Baden. “
Bei dem Festmahle, welches am Sonnabend Abend in der Festhalle zu Karlsruhe stattfand, hielt, wie die „Karlsruher tg.“ berichtet, Seine Königliche Hoheit der Großherzog olgende Rede: „Kameraden! Es ist Zeit, 89 ich von Ihnen Abschied nehmen muß. Bevor ich Sie jedoch verlasse, möchte ich noch einige Worte an Sie richten. Die heutige Erinnerungsfeier war eine der schönsten, die ich erlebt. Es ist heute nicht nur der Tag der Er⸗ innerung an die Schlachten, die wir geschlagen haben, es ist auch der Tag der Wiederherstellung des Deutschen Reichs. Sie, meine Freunde, haben oft die „Wacht am Rhein“ gesungen, wenn der Ruf an Sie erging; es war ein Freudensang, und er hat schöne Erfolge gehabt. eute brauchen wir die „Wacht am Rhein“ nicht mehr in diesem inne zu singen, weil die Grenzen weitergerückt sind. Aber, meine 1] dieser Wacht gegenüber steht noch eine andere Wacht: die Wacht des Herzens. Sie verstehen, was ich darunter meine, diese Wacht festzuhalten und zu stärken, damit wir vor dem Un⸗ glück bewahrt bleiben, sich der Umsturz mehr und mehr Beahn bricht. Das ist die Wacht des Herzens. Die Macht, die heute vor 25 Jahren begründet wurde, se soll auch in Zukunft andauern und uns vor allem Unglück bewahren. Sie, meine Freunde, helfen Sie in Ihren Kreisen diese Macht zu stärken und zu mehren. Hier⸗ mit schließe ich meinen Abschied von Ihnen, aber ich fordere Sie noch auf zu einem Ruf, und dieser Ruf gilt Ihnen, er gilt dem deutschen Heer, das sich heute vor 25 Jahren so glänzend bewährt. Hoch lebe das deutsche Heer, hurrah!“ .““
Hessen. 1
Seine Königliche Hoheit der Großherzog empfing
gestern in besonderer Audienz den preußischen außerordent⸗
lichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am Groß⸗
herzoglichen Hofe Grafen von Dönhoff behufs Entgegen⸗ nahme seines Abberufungsschreibens.
Württemberg.
A. f. W.“ vernimmt, werden sich Ihre ig und die Königin mit Ihrer König⸗ ichen Hoheit der Prinzessin Pauline zur Feier des Ge⸗ burtsfestes Seiner Majestät des Kaisers nach Berlin be⸗ geben und auf der Rückreise Ihren Majestäten dem König en 8 Königin von Sachsen einen Besuch in Dresden abstatten. 16“
Oldenburg.
Das gestern ausgegebene Bulletin über das Befinden Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin lautete: „Am Tage viel, in der Nacht kein Schlaf. Zunehmende Er⸗ schöpfung.“
Oesterreich⸗Ungarn.
Dem gestrigen Ball in der Hofburg wohnten der Kaiser, zahlreiche Mitglieder des Kaiserlichen Hauses, der Herzog und die Herzogin von Cumberland, der Prinz und die Prinzessi
Philipp von Sachsen⸗Coburg, sowie das diplomatische Korps und die Hof⸗ und Staatswürdenträger bei. Der Kaiser zeichnete während des Festes die Vertreter der fremden Mächte und die Minister durch Ansprachen aus.
Die „Politische Korrespondenz“ erklärt die Meldung für unbegründet, daß der Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich⸗Este nach Palästina zu reisen beabsichtige. Der Erzherzog werde Assuan, dessen Klima die gehegten Er. “ rechtfertige, nicht vor Ablauf mehrerer Wochen ver⸗ lassen.
Wie das „Fremdenblatt“ vernimmt, ist die Nachricht von der angeblichen Verschiebung der Wiedereinberufung des Reichsraths vollständig unbegründet. In maß⸗ gebenden Kreisen wird der 10. seheer als der äußerste Termin der Dauer der Landtagssession bezeichnet.
Die heutige „Wiener Zeitung“ veröffentlicht eine Bekannt⸗ machung, betreffend die Errichtung eines Eisenb ahn⸗ Ministeriums, welches vorgestern seine Thätigkeit begonnen hat. Ferner publiziert das Blatt ein Organisations⸗ statut für die staatliche Eisenbahnverwaltung. Die bisher dem Handels⸗Ministerium unterstehende Feneral⸗ Inspektion der österreichischen Eisenbahnen und die General⸗ Direktion der österreichischen Staatsbahnen sind jetzt dem Eisenbahn⸗Minister unterstellt worden.
Der Minister⸗Präsident Graf Badeni wird am 27. d. M. u den Verhandlungen des galizischen Landtags in Lem⸗
erg eintreffen
Im Triestiner Landtag erklärte der Landeshaupt⸗ mann: der Antrag des radikalen Abgeordneten Spadoni, betreffend eine Sympathie⸗Kundgebung für die italienischen Truppen in Afrika, sei der Kompetenz des Landtags entrückt und könne nicht zur 1ö.“ zugelassen werden. Beim Schluß der Sitzung wurden vereinzelte Rufe des Galerie⸗ publikums laut: „Evviva Baratieri, Evviva Galliano!“
Frankreich.
In der gestrigen Sitzung des Senats hielt Loubet bei der Uebernahme des Präsidiums eine Ansprache, worin er die Nothwendigkeit betonte, daß der Senat mit größter Umsicht die in Aussicht genommenen fiskalischen Reformen prüfe und seins bos nützliche Rolle als mäßigender Faktor nicht herab⸗
Italien.
Die Anklagekammer des Appellhofs in Rom hat, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern, dem Antrage des Staats⸗ anwalts gemäß, beschlossen, das Strafverfahren gegen Gio⸗ litti und Genossen wegen Hinter iehung von Dokumenten nicht wieder aufzunehmen und die Akten dem Archiv einzu⸗ verleiben. . 8 .“
Griechenland. 8
Bei der gestern Vormittag erfolgten Eröffnung der Deputirtenkammer beschränkte sich der Minister⸗Präsident Delyannis darauf, das Dekret, betreffend die Eröffnung der Session, zu verlesen.
Das Journal „Asty“ meldet, es seien Verhendeuges zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen Griechenland und Rumänien eröffnet worden. an hoffe auf einen günstigen Ausgang derselben.
Serbien. 1“ b8 hfere. den seeha sch hu g8 leferungsvertrag und die Privilegien für die schent⸗ Gesellschaft vom Rothen Kreuz Kn enorniten
Aumtlich wird aus Ottawa gemeldet, daß Groß⸗ britannien und die Vereinigten Staaten einen Vertrag unterzeichnet hätten, wonach die Klagen wegen der Weg⸗ nahme canadischer Robbenfang⸗Schiffe im Beringsmeer durch die Vereinigten Staaten einem Schiedsspruch unterworfen werden sollen; die Schweiz sei ersucht worden, einen Ober⸗Schiedsrichter zu ernennen für den Fall, daß die Schiedsrichter nicht einig werden sollten.
Das Comité des Senats für auswärtige An⸗ gelegenheiten hat, wie „W. T. B.“ aus mittheilt, an den Senat in günstigem Sinne über die Resolution, durch welche die Monroe⸗Doktrin unterstützt wird, berichtet; in dem Comité herrsche indessen keine Ein⸗ muüthigkeit über den zu erstattenden Bericht.
Afrika.
Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Adaghamus: General Baratieri habe telegraphiert, daß bis Freitag keine neuen zngriffe auf Makalle stattgefunden hätten, abgesehen von einigen Flintenschüssen, welche bei der Quelle gewechselt worden seien. Die Schoaner suchten die Quelle mit Steinen und Erde zu bedecken, um die Italiener zu verhindern, sich im Fall eines Ausfalls mit Wasser zu versorgen. — Weiter wird berichtet, der Oberst⸗Lieutenant Galliano habe an den General Baratieri am 17. d. M. geschrieben, daß der Feind befürchte, angegriffen zu werden. — Ein Kundschafter, welcher am Sonntag das Lager der Abessinier verlassen habe, berichte, daß am Freitag und Sonnabend Kanonendonner und Gewehrfeuer gehört worden seien. In dem Kampfe vom 11. d. M. seien 80 Führer und Unterführer, fast alle dem Korps des Ras Makonen angehörig, gefallen. Unter ihnen befinde sich auch Atobacnel, der besondere Vertrauensmann Ras Makonen's, welchen dieser kurz zuvor noch zur Unterhandlung mit Baratieri nach Adigrat entsandt gehabt habe. — Die Konzentrierung der Truppen bei Adigrat und Adaghamus habe sich vorzüglich und ohne jeden Verlust vollzogen. General Baratieri erkläre diejenigen Nachrichten, welche im Gegensatz zu seinen täglich erfolgenden Meldungen verbreitet würden, für unwahr.
Aus Kapstadt wird der „Times“ unter dem 20. d. M. berichtet, Dr. Jameson und der Rest seiner Anhänger seien unter Bedeckung nach Natal abgegangen. Aus Prätoria werde gemeldet, daß der größte Theil der politischen Gefangenen gegen eine Sicherstellung von je 2000 Pfd. Sterling in Frei⸗ heit gesetzt worden sei.
Eine von dem Obersten Sir Francis Scott an das britische Kriegs⸗Ministerium gerichtete Depesche aus Kumassi vom 17. d. M. lautet: Kumassi wurde heute Nachmittag 1 Uhr ohne Kampf besetzt. — Amtlich wird weiter gemeldet, der König Prempeh habe sich öffentlich den Engländern unter⸗ worfen; der König und einige seiner Verwandten würden für die Dauer der Verhandlung über die Entschädigung in Cape Coast⸗Castle festgehalten werden.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Herrenhauses befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (20.) Sitzung des Reichstags, welcher die Staatssekretäre Dr. von Stephan und Dr. Graf n Posadowsky beiwohnten, theilte zunächst der Präsident reiherr von Buol dem Hause mit, daß die Firma Max chulz in Berlin dem Hause ein sehr werthvolles Kunstwerk, nämlich ein Tintenfaß, als Geschenk überreicht habe. Der Präsident hat der Firma den verbindlichsten Dank des Hauses aussprechen lassen. Die Berathung des Post⸗Etats wird sodann fortgesetzt. Referent Abg. Bürklin inl.) erstattet über die dem Hause zu⸗ gegangene, auf den Post⸗Etat bezügliche Petition des Magistrats zu Gerresheim Bericht. Die Petition, welche auf Ermäßigung der Fernsprechgebühren abzielt, soll nach dem Antrag der Budget⸗ kommission den verbündeten Regierungen zur Berücksichtigung über⸗ wiesen werden.
(Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (3.) Fübung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von 1“ der Justiz⸗Minister Schönstedt und der Minister des Innern Prahere von der Recke beiwohnten, brachte zunächst das
räsidium, welches Seiner Majestät dem Kaiser und König die Theilnahme des aus Anlaß des Ablebens Seiner König⸗ lichen Hoheit des Prinzen Alexander ausgesprochen hatte, folgendes Allerhöchste Schreiben zur Kenntniß:
Dem Präsidium spreche Ich Meinen wärmsten Dank aus für die herzliche Theilnahme, welche Mir dasselbe im Auftrage des Hauses der Abgeordneten aus Anlaß des Hinscheidens Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Alexander zum Ausdruck gebracht hat.
Wilhelm II.
Ferner hatte das Präsidium in Ausführung eines Be⸗ schlusses des Hauses bei den Feierlichkeiten im Königlichen Schlosse am 18. Januar die Theilnahme des Hauses an der 25. Wiederkehr des Tages der Gründung des neuen Deutschen Reichs zum Ausdruck gebracht. Seine Majestät geruhten, die Kundgebung huldvoll entgegenzunehmen und das Präsidium zu beauftragen, dem Hause Allerhöchst ihren Dank zu übermitteln.
Nach diesen Mittheilungen trat das Haus in die erste Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1896/97 ein.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Selten hat sich ein Finanz⸗Minister über die Schätzung der finanziellen Situation so ean. 1 8b der Herr Finanz⸗Minister Miquel. Man könnte ihn höchstens vergleichen mit dem Grafen Posadowsky. Welche Augriffe sind gegen diejenigen gerichtet worden, welche die Finanz⸗ lage günstiger beurtheilen als der Finanz⸗Minister! Man sprach von Finanzkünsteleien, Lügen in die eigene Tasche hinein u. s. w. Dabei handelt es sich nicht um die Gestaltung einzelner Etats, sondern die Gesammtlage sollte den Grund abgeben für dauernde Steuern, welche die Grundlate wesentlicher e eeste e erheblich zu verändern drohten. Es wurde gesagt: wenn man sich mit dem kalten Nein begnügt, dann werde man an den Patriotismus dieses uses avppellieren, und es wurde angedeutet, daß man uschläge zu den direkten Steuern erheben würde. Die neuen Steuern hatten nur zu Ueberschüssen, zur Thesaurierung geführt. Im vorigen Jahre suchte der Finanz⸗Minister die etwas
günstiger gewordene Finanzlage zu begründen mit dem großen Wind⸗ 89
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bruch. Die 11 Millionen, die daraus an Einnahmen ent haben aber das Defizit nicht von 56 auf 8 Mhältanden sad. edrückt. Damals stellte der Finanz⸗Minister es so dar doß ab⸗ Ferseinnahuen im folgenden Jahre ungünstiger sein nisgdie 1 Jahr hat aber auch kein Defizit, wir 2.2. einen Ueberschuß zu erwarten. Die Gerechtigkeit hätte 8 boten, einige Worte der Anerkennung zu sagen für die Arb f. welche den Reichs⸗Etat zu Gunsten Preußens umgestaltet hat; vüt der Finanz⸗Minister hat nicht einmal den einfachen Thatbestand fesf gestellt. Nur 2 Millionen braucht Preußen zum Zwei⸗Milliarden⸗ Etat des Reichs noch beizusteuern. Um mehr als 30 Millionen dar sich das Verhältniß Preußens zum Reich günstiger gestellt, nicht da 17 Millionen, wie der Finanz⸗Minister ausgeführt hat. Nach de⸗ Etat hätte Preußen 20 Millionen an das Reich zu zahlen. 8 Wirklichkeit bekommt es aber noch 12 ½ Millionen. Das zu 8 statieren, wäre um so wichtiger gewesen, als es zeigt, daß Preußen günsti 5 steht ohne den Automaten, als es mit demselben der Fall gewesen 8 denn danach hätte Preußen 12 ½ Millionen weniger zu empfangen. Der Finanz⸗Minister hat eine Zornesrede gegen den Reichstag ge⸗ halten, weil derselbe ihn gewissermaßen in einen embarras de richesses gebracht hätte. Eine Korrektur des preußischen Etats au Grund des Reichs⸗Etats hätte ja leicht bewirkt werden können. Aber irgend eine thatsächliche Verwirrung ist garnicht eingetreten; man brauchte nur von der Vollmacht, Anleihen aufzunehmen, keinen Ge⸗ brauch zu machen. Aber dieser Vorwurf mußte erhoben werden wo wäre sonst der Automat geblieben? Das Finanz⸗ gesetz würde den Finanz⸗Minister garnicht bewahrt haben vor der Verwirrung; denn dasselbe sollte nur ein Maximum der Matrikular⸗ beiträge festsetzen; aber in der Wohlthätigkeit sollten dem Reich keine Schranken gesetzt werden; es hätte in dem Erlaß der Matrikular⸗ beiträge so weit als möglich gehen können. Was den Etat für 1896/97 betrifft, so beträgt das Defizit, welches der Finanz⸗Minister selbst schon nur ein papiernes nennt, 15 Millionen Mark. Die höhere Veranschlagung der Ueberweisungen aus den Zöllen wird das Destzit vollständig decken; denn der Anschlag derselben ist um 20 Millionen hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben. Wenn die Ermäßigung der Matrikularbeiträge den Finanz⸗Minister so in Verwirrung bringt, so ist das nicht ermuthigend für die Budget⸗ kommission des Reichstags, in welcher der Reichs⸗Schatzsekretär schon erklärt hatte, daß die Einzelstaaten sich eingerichtet hätten auf die Matrikularbeiträge. Man hat gemeint, der Finanz⸗Minister solle sich einen preußischen Automaten einrichten. In zwei Jahren hat sich das Verhältniß Preußens zum Reich um 50 Millionen günstiger ge⸗ staltet; der Minister könnte diese Millionen als Fonds für einen solchen Automaten nehmen; aber ich halte es für ungerechtfertigt, bindende Formen schaffen. Im
as laufende
für die Regierung und den Landtag zu absoluten Staat waren solche Formeln nothwendig als Ersatz für die mangelnde Kontrole des Landtags. Jetzt führt das zu einer Be⸗ schränkung des Etatsrechts der Volksvertretung, das ohnehin ein⸗ geschränkt genug ist. Die Verstaatlichung der Bahnen hat einen schwankenden Faktor in den Etat gebracht; um das zu paralysieren, muß man nicht feste Faktoren zum Ausgleich einführen, sondern Ein⸗ nahmen, die sich diesen Schwankungen anpassen können. Das Eisen⸗ bahn⸗Garantiegesetz hat sich nicht bewährt. Der Finanz⸗Minister selbst hat dabei mitgewirkt unter Berufung auf die hannoverschen Beispiele. Herr von Stephan bezeichnete das Gesetz damals gleich als einen Schaumkloß. Wohin das führt, das ergiebt sich daraus, daß, wenn schließlich doch ein Defizit entsteht, Zuschläge zu den direkten Steuern nothwendig werden. Ich will aber nicht nur vor die mathematische Sicherheit eines solchen Zuschlags gestellt sein, sondern die Gesammtlage des Landes dabei in Betracht ziehen, ob dieselbe wirklich einen son Zuschlag zuläßt. Unser werbendes Vermögen übersteigt unsere Schulden; wenn man die Schuldentilgung verstärkt, so wird unser Aktivvermögen verbessert. Für 1891 — 95 berechnet der Finanz⸗Minister einen Fehlbetrag von 100 Millico⸗ nen, vergißt aber, daß mehrere Jahre über 100 Mihlonen Mark Ueberschüsse aus der Einkommensteuer zurückgelegt sind, die jetzt als Betriebsfonds benuzt werden. Ferner sind viele Millionen ver⸗ wendet worden für die Verbesserung des werbenden Kapitals der Eisenbahn. Wenn man die Bilanz Preußens von heute ver leicht mit der vor Einverleibung der neuen Provinzen, so ergiebt sich eine Steigerung von 1 ½⅛ auf 4 ½ ℳ pro Kopf. Der Minister behauptet, die Privatbahnen hätten mehr amortisiert; das bestreite ich. Die Aktien⸗ bahnen haben die Aktien ntcht amortisiert, sondern nur die Prioritäten, und die Erneuerungsfonds hat eine Staatsbahnverwaltung nicht nöthig. Der Finanz⸗Minister überschätzt die Macht des Staats und die Beamtenweisheit, und er unterschätzt, was durch die Selbsthilfe ohne den Staat geleistet werden kann und geleistet wird. Bei der großen Produktivität an Gedanken, die dem Finanz⸗Minister eigen ist, bei der Beweglichkeit seiner Phantasie und seines Geistes ist die Gefahr sehr groß, daß wir verlockt werden zur Erfüllung sehr bedenklicher wirthschaftlicher Probleme zweifelhafter und sicherlich unwirthschaftlicher Art. Merkwürdig ist, daß alle diese Probleme mit einer gewissen Knappheit an Geldmitteln zusammenfallen. Der Finanz⸗Minister hatte den Plan der Kasernierung der Beamten, er wollte vorüber⸗ gehend den Großgrundbesitzern Hunderte von Millionen zur Verfügung stellen. Einen kleinen Niederschlag haben wir in der Zentralgenossen⸗ schaft, in der Silounterstützung, in der Subventionierung der Sekundär⸗ und Tertiärbahnen u. s. w. Der Finanz⸗Minister ist freigebig, wenn es sich um Unternehmer handelt, die er stützen möchte, aber nicht, wenn es sich um die Erfüllung der eigenen Aufgaben des Staats handelt. Für Militär⸗ und Kirchenwesen hat er eine offene Hand; aber für die eigentliche Aufgabe des Staats hat er nichts übrig. Er rühmt, da er 74 neue Richterstellen geschaffen hat. 50 neue Richterstellen sind schon nothwendig wegen der Steigerung der Be⸗ völkerung. Die Medizinalreform unterstützt der Finanz⸗Minister nicht, denn ich nehme nicht an, daß man die Sache im Kultus⸗Ministerium hat liegen lassen. Was giebt es aber Nothwendigeres als die öffentliche Gesundheitspflege, in welcher wir um ein Menschenalter zurückgeblieben sind! Mit der Verstärkung des Extraordinariums aus laufenden Mitteln bin ich vollständig einverstanden. Aber es ist nicht genug geschehen, namentlich bezüglich der Justizbauten. Unwürdig sehen die Justizgebäude aus, namentlich wenn sie in der Nähe der modernen Kasernen oder Postbauten stehen. Der Finanz⸗ Minister hat Deckung gesucht auf der rechten Seite gegen die Zu⸗ muthung, den Botanischen Garten an Berlin abzutreten. In welchen verständigen Kreisen Berlins hat man denn das verlangt? Die Berliner sind doch keine Agrarier! Die Berliner sind nicht gewohnt, Plätze geschentt zu bekommen, im Gegentheil, wenn Kirchen gebaut werden sollen, soll Berlin die Plätze ge⸗ währen. Eine nothwendige Aufgabe ist auch die Erweiterung der Königlichen Bibliothek und der Umbau der Aklademie. Der Kultus⸗Minister von Goßler hat Worte des Dankes ausgesprochen für den Verzicht Seiner Majestät des Kaisers auf die Gardes du Corps⸗Kaserne. Der Kriegs⸗Minister hatte damals erklärt, daß die Militärverwaltung keinen weiteren Anspruch erheben würde auf diese Grundstücke. Auf Grund dieser Erklärung hat der Minister von Goßler einen ausführlichen Plan vorgelegt. Es fehlte also nur die Ausführung; nun bekommen wir im Reichstage eine Vorlage, als ob die Gardes du Corps⸗Kaserne wieder von zwei Kompagnien des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments belegt wird und als wenn dann das Grundstück an das Haus⸗Ministerium ab⸗ gegeben werden soll. In Verbindung damit steht der Neubau der Kaserne am Kupfergraben. Es handelt sich dabei um den werth⸗ vollsten Platz in ganz Berlin, der sich für Zwecke der Kunst und Wissenschaft und für staatliche Zwecke eignet wie kein anderer, und nun soll dort eine neue Kaserne gebaut werden üi acht Kompagnien des Alexander⸗Regiments. Dafür hat der Milltärfiskus schließlich doch andere Plätze. Den Platz am Kupfergraben hatte man soga⸗ für das Reichstagsgebäude vorübergehend in Aussicht genommen. Der Finanz⸗Minister hatte keine Ursache, sich zu vertheidigen gegen den Vorwurf, er habe bei der Einführung der Alterszulagen geschnitten. Diese Umgestaltung der Besoldungen ist ein wahrer Segen für die Beamten.
Die Verhinsgang der beiden Klassen der Bureaubeamten halte ich fur sehr zweckmäßig. Aber ehe die große allgemeine Besoldungsverbesse⸗
greifen wird, werden die meisten Beamten alt und grau
rung p laß greffn daher für ein schrittweises Vorgehen, weil eine verblonenmäßi e Erhöhung nicht richtig wäre. Das war das Unglück, 8 1890 die Besoldungsverbesserung angeregt wurde, daß der Finanz⸗ Minister von Scholz Reformpläne nicht vorlegte. Der Punkt, Min man zunächst ansetzen muß, ist der Wohnungsgeld⸗ denn die Wohnungsmiethen sind durchweg gestiegen. Gesetz über das Wohnungsgeld schließt sich viel zu fehr das militärische Vorbild an. Es sind dauernde Aufwendungen ch jetzt schon möglich, denn der Etat ist nicht nur sparsam veran⸗ schlagt sondern es liegen noch große versteckte Reserven darin, z. B. ,25 man nur die Eisenbahneinnahmen nach dem 10 jährigen Durch⸗ schnitt veranschlagen wollte. Im Vordergrund stehen dann auch noch die großen Ersparnisse aus der Konversion der Staatsschulden. Ich will dahin gestellt sein lassen, ob im vorigen Sommer schon der oment der Konversion gekommen war; aber wir sehen, daß alle Staaten, solche, die weniger Kreditansprüche machen können als wir, mit der Konversion vorgehen. Bei 3 ½ % würden wir 18 Millionen, bei 3 % noch sehr viel mehr sparen. Die Staatsgläubiger haben keinen Anspruch darauf, auf die Dauer mehr Zinsen zu bekommen, als es dem Geldmarkt entspricht. So lange die Konpertierung nicht erfolgt ist, sind diese Staatspapiere gar keine sichere Anlage. Die Möglichkeit der Konvertierung muß man in das Finanzprogramm, wenn auch nicht dieses Jahres, aber der nächsten Zeit einsetzen. Dann wäre es auch Zeit, die Eisenbahn⸗ Tarifreform vorzunehmen und eine Herabsetzung der Steuersätze in den mittleren Klassen der Einkommensteuer herbeizuführen. Der gandwirthschafts ⸗Minister sammelt und Kohlen auf die Hiupter aller Agrarier; vielleicht lassen diese sich dadurch be⸗ fümmen, ihm etwas mehr Rechnung zu tragen, ich meine in Bezug uf ihr Verhalten. Nach allem, was der Landwirthschafts⸗Minister jler den Antrag Kanitz gesagt hat, müßte er eigentlich auch Gegner seiner Zuckersteuervorlage sein; denn der Preisfall des Zuckers ist auch zur aus vorübergehenden Ursachen entstanden und hat sich schon etwas ausgeglichen. Neu ist in diesem Etat eine Position für den Ankauf von Domänen in den westlichen Provinzen zur Errichtung von bäuerlichen Stellen. Es muthet uns eigentbümlich an, neue Domänen zu schaffen in einem Augenblick, wo so viel Domänenpächter sich im Konkurs befinden. Die Absicht des Ministers ist eine sehr lobenswerthe; aber ich möchte nach den Verhältnissen des Westens bezweifeln, daß man auf diese Weise etwas erreichen kann; sonst wäre doch die Provinzialverwaltung die nächste dazu. Als wir das Dotationsgesetz machten, ging die Absicht dahin, daß die Ausgaben für Landwirthschaftspflege auf die Provinzen übergehen sollten, der Staat solle sich nur die großen Zwecke vorbehalten. Man könnte auf diesem Gebiet mehr leisten, wenn die landwirthschaftlichen Vereine unter Vorsitz der Landräthe darauf verzichten, sich mit Währungsfrage, Antrag Kanitz u. s. w. zu beschäftigen. Bei den Domänen, insgesammt gerechnet, ist der Rückgang der Pachterträage nur 9 % in 1s Jahren; das ist weniger, als die Zinsrente in derselben Zeit zurück⸗ gegangen ist. Erwägenswerther wäre es, die 18 jährige Pachtperiode zw verkürzen und die Domänen im Osten zu verkleinern. Der Ge⸗ treidebandel leistet, das will ich zugeben, an manchen Stellen nicht das Richtige; es könnte durch Genossenschaften etwas gebessert werden. Aber im allgemeinen bin ich nicht der Meinung, daß die Genossen⸗ schaften mehr erreichen werden. Probieren geht über studieren! Das richtig; aber probieren unter Staatshilfe ist nicht das richtige robieren. Die Proben müßten selbständig Pac werden. h den Schulze⸗Delitzsch'schen Genossenschaften ist erst etwas geworden, als sie das Subventionsprinzip aufgaben. Die Viev⸗Staffeltarife halte ich für überaus nützlich, nicht bloß für die Allgemeinheit, son⸗ dern auch für die Konsumenten. Die Minister sollten sich nicht be⸗ irren lassen durch die Interessenten des Westens. Die dichtgedrängte Industriebevölkerung des Westens verlangt eine bessere Fleischzufuhr. Sollte man darauf nicht Rücksicht nehmen, so würden die Eisenbahn⸗ tarife Binnenzölle werden. Bezüglich der Viehseuchen muß doch unter⸗ sucht werden, ob die jetzigen Maßregeln nicht zu weit gehen, ob sie nicht auf eine Preissteigerung hinausführen. Wunderbar ist es doch, daß das vorsichtige England die Einführung geschlachteten leisches von Amerika nicht für gefährlich hält. Die preußischen Seestädte führen Klage über das Einfuhrverbot für dänische Schweine. Sie haben die Quarantäne⸗Anstalten mit großen Opfern eingerichtet ind hofften, daß solche Verbote nicht mehr vorkommen würden. Diese Maßnahmen betrachtet die Cleveland'sche Botschaft. ja auch hauptsächlich als gegen Amerika gerichtet. Im Ministerium des Innern haben wir ja einen Wechsel erlebt. Ich fühle mich veranlaßt, anzuerkennen, daß diesmal das konstitutio⸗ nelle System angewendet ist. Die kollegiale Verfassung des Ministeriums ist zur Geltung gekommen, der Minister⸗Präsident selbst hat die Gründe der Erälassang dem Entlassenen mitgetheilt. Das Verdienst des Ministers von Köller war die Verdoppelung des Polizeifonds und die Gründung der Berliner Korrespondenz. Aber srotzdem werden immer noch Nachrichten anderweitig verbreitet. Merkwürdig ist dabei aber das Verfahren des Polizei⸗Prä⸗ sidums, welches die Nachrichten zu versteigern scheint. Es waren auch weitergehende Nachrichten aus dem Bereich der Thätigkeit des Polizei⸗Präsidiums angeboten. Ich weiß nicht, wo die Einnahmen gebucht werden. Die Veröffentlichung solcher Nachrichten aus Polizeikreisen erfol gt doch im öffentlichen Interesse. Der Minister des Innern ist noch, wie bemerkt worden ist, ein unbeschriebenes Blatt, er hat keine parlamentarische Vergangenheit, er ist gewiß kon⸗ servativ, wie alle unter Herrn von Puttkamer beförderten Beamten. Mit Rücksicht auf das Vertrauen des Parlaments wird ja kein Minister berufen. Der Minister des Innern hat so mehrere Aufgaben von seinem Vorgänger überkommen. Es hat mich gefreut, daß er die Vorschriften über die Versicherungen aufs neue prüfen will. Die Vorschriften entsprachen mehr dem statistischen Bedürfniß als den Zwecken einer Kontrole; sie gingen zu weit. Die Vorschriften sind nicht erlassen, um die amerikanischen Gesellschaften aus Deutschland zu entfernen, wenn auch diese vielfach davon besonders betroffen werden. Eine Reform der Vorschriften empfiehlt sich, so z. B. be⸗ züglich der Kautionspflicht der Gesellschaften; dagegen sind befonders unsere Gesellschaften, weil sie eine gleiche Maßregel vom Auslande be⸗ fürchten. Gefreut hat es mich ferner, daß der Minister des Innern das Sparkassengesetz nicht als etwas Fertiges übernehmen will, daß er sich eine Prüfung vorbehält. Mir ist lange kein Gesetzentwurf zu Gesicht gekommen, der ein solcher Auswuchs ist von falschen fiskali⸗ schen und sozialen Gesichtepunkten. Die Kommunen sollen das Risiko übernehmen ohne jede Entschädigung und unter großer Beschränkung der Verwaltung. Die Hannoveraner sind schon fleißig in der Kritik, das ist um so interessanter, als die Feder des Finanz⸗Ministers bei dem Entwurf mitgearbeitet zu haben scheint. Ob die Prozesse gegen die sozialdemokratischen Vereine mehr von der Staatzanwaltschaft oder von der Polizei ausgehen, lasse ich dahingestellt. Man richtet die Splitter bei einer Partei und übersieht dabei, daß die⸗ elben Dinge vorkommen bei den landwirthschaftlichen Vereinen. Ein solches Vorgehen hindert die Organisation jeder Partei. Ich möchte den Minister bitten, unsern Antrag im Reichstage wegen Aenderung des Vereinsgesetzes zu atfestgzsa. Geschieht das nicht, so wird eine Prämie darauf gesetzt, welche2 artei es am besten ver⸗ steht, Verstecken zu spielen mit der Polizei. Besonders drin end ist auch die Reform des Wahlrechts. In diesem Jahre zieht die Steuer⸗ reform ihre vollen Konsequenzen zum ersten Mal, weil die Vermögens⸗ tuer und die neue Veranlagung der Gebäudesteuer hinzukommt. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß sich wiederum die Zahl der Wähler erster Klasse um 60 % vermindert hat, trotzdem die Gesammtzahl der Wähler um 14 % gestiegen ist. Und sehen Sie sich die Klassenbildung an! In einem Bezirk kommt man mit 20 000 ℳ teuer nicht in die erste Klasse, in anderen aber schon mit 40 ℳ an sollte um so mehr reformieren, als die Autorität des gesetz⸗ schendes Koͤrpers auch bedingt wird durch die Art der Wahl. Wir id Freunde des Lehrerdotationsgesetzes; wir sind der Meinung, daß
an
Ministers Schranken; jetzt hängt schließlich alles ab von
der jeweiligen Anschauung des Ministers oder gar eines einzelnen
Schulraths. Die Stadt Berlin macht ja damit sehr seltsame Erfahrungen.
Die Zedlitz'sche Maäßregel, betreffend den Religionsunterricht der
Dissidentenkinder, wird fortgeführt. Man belebt dadurch nur die frei⸗
religiöse Richtung. Die Mehrheit dieses Hauses wird dieses
Verfahren nicht billigen; wenn der Minister wegen der gericht⸗
lichen Urtheile die Sache nicht ändern will, dann sollte er
eine Vorlage darüber machen. Mich hat lange nichts so überrascht,
wie das Verhältniß zu den Gemeinden, welches im Gesetz zum Aus⸗
druck gekommen ist. Die großen Gemeinden werden verkürzt in ihren
Staatszuschüssen; nur für die ersten 20 Lehrer sollen Zuschüsse gewährt
werden. Das läuft schnurstracks entgegen dem, was das Haus gewollt
hat. Die Entwürfe der Minister von Goßler und von Zedlitz ent⸗
hielten eine solche Bestimmung nicht, und sie sind doch auch vom
Finanz⸗Minister gebilligt worden. Man hat sich die Theorie zurecht
gemacht, daß die großen Gemeinden wohlhabender sein sollen. Aber
der Zuzug in die Städte besteht gerade aus armen Leuten, die mit 4 oder 6 ℳ Steuer veranlagt sind, während jedes Schulkind 60 ℳ Zuschuß kostet; zudem ist die Schulbaulast in diesen Städten eine sehr viel größere als in kleinen Städten. Wenn die Berliner Vororte einverleibt werden, dann ffällt die Staatsunterstützung fort, und die Schullast wird noch größer. In dieser Vorschrift liegt ja gleichsam eine Strafe für die Anstellung neuer Lehrer. Es giebt arme Landgemeinden, aber auch reiche; es ist aber nicht möglich gewesen, leistungsfähige Schulgemeinden zu schaffen. Die Berufung auf die Verfassung ist nicht zutreffend; denn sonst wäre unsere ganze Schulgesetzgebung der letzten Jahre verfassungswidrig. Der Leistungsunfähigkeit der Gemeinden wollen wir Rechnung tragen; die ärmeren Gemeinden sind schon besser gestellt bei den Pensions⸗ zuschüssen u. s. w. Es heißt, 270 % würden für die Schule aufgebracht auf dem platten Lande; darin sind aber die Staatszuschüsse, die doch nicht aufgebracht werden, mit enthalten. Schon jetzt bekommt das platte Land mehr Zuschüsse für Schulzwecke, als es selbst aufbringt, und wenn die Vorlage angenommen wird, wird es mehr erhalten, als es an Einkommen⸗ und Vermögenssteuer aufbringt. Ist das ein ge⸗ rechtes Verhältniß? Eine solche ungerechte Behandlung der großen Städte ist bis jetzt selbst von den extremsten Agrariern nicht verlangt worden. Die Macht dazu hat ja der Landtag; aber nur, weil die Städte nicht genügend vertreten gewesen sind. Im Herren⸗ hause sitzen nur 47 Vertreter der Städte, und dennoch repräsentiert der Bürgermeister von Berlin mehr an Steuer⸗ leistung, als die sämmtlichen Grafenverbände u. s. w. Die selbständigen Stadtkreise bringen die Hälfte sämmtlicher direkten Staatsstenern auf. Die Stadt Berlin, die den sechsten Theil der Staatssteuer aufbringt, hat nicht den dritten Theil der Vertreter, die sie haben müßte. Es ist Unzufriedenheit genug vorhanden. Man thäte gut daran, nicht durch solche krasse Vorschläge noch mehr Unzufriedenheit zu erregen. Wir werden ja wenige Fortschritte machen in der Gesetzgebung; aber verhüten wir wenigstens, daß diese Vorlage zu stande k
(Schluß des Blattes.)
— Beiden Häusern des Landtags sind die Nachrichten von der Verwaltung der preußischen Staatsbergwerke, Hütten und⸗Salinen während des Etatsjahres 1894/95 sowie die Verhandlungen des Landes⸗Eisenbahnraths im Jahre 1895 zugegangen.
— Die Kommission des “ für die Vor⸗ berathung des Gesetzentwurfs, betreffend das Anerbenrecht bei Renten⸗ und Ansiedelungsgütern, hat sich konstituiert und den Landes⸗Direktor Dr. von Levetzow zum Vorsitzenden, den Frei⸗ herrn von Landsberg⸗Velen⸗Steinfurt zum Stellvertreter des Vorsitzenden, den Ober⸗Bürgermeister Westerburg zum Schrift⸗ führer und den Grafen von Hutten⸗Czapski zu dessen Stell⸗ vertreter gewählt.
— Der Hofbesitzer Lassen, Mitglied des Hauses der Abgeordneten für den 2. schleswig⸗ holsteinischen Wahlbezirk, ist gestern gestorben. 8
† Das Verzeichniß von Photographien nach Werken der Malerei, das die Verlagsfirma Amsler und Ruthardt hierselbst in Lieferungen herausgiebt, schreitet rüstig seinem Abschluß entgegen. Die letztausgegebene (VII.) Lieferung enthält die holländische Schule des XVII. Jahrhunderts, darunter das 100 Nummern um⸗ fassende Werk von Franz Hals und Rembrandt mit 234 Nummern, ferner die deutsche und englische Malerei des XVII. Jahrhunderts. Dadurch, daß der Aufbewahrungsort der Originale überall gewissenhaft angegeben und die Hauptdaten aus dem Leben der einzelnen Künstler mitgetheilt sind, wird das schlichte Preisverzeichniß von Photographien gewissermaßen zu einem knappen Handbuch der Ge⸗ schichte der Malerei, abgesehen von den Diensten, die es jedem Kunst⸗ freunde bei der Beschaffung des kunsthistorischen Anschauungsmaterials leistet. Sämmtliche in dem Katalog aufgeführten Photographien sind in der Kunsthandlung von Amsler und Ruthardt vorräthig oder schnellstens durch dieselbe zu beziehen.
— In der außerordentlichen Generalversammlung des Vereins für deutsches Kunstgewerbe am Mittwoch, den 22. d. M., wird der Kassenbericht für 1895 vorgelegt werden. In der sich anschließenden ordentlichen Sitzung kommen die Preis⸗ arbeiten für Thür⸗ und Fensterbeschlags⸗Garnituren (Gruppe 1) und für eine Geschäftskarte zur Ausstellung und Besprechung. Die Sitzungen finden im großen Saale des Architektenhauses um 8 bezw. 9 Uhr Abends statt. 8
Gbö“ 8 Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Spanien. Durch Königliche Verordnung vom 15. d. M. ist für Herkünfte aus Rio de “ und Santos wegen dort aufgetretenen Gelb⸗ fiebers Quarantäne angeordnet worden. Außerdem gelten alle Häfen, welche von den beiden genannten Orten in gerader Linie nicht weiter als 165 km entfernt sind, als verdächtig.
Handel und Gewerbe.
ägli Wagengestellung für Kohlen und Kols und in Oberschlesien. 88 AUn der Ruhr sind am 20. d. M. gestellt 12 680, nicht rechtzeitig eine Wagen. geftent bee Wagkn⸗ , sind am 18. d. M. gestellt 4913, nicht recht⸗ zeitig gestellt 254 Wagen.
— Der Aufsichtsrath der Kieler Bank wird der Generalver⸗ fa . 8 5. Februar einberufen wird, für das Jahr 1895 die Vertheilung einer Dividende von 8 ½ % (gegen 8 % im Vorjahr) vorschlagen.
2 lau, 20. Januar. (W. T. B.) Getreide⸗ und Pro⸗ vutin⸗ 8 a rer. E. ana pr. 100 1 100 % exkl. 50 ℳ Verbrauchs⸗ abgaben pr. Januar 49,30, do. do. 70 ℳ Verbrauchsabgaben pr. Ja⸗
nuar 29,80. 1 üv b T. B.) Bei der heute eröffneten Liverpool, 20. Januar. (W ) nin Ees.
die vesgeseßgebung nur abschnittweise zu stande gebracht werden kann. Diese Gesetzgebung setzt endlich der diskretionären Gewalt des
Wollauktion waren die Preise unverändert, waren † billiger. 4128 Ballen wurden verkauft.
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8 1 Egypten. 8.
3. Februar. Verwaltung der Eisenbahnen, Telegraphen und des befere von Alexandrien in Gabbary: Lieferung von Holz. Lasten⸗ eft beim „Reichs⸗Anzeiger“.
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Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 21. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Stuttgart“ ist am 18. Januar Vormittags in New⸗York angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz Hein⸗ rich“ hat am 19. Januar Fescnitte die Reise von Port Said rich Suez fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Darmstadt“ hat am 19. Januar Nachmittags die Reise von Southampton nach Genua fortgesetzt. Der Postdampfer „Willehad“ hat am 20. Ja⸗ nuar Nachmittags Dover passiert. “ „Weimar“ ist am 18. Januar Mittags von New⸗York nach der Weser ab⸗ gegangen. Der Postdampfer „Mark“ hat am 20. Januar Vor⸗ mittags Vlissingen passiert. Der Postdampfer „Weser“ ist am 18. Januar von Rio de Janeiro nach der Weser abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Bayern“ hat am 20. Januar Morgens die Reise von Southampton nach Antwerpen fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Gera“ ist am 18. Januar Nachmittags in Colombo angekommen. 3
Hamburg, 18. Januar. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Aktien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Holsatia“ ist am Donnerstag in St. Thomas an⸗ gekommen. 1 1
London, 20. Januar. (W. T. B.) Die telegraphischen Verbindungen mit Süd⸗Afrika. sind gestärt infolge von Unterbrechungen der Kabel an der östlichen und westlichen Küste. London, 20. Januar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Athenian“ ist am Freitag auf der Heimreise in Kapstadt an⸗ gekommen. Der Union⸗Dampfer „Norman“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen. Der Union⸗ Dampfer „Tartar“ ist gestern auf der Heimreise in Southampton angekommen.
Theater nud Musik.
Konzerte.
Die als Konzertsängerin und Gesanglehrerin in vielen Kreisen wohlbekannte Altistin Frau Dr. Ida Klee gab gestern in der Aula des Falk⸗Realgymnasiums cia Konzert, für welches sie ein gut gewähltes Programm aufgestellt hatte. Mit Meyerbeer'’s „Bettel⸗Arie“ aus dem „Propheten“ begann die Reihe der Vorträge. Ihre klangvolle, unter der bewährten Leitung des
rofessors Engel ausgebildete Stimme, sowie ihre dramatisch belebte Vortragsweise kamen in dieser Arie vorzüglich zur Geltung. Die Reinheit der Intonation und die Deutlichkeit der Aussprache waren musterhaft. Reicher Beifall und mehrmaliger Hervorruf folgte hierauf wie auf den Vortrag einiger Lieder von Schumann, Wagner, Löwe, V. von Woikowsky und W. Sacks. Die bereits öfter gehörte Pianistin Frau Elisabeth Eckstein⸗Rouge unterstützte das Konzert durch einige Piècen von Brahms, Chopin, Liszt und Moszkowski, die sie mit technischer Gewandtheit und schwungvoller Ausdrucksweise vortrug. Das zahlreich erschienene Publikum spendete auch ihren Leistungen wohlverdiente Beifallsbezeugungen. Die Begleitung der Gesänge hatte der Pianist und Komponist Herr W. Sacks übernommen und führte dieselbe lobenswerth aus.
Der Violinist Max Grünberg aus Sondershausen, Lehrer an dem Klindworth'schen Konservatorium hierselbst, gab am Freitag in Gemeinschaft mit der Pianistin Marie von Unschuld und dem Neuen Berliner Symphonie⸗Orchester, welches von Herrn Philipp Scharwenka geleitet wurde, ein Konzert im Saale der Sing⸗ Akademie. Eine schwungvolle, dem Vorvilde Weber's folgende Fest⸗ Ouvertüre von P. Scharwenka eröffnete den Avend; hierauf spielte Herr Grünberg das D-dur-Konzert von Beethoven, freilich nicht ohne einige Unebenheiten im Technischen. Hervorragender war die Leistung der Pianistin, die mit energischem Anschlag und lebendigem Vortrag die Phantasie von Liszt über ungarische Volks⸗ lieder und kleinere Stücke von Schumann, Henselt und Anderen zu Gehör brachte. Fräulein von Unschuld ist eine Wienerin und hat ihre Studien unter Leitung Stavenhagen's gemacht. Herr Grünberg brachte noch einige Piocen von Vieuxtemps und Paganini zur Ausführung, die gleich den Vorträgen der Pianistin mit Beifall aufgenommen wurden. Das Orchester leistete in der Begleitung der Konzertstücke durchaus Lobenswerthes.
Im Königlichen Opernhause gelangt morgen C. M. von Weber's „Freischütz“ unter Kapellmeister Dr. Muck's Leitung in folgender Besetzung zur Aufführung: Agathe: Fräulein Hiedler; Aennchen:
räulein Dietrich; Kaspar: Herr Mödlinger; Max: Herr Sommer;
Ottokar: Herr Bulß; Eremit: Herr Betz; Kuno: Herr Krolop; Kilian: Herr Krasa; Samiel: Herr Schmidt; die Brautjungfern werden von den Damen Weitz, Rothauser und Egli gesungen.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen, am Geburtstag Gotthold Ephraim Lessing's „Nathan der Weise? mit Herrn Klein als Nathan gegeben. Im übrigen lautet die Besetzung: Saladin: Herr Ludwig; Tempelherr: Herr Matkowsky; Recha: Frau von Hochenburger; Sittah: Fräulein Poppe; Daja: Frau Schramm; Patriarch: Herr Oberländer; Derwisch: Herr Arndt; Klosterbruder: Herr Eichholz. 1
Der Orgelvortrag, welchen Herr Otto Dienel morgen, Mitt⸗ woch, Mittags 12 bis 1 Uhr, in der Marienkirche unter Mit⸗ wirkung der Frau Laura Rauchstein⸗Schauchmann und des Organisten Bernhard Irrgang veranstaltet, enthält Orgel⸗ und Gesangs⸗Kom⸗ positionen von Bach, Händel, Beethoven, P. Blumenthal, O. Brieger und O. Dienel. Zum Schluß wird letzterer seine Variationen über „Unsern Kaiser, Gott, erhalte“ vortragen. Der Eintritt ist für Jedermann frei.
Mannigfaltiges. ““
In der vergangenen Nacht gegen 1 Uhr entstand in dem nach dem Wasser zu gelegenen Theil des hiesigen Königlichen Schlosses, in welchem die Königliche Hausbibliothek untergebracht ist, ein Schornsteinbrand, durch den ein Regal mit Büchern der oberen Galerie der Bibliothek vom Feuer ergriffen wurde. Die Feuerwehr war sehr rasch zur Stelle und löschte in kurzer Zeit den Brand. Der angerichtete Schaden ist nicht erheblich.
Die Rekrutenbesichtigung beim 2. Garde⸗Regiment z. F. findet morgen sowie an den folgenden drei Tagen statt. An denselbe Tagen werden auch die Rekruten des Garde⸗ üsilier⸗Regiments, des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 1 und des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 2 besichtigt.
Die Trauerfeier für den verstorbenen hanseatischen Gesandten Dr Krüger hat heute Nachmittag um 2 Uhr in der Wohnung, Viktoriastraße 30, in Anwesenheit des Reichskanzlers Fürsten zu Hohen⸗ lohe⸗Schillingsfürst und unter Betheiligung der höchsten Staats⸗ beamten sowie der Mitglieder des Bundesraths in feierlicher Weise stattgefunden. Die Gedenkrede hielt Hofprediger D. Frommel. Heute Nacht wird die Leiche nach der Vaterstadt des Heimgegangenen, nach Lübeck, überführt, wo am Donnerstag um 2 Uhr die Beisetzung im Erbbegräbniß an der Seite der Gattin und der Eltern erfolgen wird.
Gestern Abend beging der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes in den preußischen Staaten die Feier seines fünfundsiebzigjährigen Bestehens durch eine glänzende fest⸗ liche Veranstaltung in den Saͤlen des Kroll'schen Etablissements, die, der Feier entsprechend, künstlerisch ausgeschmückt waren. Der Staats⸗Minister Dr. von Delbrück, der seit 36 Jahren
als Vorsitzender an der Spitze des Vereins steht,
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