Mark Twain von der „Millionenwette“ zweier Londoner Banquiers
zu Grunde, nämlich: einem armen Teufel einen unwechselbaren Check 89 eine Million Pfund anzuvertrauen, um zu sehen, ob es ihm gelingen werde, einen Monat hindurch von dem Kredit u leben, den ihm dieser eigentlich werthlose Reichthum gewährt. Der „Hungerleider“ löst seine Aufgabe dadurch glänzend, daß er in den Ruf kommt, ein „spleeniger: Millionär zu sein, der sein ganzes Vermögen in einem Check stets bei sich führt. Um diese amüsante Grundidee rankt sich in dem neuen Stück, das die Vorzüge der Operette, der Posse und des Aus⸗ stattungsstücss in sich vereinigt, das umfangreiche Bei⸗ werk. Der „Hungerleider“ geht auf Reisen; Frankreich, Oesterreich, die Schweiz und Deutschland werden besucht und ziehen in allerlei lustigen, von Kuplets und Tänzen unterbrochenen Scenen vor den Augen der Zuschauer vorüber. Einige Kürzungen würden die Wirkung entschieden noch steigern. Darstellung und Inscenierung waren durchaus lobenswerth. In der Titelrolle zeichnete sich Herr Hanno durch frischen Humor aus; ebenso Anerkennenswerthes leisteten die Damen Kramm, Cornelli, Kraft und Elise Schmidt. In den Tänzen erwies sich das neuengagierte Fräulein Pitéro als sehr schätzenswerthe Kraft. Die Musik des Wiener Operetten⸗Komponisten Louis Roth ist gefällig, ohne sich durch Eigenart irgendwie hervorzuthun. Das Publikum nahm das Werk mit Beifall auf. Konzerte. . 8 Der philharmonische Chor brachte vorgestern im Saale der onie unter der trefflichen Leitung des Herrn Siegfried chs das große „Requiem“ von 1 Berlioz aufs neue und mit dem gleichen künstlerischen Erfslge zu Gehör der die vor⸗ jährigen beiden Aufführungen des gewaltigen Tonwerks be⸗ gleitet hatte. Alle an der Aufführung Betheiligten waren Dauch diesmal erkennbar von ernstem künstlerischem Bestreben durchdrungen, sodaß es dem umsichtigen, verständnißvollen und energischen Dirigenten gelingen konnte, die vielen Einzelkräfte, Chor, Orchester und Nebenorchester, zu einer großartigen Gesammtwirkung zu vereinen, die einen tiefen Eindruck auf die Hörer ausübte. Das Tenorsolo wurde von Herrn Lavin lobenswerth vorgetragen. 1 b Gestern Abend fand im Saal der Philharmonie ein „Russisches Konzert“ unter Leitung des Herrn W. Safonoff aus Moskau statt. Das Programm enthielt drei größere Werke russischer Komponisten, von welchen Tschatkowsky's „Sinfonie pathétique“ und Rubinstein's Klavierkonzert in Es-dur bereits ehrende Anerkennung gefunden haben, während die symphonische Suite „Scheherazade’“ von Rimsky⸗ Korsakow hier noch sehr wenig bekannt ist. Die einzelnen Sätze sind betitelt: „Das Meer und das Schiff Sindbad’'s“, „Die Erzählung des Prinzen Kalender“, „Der junge Prinz und die Prinzessin“, „Das Volksfest in Bagdad“, „Das Meer“, und „Sindbad's Schiff zerschellt an dem Magnetfelsen“. Der Komponist, dessen Vorliebe für die Schilderungen des Meeres sich durch seine frühere Wirksamkeit als Marine⸗Offizier erklärt, folgt unverkennbar dem Vorbilde H. Berlioz's, dessen Größe er aber freilich nicht erreicht; immerhin sind die glänzende, geschickte Behandlung des Orchesters und die vielen tonmalerischen Effekte in seinem Werk zu rühmen. Der Klavier⸗ virtuos J. Lhévinne, welcher das Rubinstein'’sche Konzert mit sicherer Beherrschung der Technik und temperamentvoller Vortrags⸗ weise ausführte, wurde durch den Beifall des Publikums noch zu einer Zugabe animiert. Sämmtlichen Vorträgen des Abends folgte reger Applaus, der auch der wirksamen Betheiligung des Philhar⸗ monischen Orchesters unter dem obengenannten Dirigenten galt. Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Humperdinck's „Hänsel und Gretel“ unter Kapellmeister Weingartner’s Leitung zur Aufführung. Den Hänsel singt Fräulein Rothauser, das Gretel Fräulein Dietrich, die Knusyerhexe Fräulein Reinl. Hierauf folgt das Ballet „Phantasien im Bremer Rathskeller“. Im Königlichen Schauspielhause findet morgen die erste Aufführung von Richard Skowronnek's vieraktigem Lustspiel „Die kranke Zeit“ statt. Die Besetzung lautet: Carla von Nesselkamp:
Fräulein Poppe; Sabine, ihre Schwester: Fräulein von Mayburg; Curt von Nesselkamp: Fräulein Hausner; Breitenstein: Herr Molenar; Dr. Lüchtenau: Herr Vollmer; Valentine Poucette: Frau Schramm; Krugpächter: Herr Hartmann; Minna: Frau Conrad; Blommert: Herr Heine. Das Stück ist vom Ober⸗Regisseur Max Grube in Scene gesetzt. 3
Die wegen der Hoftrauer verschobene Festvorstellung des Zweig⸗ vereins erlin des Vaterländischen Frauen⸗Vereins findet nunmehr am Donnerstag, den 30. d. M., in Kroll’s Theater statt. Das Programm dieser Vorstellung ist so gewählt, daß es neben einer größeren Gesangsanfführung des 180 Personen zählenden Sängerbundes des Berliner Lehrer⸗Vereins eine Reihe lebender Bilder. bei denen die Fürstinnen aus dem Hohenzollernhause den Mittelpunkt bilden, und ein beliebtes einaktiges Repertoirestück des Königlichen Schauspielhauses enthält. Außerdem haben erste Gesangskräfte der Königlichen Oper ihre Mitwirkung zugesagt.
Im Schikler⸗Th eater * morgen die drei einaktigen 5 „Ehrenschulden“, „Das Schweigen“ und „Ohne Liebe“ in
cene.
In der Parochial⸗Kirche (Klosterstraße) findet am Mittwoch, den 29. d. M., zum Besten des seit mehreren Jahren erblindeten Familienvaters Hermann Werth ein Konzert staßt. In demselben wirken mit: die Konzertsängerinnen Fräulein Helene Jahnke (Sopran) und Fräulein Rena Fabrice (Sopran), Herr F. Kleinecke (Bariton), Fräulein Anna Grasnick (Violine), der Organist Herr Ad. Friedrich, ein Posaunen⸗Quartett, bestehend aus den Königlichen Kammermusikern Herren Weschke, Körner, Burghardt I. und II., sowie ein Frauenchor unter Leitung des Fräulein Helene Jahnke. Billets (Altarraum 2 ℳ, Schiff 1 ℳ) sind zu haben in der Hof⸗ Musikalienhandlung von Bote u. Bock, Leipzigerstraße 37, Konzertabend am Eingang der Kirche.
Mannigfaltiges.
Die neue chirurgische Poliklinik der Charité, in dem Tritt'schen, von der Charité angekauften Hause, Luisenstr. 2 (dicht am Luisenplatz, gegenüber der Philippstraße), ist nunmehr so weit vor⸗ bereitet, daß ihre Eröffnung in den ersten Tagen des Februar wird erfolgen können. Mit dem Hauptgebäude der Klinik, dem s. g. Sommerlazareth, ist sie durch den hinter dem letzteren liegenden Garten in unmittelbare Verbindung gebracht. Diese neue Poliälintr wird über alle erforderlichen Warte⸗, Untersuchungs⸗ und wissenschaft⸗ lichen Räumen reichlich verfügen und hinsichtlich ihrer sonstigen Ausstattung und ihres Betriebes durchaus auf der Höhe der modernen Ansprüche stehben. Der Direktor der Kilnik, Geheime Medizinal⸗Rath, Professor Dr. König hat im Einvper⸗ nehmen mit der Charité⸗Direktion und dem vorgesetzten Ministerium das Programm in allen einzelnen Theilen aufgestellt und wird die Oberleitung der Poliklinik persönlich übernehmen. Unter ihm wird als Leiter derselben der von Göttingen hierher versetzte Professor Dr. Hildebrand fungieren, welchem der Stabsarzt Dr. Tilmann mit mehreren Unterärzten zur Seite stehen soll. Die Poliklinik, welcher auch das nöthige Wart⸗ und Dienstpersonal beigegeben ist, wird werktäglich von 10 bis 2 Uhr für das hilfesuchende Publikume zugänglich sein. Die Behandlung ist unentgeltlich; außerdem erhalten Unbemittelte freie Arzneien und Verbandstoffe.
Für das Helmholtz⸗Denkmal sind bisher Beiträge in einer Gesammthöhe von 49 308 ℳ eingegangen. In den letzten Wochen haben dem Denkmalcomité eingesandt: Seine Königliche Hoheit der Herzog Karl Theodor in Bayern 100 ℳ, der Verein deutscher Ingenieure 1000 ℳ, das Leipziger Lokalcomité 1124 ℳ, die Deutsche Gesellschaft für Mechanik und Optik 1329 ℳ „Verehrer des Ehrenbürgers von Potsdam“ 580 ℳ, die Familie von Siemens 1000 ℳ, 37 Aerzte⸗ vereine 1612 ℳ und 20 Gulden, drei Gewerbevereine 200 ℳ Als Ergebniß der Sammlung in Karlsruhe gingen 1819 ℳ, ferner aus Rußland 351 Rubel, aus England 4,2 Pfd. Sterl., aus Holland 88 ℳ ein.
“
2
Aus der Mitte der Stadtverordneten⸗Versammlung ist der Antrag gestellt worden: den Magistrat zu ersuchen, mit dem Bau eines Feuerwehrdepots in der Tempelhofer Vorstadt schleunigst vor⸗ zugehen und die erforderlichen Mittel in den Etat pro 1896/97 ein⸗ sowie während der anderthalbjährigen Bauzeit provisorisch eine Filiale der Feuerwehr dort zu errichten bezw. in einem städtischen „ oder in Miethsräumen einen ständigen Löschzug unter⸗ zubringen.
Am Montag Abend fand, von der Deutschen Gesellschaft für volksthümliche Naturkunde veranstaltet, im Bürger⸗ saale des Rathhauses ein fesselnder Vortrag des Astronomen der Grunewald⸗Sternwarte und Erbauers des Riesen⸗Fernrohrs für die Berliner Gewerbe⸗Ausstellung 1896, Herrn F. S. Archenhold, über das Thema: „Ein Tag auf dem Monde“ statt. Der Vor⸗ tragende zeigte an wirksamen Projektionsbildern die Stellung des Mondes im Planetensystem, das Zustandekommen seiner verschiedenen Eee und seine physikalische Einwirkung auf unseren
erdenball, welche letztere an einem sinnreichen Modell noch besonders erläutert wurde. Nach einer interessanten Wanderung durch die ver⸗ schiedensten Mondlandschaften mit ihren Gebirgsbildungen und Kratern, von denen eine ganze Reihe vorzüglicher photographischer Aufnahmen der Pariser und der Lick⸗Sternwarte vorgeführt wurde, veranschaulichte Herr Archenhold noch zum Schluß durch einen lehrreichen Versuch die von Herrn Geheimen Bergrath Althans zur Erklärung der Mondkrater zuerst aufgestellte sogenannte Aufsturztheorie, nachdem die von anderen Gelehrten begründeten Theorien zuvor kurz besprochen worden waren. Das zahlreiche welches den Saal bis auf den letzten Platz gefüllt hatte, bekundete durch lebhaften Beifall seinen Dank für die reiche Anregung, die ihm geworden war. Da einer größeren Anzahl von Personen wegen Ueberfüllung des Saals kein Eintritt mehr ge⸗
währt werden konnte, so beabsichtigt die Gesellschaft, am Freitag, den
31. d. M., eine Wiederholung des Vortrags zu veranstalten.
Im Zirkus Renz gelangt morgen, Sonnabend, in der Wässer⸗ Abtheilung der glänzenden Pantomime „Ein Künstlerfest“ ein neues packendes Mansgenschauspiel zur ersten Darstellung, nämlich die Katastrophe eines großen Seedampfers. — Für die nächste Zeit steht ferner eine vom Direktor Franz Renz und dem Großherzoglich hessischen Hof⸗Balletmeister August Siems ge⸗ plante und nach sorgfältiger Vorbereitung zur Aufführung gelangende eigenartige Vorstellung in Aussicht. Es ist dies ein speziell für Berlin komponiertes, den ganzen Abend füllendes und aus zwei Abtheilungen bestehendes Stück, welches unter dem Titel „Lustige Blätter“ alle circensischen, einschließlich der equestrischen Künste mit choreographischen und pantomimischen Darstellungen im Rahmen einer sich vom Anfang bis zum Schluß fortspinnenden hnn zu einer großen Gesammtvorstellung vereinigt. Jeder der eiden Akte schließt mit einem Ausstattungs⸗Divertissement „Weltstadtbilder“. Im Schlußbild, betitelt: „Rund ist die Welt und muß sich drehen! wird durch einen neu erfundenen Apparat ein besonders frappanter scenischer Effekt hervorgerufen werden. Außerdem bieten die „Lustigen Blätter“ über ein X“ gesanglicher, musikalischer, tanzkünstlerischer und technisch (spez kungsvoller Episoden dar. 1
Weißenfels a. d. Saale, 23. Januar. In er Marien grube zu Deuben explodierte heute ein Kessel; zwei Arbeiter wurden schwer, ein Ingenieur leicht verletzt.
Wien, 23. Januar. Wie die „Neue Freie Presse“ aus Brüx meldet, zeigte sich gestern an der neuen Verbindungsstraße eine Erdsenkung von 2 qm Durchschnitt; dieselbe wird auf eine Er⸗ weichung des Erdreichs infolge Thauwetters zurückgeführt und deshalb für bedeutungslos gehalten.
8 (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
24. Januar,
Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Diri⸗
führen der berühmten Original⸗Dressuren des Di⸗
ell elektrisch) wir⸗
gens.
8
Stationen. Wind. Wetter.
Temperatur
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp.
in 0 Celsius 50C. = 40 R.
red. in Millim.
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Belmullet.. 756 Aberdeen .. 754 4 wolkig Christiansund 751. 2 bedeckt Kopenhagen. 767 3 Nebel Stockholm. 762 S 2 wolkenlos aranda . 750 still wolkig t. Petersburg 762 1 bedeckt Moskau . .. 771 Se 1 wolkenlos
Cork, Queens⸗ town 762 bedeckt eerbourg . 768 heiter ex... 6768 Nebel 767 bedeckt mburg . 770 bedeckt winemünde 770 wolkig Neufahrwasser 768. bedeckt ¹) 766 wolkenlos
Memel... I111“ wolkenlos ünster.. 770 wolkenlos Karlsruhe. 770 Dunst²) Wiesbaden 771 bedeckt ³) München 770 vedeckt Chemnitz .. 773 volkig Berlin... 771 vedeckt*) S .. 77283 2 bedeckt Breslau.. 771 2 b deckt le d'Aix. 769 3 Dunst ... 27688 1 bedeckt IV771 O 6 bedeckt ¹) Reif. ²) Reif. ³) Reif. ⁴) Gestern Regen. Uebersicht der Witterung. Ein tiefes barometrisches Minimum liegt nördlich von Schottland und scheint nordostwärts fortzu⸗ schreiten, während Zentral⸗Europa von einem Hoch⸗ druckgebiet überdeckt wird, welches 770 mm über⸗ steigt. Die Luftbewegung ist überall schwach, nur zu Skudesnäs wehen stürmische südliche, auf der Irischen See steife südwestliche Winde. In Deutschland ist das Wetter ruhig, theilweise heiter und etwas kälter, ohne meßbare Niederschläge; im vnestdeutschen Binnenlande, sowie im ostpreußischen Küstengebiet 8 leichter Frost, in Ungarn herrscht strenge älte.
Deutsche Seewarte. vimüüüa 889
Theater.
8 Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ baus. 24. Vorstellung. Hänsel und Gretel. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humper⸗ dinck. Text von Adelheid Wette. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative
4 bedeckt
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gent: Kapellmeister Weingartner. — Phantasien im Bremer Rathskeller. ve. ves Tanzbild, frei nach Wilhelm Kauff, von Emil Graeb. Musik von Adolf Steinmann. Dirigent: Musit⸗ direktor Steinmann. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 25. Vorstellung. Zum ersten Male: Die kranke Zeit. Luftspiel in 4 Aufzügen von Richard Skowronnek. In Seene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 25. Vorstellung. Der Evangelimann. Musikalisches Schauspiel in 2 Aufzügen, nach einer von Dr. Leopold Florian Meißner erzählten wahren Begebenheit, von Wilhelm Kienzl. Anfang 8 Uhr.
Schauspielhaus. 26. Vorstellung. Die kranke Zeit. Lustspiel in 4 Aufzügen von Richard Skowronnek. Anfang 7 ½ Uhr. “ 8
Deutsches Theater. Sonnabend: Florian Geyer. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: Die Weber. — Abends 7 ½ Uhr: Lebenswende.
Montag: Romeo und Inlia.
1“ “ 6 5 Berliner Theuter. Sonnabend: König Heinrich. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: Fedora. — Abends 7 ½ Uhr: König Heinrich.
Montag, Nachmittags 3 Uhr: Festvorstellung. Bernhard von Weimar. — Hohenzoller Abends 7 ½ Uhr: König Heinri “
v111“ EE111““
Lessing-Theater. Sonnabend: Comtesse Guckerl. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu volksthüm⸗ lichen Preisen: Der Compagnon. — Abends 7 ½ Uhr: Untrene. — Fräulein Wittwe.
Montag: Comtesse Guckerl.
885 Residenz⸗Theater. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Hals über Kopf. Schwank
in 3 Akten von Alexandre Bisson, deutsch von
Paul Block. — Vorher: u doppelter Be⸗ —— Plauderei von Paul Linsemann. Anfang r. Sonntag und folgende Tage: Hals über Kopf — In doppelter Bekehrung.
Friedrich⸗Wilhelmstüdtisches Theater. Chausseestraße 25 — 26.
Sonnabend: Mit großartiger Ausstattung an
Kostümen, Dekorationen und Requisiten: Der Hungerleider. Ausstattungs⸗Komödie mit Gesfang und Ballet in 10 Bildern von Julius Keller und Louis Herrmann, mit theilweiser Benutzung einer Idee des Mark Twain. Musik von Lonis Roth. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Kapellmeister Winné. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag: Der Hungerleider.
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5.
Sonnabend: Gastspiel des Herrn Franz Tewele vom K. u. K. priv. Carl⸗Theater in Wien. Der
err Direktor (Monsieur le Directeur). ustspiel in 3 Akten von Alexandre Bisson und in Carré. Deutsch von Ferdinand Groß.
n Scene gesetzt von Siegmund Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Der Herr Direktor.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu halben Preisen: Der Rabenvater.
Montag: Der Herr Direktor
Dienstag: Der Herr Direktor.
Theater Unter den Linden. Direktion: ,Ser. Fritzsche. Sonnabend: Großer Masken⸗
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Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen: Der Zigennerbaron. — Abends 7 ½ Uhr: König Chilperich. Großartige Ausstattung an Kostümen,
Dekorationen. Glänzende Ballets.
8 Adolph Ernst-Theater. Sonnabend: Frau Lohengrin. Gesangsposse in 3 Akten, nach dem -S,J ischen bearbeitet von Ed. Jacobson und .Mannstädt. Kuplets von Gust. Görs. Musik von Gust. Steffens. Anfang 7 ½ Uuhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.
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Zentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30 Sonnabend: Eine tolle Nacht. Große Aus⸗ stattungsposse mit Gesang und Tanz in 5 Bildern von Wilh. Mannstädt und Julius Freund. Musit von Julius Einödshofer. In Scene gesetzt vom Direktor Richard Schultz. Die Tanz⸗Arrangements vom Balletmeister Gundlach. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag: Eine tolle Nacht.
Konzerte.
Konzert-Hjans. Karl Meyder⸗Konzert.
Sonnabend: Operetten⸗ und Walzer⸗Abend. Dienstag, den 18. Februar: Fastnachts⸗Ball. Billets im Bureau des Hauses.
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Saal Bechstein. Linkstraße 42. Sonnabend, Anfang 7 ½ Uhr: Klavier⸗Abend (eigene Kom⸗ positionen) von Alex. Seriabin aus Moskau.
Birkus Renz. Karlstraße. Sonnabend, Abends
7 ½ Uhr: Parade⸗Gala⸗Vorstellung. Ein Känstlerfest. Luxus⸗Ausstattungs⸗ Pantgnim⸗ in 2 Abtheilungen vom Großherzoglichen Hof⸗Ballet⸗ meister A. Siems, auf das Glänzendste insceniert vom Direktor Fr. Renz. Vollständig neu! Die gigantische Fenersänle. Außerdem: Auftreten von
nur Künstler⸗Spezialitäten allerersten Ranges, Vor⸗
rektors Fr. Renz.
Sonntag: 2 Vorstellungen: Nachmittags 4 Uhr (ermäßigte Preise und 1 Kind unter 10 Jahren frei): 1870/71. Abends 7 ½ Uhr: Ein Künstler⸗ fest. Die gigantische Fenersäule.
Familien⸗Nachrichten.
Am 23. d. M., Nachmittags ½2 Uhr, starb der Königliche Oberst⸗Lientenant und Abtheilungs⸗ S8 im Kriegs⸗Ministerium, Nitter mehrerer
rden,
Herr Karl von Ekensteen.
Ein selten liebenswürdiger Mann, ein hervorragend tüchtiger, bewährter Offizier ist mit dem Dahin⸗ eschiedenen von uns gegangen. Schon in jungen Jahren durch Muth und Entschlossenheit vor dem Feinde ausgezeichnet, führte ihn eine schnelle und glückliche militärische Laufbahn in das Kriegs⸗
Ministerium, dem er in verschiedenen Stellungen,
zuletzt zwei Jahre als Chef der Pensions⸗Abtheilung, angehörte. Die reichen Gaben seines Geistes, feine Herzensgüte, sein ritterlicher Charakter, die Freund⸗ lichkeit seines Wesens haben ihm alle Zeit die Zu⸗ neigung und Hachachtung seiner Kameraden, die be⸗ sondere Werthschätzung seiner Vorgesetzten gesichert. Bis zum letzten Athemzuge hat er seinem Könige und Kriegsherrn die Treue in der Pflicht bewahrt.
Ehre seinem Andenken! .“
Berlin, den 24. Januar 1896. 8 Der Kriegs⸗Minister. Bronsart von Schellendorff
8
Verlobt: Gräfin Thomazine Wachtmeister mit
Hauptmann a. D. Grafen Wilhelm Schlippenbach (Bassendorf—Schönermark). Geboren: Eine Tochter: Hrn. Divisions⸗ farrer Runge (Wiesbaden). — Hrn. Dr. Alfred Mengers (Berlin).
Gestorben: Herr Kommissions⸗Rath Julius Mantel (Charlottenburg). — Hr. Geheimer Sanitäts⸗ Rath Dr. Julius Meyer (Berlin). — Hr. Bau⸗ rath a. D. Gustav Foelsche (Ksrig geen i. Pr.). — Fr. Oberst⸗Lieutenant Anna von Oheimb, geb. von Pofer⸗Nädlitz (Eisdorf). — Verw. Fr. Auguste Friederike Wilhelmine von Prittwitz und Gaffron aus dem Hause Omechau, geb. von Dewitz (Breslau).
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Auchhrhmcfäcihe Nr. 32.
Fünf Beilagen
8
1“ 8
zum Deutsche
Deutscher Reichstag. 22. Sitzung vom 23. Januar, 1 Uhr.
Tagesordnung: Fortsetzung der EE haushalts⸗Etats, und zwar des Etats der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung beim Titel: „Unter⸗ beamte“.
Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer des Blattes berichtet.
Nach dem Abg. Iskraut (Reform⸗P.) nimmt das Wort
Geheimer Ober⸗Postrath Wittko: Ich muß ganz entschieden dagegen protestieren, daß die Post⸗Unterbeamten überbürdet seien. Es wird von seiten der Amtsvorsteher und der die Aufsicht führenden Organe dafür gesorgt, daß die Arbeitsleistungen der Unterbeamten sich in richtigen Grenzen halten. Beweis hierfür ist die Vermehrung der etatsmäßigen und die Verminderung der nicht etatsmäßigen Stellen der Unterbeamten in den letzten sechs Jahren. Für 1896 stellt sich die Zahl der etatsmäßigen Stellen auf 43 778 — 69,62 % der Gesammtzahl — und die Zahl der nicht etatsmäßigen Stellen auf 19 101 — 30,38 % der Gesammtzahl. In diesen 6 Jahren hat sich die Zahl der etatsmäßigen Stellen von 61,09 auf 69,62 % ver⸗ mehrt und die Zahl der nicht etatsmäßigen Stellen von 38,91 auf 30,38 % vermindert. Es sind jedes Jahr ca. 2200 neue etats⸗ mäͤßige Stellen geschaffen worden. Die Gesammtzahl der Unterbeamten hat sich in demselben Zeitraum von 58 114 auf 70 879 vermehrt. Das Spstem der Gratifikationen besteht bei der Postverwaltung wie bei den anderen Verwaltungen. In allen Verwaltungen wird die Grati⸗ fikation ungefähr nach einem gleichen Durchschnittssatz im Ver⸗ hältniß zum Remunerationsfonds bemessen, wobei natürlich die älteren Beamten mehr berücksichtigt werden als die jüngeren. Im abgelaufenen Etatsjahr haben aus dem Remunerationsfonds 48 000 Personen Unterstützungen und Gratifikationen erhalten, und davon 32 000 Unterbeamte! Der Abg. Iskraut hat wiederholt von „himmelschreienden“ Mißständen in unserer Verwaltung hinsichtlich der Sonntagsruhe der Unterbeamten gesprochen und seiner Beschwerde einen Ort an der Weser zu Grunde gelegt, aber nicht einmal die Güte gehabt, diesen Ort zu nennen. Wir können deswegen diese Aus⸗ führungen nur als allgemeine ansehen. Wenn aber der Herr Ab⸗ eordnete auch noch davon gesprochen hat, daß von den höheren
eerwaltungsbeamten diese Angelegenheit mit Hochmuth behandelt
werde, so muß ich dem auf das entschiedenste widersprechen. Diese SRAhe beten werden von uns mit absolutem Wohlwollen be⸗ andelt.
Abg. von Jazdzewski (Pole) kommt auf den Verein zur Vertheidigung des Deutschthums in den Ostmarken zurück; der Unter⸗ Staatssekretär habe erklärt, daß die Beamten in politischen Dingen eine gewisse Zurückhaltung beachten müssen. Abg. Hammacher habe seine Ausführungen als unberechtigt zurückgewiesen. Er wolle den
Beamten garnicht verbieten, sich an Vereinen zu betheiligen, welche
berechtigte Interessen verfolgen. Der angeführte Verein habe be⸗ rechtigte Interessen verfolgen wollen, aber seine Thätigkeit habe zu Unzuträglichkeiten und zu einer Verletzung der Interessen anderer geführt. Deshalb müsse er namens seiner Landsleute Verwahrung da⸗ gegen einlegen, daß die Beamten sich an einem solchen Verein be⸗
theiligen, der zu einem Boykott gegen polnische Gewerbetre ende
und zu einem schädigenden Denunziantenthum geführt habe.
Staatssekretär Dr. von Stephan: Meine Herren! Sie werden ja nicht erwarten, daß die Post⸗
verwaltung als solche sich in diese lis uxoria zwischen dem deutschen
Verein und den polnischen Herren Vertretern einmischen oder sich darauf einlassen soll. Wenn der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski vorhin gesagt hat, er habe durch seine Anregung bei der neulichen Etatsposition im Reichshaushalt seine Absicht erreicht, dann, glaube ich, könnte er auch zufrieden sein, und es bedurfte einer nochmaligen Anregung dieser, wie ich glaube, bereits überstandenen Sache hier nicht. Ich muß jedoch noch eins feststellen. Das hat der verehrte Herr Abgeordnete richtig gesagt, daß wir bisher von dem Verein bei unseren Postbeamten sehr wenig wahrgenommen haben und daß der Herr Unter⸗Staatssekretär Dr. Fischer bei der neulichen Berathung ge⸗ sagt hat, er müsse eine gewisse Zurückhaltung erwarten gegenüber prononcierten politischen Vereinen von seiten der Beamten bezüglich ihres Beitritts oder Nichtbeitritts, ohne daß ihr politisches Selbstbestimmungsrecht dabei in Zweifel gezogen war. Damit wird auch der Herr Abgeordnete wohl einverstanden sein. Also: richtig war das Zitat, aber es war nicht vollständig; es ist nicht er⸗ wähnt worden — jedenfalls infolge eines Versehens von seiten des
verehrten Herrn Redners — daß der Unter⸗Staatssekretär noch folgenden
wichtigen Zusatz gemacht hat, also:
Zurückhaltung ist geboten gegenüber Vereinen, die prononcierte Parteizwecke verfolgen; allein wir sind der Meinung, so lange nicht wirklich die von Herrn Dr. von Jazdzewski bis jetzt nur befürchtete Uebelstände sich ergeben haben, daß wir es
— also in den einzelnen Fällen — u6“ dem Takt des einzelnen Beamten überlassen können, wie weit er sich diese Zurückhaltung in dem hier vorliegenden Fall auf⸗ zuerlegen hat.
Es wird also, wenn eine Taktlosigkeit nach dieser Richtung oder
ein Mangel an Zurückhaltung sichtbar würde, die vorgesetzte Behörde,
die Ober⸗Postdirektion, dem betreffenden Beamten wohl die Eröffnung machen können, und damit, glaube ich, werden wir wohl die Sache als erledigt ansehen.
Abg. Dr. Paasche (nl.): Im Namen des Herrn Hammacher erkläre
ch, daß derselbe nichts von seinen damaligen Aeußerungen zurück⸗ unehmen hat. Ich würde mir eine Rüge des Präsidenten zuziehen, wenn ich ausführlich den Verein in den Ostmarken vertheidigen wollte. Ich finde die Stellungnahme des Herrn Staatssekretärs vollständig berechtigt. Der Verein hat geradezu Beschwerde darüber geführt, daß Postbeamten polnischer Nationalität Briefsendungen, ie durch Aufdruck als Sendungen dieses Vereins bezeichnet waren, nicht richtig bestellt haben.
Abg. Iskraut (Reform⸗P.): Der Vertreter der verbündeten Re⸗ ierungen hat die von mir vorgebrachten Thatsachen in keiner Weise ent⸗ räftet. Vielleicht hater darauf verzichtet, weil der Präsident ja erklärt hat,
daß ich mich außerhalb der Geschäftsordnung bewegte. Die Ver⸗
mehrung der Beamtenstellen hat durchaus 888 nicht zur Entlastung erselben geführt.
Abg. Bebel (Soz.) bleibt dabei, daß die Vermehrung der Beamtenstellen durchaus noch nicht eine Entlastung der Beamten ur Folge habe. Die lange Arbeitszeit am Sonntag beweise, aß die Zahl der Beamten nicht ausreiche, die Arbeiten in der Woche zu bewältigen. Ich habe darauf hingewiesen, fährt Redner ort, daß dauernd Beamte Verrichtungen erfüllen müssen, für die sie
icht angestellt sind. Das beweist einen Mangel an Beamten. Die 88 ““ 88
Erste Beilage
8
zeiger und Königlich Preußischen Staa
Berlin, Freitag, den 24. Januar
1896.
Gratifikationen bestehen allerdings nicht nur im Post⸗Etat, sondern auch in anderen Etats. Aber besser wäre es, dieselben überall abzu⸗ da sie durchaus nicht nothwendig sind. Redner bemängelt eerner, daß die Unterbeamten später als die anderen Beamten, erst nach 20 — 24 Jahren, unkündbar angestellt werden. Eine zwölf⸗ jährige Dienstzeit, ehe ein Beamter etatsmäßig wird, reiche doch aus, die Zuverlässigkeit des Mannes zu prüfen. Daß dazu 20 oder 24 Jahre nothwendig sein sollen, könne nur einem ungerechtfertigten Mißtrauen entspringen.
Staatssekretär Dr. von Stephan:
Meine Herren! Der Herr Abg. Bebel hat eben erwähnt, daß der Post⸗Etat mit besonderem Interesse und mit besonderer Genauig⸗ keit mit allen seinen Titeln hier im Hause vorgenommen würde, weil der Etat ganz allgemeine Interessen für die ganze Nation bis in die kleinsten Kreise hinein, in Stadt und Land und auch über die Grenzen hinaus, berührt. In Frankreich wird der Post⸗Etat auch ziemlich genau durchgenommen, abweichend von anderen großen Ländern, Oesterreich, England, Italien u. s. w.; und da habe ich mir neulich aus der letzten Verhandlung des Budgets der Post aus dem französischen Be⸗ richt folgende Aeußerung notiert: 1
Le budget des postes est le budget le plus électoral. Das mag eine französische Anschauung sein; hier natürlich kann ich dem Herrn Abgeordneten, wenn er es sagt, nur glauben, daß es ledig⸗ lich die sachlichen Interessen sind, welche die ganze Nation bei diesem mächtigen Verkehrsinstitut berühren, wegen deren die Etatsberathung solche Ausführlichkeit in Anspruch nimmt.
Was dann den Punkt wegen der Anstellung der Unter⸗ beamten betrifft, so war der Satz, den der Herr Abg. Bebel anführte, vollkommen richtig, daß es natürlich nicht angeht, einen Beamten oder Unterbeamten fest anzustellen, ehe man sich genau von seiner Eignung für den Dienst, von seinen Charaktereigenschaften, von seinem Verhalten, auch von seinen pekuniären Verhältnissen unterrichtet hat. Nun möchte ich er⸗ wähnen, was er nicht gesagt hat, daß im vorigen Jahr bereits eine erhebliche Verkürzung dieser, ich will mal sagen, Wartefrist statt⸗ gefunden hat. Es bestand früher eine Frist von 30 Jahren einschließ⸗ lich der Vorbereitungs⸗ und Hilfszeit — also 20 Jahre war die Zeit nach wirklicher Anstellung. Diese Zeit ist herabgesetzt worden auf 12 Jahre, das ist doch schon ein ganz erheblicher Schritt vorwärts. Es gehört allerdings nach unserer Erfahrung eine längere Zeit dazu, ehe man bei der großen Verantwortlichkeit, die mit dem Postdienst wegen der Sicherheit der Sendungen verbunden ist, dazu übergehen kann, eine provisorische Anstellung in eine definitive umzuwandeln. Deshalb müssen wir einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen; und es kommt endlich in Betracht, daß auch die Abkürzung der Zeit nur nach Maßgabe der vorhandenen Stellen erfolgen kann. Nun können Sie ja sagen: warum vermehren Sie nicht die Stellen? Das hat aber schon der Herr Kommissarius vorher bewiesen, — wie ich meine, mit durchschlagenden Zahlen — daß eine außerordent⸗ liche Vermehrung der Stellen bereits stärker als in jedem anderen Ressort stattgefunden hat, und natürlich muß sich die Zeit der defini⸗ tiven Anstellung danach richten — ich glaube, das wird wohl dem Herrn Abgeordneten in Bezug auf seine Anfrage genügen.
Was die Gratifikationen betrifft, so möchte ich nur darauf auf⸗ merksam machen, daß ein Antrag in früheren Jahren schon wiederholt gestellt ist auf Beseitigung des sogenannten Gratifikationswesens. Es ist das ja kein richtiger Ausdruck, es sind das Unterstützungs⸗ und Beloh⸗ nungsfonds für Krankheitsfälle, unvorhergesehene Ereignisse: weit mehr Fonds zu Unterstützungen, als zur Belohnung extraordinärer Dienste, wie wenn jemand z. B. zwei Stellen zu versehen hat. Da⸗ gewesen ist ein solcher Antrag schon wiederholt und zwar, wenn ich mich recht erinnere, im preußischen Abgeordnetenhause, aber auch im Reichs⸗ tag wurde er jedesmal in Uebereinstimmung mit allen Regierungen abgelehnt, weil solche Fonds für eine große Verwaltung unentbehrlich sind, wie sie ja auch in jedem Privatgeschäft existieren.
Abg. von Jazdzewski (Pole): Wir verlangen nichts weiter als gleiches Licht und gleichen Schatten. Den polnischen Beamten wird verboten, sich an politischen Vereinen zu betheiligen, sogar an
Wohlthätigkeits⸗ und Fachvereinen, welche nur polnische Mitglieder umfassen. Da haben wir doch das Recht zu verlangen, daß die
Behörden den Beamten verbieten, Vereinen beizutreten, welche so
gehässige Tendenzen verfolgen. Wir wollen den Frieden.
Abg. Dr. Paa che (nl.) protestiert dagegen, daß der genannte Verein gehässige Ziele verfolge. Solche Vorwürfe seien nicht dazu geeignet, den Frieden zu fördern. 6
Der Titel wird darauf bewilligt. 8
Bei dem Titel: „Wohhungs85d. Saschuh. bemerkt
Abg. Werner (Reform⸗P.): Der Tarif des Wohnungsgeld⸗ Zuschusses ist seit zehn Jahren unverändert geblieben; einzelne Orte verdienen in eine höhere Klasse gesetzt zu werden. Die Wohnungsgeld⸗Zuschüsse für Berlin und Hamburg reichen z. B. bei weitem nicht aus, um eine anständige Wohnung zu miethen.
Staatssekretär Dr. von Stephan:
Bei der von dem Herrn Abgeordneten erörterten Frage ist die Postverwaltung völlig unbetheiligt. Das wird, wie Ihnen bekannt sein dürfte, durch Beschluß des Bundesraths festgestellt, und diesen Beschluß haben wir nur auszuführen. Ich bin also nicht in der Lage, im nächsten Etat einen höheren Wohnungsgeldzuschuß einzu⸗
setzen. Auf die materielle Seite der Frage gehe ich aus demselben
Grunde nicht ein. Abg. Werner: Dann hoffe ich, daß der Bundesrath sich der Sache annimmt.
Zum Titel „Stellenzulagen“ beantragt
Abg. Werner (Reform⸗P.: „Die Stellenzulagen im nächsten Jahre abzuschaffen und die dadurch verfügbar gewordene Summe zu Nacht⸗ dienstentschädigungen an Beamte und Unterbeamte zu verwenden.“ Bei der Vertheilung der Zulagen, führt Redner aus, bekommen 5. die Bureaubeamten das Meiste, weil sie als die rechten Hände der Vorsteher betrachtet werden. Die Schalterbeamten, welche eine soßhe Ver⸗ antwortlichkeit haben, kommen dabei schlecht weg. Man sollte lieber wie in Oesterreich Zulagen für den besonders anstrengenden Nachtdienst bezahlen. Fü die Nachtdienst thuenden Beamten sind meistens nicht einmal Ruhelager vorhanden. Ja, es werden Beamte, die liegend getroffen werden, bestraft. Die anstrengend arbeitenden Unterbeamten
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werden karg bedacht mit den Stellenzulagen, die Ober⸗Beamten besser. Mindestens sollte man künftig frei werdende Stellenzulagen ersparen.
Staatssekretär Dr. von Stephan: 8
Der Herr Vorredner hat im Eingange seiner Ausführungen ürchaus richtig gesagt, daß das ganze System der Stellenzulagen der Postverwaltung nicht sympathisch gewesen ist, und zwar einerseits auf Grund logischer Erwägungen, andererseits auf Grund von Erfah⸗ rungen, die die Postverwaltung mit einem ähnlichen System gemacht hatte, das bis 1871 in Form von Lokalzulagen — man nannte si auch Ortszulagen — bei ihr bestand. Es sind dabei die bekannten Uebelstände des Neides, der Mißgunst und der sittlichen Schwäche derjenigen, die nicht berücksichtigt wurden, zu Tage getreten; das hätte ich gerne vermieden gesehen, zumal durch derartige Ausführungen wie wir sie eben gehört haben, fortwährend geschürt wird Natürlich reizt es die Unterbeamten auf, wenn behauptet wird, di Oberbeamten bekämen vorzugsweise diese Stellenzulagen, und di Unterbeamten würden dabei zurückgesetzt.
Ich habe sodann dem Herrn Vorredner zu bemerken, daß wir lediglich nach den allgemeinen Grundsätzen verfahren, die in der dem Reichstag damals vorgelegten Denkschrift aufgestellt und vom hohen Hause genehmigt worden sind. Irgend eine Ausnahme wird nicht gemacht.
Ich habe den Herrn Vorredner ferner darauf hinzuweisen, daß diese ganze Angelegenheit ebenfalls nicht zum Etat der Postverwaltung gehört, sondern daß sie beim Etat der allgemeinen Finanzverwaltung zur Sprache zu bringen wäre, weil die Frage alle Ressorts betrifft.
Schließlich möchte ich noch auf den Gang, den die österreichischen Verhältnisse genommen haben, besonders aufmerksam machen. In Oesterreich sind die Beamten verhältnißmäßig schlechter gestellt, al bei uns; dort bleiben, wie allgemein bekannt ist, die Beamten besoldungen weit hinter den unserigen zurück. Außerdem findet be uns — und das scheint der Herr Abgeordnete nicht gewußt zu haben — ein Ausgleich zwischen Tag⸗ und Nachtdienst dadurch statt, daß di Nachtdienststunden bei der Aufstellung der Dienststundenpläne immer anderthalbfach gerechnet werden. Das darf man bei dieser Angelegen⸗ heit keinesfalls außer Acht lassen. Ich möchte überhaupt, so sehr ich für meinen Theil natürlich geneigt wäre, in die Abschaffung de Stellenzulagen für die Postverwaltung zu willigen, mich doch gegen das Prinzip erklären, das im Antrag des Herrn Abgeordneten auf gestellt ist: nämlich die verschiedenen Dienstleistungen nach ihrer Qualität ihren Anstrengungen, ihren Unbequemlichkeiten, ihre Verantwortlichkei verschieden zu bezahlen sowie Tag⸗ und Nachtdienst unter verschiedene Klassen zu bringen. Eine solche Unterscheidung würde uns ungemein weit führen; denn es giebt eine große Anzahl von Dienstleistungen bei Tage, die erheblich angreifender und schwieriger sind als die Dienstleistungen bei Nacht. Gegen ein derartiges Prinzip müßte sich nach meiner Meinung jede Staatsverwaltung wehren. Da beneid ich eigentlich die Nachtwächter; die haben überhaupt nur Nachtdienst und es müßte, wenn man das von dem Herrn Abgeordneten befür wortete Prinzip überall durchführen wollte, dann auch die Besoldung der Nachtwächter in allen Staaten erhöht werden. Also daß wir au ein solches System nicht eingehen können, wird mir der Herr Abgeordnete wohl glauben.
Abg. Werner (Reform⸗P.): Für die Vertheilung der Stellen⸗ zulagen mache ich den Staatssekretär nicht veranzwortlich. Ich wollte nur nachweisen, daß die Stellenzulagen schädlich sind.
Der Antrag Werner wird gegen die Stimmen der Re⸗ formpartei abgelehnt. b
Bei den einmaligen Ausgaben bemerkt der Berichterstatter Abg. Dr. Bürklin (nl.): Die Kommission befürwortet die Annahme sämmtlicher Ausgaben; bei 25 Titeln handelt es sich um weitere Raten Die vierzehn Neuforderungen haben keinen Abstrich erfahren, weil die Forderungen sich als dringend nothwendig ergeben haben. Bezüglich der vorgelegten Pläne wurde anerkannt, daß dieselben im Innern und Aeußern jeden überflüssigen Luxus vermeiden, womit den Wünschen des Reichstags Rechnung getragen worden ist. Ueber die Herstel⸗ lung von Dienstwohnungen werden Normativbestimmungen vor⸗ bereitet. Die Wohnungen sollen nicht zu groß sein, damit die Be⸗ begs⸗ 828 zu Ausgaben verleitet werden, die ihren Mitteln nicht entsprechen.
Abg. von Leipziger (d. kons.): Wir haben mit unserem Be⸗
streben nach Sparsamkeit gegenüber den großen Anforderungen unter den einmaligen Ausgaben, deren zwölf Millionen verpflichtet, keinen Anklang gefunden und müssen deshalb darauf verzichten, Anträge zu stelen.
Staatssekretär Dr. von Stephan:
Ich bin dem geehrten Herrn Vorredner sehr dankbar für die Erklärung, die er namens der Herren von der Rechten abgegeben hat, daß sie bei der Berathung im Plenum den Versuch nicht erneuern
werden, Abstriche gegenüber den mit großer Majorität gefaßten Be⸗
schlüssen der Budgetkommission hier anzuregen. Was dann die Zahlen betrifft, die er zuletzt angegeben hat, und die vielleicht geeignet sind, einen gewissen Eindruck hervorzurufen, so
möchte ich mir die Bemerkung erlauben, daß diese Summe von 7 bis 10 Millionen, die nachher zu bewilligen sein würden, sich auf eine
Anzahl von Jahren vertheilt, (sehr wahr!) und daß sie jedenfalls
lange nicht den Betrag erreicht, der bisher für die Zwecke des Post⸗ bauwesens hat aufgewendet werden müssen. Die Summe, die in
diesem Jahre in Anspruch genommen werden muß, bleibt, wie von
dem Herrn Referenten bereits angeführt worden ist, erheblich
hinter den Forderungen der früheren Jahre zurück. Ich habe in der Budgetkommission die Ehre gehabt, den Herren die Zahlen vorzu-
führen, wonach in früheren Jahren im Extraordinarium der Baufonds bei der Post 3,27 % der Gesammteinnahme ausmachte. Das war immer noch kein sehr bedeutender Betrag. Meine Herren, in diesem Jahre beträgt aber der Prozentsatz nur 2,28 %; das ist also erheblich weniger.
leicht bis auf 30 Bauten noch im ganzen deutschen Reichs⸗ postgebiet in sämmtlichen 40 Ober⸗Postdirektionsbezirken nun
fertig sind; dann wird binnen kurzem eine 30 jährige Bauthätigkeit
abgeschlossen sein, die manchmal fieberhaft sein mußte, wenn wir
Bewilligung uns für weitere
Ich habe auch neulich hier die Ehre gehabt, dem hohen Hause mitzutheilen, daß wir v-
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