“
G höchst bedenklich, sondern finanziell auch gar nicht durchführbar. 1
Denn angenommen, es würde nur ein Ehrensold von 120 ℳ jährlich gewährt, so ergeben allein die Zahlenverhältnisse der noch lebenden Kriegstheilnehmer aus den letzten großen Kriegen eine Belastung der Reichskasse von ungefähr 100 Millionen Mark jährlich! Von wem und wie soll in heutiger Zeit diese
Summe aufgebracht werden?
3 Bei der zweiten Frage wird fast immer übersehen, daß, wenn die Versorgungsgesetze allein nicht ausreichen — sei es, daß deren Versorgungsgrenze nicht weit genug gesteckt oder
daß die Höhe der Entschädigungssätze unter den veränderten
it⸗ und Geldverhältnissen unzulänglich ist —, in solchen eines weitergehenden Bedürfnisses die großen
Unterstützungsfonds eintreten nicht allein für die
Kriegstheilnehmer selbst, sondern auch für deren Hinter⸗
bliebene. Es ist in weiten Kreisen noch viel zu wenig bekannt, welche großen Summen für diese Zwecke einer Milderung der
Kriegsschäden alljährlich aufgewendet werden; sonst würde man
die Fürsorge des Reichs dankbarer anerkennen und bei höheren
Anforderungen an die Mittel der Reichskasse, d. h. an die Kräfte
der Steuerzahler, vorsichtiger und bescheidener sein.
Einige Zahlen mögen die Berechtigung und Nothwendigkeit
dieser Mahnung hier begründen:
1) Der Allerhöchste Dispositionsfonds bei der Reichs⸗
Hauptkasse (Kap. 68 Tit. 1 des Reichshaushalts⸗Etats), bestimmt
zu Gnadenbewilligungen aller Art, ist mit 3 Millionen Mark jährlich dotiert, von denen aber fast die ganze Summe lediglich
im Interesse der Veteranen und ihrer Hinter⸗ bliebenen in einer so humanen und ausgiebigen Weise Ver⸗ wendung findet, daß die den einzelnen Betheiligten zugewiesenen Abfindungen, je nach der Größe des Bedürfnisses, oft bis zur
höchsten gesetzlich zulässigen Grenze gehen.
2) Zur Verstärkung dieses Fonds und um noch mehr als bisher begründeten Anforderungen genügen zu können, sind auf
Grund des Gesetzes vom 22. Mai 1895 im Kap. 83 Tit. 2 des Reichshaushalts⸗Etats für 1896,97 weitere 700 000 ℳ
jährlich eingestellt worden.
3) Als Beihilfen (Ehrensold) für hilfsbedürftige Kriegs⸗ theilnehmer sind 1 800 000 ℳ (Kap. 83 Tit. 4) vorgesehen, sodaß zur Zeit 15 000 hilfsbedürftige Veteranen einen Ehren⸗ sold von jährlich 120 ℳ erhalten können.
4) Ferner kommt der im Kap. 83 Tit. 1 ebenda aus⸗ geworfene Jahresbetrag von 350 000 ℳ jährlich in Betracht, welcher bestimmt ist und verwendet wird zu Unterstützungen und Erziehungsbeihilfen für Wittwen und Kinder von Kriegs⸗ theilnehmern. 18 5) Endlich wird aus dem Kap. 74 Tit. 6 des Reichs⸗ haushalts⸗Etats zu Unterstützungen für Kriegstheilnehmer und deren Hinterbliebene eine Summe von 30⸗ bis 40 000 ℳ jährlich verausgabt. 1 8 Im Ganzen also ergeben diese 5 Ziffern eine Jahressumme von ungefähr 6 Millionen Mark, die lediglich bestimmt ist, den
Kriegsveteranen und deren Hinterbliebenen, welche keine gesetz⸗ ichen Ansprüche haben, im Fall ihrer Bedürftigkeit und Würdigkeit mit angemessenen Unterstützungen aus Reichsfonds
zu Hilfe zu kommen. 8
Diese Thatsache allein, ohne alle weiteren Ausführungen, dürfte genügen, die beregten Zeitungsartikel und Massen⸗ agitationen auf ihren wahren Werth zurückzuführen. Vielleicht trägt auch eine weitere Kenntnißnahme der bisherigen Be⸗ mühungen der Regierung um das Wohl der Kriegstheilnehmer und deren Wittwen und Waisen dazu bei, daß diese hier kurz erörterte Frage fortan mit mehr Sachlichkeit, Unbefangenheit
iud patriotischem Anstande beurtheilt und behandelt wird.
8 Daß für die als kriegsinvalide anerkannten Mann⸗
schaften und deren Angehörige, sowie für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen an Pensionen bezw. gesetzlichen Bei⸗
hilfen aus dem Reichshaushalts⸗Etat jährlich eine Summe von über 15 Millionen Mark verausgabt wird, möchte allge⸗ meiner bekannt sein.
Die „Kölnische Zeitung“ bringt in 26. Januar 1896 eine Korrespondenz aus Baltimore, betreffend „die Kriegsbrauchbarkeit der neuen amerikanischen Kleinkaliber⸗Gewehre“, in welcher aus dem Bericht eines
emdländischen Generals über die Wirkung solcher Gewehre u. a. nachstehendes Beispiel angeführt wird:
„In Deutschland machte man jüngst eine ähnliche Erfahrung. Ein Soldat, der seinen Sergeanten in Magdeburg beraubt und er⸗ mordet hatte, war zum Tode verurtheilt worden. Fast jede
ugel der zur Vollstreckung befohlenen Abtheilung traf, und eennoch versuchte der Verwundete zu entfliehen. Der komman⸗ dierende Sergeant schoß ihm noch eine Kugel durch den Kopf, aber der Tod erfolgte auch dann noch nicht. Der Sergeant lud wieder, und erst eine Kugel die dicht hinter dem Ohr eindrang, führte den Tod herbei. Er hatte neun Schußwunden erhalten. Kein Wunder, daß die Geschichte dieser Urtheilsvollstreckung von den Behörden unter⸗ rückt wurde.“ b Diese “ ist völlig erfunden. Bereits seit nger Zeit — jedenfalls seit Anfang der 1850 er Jahre — hat im Frieden die Vollstreckung der Todesstrafe an einem preußischen Soldaten durch Erschießen nicht mehr stattgefunden.
Das Militär⸗Strafgesetzbuch vom 20. Juni 1872 bedroht mit der militärischen Todesstrafe (durch Erschießen) überhaupt nur solche militärischen Verbrechen, welche im Felde be⸗
gangen sind; begeht ein Soldat im Frieden ein nichtmilitärisches eerbrechen, welches mit dem Tode bedroht ist, so wird die obesstrafe durch Enthaupten vollzogen.
Der Verfasser der Korrespondenz giebt an, er sei selbst Pneigt, an der Richtigkeit seiner Mittheilung zu zweifeln. wäre dann wohl besser gewesen, er hätte sie überhaupt nicht verbreitet.
Der 68. Kommunal⸗Landtag der Kurmark beschlcß
in seiner 5. Plenarversammlung am 28. d. M. über 5 Gut⸗ achten des I. und 17 des II. Ausschusses. Die ersteren be⸗ trafen in 3 Fällen Beihilfen zur Beschaffung von Feuerlösch⸗ geräthen oder Erbauung von Spritzenhäusern, in zwei Fällen Rekurse der General⸗Direktion der Land⸗Feuersozietät gegen Kreistagsentscheidungen, von denen einem statt⸗ gegeben, der andere aber abgewiesen wurde. Die
utachten des II. Ausschusses betrafen, bis auf drei, Gesuche um Bewilligungen aus dem ständigen Dispositions⸗ fonds der Kurmärkischen Hilfskasse zu milden Zwecken; nur vier derselben konnten mangels Nachweises der Bedürftigkeit oder Wirksamkeit nicht bewilligt werden, alle übrigen führten zu zum theil namhaften Spenden. Die drei anderen Gut⸗ achten hatten Rechnung, Kassenrevision und Bezahlung von Botendiensten zum Gegenstande. 8
wendung als Justitiarius überwiesen worden.
Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Herzogli — tischer Staats⸗Minister Dr. von Koseritz und Fürstlich lippischer Kabinets⸗Minister von Oertzen sind von hier abgereist.
Der Regierungs⸗Assessor Hermes in Posen ist der König⸗ lichen Regierung zu Merseburg zur weiteren dienstlichen Ver⸗
“ Vayern. Dem Landtag ist eine Nachtragsforderung von 240000 ℳ für die Herstellungskosten einer Telephonverbindung zwischen Frankfurt a. M. und Wien auf bayerischem Gebiet zugegangen. Die gestrige Sigunß der Kammer der Reichsräthe eröffnete der Erste Präsident Graf von Lerchenfeld mit einem Hinweis auf den in Deutschland mit Jubel gefeierten 18. Januar: „Mit Stolz und Freude gedenken wir der glorreichen Zeit, in welcher König Wilhelm von Preußen die deutschen Truppen bis vor die Thore der feindlichen Hauptstadt geführt hat. Mit Stolz und Freude er⸗ innern wir uns, daß es Bayerns König war, der dem sieg⸗ reichen Feldherrn die Kaiserkrone angeboten hat. In Treue fest steht Bayern zu Kaiser und Reich.“ Der Präsident schloß mit den Worten König Ludwig's I.: „Das vereinigte Deutschland wird nicht überwunden“. Im Verlauf der Sitzung kam der in der vorigen Session von der Kammer der Abgeordneten gefaßte Beschluß zur Berathung: „Die Regierung möge die Frage der Ein⸗ führung einer allgemeinen, direkten, progressiven Einkommensteuer, verbunden mit einer Vermögens⸗ steuer, prüfen und dem Landtag in thunlichster Bälde eine diesbezügliche Vorlage machen.“ Die Kammer der Reichsräthe beschloß 8“ Uebergang zur Tages⸗ ordnung, sprach sich jedoch für eine’ Reform der Kapital⸗Rentensteuer, der jetzigen Einkommensteuer und der Gewerbesteuer aus. Der Finanz⸗Minister Dr. Freiherr von Riedel erklärte, daß die Reformpläne in Ausarbeitung seien und daß eventuell noch in dieser Session eine bezügliche Vorlage möglich sei. Sachsen.
Ihre Majestäten der König und die Königin von Württemberg trafen gestern Nachmittag von Berlin in Dresden ein und wurden am Leipziger Bahnhof, woselbst eine Kompagnie des 1. (Leib⸗) Grenadier⸗Regiments Nr. 100 Auf⸗ stellung genommen hatte, von Ihren Majestäten dem König und der Königin, Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, den Staats⸗Ministern, der Generalität und den Stabsoffizieren der Garnison empfangen. Nach herzlicher Begrüßung begaben sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften nach dem Residenz⸗ schlosse, wo eine Kompagnie des 2. Grenadier⸗Regiments Nr. 101 Ehrenwache Ffelt Während der Fahrt vom Bahnhof nach dem Schlosse bildete eine Eskadron des Garde⸗ Reiter⸗Regiments die Eskorte. Nachmittags 6 Uhr fand im Bankettsaale des Schlosses Galatafel und Abends Gala⸗Vor⸗ stellung im Hoftheater statt.
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88 Oldenburg.
(DHI.) Gestern ist folgendes Bulletin über das Befinden Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin ausgegeben worden:
Die Leiden steigerten sich abermals, kürzen den Schlaf un erschöpfen die Kräfte. 1
Oesterreich⸗Ungarn.
Der bisherige türkische Botschafter Ghalib Bey über⸗ reichte gestern Mittag dem Kaiser in feierlicher Audienz sein Abberufungsschreiben. 1
In der gestrigen Sitzung des böhmischen Landtags begründete der Landesausschuß⸗Beisitzer Werunsky. den Antrag der Deutschen, betreffend die gesetzliche Sicherstellung des Gebrauchs beider Landessprachen in der Bezeichnung der Straßen und Plätze der Stadt Prag. Er beantragte die Ueberweisung des Antrags an eine Kommission. Der Vize⸗Bürgermeister von Prag Podlipny erblickte in dem Antrag eine Germanisierungstendenz und sprach gegen die Ueberweisung. Der Abg. Graf Buquoy erklärte sich namens der Großgrundbesitzer für die Ueberweisung an eine Kommission, worauf diese mit allen gegen die czechischen Stimmen beschlossen wurde. 1
Ein von der Stadt Lemberg zu Ehren des Minister⸗ Präsidenten Grafen Badeni veranstaltetes Fest im Rathhaussaale nahm einen glänzenden Verlauf. Ver⸗ treter der Geistlichkeit, der Generalität, des Adels, die Spitzen der Behörden u. s. w. hatten sich dazu ein⸗ gefunden. Graf Badeni, welcher in Begleitung des Finanz⸗Ministers Dr. von Bilinski, des Statthalters und des Landmarschalls von Galizien erschienen war, wurde von 1 Zu“ empfangen und verweilte über eine
tunde.
Die italienischen Abgeordneten zum Tiroler Landtag sind wegen ihrer Weigerung, an den Verhand⸗ lungen des Landtags theilzunehmen, ihrer Mandate für verlustig erklärt worden.
Im ungarischen Unterhause brachte gestern bei der
fortgesetzten Debatte über den Titel „Obergespane“ der Abg.
Nikolaus Kun den Antrag ein: die Regierung aufzufordern, über die den Obergespanen gewährten Zulagen Bericht zu erstatten. Der Abg. Buschbach (liberal) sprach gegen den Antrag des Grafen Csaky und hob hervor: wenn Mißbräuche vorhanden seien, so sei es die Pflicht der Regierung, energische Maßregeln zu treffen. Nicht jeder Abgeordnete, welcher sich mit Eisenbahnen beschäftige, sei zu verdächtigen; er protestiere gegen eine derartige Auffassung. Der Handels⸗Minister Daniel erklärte: Er übernehme die Verantwortung für jeden einzelnen Theil der Vizinalbahn⸗Konzessionen. Was die Boldvathaler Vizinalbahn und den Fall Miklos anbetreffe, s- sei aus den Akten ersichtlich, daß nicht alle Wünsche der Konzessionare erfüllt worden seien. Die staatliche Unterstützung sei nicht erhöht worden, wie ein Konzessionar dies verlangt habe; der Konzessionar habe nicht mehr erreicht, als jedem anderen Konzessionar gewährt worden sei; es sei auch absolut nicht erwiesen, daß in dem vorliegenden Fall ein un⸗ erlaubter Nutzen gezogen worden sei. Der Minister erklärte
schließlich, er könne nur den Beschluß⸗Antrag des
rafen Csaky annehmen. Der Abg. Hermann zog hierauf seinen Antrag zurück. 8 Großbritannien und Irland. Bei der gestrigen Ersatzwahl zum Unterhause im
Londoner Stadtviertel St. “ für den verstorbenen Sir e
Julian Goldsmid (Unionist) wurde Jessel (Unionist) mit Be“ gegen Harris (radikal) gewählt, der 1375 Stimmen erhielt. 8 Ueber die Vorkommnisse in Armenien ist ein um⸗ fangreiches Blaubuch erschienen; dasselbe enthält, wie „W. T. B.“ berichtet, die Depeschen vom 24. Juli 1894 bis zum 16. Oktober 18955 und den Bericht der gemeinsamen Kommission zur Untersuchung über das Massacre in Sassun. Nachdem in diesem Bericht festgestellt ist, daß die Feind⸗ seligkeit zwischen Kurden und Armeniern von Jahr zu Jahr gewachsen war, wird das Auftreten des Agitators Ham⸗ parsum Boyadjan, welcher sich Murad nannte, in dem Distrikt geschildert; von diesem Mann aufgereizt, begingen die Armenier zahlreiche Ausschreitungen gegen die Kurden, welche ihrerseits zu Repressalien schritten. Die Armenier verließen ihre Dörfer, und die Streitigkeiten begannen; die Armenier wurden jetzt als im Aufstande befindlich betrachtet, und die Truppen rückten von Musch aus, um die Bewegung zu unterdrücken und Murad zu fangen. Die Thatsache der Ermordung von Armeniern ist fest⸗ gestellt, aber die Einzelheiten sind sehr übertrieben worden. Das größte Massacre war das des Priesters Johannes und der Armenier im Lager bei Ghelie Guzan, wo die Zahl der Opfer 40 oder 50 betrug. Die Dörfer Kavar, Schimik, Semal und Ghelie Guzan im Distrikt Talori wurden zer⸗ stört, und die Bevölkerung, ungefähr 5000 Köpfe, war gezwungen, sich nach Diarbekr oder nach anderen Orten zu begeben. Das Blaubuch schließt mit einem Memo⸗ randum des britischen Delegirten Shipley, welcher ausführt, die Zahl der armenischen Opfer sei von der britischen und ausländischen Presse sehr überschätzt worden. Wenn man die Zahl der in jedem von den 23 Dörfern Getödteten auf 40 annehme, so ergebe sich einschließlich der an Nahrungs⸗ mangel Gestorbenen eine Totalsumme von ungefähr 900. Unbestätigt geblieben seien die Behauptungen von Hinschlachtungen armenischer Frauen durch türkische Sol⸗ daten. Gleichzeitig führt Shipley aus, die Agitation gegen die türkischen Behörden sei jahrelang von den aus⸗ wärtigen armenischen Comités in den Distrikten von Musch und Talori unter den Armeniern betrieben worden, und der Mißerfolg in den Bestrebungen, dieser Bewegung Herr zu werden, habe zur Erbitterung der türkischen Behörden geführt. Auf der anderen Seite werde diese Darstellung durch die Thatsache gekennzeichnet, daß die türkische Regierung ihrer ersten Pflicht nicht nachgekommen sei, und zwar der Pflicht, allen Klassen ihrer Unterthanen Schutz zu gewähren.
Frankreich.
Der gestern abgehaltene Ministerrath beschloß, im Parlament ein Gelbbuch über den neuen Vertrag mit Madagaskar zu vertheilen, sobald von dort die vollständigen Nachrichten eingetroffen sein würden. Die Regierung wird zu gleicher Zeit den auswärtigen Mächten Mittheilung über die Besitzergreifung Madagaskars durch Frankreich machen.
Der frühere Kriegs⸗Minister zum Kommandeur des XV. Armee⸗Korps ernannt worden.
Ein Kredit von 975 000 Fr. wird behufs Vertretung
Frankreichs bei der Krönung des Kaisers von Ruß⸗ land, am 12. Mai, verlangt werden. Die Zusammensetzung der außerordentlichen Mission, welche der Krönung beiwohnen wird, ist noch nicht bestimmt. “
“ 8
Der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg hat Rom gestern Abend wieder verlassen. Der „Agenzia Stefani“ zufolge hätte der Papst in der vorgestrigen Audienz dem Prinzen Ferdinand erklärt, daß der Uebertritt des Prinzen Boris nicht gestattet werden könne.
In Neapel fand gestern in der San Lorenzo⸗Kirche eine Trauerfeier für die bei Amba⸗Aladji Gefallenen statt. An derselben nahmen auch die höheren Offiziere des deutschen Kriegsschiffs „Moltke“ theil. Der Prinz Heinrich von Preußen war durch den persönlichen Adjutanten, Kor⸗ vetten⸗Kapitän Müller vertreten.
Zur Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Deutschen Kaisers fand in Madrid am Montag Vormittag in der deutschen Kapelle ein Festgottesdienst statt, welchem die Mitglieder der deutschen Botschaft und des deutschen Kon⸗ sulats beiwohnten. Abends fand in den Räumen der Gesell⸗ schaft „Germania“ unter dem “ des Botschafters von Ra⸗ dowitz ein Festmahl statt. Der Botschafter hielt nach einem Toast auf die Königin⸗Regentin die Festrede, worin er zur Erhaltung des vollen Deutschthums gerade im Aus⸗ lande mahnte. Der Redner schloß mit einem begeistert auf⸗ genommenen Hoch auf Seine Majestät den Kaiser. An. Allerhöchstdenselben wurde folgendes Telegramm gesandt: „Eurer Kaiserlichen Majestät legen die mit dem Botschafter in Madrid vereinigten Landsleute das erneute Gelöbniß der Treue zu Füßen, in begeistertem Dank für das, was Eure Majestät an uns Deutschen im Auslande gethan haben. Die deutsche Kolonie.“ — Ein glänzender Ball, an dem 120 Personen theilnahmen, beschloß die Feier.
Schweiz. 8 Die Gesetzentwürfe des Bundesraths, betreffend die Einführung der obligatorischen Unfall⸗ und Kranken⸗ versicherung, würden eine jährliche Ausgabe von 7 333 000 Fr. zur Folge haben. Der Bundesrath erklärte, daß hierfür die ordentlichen Einnahmen nicht ausreichten; es müßten neue Ein⸗ nahmen gesucht werden. Das Beste sei die Einführung des Tabackmonopols. Belgien. Die Königin ist, wie „W. T. B.“ aus Brüssel erfährt, wieder völlig hergestellt. Türkei.
Der bisherige Gesandte in Bukarest Reschid Bei ist bei der italienischen Regierung als Botschafter in Rom accre⸗ ditiert worden.
Serbien.
Der Geburtstag Seiner Majestät des Deutschen Kaisers wurde am Montag in Belgrad festlich begangen. Vormittags fand Empfang bei dem deutschen Gesandten Freiherrn
eneral Zurlinden ist
von Waecker⸗Gotter statt. Glückwünsche statteten im Namen des Königs von Serbien der Hofmarschall, im Namen der ser⸗ bischen Regierung der Minister⸗Präsident, ferner die Diplomaten, die Vertreter der Behörden und die höheren Beamten ab. In der evangelischen Kirche war Festgottesdienst. Bei dem Fest⸗ bankett, welches Abends veranstaltet wurde, brachte der deutsche Gesandte Freiherr von Waecker⸗Gotter ein Hoch auf den König von Serbien, der deutsche Konsul Dr. Oberg ein Hoch auf den Deutschen Kaiser aus.
Die Skupschtina hat einen Antrag angenommen, wonach die Gemeinde⸗Vorsteher mittels Königlichen Ukases ernannt werden sollen. ““
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Die Sobranje beendigte in ihrer vorgestrigen, bis Mitter⸗ nacht dauernden Sitzung die Debatte über den Strafgesetz⸗ entwurf, der nunmehr in dritter Lesung angenommen worden c Die Opposition versuchte einige Amendements einzubringen, darunter eines zu dem Artikel über die Bildung von bewaffneten Banden zu aufrührerischen Zwecken. Die Redner begründeten das Amendement damit, daß dieser Artikel bei Nieder⸗ werfung der macedonischen Bewegung angewendet werden könne. Nach einer wirkungsvollen Rede des Minister⸗ Präsidenten Stoilow nahm die Sobranje den Text der Vor⸗ lage an. Ferner wurde die Aufnahme einer inneren An⸗ leihe von vier Millionen zu Gunsten der Munizipalität von Sofia genehmigt.
Amerika.
.“ Dampfer „Hawkins“, dessen Verfolgung von der
Regierung der Vereinigten Staaten angeordnet worden war, ist 75 Meilen südöstlich von Long Island wrack ge⸗ worden. Von 80 Cubanern, die sich an Bord desselben be⸗ fanden, wurden 70 gerettet. Die mitgeführten Kanonen und Schießvorräthe gingen verloren.
Afrika.
1“ 1 Die „Tribuna“ veröffentlichte gestern in einer besonderen Ausgabe eine Depesche, welche nachträgliche Einzelheiten über die Vorgänge bei Makalle enthält und die bereits gemeldeten Nachrichten im mwesentlichen bestätigt. Die Depesche berichtet, daß der Feind bei dem letzten, am 18. d. M. unternommenen Angriffe mit Leitern in das Fort einzudringen versucht habe. Die Italiener hätten den Gegner ganz nahe herankommen lassen und Steine gegen ihn geschleudert, um den Glauben zu erwecken, daß Mangel an Munition eingetreten sei. Als der Feind sich an dem Fort gesammelt habe, hätten die Italiener plötzlich Schnellfeuer aus den Repetiergewehren und ;. Die Schoaner hätten bei diesem Angriff 1500 Todte verloren.
Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Ada⸗ Hagamus von gestern ist die Kolonne des Oberst⸗ Lieutenants Galliano in der Nacht bei Aiba vorbei⸗ marschiert. Die Marschordnung der schoanischen Armee war folgende: an der Spitze marschierten Soldaten unter dem Befehle Ras Mangascha's, dann folgte die Kolonne Galliano's, den Schluß bildete die Truppe Ras Makonen'’s. In einer Entfernung von drei Stunden marschierte der Negus Menelik mit seinen Truppen. Kundschafter berichteten, daß der Oberst⸗Lieutenant Galliano und seine Leute gut behandelt würden; einige von den Kundschaftern hätten hinzugefügt, daß Galliano bald im italienischen Lager eintreffen werde; andere meldeten, daß Menelik den Abschluß des Friedens erwarte und dieses Ereigniß in Hauzen abwarten werde.
In einem der „Times“ aus Johannesburg zugegan⸗ genen Telegramm vom 27. d. M., welches von englischen Einwohnern Johannesburgs unterzeichnet ist, wird gemeldet: „die Gefahr der gegenwärtigen Lage sei groß; die Boers seien anmaßend und öö sich den unumgänglich nothwendigen Reformen. Sie seien noch rings um Johannesburg konzentriert. Ein Ausbruch der Volksleidenschaft stehe bevor, wenn die Engländer nicht aus ihrer jetzigen sklavenähnlichen Lage befreit würden.“
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen de Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Auf der Tagesordnung der heutigen (26.) Sitzung des Reichstags stand die erste event. zweite Berathung des Antrags Barth⸗Rickert, betreffend die Abänderung des Wahlgesetzes für den Reichstag. Zunächst nahm das Wort der
„Abg. Rickert (fr. Vg.): Redner beschränkt sich angesichts der dünnen Besetzung des Hauses (es sind 17 Mitglieder im Saale) auf eine kurze Empfehlung des vom Reichstag schon am 17. April 1894 mit großer Mehrheit angenommenen Gesetzentwurfs, der sich in der Zwischenzeit immer allgemeinere Sympathien erworben habe. So sei im vorigen Jahre von der badischen Regierung zum Zweck des besseren Schutzes des Wahlgeheimnisses eine Vorlage gemacht worden, welche die Haupttheile des Antrags enthalte. 18 Abg. Bassermann (nl.): Auch wir werden dem Antrage zu⸗ stimmen, da die Erfahrungen in der Wahlprüfungskommission die Sicherung des Wahlgeheimnisses auf diesem Wege zur Nothwendig⸗ keit machen. Der badische Entwurf hat nicht nur die Wahlkuverts, sondern auch die sogenannte Dunkelkammer, den Isolierraum für die Beförderung des Stimmzettels in das Kuvert, adoptiert.
Abg. Schädler (Zentr.) giebt für die Zentrumepartei dieselbe Erklärung ab. Sicherung der geheimen Abstimmung habe sie stets für alle politischen Wahlen verlangt, desgleichen auch für die Kommunalwahlen, wenn auch hier vielleicht diese oder jene Garantiemaßregel aus lokalen Rücksichten modifiziert oder ganz bei Seite gelassen werden könne. Der Abg. Windthorst habe s. Z. die Gründe für diese Forderung auseinandergesetzt und dabei auch die Erhaltvng des geltenden deutschen Reichswahlrechts ausdrück⸗ lich mit angeführt. Redner zitiert die neuesten Auslassungen des früheren preußischen Ministers des Innern Herrfurth über dieses
ahlrecht in zustimmendem Sinne.
(Schluß des Blattes.)
In der heutigen (7.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein und der Minister des Innern Freiherr von der Recke beiwohnten, wurde zunächst an Stelle des früheren Abg. Hugo Hermes der Abg. Langerhans zum Mitgliede der Staais⸗ schuldenkommission gewählt. Derselbe nahm die Wahl an und erklärte sich durch den auf die Verfassung geleisteten Eid
auch für diese Thätigkeit für gebunden. Zum Schriftführer wählte das Haus an Stelle des Abg. Olzem den Abg. Jürgensen. Darauf wurde die zweite Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats für 1896/97 fortgesetzt und zwar beim Etat des Ministeriums des Innern. Unter den Raths⸗ stellen des Ministeriums ist ein versicherungstechnischer Hilfs⸗ arbeiter mit 6000 ℳ Gehalt neu eingestellt; die Budget⸗ kommission empfiehlt die Genehmigung der Mehrforderung. Abg. Lückhoff: Dieser Titel bietet mir willkommenen Anlaß, auf die jüngsten Verhandlungen im Reichstag bezüglich der amerikani⸗ schen Lebensversicherungs⸗Gesellschaften und auf die in der Presse gegen den Minister des Innern wegen seiner den ausländischen Gesell⸗ schaften auferlegten Kontrolvorschriften erhobenen Vorwürfe zurück⸗ zukommen. Die getroffenen Maßregeln waren nöthig, die Vorwürfe unbegründet. Die erwähnten amerikanischen Gesellschaften haben das große Geschäft in Preußen hauptsächlich dadurch erzielt, daß sie zur Versicherung anreizten durch das Ver⸗ sprechen übertriebener und unerfüllbarer Gewinnvertheilung, des Doppelten und Dreifachen unserer größten und sparsamen Gesellschaften. Dem Versicherungskandidaten wurde auf unverbindlichen Zetteln mit oder ohne Datum und Unterschrift vorgerechnet, daß er bel Fälligkeit der Police außer der Versicherungssumme 80, 90, ja über 100 % der gezogenen “ an Gewinnantheilen erhalten werde. Dieses Ge⸗ schäftsgebahren hört auf, nachdem sie genöthigt sind, ihren Geschäfts⸗ bericht so zu gestalten, daß jeder Versicherte daraus entnehmen kann, welcher Gewinnantheil auf seine Police entfällt. Das ist auch von allen in Preußen thätigen Gesellschaften vom Minister verlangt worden. Die deutschen haben sich ohne Murren gefügt, nicht die amerikanischen, wohl aus Furcht, daß sie ihr Geschäft nicht mit Erfolg betreiben können, wenn sie jedem Versicherten Klarheit über seinen Gewinnantheil geben müssen. Die Verpflichtung, die Hälfte ihrer Prämieneinnahmen in deutschen Staatspapieren zu hinterlegen, ist den außerdeutschen Gesell⸗ schaften auferlegt worden zum Schutz der Versicherten. Es ist nicht ver⸗ gessen, daß 1876 die Continental Life-Insurance of New Vork, welche die größte Gesellschaft der Welt zu sein vorgab, bei ihrem schmählichen Zusammenbruch nicht die Kosten der Liquidation deckte. Lebens⸗ versicherung ist eine Form der Sparkasse. Die Anlage von solchen Spargeldern, bestimmt für Wittwen und Waisen, muß unantastbar sein. Die deutschen Gesellschaften unterliegen betreffs Anlage ihrer Werthe denselben Bestimmungen, welche für die Anlage von Mäündel⸗ geldern bestehen. Die amerikanischen Gesellschaften anders zu be⸗ handeln, liegt kein Grund vor. Die Erlasse des Ministers verdienen nicht Tadel, sondern Anerkennung.
Bei dem Titel „Statistisches Bureau“ kommt
Abg. von Tzschoppe (fr. kons.) auf die Klagen über die vielen Statistiken zurück. Die Statistiken über die großen wirthschaftlichen Fragen seien nothwendig. Aber entbehrlich seien die kleinen statisti⸗ schen Aufstellungen, welche die Dezernenten in den einzelnen Mini⸗ sterien für diese oder jene Frage verlangen. Es wäre besser, wenn sie sich mit solchen Umfragen lieber an das Statistische Bureau wenden würden. Redner bittet den Minister, für sein Ressort anordnen zu wollen, daß für besondere Fälle nothwendig werdende Statistiken erst der Begutachtung des Statistischen Bureaus unterworfen werden, ob nicht dieses das Material beschaffen kann, wenn es auch nicht allerneuesten Datums ist. Dadurch würden die Statistiken sich um 75 % vermindern, und die eigentlich wissenschaft⸗ liche Statistik würde darunter nicht leiden.
Abg. Rickert schließt sich dem Vorredner an und kommt auf den gestern von ihm vorgetragenen Fall eines Arztes in Stolp zurück, dessen Naturalisation abgelehnt wurde, trotzdem sie ihm zugesichert war, wenn er aus dem russischen Staatsverband ausgeschieden sein würde. Vier Jahre lang habe sich derselbe um die Entlassung aus dem russischen Unterthanenverband bemüht. Trotzdem wurde ihm nach vierjährigen Bemühungen die Naturalisation nicht ertheilt, weil der Magistrat von Stolp wider⸗ sprochen hat. Der Magistrat bescheinigt ausdrücklich, daß Nach⸗ theiliges über ihn nicht bekannt geworden sei. Redner bittet den Minister, wenn der Mann sich nochmals an ihn wendet, die Sache untersuchen zu lassen und die Gründe zu prüfen, die den Magistrat zur Ablehnung der Naturalisation haben “ können. Geheimer Regierungs⸗Rath von Trott zu Solz: Es wird nicht im Interesse des Schützlings des Herrn Rickert liegen, wenn ich die Gründe anführen wollte, die gegen die Naturalisation geltend gemacht wurden. Wenn der Magistrat seine ablehnende Haltung aufgegeben haben sollte, so würde das von Bedeutung sein füͤr die wiederholte Prüfung der ganzen Frage.
Im Kapitel Ober⸗Verwaltungsgericht sind 6 neue Rathsstellen mit je 7500 ℳ neu eingestelbt. Die Mehrausgabe wird ohne Debatte bewilligt.
Beim Kapitel „Landräthliche Behörden Aemter“ beklagt sich
Abg. Rudolphi (Zentr.) über die Unduldsamkeit eines Kreis⸗ mesche es gegenüber der überwiegend katholischen Bevölkerung dieses
reises.
üzeh Brandenburg (Zentr.) weist darauf hin, daß die un⸗ paritätische Behandlung der Katholiken auch bei Besetzung der Land⸗ rathsämter sich zeige; es empfehle sich die Besetzung der Landraths⸗ stellen in katholischen Kreisen mit einem katholischen Landrath. Das ist auch politisch richtigs denn die katholischen Landräthe agitieren nicht so viel, und die Wahlen werden dann vom Reichstage nicht für ungültig erklärt. Der Minister solle, wenn eine katholische Kreis⸗ vertretung um einen katholischen Landrath bittet, diesem Wunsche willfahren. 6
(Schluß des Blattes.)
und
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Hinsichtlich der Zerlegung des Steuersatzes eines über mehrere Kommunalbezirke sich erstreckenden Gewerbes für die Zwecke der kommunalen Besteuerung in die auf die einzelnen Betriebsorte entfallenden Theilbeträge (§ 38 des Gewerbesteuergesetzes) hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, VI. Senat, 1. Kammer, durch Entscheidung vom 18. April 1895 folgende Sätze ausgesprochen:
1) Der Steuersatz mehrerer Gewerbebetriebe derselben Person, welche nach § 17 Gew.⸗Steuerges. als ein steuerpflichtiges Gewerbe zur Steuer veranlagt werden, wird demgemäß nach dem gesammten Ertrage der sämmtlichen von derselben Person betriebenen Gewerbe in einem Betrage veranlagt. Die nach § 38 a. a. O. vorzu⸗ nehmende Zerlegung hat sich demnach auf diesen einheitlichen Steuersatz zu erstrecken. Betreibt beispielsweise eine Feuer⸗ und Lebens⸗ Versicherungsgesellschaft in einer Zweigniederlassung an einem vom Sitz der Gesellschaft verschiedenen Orte nur das Feuer⸗Versicherungsgeschäft, so betreibt sie in dieser Zweigniederlassung ihr gesammtes Gewerbe, das Feuer⸗ und Lebensversicherungsgeschäft, und der Ort der Zweig⸗ niederlassung ist Betriebsort für den Gesammtbetrieb der Gesellschaft. „Die von dem Steuerausschuß beliebte und durch die Berufungs⸗ entscheidung gebilligte Theilung des Steuersatzes zum Zwecke der Zer⸗ legung in Steuerbeträge, die auf die einzelnen Gewerbebetriebe entfallen sollen, widerspricht, abgesehen von ihrer Willkürlichkeit, den gesetzlichen Vorschriften.“
2) Betriebsort im Sinne des § 38 des Gewerbesteuergesetzes ist ebenso wie im Sinne des § 2 a. a. O., betreffend die Besteuerung gewerblicher Unternehmen, welche außerhalb Preußens ihren Sitz haben, jeder Ort, an welchem ein stehender Betrieb durch Er⸗ richtung einer Zweigniederlassung, Fabrikations⸗, Ein⸗ oder Verkaufsstätte oder in sonstiger Weise unterhalten wird. „Da der § 38 über den Begriff und die Merkmale eines „Betriebsorts“ keine Bestimmung trifft, so ist anzunehmen, daß bei den sich über mehrere Kommunalbezirke erstreckenden Gewerbebetrieben unter „Betriebsort“ ganz allgemein jeder
— 4 8*
Ort verstanden wird, an welchem das Gewerbe betrieben (§ 3 des Reichsgesetzes wegen Beseitigung der Doppelbestererung vom 13. Mai 1870) oder ein stehender Betrieb unterhalten (§ 2 Gewerbesteuergesetz) wird oder der Betrieb stattfindet (§ 28 Kom⸗ Fönadapgasen ses vom 14. Juli 1893).
Voraussetzungen fremd, und die Frage, ob an einem Ort ein Ge⸗ werbebetrieb stattfindet, muß unabhängig von diesen letzteren Be⸗ stimmungen entschieden werden.“ (Rep. VI. G. 186/95.)
Kunst und Wissenschaft. Die Königliche Universität Greifswald beging am 27. Januar die Feier des Geburtstags Seiner Majestä des Kaisers und Königs durch einen Festakt in der Aula, an welchem der akademische Lehrkörper, zahlreiche Ehren gäste und die Studentenschaft theilnahmen. Die Festred -1 der ordentliche Professor der Hygiene, Geheime Medizinal ath Dr. Löffler; das Thema lautete: „Ueber die Fort schritte der hygienischen Wissenschaften in den letzten 25 Jahren. Am Abend des 28. Januar fand ein großer studentischer Kommers, zugleich in Erinnerung an die Wiederaufrichtun des Deutschen Reichs, statt
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs Maßregeln.
Türkei.
Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths i Konstantinopel vom 21. d. M. unterliegen Herkünfte von der egy tischen Küste einer fünftägigen Quarantäne nebst Desinfektion der ge⸗ tragenen Kleidungsstücke und Effekten. Die Quarantäne soll in den Lazarethen von Beirut, Tripolis, Clazomene und Abou⸗Saad (bei Dieddah) stattfinden. Schiffe, welche bei ihrer Ankunft in Abou ee choleraverdächtige Fälle aufweisen, haben sich nach Camaran z
egeben.
Der Gesundheitsstand in Berlin war auch in der Woche vo 12. bis 18. Januar ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrig (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 17,4). Au in dieser Woche waren unter den Todesursachen akute Entzün dungen der Athmungsorgane vorherrschend, wenn auch di Zahl derselben eine etwas kleinere als in der Vorwoche war. Dagege kamen Erkrankungen an Grippe zahlreicher zur Beobachtun und führten auch in 6 Fällen zum Tode. Etwas häufiger als i der Vorwoche traten auch akute Darmkrankheiten unter kleine Kindern zu Tage und endeten etwas häufiger tödtlich Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkei blieb eine kleine; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 45 Säuglinge. — Von den Infektionskrankheiten kamen Erkrankungen an Masern, Scharlach und Diphtherie weniger zur An⸗ zeige, und zeigten sich Erkrankungen an Diphtherie in der jenseitige Louisenstadt, im Stralauer Viertel und in der Rosenthaler Vorstad am zahlreichsten, während Masern und Scharlach in keinem Stadt theile in nennenswerther Zahl zum Vorschein kamen. Auch Er krankungen an Typhus blieben selten. An Kindbettfieber kam nur 1 Erkrankung zur Kenntniß. Etwas seltener gelangten rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut zur ärztlichen Beobachtung Erkrankungen an Keuchhusten wurden etwas häufiger, während rheu matische Beschwerden aller Art seltener zur Behandlung gelangten.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 28. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Halle“ ist am 26. Januar Nachmittags auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Stuttgart“ ist am 25. Januar Nachmittags von New⸗York nach der Weser abgegangen Der Postdampfer „Hohenstaufen“ hat am 26. Januar Abends St. Vincent passiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Darmstadt“ ist am 26. Januar Morgens in Genua angekommen.
.“ Theater nud Musik.
Konzerte.
Der wohlbekannte Violinvirtuose Herr Waldemar Meyer veranstaltete am Sonnabend im Saal der Sing⸗Akademi ein Konzert mit dem vom Professor Mannstaedt ge leiteten Philharmonischen Orchester, welches die Reihe der Vorträge mit Cherubini's DOuvertüre zur Oper „Faniska“ eröffnete. Der Konzertgeber spielte sodann ein wenig bekanntes Concertino in drei Theilen von Wilhelm Taubert (dessen letztes Werk), zu welchem die Orchesterpartie von Herrn Hof⸗Kapellmeister Dr. Muck hinzugefügt worden ist. Das Werk voll von geistvollen Zügen, ist in allen Theilen zugleich ein sehr dankbare Violinpiẽce und wurde von dem Spieler i musterhafter Weise vorgetragen. Die weiche, zarte Ton bene. die geräuschlose Bogenführung und vor allem der seelenvolle Vortrag erweckten bei den zahlreich erschienenen Hörern lebhaften Beifall. Den drei Solostücken mit Klavier⸗ begleitung von Bach, Saint⸗Saëns und Moszkowski, sowie dem großen Konzert von Rubinstein op. 40 (G-dur) wurde eine ebenso günstige Aufnahme zu theil. Das Orchester wie der Pianist W. Sacks leisteten in ihren Begleitungen sehr Lobenswerthes. 8
Ein junger, hier noch nicht bekannter Komponist aus Moskau Alexander Scriabin, ließ sich am Sonnabend im Saal Bech⸗ stein hören. Die Ursache der geringen Betheiligung des Publikums lag wohl in der Wahl des Programms, das allein Klavierstücke des Konzertgebers enthielt, die jedoch von unbedeutendem Umfang waren Der musikalische Werth war aber auch nicht hervorragend; der Kom⸗ ponist lehnt sich oft unverkennbar an den Stil Chopin's und an Moszkowski an. Das zeigte sich sowohl in den Impromptus und Nocturnes, wie in den Etüden. Er trug alle Pidcen selbst vor und erntete aufmunternden Beifall.
Seine Majestät der Kaiser ließ nach der Festvorstellun im Königlichen Opernhause am 27. d. M. durch den ünede⸗ Intendanten Grafen von Hochberg sämmtlichen Mitwirkenden Aller⸗ höchstseine größte Zufriedenheit und Anerkennung aussprechen. Fräulein Rosa Poppe und Herr Stammer hatten die Ehre, nach Schluß des Festspiels „Barbarossa“ in die Kaiser⸗ liche Loge befohlen zu werden, woselbst Seine Majestät dem Fräulein Poppe ein Brillantarmband und Herrn Stammer eine Busen⸗ nadel mit dem Allerhöchsten Namenszug in Brillanten unter huld⸗ vollen Worten überreichte. Durch den General⸗Intendanten Grafen von Hochberg erhielten der Königliche Kapellmeister Dr. Muck das Bildniß Seiner Majestät mit Namensunterschrift, die Herren Ober⸗ Regisseur Tetzlaff und Ober⸗Inspektor Brandt Busennadeln mit dem Allerhöchsten Namenszuge in Brillanten und die Herren Dekorations⸗ maler b und Kostümmaler Guthknecht Adlernadeln in Brillanten. Im 1 erliner Theater wird als nächste Novität für Anfang eg. das vieraktige moderne Schauspiel „Maria Raymond“ von ora Duncker und Aloys Prasch vorbereitet. 8 Im Schiller, Theater findet morgen die letzte Wochentags⸗ aufführung von „Der Widerspenstigen Zähmung“ statt. — vm Bürgersaale des Rathhauses wird am nächsten Sonntag ein „Chamisso⸗ Abend“ veranstaltet. 8 Im Theater Unter den Linden werden die Vorstellungen der Ausstattungs⸗Operette — Chilperich’ am Sonnabend auf vier Tage unterbrochen werden. Von diesem Tage bis inkl. Dienstag gelangt Millöcker's Operette „Der Bettelstudent“ zur Aufsührung. Am Sonntag Nachmittag kommt bei halben Preisen das große Aus⸗ stattungs⸗Ballet „Rund um Wien“ zur Darstellung.