1895 / 301 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Dec 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Gesetzes vom 22. Juni 1889, betreffend die Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherung, und einer Ausdehnung der Unfallversicherun auf eine größere Anzahl seither nicht versicherter, aber mit wesentliche Unfall⸗ gefahr verbundener Beschäftigungsarten auch eingehend geprüft werde, ob und in welcher Weise es geboten und thunlich sei, die Gesammt⸗ heit der Reichsgesetze über die Arbeiterversicherung, insbesondere auch was die ee der drei Versicherungszweige anbetrifft, einer Durchsicht zu unterwerfen. ischt zu. dem derzeitigen Stande der Erfahrungen und Vor⸗ erörterungen ist die Großherzogliche Regierung noch nicht in der Lage, ein endgultiges Urtheil über die Frage einer organischen Zusammen⸗ legung der verschiedenen Zweige der Arbeiterversicherung zu gewinnen. III. Sie vermag daher auch allgemeine Grundsätze, von denen sie sich bei der etwaigen Berathung dieser Angelegenheit im Bundes⸗ rath leiten lassen wird, nicht kund zu geben. Bei der weiteren Behandlung der Sache wird sie übrigens von dem Gesichts⸗ punkte ausgehen: es sei darauf Bedacht zu nehmen, die Organisation und das Verfahren in den Angelegenheiten der Arbeiterversicherung, insbesondere was die Feststellung der Ver⸗ sicherungs⸗ und Beitragspflicht, die Erhebung der Beiträge und die Geltendmachung der ÜUnterstützungsansprüche angeht, unter Bei⸗ behaltung der Antheilnahme von Vertretern der Versicherten an der Verwaltung und Entscheidung, thunlichst einfach und wenig kost⸗ spielig, sowie für die Betheiligten leicht verständlich und zugänglich

gestaltet werden. 8 Mecklenburg⸗Schwerin.

8 Den „Meckl. Nachr.“ wird aus Cannes vom 16. d. M. emeldet: das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß⸗ habe sich in den letzten Tagen im allgemeinen weiter ehoben, sodaß dasselbe befriedigend genannt werden könne; dauerten die Anfälle von nervösem Asthma noch immer fort, und es sei daher eine lokale Behandlung der Athmungs⸗ organe eingeleitet worden. 8 1

Mecklenburg⸗Strelitz.

Das Telegramm, welches Seine Königliche Hoheit der Großherzog bezüglich der Theilnahme des mecklenburg⸗ strelitz schen Kontingents an den vor 25 Jahren an der Loire erfochtenen Siegen von Seiner Majestät dem Kaiser erhalten hat, und welches Höchstderselbe am 15. d. M. den versammelten Veteranen nach seiner Anrede vorlesen ließ,

lautet nach der „N.⸗Z.“: 1“

Eraeec. von Mecklenburg⸗Strelitz, Königliche Hoheit, Neu⸗ strelitz. Neues Palais, den 12. Dezember 1895. Eure Königliche Hoheit bitte Ich, Sich versichert zu halten, daß Ich Mich bei der 25. Wiederkehr der Gedenktage des B besonders dankbar der ruhmvollen Theilnahme der Truppen Ihres Kontingents an den Erfolgen jener großen Zeit erinnere. Wilhelm R.“

Seine Königliche Hoheit der Großherzog antwortete bei der Gedenkfeier auf die Ansprache des Majors von Knobelsdorff in einer Rede mit Dank und Anerkennung für die Veteranen, die 1870 auf den Ruf des Bundesfeldherrn, des damaligen Königs Wilhelm I., von Seiner Königlichen Hoheit ins Feld gestellt, getreu gekämpft und dem mecklenburgischen Namen zu altem Ruhm neue Ehren errungen hätten. Seine Königliche wies auf den Fürsten Blücher und den

eldmarschall Grafen Moltke, welche Mecklenburger gewesen Fldr sowie auf andere ruhmvolle geschichtliche Beziehungen der Mecklenburger hin und schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser, in das die Veteranen und Truppen dreimal begeistert einstimmten. Schwarzburg⸗Sondershausen.

Der Landtag genehmigte in seiner vorgestrigen Sitzung die Titel des Staatshaushalts⸗Etats „Direkte Steuern“, „Indirekte Steuern“, „Gebühren“, „Handel und Gewerbe“, „Regalien“, „Erträge des Staatsguts“, „Garnisons⸗Einrich⸗ tungen“ und ‚Unterrichts⸗Verwaltung“ nach den Anträgen des

Ausschusses.

DOeperveich⸗Unchaen.

Ueber die vorgestern erfolgte Zurückziehung der Re⸗ ierungsvorlagen, betreffend die Errichtung von erufsgenossenschaften der Landwirthe und die Errichtung von Rentengütern, wird dem „W. T. B.“ von kompetenter Seite gemeldet, daß durch die parlamentarische Konstellation in der Behandlung der Vorlagen jedenfalls eine Pause würde haben eintreten müssen; es sei deshalb zweckmäßig erschienen, diese Zeit zu benutzen, um den von wichtigen Korpo⸗ rationen erhobenen Einwänden Rechnung zu tragen. Nach der von dem Ackerbau⸗Minister Grafen Ledebur wiederholt ge⸗ äußerten Ueberzeugung sei es zweifellos, daß die derne enossenschaftliche Organisation der Landwirthe in kürzester

eit wieder Gegenstand der parlamentarischen Berathung sein werde, wobei die regionalen Verschiedenheiten größere Berück⸗ sichtigung erfahren dürften und eine Garantie für die lebens⸗ kräftige Entwicklung der zu organisierenden Berufsgenossen⸗ schaften durch Gewährung einer den Markt beherrschenden Stellung geschaffen werden dürfte. Wenn es Berufsgenossen⸗ schaften geben werde, dann werde es auch Zeit sein, die Hypothek⸗ entlastung in Angriff zu nehmen.

Imösterreichischen Abgeordnetenhause griff gestern bei der Berathung des Budget⸗Kapitels im „Beitragsleistung . den gemeinsamen Angelegenheiten“ der Abg. Dr. Lueger aufs schärfste den jetzigen österreichisch⸗ungarischen

Ausgleich und die ungarische Präponderanz an; er protestierte egen die Gleichstellung seiner kaisertreuen Partei mit der

ssuth⸗Partei und drückte die Hoffnung aus, die nächsten Ausgleichsverhandlungen würden nicht so glatt ablaufen, wie die Regierung erwarte, indem die Jungczechen, Slovenen, Kroaten, Rumänen, Triestiner, Katholiken und Deutschen, die letzteren wegen der Vergewaltigung der Deutschen in Siebenbürgen, nicht für den Ausgleich stimmen könnten. Der Abg. Süß führte aus: die dualistische Staatseinrichtung bringe es mit sich, daß die großen Angelegenheiten der äußeren Ppolitik im österreichischen Parlament nicht besprochen würden. Dadurch träten die kleineren Fragen mehr in den Vordergrund als anderswo. Der Redner wies auf die Vorgänge in Konstantinopel hin, bei denen die österreichische Regierung eine nicht ruhmlose Rolle gespielt habe. Es würde sicher der Regierung zum Vortheil gereicht haben, wenn man von den

e der äußeren Politik Oesterreich⸗Ungarns in jenem Moment im Hause hätte sprechen können. Der Redner besprach sodann den Ausgleich mit Ungarn und hob dabei hervor, daß ein wirthschaftlicher Bruch mit Ungarn den Verlust der Hälfte des Absatzes für Oesterreichs Industrie einerseits und für Ungarn andererseits den Verlust des Marktes für seine Ackerbau⸗Erzeugnisse bedeuten würde. Das Ausland würde davon Vortheil haben und beide Parlamente verspotten, die den richtigen ittelweg nicht gefunden hätten. Redner empfahl, einen Ausgleich zu schaßfen. bei

welchem die

1 gemeinsamen Einnahmen durch Verbrauchssteuern ver⸗ mehrt und die übrigen Erfordernisse

nach dem Ver⸗ hältniß der Kopfzahl vertheilt werden könnten. Der Minister⸗Präsident Graf Badeni erklärte: im Abge⸗ ordnetenhause mache sich eine doppelte Art geltend, die wirth⸗ schaftlichen Interessen Oesterreichs zu vertreten. Diejenigen, welche lediglich ein wirthschaftliches Interesse vor Augen hätten, erfüllten nicht nur eine patriotische Pflicht, sondern seien auch der Regierung willkommen, weil sie ihr eine moralische Stütze bei den Ausgleichsverhandlungen böten. Daß aber die Motive und Ziele, welche die äußersten Flügel verfolgten, andere seien, sei zweifellos. Durch diese werde an dem Bande zwischen den beiden Reichshälften gerüttelt. Der Minister⸗Präsident schloß: „Ich zweifle nicht, daß auch diejenigen, welche einen feindlichen Ton gegen Ungarn anschlagen, von den besten Absichten für das ohl Oesterreichs beseelt sind. Wenn aber das bestehende staatsrecht⸗ liche Verhältniß angegriffen wird, so wird dadurch dem Staat nicht gedient, wohl aber untergeordneten Parteizwecken oder noch mehr unlauteren Parteiagitationen; es ist dies sogar bei den bevorstehenden Ausgleichsverhandlungen geradezu schädlich.“ Der Abg. Graf Palffy erklärte, der Atsgleich müsse ge⸗ schlossen werden, da er eine Hauptsäule der jetzigen monarchischen Gestaltung des Reichs bilde. Der Klub der Konservativen müsse jedoch auf Aenderung der Quote des Zolles und Aenderung des Handelsbündnisses bestehen. Der Abg. Dr. Lueger wurde wegen eines Zwischen⸗ rufs von dem Präsidenten Freiherrn von Chlumecky zur Ordnung gerufen; er erwiderte darauf, die letzte Erklärung des Grafen Palffy sei ein Erfolg seiner, Lueger's, Agitation. (Rufe links: „So eine Ueberhebung!“ Lärm.) Lueger fuhr fort zu sprechen und griff die vereinigte Linke an. (Großer Lärm.) Der Präsident Freiherr von Chlumecky erklärte, wenn diesen Ton ein akademisch gebildeter Mann an⸗ schlage, wohin solle es da im Hause kommen? Der Abg. Dr. Lueg er beklagte sich darauf über Unterdrückung der anderen Nationalitäten in Ungarn. Der Abg. Ruß hob hervor, man dürfe bei den Verhandlungen mit Ungarn sich nicht immer in innere Angelegenheiten Ungarns einmischen; er wolle hoffen, daß bei dem Ausgleich das gemeinsame Interesse Oesterreich⸗Ungarns hochgehalten und jedes Parteiinteresse werde bei Seite gesetzt werden. Damit war das Kapitel „Beitragsleistung zu den gemeinsamen Angelegenheiten“ erledigt.

Gegenüber einem Antrag des Abg. Pacak beantragt der Landwirthschafts⸗Ausschuß: Die Regierung aufzufordern, die Frage in Erwägung zu ziehen, ob und wie weit den wirth⸗ schaftlich schädlichen Kartellverbindungen im Wege der Gesetz⸗ gebung entgegenzutreten sei.

Die „Politische Korrespondenz“ erfährt von unterrichteter Seite aus Budapest, daß die Vorlage, betreffend die In⸗ vestitionsanleihe der ungarischen Staatsbahnen, dem Reichstag im Laufe des Januar zugehen werde. Das Gerücht, daß das Investitionsbedürfniß sich auf 360 Millionen Gulden beziffern werde, sei übertrieben.

Großbritannien und Irland. Die Londoner Blätter von heute Morgen besprechen die (in der heutigen Nummer d. Bl. unter „Amerika“ mit⸗ getheilte) Botschaft des Präsidenten Eleveland. Die „Times“ sagt, es sei unmöglich, sich den Ernst der zwischen England und Amerika entstandenen Schwierigkeiten zu ver⸗ hehlen. Die England zugemutheten Konzessionen seien solcher Art, daß keine sich selbst achtende Nation sich ihnen unter⸗ werfen könne. Es sei schwer zu glauben, daß die amerika⸗ nische Regierung den von dem Präsidenten Cleveland ange⸗ drohten Weg beschreiten werde; wenn es aber doch geschehen sollte, so liege England die Pflicht ob, seine Interessen und Rechte zu schützen. Die Monroe⸗Doktrin sei niemals als inter⸗ nationales Gesetz anerkannt worden. Der Vorschlag des Prä⸗ sidenten der Vereinigten Staaten sei das Erstaunlichste, was seit Napoleon’'s Tagen jemals in Friedenszeiten geleistet worden sei. Vieles sei angesichts der herannahenden Präsidentenwahl verzeihlich; viel Zeit könne vergehen, ehe die von Cleveland empfohlene Kommission werde eingesetzt werden, und der Bericht der Kommission werde vielleicht nicht vor dem Ueber⸗ gang der Exekutive in andere Hände vorgelegt werden; was aber auch immer geschehen möge, England müsse fest und ruhig auf seinen Rechten als unabhängiger Staat bestehen und, wenn nöthig, die geeigneten Maßregeln zur Sicherung dieser Rechte treffen. Die „Daily News“ schreibt, die Bot⸗ schaft sei agressiv und drohend, werde aber vermuthlich nicht ernsthaft sein. Es sei unwahrscheinlich, daß Lord Salisbury sich den Vorschlägen Cleveland’'s fügen werde. Der „Standard“ lärt, Cleveland’s Haltung sei widersinnig; die einzige Ant⸗ wort der Engländer darauf sei: „Wir lehnen es ab, uns selbst zu erniedrigen oder eine Entscheidung der Exekutive der Ver⸗ einigten Staaten anzunehmen in einer Angelegenheit, die außerhalb ihrer Jurisdiktion liegt.“

Rußland. Der Großherzog von Hessen, Höchstwelcher mit der Großherzogin aus Moskau zurückgekehrt ist, empfing gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, in Zarskoje Sselo den deutschen Botschafter Fürsten Radolin in Privataudienz. Die Deputation des preußischen Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 1 folgte, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, am Dienstag einer Einladung der Garde⸗Kosaken und gestern einer solchen der Garde⸗Artillerie; in den Kasernements fanden millitärische Uebungen statt, so bei den Kosaken die traditionelle „Dschigi⸗ towka“. Die Aufnahme war die allerherzlichste. Bei den nachfolgenden Frühstückstafeln sandten beide russische Regi⸗ menter Begrüßungs⸗Telegramme an den Kommandeur des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments, Obersten von Sausin. 8

Italien.

Der Senat hat gestern die von der Deputirtenkammer bereits genehmigte Vorlage angenommen, wonach die Gültig⸗ keit der Bestimmungen über die Zahlung von zu Gunsten der Handelsmarine bis zum 31. Dezember 1897 verlängert wird.

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Berathung über die einzelnen Artikel der Vorlage, betreffend die Um⸗ wandlung der vier Königlichen Dekrete vom 6. No⸗ vember 1894 in ein Gesetz, fort. Der Minister⸗Präsident Crispi brachte eine Vorlage, betreffend die Bewilligung eines Kredits von 20 Millionen für Afrika, ein ne ge gech.

eitig die frühere Vorlage, durch welche ein Kredit von 7 Millionen für Afrito gefordert wurde, zurück

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8

heißt es:

In der Begründung der Vorlage I

„Die militärischen Verstärkungen werden im Ver⸗ hältniß zu dem Ziel stehen, das wir erreichen wollen; d. h. wir wollen die von uns besetzten Provinzen vertheidigen und das Ansehen unserer Fahne wieder befestigen, indem wir sie wieder dahin tragen, wo sie gehißt worden war, nicht infolge des ehrgeizigen Wunsches nach Ausdehnung, sondern wegen der Nothwendigkeit, uns zu vertheidigen, und wir wollen uns fest auf dem mit dem Blut unserer Söhne getränkten Gehbiete niederlassen und unsere Herrschaft über Tigre sichern.“ Auf Antrag des Minister⸗Präsidenten Crispi wurde die Vorlage der Budgetkommission überwiesen, die noch gestern Abend in Berathung trat. Wie „W. T. B.“ vernimmt, hätte die Kommission mit allen gegen eine Stimme den Kredit ge⸗ nehmigt und werde in der heutigen Sitzung der Deputirten⸗ kammer Bericht erstatten.

Der Dampfer „Singapore“ hat in Messina Geschütze und anderes Kriegsmaterial an Bord genommen und ist gestern Abend unter begeisterten Aeußerungen des Patriotismus seitens der Bevölkerung von dort nach Massowah in See gegangen.

Die feierliche Beisetzung des Kardinals Melchers fand gestern in Rom in der Kirche San Bernardo alle Terme statt. elben wohnten 13 Kardinäle, zahlreiche Prälaten, der preußische Gesandte beim Vatikan von Bülow, der Groß⸗ meister des Malteser⸗Ordens, die Notabeln der deutschen und der österreichisch⸗ungarischen Kolonie und die Schüler des deutschen Kollegiums bei. Der Erzbischof De Neckere zelebrierte die Todtenmesse, der Kardinal Bianchi ertheilte die leste Absolution.

Spanien. 8 Die der Opposition angehörenden Sena Deputirten sind, dem „W. T. B.“ zufolge, übereingekom die Wiedereröffnung der Cortes zu verlangen.

Schweiz.

Die großbritannische Regierung ist, nach einer im Bundesrath gemachten Mittheilung, auch für ihre Kolonien Natal, Ceylon, Lagos, St. Helena und Kanada der Dres⸗ dener Sanitäts⸗Konvention vom 15. April 1893 bei⸗ getreten.

Belgien. 8

In der gestrigen Sitzung des Senats bgründete Leje une in längerer Rede einen Antrag gegen das Spiel und die Wetten und empfahl dessen Annahme, um die gewinnsüchtige Ausbeutung der Spieler verhindern und die Spieler auf zivilgericht⸗ lichem Wege belangen zu können. Van Put⸗Antwerpen betonte, der Antrag Lejeune leide an Uebertreibungen und sei wenig praktisch. Der Senat stimmte indessen im Fortgange der Sitzung dafür, den Antrag Lejeune in Erwägung zu ziehen. In der Repräsentantenkammer erklärte der Kriegs⸗Minister Brassine: sein Entwurf zur Heeresorganisation sei bis auf einige Einzelheiten fertig. Der Entwurf unterliege gegenwärtig einer Prüfung durch die zuständigen Minister, von seiner un⸗ verzüglichen Einbringung könne jedoch bei der Ueberladung der Tagesordnung des Hauses keine Rede sein. Der Minister betonte aber, daß der Entwurf seiner Zeit werde vorgelegt werden, und daß sein, des Ministers, Verbleiben im Ministerium nur unter dieser Bedingung möglich sei. Die Führer der Sozialisten Bertrand, Vandervelde, Defuisseaux und Andere sprachen sich für eine unverzüglich einzubringende Vorlage über die militärische Reorganisation aus und setzten ihre gegen das Militär gerichteten Theorien auseinander.

3 Türkei.

Von amtlicher türkischer Seite wird, dem „W. T. B.“ zufolge, berichtet, die Aufständischen von Zeitun hätten neun von Mohamedanern bewohnte Ortschaften in der Nähe von Zeitun, darunter den Hauptort Enderin, geplündert und in Brand gesteckt. Von der mohamedanischen Bevölkerung seien 266 Personen, darunter 7 Frauen, getödtet und ungefähr 100 Personen beiderlei Geschlechts verwundet worden. Die Zahl der in den oben erwähnten Ortschaften einge⸗ äscherten Häuser betrage gegen 500. Es sei festgestellt worden, daß die Aufständischen große Grausamkeiten gegen Frauen und Kinder verübt hätten. Zwei Gendarmen seien lebendig verbrannt worden; der Kommandant der Gendarmerie von Marasch sei mit 3 Gendarmen seiner Begleitung getödtet, ein anderer schwer verletzt worden. Der Lieutenant Hassan Agha und dessen Frau seien ermordet worden, nachdem man vorher vor ihren Augen ihre 3 kleinen Kinder umgebracht habe. Ein Gendarmerie⸗Sergeant und ein Korporal der türkischen Armee seien von den Insurgenten auf der Brücke von Enderin gleichfalls niedergemacht worden. Außer den erwähnten Greuelthaten hätten sich die Aufständischen noch anderer Mordthaten, Grausamkeiten und Plünderungen in Zeitun und anderen Orten schuldig gemacht. —⸗

Bulgarien.

Die Sobranje beschloß auf Antrag des Präsidenten nahezu einstimmig, den Kaiser von Rußland anläßlich seines heutigen Namensfestes zu beglückwünschen.

Die Konferenz der Hele gixken des macedonischen Comités tagte, wie „W. T. B.“ aus Sofia berichtet, bei verschlossenen Thüren. Es verlaute: Ludskanow, der Schwiegersohn Zankow's, sei zum provisorischen Präsidenten gewählt worden; auch werde versichert, alle Delegirten gehörten der Partei Karawelow's und Zankow’'s an.

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Montenegro. 8 Der neue, auf der Basis des Meistbegünstigungsrechts ab⸗ geschlossene serbisch⸗-montenegrinische Handelsvertrag ist nach einer Meldung aus Cetinje gestern unterzeichnet 1““ 1 1“ 11““ Der Präsident Cleveland hat gestern an den Kongreß eine Botschaft über die Z1“ gesandt, der die Antwort Lord Salisbury’'s auf die Note der Re⸗ ierung der Vereinigten Staaten beigegeben war. räsident Cleveland sagt darin: Lord Salisbury erhebe dagegen daß die amerikanische Regierung in der vorliegenden Frage der Monroe⸗Doktrin eine neue und as Fredevdi⸗ Auslegung gebe, einer Doktrin, welche im allgemeinen auf den

tand der Dinge, in welchem man heutigen Tages lebe, und im besonderen auf die gegenwärtige Streitfrage unanwendbar sei. In der in seiner Bots 5, hieran geknüpften Erörterung bezeichnet der Präsident Cleveland die Auslegung der Monroe⸗Doktrin durch Amerika als stichhaltig und gesund, als wichtig für die Sicherheit der Nation, wesentlich für die Erhaltung ihrer freien Einrichtungen und dazu bestimmt, in jeder Entwicklungsstufe des nationalen Lebens Anwendung u finden. Diese Doktrin könne nicht veralten. Sodann erklärt

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Präsident, daß die Fall anwendbar sei, wo eine europäische Macht durch eine renzausd hnung von einem Gebiete Besitz zu ergreifen suche, as einer Republik auf dem amerikanischen Festlande gehöre. Nach dem Ausdrucke des Bedauerns darüber, daß Großbritannien ie Schlichtung der Angelegenheit durch Schiedsspruch ablehne, be⸗ merkt der Präsident, es bleibe nichts übrig, als die gegebene age anzunehmen und entsprechend zu handeln. Der Streit abe ein Stadium erreicht, welches es den Vereinigten Staaten zur Pflicht mache, Schritte zu thun, um festzustellen, was die wirkliche Grenze zwischen Venezuela und Britisch⸗ Guyang sei. Der Präsident schlägt daher vor, daß der ongreß eine entsprechende Summe für die Kosten einer ommission bewillige, welche die erforderliche Untersuchung vornehmen und mit möglichst Verzug über die Angelegenheit Bericht erstatten solle. „Wenn dieser Bericht erfolgt sein wird“, fährt die Botschaft fort, „wird es die Pflicht der Vereinigten Staaten sein, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln sich, als einem vorsätzlichen Angriff auf ihre Rechte und Interessen, der Aneignung irgend welcher Land⸗ strecken durch Großbritannien zu widersetzen, welche wir nach vorgenommener Untersuchung als von Rechts wegen Venezuela gehörig erkennen mögen. Ich bin mir wohl der vollen Ver⸗ antwortlichkeit bewußt, welche ich übernehme, indem ich diese Vorschläge mache, und stelle mir klar alle etwaigen Konsequenzen vor Augen. Obwohl anzuerkennen ist, daß es ein schmerzlicher Gedanke ist, die zwei großen englisch sprechenden Völker sich als andere denn sreundschaffliche Rivalen auf dem Wege des Fortschritts und des Friedens vorzustellen, so ist doch kein Unglück demjenigen gleich, welches aus unthätiger Unterwerfung unter Unbill und ÜUngerechtigkeit hervorgeht, nämlich dem Verluste der nationalen Ehre.“ Die Botschaft wurde von dem Senat mit warmem Beifall durch Händeklatschen aufgenommen und an die Kommission für auswärtige Angelegenheiten überwiesen.

Die demokratischen Mitglieder des Kongresses billigen einmüthig die Botschaft, die republikanischen Mitglieder halten mit ihrem Urtheil meist noch zurück.

Die meisten 1““ Blätter erklären, die Bot⸗ schaft des Präsidenten Cleveland habe die Unterstützung der anzen Nation. Die „Evening Post“ sagt, der Präsident

abe vorläufig gezeigt, daß er im stande sei, auswärtige Fragen zu benutzen, um heimische Siege zu erringen.

Die irische National⸗Liga hat ein Manifest erlassen, worin sie den Vereinigten Staaten im Fall eines Krieges mit England die Dienste von 100 000 Soldaten anbietet.

Nach einer Depesche des Madrider „Heraldo“ aus Cien⸗ fuegos zeigten sich Patrouillen der Truppen des Insurgenten⸗ führers Gomez in der Nähe dieser Stadt. 8

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ berichtet aus Massowah von

estern: der General Baratieri habe telegraphisch aus

dua gemeldet: die Lage sei unverändert, in Adua und Axum herrsche Ruhe. Ueber ein Vorrücken des Feindes liege keine Meldung vor.

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Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des

Reichstags befindet sich in der Zweiten Beilage.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Es ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. . vom 30. September 1895, gesetzlich zulässig, daß einem Direktor beim Landgericht oder einem Senats⸗Präsidenten beim Ober⸗ Landesgeri⸗ t der Vorsitz in mehreren Kammern oder Senaten übertragen werde. In einer Ehescheidungssache, welche in der Berufungsinstanz bei dem XII. des Kammergerichts anhängig gewesen, hatte die Revisionsbeschwerde gerügt, daß der er⸗ kennende Senat nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, weil von dem Präsidium des Kammergerichts für das Jahr 1895 zum Vor⸗ sitzenden des XII. Zivilsenats der Senats⸗Präsident L. bestimmt worden; dieser aber sei gleichzeitig zum Vorsitzenden des IV. Zivilsenats bestellt, durch dessen Geschäfte jedoch seine volle Arbeitskraft in Anspruch genommen werde, sodaß er den Vorsitz in dem XII. Senat nicht führen könne und von einem Kammergerichts⸗Rath vertreten werde; im vorliegenden Falle habe die Bestimmung eines Präsidenten zum Vorsitzenden zweier Senate stattgefunden, weil durch den preußischen Staatshaushalts⸗ Etat die erforderliche Anzahl von 1“ beim Kammer⸗ gericht nicht bewilligt worden sei. Diese Rüge wurde vom Reichs⸗ gericht als nicht begründet erachtet, indem es ausführte: „Die die Land⸗ gerichte betreffende Vorschrift des § 61 des Gerichtsverfassungsgesetzes, der, wie den nachfolgenden §§ 62 bis 68, nach § 121 für die Ober⸗ Landesgerichte entsprechende Anwendun gegeben ist, enthält zwar nicht, wie der § 62 bzl. der anderen Gerichtsmitglieder die ausdrückliche Bestimmung, daß ein Direktor oder Senats⸗Präsident zum Vorsitzenden mehrerer Kammern oder Senate bestellt werden könne. Dessen ungeachtet ist es als der Sinn des Gesetzes anzusehen, daß dies nicht ausgeschlossen sein sollte... Verbietet nun aber das Gesetz nicht, daß einem Direktor oder Senats⸗ Präsidenten der Vorsitz in mehreren Kammern oder Senaten über⸗ tragen werde, so können bei der Beurtheilung, ob ein Verstoß im Sinne des § 513 Nr. 1 Zivilprozeßordnung vorliegt, die Gründe, die im einzelnen Falle dazu geführt haben, einem Vorsitzenden die Leitung mehrerer Kammern oder Senate zu überweisen, nicht in Betracht kommen.“ (91/95.)

Die Rechte der Aktionäre einer Aktiengesell⸗ schaft werden nach Art. 221 des Handelsgesetzbuchs in der General⸗ versammlung durch Beschlußfassung der erschienenen Aktionäre ausgeübt. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, I. Zivilsenat, durch Urtheil vom 2. November 1895 ausgesprochen, daß den Aktionären die Möglichkeit einer Erörterung derjenigen Gegenstände, über welche Beschlüsse gefaßt werden sollen, innerhalb derjenigen Grenzen gewährt werden müsse, welche für eine sachgemäße Erörterung erforderlich sind, widrigenfalls die Beschlüsse als ungültig angefochten werden können. In der ordentlichen Generalversammlung einer Aktien⸗ Pellchaft zu Berlin meldete sich ein Aktionär, Redakteur M., beim Beginn der Verhandlung zum Wort; er erhielt dasselbe indeß nicht, vielmehr beschloß die Versammlung auf den Antrag eines anderen Aktionärs, daß kein Redner länger als 10 Minuten sprechen soll. Darauf erklärte Redakteur M. zu Protokoll, er protestiere gegen die Gültigkeit der heutigen Generalversammlung, da ihm sein Recht un⸗ gesetzlicher Weise dadurch beschränkt sei, daß vor Eintritt in die Tages⸗ ordnung bestimmt worden sei, jeder Aktionär dürfe höchstens 10 Mi⸗ nuten sprechen. Die Tagesordnung wurde sodann erledigt, und durch Beschluß wurde dem Vorstand und Aufsichtsrath Decharge ertheilt. M. erhob auf Grund der Art. 190 a, 222 H.⸗G.⸗B. Klage auf Ungültigkeits⸗ erklärung der Beschlüsse der Generalversammlung. Die Klage wurde in der Berufungsinstanz een. Auf die Revision des Klägers hob das erufungsurtheil auf, i d

Doktrin vollkommen auf den

führte: Die Generalversammlung ist befugt, innerhalb der durch das Gesetz und den Gesellschaftsvertrag gezogenen Grenzen über die Handhabung der Geschäftsordnung in der betreffenden Versamm⸗ lung zu entscheiden und auch ohne besondere Ankündigung dahin⸗ Beschlüsse zu fassen. Als gesetzwidrig muß aber ein solcher Beschluß bezeichnet werden, wenn derselbe die Möglichkeit aus⸗ schließt, die auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände einer sachgemäßen Erörterung zu unterziehen. Es steht der Generalversammlung zwar zu, der Diskussion gewisse Grenzen zu ziehen, sie kann den Schluß der Debatte beschließen, unter Umständen auch von vornherein die Dauer der Redezeit für die einzelnen Redner ein⸗ schränken. Es dürfen aber, namentlich im letzteren Falle, die Grenzen nicht so eng gesteckt werden, daß dadurch eine sachgemäße Erörterung unmöglich gemacht wird. Es bedarf nicht des Nachweises eines Kausal⸗ zusammenhangs zwischen dem Beschluß über die Redezeit und dem Entlastungsbeschluß, und ebensowenig steht der Klage der Umstand entgegen, daß Kläger nicht versucht hat, seine Ansicht über die Bilanz und die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsraths in der ihm freigelassenen Zeit darzulegen. Enthielt jener Beschluß eine unge⸗ bührliche Einschränkung der Redezeit, so brauchte Kläger sich auf einen derartigen Versuch nicht einzulassen.“ (208/95.) .

neuen Straße zu den Straßenherstellungskosten (sogenannte Anlieger⸗ beiträge, § 15 des Baufluchtengesetzes vom 2. Juli 1875) ist. nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, I. Senats, vom 17. Sep⸗ tember 1895, nicht an die Einhaltung der Fristen des Ge⸗ setzss vom 18. Juni 1840, betreffend die Verjährungs⸗ fristen bei öffentlichen Abgaben, gebunden. „Wie in dem Urtheil des II. Senats des Ober⸗Verwaltungsgerichts vom 16. September 1892 ausgeführt, bilden die Anliegerbeiträge zwar eine Gemeindeabgabe, sind aber da sie das Aequivalent für die eigene He Straße durch die Anlieger und den Ersatz der hierfür gemeindeseitig. aufgewendeten Kosten darstellen weder zu den direkten noch zu den indirekten Gemeindeabgaben zu rechnen und fallen daher nicht unter diejenigen Arten dieser Abgaben, welche in dem § 37 der Landgemeindeordnung vom 3. Jult 1891 oder in dem Gesetze vom 18. Juni 1840 erwähnt sind.“ (I. 1177.)

Bei Ermittelung des Anliegerbeitrags zu einem Begräbnißplatz mit einer an der neuen Straße errichteten Todtengräberwohnung kommt, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwal⸗ tungsgerichts, I. Senats, vom 17. September 1895, die Länge der gesammten, die Straße berührenden Grenze des Be⸗ gräbnißplatzes in Anrechnung. „Das Grundstück bildet rechtlich und wirthschaftlich ein einheitliches Ganzes. Ob das Gleiche auch für einen meilenlangen Forst und die in diesem stehende Waldwärterhütte anzunehmen wäre, kann um so mehr unerörtert bleiben, als solche Forsten inmitten des Straßennetzes bebauter Ortschaften nicht vorzukommen pflegen.“ (I. 1177.)

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Der belgische Ackerbau⸗Minister hat durch Verordnung vom 26. November d. J. die Einfuhr von niederländischem Rind⸗ vieh auf der Eisenbahn nach den Schlachthäusern in Brüssel, Cureghem, Anderlecht, Antwerpen, Gent, Lüttich und Brügge unter der Bedingung vorgängiger thierärztlicher Untersuchung bei den Grenz⸗ zollämtern bis auf weiteres wieder gestattet.

Die Einfuhr und Durchfuhr von Schafvieh aus den Nieder⸗ Fre-ae. wird ebenfalls unter der bezeichneten Bedingung wieder zu⸗ gelassen.

„Der birekte Transit von Schafen und Schweinen auf der Eisenbahn ohne Umladung unterliegt keinen beschränkenden Bestim⸗ mungen; im übrigen wird das allgemeine Verbot der Einfuhr und es I6“ von Schweinen aus den Niederlanden aufrecht erhalten.

Die in Rede stehende Verordnung ist am 5. d. M. in Kraft

getreten.

Gesundheitswesen, Thiertrantheiten und Absperrungs⸗ eln.

ö Spanien.

Die Königliche Verordnung vom 10. d. M., durch welche die gegen Herkünfte von Tanger s. Z. angeordnete Quarantäne aufgehoben worden ist (vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 297 vom 13. d. M.), bestimmt ferner, daß alle Häfen Marokkos, welche nicht über 165 km von Tanger entfernt sind, nicht mehr als choleraverdächtig gelten sollen. Ausgenommen hiervon sind jedoch die bis 165 km von Tetuan und Rabat entfernten Häfen, welche bis auf weiteres choleraverdächtig bleiben. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 238 vom 4. Oktober d. J. und Nr. 292 vom 7. d. M.)

Portugal.

Durch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Rabat (Marokko) seit dem 1. d. M. für choleraverseucht erklärt worden.

Der Gesundheitsstand in Berlin war auch in der Woche vom 1. bis 7. Dezember im allgemeinen ein günstiger, die Sterblichkeit aber eine etwas größere als in der Vorwoche. (Von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 18,2.) Insbesondere kamen infolge der anhaltend naßkalten Witterung akute Entzündungen der Athmungsorgane in größerer Zahl zum Vorschein und endeten auch häufiger tödtlich. Auch Erkrankungen an Grippe wurden zahlreicher beobachtet und waren in sechs Fällen Todesursachen. Dagegen haben akute Darmkrankheiten seltener zum Tode geführt. die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit lieb eine geringe; von je 10 000 Lebenden starben, auf's Jahr be⸗ rechnet, 19 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten blieben Erkrankungen an Typhus selten, an Masern in fast gleicher Höhe wie in der Vorwoche, während Erkrankungnn an Scharlach etwas weniger, an Diphtherie etwas häufiger zur Meldung kamen als in der Vorwoche; und zwar zeigten sich Erkrankungen an Scharlach in der Tempelhofer Vorstadt und der diesseitigen Louisenstadt, Erkrankungen an Diphtherie in der jenseitigen und dies⸗ seitigen Luisenstadt, im Stralauer und Spandauer Viertel, in der Rosenthaler und Oranienburger Vorstadt am häufigsten, Masern dagegen nur im Stralauer Viertel in nennenswerther Jabl. Weitere Erkrankungen an Pocken sind nicht gemeldet worden. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 4 bekannt; rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut blieben selten. Zahlreich kamen auch in dieser W rkrankungen an Keuchhusten, die in 10 Fällen zum Tode führten, und rheumatische Beschwerden, namentlich der Muskeln, zur ärztlichen Behandlung.

Handel und Gewerbe.

In der Zeit vom 9. bis 14. Mai 1896 findet wie in diesem Jahre in Wien ein von der dortigen Land⸗ wirthschaftsgesellschaft veranstalteter internationaler Ma⸗ chinenmarkt statt. Anmeldungen sind dem Programm zufolge bis zum 15. März an das Comité, Wien I, Sa 13, zu richten. Die Annahme der Gegenstände eginnt am 25. April und endet am 4. Mai. Bis 8. Mai müssen alle b- 2 den ihnen

aus dem gedeckten Raum 11“ 11111“

zugewiesenen Plätzen aufgestellt und nach Schluß des Marktes 16. Mat, bie im Freien a

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Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts. Der Einspruch gogen die Heranziehung der Anlieger einer

gestellten bis 18. Mai Abends entfernt sein. Die Anmeldungen für die „Prüfung von Neuheiten“ sind bis 1. März und die dafür bestimmten Gegenstände bis längstens 9. April 1896 an das Comité einzusenden.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks 8 Iö1I1“ „An der Ruhr sind am 17. d. M. gestellt 13 122, nicht 1 viae en. bixe 6 mees e In Oberschlesien sind am 16. d. M. gestellt nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 8 1

Zwangs⸗Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 16. und 17. Dezember die nachbezeichneten Grundstücke zur Ver⸗ steigerung: Dunckerstr. 6, dem Kaufmann M. Krause gehörig; Fläche 9,46 a; Nutzungswerth 11 700 ℳ; mit dem Gebot von 168 000 blieb der Kaufmann Rich. Maaß zu Berlin Meist⸗ bietender. Frankfurter Allee 61, dem Kaufmann Jul. Erxleben gehörig; Fläche 17,92 a; Nutzungs⸗ werth 5250 ℳ; ein Gebot wurde nicht abgegeben. Friedrichstr. 184 u. Mohrenstr. 51, dem Rittergutsbesit Albert Petry gehörig; Nutzungswerth 53 300 ℳ; mit dem Gebor von 891 000 blieb der Kaufmann Carl Ziegler, Schützenstr. 3, Meistbietender. Liesenstr. 11, der Frau Bauunternehmer Emilie Granowsky, geb. Gohlke, gehörig, ,b 8,15 a; Nutzungswerth 10490 ℳ; Meistbietende blieb die Frau Kaufmann Schubarth, geb. Weissenborn, zu Potsdam, mit dem Gebot von 143 000 Prenzlauer Allee 207, und

ranseckistr. 31, dem Maurermeister August Müller ge⸗ örig; Fläche 10,91 a; Meistbietender blieb der Rentier Carl Messow, Spenerstr. 19, mit dem Gebot von 215 000 Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung wegen der nachbezeichneten Grundstücke: Grünstr. 7 u. 8, dem Architekten W. Bragrock gehörig. Rigaerstr., dem Zimmer⸗ meister Aug. Reisener gehörig.

Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin standen zur Versteigerung: Grundstück zu Schöneberg, angeblich Brunhild⸗ straße 15 belegen, dem Versicherungs⸗Beamten Alois Burkert zu Berlin gehörig; Fläche 6,09 a, mit 9450 Nutzungswerth zur Gebäudesteuer veranlagt; mit dem Gebot von 118 800 blieb der Kaufmann Wilhelm Wolff zu Berlin, Behren⸗ straße 50, Meistbietender. Grundstück zu Friedenau, dem Uhr⸗ macher Adolph Hertel zu Friedenau gehörig, Fläche 3,63 a; mit 3600 Nutzungswerth zur Gebäudesteuer veranlagt; mit dem Gebot von 31 000 blieb der Rentier Gustav Schweitrig zu Berlin, Wartenburgstraße 31, Meistbietender. Aufgehoben wurde das Ver⸗ fahren der wangsversteigerung wegen des zu Schöneberg, Sedanstraße 58, belegenen Grundstücks, der Handelsgesellschaft in Firma Schmidt und Brennicke zu Berlin gehörig. Eingestellt wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung wegen des zu Schöneberg, an⸗ geblich Goltzstraße 11 und Barbarossastraße 78, belegenen, dem Maurermeister Hermann Hoffmann zu Schöneberg gehörigen Grundstückz. 8

Theater und Musik.

Königliches Schauspielhaus.

Friedrich Haase setzte gestern sein Gastspiel als Graf Thorane in Gutzkow's bekanntem Lustspiel „Der Königslieutenant“ fort: eine Rolle, die von jeher zu den besten und ausgereiftesten des Künstlers zu zählen war. Auch gestern war der gefeierte Gast wieder vom Scheitel bis zur Sohle der französische Kavalier alten Regimes, der feinsinnige Edelmann, dessen liebenswürdiges Wesen alle Welt für ihn einnimmt. So blieb denn auch der herzliche und einmüthige Beifall nicht aus, der dem nun bald aus der Theaterwelt scheidenden Künstler so oft an dieser Stätte zu theil geworden ist. Zum Gelingen des Ganzen trugen die übrigen Mitwirkenden ebenfalls wesentlich bei 8 namentlich verdient Frau von Hochenburger für die sympathische Art, in der sie den jungen Wolfgang Goethe gestaltete, vollste Anerkennung. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin wohnten der Aufführung von Anfang bis zum Schlusse bei.

Neues Theater.

„Madame Segond⸗Weber trat gestern, am zweiten Abend ihres Gastspiels, in dem Drama „Les Jacobites“ von Frangois Coppse auf. Das in Versen geschriebene Schauspiel des zeitgenössischen Dichters ist im ganzen Bau und Stil den französischen Klassikern nachgebildet. Wie ein wallendes Gewand gleiten die viel⸗ füßigen klangvollen Verse majestätisch dahin; aber sie hemmen die natürliche eie Bewegung des Bühnenkünstlers, sein Spiel und seine Ausdrucksfähigkeit und fordern geradezu zur Dekla⸗ mation, zum getragenen Pathos heraus. Frau Segond⸗Weber ist Meisterin dieser Vortragskunst; sie gebietet auch über einen helden⸗ haft leidenschaftlichen Ausdruck, sodaß sie das Interesse der Hörer und Zuschauer weckt; aber es gelingt selbst ihrer Kunst nur schwer, das menschliche Herz zu ergreifen und zu rühren. In den „Jacobites“ spielt sie die Rolle einer schottischen Bettlerin Marie, die mit schwärmerischer Begeisterugg die Heimkehr des echten Königs, des “X“ Karl Eduard, zur Beglückung Schottlandd ersehnt. Wie der angestammte Fürst in ihrer Phantasie mit ihrem Vaterlande zu einem süßen Bilde verschmilzt, sodaß für Schottland streiten und für ihn kämpfen ihr gleichbedeutend erscheint, so tritt die arme Marie auch dem Prinzen als ein Sinnbild seines Vaterlandes entgegen, das er symbolisch mit einem Kusse auf ihre Stirn begrüßt. Marie und ihr alter blinder Vater Angus sind nun des Königs treueste Anhänger. Als ein Liebes⸗ verhältniß, das Karl Eduard mit Lady Fingall, der Gattin seines vertrauten Freundes, angeknüpft hat, entdeckt zu werden droht, giebt sich Marie zu seiner Rettung der öffentlichen Verleumdung Preis. Nach des Prätendenten Schlachtenunglück treffen sie sich wieder: das Mädchen sterbend an der felsigen Meeres⸗ küste und der Prinz ermattet durch Entbehrungen, von seinen Feinden verfolgt. Beider noßee Hofcungen sind vernichtet. Der Eindruck des Schauspiels ist ungleichmäßig wie die dramatische Bewegung, die in den verschiedenen Akten nicht gleich kräftig pulsiert. Der vierte und fünfte Akt bieten eigentlich nur Stimmungs⸗ bilder, die freilich durch die Darstellung edler Empfindung in poetisch schöner Sprache fesseln und rühren. Nach den „Jacobites beurtheilt, erscheint Coppée größer als Lyriker denn als Dramatiker Madame Segond⸗Weber spielte das patriotische Bettlerkind mi klassischer Ruhe in der Geste und mit klugem Ausdruck im Foetrg. ihr zartes durchgeistigtes Gesicht gewann manchma den Ausdruck einer Seherin; 8 bot sie, an den blinden Greis gelehnt, ein rührendes Bild. Die Stimme jedoch ist, wie schon gestern bemerkt wurde, spröde und entbehrt der Weichhei und Geschmeidigkeit. Neben dieser künstlerisch immerhin hervor ragenden Darstellerin verdienen die Leistungen der Herren de Neers rinz Karl Eduard), Tesce (Lord Fingall) und Menrice (der blinde ngus) mit Anerkennung genannt zu werden 8

Im Königlichen Opernhause geht morgen Wilhelm Kienzl's musikalisches Schauspiel „Der Evangelimann“ zum 17. Mal in l⸗ Fnber Besetzung in Scene: Mathias: Herr Sylva; Johannes: Herr

ulß; Martha: Frau Pierson; Magdalena: Frau Götze. Kapell⸗ meister Dr. Muck dirigiert. Hierauf folgt das Ballet „Phantasien im Bremer Rathskeller“ von Graeb und Steinmann (Anfang 7 Uhr). Der Königlich bayerische Kammersänger Herr Heinrich Vogl wird in den Aufführungen von „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ den Siegfried singen. Herr Intendant Possart hat zur Verlängerung dieses Gastspiels Herrn Vogl Urlaub ertheilt. „Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Calderon's Märchendichtung „Das Leben ein Traum“ mit Herrn Matkowsky als

igismund geg ; die Rosau spielt räulein Poppe.