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gegenüber dem gewaltigen Aufschwung des Verkehrs den Bedürfnissen des Dienstes und des Publikums gerecht werden wollten; ich hoffe, mit allen Neubauten in höchstens 3 Jahren fertig zu sein. Allerdings werden nachher die Erweiterungsbauten in den größeren Städten an die Reihe kommen; wie der jetzige Etat zeigt, haben wir schon in Dresden und Leipzig einen Anfang gemacht. Wir baben dort erst vor fünfzehn Jahren Neu⸗ bauten aufgeführt; sie reichen jetzt schon nicht mehr aus. Die Zahl dieser Erweiterungsbauten wird nicht besonders groß sein, aber wohl die Kostspieligkeit, weil der Ankauf des theuren Grund und Bodens in der Mitte der Städte, wo sich die Postgebäude befinden müssen, bedeutende Aufwendungen erfordert.
Meine Herren, ich habe mir erlaubt, Ihnen hier eine Mappe mit den Hauptpostgebäuden, die in fremden Ländern gebaut worden sind, vorzulegen. Sie werden aus diesen Blättern entnehmen, daß wir keineswegs uns durch überflüssigen Luxus auszeichnen. Es sind das Gebäude in Liverpool, in Melbourne und in anderen Städten verschiedener Welttheile. Ich will nur bemerken, daß das neue Post⸗ gebäude in Liverpool 5 Millionen Mark Baukosten verursacht hat. Liverpool ist allerdings ein großes Verkehrszentrum, obwohl nicht größer als Hamburg; aber es kommt in Betracht, daß die englische Post⸗ verwaltung keine eigentliche Packetpost in unserem Sinne hat, nament⸗ lich keine so ausgedehnte, auch keine Geldpost, und daß sie sich mit der Expedition der Zeitungen nicht befaßt. Sie ist im wesentlichen eine Briespost, während gerade der Fahrpostdienst, der Packetdienst diese großen Räume, die wir in der Parterrelage in Anspruch nehmen müssen, nöthig macht; dad urch wird schon der Ankauf der Grundstücke wesentlich vertheuert. Es wird da aber ein so großer Werth auf die Post als Verkehrsanstalt gelegt, daß z. B. bei der Einweihung des Postgebäudes in Liverpool Seine Königliche Hoheit der Prinz von Wales selber anwesend war; ebenso war vor drei Jahren, als das neue Postgebäude in Boston eingeweiht wurde, sogar der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika dabei gegenwärtig.
Wenn nun — ich glaube die Vermuthung herausgehört zu haben, nicht aus den Worten, sondern aus der Stimmung des verehrten Herrn Abgeordneten; ich will mich aber gern bescheiden — dort auf jener Seite des Hauses, was ich sehr bedaure, die Meinung besteht, daß zu luxuriös gebaut werde, so möchte ich mir erlauben, den geehrten Herren eine Verfügung vorzulesen, die der Staatssekretär des Reichs⸗ Postamts, also der die Ehre hat, hier vor Ihnen zu stehen, am 21. September 1893 erlassen hat. Sie lautet:
In letzter Zeit haben mehrfach wieder Anträge der Kaiserlichen Ober⸗Postdirektionen betreffs Errichtung von Miethspostgebäuden beanstandet werden müssen, weil die geplanten Aufwendungen im Verhältniß zu dem Geschäftsumfang der Postämter und der Verkehrs⸗ bedeutung der Orte zu weit gingen. In einem Falle war ein zu theurer Bauplatz gewählt, in einigen anderen Fällen hinsichtlich der Aus⸗ gestaltung der Gebäude über das Bedürfniß erheblich hinaus⸗ gegangen worden. Ich nehme hieraus Veranlassung, unter Bezug⸗ nahme auf die wegen thunlichster Einschränkung der Betriebs⸗ ausgaben ergangenen Erlasse (vom 9. und 16. Juni 1890),
— und nun kommt eine ganze Anzahl von Erlassen, die auf die Spar⸗ samkeit drücken —
den Kaiserlichen Ober⸗Postdirektionen angemessene Wirthlichkeit bei
den Ausgaben für Miethspostgebäude erneut anzuempfehlen. Ins⸗
besondere mache ich auf Folgendes aufmerksam: Die Errichtung von Miethspostgebäuden darf nach wie vor nur für solche Orte in Aussicht genommen werden, wo eine zweckmäßige Unterbringung des Postamts in vorhandenen Räumen zu billigenem Preise nicht zu erlangen ist. Für kleinere Postämter wird danach, soweit nicht, wie z. B. in Kurorten, besondere Verhältnisse obwalten, die Errichtung von Miethspostgebäuden auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben können. Hinsichtlich des Bauplans ist selbstverständlich Werth darauf zu legen, daß die Raumabmessungen, dem Bedürfnisse des zu⸗ nehmenden Post⸗ und Telegraphenverkehrs entsprechend, von vornherein auskömmlich genommen werden, daß der Bau in zweckmäßiger Ein⸗ richtung, aus gutem Material und mit sorgfältiger Arbeit ausge⸗ führt wird, und daß das Gebäude auch ein entsprechendes Aeußere erhält. Ein von diesem Gesichtspunkte aus unnöthiger Aufwand ist dagegen unbedingt zu vermeiden. Namentlich wiederhole ich, daß kleinere Miethspostgebäude an Orten von ge⸗ ringer Bedeutung keine besondere architektonische Behandlung zu erfahren haben, vielmehr in einer einfachen, der ortsüblichen Bau⸗ weise angepaßten Form herzustellen sind. Meine Herren, diese Verfügung habe ich gerade erlassen infolge einer Anregung, die vor zwei Jahren hier von der rechten Seite des Hauses gegeben wurde. Ich möchte wohl glauben, daß das für jetzt genügen wird, und ich bitte also, die Pesition zu genehmigen. Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) spricht seine Befriedigung über die Ausführungen des Abg. von Leipziger aus. Er sei immer der Anschauung gewesen, daß der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts zu splendid baue; aber er habe mit seinem Antage im Reichstag kein Glück gehabt und würde auch jetzt keinen Erfolg haben, wenn der Antraggest Üt werden würde, den Posten für den ersten Neubau, das Dienst⸗ gebäude in Apolda an die Kommission zurückzuverweisen. Die Ver⸗ sbau⸗ des Staatssekretärs von 1893 habe ihm besser gefallen, als sein Hinwei auf Liverpool. Die Bauten der reicheren Engländer 8 der Staatssekretär sich nicht zum Muster nehmen. Erfreulich sei es, daß erhebliche Abstriche wenigstens bei den Dienstwohnungen gemacht worden seien. 8 Abg Dr. Lingens (Zentr.) warnt davor, die Bauten allzusehr zu beschränken. Denn wenn der Verkehr sich steigere, wie solle das Be⸗ dürfniß befriedigt werden, wenn der Bau zu beschränkt ist? Es müsse eine gewisse Mittellinie gefunden werden.
Abg. Singer (Soz.): Es ist doch ein seltsames Zeichen der Zeit, daß seitens der Konservativen und des Zentrums so großer Werth auf die Sparsamkeit bei den Postbauten gelegt wird. Aber bei den viele Millionen umfassenden Etats der Militär⸗ und Marine⸗ verwaltung merkt man von dieser Sparsamkeit garnichts. Daß bei 8 zu großer Luxus herrscht, ist in mancher Hinsicht umrichtig. In großen Städten ist ein gewisser Luxus nicht zu vermeiden, weil die
Gebäude in den Mittelpunkt des Verkehrs gestellt werden. Wenn Herr von Stephan nicht bloß gute Diensträume herstellen, sondern auch für das Wohl seiner Beamten besser sorgen würde, so könnte er sich
unserer vollsten Zustimmung versichert halten. Durch die Bauten 8 schaft die Postverwaltung Arbeit, denn sie hält nach Möglichkeit daran fest, daß alle Arbeiten in der betreffenden Stadt selbst bergestellt werden, für welche das Gebäude bestimmt ist. Diejenigen, die die
Regierung auffordern, für Militär und Marine mehr Ausgaben zu machen, also für chauvininische Zwecke, können sich doch nicht aufregen,
wfan: de Postbauten, also für kulturelle Aufgaben, Geld be⸗
Abg. Graf Limburg⸗Stirum (d. kons.): Der Vorredner deutete an, daß das Haus aus politischen Motiven gerade bei den Post⸗
bauten auf Sparsamkeit sehe; während wir bei Militär⸗ und Marine⸗ fragen ungezählte Millionen bewilligten, wollten wir hier knausern. Die Gesichtspunkte der Sparsamkeit werden wie bei den Postbauten in genau demselben Maße bei der Armee und Marine gehandhabt. Was wir tadeln, ist der übertriebene Luxus in der äußeren Aus⸗ stattung. Bei aller Bewunderung für die großen Kulturleistungen der Post halten wir die Postverwaltung nicht für berechtigt, durch ihr Vorgehen den Sinn für verschwenderische und schöne Bauten ins Land hinauszutragen. Die Post muß allerdings für den Verkehr sorgen; aber einen größeren Luxus, eine größere Schönheit in den Bauten, als die Finanzen gestatten. billigen wir nicht. Es ist die allgemeine Meinung, daß die Postbauten ein schlechtes Beispiel für alle anderen Ressorts waren. Während man sich früher mit einfachen Bauten begnügte für Regierungsgebäude ꝛc., kam durch die verschwenderischen und luxurjösen Postbauten der Sinn darauf, daß überhaupt die Bauten verschwenderisch ausge⸗ stattet werden müßten. Dem müssen wir auf das entschiedenste entgegentreten. Ich habe mit Freude gesehen, daß der Einfluß der Finanzmacht im Reich in diesem Jahre dafür gesorgt zu haben scheint, daß der Luxus in den Plänen nicht in dem Maße auftritt wie sonst. Das Parlament ist nicht im stande, in diesem Falle Sparsamkeit zu üben, denn die Interessenten aus den verschiedenen Landestheilen engagieren sich und ihre Parteien gegenseitig, für die einzelnen Bauten zu stimmen, und schließlich stimmt alles dafür. Darum habe ich das Wort ergriffen, um die Finanzmacht im Reich zu stärken
und ihr zu sagen, daß sie im Reichstag Zustimmung hat für ihre⸗
Bestrebungen.
Die ferneren Raten für bereits früher bewilligte Bauten werden ohne Debatte bewilligt, ebenso die meisten Neubauten. Nur bei dem Postgebäude in Freibueg i. B. erklärt auf eine An⸗ regung des Abg. Marbe (Zentr.) der Staatssekretär Dr. von Stephan:
Ich erkenne an, was der geehrte Herr Vorredner gesagt hat, daß in Freiburg das Bedürfniß nach Erweiterung der Räume anfängt sich fühlbar zu machen. Wir haben das schon bei Erbauung des jetzigen Postgebäudes, das vielleicht auch erst 20 Jahre steht, voraus⸗ gesehen. Das angekaufte Grundstück war eben nicht größer, wir mußten uns nach ihm einrichten. Durch Versetzung des damaligen Professors Dr. Kußmaul nach Straßburg wurde nun dessen Villa frei, die an das Haus anstößt. Da haben wir das Haus kaufen können, sodaß die Erwerbung von Grund und Boden keine Schwierig⸗ keit mehr macht. Der geäußerte Wunsch, dem die Postverwaltung sympathisch zur Seite steht, wird erfüllt werden, sobald die nöthigen Fonds vom Reichstage bewilligt sein werden.
Es folgt die Berathung der Einnahmen v sind an Porto⸗ und Telegraphengebühren 272 000 000 ℳ
Berichterstatter Abg. Dr. Bürklin (nl.) weist darauf hin, daß in der Kommission der Antrag auf Erhöhung dieser Einnahme abgelehnt sei; man habe sich an die Durchschnittsziffer gehalten.
Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) behauptet auf Grund der Akten des deutschen Handelstags dem Staatssekretär von Stephan gegenüber, daß derselbe niemals einen Beschluß gegen die Ermäßigung der Telegraphengebühren gefaßt habe. Er habe es nur 1892 abgelehnt, eine Petition in dieser Frage abzusenden, weil kurz vorher der Staats⸗ sekretär Dr. von Stephan sich energisch gegen die Herabsetzung der Gebühren ausgesprochen, die Petition also in dem Augenblick keinen großen Werth gehabt hätie. Daß wir in Deutschland am weitesten mit dem Telegraphenwesen seien, sei nicht richtig. In den nordischen Ländern sei man viel weiter. Redner verweist zum Schluß auf zwei von ihm auf den Tisch des Hauses niedergelegte Karten.
Die Einnahmen werden bewilligt.
Beim Etat der Reichsdruckerei werden unter den einmaligen Ausgaben 60 000 ℳ gefordert zur Beschaffung von Maschinen und sonstigen Betriebsmitteln.
Abg. Dr. Hasse (nl.) führt Klage darüber, daß die Reichsdruckerei die Einschränkung, die ihr auferlegt sei, sich hauptsächlich nur mit Aufträgen des Reichs und des Staats zu begnügen und höchstens solche Aufträge anzunehmen, welche von Privatdruckereien nicht aus⸗ geführt werden können, nicht innehalte.
Unter⸗Staatssekretär Dr. Fischer: Ich habe dem geehrten Herrn Vorredner zu erwidern, daß die
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Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1877, auf welche er sich be⸗
zogen hat, ihre Erfüllung gefunden haben im Jahre 1879, nämlich bei dem Erwerb der damaligen Königlich preußischen Staatsdruckerei durch das Reich. Damals ist in Ausführung der von dem Herrn Ab⸗ geordneten angeführten Bestimmung in dem Etat, der zuerst für die Reichsdruckerei aufgestellt wurde, eine Richtschnur festgesetzt worden, nach welcher die Reichsdruckerei sich bis jetzt zu richten hat. Es liegt also nicht so, wie der Herr Abgeordnete es angenommen hat, daß die Bestimmung vom Jahre 1877 überhaupt noch nicht ausgeführt wäre. Sie ist ausgeführt, und die Norm, die damals festgestellt wurde, ist diejenige, welche für das Verhalten der Reichsdruckerei und für die Aufsicht führende Behörde als maßgebend gilt.
Ich gestatte mir dabei zu bemerken, daß seit Bestehen der Reichs⸗ druckerei nur ein mal, vor etwa 12 Jahren, hier im Reichstag seitens der Interessenten eine Beschwerde dahin erhoben worden ist, es würden von der Reichsdruckerei Arbeiten übernommen, die von der Privat⸗ industrie verrichtet werden könnten. Wir haben damals die Sache hier genau und eingehend erörtert und haben aufs neue vor⸗ geschrieben, daß diese Richtschnur genau innegehalten werden soll. Seitdem sind mir, der ich besonders ganz speziell mit der Beaufsichtigung der Reichsdruckerei zu thun habe, weder aus meinem Geschäftsverkehr, noch aus der Presse, die ich aufmerksam verfolge, irgend welche Klagen zu Ohren gekommen, daß die Reichs⸗ druckerei in die Kreise der Privatindustrie übergriffe. Wohl aber ist von einer großen Zahl von Fachkreisen, auch von Vertretern der polygraphischen Gewerbe, vielfach Anerkennung über die Thätigkeit der Reichsdruckerei dafür gezollt worden, daß sie anregend, befruchtend und durch die Aufstellung von guten Mustern fördernd auf die Privatindustrie eingewirkt hat. Ich würde in der Lage sein, eine ganze Reihe derartiger Leistungen hier anzuführen, wenn ich nicht darauf Bezug nehmen könnte, daß gerade dieser Theil der Thätigkeit der Reichsdruckerei wiederholt die volle Anerkennung auch des Reichstags gefunden hat.
Abg. Freiherr von Heereman (Zentr.) spricht fir die Leistungen der Reichsdruckerei seine volle Anerkennung aus. Es sei natürlich, daß ein solches Institut auch manche privaten Interessen zeitweilig ver⸗ letze; aber ein so geleitetes größeres Institut komme durch seine roßartigen Leistungen doch der Gesammtheit zu gute. Indeß es sei naturgemäß, daß ein solches Unternehmen sich nicht bloß mit den großen Kunstwerken und kostspieligen Sachen befassen könne, sondern auch etwas für den täglichen Verbrauch arbeiten müsse.
Der Etat der Reichsdruckerei wird genehmigt; ebenso ohne Debatte der Etat des Pö“
„Es folgt der Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei.
Abg. von Strombeck: Der Reichstag hat das Recht, Gesetze vorzuschlagen innerhalb der Kompetenz des Reichs. Eine Verpflichtung des Reichskanzlers, dem Reichstage Mittheilung zu machen von den Beschlüssen des Bundesraths, besteht aber nicht. Das hat 1872 mehrere
Abgeordnete veranlaßt, einen Antrag einzubringen, wonach der Bundes⸗ rath Mittheilungen machen soll von seinen Beschlüssen auf Ent⸗ schließungen des Reichstags. Der Antrag wurde damals angenommen. Dem Reichstage wird eine Uebersicht der Beschlüsse des Bundesraths vorgelegt, aber die unerledigt gebliebenen Posirionen werden nicht auf⸗ enommen und verschwinden für die spätere Zeit vollständig. Meine reunde und Mitglieder anderer Fraktionen wünschen, daß dieses Ver⸗ fahren aufgehoben wird und daß die zur Zeit der ne Uebersicht nicht erledigten Sachen auf die nächsten Jahre 8 tragen werden.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:
Der Herr Vorredner hat die Entwicklungsgeschichte der Be⸗ handlung der Resolutionen des Reichstags ganz zutreffend dargestellt. Im Jahre 1872 ist der Reichstag mit dem Wunsche hervorgetreten, daß ihm die Entschließungen des Bundesraths auf die Resolutionen des Reichstags in tabellarischer Form und schriftlich mitgetheilt werden möchten, und es ist darauf ein Beschluß des Bundesraths ergangen, der dahin lautet, daß diesem Wunsch des Reichstags entsprochen werden möchte. Ueber die Frage, ob Resolutionen, die bis zur Zusammenstellung der Entschließungen des Bundesraths noch nicht erledigt sind, demnächst in die Uebersichten für das folgende Jahr wieder aufgenommen werden sollen, enthält dieser Reichstagsbeschluß nichts. Es ist aber vom Jahre 1873 bis zum Jahre 1884 so ver⸗ fahren worden, daß möglichst die Resolutionen immer wieder von neuem aufgenommen sind, bis sie in der einen oder anderen Form ihre definitive Erledigung erhalten haben, oder bis der Bundesrath beschlossen hatte, den Resolutionen keine Folge zu geben. Diese Praxis hat erkennen lassen, daß Resolutionen sich jahrelang, um nicht zu sagen: jahrzehntelang, immer wieder in diesen Uebersichten vorgefunden haben, weil es noch nicht möglich war, bis zur Aufstellung der Uebersichten einen definitiven Beschluß zu der Resolution zu fassen. Dies gab im Jahre 1884 dazu Veranlassung, die Praxis zu ändern. Man ging dazu über, nur die Resolutionen der letztverflossenen Reichstagssession in diese Uebersicht aufzunehmen und in der Kolonne: Entschließungen des Bundesraths resp. Bemerkungen anzugeben, was aus diesen Resolutionen geworden war.
Seit dem Jahre 1884 bis zum heutigen Tage ist diese neue Praxis vom Reichstage nicht beanstandet worden, und wir glaubten, darin eine gewisse Sanktion und ein Einverständniß des Reichstags dahin erblicken zu können, daß ihm dieses neue Verfahren genüge. Wir haben um so lieber an dieser Praxis festgehalten, weil wir aus den älteren Uebersichten entnahmen, daß sie ziemlich dickleibig waren und schwerlich von allen Mitgliedern des Reichstags durchstudiert
wurden.
Wenn nun von Seite des Herrn Abg. von Strombeck der Wunsch ausgesprochen wird, zur früheren Praxis zurückzukehren, und wenn wir aus dem Schweigen der hohen Versammlung gegenüber den Aus⸗ führungen des Herrn Abg. von Strombeck entnehmen möchten, daß dieser Wunsch auch sonst im Hause getheilt wird, so bin ich gern bereit, im allgemeinen zu der früheren Praxis zurückzukehren. Daß sich das empfehlen wird rücksichtlich aller Resolutionen, möchte ich bezweifeln; aber ich glaube allerdings, daß solche Resolutionen, für die ein weittragendes Interesse besteht, auch werth sind, daß ihr Schicksal demnächst dem Reichstage mitgetheilt wird. Ich bin gern bereit, zu veranlassen, daß in dieser Weise verfahren wird, fodaß der Reichstag demnächst Kenntniß davon erhält, wie wichtige Resolutionen, an denen sein Herz hängt, ihren Abschluß gefunden haben.
Abg. Dr. Barth (fr. Vg.): Ich möchte den Reichskanzler fragen, ob er bereit ist, sich über die Währungsfrage, in Bezug auf welche er mehrfach angegangen wurde, Auskunft zu geben; der Reichstag hat im Februar vorigen Jahres eine auf diese Frage bezügliche Resolution beschlossen. Die Herren Bimetallisten hatten damals im preußischen Herrenhause und Abgeordnetenhause Anträge eingebracht, in welchen die preußische Regierung aufgefordert wurde, den Reichskanzler zu ersuchen, ungesäumt und nachdrücklich die Schritte zu thun, welche gerignet sind, zu einer internationalen Regelung der Währungsfrage mit dem Endziel eines internationalen Bimetallismus zu führen. Im Reichs⸗ tage erklärte damals der Reichskanzler, daß man, ohne unserer Währung zu präjudizieren, anerkennen müsse, daß die Entwerthung des Silbers nachtheilig sei, deshalb müsse eine solche internationale Vereinbarung in Erwägung gezogen werden können. Diese Erklärung war ziemlich platonisch, sie ging von dem Gedanken anus, daß der Werthunterschied zwischen den Währungsmetallen die wirthschaftlichen Verhältnisse beeinflusse. Von einem zunehmenden Werthunterschied ist aber seit dem Beschluß keine Rede mehr. Es hat sich der Preis des Silbers so stabiliert, wie bei keiner anderen Waare. Von einer nicht gerin Zahl deutscher Regierungen wissen wir, daß sie 8 der Idee der Währungskonferenz ablehnend gegenübergestellt baben. Ich habe ein zu hohes Werthmaß für die volkswirthschaftlichen Kennt⸗ nisse der übrigen verbündeten Regierungen, als daß ich annehmen könnte, sie würden sich für eine Konferenz entscheiden. Im abgelaufenen Jahr sind alle “ der Bimetallisten nicht erfüllt worden. Noch niemals ist eine so kolossale Masse Gold gefördert worden wie im vorigen Jahre, und das laufende Jahr wird darüber wohl noch hinausgehen. Das muß uns noch mehr bestimmen, an der Gold⸗ währung festzuhalten. Die Bank von England, die deutsche Reichs⸗ bank hat eine Ueberfülle von Gold. Oesterreich hat die Goldwährung durchführen können, und Rußland ist drauf und dran, ebenfalls zur Goldwährung überzugehen. Wenn andere Regierungen erklären, daß die Einberufung einer internationalen Währungskonferenz keinen Zweck habe, so hat die deutsche Regierung 8 recht keine Ver⸗ anlassung, damit vorzugehen. Der Kredit der Vereinigten Staaten ist im steten Sinken, weil man das hat, daß irgend einer der Vereinigten Staaten einmal auf den Gedanken kommen werde, seine Anleihen in Silberdollars zurückzuzahlen. Die besten Kenner der wirthschaftlichen Verhältnisse der nordamerikanischen Staaten sind der Meinung, daß von der Panik infolge der Botschaft des Präsidenten Cleveland niemals hätte die Rede sein können, wenn die Währungsverhältnisse in Ordnung gewesen wären. Um der Rückzahlung in Silber zu entgehen, wurden die amerikanischen Werthe aus Europa nach Amerika zurück⸗ eworsen. Deshalb muß man sich hüten, mit der Währung vie rgend welche Experimente zu machen. Daß die Herren nach gefahren sind und mit Vertretern anderer Länder über die politische Frnge verhandelt haben, nehme ich ihnen nicht übel; im Gegentheil, ich freue mich, daß die 1 oviel gelernt haben, daß si jetzt selbst etwas thun, was sie vor zehn Jahren der Fort⸗ chrittspartei als Hochverrath vorgeworfen haben. Ich erinnere dabei an die berühmte Broschüre über den Cobdenklub. ꝓE gehen nicht bloß nach Paris und fassen Beschlüsse, sondern sie halten die Beschlüsse geheim, die sie mit Ausländern und sogar mit Franzosen emeinsam gefaßt haben; sie haben auch noch freundschaftlichste b gemacht beim französischen Präsidenten und bei seinem Minister, trotzdem das Kabinet Bourgeois hier bei uns dicht bei den Sozialdemokraten sitzen würde. Das wichtigste war das Zugeständniß des Präsidenten, daß er demnächst das Protokoll der Konferenz lesen würde. Paul Leroy Beaulieu, der die Verhältnisse in Frankreich und England genau kennt, sagt den Amerikanern: wenn sie etwa glaubten, daß in Europa ernsthafte Männer den bimetallisti⸗ schen Abenteuern sich anschließen würden, so befänden sie sich im
Irrthum.
„heute erst recht kein Anlaß dazu vor.
[64161] Oeffentliche Ladung. 3 Karl
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„Der eine oder andere Minister gebe manchmal zweifel⸗ hafte Erklärungen ab, aber nur, um es mit keiner Gruppe der Wähler zu verderben. Ich nehme an, daß er dabei nicht an unsere Regie⸗ rung gedacht hat, die ja klare und unzweideutige Erklärungen ab⸗ gegeben hat, wie neulich der Landwirthschafts⸗Minister über den An⸗ trag Kanitz. Man meinte, daß die Amerikaner nur darauf warteten, eine Währungskonferenz einzuführen. Aber, daß die praktischen Amerikaner einen positiven Erfolg davon erwarten, möchte ich be⸗ zweifeln. Von einem Währungsbündniß wollen die Herren nichts wissen, sie wollen sich nicht fesseln an ein Bündniß mit plutokratischen und autokratischen Mächten, wie es in einer in Amerika zahlreich ver⸗ breiteten Broschüre hieß. Wenn schon vor einem Jahre keine Ver⸗ anlassung vorlag, der internationalen Währung näherzutreten, so liegt t 1 Ich glaube, dem Herrn Reichs⸗ kanzler eine Gefälligkeit zu erweisen, wenn ich ihm Gelegenheit gebe, sich von diesem Kadaver mit Deutlichkeit zu befreien.
Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe⸗Schillingsfürst:
Ich kann zu meinem Bedauern heute dem Wunsch des Herrn Abg. Dr. Barth nicht nachkommen, ich bin noch nicht in der Lage, die Auskunft zu geben, die er wünscht. Ich werde aber in der nächsten Zeit Gelegenheit haben, eine Erklärung abzugeben über die Stellung, welche die verbündeten Regierungen gegenüber der Resolution des Reichstags einnehmen.
„Abs. von Kardorff (Rp.): Der Abg. Barth scheint es sehr eilig zu haben, sich mit der Währungsdebatte zu beschäftigen. Ich wei nicht, ob er Sieger in diesen Debatten bleiben wird. So spöttisch und höhnisch wie heute Herr Barth gegen die Bimetallisten, sprachen auch die Freihändler 1879, und doch hatten wir demnächst das Schutzzollsystem. Herr Barth meint, es wäre jetzt weniger als jemals die Zeit, Währungskonferenzen zu berufen, die bisher immer gescheitert seien. Ihm ist wahrscheinlich nicht bekannt, daß dieselbe Erklärung, die der Minister Balfour veröffentlichte, von anderer Seite abgegeben und zu Protokoll gegeben wurde, daß nämlich eine Konferenz nicht berufen werden könne, ehe nicht gewisse Staaten sich über ein bestimmtes Programm geeinigt hätten. Die Knappheit des Goldes haben wir allerdings vielfach beklagt. Wenn Rußland in die Goldwährung eintritt und Ostasien seine Schulden in Gold bezahlen wird, dann wird die sehr starke heutige Goldausbeute nicht mehr enügen. In der englischen Bank war der Goldvorrath öher als bei der Rieichsbank. Die Reichsbank hatte vor wenigen Jahren mehr Gold als jetzt augenblicklich. Oester⸗ reich soll auch zur Goldwährung übergegangen sein; ob das günsti ist für einen Staat mit Goldagio, weiß ich nicht. In Italien ist ja auch ein Goldagio. Der jegige Minister⸗Präsident Bourgeois gehört zu den kenntnißreichsten Bimetallisten Frankreichs, er kennt die Frage nicht bloß oberflächlich, sondern hat sie gründlichst studiert. Herr Barth taxiert ihn doch wohl etwas unrichtig: er würde die Stelle des Herrn Barth einnehmen; er steht den Sozialisten sehr nahe, möchte gern von ihnen unterstützt sein, wenn er auch vor den Konsequenzen darqus zurückschreckt. Herr Leroy Beaulieu steht auf einem freihändlerischen Goldwährungsstandpunkt, der von der Mehrheitsfrakt on nicht getheilt wird; er hat nichts sesagt. Herr Moöline ist der Führer, der die Majorität ommandiert, er ist ein Schutzzöllner und überzeugter Bimetallist. Die Vereinigten Staaten sollen sich den größten Schaden gethan haben, weil sie die Goldwährung nicht beibehalten hätten; dadurch wäre ihre Kreditwürdigkeit gesunken. Herr Barth hat Studien über die Kreditwürdigkeit amerikanischer Bankprioritäten gemacht. Ob diese Papiere so werth waren, unter das kleine Publikum verbreitet zu werden, überlasse ich dem Urtheil Anderer. Es wäre gleich, ob sie auf Gold oder Silber gestellt werden; die Inhaber wären zufrieden, wenn ssie nur etwas baares Geld bekämen. Die Amerikaner haben kein Institut wie unsere Reichsbank; sie haben Banken in den einzelnen Staaten, das ist für die Regierung eine außerordentlich unbequeme Sache. Im übrigen sollte Herr Barth es unterlassen, es so darzu⸗ stellen, als ob in Amerika Neigung für die Goldwährung vorhanden wäre. Es giebt einige Goldleute unter den Banquiers, sonst aber nicht. Die Frage ist nur: wollen wir Gold und Silber mit freier Prägung allein prägen, ohne uns um die anderen Staaten zu kümmern, oder wollen wir erst in Unterhandlungen treten. Die verständigen Leute sind alle internationale Bimetallisten. Die reinen Silberleute sind nahe daran, im Parlament die Mehrheit zu bekommen, und wenn nicht bei manchen Fragen eine Zweidrittelmehrheit nothwendig wäre,
1. Untersuchungs⸗Sachen.
2. Aufgebote, Fustellun gen u. dergl.
3. Unfall⸗ und Invaliditäts⸗ ꝛc. Versicherung. 4. Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen ꝛc. 5. Verloosung ꝛc. von Werthpapieren.
würden sie mit ihren Anschauungen durchdringen. Zu den reinen Bi⸗ metallisten gehört auch der Verfaßer der von Herrn Barth angeführten Zroschüre, die für Jedermann sehr lesenswerth ist. Die Panik in Amerika infolge der venezolanischen Streitfrage ist nicht wegen des “ Goldwährung ausgebrochen. Das glaubt doch Herr Barth elber nicht. Als das Haus Baring fiel durch Zurückziehung der russischen Guthaben, da war die Englische Bank einer großen Krisis sehr nahe. Wenn nicht Herren, die jetzt im bimetallistischen Lager stehen, sich der Sache “ hätten, würde die Krisis viel größer geworden sein. Wenn Herr Barth unser Verfahren, unsere Reise nach Paris mit dem Cobdenklub vergleicht, so ist das falsch. Der Cobdenklub hatte bezahlte Agenten, welche damit beauftragt waren, dem enalischen Export neue Wege zu öffnen. Daß Deutsche Mitglieder des Cobden⸗ klubs waren, ist nicht recht zu verstehen. Ich habe es niemals fassen können, daß z. B. Professor Nasse dem Cobdenklub beitreten konnte, da er doch wissen konnte, daß der Klub den Zweck hatte, unsere deutsche Industrie zu schädigen. Der Cobdenklub verfolgte bestimmte Interessen. Die Silberleute haben niemals etwas bezahlt für Agenten. Balfour sagte, daß er es für dus größte Unglück halte, wenn die englische Nation so lässig wie bisher der Währungsfrage gegenüberstehen würde. Man darf also von ihm auch eine Förderung der Währungsfrage erwarten. Wir haben die Beschlüsse in Paris geheim gehalten, weil das englische Parlament erst im Februar zusammentritt. Wenn dasselbe zusammengetreten sein wird, werden wir die Beschlüsse veröffentlichen, und sie werden Herrn Barth wohl gefallen. Die Goldwährung hat zwei Systeme herbeigeführt: es giebt Silberstaaten und Staaten mit unterwerthigen Valuten. Diese Zustände können nicht bestehen bleiben. Bisher ist es nur die Landwirthschaft gewesen, welche darunter zu leiden hatte. Die unterwerthigen Valuten würden beseitigt werden können, wenn an Stelle des Papiers nicht bloß Gold, sondern auch Silber verwendet werden könnte. Wenn die japanische und chinesische In⸗ dustrie in Konkurrenz treten werden, dann wird die Industrie die Folgen auch merken; ich will nicht an den Kriegsfall erinnern, in welchem die Goldwährung Gefahr bringen wird. Rußland und
rankreich haben etwa doppelt so viel Edelmetalle als der Dreibund.
m Kriege wird sich zeigen, daß man das Silber nicht entbehren kann. Es ist überhaupt eine Frage, die sich mit elementarer Gewalt durchbrechen wird. In England, welches viel mehr Veranlassung hätte, an der Goldwäbrung festzuhalten, hat die Bewegung einen solchen Umfang angenommen, daß sieben Mitglieder des Kabinets Bimetallisten sind. Wir glauben, daß der deutschen Landwirthschaft nicht anders
sind. Wir werden die Antwort des Reichskanzlers mit Ruhe erwarten. Sie mag sein, wie sie wolle; wir werden unsere Bestrebungen nicht sinken lassen, und wenn die Regierung erklärt: wir können uns nicht auf die Währungsfrage einlassen, so werden wir bedauern, daß sie auch diesen Rettungsanker für die Landwirthschaft von sich weist, aber wir werden diese Frage noch mehr in den Vordergrund schieben, nachdem der Antrag Kanitz zurückgewiesen ist.
Präsident Freiherr von Buol: Ich muß dringend ersuchen, daß auf jener Seite der Tribüne (nach links weisend) mehr Ruhe beobachtet wird. Es ist heute wiederholt vorgekommen, daß Zurufe und selbst Aeußerungen des Mißfallens von dort laut geworden sind. Es wird hoffentlich der Hinweis auf den § 63 der Geschäftsordnung der Tribünen) genügen, um derartigen Vorkommnissen ür die Zukunft vorzubeugen.
„Abg. Graf Limburg⸗Stirum (d. kons.): Herr Barth hat über die Broschüre über den Cobdenklub sehr wegwerfend gesprochen. Die Broschüre wies nach, daß der Cobdenklub nichts weiter wollte, als die englischen Interessen in ein wissenschaftliches Gewand hüllen. Daß die Herren, welche in Deutschland sich dem Klub an⸗ geschlossen hatten, über diese Enthüllung nicht erfreut waren, ist begreiflich, denn es freut niemanden, den Nachweis zu erhalten, daß er auf einen Leim gekrochen ist. Die Broschüre von Lothar Bucher war ein werthvolles Werk, und wenn die Freunde des Herrn Barth ebenso werthvolle Dinge schreiben würden, so würden sie damit Effekt machen. Ich wende mich nun anderen Dingen zu. Ich freue mich, daß unsere Be⸗ ziehungen zu Rußland freundlichere geworden sind; wir haben sehr wenig verschiedene Interessen, aber sehr viele gemeinsame mit Ruß⸗ land. Eine große Freude haben wir empfunden über die wirksame Wahrnehmung unserer Interessen in der Transvaal⸗Angelegenheit. Das Telegramm, das in dieser Beziehung ergangen ist, hat überall Zustimmung gefunden. Wenn man aber meint, daß wir mit England
in Krieg gerathen könnten, so sind das doch etwas kindliche Erwägungen.
Oeffentlicher Anzeiger.
wird aufgeholfen werden können, namentlich da andere Wege versperrt
Daß wir uns auf einen Seekrieg mit England einlassen könnten, ist ja einfach undenkbar. Darum ist aber nicht ausgeschlossen, da 8 das Deutsche Reich seine Interessen auch im Ausland wah England hat ebenso Interessen in europäischen Ländern, wo es auf das Wohlwollen und die Hilfe anderer Staaten angewiesen ist, und 6s ist für England von großer Bedeutung, ob es dort auf die ö oder Gegnerschaft des mächtigen Deutschen Reichs rechnen ann. Wir können uns nur freuen, daß die Deutsche Regierung so
energisch für die Wahrung der deutschen Interessen eingetreten ist. 8
Abg. Dr. Barth: Ich bedauere, daß der Vorredner seine Freule
über unsere besseren Beziehungen zu Rußland nicht schon damals zum Ausdruck gebracht hat, als es sich um den Abschluß des russischen Handelsvertrags handelte. Eine deutsche Politik, welch darauf abzielen würde, England, welches uns seit Jahren befreundet ist, vor den Kapf zu stoßen, würde den wahren Interessen Deutsch lands nicht entsprechen, und ich bin überzeugt, daß in der Person des Reichskanzlers eine gewisse Garantie dafür liegt, daß ein gutes Verhältniß aufrecht erhalten wird. Das Pamphlet von Lothar Bucher über den Cobdenklub habe ich genau studiert und mich gewundert, woher er den Muth und den Unge schmack gefunden hat, die Broschüre zu schreiben. Von bezahlten Agenten des Cobdenklubs ist keine Rede; die Akten desselben liegen offen vor Aller Augen, einen geheimen Fonds giebt es nicht es ist das eine der thörichtesten Behauptungen, die jemals auf⸗ gestellt sind. Ueber die bimetallistischen Freunde des Herrn von Kardorff in Amerika möchte ich doch etwas bemerken. Der Fengen Cleveland wird große Augen machen darüber, daß er Bimetallist sei; ich habe mich mit ihm eingehend unterhalten und gefunden, daß er meinen Anschauungen näher steht, als denen des Herrn von Kardorff Wenn man von bezahlten Agenten des Cobdenklubs spricht, dann könnte man viel mehr von bezahlten Agenten der amerikanischen Silberminenbesitzer in Deutschland sprechen. (Abg. von Kardorff bittet ums Wort.) Ich will nur darauf hinweisen, daß wir in Deutschland, bis auf wenige verschwindende Ausnahmen, alle diejenigen, welche eine hervorragende Rolle spielen in der Industrie, der reinen Gold⸗ währung anhängen. Ich brauche nur auf die jüngsten Berichte der Handelskammern zu verweisen. Diese Kenner der Verhältnisse können 8 es sich gar nicht ernstlich vorstellen, daß die Regierung auf solche Pläne eingeht. Würde man das annehmen, so würde ein solcher Sturm der Entrüstung entstehen, wie er niemals vorher statt⸗ gefunden hat.
Abg. von Kardorff: Es ist heute zum zweiten Mal, daß im Deutschen Reichstag der Verdacht ausgesprochen wird, daß wir Bi⸗ metallisten von Amerika bezahlt würden. Ich habe schon einmal gesagt, daß ich die Bücher des bimetallistischen Vereins offen legen würde, um nachzuweisen, daß alles von uns verwendete Geld aus Deutschland kommt. Wenn Herr Barth nicht nachweist, daß irgend jemand von amerikanischem Geld bezahlt ist, dann muß ich ihn als einen infamen Lügner bezeichnen.
„Abg. Dr. Barth: Eine solche Grobheit und Unverschämtheit kann ich mir von Herrn von Kardorff nicht gefallen lassen.
Präsident Freiherr von Buol: Ich muß den Redner zur Ord⸗ nung rufen. Ich bitte um Entschuldigung; gegen den Vorwurf, daß Herr Barth irgend jemand aus dem Reichstag als bezahlt bezeichnet hätte, muß ich ihn in Schutz nehmen; Herr Barth hat das nicht gesagt. Es wird mir mitgetheilt, daß Herr von Kardorff Herrn Barth allerdings bedingt vorgeworfen habe: „es würde eine infame Lüge sein.“ Auch in dieser Form ist es ein Vorwurf gegenüber dem Abg. Barth, den ich nicht ungerügt lassen darf.
Abg. Dr. Barth: Ich mache den Herrn Präsidenten darauf aufmerksam, daß Herr von Kardorff direkt gesagt hat, ich sei ein infamer Lügner. Einen solchen beleidigenden Zwischenruf, sei er auch nur konditionell, kann und werde ich mir von niemand gefallen lassen. Solange Herr von Kardorff nicht vom Präsidenten zur Ordnung ferufen wird, bin ich verpflichtet, mir direkt Genugthuung zu ver⸗
affen.
Präsident Freiherr von Buol: Ich wiederhole, daß nach meiner Kenntniß es nur in bedingter Weise geschehen ist, und das habe ich gerügt. Wenn der Vorwurf, Herr Barth sei ein infamer Lügner, gefallen wäre, so verdiente das selbstverständlich die höchste Rüge, und ich würde den Abg. von Kardorff zur Ordnung gerufen haben.
Der Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei wird
bewilligt. Schluß 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Fort⸗ setzung der Etaisberathung: Reichsamt des Innern.)
6. Kommandit⸗Gesellschaften auf Aktien u. Aktien⸗Gesellsch, Lo sG enschaften. b
7. Erwerbs⸗ und afts⸗G
8. Niederlassung ꝛc. von Rechtsanwälten. 9. Bank⸗Aus 8
10. Verschiedene Bekanntmachungen.
1) Untersuchungs⸗Sachen.
[64022] Steckbrief.
Gegen den Posamentier und Weber Carl Helm⸗ reich aus Kloster⸗Zinna, geboren daselbst am 10. Mai 1847, zuletzt in Staßfurt aufhältlich, welcher sich verborgen hält, ist die Untersuchungshaft wegen Diebstahl und Sachbeschädigung verhängt. Es wird ersucht, denselben zu verhaften, an das nächste Amts⸗ ericht abzuliefern und sofortige Nachricht zu den diefihen Akten D. 1/96 zu geben.
Staßfurt, den 13. Januar 1896.
Königliches Amtsgericht.
nicht mit Köni unterzogen zu ha
28. Mär
[64028] Steckbriefs⸗Erneuerung.
Der hinter den Barbier Adolf Otto Schüttler, am 6. August 1860 in Kahlstädt geboren, wegen Körperverletzung unter dem 9. November 1886 in den Akten 134 D. 1397. 85. erlassene Steckbrief wird hierdurch erneuert.
Berlin, den 18. Januar 1896.
Königliches Amtsgericht I. Abtheilung 135.
[64023] Bekanntmachung.
Der unter dem 19. September 1889 erlassene und am 12. Dezember 1894 erneuerte Steckbrief gegen den Former Lorenz Heßler wird zurückgenommen.
Lüdenscheid, den 21. Januar 1896.
Königliches Amtsgericht.
[64024] 8 Der hinter dem Handlungsreisenden Hugo Andro⸗ schek aus Posen unter Nr. 20 536 des öffentlichen Anzeigers pro 1895 erlassene Steckbrief vom 25. Juni
1895 ist erledigt. — C. 28/95. — Kreuzburg O.⸗S., den 21. Junuar 1896. Königliches Amtsgericht. b
[64021] Das unterm
[64027277 Das binter
[64026]
[64025] „Der hinter dem Bergarbeiter August Igna Schmilowski aus Kreuzburg O.⸗S. unter Nr. 43 88. des öffentlichen Anzeigers pro 1894 erlassene Steck⸗ brief vom 24. Oktober 1894 ist erledigt. — C. 62/94. Kreuzburg O.⸗S., den 21. Januar 1895. Königliches Amtsgericht. 1) Frana
Der Kommis Max Kaufmann aus Hamburg, 4) 31 Jahre alt, dessen Aufenthalt unbekannt ist, und 5 welchem zur Last gelegt wird, im November 1895
zu Neustadt O.⸗Schl. sich dem Verkauf von Loosen einer außerpreußischen Lotterie, welche in
Gesetzes v. 29. Juli 1885 — wird auf des Königlichen Amtsgerichts hierselbst auf den 1896, Vormittags 9 Uhr, vor das Königliche Schöffengericht hier — Zimmer 4 — zur Hauptverhandlung geladen. schuldigtem Ausbleiben wird zur Hauptverhandlung geschritten werden. Neustadt O.⸗S., den 15. Januar 1896.
Basold, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Bekanntmachung.
Maurermeister Friedrich Wilhelm Carl Rüger aus Beelitz, in den Akten Ml 42— 95, erlassene offene Strafvollstreckungsersuchen ist erledigt. Potsdam, den 20. Januar 1896. Königliche Staatsanwaltschaft.
1) dem Schmied August Michler, 2) dem Droguist Außuft Urbau aus Striegau, jetzt unbe —8 5. April 1894 erlassene offene Strafvollstreckungs- In Sachen der Firma Carl Kux sen. zu Halber⸗ ersuchen ist erledigt. — E. 154/93. stadt, Klägerin, wider den Juwelier Ludwig Spengler Striegaun, den 20. Januar 189565. zu B Königliches Amtsgericht.
Das hinter dem Militärpflichtigen Karl Ernst
Hermann Kinntke, unbekannten Aufenthalts, unterm
1. November 1895 erlassene offene Strafvollstreckungs⸗
ersuchen ist erledigt. — D. 88/95. 8
Striegau, den 20. Januar 189696. Königliches Amtsgericht.
[64149] K. Staatsanwaltschaft Heilbronn. Bekanntmachung. In der Strafsache gegen
Heinrich Conrad, von Dürrmenz, ustav Wilhelm Dörr, von Weinsberg, heinrich Dürrwächter, von Diefenbach, Chriftian Jakob Glöckler, von Diefenbach, Max Otto Glocker, von Mainhardt,
Freußen licher Genehmigung zugela en — Vergehen gegen §§ 1, 2 preuß.
Anordnung 11) Andreas
Auch bei unent⸗ 18) Ludw
wegen Verletzung der 2. Dezember 1895 hinter den
mit Beschla
belegt worden. Den 22.
kanuar 1896.
7) Karl Wilhelm Gühring, von Illingen, 8) Gustav Friedrich Hasenfuß, von Enzberg, en ist, 9 Johann Christian Hirsch, von Dürrmenz, 10) Karl Christian Imle, von Gündelbach, riedrich Lehrer, von Oetisheim, 12) Christof Jakob Leucht, von Gündelbach, 13) Karl Gustav Leucht, von Gündelbach, 14) Friedrich Märkle, von Knittlingen, 15) Gottlieb Friedrich Münzinger, von Lienzingen, 16) August Nuber, von Derdingen, 17) 8 Wilhelm Steinle, von Schepbach, g Friedrich Steimle, von Oelbronn, 19) Christian Johannes Walter, von Gündelbach, 20) Johannes Wegmer, von Schützingen, ehrpflicht, ist der Strafkammer des K. Landgerichts hier vom 14. Januar 1896 das im Deutschen Reiche befindliche Vermögen berselben gemäß §8§ 326, 480 Str. P. O.
Staatsanwalt Hartmann.
wird der auf den 16. März 1896 zur Versteigerung der beklagtischen Grundstücke anberaumte Termin, nachdem die Beschlagnahme klägerischerseits zurück⸗ gezogen ist, damit wieder aufgehoben. Seesen, am 21. Januar 1896. Herzogliches Amtsgericht. Rosenstern.
Die nachgenannten Antragsteller haben wegen der bei eines Jeden Namen verzeichneten Werthpapiere das Aufgebot beantragt:
1) Herr Gutsbesitzer Robert Hermann Funke in Burkhardtswalde, als Vormund der ledigen Clara Ida König in Berthelsdorf u. Gen., wegen des K. S. 4 % Staatsschuldenkassenscheins der vereinigten An⸗ leihen von den Jahren 1852/68 Serie II Nr. 119884 8 392 Fhaler, bilfe Herr Emil
er ossergehilfe Herr Emil Bruno Fischer in dosöhr⸗ wegen des K. S. 3 ½ %, ee 1e Staatsschuldenkassenscheins derselben Anleihen Serie II
Beschluß
Nr. 161441 über 100 Thaler,
kannten Aufenthalts unterm [6412
lankenburg, Beklagten, wegen
fläche des ehemaligen
eingetragen Bd. VIII S.
Blankenburg angesetzt, in we
Sommer.
Beklagten,
ch Glo ertram in Seesen,
2) Aufgebote, Zustellungen und dergl.
Forderung, wird, nachdem auf Antrag des Klägers die Beschlagnahme “ der dem Beklagten Sehe 0,73 a von der ohnhauses No. ass. 403 100 Th. 1354 zum Zwecke der wangsversteigerung durch Beschluß vom beutigen age verfügt, auch die Eintragung dieses Beschlusses im Grundbuche am heutigen Tage erfolgt ist, Termin zur Zwangsversteigerung auf den 11. März 1896, Morgens 10 Uhr, vor Herzoglichem Amtsgerichte 8 die Hypothek⸗
gläubiger die Hypothekenbriefe zu überreichen haben.
Blankenburg, den 18. Januar 1896. Heerzogliches Amtsgericht. “
In Sachen der Firma Werner & Determann in annover, Klägerin, wider den Tapezierer Louis wegen
3) Herr Schneidermeister Michael Groh in Leipzig wegen des K. S. 3 ½ %, vormals 4 %, Staats⸗ der Anleihe vom Jahre 1869 . 82 2 übe 8- Thaler,
er Weinbergsbesitzer Herr Friedrich Reinhold Zieger in Zscheila bei Meißen wegen des nben 3 ½ %, vormals 4 %, dergl. derselben Anleihe Litt. B. Nr. 9013 über 100 Thaler,
5) der Weber Herr Robert Müller in Reichen⸗ bach i. V. wegen des K. S. 3 ½ %, vormals 4 %, dergl. e Anleihe Litt. B. Nr. 19310 über aler,
6) Herr Gutsbesitzer Karl Oswald Ihle in Reukersdorf wegen des K. S. Landrentenbriefs Litt. D. Nr. 7737 über 150 ℳ,
7) Frau Ella, verehel. Oberlehrer Dr. Rohdewald, geb. Kellner, in Linden wegen der Aktie der Sächsischen Bank zu Dresden Nr. 17418 über 200 Thaler,
8) Frau Doris, verw. Pastor Meyer in Roklum wegen des 3 ½ % Kreditbriefs des landwirthschaftlichen Kreditvereins im Königreiche Sachsen Serie VIII Litt. D. Nr. 29 über 100 ℳ,
9) Fräulein Bertha Eulalia Rudel in Weinböhla wegen der Stamm⸗Aktien der Dresdner Baugesell⸗ schaft zu Dresden Nr. 8798 und 8799 über je 380 ℳ,
10) der Korbwaarenfabrikant Herr Norbert Iser⸗ stein in Münchengrätz a. d. IJsar wegen des von ihm am 13. Oktober 1891 ausgestellten, von Hugo Texter
rund⸗
Forderung,