1896 / 10 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, die Regierung be⸗ bsichtige dem Parlament bei der Eröffnung ausfuührliche Informationen über die Fragen betreffs Armeniens, Trans⸗ vaals und Venezuelas vorzulegen. ie in den Vereinigten Staaten in der Angelegenheit der Venezuela⸗Grenzregulierungs⸗ frage ernannte Kommission wird somit demnächst Einsicht in die wesentlichen Punkte der britischen Anschauungen nehmen önnen. Sir Claude Macdonald, bisher Reichs⸗Kommissar ees Niger⸗Protektorats, wurde zum britischen Gesandten in eeking ernannt.

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4““ Der Minister des Auswärtigen Berthelot 8n am Freitag, wie „W. T. B.“ aus Paris berichtet, den Gesandten der Suͤdafrikanischen Republik Beelaerts van Blokland. Das Comité zur Vertheidigung der fran⸗ ösischen Interessen in Transvaal nahm in seiner orgestern stattgehabten Sitzung einen vom Deputirten loncle erstatteten Bericht entgegen, über die urkund⸗ ichen Grundlagen der völkerrechtlichen Stellung Transvaals n Rücksicht auf sein Verhältniß zu England. Der Bericht ßt auf den in den Blaubuͤchern enthaltenen amtlichen Schrift⸗ scken. Nach Deloncle's Ansicht hatte Transvaal stets das t, direkt Verträge abzuschließen und im Auslande direkte und unabhängige Vertretungen zu unterhalten. Deloncle erachtet es für nothwendig, daß die europäische Diplomatie die Frage er Unabhängigkeit Transvaals in unzweideutiger Weise klarstelle und nöthigenfalls diese Unabhängigkeit durch eine feierliche Neutralitätserklärung anerkenne; anderenfalls würden die Interessen der europäischen Staaten, insbesondere eee jeder möglichen Gefährdung ausgesetzt bleiben. ie Verträge Frankreichs mit Transvaal, sowie diejenigen Transvaals mit England müßten geachtet werden. Falls sie nicht genügend klar gefaßt sein sollten, müßten sie den völker⸗ rechtlichen Grundsätzen gemäß abgeändert werden. Der Minister⸗Präsident Bourgeois nahm gestern an einem im Saale der Börse zu Lyon veranstalteten Bankett theil und hielt bei demselben eine längere Ansprache. Nach einigen Bemerkungen über die Finanzvorlagen, insbesondere über die Einkommen⸗ steuer, berührte der Minister die Frage der auswärtigen Po⸗ litik und erklärte, die Republik habe nach außen hin eine Politik verfolgt, welche die Wechselfälle des inneren Partei⸗ lebens niemals ins Schwanken gebracht hätten. Sie habe es verstanden, zu beweisen, daß ein großes demokratisches Gemein⸗ wesen, welches Herr seiner selbst sei, in den auswärtigen Be⸗ ziehungen dieselbe Sicherheit in den leitenden Gesichtspunkten, dieselbe Beständigkeit in den Empfindungen und dasselbe methodische Vorgehen in seinen Handlungen zeigen könne, wie die festgegründetsten Monarchien. Die Summe dieser Politik der Republik bestehe in dem Streben nach Er⸗ haltung des Friedens, in der Ausbildung des Gedankens der Gerechtigkeit und der unerschütterlichen Behauptung des Rechtes. Die Republik habe damit in sprechender

Weise die Wahrheit des alten berühmten Ausspruchs dar⸗ Pcsss „Frankreich ist der Krieger des Rechts!“

Der Minister⸗ räsident erinnerte an die Worte, welche der Präsident der epublik am Neujahrstage beim Empfange des diplomatischen

Korps gesprochen und in denen er betont habe, daß Frankreich

sich dem Werke der Eintracht, der Freiheit und des Fort⸗

unentwegt gewidmet habe. Dank der treuen Be⸗ folgung dieser Grundsätze, fuhr Bourgeois fort, habe Frank⸗ reich unter den Mächten ersten Ranges die ihm gebührende

Stellung wiedergewonnen, seinen Interessen und Rechten

allgemeine Achtung sichern und der großen Nation, welche mit

der Republik eine Allianz gebildet habe, unerschütterliche Bürg⸗ schaften der Sicherheit gewähren können. Dieser ehrenhaften

Haltung getreu, werde fanbeig auch ferner die friedliche

Entwickelung seines Einflusses und seiner Aktion anstreben,

indem es den Frieden nicht nur für die Republik selbst

ee. sondern auch wie erst in der jüngsten

Zeit dazu beitrage, den Frieden im Interesse der Zivilisa⸗

tion unter allen Mächten zu erhalten. Das republikanische

Frankreich, durch die Klarheit seiner leitenden Grundsätze vor

Ueberstürzung im Innern und durch die Stärke seiner militä⸗

rischen und diplomatischen Stellung vor Ueberraschung von

Außen geschützt, könne mit Vertrauen in die blicken,

und sich ööe Geistes der inneren Resorm seiner In⸗

stitutionen widmen. 8

Der Rede des Minister⸗Präsidenten zollen die radikalen uund sozialistischen Blätter Beifall, die gemäßigten und die reepublikanischen erklären sie hinsichtlich der darin entwickelten finanziellen und sozialistischen Ansichten für beunruhigend.

Rußland.

Der Kaiser, die Kaiserin, die Kaiserin⸗Wittwe und die Kaiserliche Familie sind gestern, dem „W. T B.“ zufolge, nach St. Petersburg übergesiedelt.

ie Ehess des pacifischen und des Mittelmeer⸗Geschwaders Tyrtow un Makarom sind in andere Dienststellungen ver⸗ setzt worden. Ersterer ist zum Kommandanten der zweiten, letzterer zum Kommandanten der ersten Flotten⸗Division er⸗ nannt worden. Die 1 cg e Kolonie in St. Petersburg beabsichtigt, den 2jährigen Gedenktag der Neuerrichtung des Deutschen Reichs durch einen Festkommers feierlich zu begehen.

Italien. 8

Der „Opinione“ zufolge soll der gestrige Ministerrath be⸗ schlossen haben, den Zusammentritt des Parlaments bis zum Februar hinauszuschieben.

8* Türkei.

Nach einem Beschlusse, welcher am Freitag in der von den Botschaftern abgehaltenen Berathung gefaßt worden ist, wurden, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel berichtet, gleichlautende Instruktionen an die Konsuln in Aleppo er⸗ lassen und denselben zugleich Anweisung gegeben, sich nach Marasch zu begeben, von wo aus die Intervention erfolgt.

In den letzten Tagen wurden in außerordentlichen Sitzungen des Ministerraths wiederholt in Berathung Fehogen. Der Stab der 8. Linien⸗Division wurde von

tlis nach Wan verlegt. .

Infolge außerordentlich rauhen Wetters und großer Schneeverwehungen mußten von türkischer Seite die Ope⸗ rationen bei Zeitun eingestellt werden. Die Truppen wurden größtentheils nach Marasch zurückgezogen, was den Aufständischen die Ergänzung des Proviants ermög⸗ lichte. Auf türkischer Seite ist man geneigt, im Falle der den Aufständischen Amnestie zu gewähren,

jedoch wird die Auslieferung der Leiter des Aufstandes ver⸗

worden.

erfolgt

langt. Die Aufständischen fordern gewisse Garantien für die Zukunft.

Die in Beredjik vorgekommenen Raufereien zwischen Armeniern und Mohamedanern waren nach den amt⸗ lichen Berichten von geringem Umfange. Fünf Personen wurden getödtet und etwa fünfzig Personen verwundet. Den L kalbehörden gelang es bald, die Ruhe wiederherzustellen.

8 Rumänien.

Die „A ence Roumaine“ erklärt, daß die Meldung von

einer angeblich beabsichtigten Reise des Minister⸗Präsidenten

Sturdza nach Berlin und Wien durchaus erfunden sei. 88

Serbien.

Der EI““ der Skupschtina nahm be⸗ deutende Streichungen bei einzelnen Budgetposten vor, um mit üdne das Gleichgewicht im Staatshaushalts⸗Etat herzu⸗ tellen.

Aus Uesküb wird berichtet, daß der dortige griechische Metropolit für die Weihnachtsfeier in der orthodoxen Kirche dem Herkommen zuwider den Gesang in slavischer Sprache unter Androhung polizeilicher u untersagt habe. Die Serben hätten el. die Kirche verlassen, welche während des Festes leer blieb. Ueber das Verhalten des Metropoliten sei eine Beschwerde nach Konstantinopel gerichtet worden.

Bulgarien.

Wie die „Agence Balcanique“ meldet, soll der Termin der Auslandsreise des Prinzen Ferdinand auf den 14. Januar festgesetzt sein.

Der Verwalter des bisherigen ottomanischen Kommissariats Nebil Bey ist auf wiederholte Einreichung seines Demissions⸗ gesuchs abberufen. Sein Nachfolger ist amtlich noch nicht bekannt; nach privaten Informationen wäre der aus Bulgarien ausgewanderte ehemalige bulgarische Unterthan Niazi Bey für diesen Posten ausersehen.

Amerika.

Die Senatskommission für auswärtige Angelegenheiten in Washington entschied sich für strikte Betonung der Monroe⸗ Doktrin seitens des Kongresses und ernannte eine Unter⸗ kommission, um in diesem Sinne Beschluß zu fassen.

Nach einem Telegramm des „W. T. B.“ aus Havanna haben neuerdings in der Provinz Pinar del Rio für die Spanier erfolgreiche Gefechte Die Schaaren des Gomez und Maceo setzen ihre Bewegung nach Westen fort. Martinez Campos meldet aus Havanna, daß der Ge⸗ neral Navarro y Arizon den Führer der Aufständischen Maceo auf seiner Flucht in Brigonna erreicht und geschlagen habe. Die Insurgenten seien schon über die äußere Grenze der Provinz Pinar del Rio zurückgedrängt und würden noch weiter energisch verfolgt. 1

Asien.

Der St. Petersburger „Nowoje Wremja“ zufolge, ist die Unzufriedenheit in Korea im Wachsen. In Shul werde die Entthronung des Königs vorbereitet, um den Lieblingsenkel des Taiwankun auf den Thron zu erheben. Die Verminderung sepansches Truppen in Korea werde bald durchgeführt sein. Es ei die Frage aufgeworfen worden, Korea unter den Schutz der vereinigten Mächte zu stellen. England suche Annäherung an Japan, woselbst eifrige Anhänger eines englisch⸗japanischen Bündnisses auftauchten. Demselben Blatt wird über Shanghai aus Söul gemeldet: Die Japaner zwangen den König von Korea, den Palast zu verlassen. Zwei Koreaner wurden wegen Theilnahme an der E d Königin

v1 Nach einem Telegramm des Generals Baratieri aus

Adigrat erhielt derselbe einen vom 8. Januar Abends

datierten schriftlichen Bericht des Kommandanten von Ma⸗ kalle. Nach demselben wurde während des ganzen Tages gekämpft. Die Artillerie des Feindes griff ein und fügte den Verschanzungen einigen Schaden zu. Ein am Abend unternommener Angriff wurde zurückgewiesen. Hierbei fielen drei Eingeborene und ein Italiener, während vier Italiener und neun Eingeborene verwundet wurden. Nach einer weiteren Meldung des Kommandanten von Makalle überfiel der Feind in der Nacht vom 8. zum 9. das Fort, wurde aber zurückgewiesen. In der Frühe des 9. wurde der Kampf wieder aufgenommen, blieb jedoch auf ein aus verschiedenen Stellungen auf Entfernungen von 700 bis 1300 m unterhaltenes Gewehrfeuer beschränkt. Ein Italiener wurde dabei getödtet, zwei Italiener und vier Ein⸗ eborene verwundet. Inzwischen hätten aber die Schoaner das Fort von allen Seiten umstellt und auf den Anhöhen Lauf⸗ gräben angelegt, welche die Benutzung des Brunnens schwierig machten. Die Besatzung von Makalle sei daher genöthigt, von den in Reserve gehaltenen Wasservorräthen Gebrauch u machen. Am Morgen des 10. habe der Feind h. vnei⸗ erneuert, sei aber jedesmal zurückgewiesen uf italienischer Seite 195 dabei sieben Askaris ge⸗

fallen. Baratieri fügt hinzu: „Wenn das Verlassen des Forts für Askaris noch möglich ist, so ist es doch fast unmöglich, unsere Sendboten dorthin gelangen zu lassen. Unser Vormarsch ist für den Augenblick, ohne die weiteren Operationen zu ge⸗ fährden, unmöglich. Die Haltung der Besatzung von Makalle ist bewundernswürdig, die Ankunst der Verstärkungs⸗Bataillone regelmäßig.“ Der „Tribuna“ werden aus Massowah von verschiedenen Seiten die schweren Ver⸗ luste der Schoaner bestätigt, namentlich der Truppen Ras Makonnen'’s und des Negus Menelik, welche sich hauptsächlich an den Gefechten betheiligten. Die Kundschafter be⸗ richten, daß im Lager des Feindes große Trauer und Wehklagen herrschen über die erlittenen schweren Verluste, namentlich darüber, daß Ras Mangascha und Ras Atichin, wie es heißt, sich unter den Gefallenen befinden. An dem naͤcht⸗ lichen Angriff vom 8. Januar waren zahlreiche Truppen des Negus Leteilge welcher zu deren Aneiferung sein Zelt vorwärts tragen ließ; die hte.aanh desselben wurde jedoch durch das Feuer der italienischen Artillerie verhindert. Um die Schoaner zum Angriff zu reizen, wurde das Gerücht verbreitet, daß in dem Fort Makalle enorme Schätze aufgespeichert seien. Wie gerüchtweise verlautet, wollte die 88“ Taitu für sich die Ehre in Anspruch nehmen, mit ihren Soldaten zum Angriff zu marschieren. Am 8. Januar blieb die Königin indessen außer Schußweite bei Schelikot. Die Operationen der

Engländer gegen die

Araber am nördlichen Njassa⸗See, welche am 1. De⸗ zember begannen, sind, wie dem britischen Auswärtigen Amt

gesetzt und viele Gefangene

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ein billiges Volksnahrungsmittel vertheuern.

gemeldet wird, erfolgreich e Nach einem Kampfe von 21 ½ Tagen wurde deren Anführer Mlozi gefangen ge⸗ nommen, abgeurtheilt und am 4. Dezember hingerichtet. Die Araber verloren innerhalb und in der Umgebung der Ver⸗ schanzung Mlozi’s 210 Mann. Auf britischer Seite wurde Lieutenant Smith schwer verwundet; 4 eingeborene Soldaten sind gefallen, 10 verwundet. e“ wurden in Freiheit emacht.

Der Präsident der Südafrikanischen Republik Krüger hat, einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Johannesburg zufolge, einen Faönf an die Bürger erlassen, in welchem er dieselben auffordert, der Regie⸗ rung zu helfen, die Südafrikanische Republik zu einem Lande zu machen, in welchem Mitglieder aller Nationalitäten brüderlich nebeneinander wohnen könnten. Die Verweigerung der Pässe ist aufgehoben; auch die Einberufung der Burghers auf, allein diejenigen, welche bereits unter den Waffen tehen, harrten in der Nähe von Johannesburg ihrer Befehle. Dr. Jameson und seine Offiziere hätten. Prätoria noch nicht verlassen. Gestern wurde die gerichtliche Ermächtigun

Beschlagnahme des Eigenthums von 64 in die Auf⸗

andsbewegung im Rand verwickelten Personen verlangt.

Die Zollbeamten öffneten einen großen eisernen Schrank, welcher einem gewissen Farrar, einem der Aufwiegler vom Rand, der egenwärtig in Gefangenschaft ist, gehört. In demselben sich 100 Revolver und 7000 Patronen. Die u der Bande Jameson’'s gehörigen gemeinen Soldaten ind gestern nach der Grenze von Natal abgegangen; die Offiziere dürften demnächft dahin abreisen, um mit den übrigen Schuldigen nach England gebracht zu werden. Der Gouverneur von Natal Hutchinson ist zur Berathung mit dem Gouverneur der Kapkolonie Robinson in Prätoria eingetroffen. Jameson und seine Truppe sollen nach England an Bord eines Flottentransportschiffes überführt werden, um gemäß der Entscheidung der Königin behandelt zu werden.

Der Volksraad des Oranje⸗Freistaats hielt am Freitag, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Blbem entein berichtet, eine besondere Sitzung zur Berathung der Trans⸗ vaal⸗Krisis ab. Der stellvertretende Präsident gab der Entrüstung über das Vorgehen Dr. Jameson's Aus⸗ druck, wie auch der Genugthuung über die Ver⸗ urtheilung seiner Handlungsweise seitens des Staatssekretärs Chamberlain und über Jameson'’s Niederlage; es sei zu hoffen, daß die Vermittlung des Gouverneurs der Kapkolonie Robinson 8 einer friedlichen und billigen Lösung der Schwierigkeit ühren werde. Die Delegirten des Oranje⸗Freistaats, welche nach Transvaal gesandt wurden, um über die Eventualität der Hilfe⸗ leistung des Oranje⸗Freistaats an die Südafrikanische Republik gemäß dem Vertrage von Potschefstroom zu be⸗ rathen, berichteten dem Raad in Bloemfontein, daß Schrift⸗ stücke entdeckt worden sind, die das Bestehen einer ausge⸗ breiteten Verschwörung Kegen die Unabhängigkeit der Südafrikanischen epublik beweisen. Die Auf⸗ reizung am Rand und der Einfall Jameson's bildeten Theile des Verschwörungsplans. 1 In Kapstadt sind die Mitglieder des „Reform⸗Comités“ im Randdistrikt Solly, Joel und Bethleheim unter der Be⸗ schuldigung des Hochverraths gegen Transvaal verhaftet worden. Auch der Präsident der „Transvaal⸗Union“ Charles Leonard wurde gestern Abend im Seebade Sea Point bei Kapstadt verhaftet. Auf Empfehlung der Chartered Company veröffentlichte der Gouverneur Sir H. Robinson einen Erlaß, durch welchen Dr. Jameson von dem Amt des Verwalters von Maschona⸗ land enthoben wird. Gleichzeitig ist der Reichsbeamte Newton, bisher Kommissar von Britisch⸗Betschuanaland, an Stelle Jameson’'s zum Kommissar im Gebiet Inkaning und Montsioa ernannt worden. Cecil Rhodes ist in Kim⸗ berley eingetroffen, von Vertretern aller Bevölkerungsklassen herzlich begrüßt. Rhodes dankte für den ihm bereiteten Empfang und bemerkte, seine politische Laufbahn sei nicht ab⸗ hesch ossen, vielmehr habe dieselbe jetzt erst begonnen. Er

offe, mit Ermuthigung seiner Freunde, noch viel zum Wohl des Landes wirken zu können.

Von der Goldküste meldet das „Reuter'sche Bureau“, daß der Prinz Heinrich von infolge eines. Fieberanfalls sich an dem Kriegszug der Engländer gegen die Aschantis nicht betheiligen kann und nach Cape Coast⸗Castle be beabsichtigte. Da indessen sein Befinden während Per g ückreise sich verschlechterte, unterbrach

Parlamentarische Nachrichten. Der Schlußbericht über die vorgestrige Situng des

Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (14.) v. Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der preußische Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Hammerstein bei⸗ wohnten, wurde die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Verkehr von Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln, fortgesetzt.

Abg. Weiß (fr. Volksp.): Ich bedauere, daß die Motive nicht dargelegt haben, welche einzelnen Thatsachen dazu geführt haben, die Vorlage überhaupt zu machen. Von den Konsumenten selbst ist nirgends eine Klage eingelaufen; im Gegentheil, die Konsumenten erkennen die Verdanlichkeit der Margarine an und halten sie für ein unent⸗ behrliches Ersatzmittel für Butter. Der Bund der Land⸗ wirthe betonte immer wieder, daß die legitime Konkurrenz der Margarine garnicht beschränkt werden solle, während Herr Bachem dieselbe 8 eine Steuer unmöglich machen will. Es hat mich⸗ Wunder genommen, daß gerade dg- Bachem derartigen Wünschen Ausdruck gegeben hat, obgleich er doch Vertreter eines städti⸗ chen, von gewerblichen Arbeitern bewohnten Bezirks ist.

ie Arbeits⸗ und Lohnverhältnisse in Krefeld sind keineswegs günstig; aus dem Handelskammerbericht geht hervor, daß die Löhne im letzten Jahre dort nur halb soviel betrugen wie 1872. Auch die Berichte der Fabrikinspektoren berichten davon, daß die Ernährung der Fabrikarbeiter⸗ bevölkerung eine sehr schlechte ist. Und da will

70 Margarinefabriken steht hier nicht im Vordergrund, wohl aber das der vielen Tausende von Arbeitern. Beim Getreide handelte e sich um die Bekämpfung der ausländischen Konkurrenz durch die Zölle hter abfr handelt es sich um die Konkurrenz zweier inländischen rodukte. der Butter, sondern hauptsächlich mit dem amerikanischen Schweine schmalz, und wer das letztere für sollte für die Margarine eintreten. jetzt, wo ein Bedürfniß nach neuen Steuern nicht vorhanden ist, eine

solche anregt. Besonders bedenklich ist es aber, Steuern

zuschlagen, weiter nichts sind als Strafgelder.

an, für

wird.

er dieselbe in.

err Bachem Das Interesse der

Die Margarine konkurriert aber nicht eigentlich mit

esundheitsschädlich hält, Bedenklich ist es, daß Herr Bachem

Margarine fabriziert und die Fortschritte der Wissenschaft aus⸗ nutzt, der soll bestraft werden; das erinnert etwas an die Maschinen⸗ steuer, die vielfach verlangt worden ist. Ich bestreite, daß hier die Interessen der Ackerbau und Viehzucht treibenden Bevölkerung denen der gewerblichen Bevölkerung gegenüberstehen. Viele kleine Land⸗ wirthe sind schon zum Verbrauch der Margarine übergegangen, um ihre Butter zu verkaufen und namentlich zu exportieren, und Soxhlet weist in seiner Broschüre, ohne bisher widerlegt worden zu sein, nach, die Margarine den Butterpreis nicht gedrückt hat. Nicht die Buttersorten, welche mit der Margarine konkurrieren, sind im Preise gefallen, sondern gerade die feinsten Buttersorten. Die Butter⸗ preise sind am niedrigsten im Juni und Juli, und am höchsten im November und Dezember. Die Konkurrenz der Margarine müßte sich also besonders in den letzteren Monaten bemerkbar machen. Es ist aber eine Thatsache, daß vor dem Auftreten der Margarine der Unterschied zwischen den Winter⸗ und Sommerpreisen viel geringer war als jetzt unter der Konkurrenz der Margarine. Die Ge

bahnstationen gekauften Butterbroden, die mit Margarine gestrichen waren, ist nicht wahr; es ist von einem Butterbrod nicht so viel Butter abzukratzen, daß man eine Untersuchung damit anstellen kann. Eine Denkschrift, welche dem Reichstag über die Margarinefrage vor⸗ gelegt worden ist, soll von dem bekannten Rechtsanwalt Eschenbach verfaßt sein. Herr Bachem meinte, rosa gefärbte Margarine würde ihm nicht widerstehen. Es kommt aber nicht auf Herrn Bachem an, welcher sein Brot kaum mit rosa gefärbter Margarine streichen wird, sondern es kommt auf die wirklichen Konsumenten welche eine solche Färbung wohl dem Verbot der Margarine gleichkäme. Allerdings Armuth schändet nicht, aber in einer Zeit, wo man die Edelsten der Nation heraushebt aus dem Volke, wo man das Wahlrecht nach dem Geldbeutel zuschneidet, da empfinden es die armen Leute schon sehr schmerzlich, daß ihnen die Margarine in einem besonders gestempelten Papier verkauft wird. Warum wird denn den Butterproduzenten nicht das Färben der Butter verboten, welches in Süddeutschland überhaupt nicht üblich ist? Um dem Absatz der Margarine streng entgegenzutreten, kommt man zum Verbot der Zumischung von Milch, trotzdem dieser Zusatz nothwendig ist und sein Fehlen der Margarine einen schlechten Geschmack giebt. Man will eine strenge Kontrole einführen; man will ver⸗ bieten, daß Margarine mit Butter zusammen verkauft Die Margarinefabrikanten haben ihr Produkt nicht mit Butter gemischt, sondern die Butterhändler sind es ewesen, und trotzdem stellt man die Fabrikanten den Perbrechern gleich. Es wäre besser, nicht über die Feig⸗ heit des Bürgerthums zu schelten, sondern Gesetze zu unterlassen, welche das Selbstbewußtsein des Bürgerthums untergraben müssen. Man will den Gastwirthen vorschreiben, daß sie die Verwendung von Margarine anzeigen. Was würde das für Zustände geben? Für die zweckmäßige Untersuchung des gesammten Lebensmittelmarktes sollten zahlreiche Untersuchungsämter eingerichtet werden, dadurch wird die Fälschung am leichtesten verhindert. Wir werden niemals einem Gesetz unsere Zustimmung geben, welches den Verkehr mit einem nothwendigen Ernährungsmittel behindert.

Bei Schluß des Blattes spricht der preußische Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein.

Kunst und Wissenschaft.

Im Verein für Deutsches Kunstgewerbe wird am Mittwoch Herr A. Waag, Direktor der Kunstgewerbeschule in Pforzheim, einen Vortrag hälten über den heutigen Stand der Pforz⸗ heimer Edelmetall⸗Industrie, die Pforzheimer Kunstgewerbeschule und den dortigen Kunstgewerbeverein. Die Sitzung findet im großen

Saale des Architektenhauses, Abends 8 ½ Uhr, statt.

Die „Académie des sciences morales“ in Paris hat, wie „W. T. B.“ meldet, den Professor W. Wundt in Leipzig zum korrespondierenden Mitglied gewählt.

sperrungs⸗ Maßregeln.

Spanien.

Infolge einiger in der spanischen Besitzung Ceuta an der nord⸗ afrikanischen Küste vorgekommenen choleraverdächtigen Fälle sind durch einen am 4. d. M. an die Gouverneure in Huelva, Cädiz, Mälaga und Barcelona ergangenen Runderlaß des spanischen Ministeriums des Innern gegenüber den Herkünften aus Ceuta sowie aus den marokkanischen Hafenplätzen, gegen welche keine spezielle spanische Quarantänemaßregeln in Kraft sind, die folgenden sanitätspolizeilichen Maßnahmen angeordnet worden: b

1) energische Desinfektion der in Art. 41 des Sanitätsgesetzes vom 28. November 1855 näher bestimmten Waaren, und der ebenda bezeichneten Kleidungsstücke und Effekten; 1

Der Artikel 41 des Sanitätsgesetzes führt an:

Leibwäsche der Schiffsbesatzung und Passagiere, Pelzwerk nd Felle, Federn, Wolle und andere Thierhaare, Seide, Baum⸗ olle, Lumpen, Papier und lebende Thiere);

2) strenge ärztliche Untersuchung der an Bord befindlichen Per⸗ onen;

3) siebentägige medizinalpoli/ iliche Ueberwachung dieser Personen nach der Ausschiffung, und Isolierung derjenigen, bei denen sich ver⸗ dächtige Symptome von ansteckenden Krankheiten zeigen; 1

4) absolutes Einfuhrverbot für Lum gebrauchte Leibwäsche und ungegerbte Fälle. 8* 8 1“ 1 98 1“ 8 Handel und Gewerbe.

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten 2 d

8 Schlachtviehmarkt vom 11. Januar 1896. Auftrieb und Markt⸗

preise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 4550 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) I. Qualität 114 120 ℳ, II. Qualität 100 110 ℳ, III. Qualität 90 96 ℳ, IV. Qualität 80 88 Schweine. Auftrieb 11 063 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 90 ℳ, Landschweine: a. gute 84 88 ℳ., b. geringere 78 82 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— ℳ, bei 20 % Tara. Bakonver —,— bei Tara pro Stück. Kälber. Auftrieb 1132 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,20 1,28 ℳ, II. Qualität 1,10 1,18 ℳ, III. Qualität 1,00 1,08 Schafe. Auftrieb 9414 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 0,92 1,04 ℳ, II. Qualität 0,84 0,88 ℳ, III. Qualität —,—

„Die Einnahmen der Lübeck⸗Büchener Eisenbahn betrugen im Dezember 1895 nach vorläufiger Feststellung 384 592 gegen 407 852 im Dezember 1894, mithin weniger 23 260 Die Gesammteinnahmen vom 1. Januar bis Ende Dezember 1895 be⸗ trugen nach vorläufiger Feststellung 5 307 123 gegen 5 040 736 im gleichen Zeitraum des Vorjahres, mithin mehr 266 387

Breslau, 11. Januar. (W. T. B.) Getreide⸗ und

roduktenmarkt. Spiritus pr. 100 1 100 % exkl. 50 Ver⸗

rrauchsabgaben pr. Januar 49,50, do. do. 70 Verbrauchsabgaben pr. Januar 30,00.

Magdeburg, 11. Januar. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl., von 92 % 11,35 11,50, neue —,—, Kornzucker exkl. 88 % Rendement 10,75 11,00, neue Nachprodukte exkl., 75 % Rendement 7,70 8,70. Ruhig. Brotraffinade I 23,25. Brotraffinade I1I1 23,00. Gem. Raffinade mit Faß 23,25 23,50. Gem. Melis 1 mit Faß 22,50. Ruhig. Roh⸗ zucker I. Produkt Trans. f. a. B. Hamburg pr. Januar 10,80 Gd., 10,85 Br., pr. Februar 10,90 bez., 10,92 ½ Br., pr. März 10,97 Gd., 11028 Br., pr. April 11,05 Gd., 11,10 Br, pr. Oktober⸗ Dezember 10,72 ½ Gd., 10,77 ½ Br. Still 3 8

öffentlichter Kaiserlicher Ukas bestimmt, da

chichte von den auf Eisen⸗

„Egmont“ sein Gastspiel fort.

Leipzig, 11. Januar. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel: La Plata. Grundmuster B. pr. Januar 3,15 ℳ, pr. Februar 3,15 ℳ, pr. März 3,17 ½ ℳ, pr. April 3,17 ½ ℳ, pr. Mai 3,20 ℳ, pr. Juni 3,22 ½ ℳ, pr. Juli 3,25 ℳ, pr. August 3,25 ℳ, pr. September 3,27 ½ ℳ, pr. Oktober 3,30 ℳ, pr. November 3,30 ℳ, pr. Dezember 3,30 Umsatz 15 000 kg. Fest.

Mannheim, 11. Januar. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen pr. März 15,30, pr. Mai 15,10 oggen pr. März 12,70, pr. Mai 12,70. Hafer pr. März 12,40, pr. Mai 12,40. Mais pr. März 9,90, pr. Mai 9,90.

(W. T. B.) Ein heute ver⸗

St. Petersburg, 13. Januar. zur Erhöhung des

Umwechselungsfonds, der die umlaufenden Kreditbillets permanenter Emission sicherstellt, aus dem Gold, welches der Reichsrentei gehört, 59 Millionen Rubel nominel diesem Fonds übergeben werden 5 die unverzinste Schuld der Reichsrentei für Kreditbillet um die gleiche Summe verringert werden. 11“

Die „Zeitschrift für Kleinbahnen“, welche im Ministerium der öffentlichen Arbeiten (Verlag von Julius Springer in Berlin N.) herausgegeben wird, hat in dem ersten Heft des dritten Jahrgangs vom Januar 1896 folgenden Inhalt: Die Kleinbahnen in Preußen. Die Londoner Zentralbahn. Mit 1 Plan und 1 Abbildung. Gesetzgebung: Preußen: Allerhoͤchster Erlaß vom 18. November 1895, betr. die Verleihung des Enteignungsrechts an den Kreis Rosenberg zum Bau und Betrieb einer Kleinbahn vom Bahnhof Rosenberg O.⸗S. nach Landsberg O.⸗S. Allerhöchster Erlaß vom 27. No⸗ vember 1895, betr. die Verleihung des Enteignungsrechts an den Kreis Gummersbach zum Bau einer Kleinbahn von Engelskirchen nach Marienheide. Allerhöchster Erlaß vom 2. Dezember 1895, betr. die Verleihung des Enteignungsrechts an die Bösner zum Bau einer Kleinbahn von Rasselstein nach Augustenthal. Kleine Mittheilungen: Neuere Projekte, Vorarbeiten, Konzessions⸗ ertheilungen und Betriebseröffnungen von Kleinbahnen. Elektrische Bahn für die Berliner Gewerbe⸗Ausstellung 1896. Bericht der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft in Berlin. Elektrische Straßenbahnen in Dresden. Die Kleinbahnfrage in Eng⸗ kand. Elektrische Straßenbahn in Genua. Fraustadt⸗Züllichauer Eisenbahn. Bücherschau: Haarmann, A., Die Kleinbahnen. Ver⸗ zeichniß der bei der Redaktion eingelaufenen Bücher. Zeitschriften⸗ schau. Mittheilungen des Vereins Deutscher Straßenbahn⸗ und Kleinbahn⸗Verwaltungen: Was wir wollen. Mitgliederverzeichniß des Vereins Deutscher Straßenbahn⸗ und Kleinbahn⸗Verwaltungen. Ueber die Untersuchung der Fahrpläne auf ihre Zweckmäßigkeit. Mit 2 Dia⸗ rammen. ittheilungen über den elektrischen Straßenbahnbetrieb in München. Mechanischer Schienenreiniger der Straßeneisenbahn⸗ Gesellschaft in Hamburg. Mit 2 Abbildungen. Das preußische Eisenbahngesetz vom 3. November 1838 und die Kleinbahnen. Be⸗ triebsergebnisse. .

Kattowitz, 12. Januar. (W. T. B.) Amtlich wird bekannt gemacht: Der Gesammtverkehr auf der Strecke KRatibor —-Troppau ist wieder aufgenommen.

Husum, 13. Januar. (W. T. B.) Amtlich wird bekannt ge⸗ macht: Die Dampfschiffahrten zwischen Hoyerschleuse und Sylt sind am 12. d. M. wieder planmäßig aufgenommen.

Bremen, 11. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Werra“' ist am 9. Januar Nachts in New⸗

VYork angekommen. Der Schnelldampfer „Aller“ hat am 9. Januar

Morgens Lizard passiert. Der Postdampfer „Mark“ hat am 9. Ja⸗ nuar Mittags St. Vincent passiert. Der Postdampfer „Braun⸗ schweig“ ist am 10. Januar Morgens auf der Weser angekommen.

12. Januar. (W. T. B.) Der Dampfer „Falkenburg“ ist am 10. Januar von Santos nach Bahia abgegangen. Der Postdampfer „Weimar“ ist am 9. Januar Mittags in New⸗ Vork angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Baiern“ ist am 11. Januar Vormittags in Neapel angekommen. Der Reichs⸗Post⸗ dampfer „Karlsruhe“ ist am 11. Januar Vormittags in Singa⸗ pore angekommen. Der Postdampfer „München“ ist am 11. Ja⸗ nuar Morgens in Baltimore angekommen. Der Postdampfer „Hohenstaufen“ ist am 11. Januar Nachmittags in Antwerpen angekommen. Der Postdampfer „Kronprinz Friedrich Wil⸗ ist am 11. Januar Nachmittags in Antwerpen ange⸗ ommen.

Zara, 11. Januar. (W. T. B.) Seit zwei Tagen wüthet ein E“ zahlreiche fällige Dampfer sind nicht ein⸗ getroffen.

London, 11. Januar. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Grantully Castle“ ist auf der Ausreise heute in Durban Hac angekommen. Der Castle⸗Dampfer „Warwick Castle“

at auf der Ausreise heute die Canarischen Inseln passiert.

Theater nud Mufik.

Kdoöonigliches Schauspielhaus. 8 Haase setzte gestern als Herzog Alba in Goethe Maske und Spiel waren vortreff⸗ lich und der Vergleich mit der Kreuzspinne, den Vansen anstellt, bei der charakteristischen Erscheinung des Gastes, dem die wirksame Scene der Verhaftung Egmont's rauschenden Beifall und mehrmaligen Hervorruf eintrug, thatsächlich zutreffkend. Den Egmont spielte Herr Matkowsky in seiner bekannten, gewinnenden und temperamentvollen Art, und Frau von Hochenburger verlieh dem Clärchen den poetischen Zauber, ohne welchen diese Gestalt nicht denkbar ist. Herr Purschian zählt den schwierigen und undankbaren Part des Bracken 877 zu seinen besten Rollen. Auch die Herren Ludwig (Oranien) und Kahle (Vansen) sowie die übrigen Mitwirkenden waren bestens am Platze. Beethoven's schöne begleitende Musik erhöhte unter Dr. Muck's vortreffliche Leitung die Stimmung wesentlich.

Neues Theater.

Wit ven nenes ebg, Bisson und Fabrice Carée erschien zugleich am Sonnabend ein in Berlin nicht unbekannter Wiener Gast, Herr Franz Tewele, der Bühne des Neuen Theaters. Der Beifall des Publikums be dieser Aufführung ist mehr Herrn Tewele als dem Stück selbst zuzu⸗ schreiben; denn dies neueste, aus Frankreich eingeführte Bühnenwerk leichteren Genres vermochte nur selten jene spontane Heiterkeit zu wecken, welche diese Gattung von Theaterstücken allein zum Dasein berechtigt. Die Exposition des neuen Luftspiels ist zu breit angelegt; der ganze erste Akt wird ausgefüllt mit der Entwicklung des Grundgedankens der Handlung, in welcher ein Di⸗ rektor de la Mare durch die listige Vermittlung einer schönen Schwägerin veranlaßt wird, gegen seine Gewohnheit einen streng moralischen, jeder Protektion feindlich gesinnten jungen Be⸗ amten zum Unterpräfekten zu ernennen; der Herr Direktor selbst geräth in die Fallstricke dieser Frau. Im zweiten Akte erst wird die Verwicklung langsam eingefädelt, und das in den französischen Lustspielen und Schwänken unentbehrliche Quidproquo beginnt seinen tollen Tanz erst im letzten Aufzuge, als die Handlung sich schon ihrem Ende naht. Die Verfasser haben übrigens von vornherein das Hauptgewicht weniger auf die Handlung selbt als auf die humoristische Schilderung einer bestimmten Gesellschaftsklasse, hier der Beamtenwelt, elegt. Aber die Ausfälle und Seitenhiebe auf die Gewohn⸗ heiten und Eigenthümlichkeiten der Beamten passen nicht recht auf deutsche Verhältnisse, sind auch nicht hinreichend mit gemüthvoller Laune getränkt oder mit Witz und Ironie durchsetzt, um bei dem deutschen Publikum eine herzhafte Heiterkeit wecken zu können. Diese hatte fast immer einen etwas frostigen Beigeschmack, den auch Herrn Tewele's gewandte Leistung nicht ganz zu bannen ver⸗ mochte. Der Darsteller hat jede Nüance seines Spiels wohl durch⸗ dacht, aber man merkte diese kluge Ueberlegung und vermißte manchmal herzhaftes natürliches Zugreifen in der Charakteristik. Herr Pagav charakterisierte einen alten Hagestolz sehr fein, und Herr Kraus

wirkte komisch in der Rolle des sittenstrengen Dieners Hunel. Eine erfrischende Leistung bot Fräulein Gabri in der Episodenrolle der in ihrer Liebe gekränkten Dienstmagd Adele. Frau Carlsen ist trotz aller Bemühungen in ihrem innersten Wesen zu vornehm für eine koemische, kartenschlagende Schwiegermutter.

1 Konzerte.

Das zweite Orgel⸗Konzert des Herrn Dr. H. Reimann, das am Sonnabend in der Kaiser Wilhelm⸗Gedächtnißkirche unter Mitwirkung der Frau Amalie Joachim und der neu gebildeten Konzertvereinigung der Mitglieder des Königlichen Domchors stattfand, war zahlreich besucht. Eröffnet wurde das Konzert durch Mendelssohn's Orgel⸗Sonate in A-dur über den Choral „Aus tiefer Noth“, die von Dr. Reimann trefflich vorgetragen wurde. Der Chor führte hierauf zwei alt⸗ italienische geistliche Gesänge von Ludovico da Bittoria und Antonio Lotti aus, in deren Wiedergabe besonders die volltönigen Bässe mächtig wirkten; dies war auch in zwei anderen Chorgesängen von Wilsing und A. Becker der Fall. Frau Joachim trug zwei Arien von Sebastian Bach vor, von denen ihr die zweite „Bist Du bei mir“ am besten gelang. Zwischen diesen Chor⸗ und Sologesängen ertönten wieder die Klänge der Orgel, die vermöge der vortrefflichen Akustik der Kirche einen er⸗ hebenden Eindruck hervorriefen. Zwei Weihnachtslieder von Cornelius, welche Frau Joachim vortrug, und eine Orgel⸗Sonate von J. Reubke machten den Beschluß. Dem Konzert wohnten Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin bei. Der hoffentlich reiche Ertrag desselben ist zu Gunsten des Baufonds der Kirche bestimmt. 1“

Im Saal Bechstein ließ sich am Donnerstag der Violinvirtuos Leopold Przemysler aus Warschau hören, der, obgleich noch im Knabenalter stehend, die denkbar schwierigsten Piècen für sein Programm gewählt hatte. In der That spielte der kleine Violinift das bekannte G-moll-⸗Konzert (Nr. 1) von M. Bruch mit erstaunlicher Sicherheit und fast völliger Reinheit selbst in den schwierigen mehrstimmigen Sätzen. Für Bach's Ciaconna reichten meteles die Kraft und das Verständniß des Knaben nicht ganz aus. Immerhin blieb sein Spiel charakteristisch, und der Vortrag bewies Temperament und das Streben nach Klarheit. Daß der jugendliche Künstler auch durch seelenvollen Ton zum Herzen sprechen kann. zeigte er in der „Legende“ von Wieniawski. Fräulein Betsy Schot, eine holländische Sängerin, die durch einige Liedervorträge in dem Konzert mitwirkte, besitzt eine reiche Beanlagung für die Gesangs⸗ kunst. Ihre sympathische, wohlgeschulte Stimme klingt voll, und das schmiegsame Organ vermag allen Seelenstimmungen treffenden Ausdruck zu geben. Die Tonbildung erschien in Ansa und Bindung lobenswerth, auch die Reinheit des Tons fast tadellos. Die Vortragsweise der Sängerin scheint sie auf die ernste Lyrik besonders hinzuweisen; so gelang ihr an diesem Abend die Elegie von Massenet am besten. Für starke dramatische Wirkungen ist die Stimme nicht ausgiebig genug, und für Lieder leichteren Stimmungsgehalts fehlt ihr noch die freie Beweglichkeit und heitere Frische⸗ aber der Gesammterscheinung nach darf von der weiteren der Künstlerin nach allen Richtungen Bedeutendes erhofft werden.

Am Freitag fand im Saal Bechstein ein Konzert des engli⸗ schen Violin⸗Virtuosen Soma Pick⸗Steiner statt. Mit der an diesem Künstler stets gerühmten technischen Sicherheit und eingehenden Vortragsweise spielte derselbe Godard's „romantisches Konzert“, drei kleinere Stücke von Bach, eine Polonaise von Wieniawsky, die beiden Romanzen von Beethoven und schließlich Sarasate's beliebte „Zigeuner⸗ weisen“. Wohlverdienter Beifall folgte allen seinen Vorträgen.

Im r Opernhause gelangt morgen Sullivan's „Ivanhoe“ zur Aufführung. Den Jvanhoe singt Herr Sylva, den Templer Herr Bulß, die Rebekka Fräulein Hiedler, die Rowena Fräulein Weitz. Kapellmeister Dr. Muck dirigiert.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen zur Feier des Jubiläums der 50jährigen Bühnenthätigkeit Friedrich Haase’'s „Der Königslieutenant“ von Gutzkow gegeben. Herr Friedrich Haase nimmt als Graf Thorane Abschied vom Berliner Publikum.

Der am Mittwoch, Mittags 12 bis 1 Uhr, in der Marien⸗ kirche stattfindende Orgelvortrag des Musik⸗Direktors Otto Dienel verspricht ein vollständig neues, der festlichen Stimmung der kommenden Tage entsprechendes Programm. Mitwirkende sind Herr Organist Bernhard Irrgang und die Koloratur⸗Sängerin Frau Laura Rauchstein⸗Schauchmann. Letztere wird „O bätt' ich Jubals Harf'“ und „Dann tönt der Laut' und Harfe Klang“ von Händel singen. Herr Dienel wird Variationen eigener Komposition über „Unsern Kaiser Gott erhalte“ und „Seht, er kommt mit Preis ge⸗ krönt“ von Händel spielen. Der Eintritt ist für Jedermann frei.

Im Musikalienverlag von Raabe und Plothow hierselbst ist ein Lied mit dem Titel „Der deutsche Sang“ 8“ dessen Dichtung und Tonsatz von Dr. Victor von Woikowsky⸗Biedau, außerordentlichem Mitglied des Königlichen Statistischen Bureaus, herrühren. Das Lied wird zum ersten Mal bei der am 18. d. M. in der Philharmonie stattfindenden Gedenkfeier der Neuerrichtung des Deutschen Reichs von der „Berliner Liedertafel“ zu Gehör gebracht werden. Der Reinertrag des Werks (Preis für die Partitur 60 ₰, für einzelne Stimmen 20 ₰) ist zu Gunsten des unter dem Protektorat Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Friedrich von Hohenzollern stehenden „Militär⸗Hilfsvereins“ bestimmt.

Mannigfaltiges.

Die Feierlichkeiten aus Anlaß des 150 jährigen Geburt tags von Johann Heinrich Pestalozzi begannen vorgestern mit einem Festabend in Kroll's Theater. Nach einem von Ernst Wichert gedichteten Prolog, den Paul Pauly wirkungsvoll zum Vor⸗ trag brachte, gelangte das von Paul Risch verfaßte Festspiel „Pestalozzi“ zur Vorstellung. Pestalozzi selbst wurde von Eduard Flügel charakteristisch wiedergegeben; die Rolle des Merki, des Ver⸗ walters auf dem von Pestalozzi aus Oedland begründeten S „Neuhof“, lag in den Händen des Herrn Julius Gladow; Hedwig Albrecht spielte die Frau Sorge, eine Bettlerin, und Martha Drehmann den Genius. Die von Richard Schumacher und Ziegler komponierten Chöre wurden vom Kirchen⸗ und Knabenchor der Dreifaltigkeits⸗Kirche, von dem gemischten Chor des „Geselligen Lehrervereins“ und vom Sängerbund des „Berliner Lehrervereins“ vorgetragen; den instrumentalen Theil brachte die „Neue Symphonie⸗Kapelle“ zu Gehör, während Karl Straube die Orgelbegleitung übernommen hatte. Die zu dem Festspiel gehörigen lebenden Bilder, welche Otto Lehnig mit vielem Geschick arrangiert hatte, stellten dar: „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt-, „Bürgerkrie in Unterwalden“, „Die Schule in Burgdorf“, „Königin Luise liest Pestalozzi's Lienhard und Gertrud““ und „Das deutsche Volk huldigt

estalozzi“. Der dann folgende gesellige Theil des Festabends brachte Chorlieder, vom Sängerbund des Berliner Lehrervereins vorgedes Sologesänge des Konzertsängers Pfiner⸗ gemeinsame Lieder u. dgl. er gestrige Se zu Ehren Pestalozzi's im großen Saale des Rathhauses erhielt durch die Gegenwart Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich eine besondere Weihe. Der Saal, der im hellsten Lichterglanz erstrahlte, war der Bedeutung des Tages entsprechend geschmückt. Eine dichte Laub⸗ und Palmengruppe, aus der die Büste des Gefeierten hervorleuchtete, verdeckte die südliche Schmalwand und das dort befindliche Kongreßbild. Zum Empfang Ihrer Majestät waren erschienen der Minister der geistlichen ꝛc. x D. Dr. Bosse, der Rektor der Universität, Professor Wagner und die beiden Stadt⸗Schulräthe Bertram und Fürstenau. Die Berliner höheren Schulen waren zumeist durch ihre Direktoren vertreten; die Gymnasiallehrer⸗Gesell⸗ schaft, der Gymnasiallehrer⸗Verein, der höhere Töchter chul⸗Verein und die bissigen Volksschullehrer⸗Vereinigungen, sowie der Fröbel⸗Verein, das Pestalozzi⸗Fröbelhaus und der Verein für Schulgeschichte hatten Deputationen entsandt. Der Sängerbund des Berliner Lehrervereins eröffnete den Akt mit Mendelssohn's Hymnus: „Es

strahlen hell die Gerechten“. Dann betrat Professor Dr.