1896 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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mit Anweisun

„Vorwärts“ vom 17. Januar 1896 hat Anlaß zur

Einleitung einer Disciplinaruntersuchung gegeben. Nach dem Ergebniß derselben ist ein Verschulden eines Angehörigen des Kriegs⸗Ministeriums an der Ver⸗ öffentlichung im „Vorwärts“ ausgeschlossen. u der letzteren ist ein Exemplar der Nr. 3 des „Armee⸗Ver⸗ ordnungsblattes“ vom 18. Januar 1896, in welchem der Allerhöchste Gnadenerlaß amtlich veröffentlicht worden ist, benutzt worden. Dieses 1896 Nachmittags in die Redaktion des „Vorwärts“ gebracht, nachdem es enscheend in der Druckerei von E. S. Mittler u. Sohn entwendet worden ist. Es ist deshalb die Disciplinar⸗

untersuchung geschlossen und wegen Einleitung des Straf⸗

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verfahrelss das Erforderliche veranlaßt worden. Berlin, den 6. Februar 1896. Der Kriegs⸗Minister. onsart von Schellendorff.

Justiz⸗Ministerium.

Der bisherige Rechtsanwalt Hahn aus Düsseldorf ist zum Notar für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Köln, seines Wohnsitzes in Treis, ernannt worden.

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In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ wird ein Privilegium wegen heche. er

Stadt St. Johann a. d. Saar im Betrage von 2 000 000

Kusfertigung auf den Inhaber lautender Anlei veröffentlicht.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 7. Februar.

Seine Majestät der Kaiser und König begaben Sich gestern Abend 11 Uhr vom Lehrter Bahnhof mittels Sonderzugs über Stendal, Uelzen und Bremen nach Olden⸗ burg, um der feierlichen Beisetzung der sterblichen Hülle

Ihrer Königlichen Hoheit der Hochseligen Großherzogin

Elisabeth von Oldenburg beizuwohnen. Die Ankunft daselbst

war für heute Morgen 9 ½ Uhr in Aussicht genommen.

Nachmittags 12 ½ Uhr gedachten Seine Majestät wieder

abzureisen und heute Abend 7 ½ Uhr hierher zurückzukehren.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin besuchten gestern Vormittag mit Ihren Hoheiten dem Herzog und der Herzogin Friedrich Ferdinand zu Schleswig⸗Holstein⸗Sonder⸗ burg⸗Glücksburg die Zeichen⸗ und Malschule des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen, Potsdamerstr. 39. Am Nachmittag besichtigten Ihre Majestät mit Ihrer Hoheit der Herzogin die Japanische Ausstellung in der Kunsthandlung von Amsler und Ruthardt.

Heute Vormittag besuchten Ihre Majestät mit Ihrer er⸗ lauchten Schwester die Haushaltungs⸗ und Kochschule des

Vaterländischen Frauenvereins, Ackerstraße 1322.

Seine Majestät der Kaiser haben zu beh cn geeache eine

daß zur Erleichterung des Wiederaufbaues des dur euersbrunst im vorigen Jahre zerstörten Marktfleckens rotterode im Kreise Schmalkalden durch die Eisenbahn⸗

Brigade eine Feldbahn aus Armee⸗Feldbahnmaterial als⸗

bald hergestellt werden soll.

Die 1ee soll ermöglichen, das zum Wiederaufbau nöthige Material, welches auf 2400 Doppelwagenladungen geschch wird, so schnell als angängig heranzuführen. Schon jetzt si

die ganz arme Ortschaft fast unerschwinglichen Höhe an⸗

ewachsen sind. Die Feldba

Nach der im amtlichen Theil der heutigen Nummer des

Blattes veröffentlichten Kundgebung des Herrn Kriegs⸗Ministers

ist die von demselben eingeleitete Disziplinaruntersuchung wegen der vorzeitigen Veröffentlichung des Gnaden⸗

erlasses für die Armee durch den „Vorwärts“ nunmehr geichloffen worden. Ueber die Ergebnisse der Untersuchung

iind wir in der Lage, noch die folgenden Einzelnheiten aus

durchaus sicherer Quelle veröffentlichen zu können.

Der Gnadenerlaß kam am 15. Januar Nachmittags aus dem Kriegs⸗Ministerium in die Hof⸗Buchdruckerei von E. S. Mittler u. Sohn, in welcher das „Armee⸗Verordnungsblatt“ gedruckt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt bestanden nur einige

bekto raphierte Exemplare desselben bei dem Kriegs⸗Ministerium. Die Druckerei wurde angewiesen, die Sache bis zum 18. Ja⸗ nuar, an welchem Tage der Erlaß durch die Nr. 3 des „Armee⸗Verordnungsblatts“ veröffentlicht werden sollte, geheim zu behandeln.

Am Morgen des 16. Januar gegen 9 Uhr wurde ein Korrekturabzug der Nr. 3 des „Armee⸗Verordnungsblattes“ in das Kriegs⸗Ministerium geliefert und alsbald, nachdem die Korrektur gelesen war, verschlossen der Druckerei dp-e. ;1 Nachmittags gegen 3 Uhr begann der Druck der Auflage, welcher bis gegen 8 Uhr beendet war. Von der gesammten Auflage kamen im Laufe des Nachmittags des 16. Januar nur 12 Exemplare in das Kriegs⸗Ministerium, deren Verbleib bestimmt nachgewiesen ist.

Am 17. Januar früh veröffentlichte der „Vorwärts“ den Erlaß, den er also im Laufe des Nachmittags des 16. Januar erhalten haben mußte. Es bestand die Möglichkeit, daß der „Vorwärts“ entweder aus einem der im Kriegs⸗Ministerium vorhandenen hektographierten Umdrucke, oder aus einem Exemplar der bis zum 18. Januar geheim zu haltenden Auf⸗ lage des „Armee⸗Verordnungsblatts“ Nr.8 nachgedruckt hatte.

Im ersteren Fall konnte nur ein Angehöriger des Kriegs⸗

inisteriums der Uebermittler sein, im zweiten Fall konnte das Blatt nur aus der Druckerei kommen.

Die zeugeneidliche Vernehmung der Redakteure des

„Vorwärts“ hat nun ergeben, daß am 16. Januar, Abends

emplar ist am 16. Januar

nd die nach Brotterode führenden Wege durch die schweren Lastfuhren derartig zerstört, daß sie kaum noch benutzt werden können und die Transportkosten einer für

hn wird also auch in finanzieller eziehung der durch das Unglück schwer heimgesuchten Ort⸗ schaft eine wesentliche Erleichterung bieten. e“

egen 7 Uhr, ein „Unbekannter“ ein Exemplar des „Armee⸗ erordnungsblattes Nr. 3 in der Redaktion des „Vorwärts“ abgegeben hat. Aus diesem Blatt ist der Erlaß nachgedruckt worden. Es ist also nach Lage der Sache nur möglich, daß dieses Blatt aus der Druckerei entwendet war.

Am 17. Januar kam der „Unbekannte“ wieder in die Redaktion des „Vorwärts“ und bat, ihn nicht zu verrathen, da in der Druckerei von E. S. Mittler u. Sohn eine strenge Untersuchung eingeleitet sei. Aus diesem Umstand folgt, daß der Ueberbringer des entwendeten Blattes ein bei der Firma Beschäftigter gewesen sein muß, denn sonst hätte er von der dort eingeleiteten Untersuchung nichts wissen bezw. nicht von ihr betroffen können. Hiernach ist also der Sachverhalt dank den Aussagen der Redakteure des „Vorwärts“ bis jetzt dahin klargestellt, daß die Angehörigen des Kriegs⸗

inisteriums von jeder Schuld entlastet sind und daß ferner ein Diebstahl bei der Firma E. S. Mittler u. Sohn vor⸗

gekommen ist.

Wer diesen Diebstahl begangen hat, soll durch die weitere

Untersuchung festgestellt werden. b

In der am 6. d. M. unker dem Vorsitz des Vize⸗Präsi⸗ denten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretärs des Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung des Bundes⸗ raths wurde die Ausdehnung der Unfallversicherung auf die große Heringsfischerei und den Vorlagen, betreffend die Ergänzung und Abänderung der Bestimmungen der Anlage B zur Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands in Bezug auf die Beförderung von flüssigem Acetylen und Calcium⸗Carbid sowie von Roburit I., Westfalit u. s. w. die Zustimmung er⸗ theilt. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen die Gesetzentwürfe für Elsaß⸗Lothringen über die Gewerbesteuer und die Wandergewerbesteuer, und über die Wahlen der Mitglieder der Bezirks⸗ und der Kreisvertretungen, sowie der Reichstagsbeschluß, betreffend die Sicherung der Bauhand⸗ werker und Bauarbeiter für ihre aus Arbeiten und Liefe⸗ rungen in Neu⸗ und Umbauten erwachsenden Forderungen. Dem Antrage des Königreichs Sachsen, betreffend die Be⸗ freiung der mit Pensionsberechtigung angestellten kirchlichen Unterbeamten bei den römisch⸗katholischen Kirchen der Erblande des Königreichs Sachsen von der Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherung, wurde stattgegeben. Außerdem wurde über die Reichstags⸗Resolution, betreffend ö über die Arbeits⸗ zeit der Arbeiterinnen u. s. w., und über verschiedene Ein⸗ Faben Beihhhhh

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Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Condor“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Follenius, am 5. Februar in Sansibar angekommen.

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over, 6. Februar. Der Provinzial⸗Landtag überwies heute den von dem Abg. Landes⸗Forstrath Quaet⸗ faslem eingebrachten, von 14 Mitgliedern des Hauses unter⸗ stützten Uͤrantrag, betreffend den Erlaß eines Gesetzes über die Fischerei der EE“ und die Koppel⸗ fischerei in der Provinz Hannover, einer Kommission von 7 Mitgliedern. Der Titel XVIII des Ausgabe⸗Etats (Chausseen, Landstraßen und Gemeindewege) wurde nach längerer Debatte mit 49 gegen 42 Stimmen einer aus 14 Mitgliedern bestehenden Kommission überwiesen.

Sigmaringen, 7. Februar. Ihre Königliche Hoheit die Fürstin⸗Mutter von Hohenzollern ist nach Brüssel abgereist, um dort der Fernaslang Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Henriette von Belgien beizuwohnen.

Sachsen. Die Erste Kammer beywilligte gestern auf Antrag der

zweiten Deputation die Titel 14, 15, 16, 18, 31 und 37 des

außerordentlichen Staatshaushalts⸗Etats für die Finanzperiode 1896/97, welche sämmtlich bqguliche Verände⸗ rungen an Eisenbahnanlagen betreffen. In der Zweiten Kammer gelangte die Vorlage über den Neubau eines Ständehauses und die an die Königliche Feulltst für Verzicht auf das Benutzungsrecht am Brühl’schen Palais zu erstattende Abfindungssumme zur allgemeinen Vorberathung. Die Vorlage wurde der Finanzdeputation A überwiesen. Hierauf trat die Kammer in die Schlußberathung der Kap. 1 bis 7 und 71 a des Etats, Forsten, Domänen, Kalkwerke, Weinberge, Hof⸗ Apotheke, Elsterbad, „Leipziger Zeitung“ und „Dresdner Journal“ betreffend, ein. Sämmtliche Kapitel wurden be⸗ willigt. 8* 8 Mecklenburg⸗Schwerin.

Aus Cannes von gestern wird den „Meckl. Nachr.“ gemeldet, daß die Besserung in dem Befinden Seiner König⸗ lichen Hoheit des Großherzogs langsam fortschreite. Höchst⸗ derselbe habe in den letzten Tagen begonnen, das Beit auf kurze Zeit zu verlassen.

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Oesterreich⸗Ungarn.

In dem Gemeinde⸗ und Verfassungsausschuß des nieder⸗ österreichischen Landtags erklärte gestern der Statthalter Graf Kielmansegg, daß die Wahlen für den Wiener Gemeinderath voraussichtlich einige Tage vor dem 3. März, an welchem Tage die gesetzliche Frist ablaufe, stattfinden würden.

Der tiroler Landtag hat mit 30 gegen 12 Stimmen die Vorlage, betreffend die Einführung des Grundbuchs in Tirol, angenommen.

Großbritannien und Irland.

Das „Reuter'sche Bureau“ theilt mit, der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain habe an den Gouverneur der Kapkolonie Sir Hercules Robinson behufs Mittheilung an den Präsidenten der Süd⸗Afrikanischen Republik Krüger eine umfangreiche Depesche abgesandt, welche sich auf die Be⸗ schwerden der in Transvaal ansässigen briti chen Staats⸗ angehörigen beziehe. Die Depesche werde wahrscheinlich in kurzem veröffentlicht werden. Der ehemalige Premier⸗ Minister der Kapkolonie Cecil Rhodes hatte gestern Nach⸗ mittag im Kolonialamt eine Unterredung mit dem Staats⸗ sekretär für die Kolonien Chamberlain.

Frankreich.

In dem gestern abgehaltenen Ministerrath wurden, wie 8

„W. T. B.“ berichtet, verschiedene Vorlagen des Kriegs⸗ Ministers, namentlich die Vorlage über Schaffung einer Kolonial⸗Armee und über Reorganisation des XIX. Armee⸗Korps, angenommen. Zu dem Bericht des Deputirten Darlan wurde gestern in der Deputirtenkammer ein Nachtrag vertheilt, welcher die Namen der Journalisten und der Blätter enthält, welche im Jahre 1883 von den Eisenbahngesellschaften die Summe von 2 Millionen Francs erhalten hatten, damit sie sich für die Verträge aussprächen. Die Liste enthält keinen Namen einer politischen Persoönlichkeit. Die Kammer nahm sodann die Berathung des Berichts über die Verträge mit den Eisenbahn⸗Gesellschaften wieder auf. Der Be⸗ richterstatter Darlan erklärte, die Kommission habe unterlassen, um die Wahrheit festzustellen. Die Unter⸗ suchung habe ergeben, daß die Ehrenhaftigkeit Raynal's in keiner Weise gelitten habe. Raynal habe keine Gelder von den Eisenbahngesellschaften erhalten; er habe auf das beste die Interessen des Staats wahrgenommen.

Die Zolleinnahmen im Monat Januar betrugen 6 411 000 Fr. mehr als im Budgetvoranschlag und zeigten eine 7 796 700 Fr. gegenüber den Zolleinnahmen im Januar 1895. 3 8

Rußland.

Der ObersrLieutenant im Generalstab Strelbitzky ist

zum militärischen Agenten in Söul (Korea) ernannt worden. Belgien. Die Repräsentantenkammer setzte gestern die Be⸗

rathung der Interpellation Defnet über die Ernennung

der Bürgermeister fort. Nach einer sehr bewegten Sitzung brachte der sozialistische Abgeordnete Vandervelde eine Tagesordnung ein, welche ein Tadelsvotum gegen den Minister des Innern enthält; diese Tagesordnung wurde mit 53 gegen 23 Stimmen abgelehnt. Hierauf wurde die von dem Abg.

Hoyois (Katholik) vorgeschlagene einfache Tagesordnung mit

53 gegen 23 Stimmen angenommen. Italien.

Die „Riforma“ erfährt, daß die Entsendung des von dem Obersten Pittaluga befehligten Bataillons nach Assab keinen anderen Zweck habe, als den, diesen in italienischem Besitz befindlichen Platz gegen einen eventuellen Angriff der Schoaner zu sichern.

Eine Gruppe von sechs der sozialistischen Partei an⸗ gehörigen Deputirten hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“, beschlossen, gegen die afrikanische Expedition und die Vertagung der Kammer Stimmung zu machen.

Die „Voce della Verità“ veröffentlicht unter der Ueberschrift „Ferdinando Apostata“ einen sehr heftigen Artikel gegen den Prinzen Ferdinand von Sachsen⸗Coburg. In dem Artikel wird ausgeführt, daß der Uebertritt des Prinzen Boris zur orthodoxen Kirche aus nationalen Gründen, wie der Prinz Ferdinand behaupte, nicht nothwendig gewesen sei, da unter den Riten der katholischen Kirche auch der griechische und der bulgarische seien, und der Uebertritt vom lateinischen zum bulgarischen Ritus dem Prinzen Ferdinand und seiner ganzen Familie freigestanden habe. Er hätte also den Glauben nicht zu opfern brauchen, um sich den religiösen Gewohnheiten seines Landes anzupassen. Die katholische Kirche kenne nur Einen Gott, Einen Glauben, Eine Taufe. Diese habe der Prinz Ferdinand verletzt, wie Longinus, als er Christus die Lanze ins Herz gestoßen habe; nur mit dem Unterschied, daß Prinz Ferdinand sich der Bedeutung seiner Handlungsweise völlig bewußt gewesen sei. Für ihn gebe es keine Entschuldigung und keine Rettung, als demüthige Reue; er sei schon jetzt aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgestoßen. Ueber der Seele des Prinzen Boris werde ein Engel wachen; jedenfalls bleibe der Prinz Boris trotz der orthodoxen Taufe Katholik, bis er als Erwachsener den Ueber⸗ tritt freiwillig gebilligt haben werde.

Türkei.

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Der bulgarische Minister⸗Präsident Stoilow wird, dem

„W. T. B.“ zufolge, heute nach dem Selamlik vom Sultan empfangen werden. Gestern fand zu Ehren Stoilow's ein Diner bei dem Großvezier statt.

Der bulgarische Exarch, dem Stoilow die offizielle Einladung zur Vollziehung der Aufnahme des Prinzen Boris in die orthodoxe Kirche überbrachte, gedenkt am Sonnabend von Konstantinopel abzureisen.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ hat der italienische Botschafter in Konstantinopel Pansa bei der Pforte wegen der Ermordung des Paters Salvatore de Capadoce, eines Pfarrers bei Zeitun, reklamiert. Der⸗ selbe soll im November vorigen Jahres von der ihm durch den Mutessarif beigegebenen Eskorte ermordet worden sein. Gleichzeitig hat der italienische Botschafter den nach Zeitun entsandten italienischen Konsul in Aleppo beauftragt, Nach⸗ forschungen über die Mordthat anzustellen.

Die „Times“ meldet aus Konstantinopel, daß die Ein⸗ wohner Zeituns die - in Kenntniß gesetzt hätten, sie seien gewillt, die Kriegswaffen auszuliefern, die Ja vmnaffen aber zurückzubehalten. Sie forderten einen christlichen Gouverneur und eine christliche Verwaltungsbehörde,

antworteten aber ausweichend auf das Verlangen, ihre Führer

auszuliefern. Serbien. Anläßlich eines Pempflete über d Kaiser vo Rußland und dessen bevorstehende Krönung, welches in einem Belgrader sozialdemokratischen Blatte veröffentlicht wurde, interpellierte in der gestrigen Sitzung der Skupschtina der Abg. Michael die Regierung, ob sie einer solchen Art von Zeitungsschreiberei nicht Einhalt gebieten wolle. Der Se. Novakowic drückte sein Bedauern über den Vorfall aus und erklärte, daß die Behörden die zur Bestrafung der Schuldigen führenden Schritte angeordnet hätten. Der Interpellant erklärte sich mit der Antwort der Regierung zufrieden und schlug der Skupschtina vor, sie möge über eine derartige Preßäußerung ihre Ent⸗ rüstung aussprechen. Der Präsident der Skupschtina Garaschanin entsprach dem Antrage, indem er dem Hause eine entsprechende Resolution in Vorschlag brachte, welche ein⸗ stimmig angenommen wurde. Darauf wurde die Berathung des Budgets fortgesetzt. Die Etats des Finanz⸗Ministeriums,

der Monopole und des Kriegs⸗Ministeriums wurden mit un⸗ 8.

bedeutenden Aenderungen genehmigt.

Bulgarien. 3

Die „Agence Balcanique“ meldet: Da die Aerzte der Prinzessin Maria Luise, deren Gesundheit seit mehreren Monaten angegriffen sei, empfohlen hätten, sich nach der Riviera zu begeben, so werde dieselbe heute nach Südfrankreich eisen. sobr üns Bureau der Sobranje ist dahin verständigt worden, daß der Prinz Ferdinand morgen die Mitglieder der Sobranje in bath empfangen werde, um den Dank der⸗ selben für seinen Entschluß, den Prinzen Boris orthodox taufen zu lassen, entgegenzunehmen. In Gemäßheit des bereits genehmigten Budgets werden in diesem Jahre drei neue Gebirgsbatterien formiert

werden. Schweden und Norwegen.

„Stockholms Dagblad“ erklärt: Der Ministerwechsel sei nicht unerwartet gekommen, da man seit mehreren Wochen gewußt habe, daß zwischen dem Staatsrath Oestergren und dem Staats⸗Minister Bost röm wegen Erweiterung des Stimm⸗ rechts bei den Wahlen zur Zweiten Kammer eine Meinungs⸗ verschiedenheit bestehe. Oestergren habe fün abgestuftes Stimmrecht, wie es in Belgien eingeführt Kei, gewünscht, während Boström die Ansicht vertrete, daß ein Stimmrecht jeder Person zustehen solle, welche während einer gewissen Zeitdauer eine Steuer von einem bestimmten Mindestbetrage

gezahlt habe. Amerika.

Der Senat hat, wie „W. T. B.“ aus Washington erfährt, einen Antrag angenommen, durch welchen der Staats⸗ sekretär Olney beauftragt wird, Abschriften der in Deutschland, Frankreich, Belgien und Dänemark bestehenden Gesetze, Ver⸗ ordnungen und Dekrete, welche sich gegen die Einfuhr von amerikanischem Vieh richten, zu beschaffen und dieselben dem Kongreß vorzulegen.

Nach einer Meldung aus Havanna von gestern wurden die Aufständischen bei Majuari in der Provinz Matanzas geschlagen und verloren 32 Todte. Eine andere Schaar der Aufständischen wurde bei Carmen geschlagen und hatte

Todte sowie zahlreiche Verwundete.

Afrika. X“

Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Blantyre vom 25. Januar hätten der Lieutenant Alston und der Hauptmann Stewart mit ihrer Sikhtruppe zwei tas Siege über Araber errungen, welche in Britisch⸗

entral⸗Afrika Sklavenhandel trieben. Die Araber seien voll⸗ tändig geschlagen und 14 Häuptlinge gefangen genommen worden. Durch diese Erfolge sei die Handelsstraße nach dem Innern Afrikas wieder frei gemacht.

Dem Korrespondenten des „Reuter’'schen Bureaus“ in

Prätoria ist eine offiziöse Mittheilung über die Lage in

ohannesburg zugegangen, worin die Behauptungen des angeblich von britischen Einwohnern an die „Times“ ge⸗ sandten Telegramms für durchaus unwahr erklärt werden. Ein derartiges Telegramm sei bei keinem Telegraphenamt Trans⸗ vaals aufgegeben worden. Von einer Unterdrüͤckung der Rede⸗ freiheit und des Versammlungsrechts könne keine Rede sein. Die Boerentruppe befinde sich 6 Meilen von der Stadt entfernt; sie habe Befehl, die Stadt nicht zu betreten, und be⸗ hellige niemand. Die Geschäftslage nehme allmählich wieder ein normales Aussehen an. Die Regierung sei bemüht, dem Arbeitermangel abzuhelfen, und es seien bereits mehrere Ab⸗ theilungen von Arbeitern nach dem Rand gesandt worden. Die politischen Aussichten hätten sich gebessert.

Dasselbe Bureau meldet, daß sich unter den von der Transvaal⸗Regierung entworfenen Reformgesetzen auch ein Entwurf, betreffend die Errichtung eines Stadtraths für Johannesburg mit einem Major an der Spitze und die Ueber⸗ kragung der gesammten städtischen Verwaltung an die Burghers, befinde.

Bei der Untersuchung gegen die unter der An⸗ schuldigung der Erregung eines Aufstandes und des Fohverralhs stehenden Gefangenen stellte der die Untersuchung führende Beamte in Johannesburg fest: es habe dort niemals eine Gefahr für Leben und Eigenthum bestanden und es habe keine Veranlassung zu kriegerischen Vorbereitungen seitens eines Theils der Einvohme⸗ vorgelegen. Der Geschäftsführer der „Standard Bank“ erklärte, es seien 70 000 Pfund als Hilfsfonds hinterlegt gewesen. Der Landdrost wies Briefe vor, welche eine Liste der Waffen und Munition enthielten, die von dem Reform⸗Comité geliefert worden waren. Der Geschäftsführer der „Argus“, Buchdruckerei⸗ Gesellschaft, erklärte: er habe zur Zeit, als Jameson erwartet wurde, von dem Reform⸗Comité die Kopie einer Proklamation erhalten, worin behauptet worden sei, daß, da sich Unruhen ereignen könnten, die Einsetzung einer provisorischen Regierung nothwendig sei. Die Proklamation sei zwar gesetzt, aber nicht gedruckt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

„Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (34.) Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von

oetticher und der Staatssekretär des Neichs⸗ Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, erledigte das Haus zunächst in dritter Berathung die Zusatzerkkärungen zu dem internationalen Ueberein⸗ kommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890 und den Gesetzentwurf, betreffend die Kon⸗ trole des Reichshaushalts, des Landeshaushalts von Elsaß⸗Lothringen und des Haushalts der Schutz⸗ gebiete für das Etaisjahr 1895/06. Darauf kam folgende Interpellation zur Verlesung: „Welche. Anordnungen hat der Herr Reichskanzler infolge der am 14. März 1894 vom Reichstag beschlossenen Resolution, betreffend die Aufhebung der gemischten Privat⸗Transitlager und des denselben sowie den üKn von Mühlen gewährten Zollkredits, getroffen?“ x Der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von asadavwekn erklärte sich bereit, die Interpellation sofort zu bean en

Zur Begründung derselben erhielt das Wort der Abg. Graf von Schwerin⸗Löwitz (kons.), dessen Rede bei Schlu des Blattes noch fortdauerte.

In der heutigen (14.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1896/97 bei dem Extraordinarium des Etats der landwirth⸗ schaftlichen Verwaltung fortgesetzt.

Zur Förderung der Land⸗ und Forstwirthschaft im Eifel⸗ gebiete sind 200 000 ℳ, zur Förderung der Land⸗ und Forstwirthschaft in den östlichen Provinzen 650 000 ausgeworfen.

Berichterstatter Abg. Freiherr von Erffa (kons.) theilte mit, daß in Aussicht genommen sei, den seit 13 G sun ha elte wit Zuschuß noch weitere fünf Jahre lang zu geben. Die bis⸗

erigen Meliorationen im Eifelgebiet seien von Erfolg gewesen. Abg. Mooren (Zentr.) dankte der Regierung fan diese Unter⸗ stützung der Landwirthschaft und empfahl besonders die systematische Anlegung von Wallhecken im Eifelgebiet zu besserem Abschluß der Terrains und Förderung der Kultur derselben.

Abg. von Detten (Zentr.) fragte an, ob die Regierung nicht ähnliche Fonds für die Landwirthschaft im Hunsrück, Hochwald, Westerwald, bergischen Land und Sauerland einstellen wolle. Die Behauptung, daß die Nothlage der Landwirthschaft im Westen weniger empfunden werde als im Osten, sei für die genannten Landestheile absolut unrichtig. Das Klima dieser 1 400 m über dem Meere ge⸗ legenen Gebirgsgegenden sei nicht besser als das im Osten; die Ar⸗ beiterverhältnisse seien ungünstig, Arbeitskräfte schwer zu erlangen. Redner schilderte eingehend die traurige Lage der Waldkultur in diesen 8 welche durch die Einfuhr des Quebrachoholzes benachtheiligt werde.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein: Auf Grund der Berichte der Ober⸗Präsidenten von sHanmgoder, West⸗ falen und Sachsen aus dem Rheinlande und Hessen⸗Nassau stehen sie noch aus hat die landwirthschaftliche Verwaltung dem Finanz⸗ Minister nahegelegt, Zuch für die dortigen hilfsbedürftigen Gebiete eine außerordentliche Beihilfe in den Etat einzustellen, der ähnlich behandelt und verwaltet werden sollte wie der Eifelfonds. Der Finanz⸗Minister hat dieses Ersuchen mit Rücksicht auf die Finanz⸗ lage abgelehnt und sogar die Frage aufgeworfen, ob nicht der Eifelfonds gestrichen und durch erhöhte allgemeine Mittel zur örderung der Landwirthschaft ersetzt werden könnte. Das hätte allerdings den Vortheil gehabt, daß die landwirth⸗ schaftliche Verwaltung diese Mittel da hätte verwenden können, wo die Noth am größten ist. Der Finanz⸗Minister hat den Eifelfonds noch auf ein paar Jahre bewilligt im Hinblick darauf, daß er in diesem von der Natur stiefmütterlich behandelten Gebiet außerordent⸗ lich günstige Erfolge erzielt hat. Ich hoffe, daß der Finanz⸗Minister die von mir für die erwähnten Gebiete mit Ausschluß des Eifelgebiets erbetenen extraordinären Mittel zur Förderung. der Drainage u. s. w. im nächsten Jahre bewilligen wird. Aus den Mitteln, welche mir zur Verfügung stehen, hat der Westerwald 418179 ℳ, der Hunsrück 87 000 erhalten, denen als Beihilfen aus dem Provinzialfonds 384 784 bezw. 68 000 gegenüberstehen. Der Hochwald hat 66 000 bezw. 17 000 erhalten. Alle drei Gebiete haben, wie der Minister nachweist, außerdem nicht unerhebliche Beihilfen zu den Kosten der Zusammen⸗ legung von Grundstücken erhalten. Aus dem Sauerlande und dem Eichsfelde liegt das Material, wie erwähnt, noch nicht vor. Die landwirthschaftliche Verwaltung wird nach wie vor bemüht sein, größere Fonds zur Verfügung zu bekommen speziell für diejenigen Ge⸗ biete, indem die landwirthschaftliche Nothlage am größten ist.

Abg. Knebel (nl.): Zu meiner Freude steht nach dieser Er⸗ klärung der Minister den bedrängten Landestheilen im Westen mit Wohlwollen gegenüber. In der Eifel ist der Nothstand allerdings besonders groß, die Verhältnisse der anderen Gebirgsgegenden liegen aber ebenso, und sie bedürfen derselben Fürsorge. Ein System der reinen Unterstützung wäre verderblich, die Hilfe muß nach anderen Richtungen erfolgen. Es fehlt der kleinen bäuerlichen Bevölkerung an der nöthigen Aus⸗ bildung, ferner ist es zu schwierig und zu theuer, Darlehen zu erhalten. Infolge mangelnder Arbeitskräfte zur Aushilfe kann der kleine Land⸗ wirth oft nicht rechtzeitig sein Land bestellen, er ist auf die Arbeits⸗ kraft seiner Familie angewiesen. Für Abstellung dieser Uebelstände muß der Staat sorgen durch Erleichterung des Kredits, Erleichterung des Betriebs durch Zusammenlegungen ꝛc., hoffentlich gelingt es dem Landwirthschafts⸗Minister auch, das harte Herz des Finanz⸗Ministers zu erweichen.

Abg. Im Walle (Zentr.): Der Widerstand des Finanz⸗Ministers ist um so bedauerlicher, als die Finanzlage im ganzen eigentlich eine gute ist. Auch für die Provinz Sachsen ist eine höhere Fürsorge nöthig, namentlich muß der kleinen Landwirthschaft des Eichsfeldes durch Kredit und Meliorationen geholfen werden.

Abg. Jerusalem (Zentr.) schilderte an der Hand eines Vortrags eines Mitgliedes der General⸗Kommission in Düsseldorf die Verhält⸗ nisse der Eifel als ärmlicher als die im Westerwald.

Abg. Schnaubert (kons.) dankte der Regierung für die Er⸗ höhung des Fonds von 500 000 auf 650 000 zur Förderung der Landesmeliorationen in Ostpreußen.

Abg. Knebel bestritt dem Abg. Jerusalem, daß die Verhältnisse in der Eifel schlechter seien, als in den anderen Gebirgsgegenden; die Eifel werde allerdings immer bevorzugt.

Nachdem noch Abg. Dasbach (Zentr.) für die Eifel ein⸗ getreten war, wurden die Fonds bewilligt.

Zur extraordinären Verstärkung des Dispositionsfonds zur Förderung der Zucht landwirthschaftlicher Thier⸗ gattungen und zur Förderung des Molkereiwesens werden 90 000 gefordert.

Abg. Lamprecht (kons.) lenkte wiederum die Aufmerksamkeit auf die Einschleppung von Seuchen aus Holland und wünschte höhere Summen zur Förderung des Molkereiwesens. Ebenso müsse die Regierung die in jeder Weise fördern, namentlich durch Gründung von Schweinemastanstalten. Redner empfahl ferner die Hebung der Ziegenzucht im Interesse der kleinen Landwirthe.

Abg von Mendel⸗Steinfels (kons.): Der Milzbrand macht die Züchtung der Schweine in manchen Gegenden nahezu unmöglich. Man hat erst dagegen das Impfen mit Lymphe von Pasteur ange⸗ wendet, später hat sich die Lymphe von Professor Lorenz aus Magde⸗ burg als ebenso gut bewährt. Lorenz hat aber nicht genügende Mittel zur weiteren Förderung der Sache Die Regierung sollte daher mit beiden Lymphen Versuche anstellen und 1e. welche sich am meisten bewährt, der Landwirthschaft billig zur Verfügung stellen.

Der Titel wurde hierauf bewilligt, ebenso ohne erhebliche Debaitte der Rest des Extraordinariums.

ESss folgte der Etat der Gestütverwaltung.

Bei den Einnahmen bedauerte 1“

Abg. Graf von Strachwitz (Zentr.), daß alljährlich 60 bi 80 Millionen Mark für den Ankauf von Pferden ins Ausland gehen. Die Regierung wende nur der Pferdezucht soweit die nöthige Fürsorge zu, als es sich um die Remontierung für die Armee handelt; es gebe aber noch andere wichtige Zweige der Pferdezucht, z. B. die Züchtung schwerer Arbeitspferde. In dicßer Beziehung müßten namentlich die Provinzen, welche nicht Remonteprovinzen sind, mehr thun. Die as der Vertheilung schwerer kaltblütiger, rassereiner Hengste im Lande werde allerdings erst in Jahren Erfolge zeitigen, sie sei aber um so nothwendiger, als es immer schwerer werde, im Aus⸗ lande das geeignete schwere Pferdematerial zu finden. Die Regierung solle entweder ein Hauptgestüt für kaltblütige Pferde errichten

und selbst diesen Pferdeschlag züchten, was allerdings große Mittel er⸗ fordere, oder der Staat müsse kaltblütige Stuten im Ausland an⸗ kaufen und an Privatzüchter abgeben mit strengen Bedingungen für die weitere Züchtung.

Ober⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff hielt es nicht für nothwendig, staatlicherseits den kaltblütigen S zu züchten, da die Zucht auch für Private da, wo günstige Vorbedingungen vorhanden seien, möglich und rentabel sei und es bisher keine Schwierigkeiten gemacht habe, kaltblütige Beschäler zu kaufen.

Freiherr von Dobeneck (kons.) erachtete die Anzahl der Mutterstuten im Gestüt Neustadt trotz der Vermehrung noch nicht für genügend und bestritt, daß Private die Zucht allein mit Erfolg über⸗ nehmen könnten. Die Kreuzung des kaltblütigen Hengstes mit unseren warmblütigen Stuten empfehle sich allerdings nicht; wir brauchen einen starkknochigen, warmblütigen Hengst mit guter Gangart, rationell von guten Eltern gezogen, als Deckmaterial. Mit dem Ankauf kaltblütiger Stuten im Auslande seitens des Staats könne er nicht einverstanden sein. Das Gestüt Neustadt solle sich besonders die Zucht von Landbeschälern für die —— Brandenburg angelegen sein lassen; dafür müsse ein küchtiger Züchter, dem die Verbältnisse und Bedürfnisse der Provinz bekannt seien, als Gestüts⸗Direktor angestellt werden. Redner sprach schließlich den in weiten landwirthschastlichen Kreisen gehegten Wunsch aus, das Deckgeld zu vermäßigen oder wenigstens für die Stuten, welche nicht tragend werden, zurückzuerstatten.

DOber⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff bemerkte, daß zuerst die Bedürfnisse unserer Kavallerie befriedigt werden müßten, und daß nach Bedarf eine Vermehrung des Stutenmaterials stattfinde. In Neustadt wolle man die Araberzucht versuchen für Zwecke der Armee. Für die weitere Einstellung von Mutterstuten habe der Finanz⸗Minister nicht die Mittel bewilligt.

Abg. von Mendel⸗Steinfels (kons.) beklagte ebenfalls, daß für den Ankauf schwerer, kaltblütiger Pferde jährlich 60 Millionen Mark nach Rußland, Belgien, Dänemark, Frankreich und England gehen. Die Kenntniß, ob wir in den verschiedenen Landes⸗ theilen eine warmblütige oder kaltblütige Zucht brauchen, ist noch nicht genug verbreitet, vor allem aber müssen wir das in der Pferdezucht vermeiden; die Kreuzung kalt⸗ blütiger Hengste mit warmblütigen Stuten hat nur Mißerfolge gehabt. Für die Gründung eines Staatsgestüts für kaltblütige Pferde kann ich mich nicht begeistern, wir follten lieber den Pripatbesitzern von geeigneten Stuten Beihilfen für die Zucht geben. Daß wir noch so weit zurück sind in der Pferde⸗ zucht liegt nicht an den Staatsgestüten, sondern an unseren Züchtern, die oft den Fehler machen, abgebrauchte, nicht mehr benutzbare Stuten zu verwenden und sie zu sehr zu strapazieren. Redner erbat die Vermehrung der G in der Provinz Sachsen und wünschte eine Erhöhung der Gehälter der Gestütsbeamten, sowie Vermehrung der Pferdewärter.

Ober⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff theilte mit, daß auf je 3 Hengste ein Mann gerechnet werde, daß aber in der Provinz Sachsen wegen Mangels an Personal Miethswärter genommen werden müßten.

Die Abag. Freiherr von Plettenberg⸗Mehrum (kons.) und Taten (Zentr.) äußerten einige Wünsche für das rheinische Land⸗ gestüt.

Abg. Schnaubert (kons.) wünschte eine Ermäßigung der Deck⸗ gelder und Vermehrung der Deckhengste in Litthauen.

Ober⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff erwiderte, daß es sehr schwer sei, die nöthige Anzahl Hengste 1. Klasse zu Vüchaes die Einstellung von Hengsten II. und III. Klasse könne die Zucht eher schädigen als fördern.

Die Einnahmen wurden bewilligt.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen Sitzung der Budgetkommission des Reichstags erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, bei der Berathung des Etats des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage des Abg. Dr. Lieber der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Frei⸗ herr von Marschall: Dem Reichstag werde in dieser Session eine über den gegenwärtigen Etat hinausgehende Forderung für Marine⸗ zwecke nicht vorgelegt werden. Schon seit geraumer Zeit bilde die Frage einer stärkeren Vermehrung der Flotte den Gegenstand der Erwägungen der betheiligten Ressorts. Der Zeitpunkt, wann dieselben zum Abschluß gelangen würden, sei noch nicht be⸗ stimmbar. Ihr Ergebniß werde seiner Zeit den verbündeten Re⸗ gierungen und sodann dem Reichstag und zwar in einer unter⸗ breitet werden, welche volle Klarheit gewähre sowohl über die Be⸗ dürfnißfrage und die angestrebten Ziele, wie über die finanziellen Mittel, welche für die Gegenwart und die Zukunft an einmaligen und fortdauernden Ausgaben erfordert würden. Vom Standpunkt des auswärtigen Dienstes könne vorläufig nur betont werden, daß das Bedürfniß nach Vermehrung unserer Flotte, insbesondere an Kreuzern, sich seit vorigem Jahre nicht nur nicht ver⸗ mindert, sondern im Gegentheil erheblich vermehrt habe. Dies beruhe nicht etwa auf einer Aenderung unserer über⸗ seeischen oder überhaupt unserer auswärtigen Politik; eine solche sei weder eingetreten noch beabsichtigt; vielmehr seien die im vorigen Jahre entwickelten und vom Reichstag gebilligten Gesichtspunkte maß⸗ gebend geblieben; es handle sich um Sicherung unserer Kolonien, um Erhaltung und Befestigung der deutschen Autorität daselbst und dan darum, die Deutschen im Ausland und unsere überseeischen Inter⸗ essen, vornehmlich unseren Handel und unsere Schiffahrt nach Maß gabe der Verträge und des Völkerrechts wirksam zu schützen. Die Steigerung jenes Bedürfnisses entspringe auch nicht einzelnen Vorgängen der jüngsten Zeit, sie habe sich vielmehr organisch entwickelt aus der stetigen Zunahme unserer überseeischen Interessen insbesondere auch der Ausfuhr wee. Produkte nach fernen Ländern welche im vergangenen Jahre einen besonderen Aufschwung genomme habe. Daß die deutsche Flotte mit der Zunahme jener Interesse gleichen Schritt halte, sei eine Forderung, welcher das Reich sich nicht entziehen könne. Die nähere Darlegung dieser Gesichtspunkte werde

des Marine⸗Ctats vorzubehalten se 8—

Kunst und Wissenschaft.

n In den soeben versandten Monatsschriften der Comenius⸗ Gesellschaft wird das Ergebniß der Preisbewerbung für 1895 mitgetheilt und bekannt gegeben, daß Herr Dr. G. Koh⸗ feldt, Kustos an der Universitäts⸗Bibliothek zu Rostock, den Preis der Gesellschaft für seine Arbeit über den Unterricht in der Sitten⸗ lehre nach Comenius erhalten hat; eine zweite Arbeit von Herrn G. Közle in Cannstatt erhielt die Gesellschaftsdenkmünze in Silber. Der von seiten der C.⸗G. in Deutschland zuerst angeregte Gedanke der Begründung von „Volkshochschulen“, d. h. von planmäßigen 6 Vortragskursen zur Weiterbildung der erwachsenen Jugend, beginnt, wie in den neuesten Heften der Gesellschaft mitgetheilt wird, immer mehr Boden zu fassen, und ebenso findet der im Zusammenhang damit befürwortete Plan der Lesehallen nach Art der Public libraries immer zahlreichere Freunde. Mitglieder und Freunde der C⸗G. sind es gewesen, die neuerdings in Jena, Straßburg, Marburg und anderen Orten die ersten praktischen Versuche in dieser Richtung ge⸗ macht haben. Die Geschäftsstelle der C.⸗G. befindet sich jetzt in Berlin W. Charlottenburg, Berlinerstr. 22.

Rumänien. 1 2. März. Kriegs⸗Ministerium in Bukarest: Lieferung von 485 000 Stüͤck verschiedener Uniformknöpfe, 40 000 großen und 10 000 kleinen Rosetten.

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