III. Qualität 0,88 — 0,94 ℳ — Schafe. Auftrieb 5286 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,08 — 1,16 ℳ, II. Qualität 0,96 — 1,04 ℳ, III. Qualität —,— ℳ
— Die Einnahmen der Hessischen Ludwigs⸗Eisenbahn⸗ Gesellschaft betrugen im November d. J. 1 901 771 8* 92 800) ℳ und vom 1. Januar bis Ende November 20 145 105 + 749 882) ℳ
Breslau, 16. Dezember. (W. T. B.) Getreide⸗ und 2411.a Spiritus pr. 100 1 100 % erxkl. 50 ℳ Ver⸗ rauchsabgaben pr. Dezember 49,50, do do. 70 ℳ Verbrauchsabgaben pr. Dezember 30,10, do. do. Rüböl pr. Dezember 45,00
Verkehrs⸗Anstalten. eingetretenen Witterungsumschlags
Ausweis über den
wird von der öpelwitz und
Infolge Schließung der Wasserumschlagsstellen zu P am Oderhafen in Breslau, welche laut Bekanntmachung der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Breslau vom 3. Dezember d. J. (vergl. Nr. 292 d. Bl.) vom 7. d. M. ab in Aussicht genommen war, bis auf weiteres abgesehen.
Bremen, 17. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Reichs⸗Postdampfer „Karlsruhe“ ist am 15. Dezember Abends in Genua angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Darmstadt“ ist am 15. Dezember Morgens in Genua angekommen. Der Post⸗ dampfer „Wittekind“ ist am 16. Dezember Nachmittags in Antwerpen angekommen. Der Postdampfer „Straßburg“ hat am 16. Dezember Vormittags Prawle Point passiert. Der Post⸗