1896 / 21 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

des Vereins der Deutsch⸗Nationalen in Graz zur Feier der Neuerrichtung des Deutschen Reichs. Der Statt⸗ halter Marquis Bacquehem betonte in seiner Erwiderung, der Statthaltereibehörde nicht zugemuthet werden könne, zu Veranstaltungen die Bewilligung zu ertheilen, die nach dem Programm den österreichischen Staatsgedanken ignorierten und die ruhmvolle Geschichte Oesterreichs in geringschätziger Weise darstellten. Es sei Pflicht und Aufgabe der Behörden, den österreichischen Standpunkt zur Geltung zu bringen und nichts zuzulassen, wodurch die politischen Gefühle der Bevölkerung verletzt werden könnten, wenn es in ihrem Wirkungskreise liege, dies zu verhindern. ei der gestern im ungarischen Unterhause fortge⸗ setzten Berathung des Budgets des Ministeriums des Innern erklärte der Minister Perczel: Das jetzige Regierungssystem sei nicht vereinbar mit einer Autonomie der Komitate. enn die äußerste Linke einerseits die Regierung für alles verantwortlich mache, andererseits die Autonomie aufrecht erhalten wolle, so sei dies ein Widerspruch. Mit Bezug auf die Klagen über Wahl⸗ mißbräuche sagte der Minister, die eingeleiteten Unter⸗ suchungen hätten die Grundlosigkeit der Beschwerden ergeben. Die Opposition habe auch nicht einen einzigen Beweis bei⸗ gebracht für Wahlmißbräuche von seiten der amtlichen Organe, welch letztere er gegen Angriffe vertheidigen müsse. Hierauf

wurde das Budget des Ministeriums des Innern im allge⸗ meinen angenommen, und das Haus trat in die Spezial⸗ debatte ein.

Großbritannien und Irland.

Der Prinz Heinrich von Battenberg ist an Bord des Kreuzers „Blonde“ auf der Fahrt von Cape Coast⸗Castle nach Madeira am 20. d. M. Abends 9 Uhr Pnfolge eines

ieber⸗Rückfalls gestorben. Der Kreuzer kehrte sofort nach

ierra Leone zurück, wo die Leiche einbalsamiert und dann von dort nach England gebracht werden wird. Die Königin Victoria empfing die Nachricht von dem Tode des Prinzen gestern Vormittag in Osborne während des Frühstücks. Ob⸗ wohl tief erschüttert, übernahm Allerhöchstdieselbe es dennoch, der Prinzessin Beatrice die Trauerkunde mitzutheilen. Der Hof hat fuͤr sechs Wochen Trauer angelegt.

(Prinz Heinrich Moritz von Battenberg, der dritte Sohn des verstorbenen Prinzen Alexander von Hessen aus dessen morganati⸗ scher Ehe mit der Gräfin Julie von Hauke, war geboren am 6. Ok⸗ tober 1858 und vermählte sich am 23. Juli 1885 mit der Prinzessin Beatrice von Großbritannien und Irland. Der verstorbene Prinz bekleidete in der britischen Armee den Rang eines Oberst⸗Lieutenants n 8 Gouverneur der Insel Wight und des Schlosses Caris⸗

rooke. 8

Der Kriegs⸗Minister Marquis von Lansdowne erklärte,

dem „W. T. B.“ zufolge, gestern Abend in einer in Salisbury ehaltenen Rede, daß die Regierung fortfahren werde, die Ver⸗ ärtung der Rüstungen zu betreiben.

Bei der gestern in Belfast vorgenommenen Ersatzwahl zum Unterhause siegte der Kandidat der Konservativen Sir James Haslett mit einer Majorität von 161 Stimmen über Turner, den Kandidaten der Unabhängigkeitspartei.

Frankreich.

erhielt eine Depesche des General⸗Resi⸗ denten in Madagaskar Laroche aus Tananarivo vom 18. d. M., worin derselbe, dem „W. T. B.“ zufolge, mit⸗ theilt, die Königin habe den von dem Ministerium abge⸗

änderten Protektoratsvertrag unterzeichnet. Das Begräbniß Floquet's hat gestern unter großer Theilnahme aller bekannten politischen Persönlichkeiten statt⸗ Auf dem Kirchhof Pére Lachaise wurden mehrere ilden gehalten. Das Begräbniß trug keinen offiziellen Charakter.

Italien.

Der italienische Botschafter in Wien Graf Nigra hatte, wie „W. T. B.“ aus Rom berichtet, gestern eine Audienz bei dem König und konferierte sodann mit den Ministern Crispi und Baron Blanc sowie mit dem österreichisch⸗ GFarischen Botschaft in Rom Freiherrn von Pasetti.

8 Türkei.

Die Pforte hat, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel er⸗ fährt, die Zustimmung der Mächte zur Einführung von Monopolen für Spiritus, Zigarettenpapier, Zünd⸗ hölzer und Spielkarten nachgesucht. Die Botschafter werden über dieses Ersuchen an ihre Regierungen berichten.

Serbien.

Der Abg. Michael Pavlovic, Präsident des fortschritt⸗ lichen Klubs der Skupschtina, richtete gestern an den Minister des Aeußern eine Anfrage, betreffend das von der ungarischen Regierung erlassene Verbot der Ein⸗ fuhr von serbischem Borstenvieh, welches mit dem Handelsvertrag in Widerspruch stehe. Das Verbot sei ungerechtfertigt, weil die Transporte von serbischen Schweinen an dem Markt in Steinbruch immer gesund an⸗ elangt seien. Die Regierung möge erklären, was sie für die ahrung ihrer vertragsmäßigen Rechte gethan habe, und was sie zum Schutze der wirthschaftlichen Interessen Serbiens vor⸗ zunehmen gedenke. 1 Amerika.

Aus Havanna wird gemeldet, die Kolonne von Luque habe die Bande Maceo's auf ihrem Rückzug überfallen und dieselbe bei Tirado geschlagen; die Insurgenten hätten 27 Todte, die Spanier 2 Todte und 14 Verwundete gehabt. Die Ab⸗ theilung von Hernandez habe eine andere Truppe der In⸗ surgenten bei Guacamayo geschlagen. Der Oberst Vienna

habe in der Nähe von E eine Schaar von 1200 Auf⸗ ständischen angegriffen. Die Spanier hätten die feindlichen Stellungen genommen. Der Verlust der Aufständischen habe sich auf 12 Todte belaufen.

Afrika. Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Adahagamus, de Dolmetscher des Majors Toselli, dem es gelungen sei, am 19. d. M. aus dem Lager der Schoaner zu entweichen, bestätige die Nachricht von den schweren Verlusten auf seiten der Schoaner, sowie daß der Negus Menelik strenge, aber nutzlose Befehle gegen die Vornahme von Razzias erlassen habe. Ras Makonen solle in Ungnade gefallen sin. Theophilos und Ras Agos seien der italienischen Sache treu geblieben. Vom italienischen Unter⸗ händler Felter entsandte Boten berichteten, daß dieser am 20. d. M. mit dem Negus Menelik eine Unterredung gehabt habe, die noch nicht beendet gewesen sei, als sie Mittags das schoanische Lager verlassen hätten. Kundschafter be⸗

stätigten, daß am Sonntag kein Schuß bei Makalle ge⸗ fallen sei. Ein Askari, welcher am 18. d. M. Abends Makalle verlassen habe, berichte, daß der Oberst⸗Lieutenant Galliano Wasser mit Wein in Rationen an die Soldaten habe vertheilen lassen. Der abessinische Prinz Gugsa, der bis vor kurzem in der Schweiz verweilt habe, sei im Lager von Ada⸗ hagamus eingetroffen und vom General Baratieri mit allen Ehren empfangen worden. Baratieri habe dem Prinzen ein Zelt neben dem Hauptquartier anweisen lassen.

Aus Kapstadt ist der „Times“ die Nachricht zugegangen, daß die Verhandlungen gegen die politischen Ge⸗ fangenen in Prätoria am 23. April stattfinden würden.

ameson und seine Offiziere, die vorgestern den britischen Behörden an der Grenze von Natal ausgeliefert wurden, sind nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ in Durban eingetroffen und unverzüglich an Bord des Transportdampfers „Victoria“ gebracht worden, um nach England übergeführt zu werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten be⸗ finden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (22.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan beiwohnte, wurde die Berathung des Reichshaushalts⸗ Etats, und zwar des Etats der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung, beim Titel „Unterbeamte“ fortgesetzt.

Abg. Bebel (Soz.): Nachdem ich im vorigen Jahre aus Ellerbeck die Verwendung von Postunterbeamten zum häuslichen Dienst für die Frau Heföoeewaste zur Kenntniß des Hauses und der Postverwaltung gebracht hatte glaubte ich, daß diesem Uebelstande abge⸗ holfen werden würde. Aber die Frau des genannten Postverwalters erklärte, die Abgeordneten sollten sich um andere Dinge kümmern; sie thäte, was sie wolle, und der Mann thäte auch, was sie wolle. Die Unter⸗ beamten müssen nach wie vor Semmeln holen u. s. w. Aehnliche Dinge wurden von anderen Orten gemeldet. Die Unterbeamten beschwerten sich darüber nicht, weil sie in ihrer Beförderung und Anstellung und in ihren Gratifikationen von den Vorgesetzten abhängig seien. Redner bemängelt ferner, daß Unterbeamte zu Leistungen verwendet würden, für welche sie nicht angestellt sind; Landbriefträger würden zur Bestellung von Packeten in der Stadt verwendet. Die Sonntagsruhe werde auch noch nicht überall genügend gehandhabt; der anwachsende Ver⸗ kehr habe die Arbeitslast vermehrt, so daß sie nur durch Anstellung neuer Beamten überwunden werden könne.

Abg. Iskraut (d. Refp.): Auf Grund des mir zur Verfügung gestellten Materials bedauere ich, daß ich mir bei der Generaldebatte selbst eine gewisse Beschränkung auferlegt habe. Die Schäden rühren her nicht von lokalen Ursachen, sondern von dem nicht richtigen, bureaukratischen Geist, der durch die Verwaltung geht. Ich kann hier nur einige spezielle Dinge zum Vortrag bringen. Die Sonntags⸗ ruhe wird nicht überall so gut beachtet, wie die Postverwaltung be⸗ hauptet. Nach einigen Mittheilungen, die mir gemacht sind, wird in 7 Postämtern überhaupt kein freier Sonntag gewährt. Bei 7 Post⸗ ämtern wird der zweite, bei 11 der dritte, bei 1 der vierte, bei 1 der fünfte bei 1 der siebente Sonntag freigegeben. Da, wo der zweite Ceg freigegeben wird, wird keine Ruhezeit in der Woche gegeben.

Präsident Freiherr von Buol: Die Sonntagsruhe haben wir bei den früheren Titeln erledigt; ich bitte den Redner, nicht darauf zurückzukommen.

Abg. Iskraut: Ich rede von der Sonntagsruhe der Unter⸗ beamten.

Präsident Freiherr von Buol: Ich bitte nochmals, auf die Sonntagsruhe nicht zurückzukommen.

Abg. Iskraut: Ich spreche von der Sonntagsruhe der Unter⸗ beamten, nicht von der der höheren Beamten, welche Sonntags höchstens arbeiten als Sonntagsjäger, wenn sie auf die Jagd gehen. Wenn ich von der Sonntagsruhe nicht sprechen darf, dann will ich von ihrer Alrbeitszeit sprechen. Hält die Postverwaltung diese Art der Sonntagsruhe und Wochen⸗ ruhe für die Postbeamten für legal? Ich frage das um so mehr, als der Vertreter der Reichspartei Herr von Stumm erst untersuchen will, ob die Schäden, über welche die Beamten klagen, auch hier im Hause als Schäden angesehen werden. Wenn die Post⸗ verwaltung nicht freiwillig Wandel schafft, muß der Reichstag sie durch Resolutionen oder Anträge dringend dazu auffordern. Herr von Stumm hat der Postverwaltung die Freundlichkeit gesagt, daß sie es schon besser gemacht habe, als es früher gewesen sei. Es muß aber noch mehr nach dieser Richtung geschehen. Gestern bei dem für den Mittelstand so wichtigen Antrag sagte der Regierungsvertreter, daß die Regierung seit fünf Jahren der Frage näher getreten sei. Die Postverwaltung hat seit 25 Jahren Gelegenheit gehabt, dieser Frage näher zu treten, und doch ist sie noch nicht so nahe getreten, daß Wandel geschaffen ist. Danach ist der Standpunkt der Postverwaltung weit entfernt von dem gerechten Interesse für die Beamten. In einem Ort an der Weser haben die Beamten schon lange genug nach Hilfe geschrieen, sodaß sie sich schließlich himmelschreiend an einen Höheren, an den Gott der Gerechtigkeit gewandt haben, der will, daß jeder Arbeiter seinen Lohn genieße. Die Postbeamten haben weder Ruhe in ihrer Familie, noch können sie den Gottesdienst besuchen. In dem mir Fhgecssngeneg Material aus jenem Ort heißt es: Ein Postbeamter könnte allerdings den Gottesdienst besuchen, wenn er nämlich in einer halben Stunde vom Bureau nach Hause gehen, sich umkleiden, Mittag essen und nach der Kirche gehen könnte. Wie wenig Verständniß für das religiöse Bedürfniß der Beamten herrscht, zeigt der Umstand, daß Herr Singer, ein Vertreter des mosaischen Glaubens, für die Sonntagsruhe ein⸗ treten mußte. Dieser Zustand paßt nicht in die Zeit der Erinnerung an die 25 jährige Wiederkehr des Gründungstages des Reichs. Der General⸗Postmeister würde seinen Titel als Meister mit Ehren tragen, wenn er für die Sonntagsruhe einträte. Es wäre überhaupt b wenn er sich mit Meistern umgeben hätte und nicht mit Ministern juxistischer Herkunft, die keine Fachkenntniß haben. Wenn der General⸗Postmeister nichts weiter fertig bringt, als die Sonntags⸗ unruhe in den Verkehr hineinzubringen, dann hätten wir besser gar keine Postverwaltung.

Präsident Freiherr von Buol: Ich bitte densRedner nochmals, auf die Sonntagsruhe nicht näher einzugehen, und mache ihn auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen des weiteren Abschweifens aufmerksam.

Abg. Iskraut: Ich bin dem Präsidenten dankbar für die Zurecht⸗ weisung. Mein Abschweifen liegt vielleicht an meiner jungen parla⸗ mentarischen Erfahrung. Auf die Gehaltsverhältnisse der Unter⸗ beamten will ich nicht eingehen, weil ich fürchte, daß der Präsident auch dabei ein Zurückgreifen auf die Generaldebatte verhindern würde. Ich will nur über die Kleidung der Unterbeamten einiges bemerken. Ich wünsche, daß die Postbeamten im Winter so gekleidet werden, daß ihre Gesundheit nicht geschädigt wird, ebenso im Sommer. Nur in zwei Fällen wird der Urlaub gewährt ohne Abzug vom Gehalt.

Man versteht aber in Beamtenkreisen unter Urlaub eine Freigabe von

der Arbeit ohne Abzug vom Gehalt. In diesem Sinne wird im allgemeinen ein Urlaub bei der Postverwaltung nicht gewährt.

Bei Schluß des Blattes spricht der Geheime Ober⸗Post⸗ rath Wittko 6 3

Dem Hause der Abgeordneten eine Denkschrift, betreffend die in der Zeit vom 1. April 1893 bis zum 31. März 1895 erfolgten Bauausführungen an denjenigen Foerletstr ghen, über deren Regulierung dem Landtag besondere Vor⸗ lagen gemacht worden sind, sowie der Nachweis über die Verwendung des Dispositionsfonds im Extraordinarium des Etats der Eisenbahnverwaltung für 1894/95 zugegangen.

Nr. 3 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 18. Ja⸗ nuar, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienst⸗Nachrichten. Nachrufe. Nichtamtliches: Der Erweiterungsbau der Reichs⸗ b— in Berlin. Dehnungs⸗ und Spannungsmesser. Der

keubau der Moabiter Brücke in Berlin. (Schluß). Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath A. Busse †. Der Großschiffahrtsweg durch Berlin. Ofto Ferdinand Lorenz †. Vermischtes: Bekannt⸗ machung vom 10. Januar 1896, betr. das von dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten errichtete Stipendium. Feeeeheserben. für eine Stadthalle auf dem Johannisberge in lberfeld. Wettbewerb für Entwürfe zu einem Saalbau in Bay⸗ reuth. Wettbewerb um Entwürfe für die Begleiturkunde zur Grashof⸗Denkmünze. Preisbewerbung für den Rathhausbau in Steglitz. Bücherschau. Neue Patente.

Nr. 2 des „Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatts“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 18. Januar, enthält die Zusatzvereinbarung vom 16. Juli 1895 zum Inter⸗ nationalen Uebereinkommen über den Eisenbahn⸗Frachtverkehr vom 14. Oktober 1890.

Nr. 3 desselben Blattes, vom 21. Januar, hat folgenden Inhalt: Srlasf des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 6. Januar 1896, betreffend „Zeitschrift für Bauwesen“ und „Zentralblatt der Bau⸗ verwaltung“; vom 11. Januar 1896, betreffend bauliche Ausführungen in den zum Bereich der Staatsbahnverwaltung gehörigen Dienft⸗ und fiskalischen Miethwohnungen; vom 16 Januar 1896, betreffend Ver⸗ von Erlassen über Personalangelegenheiten in den Direktions⸗Amtsblättern. Nachrichten.

Entscheidungen des Reichsgerichts. Ist ein Zeuge wegen Ausbleibens vom Termin von dem

Gericht mit Unrecht zu einer Geldstrafe verurtheilt und diese

Strafe nebst Kosten von ihm eingezogen worden, so hat, nach einem Beschluß des Reichsgerichts, I. Zivilsenats, vom 21. Oktober 1895, das Gericht, sobald nachträglich sein Ausbleiben als entschuldigt anerkannt ist, auf Antrag des Zeugen die Rückzahlung der Strafe und Kosten an denselben anzuordnen, dagegen ist es nicht befugt, die Zahlung der vom Zeugen geforderten Zinsen von jenem Betrage und Erstattung der in dieser Angelegenheit von ihm gemachten Portoauslagen anzuordnen. Wegen unentschuldigten Ausbleibens als Zeuge wurde

vom Kammergericht zu einer Geldst afe von 20 verurtheilt. Auf seine Beschwerde wurde dieser Beschluß vom Reichsgericht auf⸗ gehoben, weil nach Lage des Falles dem Beschwerdeführer Gelegenheit hätte gewährt werden müssen, sein Ausbleiben zu rechtfertigen. In⸗ zwischen hatte N. die Strafe und 30 Schreibgebühren zur Gerichte⸗ kasse bezahlt. Infolge der demnächst von N. beigebrachten Beweisstücke erachtete das Kammergericht denselben für entschuldigt und ordnete auf seinen Antrag die Rückzahlung der 20 30 an ihn an, wies dagegen den weiteren Antrag des N. auf Zahlung von 6 % Zinsen vn 20 30 seit der Einzahlung und Erstattung von 50 Porloauslagen ab. Die erneute Beschwerde des N. beim Reichsgericht hatte keinen Erfolg, „da es an gesetzlichen Bestimmungen fehlt, welche das Gericht ermächtigen, die Zahlung der geforderten Zinsen und Portobeträge aus der Staatskasse auf den einseitigen Antrag des Beschwerdeführers anzuordnen. Insbesondere ist weder in der Zivilprozeßordnung, noch in der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige dem Gericht eine solche Befugniß eingeräumt.“ (76/95.)

Der Anspruch auf Ersatz der Heilungs⸗ und Be⸗ erdigungskosten sowie des Vermögensnachtheils, welchen der Ge⸗ tödtete während der Krankheit durch Erwerbsunfähigkeit oder Ver⸗ minderung der Erwerbefähigkeit erlitten hat, gegen den Schaden⸗ ersatzpflichtigen für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Berg⸗ werken ꝛc. herbeigeführte Tödtung 3 Z. 1 des Haftpflichtgesetzes) steht, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Zivilsenats, vom 29. Oktober 1895 zunächst nur dem Getödteten und dessen Nachlaß zu, seinen Angehörigen also nur in so weit, als sie seine Erben ge⸗ worden sind. Durch dasselbe Urtheil hat das Reichsgericht ferner ausgesprochen, daß auch ein Kind, welches erst nach dem tödt⸗ lichen Unfall seines Vaters geboren worden, einen An⸗ spruch auf Unterhaltung gegen den schadenersatzpflichtigen Betriebs⸗ unternehmer hat. (179/95.)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Für die Annahme eines gewerbesteuerpflichtigen Gewerbe⸗ betriebes einer Aktiengesellschaft kommt es, nach einer Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts, VI. Senats, 1. Kammer, vom 18. April 1895, nicht darauf an, ob die Aktiengesellschaft gewisse Geschäfte nach den Statuten betreiben kann, sondern darauf, ob sie solche that sächlich betreibt. (VI G. 1150/94.)

Für die Oeffentlichkeit eines Flusses ist, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, IV. Senats, vom 6 Nobember 1895, rechtlich ohne Belang, wer von ihm die Nutzungen zieht, es kommt vielmehr nur darauf an, ob der Fluß an der betreffenden Stelle schiffbar ist. Der Wegebaufiskus hat vermöge der ihm in Ostpreußen gesetzlich obliegenden Verpflichtung zur Unterhaltung der Land⸗ und Heerstraßen auch die im Zuge der Landstraße von Mehl sack nach Mühlhausen über die Passarge führende Brücke zu unter halten. Dieselbe liegt auf der Kreisgrenze zwischen den Kreisen Pr.⸗Holland und Braunsberg, und die Passarge bildet dort zugleich die Grenze zwischen der Feldmark der Gemeinde Wusen und dem Gutsbezirk Spanden. Infolge dessen nahm der Fiskus auf Grund

der §§ 13 flg. Tit. 15 Th. II A. L.⸗R. auch die Gemeinde Wusen

auf Leistung der zu den Brückenreparaturen nothwendigen Hand⸗

Gund Spanndienste in Anspruch, welche aber diese Leistung ablehnte,

indem sie geltend machte, daß die Passarge, wenn auch an der frag lichen Stelle nicht schiffbar, dennoch ein öffentlicher Fluß sei, wei der Fiskus die Nutzungen, insbesondere der Fischerei, aus ihr ziehe Auf die Klage des wurde die Gemeinde Wusen verurtheilt, die Hälste der gesammten

die Passarge zwischen Wusen und Spanden erforderlichen Hand⸗ und Spanndienste zu leisten.

lichen Ober⸗Tribunal vertretene gegentheilige Meinung, die dieser Gerichtshof übrigens bereits selbst aufgegeben hatte, ist jetzt auch nach 5 858 des Reichsgerichts als endgültig beseitigt anzusehen. IV 88

Ueber streitige Pensionsansprüche der besoldeten Ge⸗ meindebeamten haben, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungs⸗ gerichts, II. Senats, vom 23. November 1895, die Verwaltungs⸗ gerichte nur und allein darüber zu entscheiden, ab ein Fsss habe Theil des Diensteinkommens als Gehalt in Ansatz zu kommen habe oder nicht. „Das Zuständigkeitsgesetz vom 1. August 1883 bestimmt in § 20 Abs. 4 Folgendes:

5 beamten beschließt, soweit nach den

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zur Unterhaltung der Brücke über sst. Die

kbwommt in der urwüchsigen Schilderung eines „Cimbernkampfes“ zu

Die Revision der Beklagten wurde vom Ober⸗Verwaltungsgericht zurückgewiesen, indem es ausführte: „Nach der Judikatur des Ober⸗Verwaltungsgerichts besteht jetzt kein Zweifel mehr darüber, daß ein Fluß nur soweit als ein öffentlicher gelten kann, wie seine Schiffahrt reicht. Die früher von dem vormaligen König⸗

Ueber streitige Pensionsansprüche der besoldeten Gemeinde⸗ G Gemeinde⸗Verfassungsgesetzen die Beschlußfassung der Aufsichtsbehörde zusteht, der Bezirksausschuß, unnd zwar, soweit der Beschluß sich darauf erstreckt, welcher Theil des Diensteinkommens bei Feststellung der Pensionsansprüche als Gehalt anzusehen ist, vorbehaltlich der den Betheiligten gegen⸗ einander zustehenden Klage im Verwastungsstreiiberfahren, im übrigen vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges. Der weitere, eirem solchen Beschlusse gegenüber sich darbietende Weg bestimmt sich nach dem Gegenstande, in Ansehung dessen die Be⸗ theiligten den Streit fortsetzen. Soweit es sich darum handelt, welcher Theil des Diensteinkommens bei Feststellung der Pensions⸗ ansprüche als Gehalt anzusehen ist, unterliegt der weitere Streit der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren. In allen anderen Fragen dagegen sind die Parteien auf den ordenklichen Rechtsweg bsree . (II 1754.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Deutschlands Roheisenproduktion. Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher

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Eisen⸗ und Stahlindustrieller belief sich die Roheisen⸗

produktion des Deutschen Reichs (einschl. Luxemburgs) im Monat Dezember 1895 auf 510 405 t; darunter Puddelroheisen und Spiegel⸗ eisen 141 675 t, Bessemerroheisen 27 458 t, Thomasroheisen 263 288t, Gießereiroheisen 77 984 t. Die Produktion im Dezember 1894 betrug 498 233 t, im November 1895 489 822 t. Vom 1. Januar bis 31. Dezember 1895 wurden produziert 5 788 798 t gegen 5 559 322 t im gleichen Zeitraum des Vorjahrs.

Die See⸗ und Küstenfischerei 1894 von den preußischen Küsten aus.

(Stat. Korr.) Von den Fischerei⸗Aufsichtsbeamten wurden im Jahre 1894 Erhebungen darüber vorgenommen, in welchem Umsang von den preußischen Küsten aus die Fischerei in der Nord⸗ und Ostsee sowie in den Haffgewässern betrieben wird. Diese Aufnahme erstreckte sich jedoch nur auf die wichtigeren Fischereistationen, weshalb ihre Ergebnisse, wie auch in der betreffenden Veröffentlichung („Statistik der See⸗ und Küstenfischerei“, Berlin 1895) vs.se M. wird, einen Anspruch auf unbedingte Genauigkeit nicht überall machen können; immerhin werden sie aber ein annähernd zutreffendes Bild über die Fischereiverhältnisse an den preußischen Küsten zu geben ge⸗ eignet sein.

Stellt man die so gewonnenen Zahlen zusammen, so ergiebt sich, daß 14 902 Berufs⸗ und 11 408 Gelegenheitsfischer unter Heran⸗ ziehung von 1672 Fischerknechten und Arbeitern die See⸗ und Küsten⸗ fischerei während des Jahres 1894 in Preußen ausübten. Die dabei benutzten Fahrzeuge waren zahlreich, und deren Benennung ist je nach den Gegenden ungemein verschieden. Wir finden aufgeführt: 318 Angel⸗ kähne, 6158 Fahrzeuge, die als Boote, Feneh. ohne Segeleinrichtung, offene Boote, Fischerboote oder Jollenkähne bezeichnet werden, 738 Sicken,

728 Lommen, 48 gedeckte Lachskutter, 6 Lachskutter, 71 Lachsangel⸗

boote, 584 große Kähne mit Segeleinrichtung, 75 Handkähne ohne Segel⸗ einrichtung, 299 Strandgarnboote, 741 Strömlings., Flundernetz, Zeesen⸗ und Dorschangelboote, 1419 Küsten⸗Fischerboote und Kähne, 202 ge⸗ deckte Hochseeboote (darunter ein kleiner Dampfer), 289 Fischhandels⸗ fahrzeuge, 352 Netzsegelboote, 310 Streuer⸗ und Garnboote, 483 Quasen, 59 gedeckte Fischerfahrzeuge (Elbkutter, Hamenever), 112 halbgedeckte Fahrzeuge (Buttjollen, Schaluppen), 4 Heringslogger, 208 Ever und Kutter. Ein Theil dieser Fahrzeuge wurde nur bei der Hochseefischerei benutzt, bei der außerdem noch 28 Fischdampfer in Thätigkeit waren. Von letzteren waren 20 in Geestemünde, 3 in Kranz (Kreis Jork), 5 in Altona beheimathet. „Die Fischdampfer betreiben ausschließlich Grundschleppnetz⸗Fischerei mit der Kurre (Trawlnetz). Der Hauptfang besteht aus Schellfischen, Kabeljau, Seehechten, Schollen, Rochen und Knurrhahn, außerdem in Seezungen, Steinbutten und Kleißen. Während der Wintermonate wird auch vereinzelt Stör gefangen, für den in Glückstadt eine Anlage zur künstlichen Aufzucht eingerichtet worden

8 ist. Der Fang der Fischdampfer ist verschieden und schwankt zwischen

10 000 und 30 000 Pfd. In den letzten Jahren betrug derselbe selten über 30 000 Pfd., gegen 40 000 bis 50 000 Pfd. in früheren Jahren. In der Regel macht ein Dampfer jährlich etwa 40 Reisen. Im Sommer dauert eine Reise etwa 8 bis 10, in den Wintermonaten 10 bis 12 Tage, je nach der Ergiebigkeit des Fangs und je nach der Witterung. Nach dem jedesmaligen Fang werden alle Fische sogleich geschlachtet, ausgeweidet und in dem dazu eingerichteten Fischraum möglichst jede Sorte für sich in Eis verpackt. Der Bruttoverdienst eines Dampfers beträgt im Durchschnitt jährlich 60 000 bis 70 000 ℳ; dagegen werden die durchschnittlichen Unkosten einschließlich einer auf 10 v. H. bemessenen Abschreibung für Abnutzung jährlich auf 50 000 bis 60 000 veranschlagt. Die Dampfer haben regelmäßig zehn Mann Besatzung. 8

Nicht außer Acht zu lassen ist, daß unter obigen Eeeesuen die

in den übrigen deutschen Hafenplätzen beheimatheten, insbesondere

diejenigen von Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Rostock und anderen Hafenplätzen, nicht mit inbegriffen sind. Wie erheblich die von hier

aus betriebene Hochseefischerei ist, zeigt unsere Quelle, nach 8e.

allein für Hamburg der Werth der in der Seefischerei benutzten Fahr⸗ zeuge (darunter 11 Fischdampfer) einschließlich der Fanggeräthe auf 1 050 000 veranschlagt, der durchschnittliche jährliche Bruttoertrag derselben auf 700 000 geschätzt wird, die Hochseefischerflotte von Blankenese aber aus 19 Kuttern und 38 Evern, diejenige von Hamburg⸗Finkenwärder aus 58 Kuttern und 100 Evern besteht.

5 Zur Arbeiterbewegung. .““ Aus Glasgow meldet „W. T. B.“, daß der Ausstand der chiffsbauarbeiter beigelegt worden ist. Der Arbeiter⸗ vollzugsausschuß in London hat beschlossen, die in Carlisle ver einbarten Bedingungen sollten angenommen und die Arbeiter in Belfast angewiesen werden, die Arbeit sofort wieder aufzunehmen.

Kunst und Wissenschaft.

†† Die Januar⸗Ausstellung des Kunst⸗Salons von

F. Gurlitt zeigt eine vornehme Physiognomie; in den intim aus⸗ gestatteten, wenngleich allzu ungünstig beleuchteten Räumen hat sich ine erlesene Gesellschaft von Meisterwerken ihr Rendez⸗vous gegeben. Arnold Böcklin hat drei Werke, die auf der vorjährigen Aus⸗ stellung der Münchener Sezession mit anderen zu einer Bewunderung seischenden Böcklingruppe vereinigt waren, hergesandt. Eine römische Landschaft im Stile Poussin's zählt zu den fruͤheren Schöpfungen des Meisters, denen allerdings jugendliche Befangenheit kaum anzumerken ungestüme Leidenschaftlichkeit seines Temperaments »vollem Ausdruck, während der 1895 in Temperatechnik gemalte Kopf der Maria Magdalena uns die Tiefen seines Empfindungslebens er⸗ schlißt. Hermann Hendrich, G. Cairati und F. von Schennis müssen sich in dieser Nachbarschaft damit begnügen, dem unvergleichlichen Genie des schweizer Farbendichters als bescheidene olie zu dienen. In das Lager der Naturalisten ohre Furcht und adel führen uns die Gemälde Max Liebermann's, unter denen namentlich zwei holländische Dünenstudien den Beweis liefern, daß es auch der malerischen Prosa nicht an poetischer Stimmung fehlt. Auch die Interieurs von Gotthardt Kühl, ebenfalls Bekannte von der letzten Sezessionsausstellung in München, sind nicht nur virtuose Farben⸗ capriccios, sondern auch Schilderungen von echt deutscher Intimität und Traulichkeit. Wilhelm Leibl steht mit seinen Charakter⸗ köpfen in der malerischen Durchführung wie in der Auffassung und im Ausdruck über senge Kritik; ebenso ist die großzügige Naturauf⸗ fassung der Thierstücke von Bruno Liljefors in Berlin bereits wiederholt bewundert worden; seine „Auerhahnbalz“ und „Habicht“,

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Naturausschnitte von überraschender Unmittelbarkeit, rufen sie in willkommene Erinnerung. Die schottische Landschafterschule repräsen⸗ tieren Whitelaw Hamilton und James Paterson in einigen sehr charakteristischen Beispielen.

Von jüngeren Berliner Malern bezw. Malerinnen haben L. Dett⸗

mann, Curt Herrmann, Fanny Levy, H. Rosenberg und L. Ury die Ausstellung beschickt. Dettmann's Landschaften haben neuerdings etwas von ihrer ursprünglichen Kraft eingebüßt; immerhin sind es achtunggebietende Leistungen eines feinfühltgen Talents. Herrmann führt eine neue Variation seiner Harmonien in Roth und Violett in einem zartgestimmten Interieur ins Treffen, Lesser Ury einige kraftvoll impressionistische Landschaftsstudien, während Rosen⸗ berg's impressionistische Versuche bei aller Prätension den Stempel der Unreife tragen. Daß naturalistische Kraft auch ohne breitspurigen Farbenaufwand ihre volle Wirkung behält, beweisen schlagend die energisch, aber zielbewußt hingesetzten Originalradierungen von Joseph Israels. J. Sperl, der Freund und Mitarbeiter Leibl's, hat eine Reihe landschaftlicher Bilder und Studien bei⸗ B denen allerdings mit der Staffage Leibl's ihr Bestes fehlt. Flott und geistreich sind die mit der Feder gezeichneten Karikaturen von S. May in London ausgeführt. Auch die Skulpturen des in Paris ausgebildeten Berliner Bildhauers F. Flaum ver⸗ rathen ein beachtenswerthes Talent, das sich jedoch an größeren Aufgaben noch erproben muß. —— Am 21. d. M. verstarb in Jena der Geheime Rath, Pro⸗ fessor Dr. theol. et phil. Gust av Stickel, welcher im vorigen Jahre unter großen Ehrungen die Vollendung seines 90. Lebensjahres feierte. Stickel war am 18. Juli 1805 in Eisenach geboren, studierte in Jena und hat dann seit 1827 der dortigen Universität als Lehrer an⸗ gehört. Er habilitierte sich in der theologischen Fakultät und wurde in dieser 1830 zum außerordentlichen Professor befördert; erst mit seiner Ernennung zum ordentlichen Professor trat er in die philosophische Fakultät über. Er war der hervorragendste Kenner des orientalischen Münzwesens; sein Haupt⸗ werk ist das „Handbuch zur morgenländischen Münzkunde“, das 1845 und 1870 in zwei Bänden erschien. Von anderen Schriften seien er⸗ wähnt: „Das Buch Hiob, rhythmisch gegliedert und übersetzt“ (1842) und „Das Hohelied in seiner Einheit und dramatischen Gliederung mit Uebersetzung“ (1888).

Aus Wien wird das Ableben des Professors Brunnen⸗ meister, Lehrers für Strafrecht an der dortigen Universität, gemeldet.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Niederlande.

S8ufolge Verfügung des Khniglich niederländischen Ministers des Inneen sind die seiner Zeit gegen Marokko angeordneten Quarantäne⸗ maßnahmen nunmehr in ihrem ganzen Umfange wieder aufgehoben worden. (Vgl. „R ⸗Anz.“ Nr. 6 vom 8. d. M.)

Cholera. Desterreich⸗Ungarn. In Galizien wurden vom. 7. bis 14. Januar aus 2 zu 2 politischen Bezirken gehörenden Gemeinden 8 Erkrankungen (5 Todesfälle) gemeldet, davon 2 (—) im Bezirk Przemysl, 6 (5) im Bezirk Trembowla.

Egypten. Bis zum 9. Januar wurden nachstehende weitere Erkrankungen (und Todesfälle) gemeldet: in Alexandrien am 4. Januar 1 (—), in Charkieh am 30. und 31. Dezember 2 (2), in San el⸗Hagar am 2. und 3. Januar 1 (1), in Bossat am 6. Januar und in Mit Chaddad am 7. Januar je 1 (—), in El⸗Kurdi am 29. Dezember 1 (1), in Mansurah vom 29. De⸗ zember bis 1. Januar, in Zagazig und Borachia am 1. und 2. Januar und in Faraskour vom 29. Dezember bis 7. Januar je 2 (2), in Zarka vom 29. Dezember bis 7. Januar 5 (3), in Abu⸗el⸗Chekuk am 4. Januar 1 (—), insgesammt 21 (15).

Konstantinopel, 22. Januar. (W. T. B.) In drei Ort⸗ schaften des Vilajets Bitlis sind seit dem 15. Januar 71 Er⸗ krankungen an Cholera vorgekommen, von denen 49 einen tödtlichen Ausgang nahmen.

Ostindien. Kalkutta. Vom 1. bis 14. Dezember 1895 starben 94 Personen an Cholera und 650 an Fiebern.

Gelbfieber.

In Rio de Janeiro wurden den „Abstr. of sanit rep.“ und den „Public health reports“ zufolge vom 10. bis 16., vom 17. bis 23. November und vom 1. bis 7. Dezember 7, 18 und 29 Todesfälle festgestellt, in Pernambuco in den beiden Wochen vom 3. bis 16. No⸗ vember je 2, ferner auf Cuba in Cienfuegos vom 9. bis 15. De⸗ zember 2, in Santjago in den 3 Wochen vom 1. bis 21. Dezember wöchentlich 20, 17 und 12, in ö“ in den 3 Wochen vom 29. No⸗ vember bis 19. Dezember wöchentlich 8, 6 ii ungefähr 18, 12 und 8 Neuerkrankungen. 1

Trichinose. 1“

Preußen. Regierungsbezirk Potsdam. In Nowawes bei Potsdam sind in den letzten Tagen des Oktober und der ersten Hälfte des November 1895 insgesammt 21 Personen an Trichinose erkrankt. Die Erkrankungen verliefen zum theil unter schweren Er⸗ scheinungen, haben aber in keinem Fall einen tödtlichen Ausgang ge⸗ nommen. In 17 Fällen wurde festgestellt, daß die Erkrankten trichinenhaltigen Schinken gegessen hatten, der von einem bestimmten Fleischer gekauft war; jedoch wurde bisher noch nicht sicher ermittelt, ob das Schwein, von welchem der Schinken herrührte, der Trichinen⸗ schau entzogen worden war.

Verschiedene Erkrankungen.

Pocken: London 3, Odessa 4, Petersburg und Warschau je 2 Todesfälle; London 20 (Krankenhäuser), Paris 16, St. Petersburg 7 Erkrankungen; Flecktyphus: St. Petersburg 3 Erkrankungen; Rückfallfieber: St. Petersburg 6 Todesfälle und 180 Erkran⸗ kungen; Genickstarre: New⸗York 3 Todesfälle; Milzbrand: Moskau 2, St. Petersburg 1 Todesfall; Influenza: Mehr als 2 Todesfälle in Altona (3), London (13), New⸗York (3); Frankfurt a. O. 22, Nürnberg 21, Hamburg 59, Kopenhagen 125 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern (Durch⸗ schnitt aller deutschen Berichtsorte 1881/90: 1,30 %): in Branden⸗ burg und Lübeck. Erkrankungen kamen vor in Berlin 73, in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 323, Düsseldorf 144, Minden 260, Schleswig 98, Stettin 107, in München 211, Hamburg 31, Buda⸗ pest 205, St. Petersburg 216, Wien 421 an Diphtherie und Croup (1881/90: 4,49 %): in Halle, Kaiserslautern, Königsbütte und Spandau Erkrankungen wurden gemeldet in Berlin 108, in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 127, Düsseldorf 162, in München 56, Hamburg 36, Budapest 30, Kopenhagen 33, London 96 (Kranken⸗ häuser), Paris 110, St. Petersburg 97, Wien 83 desgl. an Scharlach in Berlin 67, Breslau 38, München 32, Budapest 27, Edinburg 45, Kopenhagen 30, London 290 (Krankenhäuser), Paris 63, St. Petersburg 85, Wien 98 desgl. an Unterleibstyphus in St. Petersburg 211.

Der Gesundheitsstand in Berlin blieb auch in der Woche vom 5. bis 11. Januar ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 17,8). Auch in dieser Woche blieben akute Entzündungen der Athmungs⸗ organe vorherrschend und endeten sogar in etwas größerer Zahl, als in der Vorwoche, tödtlich. Erkrankungen an Grippe wurden wohl noch häufig beobachtet, doch sank die Zahl der durch sie bedingten Sterbefälle auf 2. Erheblich seltener als in der vorhergegangenen Woche kamen dagegen akute Darmkrankheiten mit tödt⸗ lichem Ausgange zum Vorschein. Die Betheiligung des Säug⸗ lingsalters an der Sterblichkeit blieb eine geringe; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 44 Säuglinge. Von den Infektionekrankheiten blieben Erkrankungen an Typhus vereinzelt. Erkrankungen an Masern haben etwas ab⸗, an Scharlach und Diphtherie etwas zugenommen, und zwar zeigten sich Erkrankungen an Masern auf dem Wedding, an Scharlach im Stralauer Viertel, an

Diphtherie in der Tempelhofer Vorstadt, der jenseitigen Luisenstadt

und im Stralauer Viertel am zahlreichsten. Erkrankung an Kind⸗

bettfieber kam einmal zur Anzeige. Häufig wurden rosenartige Ent⸗

zündungen des Zellgewebes der Haut beobachtet; auch Erkrankungen

an Keuchhusten, die in 8 Fällen zum Tode führten, gelangten häufig

zur ärztlichen Behandlung. Zahlreich wurden ferner rheumatische Be⸗ t

schwerden aller Art zur ärztlichen Beobachtung geb

Handel und Gewerbe

ägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 22. d. M. gestellt 13 155, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 21. d. M. gestellt 5381, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

1 Zwangs⸗Versteigerungen.

„Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin stand am 21. Januar das Grundstück Freienwalderstraße 23, der Fra Gastwirth Ottilie Hanns gehörig, zur Versteigerung; äche 7,02 a; Nutzungswerth 2010 ℳ; Ersteher wurde für das Mei tgebot von 29 100 der Zimmermeister August Bredow, Soldiner⸗ straße 112. Aufg ehoben. wurden die Termine wegen der Zwangs⸗ verbetsgung des Grundstücks Gipsstraße 19 b., dem Architekten C. F. A. Böhm gehörig.

Die Einnahmen der Königlich bayerischen Staats⸗ bahnen betrugen im Dezember 1895 8 893 844195 948 011) und vom 1. Januar bis Ende Dezember 116 131 500 (+ 4 289 680)

Die Königlich württembergischen Staatseisen- bahnen hatten im Dezember 1895 eine Einnahme von 2 790 407 (+ 123 773) ℳ, und vom 1. April bis Ende Dezember 31 757 316 (+ 2 148 124)

Elbing, 23. Januar. Der Geheime Kommerzien⸗Rath Ferdinand Schichau ist, wie die „Altpreußische Zeitung“ meldet, heute Mittag gestorben.

Breslau, 22. Januar. (W. T. B.) Getreide⸗ und Pro duktenmarkt. Spiritus pr. 100 1 100 % exkl. 50 Verbrauchs⸗ abgaben pr. Januar 49,50, do. do. 70 Verbrauchsabgaben pr. Ja⸗ nuar 30,00. 8

Magdeburg, 22. Januar. (W. T. B.) Zuckerberich Kornzucker exkl., von 92 % 11,85 12,00, neue —,—, Kornzucker exkl. 88 ¾% Rendement 11 40—-11,55, neue —,—. Nachprodukte exkl., 75 % Rendement 8,25 9,25. Stramm. Brotraffinade I 23,75 24,00. Brotraffinade II 23,50. Gem. Raffinade mit Faß 23,75 24,00. Gem. Melis I mit Faß 23,25. Sehr fest. Rohzucker I. Produkt Trans. f. a. B. Hamburg pr. Janua 11,52 bez., 11,55 Br., pr. Februar 11,45 bez., 11,52 ½ Br., pr.

11,50 bez., 11,57 ½ Br., pr. April 11,57 bez., Br, Dezember 11,00 Gd., 11,07 ½ Br. Stramm.

Köln, 22. Januar. (W. T. B.) Wie die „Köln. Volkszt meldet, beträgt die durch das Kohlensyndikat beschlossene Preis erhöhung durchschnittlich 0,50 für die Tonne.

Leipzig, 22. Januar. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Januar 3,22 ½ ℳ, pr Februar 3,25 ℳ, pr. März 3,27 ½ ℳ, pr. April 3,30 ℳ, pr. Ma 3,30 ℳ, pr. Juni 3,32 ½ ℳ, pr. Tuli 3,35 ℳ, pr. August 3,35 pr. September 3,37 ½ ℳ, pr. Oktober 3,37 ½ ℳ, pr. November 3,37 ½ pr. Dezember 3,37 ½ Umsatz 150 000 kg. Behauptet.

Mannheim, 22. Januar. (W. T. B.)

Weizen pr. März 15,60, pr. Mai 15,35 Roggen pr. März 12,90

pr. Mai 12,90. Hafer pr. März 12,40, pr. Mai 12,40. Mais pr.

März 9,90, pr. Mai 9,90. (W. T. B.)

Bremen, 22. Januar.

Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der EE““ Ruhig. Loko 6.35 Br. Russisches Petroleum oko 6,05 Br. Schmalz. Fest. Wilcox 31 ½ ₰. Armour sbield 31 ₰, Cudahy 32 ₰, Choice Grocery 32 ½ ₰, White labe 8 32 ½ 3. Fairbanks 26 ½ 4. Speck. Fest. Short clear middling loto 28 ₰. Reis unverändert. Kaffee fester. Baum wolle. Fest. Upland middl. loko 42 ½ 4. Wolle. Umsatz 135 Ballen. Taback. 198 Seronen Carmen.

Wien, 23. Januar. (W. T. B.) Die österreichisch ungarische Bank hat heute den Diskont von 5 auf 4 ½ % herabgesetzt.

Amsterdam, 22. Januar. (W. T. B.) Ja ordinary 52. -Bancazinn 36 .

Verkehrs⸗Anstalte

Bremen, 23. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Reichs⸗Postdampfer „Bayern“ ist am 21. Januar Nachmittags in Antwerpen angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz⸗ Regent Luitpold“ ist am 22. Januar Vormittags in Colombo angekommen. Der Postdampfer „Bonn“ hat am 21. Januar Abends Lizard passiert. Der Schnelldampfer „Aller“ ist am 21. Januar Mittags von New⸗York nach der Weser abgegangen. Der Schnell⸗ dampfer „Fulda“ ist am 22. Januar Vormittags von Genua nach New⸗York abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Karlsruhe“ ist am 22. Januar Vormittags in Shang hai angekommen.

London, 23. Januar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer ist Montag auf der Ausreise in Kapstadt an⸗ gekommen.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Die erste Aufführung von Ernst von Wildenbruch's Tragödie „König Heinrich' fesselte gestern bis zu ihrem späten Schluß die Aufmerksamkeit der Zuschauer, die sich in stürmischen, durch keinen Mißton gestörten Beifallsbezeugungen kaum genug thun konnten. Die Tragödie besteht aus einem Vorspiel („Kind Heinrich“) und sünf Akten, die den Lebenslauf des deutschen Königs Heinrich's IV. von seiner Kindheit über den Schmerzensgang nach Canossa hinweg bis zu seinem siegreichen Einzug in Rom um⸗ spannen. Die bühnendichterische Kraft Wildenbruch'’s tritt lebendig in der Anlage des Stückes, in der und der Verknüpfung der Schicksalsfäden hervor; aber die Lösung der Verwickelungen ver⸗ leitet den Verfasser, da bei der gewaltigen Spannung der tragischen Entwickelung eine Steigerung kaum noch möglich erscheint, manchmal zur Anwendung theatralischer, wenn auch keineswegs wirkungsloser Mittel zur Hebung der Stimmung. In dem Vorspiel wird mit überraschender Klarheit schon auf die spätere Charakterentwickelung der hervorragenden Personen und auf die zukünftige tragische

Verknüpfung der Geschicke in unscheinbaren Anfängen hingedeutet. In

dem „Kind Heinrich“ zeigt sich der Mann in seinem stürmischen Empfinden, seiner Unerschrockenheit, seinen schnellen Entschlüssen und in seinem Mitgefühl für menschliches Leiden. Die Personen, die be⸗ deutungsvoll in sein Leben eingreifen, ihm Richtung und Gestalt geben, treten ihm in kurzen Scenen gegenüber: seine strenggläubige Mutter, seine sanfte, kindliche Verlobte, die wilde Gespielin Praxedis, der große Gegner Papst Gregor noch als Archidiakonus Hildebrand und die störrischen und grausamen Sachsen⸗ fürsten. Der Dichter zeichnet dann kräftig und klar den Mann, der aus diesem Kinde, das in heiliger Strenge, fern von zärt⸗ licher Mutterliebe aufwuchs, geworden ist: einen König, in dessen Herzen die milden Regungen von gerechtem Haß und Groll über⸗ wuchert worden sind. So tritt König Heinrich in Worms auf und fordert trotzig in stürmischer Jugendkraft den Erdball zum Kampf heraus. Rührend gestaltet Wildenbruch die Scenen, in denen der einsame, vom Bannstrahl getroffene König im Wiederfinden von Kindes⸗ und Gattenliebe, im Erkennen unwandelbarer Unterthanentreue sein trotziges Herz wendet und durch echte Seelengröße den Gang nach Canossa zu einer königlichen That gestaltet. Der große Papst erschien