1896 / 28 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 31 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

der Kavallerie und Kommandeuren reitender Abtheilungen der Feld⸗ Artillerie statt. Nähere Anordnungen hierüber hat das Kriegs⸗ Ministerium zu treffen.

8) Bei dem Garde⸗Korps, IV., VII., IX., X., XI., XV. und XVII. Armee⸗Korps finden Kavallerie⸗Uebungsreisen nach Maßgabe der Instruktion vom 23. Januar 1879 statt.

Größere Pionier⸗Uebungen haben bei Krossen an der Oder und bei Aken an der Elbe stattzufinden. Die näheren Anordnungen General⸗Inspektion des Ingenieur⸗ und Pionier⸗Korps und er Festungen.

10) Die Rückkehr der Fußtruppen in ihre Standorte muß bis zum 30. September 1896, welcher Tag als der späteste Entlassungs⸗ tag gilt, ö sühr S

in, den 16. B Wilhelm. * Bronsart von Schellendorff.

n das Kriegs⸗Ministerium.

Dieselbe Nummer des „Armee⸗Verordnungsblatts“ enthält

nachstehende Allerhöchste Kabinets⸗Ordre über

ie Rekrutierung des Heeres für 1896/97: 1 1

Ich bestimme hinsichtlich der Rekrutierung des Heeres für 1896/97

as Nachstehende: 8 1. Entlassung der Reservisten. F

1) Der späteste Entlassungstag ist der 30. September 1896. Das Nähere bestimmen die General⸗Kommandos, für die Fuß⸗Artillerie die General⸗Inspektion der Fuß⸗Artillerie. 1

2) Bei denjenigen Truppentheilen, welche an den Herbstübungen theilnehmen, hat die Entlassung der zur Reserve zu beurlaubenden Mannschaften, unter Berücksichtigung der in Ziffer 1 getroffenen Fest⸗ setzung, in der Regel am zweiten, ausnahmsweise am ersten oder

dritten Tage nach Beendigung derselben beziehungsweise nach dem Ein⸗ treffen in den Standorten stattzufinden. Abweichungen hiervon können das Kriegs⸗Ministerium und in Bezug auf einzelne Mannschaften die General⸗Kommandos verfügen. 6 1

3) Die zu halbjähriger aktiver Dienstzeit im Mai beziehungsweise November eingestellten Trainsoldaten sind am 31. Oktober 1896 be⸗ ziehungsweise am 30. April 1897, die Traingemeinen sowie die Oekonomie⸗Handwerker am 30. September 1896 zu entlassen.

II. Einstellung der Rekruten. A. Normale Zahlen.

Zum Dienst mit der Waffe sind einzustellen:

a. Bei den Bataillonen der Infanterie IV. Bataillone —,

bei den Jäger⸗Bataillonen, bei den fahrenden Batterien, bei den Bataillonen der Fuß⸗Artillerie, bei den 1113 bei den Bataillonen der Eisenbahn⸗Regimenter,

1 bei der Luftschiffer⸗Abtheilung, h

. bei den Train⸗Bataillonen zu zweijähriger aktiver Dienstzei die Hälfte der etatsmäßigen Zahl an Obergefreiten, Gefreiten, Ge⸗ meinen und Unter⸗Lazarethgehilfen jedoch nach Abzug der für Rechnung von Gefreiten⸗, Gemeinen⸗ und Unter⸗Lazarethgehilfen⸗ Stellen verpflegten Kapitulanten ꝛc. älterer „Jahresklassen (vom 3. Dienstjahre ab) —, ferner für unbesetzte Kapitulantenstellen in der Zahl der bezüglichen offenen Stellen sowie zur Ergänzung der

rtillerie⸗Schießschulen und der Versuchskompagnie der Artillerie⸗ Prüfungskommission bei 1

jeder fahrenden und reitenden Batterie noch 1, jedem Fuß⸗Artillerie⸗Bataillon noch 9; 1111““

b. bei jedem Kavallerie⸗Regiment mit hohem Etat mindestens 160, mit mittlerem und niedrigem Etat mindestens 150;

c. bei jeder reitenden Batterie mit hohem Etat mindestens 35, mit mittlerem Etat mindestens 32, mit niedrigem Etat mindestens 25;

d. bei jeder Train⸗Kompagnie zu halbjähriger aktiver Dienstzeit im Herbst 1896 und im Frühjahr 1897 je 38 1

An Oekonomie⸗Handwerkern haben sämmtliche Truppentheile ꝛc. die Hälfte der etatsmäßigen Zahl einzustellen. 38

Für den Fall, daß eine Aenderung der vorerwähnten Zahlen nothwendig erscheinen sollte, ermächtige Ich das Kriegs⸗Ministerium zu entsprechenden Anordnungen.

8 B. Ueberetatsmäßige Zahlen.

Zur Deckung von Abgängen durch Tod, Unbrauchbarkeit ꝛc. von Mannschaften aller Jahresklassen, ferner von Abgaben an gedienten Mannschaften an Bezirks⸗Kommandos, als Bäcker ꝛc. ist eine von dem Kriegs⸗Ministerium se eusehenge Anzahl von Rekruten über den oben unter K festgesetzten Bedarf hinaus einzustellen und zwar gleichzeitig mit den normalen Zahlen. 8

Die Einstellung zum Dienst mit der Waffe hat nach näherer Anordnung des General⸗Kommandos bei der Kavallerie baldmöglichst nach dem 1. Oktober 1896, jedoch grundsätzlich erst nach dem Wieder⸗ eintreffen in den Standorten von den Herbstübungen, bei den Train⸗ Bataillonen zum Herbst am 3. November 1896 und für die Train⸗ oldaten zum Frühjahr am 1. Mai 1897 zu erfolgen. Die Rekruten ür die Unteroffizierschulen sowie die als Oekonomie⸗Handwerker aus⸗ gehobenen Rekruten sind am 1. Oktober 1896 einzustellen. 8

Für die Rekruten aller übrigen Truppentheile hat das Kriegs⸗ Ministerium den näheren Zeitpunkt der im Laufe des Monats Oktober 1896 stattfindenden Einstellung festzusetzen.

Das Kriegs⸗Ministerium hat das hiernach Erforderliche zu ver⸗

erlin, den 16. Januar 1896.

einschließlich der

Wilhelm. .“ Bronsart von Schellendorff. An das Kriegs⸗Ministerium.

Endlich wird noch folgende, die Verleihung von Pelzen an das 2. Leib⸗Husaren⸗Regiment Kaiserin Nr. 2 betreffende Allerhöchste Kabinets⸗Ordre zur Kenntniß der Armee gebracht: .

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Friedrich,

der erhabene Chef des Regiments, hat Mir den Wunsch zu erkennen

egeben, dem Regiment am heutigen Gedenktage als ein Zeichen be⸗ onderer Anerkennung und Gnade eine Garnitur Pelze als Geschenk zu verleihen. Ich ertheile hierzu gern Meine Einwilligung, genehmige die beifolgende Probe und bestimme zugleich, daß die Pelze neben den etatsmäßigen Attilas zu tragen und die für die dauernde Unterhaltung derselben entstehenden Kosten von dem Regiment aus den Ersparnissen der Bekleidungswirthschaft zu bestreiten sind. 8

Berlin, den 18. Januar 1896. 8 Wilhelm.

An das 2. Leib⸗Husaren⸗Regiment Kaiserin Nr. 2.

Das 3. Bataillon des 2. Thüringischen In⸗ fanterie⸗Regiments Nr. 32 wird gemãß Allerhöchster Kabinets⸗Ordre im Anschluß an die diesjährigen Herbstübungen von Cassel nach Meiningen verlegt werden.

Laut telegraphischer Meldung an das der Marine ist S. M. S. „Bussard“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Winkler, gestern in Sydney und S. M. S. Gneisenau“, Kommandant Kapitän zur See da Fonseca⸗ ollheim, am 29. Januar in Havana angekommen.

S 8 8 Der Wirthschaftsausschuß der Kammer der Ab⸗ eordneten hat einstimmig einen Antrag angenommen: die Fönigliche Staatsregierung zu ersuchen, auf Fnn baldige Gründung einer Landes⸗Hypothekenbank auf genossen⸗ schaftlicher Grundlage unter Staatsaufsicht und mit staatlichem Zuschuß hinzuwirken. Die Regierung hatte sich mit dem An⸗ trag einverstanden erklärt. Sachsen. Die Erste Kammer genehmigte gestern die Kap. 22 bis 24 und Kap. 27 bis 31 des Staatshaushalts, welche die Zivilliste, Schatullenbedürfnisse ꝛc. Ihrer Majestät der Königin, Apanagen, Sammlungen fuͤr Kunst und Wissenschaft, auf Staatskassen ruhende Jahresrenten, Ablösung von dem Domänen⸗Etat nicht angehörigen Lasten, die Landtagskosten, das Stenographische Institut sowie allgemeine Regierungs⸗ und Verwaltungsangelegenheiten betreffen.

Baden. Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die in sind in der vergangenen Nacht von Berlin nach Karlsruhe zurückgekehrt. 8

X““

Seine Königliche Hoheit der Großherzog wird sich, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, in den nächsten Tagen nach Osborne begeben, um an den Beisetzungsfeierlichkeiten für den Prinzen Heinrich von Battenberg theilzunehmen.

Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen ist vorgestern Abend von Darmstadt wieder abgereist.

Die Zweite Kammer der Stände 4. Februar zusammentreten.

Mecklenburg⸗Schwerin.

In dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß⸗ herzogs ist, wie den „Meckl. Nachr.“ aus Cannes von gestern gemeldet wird, insofern eine Aenderung zu konstatieren, als die periodischen Asthma⸗Anfälle nicht mehr die frühere Föhe erreichen. Höchstderselbe fühlt sich noch angegriffen, die

ächte verlaufen aber ruhig, der Appetit ist gut.

Oldenburg.

(H) Nach dem gestern ausgegebenen Bulletin erduldet Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin immer größere und heftigere Qualen und entbehrt daher auch in der Nacht des Schlafes. wunderbare Geisteskraft.

Braunschweig.

Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, und die Prinzessin Albrecht treffen heute Nachmittag, von Berlin kommend, wieder in Braunschweig ein.

Elsaß⸗Lothringen. Die 23. Session des Landesausschusses ist gestern

Nachmittag in Straßburg durch den Kaiserlichen Statthalter

Fürsten zu Hohenlohe⸗Langenburg eröffnet worden.

wird am

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg ist heute früh von Wien nach Sofia abgereist. Im nieder-österreichischen Landtag beantragten

gestern die Antisemiten ein Mißtrauensvotum gegen die

egierung wegen Unterlassung der nothwendigen Vor⸗ kehrungen gegen die Schweinepest. Der Statthalter Graf Kielmannsegg erklärte diese Angriffe für unbegründet; auch die ungarische sei energisch gegen die Seuche vorgegangen. Der Vertreter des Großgrund⸗ besitzes Brenner erklärte, die gegenwärtige Regierung sei scnulblos: vie Schuld treffe die frühere Koalitionsregierung. Der Antrag der Antisemiten wurde sodann mit 28 gegen 26 Stimmen abgelehnt. Darauf wurde eine Resolution des Abg. Brenner angenommen, worin das Bedauern ausge⸗ sprochen wird, daß die frühere Koalitionsregierung es an der nöthigen Wachsamkeit habe fehlen lassen, und die gegenwärtige Regierung aufgefordert wird, die nothwendigen Verfügungen u treffen. 1 k1” der Kurienkommission des böhmischen Land⸗ tags beantragte der Berichterstatter Abg. Ruß: die Regierung zu den Sitzungen der Kommission einzuladen, da kein Regierungs⸗ vertreter erschienen sei und daher die bestimmte Stellungnahme der Regierung zu dem Gesetz, über welches die Parteien sich bereits eäußert hätten, nicht erfolgen könne. Der Abg. Schlesinger timmte diesem Antrage bei, ebenso der Abg. Graf Palffy namens des Großgrundbesitzes. Auch der Jungczeche Brzorad äußerte: er habe nichts gegen den Antrag einzuwenden, da die Erklärungen der Regierung die Haltung seiner Partei gegen⸗ über dem Gesetzentwurf in keiner Weise beeinflussen könnten. Der Antrag wurde hierauf angenommen und die Sitzung geschlossen. . Im tiroler Landtage wurde gestern ein ven fast allen Mitgliedern des Hauses unterzeichneter Antrag auf Einführung der italienischen Sprache an den deutsch⸗tiroler Gym⸗ nasien als obligatorischer Gegenstand des Unterrichts ein⸗ ebracht.

8 Das ungarische Unterhaus setzte gestern die Debatte über den Titel „Obergespane“ fort. Der Berichterstatter Gajary sagte in den Schlußworten seiner Rede: Die liberale Partei bedürfe keiner Lektion, wie sie sich in diesem Falle zu verhalten habe, die Opposition mache aus jedem individuellen Fehler ein System. Der An⸗ stand lasse sich nicht in Paragraphen kodifizieren, und wenn man weitgehende Verfuüͤgungen treffe, werde sich die Zusammensetzung des Parlaments ganz verändern. Wenn alle Elemente des wirthschaftlichen Lebens aus dem Par⸗ lament ausgeschieden würden, würde die Durchführung des Antrags auf Entsendung einer parlamentarischen Kommission unmöglich werden, da die Akten ein ungenügendes Bild lieferten. Auf allen Seiten des Hauses säßen Leute, denen beim Bau von Vizinalbahnen Konzessionen ertheilt worden seien, und bei der Opposition noch verhältnißmäßig mehr als bei der liberalen Partei. Alle Akten hätten bei der Verhandlung über die betreffende Bahnvorlage dem Hause offen vorgelegen. Er empfehle den Antrag Csaky, obwohl er bedauere, daß da⸗ durch die Faktoren ausgeschlossen würden, welche mit großem patriotischen Eifer und oft mit materiellen Verlusten das

Bei alledem zeige Höchstdieselbe aber eine

Interesse ganzer Komitate durch die Anlage von Vizinalbahnen gepflegt haͤtten; doch müsse den Verdächtigungen ein Ende gemacht werden. Graf Csaky protestierte gegen die Annahme, daß sein Antrag eine stigmatisierende Wirkung besitze. Derselbe habe keine rückwirkende Kraft; er beziehe sich nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft, um den Verdächti⸗ gungen ein Ende zu machen. E Daniel gab hierauf die Erklärung ab, er sei bereit, jedem Abgeordneten sämmtliche Akten bezüglich der Vizinalbahnangelegenheit zur Ver⸗ fügung zu stellen. In der nunmehr folgenden Abstimmung über 8 Titel „Obergespane“ wurde der Antrag des Grafen Csaky fast einstimmig angenommen. Damit fielen alle übrigen Anträge fort, mit Ausnahme des Ergänzungsantrags auf Entsendung einer parlamentarischen Kormisfiong welcher bei namentlicher mit 182 gegen 135 Stimmen ab⸗ gelehnt wurde. Auch der Antrag des Abg. Pazmandy über die Ausdehnung des Antrags Csaky auf die Mitglieder des Oberhauses wurde abgelehnt. Großbritannien und Irland.

Der britische Kreuzer „Blonde“ mit der Leiche des Prinzen Heinrich von Battenberg an Bord ist gestern in Funchal (Madeira) eingetroffen.

Bei der gestern in Brixton vorgenommenen Ersatz⸗ wahl zum Unterhause wurde (kons.) mit Stimmen gewählt; der liberale Gegenkandidat N 2131 Stimmen. 8

8.

Frankreich. 8

Der Ministerrath beschäftigte sich gestern, wie „W. T. B.“

berichtet, mit dem Budget für 1897, welches am Sonnabend in der Kammer eingebracht werden wird. In dem Budget ist die neue Einkommensteuer enthalten, welche an die Stelle der Mobiliarsteuer und der Thür⸗ und Fenstersteuer treten soll. Dieselbe soll 150 Millionen Francs ergeben und in Sätzen von 1 Proz. bis 5 Proz. je nach der Höhe des Einkommens erhoben werden. Steuerpflichtige, deren Einkommen unter 2500 Francs beträgt, bleiben von dieser Steuer befreit.

Rußland.

„Journal de St.⸗Pétersbourg“ schreibt: Ge⸗ wisse Organe der ausländischen Presse haben in den letzten Tagen äußerst phantastische Nachrichten verbreitet, welche dazu angethan sind, Ueberraschung und Argwohn hervorzurufen, als ob es sich bald um den Plan einer Theilung des tür⸗ kischen Reichs, bald um ein Bündniß zwischen Rußland und der Türkei handele. Es ist kaum nöthig zu sagen, daß alle diese Gerüchte nicht die mindeste Begründung haben.

Italien.

Die Deputirten der äußersten Linken erna „W. T. B.“ zufolge, in einer gestern Nachmittag in Rom ab⸗ gehaltenen Versammlung eine Kommission, welche eine Tages⸗ ordnung formulierte, in der die Wiedereröffnung der Depu⸗ tirtenkammer behufs Berathung über die Lage in Afrika ver⸗ langt wird.

Die Nachricht von der Ankunft des Oberst⸗Lieutenants Galliano im Lager des Generals Baratieri (siche unter Afrika) ist in Rom mit der lebhaftesten Genugthuung begrüßt worden. In den Café:, Restaurants, Klubs und Theatern fanden Beifallskundgebungen für den König und die Armee statt. Depeschen aus den Provinzen melden ähnliche Aeuße⸗ rungen der Bevölkerung.

Portugal.

Aus Lissabon berichtet „W. T. B.“, daß vorgestern Abend, als der König im offenen Wagen sich auf einer Spazierfahrt befand, ein der anarchistischen Partei angehörender Arbeiter Steine gegen den Wagen des Königs geschleudert habe. Ein Stein habe den Flügel⸗Adjutanten 8essen welcher sofort aus dem Wagen gesprungen sei und den Arbeiter habe verhaften lassen, der alsdann Hochrufe auf die soziale Republik ausgebracht habe. Infolge des Attentats seien dem König zahlreiche sympathische Kundgebungen dargebracht worden.

Rumänien.

Folgende Veräͤnderungen in der diplomatischen Ver⸗ tretung Rumäniens sind amtlich bekannt gemacht worden: Gregor Ghika, zur Zeit Gesandter in Berlin, wird in der⸗ selben Eigenschaft nach Paris versetzt; Alexander Beldiman, ehemaliger Gesandter in Belgrad, zur Zeit General⸗Sekretär der auswärtigen Angelegenheiten in Bukarest, ist zum Gesandten in Berlin und der bisherige Legations⸗Rath Demeter Ghika zum General⸗Sekretär an Stelle Beldiman's ernannt worden.

Serbien.

Das in der gestrigen Nummer d. Bl. erwähnte Manifest des Zentralausschufses der radikalen Partei, betreffend die Aufgabe ihrer passiven Haltung und den Eintritt der Partei in die politische Aktion, ist jetzt im „Odjek“ veröffentlicht worden. Dieser Schritt der Partei schließt die Anerkennung der Gesetzlichkeit des bestehenden Zustandes in sich, weil in dem Manifest, im Widerspruch mit den bisheri en Be⸗ hauptungen der radikalen Organe, ausgesprochen wird: Die radi⸗ kale Partei sei überzeugt, man werde die gegenwärtig geltenden Gesetze und Verordnungen achten und gegenüber jedermann in gleicher Weise anwenden; sowie ferner, daß die radikale Partei nicht politische Rachegefühle nähre, sondern nach Ein⸗ tracht strebe. Letztere werde dem Vaterland in der Stunde der Gefahr helfen, das Land aus schweren und gefährlichen Lagen angesichts der äußeren Ereignisse zu retten, welche intensiv einen ernsteren Charakter annähmen im Hinblick auf das Schicksal Serbiens und des serbischen Stammes.

Auch die liberale Partei hat beschlossen, in die poli⸗ tische Aktion wieder einzutreten, und wird die Gründe zu diesem Schritt in einem Manifest auseinandersetzen.

Amerika. 8

In Havanna sind Nachrichten von einem heftigen Engagement des Generals Suarez Valdez in der Rich⸗ tung auf Seiba del Agua eingelaufen; Einzelheiten sind noch nicht bekannt. General Marin ist mit 1200 Mann Infanterie und 1000 Mann Kavallerie nach Guanajay aufgebrochen.

Afrika.

Aus Ada⸗Hagamus meldet die „Agenzia Stefani“, mit seiner Kolonne dort eingetroffen sei. Er sei Morgens aus der Umgebung von Hausen aufgebrochen, woselbst vor⸗ gestern Abend die ganze schoanische Armee eingetroffen sei. General Baratieri sei um 1 Uhr aus dem Lager aufge rochen, um Galliano entgegenzugehen; derselbe habe Galliano die Anerkennung des Königs und des Vaterlandes für seine

führer Ras Makonen’s beg

tags und des der Ersten und

en, dem

werden die Herren alle nicht zu Hause sein.

Diese feindselige Stimmung gegen

daß der Oberst⸗Lieutenant Galliano gestern Abend um 6 Uhr

Offiziere und die weißen und eingeborenen Soldaten überbracht,

elche Bewunderung verdienten für den bei ihnen herrschenden

Geist und ihre Haltung. Galliano habe Waffen, Munition

und Kriegszubehör mit sich Mefůhrt und sei von einem Unter⸗

eitet gewesen. Im italienischen

Lager herrsche großer Enthusiasmus. Die Truppen hätten dem Bataillon Galliano militärische Ehren erwiesen

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ auses der Abgeordneten befinden sich in weiten Beilage.

In der heutigen (28.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts

Nieberding beiwohnten, wurde die Berathung des Reichs⸗

haushalts⸗Etats beim Kap. 10 des Ordinariums der Aus⸗ gahen des Reichsamsts des Innern: „Statistisches Amt“ ortgesetzt.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (9.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten D. Dr. Bosse beiwohnten, wurde die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen, fortgesetzt.

Abg. Latacz (Zentr.): Als einziger Vertreter des Standes, um dessen Gehaltsregulierung es sich hier handelt (Redner ist Rektor), muß ich erklären, daß die Vorlage den Lehrern manche Enttäuschung sthracht hat; viele Wünsche sind unerfüllt geblieben. Aber da man

ch sagt, daß wahrscheinlich augenblicklich nicht mehr zu er⸗ reichen ist, fügt man sich der Vorlage, weil sie doch manche Besserung mit sich bringt, namentlich die bessere Regelung der Alterszulagen. Das Gesetz von 1887, welches den Selbst⸗ verwaltungsbehörden einen e Einfluß auf die Gestaltung des Schulwesens eingeräumt hat, dessen bedenkliche Wirkung von allen Seiten anerkannt wird, ist allerdings aufgehoben worden; aber die Vorlage bietet doch manche Handhabe, um im Interesse der Schule die Widerstände zu überwinden, welche das finanzielle Interesse der Ge⸗ meinde hervorzurufen pflegt. Es wird auf diese Weise möglich sein, den lokalen Verhältnissen Rechnung zu tragen und auch in einzelnen Fällen der besonderen Stellung des Schulamts in einzelnen bestimmten Gemeinden. Redner bedauert, daß die Vorlage für die Rektoren nicht genügend Vorsorge trifft. Erfreulich sei es, daß manche bisher nicht geregelte Fragen, die Na⸗ turalleistungen u. s. w., gesetzlich festgelegt würden. Be dauerlich aber sei es, daß die Lehrer keinen Rechtsanspruch auf die Alterszulagen haben sollen. Allerdings muß auch das außerdienstliche Verhalten des Lehrers mehr Rücksicht auf sein Amt nehmen als bei anderen Beamten. Aber es sollte doch vermieden werden, daß wegen seines außeramtlichen Verhaltens einem Lehrer die Alterszulage vorent⸗ halten wird. Redner schließt mit der Hoffnung, daß die Kommission an dem Gesetz noch manches zu Gunsten der Lehrer ändern werde; denn man werde daran denken müssen, daß ohne einen guten Lehrer⸗ stand die Schule nicht gedeihen kann.

Abg. Knörcke (fr. Volksp.): Wir begrüßen die Vorlage an sich mit einer gewissen Genugthuung; denn wir haben immer darauf hin⸗ gewiesen, daß das Lehrerbesoldungswesen einer gese lichen Regelung unterzogen werden müsse. Auch wir halten es nicht für gerathen, ein allgemeines Volksschulgesetz zu erlassen; die Erfahrungen, welche hinter uns liegen, konnten den Kultus⸗Minister nicht ermuthigen, einen neuen Versuch dazu zu machen, der zu lebhaften Kämpfen führen würde, die unter den jetzigen Verhältnissen vermieden werden müssen. Die Herren vom Zentrum wünschen allerdings mit Rücksicht auf die jetzigen Majoritätsverhältnisse ein solches Schulgesetz jetzt zu stande zu bringen, welches auf kirchlicher Grundlage beruht. Dagegen würde derselbe Sturm der Entrüstung sich erheben wie vor wenigen Jahren. Ein solches Schulgesetz, welches die kirchlichen Interessen in den Vordergrund stellt, wollen wir nicht. Wir wären der einzige Staat, der ein solches Schulgesetz haben würde. Die geltend gemachten Ver⸗ fassungsbedenken sind wohl nicht zu begründen, sie sind auch wohl in der gestrigen Verhandlung zur Genüge widerlegt. Die Vorlage bringt nach verschiedenen Richtungen hin einen dankens⸗ werthen Fortschritt; aber gleichzeitig muß doch festgestellt werden, daß sie den gerechtfertigten Wünschen der Lehrerschaft nur in be⸗ scheidenem Maße entgegenkommt. Ich habe immer den Eindruck, daß wir die Arbeit unserer Lehrer im Verhältniß zu der Arbeit anderer Beamten nicht mit dem richtigen Maße messen. Es herrscht auch in liberalen Kreisen eine Meinung über den Lehrerstand und seine Be⸗ deutung, die Verwunderung erregen muß. Allerdings liegt es ja auf der Hand, daß gegenwärtig von der Regierung nicht mehr zu erreichen ist, deswegen will ich mich vorläufig mit dem Gebotenen zufrieden geben. Wenn die Mehrkosten für das Gesetz bergenommen werden sollen aus den Zuschüssen, welche bis jetzt die Städte erhalten haben, so muß ich das bedauern und muß Verwahrung dagegen einlegen, daß man Städten, namentlich Berlin, das Geld ohne Skrupel wegnehmen will. Diese Zuschüsse 13 doch nicht lediglich als Bedürfnißzuschüsse gewährt worden, ondern es haben dabei andere Rücksichten mitgespielt, namentlich die Rücksicht darauf, daß dem platten Lande schon längst Zuschüsse gewährt wurden und daß der Staat verpflichtet ist, für ausreichende Lehrer⸗ gehälter zu sorgen. Es handelte sich dabei also um einen

ewissen Ausgleich für frühere Versäumniß. Wenn der Finanz⸗

inister wäre, dann müßte er eigentlich die seiner Meinung nach zu unrecht gezahlten Zuschüsse sich von den Städten sämmtlich zurückzahlen lassen. Die Stadt Berlin, die lelig nur zur Gründung von Volksschulen verpflichtet ist, giebt viel Geld für die Unterhaltung höherer Schulen aus, die eigentlich der Staat unter⸗ halten müßte; der Staat drückt sich aber konsequent von dieser G Berlin wird, wie der Ober⸗Bürgermeister mit Recht bemerkt hat, als Aschenbrödel behandelt. Die Erregung der Berliner über die Vorlage wäre nicht so groß gewesen, wenn es sich um eine neue Ein⸗ richtung handelte, aber es handelt sich um einen Eingriff in die be⸗ stehenden Verhältnisse. (Zuruf eines Polen: Das läßt sich alles aus⸗ gleichen!) Verehrter Herr Kollege, wenn Sie mit Ihren polnischen Beschwerden kommen, dann werde ich Sie daran erinnern und bei Ihnen auch sagen: das läßt sich alles ausgleichen. Das Grundgehalt ist nur auf 900 veranschlagt, während es in anderen deutschen Einzelstaaten 1000 1100 beträgt. Aber der Finanz⸗Minister sagt, die Finanzen gestatten es nicht. Nun ist aller⸗ dings die Möglichkeit vorhanden, daß eine Gemeinde das Grund⸗ gehalt ihrerseits erhöht. Aber wenn es dazu kommen soll, dann d Die Herren sind ja so wie so schon der Meinung, daß die Lehrer viel zu viel bekommen. b 1 8 den Lehrerstand ist allgemein bekannt. Es wird also fast überall bei dem Grundgehalt bleiben, in welches aber die Feuerung eingerechnet wird, welche die Lehrer sonst neben ihrem Gehalt erhielten. In Ostpreußen ist das Grundgehalt jetzt auf 750 bemessen. Wenn 100 auf Feuerung gerechnet werden, so bekommen die ostpreußischen Lehrer also nur 50 mehr. Be⸗ züglich der Landdotation müßte vorgeschrieben werden, zu welchem Betrage des Grundsteuerreinertrages dieselbe angerechnet werden darf, damit da keine Willkürlichkeiten entstehen. Die Herren Agrarier, die denf über den Rückgang der Landwirthschaft schreien, rechnen den kehrern die Landdotation meist viel zu hoch an. Ein Vorzug des

Gesetzes ist die Einrichtun

der Alterszulagenklasse; die Gemeinden brauchen nicht mehr so wie früher auf das Dienstalter des Lehrers zu sehen. Der § 7, wonach die Lehrer keinen Anspruch auf die Alterszulagen haben, ist bemängelt worden. (Zuruf des Abg. Mies (Zentr.): Der muß weg!) Ich glaube nicht, daß er gestrichen wird. Die Vorschrift ist entnommen den Bestimmungen für andere Beamtenklassen, und solange für diese die Vorschrift bestehen bleibt, muß sie auch für die Lehrer gelten. Ich glaube auch nicht, daß daraus bedenkliche Folgen entstehen werden. Es kann vielleicht auch eine bessere Fassung gefunden werden, um manches Bedenken zu be⸗ seitigen, das etwa in Lehrerkreisen aufkommen könnte. Seit zwanzi

Jahren bestehen die Alterszulagen, und es ist nur zweima

vorgekommen, daß von dieser Bestimmung des § 7 Gebrauch gemacht worden ist. Zu dem jetzigen Kultus⸗Minister habe ich das Vertrauen, daß unter ihm das niemals vorkommen wird, und unter seinen Nach⸗ folgern hoffentlich auch nicht. Redner schließt mit der Hoffnung, daß es der Kommission gelingen werde, den Beschwerden der größeren Städte und auch der Stadt Berlin gerecht zu werden, dann werde das Gesetz ein Segen für die Lehrer und für die Schule werden.

(Schluß des Blattes.)

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Ein preußischer Gerichtsvollzieher hat, nach einem Be⸗ schluß des Reichsgerichts VI. Zivilsenats, vom 24. Mai 1895, die Pflicht der Amtsverschwiegenheit über die von ihm vor⸗ genommenen Zwangsvollstreckungen, und er darf deshalb als Zeuge darüber nur; mit Genehmigung seiner vorgesetzten Dienstbehörde vernommen werden. „Nach § 341 der Zivilprozeß⸗ ordnung dürfen öffentliche Beamte über Umstände, auf welche sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Geneh⸗ migung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde vernommen werden, und hat das Prozeßgericht diese Genehmigung einzuholen und dem Zeugen bekannt zu machen. Der § 15 der vom preußischen Justiz⸗Minifter auf Grund des § 155 G.⸗V.⸗G. und des § 73 des Preußischen Aus⸗ führungsgesetzes zu dem letzteren erlassenen Dienstanweisung für die Gerichtsvollzieher verpflichtet nur kurz die Gerichtsvollzieher „zur Amtsverschwiegenheit“, ohne weiteren Zusatz, und auch die Kabinets⸗ Ordre vom 21. November 1835, welche allen Beamten die Beobachtung der Amtsverschwiegenheit einschärft, setzt den Inhalt dieser Verpflichtung schon als bekannt voraus. Mit Recht nehmen aber die neueren Schriftsteller an, daß diejenige nähere Bestimmung dieses Inhalts, welche sich für die RNeichs⸗ beamten in § 11 des Reichsbeamtengesetzes findet, auch für das preußische Recht zutrifft. Danach hat der Beamte Verschwiegenheit zu beobachten über die vermöge seines Amts ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder von seinem Vorgesetzten ihm vorgeschrieben ist. Zu denjenigen Angelegenheiten nun, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforder⸗ lich ist, gehören allerdings an sich Zwangsvollstreckungen, da deren Bekanntwerden mancherlei unangenehme Folgen für die Be⸗ troffenen nach sich ziehen kann.“ (VI. 59/95.)

Eine verheirathete Handelsfrau (Art. 9 des Handels⸗ esetzbuchs) und ebenso eine Ehefrau, welche mit Einwilligung ihres hemannes selbständig ein Gewerbe betreibt 11 Abs. 2

der Reichs⸗Gewerbeordnung), bedarf, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, VI. Zivilsenats, vom 20. Mai 1895, im Gebiet des Preuß. Allg. Landrechts hinsichtlich ihrer auf ihren Handel oder ihr Gewerbe ezüglichen Prozesse keinerlei Mitwirkung ihres Ehemannes bei der Prozeßführung, und der Ehemann ist in solchen Prozessen kein unzulässiger Zeuge. (48’/95.)

Eine für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein

Konkurrenzverbot bestimmte Konventionalstrafe ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Zivilsenats, vom 16. November 1895, für erfolglose Versuche einer derartigen Zuwiderhandlung, insbesondere für den wiederaufgelösten Kaufvertrag über einen dem Konkurrenzverbote unterliegenden Gegenstand, ohne weiteres nicht zu zahlen. Der Zivilingenieur S. zu Berlin ver⸗ kaufte im Jahre 1889 an den Kaufmann G. die ihm gehörigen Modelle und Zeichnungen für ein vollständiges mediko⸗mechanisches Institut. Im Vertrage wurde dem Verkäufer die Benutzung der verkauften Modelle und Zeichnungen oder etwaiger Kopien derselben bei einer Konventionalstrafe von 1000 für jeden Fall des Zuwiderhandelns untersagt. Bereits im Juni 1890 wurde der Verkäufer zur Bezahlung einer Konventionalstrafe von 10 000 verurtheilt, weil er anfangs 1890 ein den Zeichnungen in der Haupt⸗ sache entsprechendes liegendes Velociped nach Wien abgegeben hatte. Später beantragte der Käufer durch Klage abermals die Verurthei⸗ lung zu einer Konventionalstrafe von 10 000 ℳ, weil Ver⸗ käufer im Frühjahr 1890 nach dem Badeort M. wiederum das liegende Velociped geliefert hatte. Der Beklagte erhob unter anderem den Einwand, daß die beiden Velocipede identisch seien, da das nach Wien gelieferte Velociped nicht abgenommen und dann nach M. geschickt worden sei. Der Beklagte wurde jedoch, indem der Einwand für unerheblich erachtet wurde, in beiden Instanzen nach dem Klageantrage verurtheilt. Auf die von ihm eingelegte Revision hob das Reichsgericht das Berufungsurtheil auf, indem es begründend ausführte: „Wenn die Behauptung des Beklagten bewiesen würde, daß Dr. R. in Wien das Velociped nicht abgenommen hat, so wäre der Vertrag mit diesem aufgelöst und eine that⸗ sächliche Konkurrenz durch diesen Vertrag nicht bewirkt worden, vielmehr der Versuch einer solchen erfolglos gewesen. Es sind verschieden zu beurtheilende Fälle, ob der Beklagte das Velociped zuerst erfolglos angeboten und erst nachher einen Abnehmer gefunden hat, oder ob er das Velociped, nachdem es von einem Abnehmer be⸗ nutzt und dann zurückgeschickt worden ist, nunmehr noch einem Anderen zum Gebrauch überläßt. Müßte in letzterem Falle, der Gleichheit

des Gegenstandes ungeachtet, eine mehrfache Uebertretung des Kon-

kurrenzverbots anerkannt werden, so kann nicht ohne weiteres das Gleiche für wiederholte erfolglose Offerten gelten, sodaß die Strafe sowohl für jeden Versuch als auch für die schließlich gelungene Kon⸗ kurrenz zu bezahlen wäre.“ (226/95.) 1

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts. Das Ober⸗Verwaltungsgericht (I. Senat) hat in einem Er⸗ kenntniß vom 10. Dezember 1895 wiederholt ausgesprochen: Die Handlungen eines der Polizeibehörde unterstellten Beamten können nur dann als polizeiliche Verfügungen im Sinne der §§ 127 und 128 des Landesverwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 angesehen und mit den in den angeführten Gesetzesstellen gegebenen Rechtsbehelfen an⸗ gegricken werden, wenn sie von der Polizeibehörde selbst, sei es ausdrück⸗ lich, sei es stillschweigend, ratihabiert werden; aber nicht, wenn sie von dieser gemißbilligt sind. Geschieht dies, so verlieren die von dem Polizei⸗ beamten vorläufig getroffenen polizeilichen Maßregeln von selbst ihre Geltung; es fehlt daher an einem Gegenstande der Anfechtung. Dies gilt insbesondere auch von denjenigen Handlungen, zu denen ein Revier⸗ vorsteher (des Polizei⸗Präsidiums in Berlin) Auftrag ertheilt hat; denn die Reviervorsteher sind nicht Vertreter der Ortspolizeibehörde, sondern deren Organe; auch ihre Maßregeln haben nur einen vor⸗ hnaeh Charakter und treten von selbst außer Kraft, wenn sie von der Ortspolizeibehörde gemißbilligt werden.

Nach einer Entscheidung des Ersten Senats des Ober⸗Ver⸗ waltungsgerichts vom 20. Dezember 1895 hat das Gesetz vom 11. Juli 1891, betreffend Abänderung der §§ 31, 65 und 68 des Gesetzes zur Ausführung des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 8. März 1871 (G.⸗S. S. 130) die außerordentliche Armenlast 1e der der Anstaltspflege bedürftigen Geistes⸗ kranken ꝛc. dahin geregelt, daß es die Landarmenverbände zur A

nahme, Bewahrung, Kur und Pflege dieser Personen verpflichtet 31). Nur auch die Verpflichtung zur Tragung der hierdurch entstehenden Kosten ist Gegenstand weiterer Bestimmungen des Gesetzes (§§ 31 a und 31 b). Die Pflicht zur Tragung der Kosten, welche nicht durch die Aufnahme, Bewahrung, Kur und Pflege der fraglichen Personen in den Anstalten der Landarmenverbände entsteben, fällt abgesehen etwa von dem Falle der Säumigkeit eines Landarmenverbandes in Erfüllung der ihm durch das Gesetz vom 11. Juli 1891 übertragenen Pflicht überhaupt nicht unter die Vorschriften des ne Gesetzes; diese Pflicht regelt sich vielmehr nach den allgemeinen Vor⸗ schriften des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870, insbesondere den §§ 28, 30 desselben. Deshalb fallen die Kosten der Ueberführung eines hilfs⸗ und der Anstaltspflege bedürftigen Geisteskranken ꝛc. dem überführenden Ortsarmenverbande zur Last. Und dasselbe gilt auch von den Kosten für Beschaffung der reglementmäßigen Bekleidung einer solchen Person.

Kunst und Wissenschaft.

Der „Verein für die Geschichte Berlins“, einer der ältesten Berliner wissenschaftlichen Vereine, hielt am letzten Sonn⸗ abend im Bürgersaal des Rathhauses seine ordentliche Hauptversamm⸗ lung ab. Nachdem der Erste Vorsitzende, Geheime Archiv⸗Rath B. Reuter, die zum ersten Mal im Jahre 1896 versammelten Mit⸗ glieder begrüßt hatte, erstattete der Hauptschriftwart Dr. H. Brendicke den Jahresbericht über das 31. Verwaltungsjahr. Aus demselben ergiebt sich, daß der Verein sich in gleichmäßiger ruhiger Entwickelung und in günstiger Finanzlage befindet. Die Einnahmen und Ausgaben balancieren, einschließlich einer Unterstützung seitens des Magistrats, auf 6000 Der Verein steht unter dem Protektorat Seiner Majestät des Kaisers und Königs und hat nach außen hin die Anerkennung gefunden, daß sein Domizil Berlin jüngst in Konstanz wiederum zum Vorort des Gesammtvereins der deutschen Geschichts⸗ und Alterthumsvereine gewählt wurde. Als Veröffentlichungen wurden ausgegeben: 1) die monatlichen „Mittheilungen“ vom Hauplschriftwart (12 Nummern, 126 Seiten, mit 22 Illustrationen); 2) das „Grüne Hest“ XXXII, ent⸗ haltend Aufsätze von Dr. jur. Fr. Stoltze über den Kanzler L. Distel⸗ meier, von Dr. S. Clauswitz über einige Bismarck⸗Artikel der „Kreuz⸗ Zeitung“ aus dem Jahre 1848, von Dr. H. Brendicke über den Berliner Volksdialekt (Fortsetzung des Themas aus 1892); 3) der Katalog der Bibliothek des Vereins, verfaßt vom Vereinsbibliothekar Hugo Guiard (286 S. nebst Bibliotheksordnung und Register), für den nahezu 2000 aufgewendet wurden. Der Verein schloß im Vorjahr mit 590 Mitgliedern ab und zählt heute 602 Mitglieder; trotz zahlreicher Sterbefälle hat er mithin einen Zuwachs aufzuweisen. Die Versammlung ehrte die Dahingeschiedenen durch Erheben von den Sitzen. Es verstarben im Betriebsjahre u. A. der Direktor der Staats⸗Archive, Wirkliche Geheime Rath von Sybel, der Stadt⸗Baurath a. D. Gerstenberg, der Polizei⸗Rath Br.

eder und das rührige Wanderfahrts⸗Ausschußmitglied Hoflieferant

Philipp Leo. Die Louis Schneider⸗Stiftung hat nach Ausweis des

flesers, Banguiers Meyer⸗Cohn eine Höhe von 24 000 ℳ, wird aber erst bei 30 000 für Vereinszwecke verwendbar. Der Verein verwaltet auch gemeinsam mit der General⸗Intendantur der König⸗ lichen Schauspiele die Ch. von Haagn'sche Schenkung, tritt jed noch nicht in den Zinsgenuß bezw. in das Recht der Vertheilung ein.

Der bisherige Vorstand wurde wiedergewählt und ist folgender⸗ maßen zusammengesetzt: Vorsitzende: Geheimer Archiv⸗Rath Reuter, Regierungs⸗ und Baurath Küster, Amtsrichter Dr. Holtze; Schrift⸗ führer: Dr. H. Brendicke und Professor Dr. Muret; Schatzmeister: C. Gerold und Meyer⸗Cohn; Bibliothekar: Hugo Guiard; Archivar: Rektor W. Bonnell.

Für die Lamey⸗Preis⸗Stiftung hat die Universität Straßburg als Preisaufgabe gestellt: „Die deutsche Bildhauer⸗ kunst des 13. Jahrhunderts, ihre Geschichte und Charakteriftik, unter besonderer Berücksichtigung ihres Verhältnisses zur französischen Kunst.“ Die Arbeiten müssen vor dem 1. Januar nächsten Jahres eingereicht sein. Der Preis beträgt 2400 ℳ; seine Vertheilung erfolgt im Laufe des Jahres 1897. Die Bewerbung um den Preis steht Jedem offen, ohne Rücksicht auf Alter oder Nationalität; auch können 2. in deutscher, französischer oder lateinischer Sprache ab⸗ gefaßt sein.

„— Aus Zürich vom 30. Januar wird dem „W. T. B.“ be⸗ richtet: Vor 250 Theilnehmern des interkantonalen klinischen Aerztetages experimentierte heute Nachmittag der Professor der Physik Pernet vom hiesigen Polytechnikum mit den Röntgen'schen Strahlen. Die Versu e ergaben eine Reihe neuer überraschender Resultate. Die Einschiebung von Aluminiumplatten zur Auffassung der Strahlen ergab die deutlichste Erkennbarkeit der Handwurzel⸗ knochen einer Mumienhand und die klarste Wiedergabe der Knochen des Unterarms eines todten Mannes bis 30 cm Länge. Ein mit Zinnoberwachs injizierter Ober⸗ und Unter⸗ arm der gleichen Leiche zeigte bei schärfster Erkennbarkeit aller Knochen außerdem sehr scharf die Hauptblutarterie mit einigen Verzweigungen: ein bis jetzt nirgends erreichtes Resultat. Die Photo⸗ graphie einer Kinderhand ließ verkalkte Theile in den Knochen er⸗ kennen. Die kantonale Ne eeosgelge ernannte den Experimen⸗ tator zum Ehrenmitglied. Die Versammlung sandte dem . Röntgen, der seine wissenschaftliche Laufbahn in Zürich begonnen hat, ein Beglückwünschungs⸗Telegramm; Professor Pernet übersandte ihm die von ihm aufgenommenen Photographien. Die Versuche wurden von der Versammlung mit jubelndem Beifall aufgenommen. 8

Theater nud Musik.

Königliches Schauspielhaus.

Shakespeare’s „König Richard der weite“ in der Uebersetzung von August von Schlegel und der L ühnenbearbeitung von W. Oechelhäuser ist gestern Abend mit großem Erfolge neu ein⸗ studiert in Scene gegangen. Die sogenannten „Königsdramen“ des Dichters besitzen nicht alle eine gleich starke, unmittelbar ergreifende dramatische Kraft; darum sind diese Dramen, welche in großen Zügen die Geschichte Englands in scenischen Bildern entwickeln einige Ausnahmen abgerechnet, auch zumeist weniger dem Gedächtniß gegenwärtig, als die großen Dramen Shakespeare s, die keinen ei ent⸗ lichen historischen l.e., he besitzen und deshalb der dichterischen Phantasie freieren Spielraum gewähren. Die Tragödie „Richard der Zweite empfängt ihre fesselnde Kraft mehr durch den Zauber der Sprache, die Tiefe der Gedanken und die Ausgestaltung der beiden widerstreitenden Charaktere des lebensfrohen, schwachen Richard und des willensstarken und klugen Heinrich Bolingbroke, als durch die fort⸗ reißende Gewalt der Handlung. Die Tragik des Geschicks König Richard's wirkt Se nur in der großen Parlamentsscene, in der der König von seiner rone scheidet, um sie dem ehaßten Vetter Heinrich abzutreten, ergreifend auf Seele und Gemütl der Zuschauer. Für das Verständniß der folgenden Königsdramen ist „Richard der weite⸗ bedeutungsvoll, weil hier der 2 eginn der Zwistigkeiten der Königlichen Geschlechter Lancaster und York gezeichnet wird, die den blutigen Inhalt der folgenden Tragödien bilden. Die Wirkung des Dramas wurde vertieft durch die prächtige scenische und dekorative Ausstattung. Sämmtliche Dekorationen, unter denen die Haide in Glostershire mit den vom Abendroth vergoldeten Fichtenstämmen, das alte Schloß an der Küste von Wales mit dem weithin sich erstreckenden Meeresspiegel und ein mittelalterlicher Schloß⸗

garten im Blüthenschmuck des Frühsommers als besonders stimmungsvo hervorzuheben sind, waren neu und glänzend und bildeten einen reiz⸗ vollen Hintergrund für die farbige Pracht der Kostüme. Die Herren Matkowsky als Richard der Zweite und Ludwig als Heinrich Boling⸗ broke standen nicht nur als Hauptpersonen der Dichtung, sondern auch durch ihre schauspielerische Leistung im Vordergrunde des Interesses. E Matkowsky bot mit Erfolg seine ganze Kunst auf, um die estalt Richard's mit all ihren menschlichen Irrthümern und Schwächen

mit Königlicher Würde zu umkleiden; die Gestalt wuchs in der Scene

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