1896 / 14 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Die Erlaubniß ist zu versagen, wenn der Nachsuchende den Besitz der zu dem Unternehmen nöthigen Mittel nicht nachzuweisen vermag oder wenn die Behörde auf Grund von Thatsachen die Ueberzeugung gewinnt, daß derselbe die zu dem beabsichtigten Gewerbebetrieb er⸗

orderliche Zuverlässigkeit, insbesondere in sittlicher, artistischer und

finanzieller Hinsicht nicht ii e 8 Der § 33 der Gewerbeordnung erhält als fünften Absatz folgenden

atz: bie Landesregierungen können anordnen, daß die Bestimmungen über den Betrieb der Gast⸗ und Schankwirthschaft sowie über den leinhandel mit Branntwein oder Spiritus auf Konsum⸗ und andere Vereine, einschließlich der bereits bestehenden, auch dann Anwendung finden, wenn der Betrieb auf B der Mitglieder beschränkt ist.

8 rtikel 4.

Der § 35 Abs. 2 der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung: Unter derselben Voraussetzung sind zu untersagen: der Trödel⸗ handel (Handel mit gebrauchten Kleidern, gebrauchten Betten oder ge⸗ brauchter Wäsche, Kleinhandel mit altem Metallgeräth, mit Metall⸗ bruch oder dergleichen) sowie der Kleinhandel mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen, der Kleinhandel mit Bier, der Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen und er Handel mit solchen Droguen und chemischen Präparaten, welche

u Heilzwecken dienen. Artikel 5.

Zwischen dem dritten und vierten Absatz des § 35 der Gewerbe⸗

ordnung wird folgender neuer Absatz eingeschaltet: 8

Ist die Untersagung erfolgt, so kann die Landes⸗Zentralbehörde der eine andere von ihr zu bestimmende Behörde die Wiederauf⸗ ahme des Gewerbebetriebs gestatten, sofern seit der Untersagung indestens ein Jahr verflossen ist.

Artikel 6.

Der § 41 a Absatz 1 erhält folgenden Zusatz: 1

Diese Bestimmung findet auf den Geschäftsbetrieb id anderen Vereinen entsprechende Anwendung.

Artikel 7.

Im § 42b der Gewerbeordnung wird die Einleitung wie folgt bgeändert.

3 Durch die höhere Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Ge⸗ eindebehörde oder durch Beschluß der Gemeindebehörde mit Ge⸗ ehmigung der höheren Verwaltungsbehörde kann für u. s. w.

Der Schlußsatz des ersten Absatzes erhält folgende Fassung:

Diese Bestimmung kann auf einzelne Theile des Gemeindebezirks owie auf gewisse Gattungen von Waaren und Leistungen beschränkt

werden.

Im ersten Satze des Abs. 3 werden die Worte ‚„auch wenn die⸗

fesben nicht zu den selbstgewonnenen oder selbstverfertigten gehören“

gestrichen.

8 Im zweiten Satze desselben Absatzes werden zwischen dem Worte beschränkt“ und dem Worte „werden“ die Worte „und gemäß § 60 b bsatz 3 verboten“ eingeschaltet.

Artikel 8.

Der § 44 Absatz 3 der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung: Das Aufkaufen darf ferner nur bei Kaufleuten oder solchen Per⸗ sonen, welche die Waaren produzieren, oder in offenen Verkaufsstellen erfolgen. Ingleichen darf das Aufsuchen von Bestellungen auf Waaren, weit nicht der Bundesrath für bestimmte Waaren Ausnahmen zu⸗ ßt, nur bei Kaufleuten oder solchen Personen geschehen, in deren ewerbebetriebe Waaren der Art Verwendung finden. ikel 9. Im § 44a Absatz 1 der Gewerbeordnung werden die Worte

Absatz 1 und 2“ gestrichen. Artikel 10.

Dem Absatz 3 des § 53 der Gewerbeordnung wird als zweiter Satz hinzugefügt: .

Ist die Untersagung erfolgt, so kann die Landes⸗Zentralbehörde oder eine andere von ihr zu bestimmende Behörde die Wiederaufnahme des Gewerbebetriebs gestatten, sofern seit der Untersagung mindestens

ein Jahr verflossen ist. Artikel 11.

„Im § 56 der Gewerbeordnung werden im Absatz 2 hinter Ziffer 9 folgende Bestimmungen als Ziffer 10 und 11 hinzugefügt:

10) Bäume aller Art, Sträucher, Sämereien und Blumen⸗ zwiebeln, Schnitt⸗ und Wurzel⸗Reben und Futtermittel;

11) Schmucksachen, Bijouterien, Brillen und optische Instrumente.

Der dritte Absatz erhält folgende Bestimmung:

Ausgeschlossen vom Feilbieten und Aufsuchen von Bestellungen im Umherziehen sind ferner:

.12) Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, insofern sie

in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben geeignet

sind, oder mittels Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben

werden, oder in Lieferungen erscheinen, wenn nicht die Zahl der

Lieferungen des Werks und dessen Gesammtpreis auf jeder einzelnen

Lieferung an einer in die Augen Stelle bestimmt verzeichnet ist. rtikel 12.

Der § 56 b der Gewerbeordnung wird folgendermaßen abgeändert:

1), Der Absatz 1 erhält den Zusatz:

Die gleiche Befugniß steht den Landesregierungen für ihr Gebiet oder Theile desselben hinsichtlich der im § 56 Absatz 2 Ziffer 10 be⸗ zeichneten Gegenstände zu.

2) Der Absatz 3 erhält die Fassung:

Durch die Landesregierungen kann das Umherziehen mit Zucht⸗ henagsten zur Deckung von Stuten, sowie auf bestimmte Dauer der Handel mit Schweinen, Ziegen oder Geflügel im Umherziehen unter⸗ sagt oder Beschränkungen unterworfen werden.

Artikel 13. Im § 57 Ziffer 3 der Gewerbeordnung sind nach dem Worte Menschen“ die Worte einzuschalten: wegen Land⸗ oder Hausfriedensbruchs, wegen Widerstands gegen di Staatsgewalt. 8 Artikel 14.

Ziffer 1 des § 57 a der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung: 1) wenn der Nachsuchende das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch icht vollendet hat. Artikel 15.

Ziffer 2 des § 57 b der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung:

2) wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen

as Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf

as Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen Land⸗ oder Haus⸗

iedensbruchs, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, wegen

orsätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote

oder Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung

ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von

indestens einer Woche verurtheilt ist, und seit der Verbüßung der Strafe fünf Jahre noch nicht verflossen sind.

Artikel 16

Dem § 60 b der Gewerbeordnung ist als Absatz 3 folgender g hinzuzufügen: „Das Feilbieten der im § 59 Ziffer 1 und 2 bezeichneten Gegen⸗ ände durch schulpflichtige Kinder kann von der Orts⸗Polizeibehörde

eerboten werden. Artikel 17.

§ 105 b erhält als Absatz 3 folgenden Zusatz: 2 . Die Bestimmungen des Absatzes 2 finden auf die Beschäftigung on Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern im Geschäftsbetrieb von onsum⸗ und anderen Anwendung. rtikel 18. Die Ziffern 2a und 7b des § 148 Abs. 1 der Gewerbeordnung rhalten folgende Fassung: 7a. wer dem § 56 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1 bis 5, 7 bis 11, Abs. 3, § 56 a oder § 56b zuwiderhandelt; 1 7 b. wer den Vorschriften der §§ 56, 60a, 60 b Abs. 2 und 3 oder 60 c Abs. 2 und 3 zuwiderhandelt. Artikel 19.

n Konsum⸗

ertheilte Erlaubniß gilt nur für das beim Inkrafttreten dieses Gesetzes betriebene Unternehmen. b Artikel 20.

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1897 in Kraft.

Die allgemeine Begründung lautet:

1) Das Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883 (Reichs Gesetzbl. S. 159), hat den Gewerbebetrieb im Umberziehen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, Sittlichkeit, Gesundheitspflege und Ordnung neu geregelt. Die Klagen und Be⸗ schwerden über diese Form des Gewerbebetriebes sind indessen nicht verstummt. Vielmehr ist insbesondere aus den Kreisen der seß⸗ haften Gewerbtreibenden fortgesegt das Verlangen nach einer weiteren Verschärfung der das Wandergewerbe betreffenden Bestim⸗ mungen des Titels III der Gewerbeordnung laut geworden.

n den Reichskanzler, den Bundesrath und den Reichstag sind zahlreiche Petitionen gerichtet worden, welche auf die Beschränkung oder das Verbot des Wandergewerbebetriebes abzielen. Die Petitions⸗ kommission des Reichstags hat wiederholt über solche Eingaben ver⸗ handelt und befürwortet die Gesuche dem Reichskanzler zur Erwä⸗ gung zu überweisen. Im Jahre 1892 hat die Königlich bayerische

egierung einen auf wesentliche Einschränkung des Hausier⸗ gewerbes gerichteten Antrag beim Bundesrath eingebracht. Der Reichstag hat sich zunächst in seinen Sitzungen vom 9. Dezember 1892 und 1. Februar 1893 mit dem Gegenstand beschäftigt und einen von den Abgeordneten Gröber, Hitze und Genossen eingebrachten Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der einschlägigen Bestim⸗ mungen der Gewerbeordnung, einer Kommission überwiesen. Dieselbe hat Bericht erstattet, doch ist derselbe im Plenum nicht mehr zur Verhandlung gekommen. 8

Unter dem 5. Januar 1895 ist dann dem Reichstag der vom Bundesrath beschlossene Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ab⸗ aͤnderung der Gewerbeordnung, vorgelegt worden. Der Reichstag verwies diesen Entwurf in Verbindung mit dem wieder eingebrachten Gesetzentwurf der Abgg. Gröber, Hihe und Genossen an eine Kom⸗ mission, welche die Entwürfe eingehend geprüft und über das Er⸗ gebniß ihrer Berathungen berichtet hat. Im Plenum ist jedoch diese Angelegenheit auch damals nicht mehr zur Erledigung gekommen.

Durch den gegenwärtigen Entwurf wird die Vorlage vom 5. Ja⸗ nuar 1895 im wesentlichen wieder aufgenommen. Bei einer Reihe von Aenderungen und Ergänzungen sind die von der Reichstags⸗Kom⸗ mission gefaßten Beschlüsse berücksichtigt worden. 8

Auch in dem neuen Entwurf wird eine so weitgehende Beschrän⸗ kung des Wandergewerbes, wie sie die Gesetzesvorschläge der Abgg. Gröber, Hitze und Genossen erstrebten, nicht beabsichtigt. Die diesen Vorschlägen zu Grunde liegende Annahme, daß eine wesentliche Ursache für die ungünstige Lage der seßhaften Gewerbtreibenden an kleinen Orten in der erheblichen Zunahme des Wettbewerbs der Hausirer zu erblicken sei, erweist sich nach der Statistik über die Zahl der in neuerer Zeit zugelassenen Wandergewerbtreibenden nicht als zutreffend. Vielmehr wird der wahre Grund für die ungünstige Geschäftslage und die Verringerung des Absatzes, über welche jene seßhaften Gewerb⸗ treibenden vielfach klagen, in anderen Veränderungen des wirthschaft⸗ lichen Lebens gesucht werden müssen. Es mag beispielsweise auf die Wahrnehmung hingewiesen werden, daß weite Kreise der Bevölkerung bei ihren Einkäufen und Bestellungen sich nicht mehr an die Gewerb⸗ treibenden ihres Wohnorts zu wenden pflegen, sondern sich daran gewöhnt haben, ihren Bedarf aus Waarenhäusern und Versandgeschäften der großen Städte oder direkt von den Produzenten zu beziehen. Zu Gunsten dieser Erklärung spricht die aus der beigefügten statistischen Uebersicht sich ergebende Thatsache, daß während der Jahre 1884—1889 die im Deutschen Reich ertheilten Wandergewerbescheine nur eine der natürlichen Vermehrung der Bevölkerung entsprechende Zunahme er⸗ fahren haben, während in den folgenden vier Jahren die Zahl jener Scheine zurückgegangen oder unverändert geblieben ist. Einigen Bundesstaaten, bei welchen sich eine größere Zunahme zeigt, stehen andere Staaten gegenüber, bei welchen eine beträchtliche positive Ab⸗ nahme erfolgte. 1

Es darf hier darauf hingewiesen werden. daß bereits die Landes⸗ gesetzgebung 1 die Regelung der gewerblichen Besteuerung die Konkurrenz der Hausierer mit den seßhaften Gewerbtreibenden zu Gunsten der letzteren beeinflußt. Eine solche Einwirkung hat in einzelnen Bundesstaaten durch eine Erhöhung der Hausiersteuer statt⸗ gefunden. In Preußen ist ein gleiches Ergebniß darurch erreicht worden, daß stehende Gewerbe kleineren Umfangs von der Gewerbe⸗ steuer befreit und auf diese Weise die Konkurrenzbedingungen für das Hausiergewerbe erschwert worden sind. 86

Unter diesen Umständen ist davon abgesehen, die einschlägigen Be⸗ stimmungen der Gewerbeordnung einer wesentlichen Umgestaltung zu unterziehen; es kann vielmehr als ausreichend betrachtet werden, auf dem durch die Novelle vom 1. Juli 1883 verfolgten Wege fort⸗ schreitend, dem Betriebe im Umberziehen noch weitere Beschränkungen aufzuerlegen, um bemerkbar gewordene Auswüchse zu beseitigen und die Fernhaltung ungeeigneter Elemente von dieser Geschäftsform in höherem Maße zu sichern. Zu diesem Zweck wird sowohl die Zahl der vom Vertriebe im Umherziehen ausgeschlossenen Gegenstände ver⸗ mehrt, als auch der Kreis von Personen. welchen der Wandergewerbe⸗ schein nicht versagt werden darf, beschränkt werden können.

2) Nach der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 fanden die für den Gewerbebetrieb im Umherziehen geltenden persönlichen und sachlichen Beschränkungen auf diejenigen Gewerbtreibenden keine An⸗ wendung, welche am Wohnort oder am Sitz ihrer gewerblichen Nieder⸗ lassung von Haus zu Haus oder an öffentlichen Orten hausieren. Dieser Zustand hat schon durch die Novelle vom 1. Juli 1883 mit Rücksicht auf die praktischen Bedürfnisse Aenderungen erfahren, durch welche die Möglichkeit geschaffen wurde, in einzelnen Gemeinden den hausiermäßigen Gewerbebetrieb Einheimischer von einer polizeilichen Erlaubniß abhängig zu machen. Die hierüber ergangenen Vorschriften zeigen aber nach den gemachten Erfahrungen verschiedene Mängel, welche abzustellen sein werden.

3) Die in der Gewerbeor nung gezogene Grenze zwischen dem stehenden Gewerbe und dem Wandergewerbe bedarf hinsichtlich des Geschäftsbetriebs der Handlungsreisenden einer Berichtigung.

Dieser letztere, dem stehenden Gewerbe zugerechnete Betrieb hat großentheils eine Form angenommen, welche sich von dem Hausier⸗ betrieb kaum noch unterscheidet. Zahlreiche Handlungsreisende be⸗ schränken sich bei dem Aufsuchen von Waarenbestellungen nicht auf Kaufleute oder Personen, welche die Waaren in ihrem Gewerbe gebrauchen, sondern wenden sich an das große Publikum. Es erscheint nicht gerechtfertigt, solchen „Detail⸗ reisenden“', welche auf den rwerb von Privatkundschaft ausgehen, gesetzlich eine andere Stellung einzuräumen als den Hau⸗ Mit Rücksicht hierauf enthielt schon der dem Reichstag im

ahre 1882 vorgelegte Entwurf einer Gewerbeordnungs⸗Novelle eine Bestimmung, nach welcher der Geschäftsbetrieh der Detailreisenden den Bersaiften des Titels III der Gewerbeordnung unterstellt werden sollte. Dieser Vorschlag fand indessen nicht die Zustimmung des Reichstags. ie verbündeten Fs haben, wie wiederholt im Reichstag zur Sprache gekommen st, ihre damals zum Ausdruck gebrachte Ansicht nicht geändert. Sie sind in derselben durch die weiteren Wahrnehmungen über den Geschäftsverkehr der Detailreisenden nur bestärkt worden. Daß weite Kreise der Bevölkerung gleicher Ansicht sind, ist aus zahlreichen Peti⸗ tionen und aus Berichten von Handels⸗ und Gewerbekammern ersicht⸗ lich. Auch der von den Abg. Gröber, Hitze und Genossen im Reichstag eingebrachte Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Gewerbe⸗ ordnung, hatte eine entsprechende Bestimmung vorgesehen. Hiernach ist der frühere Gesetzesvorschlag wieder aufgenommen.

4) Mit Rücksicht auf die Unzuträglichkeiten, welche sich erfahrungs⸗ mäßig aus der örtlichen Lage von Privat⸗Kranken⸗, Privat⸗Ent⸗ bindungs⸗ und Pripat⸗Irrenanstalten für deren Nachbarschaft ergeben können, ist eine Ergänzung der im § 30 der Gewerbeordnung ent⸗ haltenen Bestimmungen über die Konzessionierung solcher Anstalten erforderlich.

Die Schauspielunternehmern zum Betrieb ihres Gewerbes bisher

5) Angesichts der schweren Schädigungen, welche bei dem häufigen

Zusammenbruch von Theaterunternehmungen für die mit den Unter⸗ nebmern in Beziehung stehenden Personen erwachsen erscheint es geboten, eine größere Gewähr für die finanzielle Zuver⸗ lässigkeit der Schauspielunkernehmer zu schaffen. Zu diesem Zwech sind die Bestimmungen des § 32 der Gewerbeordnung abzuändern.

6) Der unter dem 15. Januar 1892 dem Reichstage vorgelegte aber nicht zur Beschlußfassung gelangte Gesetzentwurf, betreffend die Bekämpfung der Trunksucht ermächtigte in § 21 ie Landesregierungen zu der Anordnung, daß die Bestimmungen der Gewerbeordnung über den Betrieb der Gast⸗ und Schankwirthschaft, sowie über den Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus auf Konsum⸗ und andere Vereine auch dann anzuwenden seien, wenn der Be⸗ trieb sich auf den Kreis der Mitglieder beschränkt. Die Ver. hältnisse, welche zu diesem Vorschlage geführt haben, bestehen in un⸗ geschwächtem, wenn nicht verstärktem Maße fort. Wie der von den Abgg. Gröber, Hitze und Genossen eingebrachte Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Abänderung der Gewerbeordnung, beweist, hat das Be⸗ dürfniß nach einer entsprechenden Ergänzung des geltenden Rechts auch innerhalb des Reichstags Anerkennung gefunden. Durch Erweiterung des § 33 der Gewerbeordnung wird hier Abhilfe zu schaffen sein.

7) Im § 35 der Gewerbeordnung werden verschiedene Gewerbe⸗ betriebe aufgeführt, von deren Eröffnung eine besondere Anzeige zu machen und deren Ausübung durch die Behörde zu untersagen ist, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerb. treibenden in Bezug auf den fraglichen Gewerbebetrieb darthun. Es ist das eie hervorgetreten, die Geltung dieser Bestimmungen auf den Kleinhandel mit Bier, sowie ferner auf den Handel mit ge⸗ wissen Droguen und chemischen Prävaraten auszudehnen.

8) Bei der Handhabung des § 35 der Gewerbeordnung hat sich in einzelnen Bundesstaaten, namentlich in Preußen, mit Rücksicht auf die Art des Verfahrens, in dem nach Lage der Landesgesceang de Untersagung des Gewerbebetriebs zu erfolgen hat, der Mißstand fül bar gemacht, daß Gewerbtreibenden, denen die Ausübung des Gewerb⸗ betriebs untersagt worden ist, späterhin die Wiederaufnahme einen gleichen Gewerbebetriebs nicht gestattet werden darf. Hier ist einme Lücke im Gesetz vorhanden, auf deren Ausfüllung Bedacht zu nehmen ist.

9) Angesichts der für die Gewerbebetriebe erlassenen Vorschriften der Gewerbeordnung über die Sonntagsruhe würde es eine uugerecht⸗ fertigte Bevorzugung der Konsumvereine und anderer Vereine sein, wenn deren Geschäftsbetrieb, von etwaigen besonderen landesrechtlichen Bestimmungen abgesehen, an Sonn⸗ und Festtagen un⸗ eingeschränkt gestattet wäre. In mehreren Bundesstaaten, insbesondere auch in Preußen sind zwar die Verwaltungs⸗ behörden bisber von der Annahme ausgegangen, daß die §§ 41a und 105 b Abs. 2 der Gewerbeordnung auch auf den Geschäfts⸗ betrieb der erwähnten Vereine Anwendung finden. Da indessen diese Auslegung gegenüber der jetzigen Fassung des Gesetzes nicht völlig bedenkenfrei ist und Zweifel darüber aufgetaucht sind, ob sich ihr die Rechtsprechung in Strafsachen anschließen werde, empfiehlt sich eine Klarstellung im Sinne der zu den §§ 41 a und 105 b vorgeschlagenen

Ergänzungen.

Literatur. 8

„Wie das Deutsche Reich geworden ist. 1848—1871.“ Ein Gedenkbuch, dem deutschen Volke dargebracht zur 25jährigen Wieder⸗ kehr der Gründung des Reichs von Hermann von Petersdorff. 264 Seiten. Mit ca. 80 Bildnissen und Ansichten. Perlin, Verlags⸗ buchhandlung W. Pauli's Nachfolger (H. Jerosch). Preis 1 Nur wenige der jetzt Lebenden kennen aus eigener Erinnerung die vielen Mühen und Opfer, die es gekostet hat, um an das Ziel zu gelangen, dessen Erreichung die Jubelfeier der nächsten Tage gilt. Es war daher ein glücklicher Gedanke, dem deutschen Volke ein kurz gefaßtes, wahrheitsgetreues Bild davon zu geben, wie das Deutsche Reich ge⸗ worden ist. Der Verfasser hat den volksthümlichen Ton gut getroffen; kurz und kernig ist seine Schreibweise, und überall zeigt sc ein ge⸗ sundes, nationales Empfinden. Er schildert die deutsche Geschichte von 1848—1871 in allen ihren wesentlichen Zügen, im Anschluß an Sybel's umfangreiches Meisterwerk. Sein Buch bildet somit ein Gegenstück zu jeder Geschichte des Krieges von 1870 un 8 Zu der zweiten Auflage der im Verlag von Franz Vahlen, Berlin, erschienenen „Preußischen Grundbuchgesetze mit An⸗ merkungen, Handausgabe zum praktischen Gebrauch“ von C. Mathis, Landgerichts⸗Direktor, liegt jetzt ein 23 Seiten umfassender Nachtrag vor, welcher die seit dem 1. Oktober 1895 für die Kostenb rechnung in Grundbuchsachen geltenden Bestimmungen des preußischen Gerichts⸗ kostengesetzes vom 25. Juni 1895 enthält und von der Verlagsbuch⸗ handlung unentgeltlich bezogen werden kann.

„Staatsbürger⸗Atlas“ nennt sich ein soeben bei Justut Perthes in Gotha erschievenes kleines Taschenbuch, enthaltend 24 Kartenblätter mit über 60 Darstellungen zur Verfassung und Ver⸗ waltung des Deutschen Reichs und der Bundesstaaten sowie erklärenden und ergänzenden Begleitworten. Der Verfasser Paul Langhans (Herausgeber des „Deutschen Kolonial⸗Atlas“ und des „Kleinen Handels⸗Atlas“) hat es verstanden, auf engem Raum, übersichtlich und zu bequemer andhabung, eine Fülle zerstreuten und schwer zugänglichen toffs zusammenzutragen. Der Atlas bieret nicht nur Uebersichten sämmtlicher Behörden (Ver⸗ waltungs⸗, Gerichts⸗, Steuer⸗, Berg⸗, Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗, Militär⸗, Kolonial⸗, Post., Eisenbahn⸗, Reichs⸗ bank., Kirchen⸗ u. a. Behörden), sondern veranschaulicht auch die Ver⸗ theilung der Nationalitäten und Konfessionen, die Zusammensetzung des Reichstags nach der Fraktion, die bis zur Fertigstellung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs noch herrschenden Privatrechtssysteme. sämmt⸗ liche Standorte von Heer und Marine (bis zum einzelnen Bataillon herab), auch in den Schutzgebieten, die Reichsflaggen und die Farben der Bundesstaaten ꝛc. Die sorgfältige und geschmackvolle Ausführung der Kärtchen und Tafeln entspricht dem Rufe des Perthes'schen Kar⸗ tographischen Instituts. Der kleine und doch so reichhaltige und viel⸗ feitig belehrende Taschenatlas erscheint in jeder Hinsicht wohlgeeignet, seine Bestimmung zu erfüllen. 3 8 8

Handel und Gewerbe. 8

Hamburg, 16. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Aufsichtsraths der Waaren⸗Liquidationskasse in Ham⸗ burg wurde die Dioidende für 1895 auf 8 % gegen 6 ½ % im Vor⸗

ggesett. jahre festgesetz (W. T. B.) Wollauktion. Preise

fest, Fehndane, enns holen vauptfächlich begehrt eest, behauptet; feine Wollen hauptsächlich begehrt. 96 % Javazucker 13 stetig, Rüben⸗Rohzucker loko 11 fest. Chile⸗Kupfer 41 ¼, pr. 3 Monat 41 ¼4. b London, 16. Januar. (W. T. B.) Das Dezemberergebniß der Transvaal⸗Goldminen betrug 178 428 Unzen exklusive der Resultate von Chimes und Kleinfontein⸗Minen. Das Totalergebniß vom November betrug 195 218 Unzen. Das Totalergebniß für Dezember 1894 betrug 182 104 Unzen. Total 1895 253 476 Unzen

mehr als 1894. Bradford, 16. Januar. (W. T. B.) Wolle fester infolge Garne stetig, Spinner

Londoner Einflusses, Mohairwolle stramm. n sind beschäftigt. In Stoffen mehr Geschäft, für Amerika nam⸗ Rohzucker

hafter Bedarf. Paris, 16. Januar. (W. T. B.) (Schluß.) ruhig, 88 % loko 28,00 à 28,50. Weißer Zucker fest, Nr. 3, pr.

100 kg, pr. Januar 31,00, pr. Febr. 31,25, pr. März⸗Juni 32,00,

pr. Mai⸗August 32,25. 88 1 1 Bern, 16. Januar. (W. T. B.) Der eoffizielle Diskont⸗

satz der Emisfionsbanken wurde von 4 aut

4 % herabgesetzt.

1-2 1 n 16. Januar. (W. T. B.) Java⸗Kaffee go

ordinary 52. Bancazinn 36 ¼.

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich p

14.

Preußischer Landtag. Herrenhaus.

2. Sitzung vom 16. Januar 1896.

ae den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Ein Schreiben des Auswärtigen Amts, worin die Er⸗ mächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung der „Schaumburg⸗ Lippeschen Volkszeitung“ wegen Beleidigung des Herrenhauses nachgesucht wird, wird der Geschäftsordnungs⸗Kommission überwiesen.

Die Vorlage, betreffend die Errichtung einer General⸗ Kommission für Ostpreußen, wird der Agrarkommission überwiesen.

Zur Vorberathung der Vorlage, betreffend das An⸗ erbenrecht bei Renten⸗ und Ansiedelungsgütern, beantragt der Vize⸗Präsident Freiherr von Manteuffel die Einsetzung einer besonderen Kommission.

Ober⸗Bürgermeister Struckmann⸗Hildesheim: E 1b eine Kommission von 15 Mitgliedern zu Hüdiah aber 8 898 eine Generaldiskussion über diese wichtige Vorlage stattfinden zu lassen, damit die Kommission die Meinung des Hauses darüber kennen lerne. Das Herrenhaus habe sich immer beklagt, daß sein Ansehen dadurch heruntergedrückt werde, daß es nicht sofort Berathungsmaterial erhalte und später, wenn die Vorlagen erst aus dem andern Hause kämen, nicht mehr die Zeit zur gründlichen Berathung habe. Hier sei einmal Gelegenheit zu einer gründlichen Berathung einer sehr wichtigen Materie.

Graf von Schlieben schlägt dagegen vor, heute die

Kommission zu wählen und erst später, wenn deren Arbeiten vorliegen, eine Generaldiskussion stattfinden zu lassen. Nach einer weiteren Geschäftsordnungsdebatte, an welcher sich die Herren von Wedel⸗Piesdorff und Graf Klinckow⸗ ström betheiligen, beschließt das Haus, die Generaldiskussion vor der Kommissionswahl vorzunehmen.

Schluß 2 ½ Uhr. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr. (Erste Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend das Anerb bei Renten⸗ und Ansiedelungsgütern.)

2. Sitzung vom 16. Januar 1896.

Nach der Konstituierung des Hauses, über welche gestern

haushaltsetats für 1896/97 das Wort der

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Hochverehrte Herren! Auf Grund der Allerhöchsten Ermächtigung vom 6. Januar dieses Jahres habe ich die Ehre, dem hohen Hause zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorzulegen:

1) die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres

1892/,93,

2) die Uebersichtz von den Staatseinnahmen und ⸗Ausgaben des

Jahres 1894/95, endlich

die Gesetzentwürfe, betreffend die Feststellung des Staats⸗

haushalts⸗Etats für das Jahr 1896/97 und betreffend die Er⸗

gänzung der Einnahmen zu diesem Etat. Weährend der laufende Etat, meine Herren, eine große Ver⸗ änderung aufwies, weil er die Konsequenzen auf finanziellem Gebiet aus der Umgestaltung unseres Steuerwesens und aus der Reform der Verwaltung der Staatseisenbahnen zog, schließt sich der gegenwärtige Etat nunmehr naturgemäß auf dieser Grundlage eng an den laufenden Etat an. Derselbe schließt mit einem Defizit von 15 140 000 ℳ, also gegen das laufende Jahr, gegen das veranschlagte, in unserem Etat enthaltene Defizit um 19 160 000 weniger. Hierbei ist aber zu bemerken, daß der in unserem laufenden Etat verzeichnete Fehlbetrag von 34 300 000 in Wahrheit auch damals nur 20 625 528 betrug. Wir konnten natürlich im vorigen Jahre wie in allen anderen Jahren unseren Etat nur aufstellen auf der Grundlage des Reichs⸗Etats. Nun waren aber nach dem Entwurf des Reichs⸗Etats die Matrikular⸗ umlagen, welche Preußen zur Last fielen, um nicht weniger als 10 893 852 zu hoch, dagegen die Ueberweisungen, welche schließlich nach dem Ergebniß der Berathungen des Reichstages Preußen zufallen sollen, um 2 780 620 zu niedrig angesetzt. Meine Herren, ich er⸗ wähne dies ausdrücklich, damit nicht Verwirrungen entstehen, zwar nicht in der Form, aber in der materiellen Beurtheilung der Lage, und zweitens, weil dieser Fall so recht klar zeigt, für jeden, der die Dinge klar sehen will, zu welchen Unzuträglichkeiten die Verquickung der Reichsfinanzen mit den Finanzen der Einzelstaaten führt. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, wir haben die gesammten kommissarischen Be⸗ rathungen, welche der Finanz⸗Minister mit den einzelnen Ressorts zu pflegen hat, Sie haben die gesammten Berathungen über den Etat Preußens auf einer gänzlich irrigen und falschen Grundlage geführt. Welchen verwirrenden Eindruck es machen muß, wenn der Finanz⸗ Minister und das Haus statt eines Defizits von 20 ½ Millionen, die doch schließlich nur herauskamen, auf der Grundlage eines Desizits von 34 300 000 die Berathungen pflegt und danach seine Beschlüsse faßt, bedarf gar keiner Ausführung. Die Einzelstaaten sind gar⸗ nicht in der Lage, ihre Finanzlage richtig zu übersehen, während sie den Etat berathen und darüber Beschluß fassen. Wir konnten in diesem Falle nicht einmal unseren preußischen Etat hinterher korrigieren nach dem schließlichen Ergebniß, zu welchem der Reichs⸗Etat gelangte, weil unser preußischer Etat früher abgeschlossen wurde wie der Reichs⸗Etat. Aber selbst wenn es anders gewesen wäre, so würde der Uebelstand naturgemäß derselbe geblieben sein.

Diesmal hat sich nun der Reichs⸗Etat besser gestellt. Aber wir haben auch viele Jahre erlebt, wo alle unsere Berechnungen über den Haufen geworfen wurden, weil der Reichs⸗Etat durch Nachtrags⸗Etats, die ja im Reich sehr zahlreich vorgekommen sind, sich verschlechterte. Und dieser Uebelstand ist noch größer, weil man sich dann in

berichtet worden ist, nahm bei Einbringung des St ats⸗

finanziellen Illusionen bewegt.

8

Zweite Beilage 1 reußischen Staats⸗Anz

Berlin, Freitag, den 17. Januar

Meine Herren, wenn wir also damit darauf kommen, wie si vermuthlich in der Rechnung der laufende Etat stellen wird, so 8 ich, immer festzuhalten, daß wir ein Defizit auf dem Papier zwar veranschlagt haben im laufenden Etat von 34 300 000 ℳ, in Wahr⸗ heit aber nach unseren preußischen Verhältnissen und nach dem Er⸗ gebniß der Berathung im Reich auch schon im laufenden Jahr nur ein Defizit von 20 ½ Millionen hatten.

Meine Herren, wir können ja augenblicklich wohl kaum die Hoff⸗ nung hegen, daß diesem nach meiner festen Ueberzeugung auf die Dauer unhaltbaren Zustand gegenwärtig ein Ende gemacht wird. Wir müssen in dieser Beziehung darauf hoffen, daß der Reformplan, welchen alle deutschen Regierungen und der größte Theil der deutschen Landesvertretungen, welchen allen voran dieses Haus auf die Dauer für unbedingt nothwendig gehalten haben, durch das Schwergewicht der Thatsachen schließlich durchdringt, und dadurch allein die unbedingt nothwendige gesicherte und feste Grundlage der Finanzgebahrung in den Einzelstaaten, namentlich in Preußen, gewonnen wird. (Sehr gut! bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, hiernach ist das Etatsdefizit von 15 Millionen, wie ich es vorher bezeichnet habe, gegen den Etat des laufenden Jahres allerdings nur um 5 485 528 niedriger. Dennoch aber werden Sie den Beginn einer weit günstigeren Lage unserer Finanzen auch aus diesem Etat doch sofort ersehen. Sie werden in diesem Etat das Ordinarium in Ausgaben der eigentlichen Staats⸗ verwaltungen um etwa 9 Millionen ich werde darauf nachher noch genauer zurückkommen erhöht finden.

Es haben eine Reihe von Ressorts auch im Ordinarium erheblich größere Zuwendungen bekommen können, als das früher der Fall war. Aber vor allem, meine Herren, ist das Extraordinarium um 17 Millionen in diesem Etat gewachsen und ist gestiegen auf 79 696 578 Dasselbe beträgt jetzt 4,1 % der gesammten Staats⸗ ausgaben ein Ergebniß, welches wir in langen Jahren nicht mehr gehabt haben. In den Vorjahren, namentlich in der noch knapperen Finanzlage, betrug das Extraordinarium 2,5, 2,6, 2,9, 3,2 und jetzt, wie gesagt, 4,1 % der gesammten Staatsausgaben.

Unser Extraordinarium, meine Herren, war viel zu niedrig für eine wirklich solide, alle Bedürfnisse befriedigende Finanzgebahrung. Wir waren aber dazu gezwungen durch die gesammte schwierige Finanzlage, in der wir uns befanden. Eine Reihe von sehr erwünschten, sogar nothwendigen Ausgaben hat in diesen Jahren zurückgestellt werden müssen, und es ist daher sehr glücklich, daß wir jetzt in der Lage sind, das Extra⸗ ordinarium angemessen zu verstärken. Meine Herren, wenn Sie die Vorschläge für das Extraordinarium sich näher in der Berathung ansehen, so werden Sie nicht finden, daß wir zu viel gethan haben. Wir werden in den nächsten Jahren nach meiner Meinung, wenn die Finanzlage es irgend gestattet, fortfahren müssen, in gleicher Weise das Extraordinarium zu dotieren. Und wir werden damit viele be⸗ rechtigte Klagen, die bis dahin nicht beseitigt werden konnten, ver⸗ stummen machen.

Meine Herren, die Steigerung des Extraordinariums entspricht einer verständigen Finanzpolitik und der Gesammtlage des Staats⸗ haushalts in Preußen. Wir haben uns oft darüber unterhalten, meine Herren, und das Haus war in dieser Beziehung stets mit mir einig, daß wir in den Jahren starker Ueberschüsse der Betriebs⸗ verwaltungen in verkehrter Weise die dauernden Ausgaben des Staats auf der Basis schwankender Einnahmen erhöht haben und daß dies den wesentlichen Grund bildet unserer Fehlbeträge in den letzten 4 Jahren. Wir müssen uns also hüten, meine Herren, in denselben Fehler wieder zu verfallen; wir müssen nicht in einer ungemessenen, auf dauernde gesicherte Einnahmen nicht basierten Weise die dauernden Ausgaben erhöhen, sondern die Erhöhung muß stattfinden da, wo auch das stärkere Bedürfniß ist, im Extraordinarium. Kommen dann mal wieder ungünstige Zeiten, die gewiß nicht ausbleiben, sowohl nach Seiten des Reichs als nach Seiten unserer Betriebsverwaltungen, dann wird man einigermaßen wieder in der Lage sein, das Extraordinarium beschränken zu können, also die ungeheuren Schwankungen von Ueberschüssen und Fehlbeträgen in unserem Etat hintanzuhalten, wenigstens einiger⸗ maßen. Man hat dann schon viel gethan und kann für einige Jahre mal weniger thuu. Das kann man aber nicht, wenn man die dauern⸗ den Ausgaben erhöht; die laufen in schlechten Zeiten ungemindert voran, ja sie sind unerläßlich noch immer im Steigen. Das liegt in der Natur der Sache. Da muß man weiter zahlen, und die Ein⸗ nahmen fehlen, und dann kommen natürlich die Fehlbeträge im Etat.

Meine Herren, wir hatten im Jahre 1887/88 bis 1890/91 er⸗ hebliche Ueberschüsse in Preußen. Die Lage verschlechterte sich vom Jahre 1891/92 ab, theils durch den Rückgang der Ueberschüsse der Betriebsverwaltungen, theils aber durch die bedeutende Verschlechte⸗ rung der Reichsfinanzen. Ich habe Ihnen ja früher schon oft mit⸗ getheilt, in welchem Maße die starken Ueberschüsse mit starken Er⸗ höhungen der Matrikularumlagen über die Ueberweisungen hinaus abgewechselt haben. In den drei Jahren 1891/92 bis 1893/94 haben wir zusammen Fehlbeträge von fast 100 Millionen Mark gehabt, also die laufenden Bedürfnisse des Staats decken müssen durch Anleihen. Erst vom Jahre 1894/95 an tritt ein günstigeres Verhältniß des Rechnungsergebnisses gegen den Etat hervor. Während wir nach der Rechnung des Jahres 1893/94 noch einen wirklichen Fehlbetrag hatten von 31 357 000 ℳ, stellt sich nach dem Finalabschluß von 1894/95 der wirkliche Fehlbetrag nur auf 8 378 000 Meine Herren, dieser geringere Fehlbetrag, und dieses günstige Ergebniß der Rechnung be⸗ ruht zum Theil aber auf zufälligen, nicht wiederkehrenden Umständen; denn allein bei der Forstverwaltung haben wir infolge der außer⸗ ordentlichen Windbrüche eine Mehreinnahme über den Etat von nicht weniger als 11 749 000 (Bewegung.) Der Windbruch und die Veräußerung der gebrochenen Hölzer hat sogar fast 14 000 000 aufgebracht, und wenn ich hier von 11 749 000 spreche, so sind natürlich die Mehrausgaben schon ab⸗ gezogen, das ist also reiner Ueberschuß aber ein Ueberschuß, der

nicht allein nicht wiederkehrt, sondern in den folgenden Jahren natur⸗ gemäß uns zur Last kommt, weil weniger Holz veräußert wird, auch weniger Holz zum Schlag gelangt. Wir können also auf dies günstige für die Finanzen auf die Dauer jedenfalls in keiner Weise rechnen.

Der Erlös von Ablösungen und von Verkäufen von Domänen und Forstgrundstücken hat 283 000 mehr eingebracht ich nenne Ihnen nur runde Zahlen.

Bei der Verwaltung der indirekten Steuern ist wesentlich infolge

von Minderausgaben, von Ersparnissen ein besseres Ergebniß von 1 242 000 zu verzeichnen. Die Lotterieverwaltung hat 69 000 mehr aufgebracht, die Seehandlung 285 585 ℳ, die Münzverwaltung 69 673 ℳ, die Bergwerksverwaltung 3 794 656 Obwohl, meine Herren, die Bergwerksverwaltung eine Mindereinnahme hatte von 2 353 600 ℳ, ergiebt sich dieser Mehrüberschuß infolge einer geringeren Ausgabe im Betrage von 6 148 000 Das ist aber auch nicht sehr zu rühmen; denn zumeist sind das nur verschobene extraordinäre Aus⸗ gaben, die doch wieder von neuem kommen. Aehnlich liegt es bei der Eisenbahnverwaltung. Dieselbe hat eine Mindereinnahme von 5 814 930 ℳ, dagegen eine Minderausgabe von 20 462 286 ℳ, (hört! hört!) sodaß sich ein Ueberschuß gegen den Etat von 14 647 000 ergab. Meine Herren, diese Minderausgaben werden Ihnen wahrscheinlich auffallen, wie ich aus einigen Aeuße⸗ rungen entnehme. Es werden dieselben aber völlig aufgeklärt werden können, und sie zeigen noch nicht einmal Minderverwendungen an 8 solchen Dingen, wo die Verwendung hätte zweckmäßig stattfinden önnen.

Bei der öffentlichen Schuld ist eine Minderausgabe v 4 195 000 eingetreten, und zwar, weil wir keine Schatzaaiseiftende. ausgegeben haben, und weil wir nicht genöthigt gewesen sind, neue Anleihen aufzunehmen, insonderheit auch weil wir ja noch große Mittel in der Hand hatten aus dem Ueberschuß der aus der Ein⸗ kommensteuer einstweilen angesammelten Fonds, welcher ja jetzt nun wirklich definitiv Betriebskapital geworden ist, also auch jetzt auf die Verminderung der Anleihen in sehr erheblicher Weise einwirkt.

Bei der allgemeinen Finanzverwaltung stellt sich eine Verbesserung von etwa 12 Millionen heraus. Bei den Zuschußverwaltungen sind hauptsächlich hervorzuheben: ein Minderbedarf bei dem Ministerium für Handel und Gewerbe von 770 000 ℳ, bei der Justiz⸗Verwaltung von 76 000 ℳ, bei der Verwaltung des Innern, wesentlich infolge von Ersparnissen an dem Fonds zur Bestreitung der persönlichen und sachlichen Kosten des Nachtwachtwesens in Berlin, welches noch nicht zur Durchführung gelangt war, 714 000 Bei den etatsmäßigen einmaligen und außerordentlichen Ausgaben ergiebt sich ein Minderbedarf von 4 065 339 ℳ, beruhend wesentlich auf Ersparungen, die wir gemacht haben bei der Durchführung der Revision der Gebäudesteuer. Das ist also auch ein Posten, der jeden⸗ falls nicht wiederkehrt. Die Eisenbahnverwaltung hat bei den ein⸗ maligen und außerordentlichen Ausgaben eine Ersparung von 973 000 ℳ, beruhend auf der Minderverwendung des sogenannten Extraordinariums der Eisenbahnverwaltung. Die Justizverwaltung hat eine Minderausgabe von 276 000 ℳ, die Verwaltung der geist⸗ lichen Angelegenheiten einen Minderbedarf von 476 644 bei den einmaligen Ausgaben.

Bei den außeretatsmäßigen einmaligen Ausgaben ist dagegen ein Mehrbedarf von 528 000 eingetreten durch plötzlich nothwendige Verwendungen, die in der Rechnungskommission näher werden erläutert werden. Es handelt sich da hauptsächlich um Ausführung von Wiederherstellungsarbeiten in dem Steinkohlenbergwerk in Ibbenbüren, welches versoffen war, und die Mehrkosten zur Be⸗ seitigung des Chausseeüberganges bei der Bahn in Hamm und endlich um dringliche Erweiterungen des Bahnhofs Weimar.

Meine Herren, ich will auf das Einzelne nicht weiter eingehen; die Vorlage liegt Ihnen vor. Es ergiebt sich darnach, daß wir gegen⸗ über einem veranschlagten Defizit von 56 510 000 einen rechnungs⸗ mäßigen Fehlbetrag von nur 8378 489 haben, sodaß eine Besserung gegen den Etat um 48131 000 eingetreten ist. (Hört! hört!) Meine Herren, wenn man nun einigermaßen die Entwickelung der Finanzen sich klar machen will, so muß man eigentlich immer 3 Jahre vor sich haben: ein abgeschlossenes Jahr, ein noch nicht ab⸗ geschlossenes, aber bereits laufendes Jahr und die Etatisierung für die Zukunft. Was nun das vermuthliche Ergebniß des Staats⸗ haushalts des laufenden Jahres betrifft, so glaube ich mit einiger Sicherheit sagen zu können, daß wir dies Jahr 1895/96 abschließen werden ohne Fehlbetrag; (hört! hört! rechts) ja ich glaube die be⸗ stimmte Hoffnung haben zu dürfen, daß ein mäßiger Ueberschuß erzielt werden wird, (hört! hört! rechts. Bravo! Bewegung) ja meine Herren, ein mäßiger Ueberschuß, weil wir noch 5 Monate vor uns haben, die noch nicht abgerechnet sind, und weil weder Sie noch ich irgend eine bestimmte Meinung haben können über das Ergebniß der Zollverwaltung im Reich oder über die nächsten Monate in der Eisenbahnverwaltung. Ich nehme aber allerdings an, daß die Eisen⸗ bahnverwaltung einen über den Etat hinausgehenden Ueberschuß haben wird von etwa 16 bis 17 Millionen, und ebenso nehme ich an, daß der Antheil Preußens an dem Ertrage der Zölle und Tabacksteuer etwa 16 bis 17 Millionen mehr betragen wird, vielleicht auch noch etwas höher, wenn nämlich die Ergebnisse der nächsten fünf Monate, von denen wir noch keine sichere Kenntniß haben, denen der verflossenen sieben Monate entsprechen. Man muß aber in dieser Beziehung vorsichtig sein, meine Herren, weil schon der Monat Dezember, von dem wir doch schon im allgemeinen wissen, wie er ab⸗ geschlossen werden wird, erheblich geringere Ueberschüsse liefert als die Vormonate, und weil man wohl mit Recht sagen kann, daß der Import von Getreide, auf dem doch wesentlich die Zolleinnahmen be⸗ ruhen, in den ersten Monaten vielleicht zu stark war mit Rücksicht darauf, daß die Spekulation die Ergebnisse unserer Ernte nicht ganz übersehen konnte. Es wird daher naturgemäß in den nächsten Monaten ein Rückschlag eintreten. Mit Sicherheit, wie gesagt, kann

man in dieser Beziehung das Ergebniß überhaupt noch nicht vorher⸗