1896 / 35 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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die Wirkungen der Aufhebung des Identitätsnachweises auf unser Gesammtgetreidegeschäft noch weiter abwarten wollen.

Ich komme nun zu den sogenannten Mühlenkonten. Meine Herren, auch bei den Exportmühlen ist von dem Bundesrath die Kreditfrist, welche früher 7 Monate betrug, auf 4 Monate verkürzt. Das frühere Verfahren war das, daß Auslandsgetreide, welches auf ein Zollkonto in einer Mühle angeschrieben war, erst mit dem 20. Tage des 7. Monats nach dem Einlagerungsquartal zur end⸗ gültigen Abrechnung des Zolls gelangte. Mit anderen Worten: Getreide, was im 1. Quartal des Jahres, also vom 1. Januar bis 31. März, auf eine Exportmühle gelangte, wurde erst am 20. Oktober zur Verzollung gezogen. Diese Frist ist verkürzt von 7 auf 4 Monate, und findet jetzt in dem gleichen Falle die Abrechnung am 20. Juli statt.

Ferner enthält der § 10 des neuen Regulativs für die Mühlen⸗ konten die Bestimmung, daß solchen Mühlen, welche ihr Konto ledig⸗ lich benutzen zur Erlangung eines weiteren Zollkredits, in Zukunft das Konto zu entziehen ist. Meine Herren, der Zweck der Mühlenkonten war bekanntlich, die Nothlage der Mühlenexportindustrie zu mildern. Da diese schlechte Ausfuhrkonjunkturen im Anfang der achtziger Jahre hatte und infolge dessen auf den Inlandsabsatz der kleineren Mühlen drückte, wurde das Gesetz vom Jahre 1882 beschlossen, welches den Exportmühlen durch die zollfreien Mühlen⸗ konten den Export erleichtern und damit auch den kleinen Mühlen dienen sollte. Meine Herren, dieses Gesetz hat damals auch die aus⸗ drückliche Billigung der Vertreter der landwirthschaftlichen Interessen in diesem hohen Hause gefunden; es hat sich damals sowohl der Herr Abg. von Frege für das Gesetz ausgesprochen, als auch der ver⸗ storbene Abg. von Wedell⸗Malchow. Jetzt, nachdem die Kreditfrist so wesentlich auch für die Mühlenkonten verkürzt ist, wird man aller⸗ dings sagen können, daß die großen Kontenmühlen nicht mehr das⸗ selbe Interesse haben wie bisher, sich ihr Mühlenkonto zu erhalten; denn durch die Verkürzung der Kreditfrist ist deren Lage jetzt nicht mehr wesentlich besser wie die Lage derjenigen Mühlen, die einfach gegen den allgemeinen Zollkredit ausländisches Getreide beziehen und verarbeiten.

Man wird aber auch zugestehen können, daß durch die Einführung der Einfuhrscheine die Exportmühlen eine wesentlich freiere Bewegung gewonnen haben. Früher mußte der Exportmüller binnen dem Abrechnungsquartal, wenn er überhaupt einen Nutzen von seinem Mühlenkonto haben wollte, unter allen Umständen exportieren, lediglich zu dem Zweck, um die Entlastung seines Zollkontos für Getreide zu bewirken, und andererseits mußte er wieder innerhalb der Abrechnungsfrist unter allen Umständen Auslandsgetreide auf Lager nehmen, um wieder durch den Export von Mehl sich den Vortheil seines Kontos zu sichern. Er konnte mit anderen Worten die Konjunkturen, welche in der Mühlenindustrie eine sehr erhebliche Rolle spielen, sowohl beim Bezug von Getreide wie beim Export von Mehl nicht frei benutzen. Das war für die Mühlenindustrie außer⸗ ordentlich schwierig, weil unter Umständen wegen ungünstigen Auslands⸗ marktes oder wegen klimatischer Verhältnisse ein Mehlexport gar nicht oder nur mit Schaden ausführbar ist.

Diese Situation ist durch die Einführung der Einfuhrscheine ganz bedeutend erleichtert. Jetzt kann der Müller einführen, wann er will; er erhält Einfuhrscheine für seine Ausfuhr und kann daraufhin wieder Getreide zollfrei einführen, wann es ihm günstig scheint. Immerhin wird aber nicht zu verkennen sein, daß auch jetzt noch

die Lage unserer Mühlenindustrie eine keineswegs besonders günstige

ist, und dazu kommt eine Thatsache, die mir von Sachverständigen versichert wird, die aber weiter zu vertiefen ich bis heute leider nicht die Zeit gehabt habe: die Thatsache, daß man in Frankreich für die Exportindustrie von Weizenmehl darum handelt es sich ja dort nur —, nur ein Rendement von 50 % verlangt, während man bei uns bekanntlich behauptet, daß das Rendement von 75 % noch wesentlich zu gering sei und die Mühlen zu sehr begünstige. Würde diese Thatsache richtig sein, für die ich bis auf weiteres keine Gewähr übernehmen kann, so läge allerdings in dieser außerordent⸗ lichen Begünstigung der französischen Mühlen⸗Exportindustrie ein wesentlicher Vorrang vor der deutschen Exportindustrie, und das würde jedenfalls dahin führen, jede Frage, die mit der weiteren Belastung der Mehlindustrie zu⸗ ammenhängt, mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Meine Herren, die gemischten Privattransitlager können durch einen Beschluß es Bundesraths beseitigt werden. Die Mühlenkontingente ießen sich nur im Wege der Gesetzgebung beseitigen. Einen

Vorzug behalten auch jetzt noch unter allen Umständen die Mühlen⸗

konten gegenüber allen übrigen Mühlen, auch gegenüber den Mühlen, welche lediglich Export treiben auf Grund von Einfuhr⸗ scheinen. Wird Mehl und insbesondere gemengtes Mehl aus einer Kontenmühle ausgeführt, so wird das Zollkonto entsprechend dem Gemenge individuell entlastet, je nachdem das Gemenge aus Ge⸗ treide hergestellt ist, auf dem der Kampfzoll liegt, oder der autonome oder der Vertragszoll. Man kann diese Konzessionen machen, weil die Herstellung des Kontenmehls unter Steuerkontrole statt⸗ findet und man nach dem Zollkonto ganz genau berechnen kann, aus welchen Mischungen sich dieses Gemenge zusammensetzt. Führt da⸗ gegen der Export Mehl aus dem freien Verkehr aus, dann bekommt er, namentlich auch für gemengtes Mehl, wenn es überhaupt für ausfuhrfähig erklärt wird, stets nur den niedrigsten Zollsatz vergütet. Darin liegt allerdings jetzt noch ein nicht unwesentlicher Vorzug der Kontenmühlen gegenüber allen übrigen.

Ich möchte mir nun gestatten, auch über die Statistik, die wir über die Mühlenkonten aufgenommen haben, ein paar Zahlen Ihnen mitzutheilen. Wir hatten in Deutschland im Ganzen 1894/95 149 Kontenmühlen; in diese Kontenmühlen ist im genannten Jahre ein Bestand von 549 ¼ Millionen Kilogramm Getreide, Weizen und Roggen, eingebracht worden; von diesem Bestande sind 37,60 % aus⸗ geführt und 62,40 % in Form von Mehl in das Inland gebracht. Es zeigt sich auch hier die Erscheinung, daß die Konten⸗

„mühlen vielfach nur benutzt werden, um größeren Zollkredit

zu erlangen. Schon diese bisherige Statistik hat dem Herrn Reichs⸗ kanzler Veranlassung gegeben, sich an die verbündeten Regierungen mit dem Ersuchen zu wenden, diejenigen Kontenmühlen, welche keinen

Evxvport gehabt haben oder den Export so gering betreiben, daß sie

überwiegend nur nach dem Inland ihre Produkte ausführen, zu schließen. Es ist von 149 Kontenmühlen infolge dessen in der neuesten Zeit bereits 38 das Zollkonto entzogen.

Ich gestatte mir, mich zu resümieren. Es ist durch die Resolution

die Aufhebung oder die Beschränkung der Transitlager gewünscht und 1— d

ferner die Beschränkung des mit beiden Einrichtungen verbundenen Zoll⸗ kredits. Die Aufhebung einer Anzahl Transitlager wird in der nächsten Zeit von dem Herrn Reichskanzler beantragt werden, und wie ich hoffen darf, wird dieser Antrag die Genehmigung des Bundes⸗ raths auch finden. Es ist ferner bereits einer Anzahl Kontenmühlen das Zollkonto entzogen. Es ist durch neuere Regulative die Kredit⸗ frist für gemischte Transitlager um drei Monate und ebenso die Kredit⸗ frist für die Mühlenkonten um drei Monate verkürzt worden, und der Bundesrath hat den prinzipiellen Beschluß gefaßt, daß solche Transitlager und Kontenmühlen, die gemißbraucht werden, d. h. vorzugsweise nach dem Inland expor⸗ tieren, aufgehoben werden sollen. Ich glaube, das ist zunächst schon ein ganz erheblicher Erfolg, den Ihre Resolution ge⸗ habt hat. Ob man aber weiter gehen und namentlich so weit gehen wird, allgemein die gemischten Transitlager auf⸗ zuheben, weil sie angeblich nach Einführung der Ein⸗ fuhrscheine nicht mehr nothwendig sind, und ob man Ihnen ein Gesetz vorlegen wird, durch welches das Gesetz vom Jahre 1882, betreffend die Errichtung von Kontomühlen, beseitigt wird, kann ich heute noch nicht erklären; die verbündeten Regierungen setzen ihre Erwägungen fort, sie werden auf Grund der genauen Statistik über beide Arten von Lagern, die geführt wird, weitere Entschließungen fassen und nicht ermangeln, seiner Zeit über den Ausfall dieser Statistik Mittheilungen zu machen. Ich bitte zunächst, diese Erklärung voll Vertrauen entgegen⸗ zunehmen; sollten wir zu weiteren prinzipiellen Entschließungen kommen, dann werden wir uns aber für verpflichtet halten, bei der Wichtigkeit, die solche Maßregeln für den Getreidehandel sowohl der Ostseestädte, wie auch einiger Binnenorte, die fast den Charakter von Seehäfen tragen, haben müßten, ferner bei der Wichtigkeit, die solche Maßregeln für die Preisbildung in unserem gesammten Getreide⸗ handel haben können, mit berufenen Vertretern der Landwirthschaft sowohl, wie des Handels über etwaige gesetzliche oder administrative Aenderungen zuvor eingehend zu berathen. (Bravo!)

Auf den Antrag des Abg. Rickert wird die Besprechung der Interpellation beschlossen.

8 Rickert (fr. Vg.): Es wäre unrichtig, wenn mit einem rauhen Eingriff eine Institution G würde, die 1879 mit vollem Bedacht eingeführt worden ist. Fürst Bismarck ist mit schweren Be⸗ denken an die Einrichtung herangegangen; aber damals haben sich die Führer der Schutzzollbewegung überzeugt, daß diese Einrichtungen nothwendig sind auch im Interesse der Landwirthschaft. Wenn man den Gegensatz zwischen einer beschränkten Anzahl von Getreidehändlern und der Landwirthschaft immer betont, so sind diese „Redensarten bekannt. Solche Redensarten hat man auch Jahre lang gemacht über die Aufhebung des Identitätsnachweises, weil man nicht begriff, daß dieselbe im Interesse der Landwirthschaft lag. Solche Redens⸗ arten können Sie in Ihren Versammlungen vorbringen. Der Staatssekretair hat vollständig Recht, daß man die Sache noch nicht übersehen kann. Was will denn die Statistik von einem Jahre be⸗ sagen! Wenn in einem Jahre nichts exportiert ist, so kann der Export im anderen Jahre wieder stärker sein. Der Export schwankt je nach den Ernteergebnissen, und die Danziger Kaufleute hoffen, demnächst wieder mehr polnischen Weizen zu bekommen; die in Danzig erfolgende Mischung hat den Landwirthen die höheren Preise der letzten Feit ebracht. Der Finanz⸗Minister Miquel hat am 9. März 1894 eben⸗ als erklärt, daß die gemischten Transitläger auch im Interesse der andwirthschaft zweckmäßig sind. Wenn die Vertreter der ver⸗ bündeten Regierungen bei den Herren (rechts) das volle Vertrauen nicht mehr genießen, so finde ich das begreiflich, weil der Land⸗ wirthschafts⸗Minister seine persönliche Meinung hat laut werden lassen, ohne daß er das Placet der Regierung dazu hatte. Er hat zweimal von der Beseitigung der Transitläger gesprochen; der Herr Staatssekretär hat ihn heute desavouiert. Der Staatssekretär aber sollte dahin wirken, daß eine derartige Inkongruenz zwischen den preußischen Ministern nicht vorkommt. Daß man die Transitläger arnicht gebraucht, kann nur einer behaupten, der die thatsächlichen Porgange nicht kennt. Wenn ein Getreidehändler 200 Waggons Getreide bekommt, so muß er 70000 Zoll zahlen. Wenn der Zoll baar bezahlt werden muß, dann wird das Getreidegeschäft sich in den Händen der reichen Leute konzentrieren zum Schaden der Landwirth⸗ schaft. Das wollen wir aber nicht. Die Einfuhrscheine bekommen die Leute auch nicht sicher. Einer Ladung Gerste waren 10 % Sommerweizen beigemischt, bei der Einfuhr wurde sie als Weizen mit 35 verzollt. Bei der Ausfuhr aber wurde sie als Gerste betrachtet und der Zollschein nur auf 20 ausgestellt. Also mit den Zollscheinen können sich die Kaufleute nicht behelfen. Ein Mann, der nicht bloß Getreidehändler, sondern auch Landwirth ist, schreibt mir, daß die Transitläger der Land⸗ wirthschaft nicht schaden; sie können die Preise nicht drücken, denn abgesehen von der hohen Kaution für die Gewährung eines solchen Lagers sind die Unkosten auch sehr hoch; sie dienen der Land⸗ wirthschaft infolge der F Verwunderung erregt es im Lande, daß nicht bloß der Bund der Landwirthe, sondern auch die National⸗ liberalen mit solchen Anträgen kommen. Was denkt Herr Paasche sich von seinem Antrag? Soll für Getreide der Zollkredit überhaupt beseitigt werden? Soll für Getreide eine Ausnahme gemacht werden? Der Importeur soll, wenn er das Getreide nicht gleich wieder zum Export anmeldet, den Fen baar bezahlen? Dann haben die Transitläger überhaupt keinen Zweck mehr, dann sind sie abzuschaffen. Wir sollten doch nicht sortsesce die einzelnen Erwerbszweige beun⸗ ruhigen. Das ist das große Verdienst des Grafen Caprivi, daß er roßen Erwerbszweigen durch die Handelsverträge Sicherheit geboten hat gegen allerlei Experimente. Sie (zu den Nationalliberalen) wollen diese Sicherheit beseitigen. Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Abg. Dr. Paasche (nl.): Es ist mir gar nicht eingefallen, Be⸗ unruhigung in die Bevölkerung zu bringen. Ich habe meinen Antrag sachlich aufgefaßt und bitte, mir nicht falsche Motive unterzulegen. Ich habe die Tendenz des Antrags Kanitz anerkannt, wenn ich ihn auch nicht gebilligt habe. Wir müssen, da die Handelsverträge eine Aenderung des Zolls oder ähnliche Maßregeln nicht zulassen, dafür sorger⸗ daß das ausländische Getreide nicht privilegiert wird vor dem inländischen. Das war die Absicht der Interpellanten, und wenn man dabei die Interessen der Landwirthschaft in den Vorder⸗ grund stellt, so ist das ganz berechtigt, ebenso wie Herr Rickert ja auch nur an den Export der Seestädte zu denken scheint. Die Argu⸗ mente des Herrn Rickert kennen wir ja seit Wochen schon aus dem Bericht der Danziger Handelskammer. Die Wichtigkeit der Mischung des ausländischen und inländischen Getreides verkennen auch wir nicht, aber wir wollen nicht, daß in den gemischen v-aes das aus⸗ ländische Getreide Monate, ja Jahre lang zollfrei gelagert werden kann. Wir wollen nicht die Ir btes privilegieren; das Fehin. theil ist der Fall, denn das heutige System schädigt die kleinen Händler und Müller. Soll ich Ihnen das erst noch näher aus. einandersetzen? Der kleine Müller kauft im Inlande verzolltes Getreide, der Großhändler und Großmüller kauft ausländisches Getreide und läßt sich den Zoll stunden. Die Frssrenshr nehmen dem kleinen Mann seine paar Wispel Getreide nicht ab. Wird der Zoll⸗ kredit beseitigt, dann kommen die lokalen Besitzverhältnisse wieder zur Geltung. Natürlich wird dazu noch weiter eine Reform des Getreideterminhandels nothwendig sein; dann machen wir uns vom spekulativen Weltmarkt wieder frei. Es giebt verschiedene Sorten, aber gehandelt wird nach Berliner Notiz dieser Mischmasch, diese Schundwaare, welche den Preis bestimmt für alle Sorten. Wenn dieser börsenmäßige Terminhandel wieder angeknüpft wird an die wahre asffee an das wahre Angebot, wenn die Privatlage ing s ausländischen Getreides aufhört, dann wird man mecklenburgis

und pommersche Weizen und Roggen wieder richtig bezahlen und mien sich nicht nach dem Weltmarktspreis richten. Die Antwort 8 4 Staatssekretärs ist erfreulich, weil sie bei gesunder Prüfung berm führen wird, daß wir noch weiter die Transitlager aufheben, Ein theilweise Aufhebung derselben ist gefährlich, dadurch werden einzelne Landestheile geschädigt. Entweder alle aufheben oder alle lassen! Diesen Punkt möchte ich der Regierung zur Erwägung anheimgeben Unter voller Wahrung der reinen Transitlager soll man dafür sorgen, baß 8 1““ Getreide nicht durch Zollbegünstigungen pravs⸗ egiert wird. Preußischer Geheimer Regierungs⸗Rath Conrad spricht das Be, dauern des Landwirthschafts⸗Ministers aus, daß er wegen der Berathung seines Etats im Abgeordnetenhause nicht erscheinen könne; er sei aber er⸗ mächtigt, einige Worte in seinem Namen zu sagen. Die Bedeutun der gemischten Transitlager halte er für nicht mehr so groß sen Aufhebung des Identitätsnachweises. Es müsse ein Unterschied Fnsc werden zwischen den Transitlagern, welche gar nichts ine usland abgeben und den anderen. Er halte es für angebracht, daß noch weitere L,röe. angestellt werden. Ein Widerspruch zwischen dem Landwirthschafts⸗Minister und der Reichsregierung bestehe nicht er sei bei der Aufhebung gewisser Transitlager betheiligt gewesen. Von Standpunkt der landwirthschaftlichen Verwaltung sei dagegen Wertz zu legen auf das Fortbestehen der Lager, welche lediglich dem Export dienten, also den großen Lagern in Danzig, Königsberg, Memel a⸗ Hierin befinde sich der Minister in Uebereinstimmung mit den Ver⸗ tretern der Landwirthschaft des Ostens. Abg. von Ploetz (d.⸗kons.): Wir sind dem Grafen Posadoweky dankbar für seine Mittheilungen, die bisher noch wenig bekannt waren; wir sind dankbar dafür, daß ein Theil der Transitlager bereits auf⸗ ehoben ist. Wir hoffen, daß die verbündeten Regierungen auf diesem ege weiter gehen. Die gemischten Transitlager und die Mühlen⸗ konten sind schädlich für die Landwirthschaft, für die kleinen Mühlen und für den kleinen Handel. Die 202 Transitlager führen nur 20 % in das Ausland aus. Wenn wir genauere Zahlen bekommen könnten, s würde sich zeigen, daß die im Herzen Deutschlands liegenden Lager ast gar nichts nach dem Auslande abgeben. Wir wollen die Erwägung anstellen, ob es für die Seehandelsstädte nützlich ist, die Transtt⸗ lager aufrecht zu erhalten. Nicht ganz einverstanden bin ich mit der Ausführung des Grafen Posadowsky, daß der größte Umsatz den höchsten Preis mit sich bringt. Der große Umsatz in Berlin hat die Preise gedrückt und nach den Berliner Schundpreisen, die dadurch gedrückt werden, daß Cohn und Rosenberg mit Zolkredit fixen, richtet sich der ganze Handel. Auch die Mühlen führen nur 37 % der Waare aus; durch die Zollkredite für die großen Mühlm werden die kleinen und mittleren Mühlen schwer geschädigt. Die großen Mühlen vermahlen russische Kleie, die sie zollfrei beziehen und bei der Ausfuhr des Mehls erhalten sie den Zollschei Redner erklärt sich für den Antrag Paasche und hofft auf ein Aenderung des Börsengesetzes in seinem Sinne und fährt dann fort. Die Erklärung über die Währungsfrage, die im Abgeordnetenhause abgegeben war, haben wir gehört; wir wissen aber nicht, wie wir daran sind mit dieser Sache. Es kann sich inzwischen noch manches ereignen, denn das Rad der Zeit läuft schnell, die Er⸗ klärung kann auch noch hinfällig werden. Die Aufhebung des Iden⸗ titätsnachweises ist nicht der Landwirthschaft zu Gefallen gekommen, sondern als Handelsgeschäft im Interesse der Handelsverträge. Der Osten wurde geschädigt durch die Aufhebung der Staffeltarife. Die Zentral⸗Genossenschaftskasse haben wir dankbar acceptirt, aber dem kleinen Landwirth, dem Bauer kann sie nicht helfen. Ein Einzelner und eine Genossenschaft können kein Geld bekommen, sondern nur Genossenschaftsverbände. Dadurch kann der Nothstand nicht beseitigt werden, dadurch können diejenigen, welche am Abgrunde stehen, nicht gerettet werden. Das Zucker⸗ esetz hilft vielleicht der Zuckerindustrie, aber es giebt bedeutende Kreffe der Landwirthschaft, welche mit Angst einem solchen Gesen entgegensehen, denn diejenigen, welche auf den Getreidebau angewieser sind, haben davon keinen Vortheil. Die kleinen Mittel, z. B. die 8u der Zahlung der Grundsteuer, die von liberaler Seite be⸗ antragt ist, haben wir nicht erhalten; auch die Beschlüsse des Staats⸗ raths sind noch nicht alle ausgeführt worden, trotzdem sich die Regierung auf den Staatsrath beruft. Unter den Börsenpreisen Berlins leidet das ganze Land von Nord bis Süd und von Ost bis West. Es is dankbar anzuerkennen, daß der Staatssekretär sehr ruhig und sachlich zu uns gesprochen hat, daß er nicht von illoyalem Auftreten ge⸗ sprochen 1er daß solche Vorwürfe nicht gefallen sind wie am 17. Ja⸗ nuar. Sie werden anerkennen, daß ich auf die Vorwürfe nicht ge⸗ antwortet habe. Ich wollte jede Schärfe vermeiden und ich wollte erwähnen, daß damals in der Debatte mit der größten Ruhe go⸗ sprochen worden ist. Die Schärfe wurde von Herrn Rickert an 16. Januar in die Debatte geworfen, und am 17. kam die Schärf vom Bundesrathstisch. Wenn auch nachher die Schärfe etval zurückgenommen ist, so fielen die Vorwürfe um so schärfe auf einzelne Personen. Hundert Versammlungen können itt so aufregen wie diese eine Rede. Da zu beruhigen, wird scr schwer sein, denn sie war eine direkte Beleidigung. Redner gebtaf die Rede des Ministers von Hammerstein ein und weist darauf it daß in Gegenwart desselben der Deutsche Landwirthschaftsrath sichtr einen Antrag wie den des Grafen Kanitz erklärt habe, trotzdem der 18 nister behauptete, er sei dagegen gewesen. Das sei dem Minitn wohl entfallen. (Vize⸗Präsident Schmidt: Ich vermisse den Z⸗ sammenhang mit den Transitlagern; Sie können doch auch heute nicht auf eine Rede antworten, die, soviel ich verstehe, hier nicht gehalten ist.) Ich werde mich fügen. Wir wollen der Re⸗ ierung nicht grundsätzlich opponieren; das überlassen wir Ihnen (nach linkt deutend). Wenn wir eine wirklich nationale Wirthschaftspolitik haben, folgen wir der Regierung mit fliegenden Fahnen. Solange dies nicht der Fall ist, werden wir opponieren und die Mängel der Geset⸗ gebung klarlegen und die Bauern aufklären. Wenn die Bauern nichtz von der Währungsfrage verstehen, dann müssen wir sie eben in den Versammlungen aufklären. Mit den kleinen Mitteln, auch mit den Transitlagern, werden wir etwas weiter kommen, aber wir haben den Wunsch, daß die verbündeten Regierungen die Konsequen ziehen und alle Transitlager aufheben, soweit sie nicht wirthschaftlich nothwendig sind. Dann werden wir noch einige Zeit auf die großen Mittel warten.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:

Meine Herren! Es ist heute wieder viel von der Firma Cohn und Rosenberg geredet worden, und da halte ich mich für verpflichtet, die Behauptung, daß dieser Firma ein außerordentlich hoher Zol⸗ kredit bewilligt worden sei, der geeignet gewesen, die Getreide⸗ spekulationen dieser Firma zu unterstützen, hier zu widerlegen. Die Firma Cohn und Rosenberg hat im abgelaufenen Jahre allerdingt erhebliche Getreidemengen aus dem Ausland eingeführt, hat aber hierfür keinen Zollkredit erhalten, sondern den Zoll sogleich baar be⸗ zahlt. (Hört, hört! rechts.) Ferner, meine Herren, ist diese Firm zwar bei der Humboldtmühle betheiligt und hat selbstverständlich für das Getreide, welches sie auf Muhlenkonto angeschrieben hat, einen Kredit eingeräumt erhalten, wie die andern Mühlenkonten ihn auch haben; aber, um Getreide von einem Mühlenkonto in den Inlands⸗ verkehr überzuführen, ist eine ausdrückliche Genehmigung der Zol⸗ behörde nothwendig; diese Genehmigung zur Einfuhr von Getreide von dem Mühlenlager ist aber weder nachgesucht, noch ertheilt worden⸗ Also auch auf diesem Umwege hat eine außergewöhnliche Unter⸗ stützung jener Firma durch Zollerleichterungen nicht stattgefunden. Uebrigens bemerke ich, meine Herren, daß die Ertheilung von Zo krediten Sache der Einzelstaaten ist; da aber diese Frage hier einm berührt worden ist, hielt ich mich für verpflichtet, diese Angelegenhett

ische! auch hier im Reichstag einmal klarzustellen.

Der Herr Abg. von Ploetz hat ferner, wenn ich ihn richtig ver

uden habe, angedeutet, daß es möglich wäre, daß Mehl, welches im Inlande aus ausländischem Getreide hergestellt ist, demnächst wieder in das Ausland gehen und dafür einen Einfuhrschein erhalten könnte. Auch diese Voraussetzung kann ich event. als zutreffend nicht anerkennen. Wenn Mehl, welches aus ausländischem Getreide in einer Konten⸗ mühle hergestellt ist, wieder in das Ausland geht, hat es noch keinen Zoll bezahlt, und kann deshalb auch keinen Einfuhrschein erhalten; denn nur solches Mehl kann einen Einfuhrschein erhalten, welches von inländischem Getreide oder von ausländischem bereits verzolltem Getreide herrührt. Wenn ich also die Aus⸗ führungen des Herrn von Ploetz richtig aufgefaßt habe, so muß ich ein⸗ wenden, daß eine derartige Unterstützung der Spekulation, daß Einfuhr⸗ scheine für Getreide gewährt würden, welches keinen Zoll getragen hat, nach den zolltechnischen Bestimmungen und den zolltechnischen Kon⸗ trolen vollkommen ausgeschlossen ist. Es war allerdings bei Be⸗ rathung des Gesetzes über die Aufhebung des Identitätsnachweises eine Bestimmung eingeschoben, die unter Umständen eine ähnliche Um⸗ gehung, eine Bereicherung auf Kosten des Reichsfiskus hätte zulassen können; das Identitätsgesetz und auch die Ausführungsverordnung dazu ist aber schließlich so gefaßt, daß eine solche Umgehung des Zolls nicht stattfinden kann.

Abg. Dr. Meyer⸗Halle (fr. Vg.): Wir hätten eigentlich auf die

Tagesordnung des heutigen Tages die kleinen Mittel setzen müssen, dann hätten wir Alles hübsch besprechen können. Den angegriffenen Minister von Hammerstein zu e fühle ich mich nicht be⸗ rufen; ich nehme an, daß derselbe selbst antworten wird, und das wird dann besser werden, als wenn ich es thue. Wenn für die Aufhebung der Transitlager die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin angeführt werden, so würde ich mich sehr freuen, wenn alle wirthschaftlichen Fragen dem Urtheil dieser Körperschaft unterbreitet würden. Cohn und Rosenberg müssen immer stolzer werden, denn noch niemals ist eine Firma so eingehend einer Erörterung im Reichstag unterzogen worden. Die Herren müssen schließlich glauben, daß sie den ganzen Getreidehandel leiten, und das glaubt man nicht. Herr von Ploetz behauptet mit dem ihm eigenen Feuer, daß der Zoll⸗ kredit die Herren Cohn und Rosenberg zu ihren Operationen gestärkt hätte. Mir liegt ein Schreiben der Firma vor (Aha! rechts)z; es ist nicht an mich gerichtet, ich stehe mit ihnen auch nicht in Verbindung und hoffe auch kein Schreiben von ihnen zu erhalten. Es ist an einen Abgeordneten einer anderen Partei gerichtet, die von der meinigen sehr weit verschieden ist. Ich muß Sie un bitten, den Ruf „Aha!“ zu wiederholen, damit er an die richtige Adresse kommt. In dem Schreiben heißt es, daß der Zoll baar bezahlt ist. (Zuruf: Da haben sie noch mehr Geld in die Schwänze gesteckt!) Das ist Sache der Herren; ich kenne die Sache jedenfalls sebr viel weniger als der Herr, der mir eben zugerufen hat. Ein sehr wesentlicher Erfolg der heutigen Debatte ist der: zwischen den gemischten Transitlagern und den Operationen der Firma Cohn und Rosenberg besteht kein Zu egmenkas⸗ und wenn Sie diese Transitlager todt schlagen, leben Cohn und Rosenberg weiter. Wer siegen wird, weiß ich nicht. Die Mühlenkonten haben weiter keinen Zweck, als daß die Müller nicht einen Zoll auslegen, zu dessen Entrichtung sie gar nicht verpflichtet sind. Wenn Shsr Roggen zu Mehl verarbeitet wird, und nach Norwegen aus⸗ geführt wird, so verliert und gewinnt die Landwirthschaft nichts dabei, die Mühle hat aber Beschäftigung, die sie sich nicht entgehen lassen will. Daß einzelne Mühlen ihr Konto mißbraucht haben, war mir unbekannt, die Fefteun kann diesem Mißbrauch entgegentreten. Daß die kleinen Muͤhlen im Rückgang begriffen sind, wird niemand bestreiten; die großen leisten besseres als die kleinen, denn nur die großen können das Getreide vollständig reinigen. Welcher Nutzen würde daraus für die Landwirthschaft entstehen, wenn die Transitlager aufgehoben würden? Dann bleiben die Freihäfen der Nordsee übrig, wo alles Das Fschehe kann, was jetzt in Danzig und Memel geschieht. Die ünstlichen Eingriffe in die Preisbildung wirken schlecht. Das wird sich auch bei der Börsengesetzgebung zeigen. Mir wäre es auch recht, wenn der Händler im Lande umherzieht und das Getreide aufkauft. Aber das Börsengesetz wird die Thätigkeit des Provinzialgeschäftes, denn der Getreidehändler und der Banquier sind in kleineren Städten eine Person, lahm legen. Es wird nicht mit Papierweizen in Berlin gehandelt, sondern die Lieferscheine gehen von Hand zu Hand. Es werden manche Posten als Uieserunge umnfahig erklärt, aber das kommt überall vor. Die argentinischen Weizenproben, die Herr Gamp neu⸗ lich hier vorgeführt hat, habe ich prüfen lassen. ie wurden als sehr schlechter Weizen erklärt, der aber noch brauchbares Mehl liefen könnte. Man sollte nicht Institute beseitigen, die der Land⸗ wirthschaft, wenn auch nicht direkten Nutzen, so doch jedenfalls keinen Schaden bringen können.

Abg. Graf von Kanitz (dkons.): Das Interessanteste an der heutigen Debatte war die Mittheilung des Herrn Staatssekretärs, daß der Getreidezoll jetzt voll zum Ausdruck komme. Staatssekretär von Marschall hat das bestritten; er meinte, dabei kämen die Ernte⸗ verhältnisse in Betracht. Der höhere Zoll, wenn er noch bestände, würde also jetzt auch zum Ausdruck kommen. Herr von Marschall meinte auch, den Franzosen hätte der höhere Zoll nichts genützt. Aber 1895 im Dezember sind die Weizenpreise bei uns 142,46 gewesen, in Frankreich dagegen 155 Die französischen Mühlen verarbeiten das Getreide, welches die höchste Mehlausbeute giebt, zu Mehl und führen es aus gegen Rückvergütung des Zolls; das schlechtere Mehl bleibt im Lande. Die französischen Mühlen haben im Jahre 1895 für 178 Millionen Mark Mehl mehr exportiert als 1894. Die Beseitigung der gemischten Transitlager wird der west⸗ lichen Landwirthschaft noch mehr zu gute kommen als dem Osten; denn die Wasserstraße des Rheins ist die gefährlichste Einbruchsstelle für das ausländische Getreide. Die Transit⸗ lager am Rhein sind viel schädlicher als die Staffeltarife. Bei der Anlegung dieser Transitlager sind die bestehenden gesetzlichen Vorschriften nicht immer beobachtet worden; denn sie sollen nur nach Bedürfniß bewilligt werden. Es giebt am Rhein eine große Anzahl Transitlager, aber von diesen geht nicht ein Korn ins Aus⸗ land. Von den gesammten Transitlagern sind in den letzten Jahren nur 17 20 % ins Ausland gegangen. Ich bin in Uebereinstimmun mit dem Grafen Posadowsky der Meinung, daß von Fall zu Fa untersucht werden muß, ob ein genügender Handelsverkehr statt⸗

-n Es würde aber wohl ausreichen, wenn wir in Königs⸗

rg, Memel und Danzig und allenfalls in Ludwigshafen ein Transit⸗ lager haben. Wir würden dem einheimischen Handel schaden zu Gunsten des russischen, wenn wir die Transitlager mit einem beseitigen wollten. Die Berliner Kaufmannschaft hat anerkannt, da nach Aufhebung des Identitätsnachweises ein großer Werth auf die Mühlenkonten nicht mehr gelegt wird. Ich möchte also bitten, daß

nur solche Transitlager aufrecht erhalten werden, welche unbedingt

nothwendig sind. Bei der Aufhebung der anderen sollte sich der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts zu dieser Operation keine Glacéhandschuhe anziehen.

Abg. Szmula (Zentr.): Wir wollen den großen Mühlen nicht

m allen Vortheilen des Großbetriebs auch noch die Folbegünstiaung a

gewähren. Ich bestreite, daß die kleinen Mühlen das Getreide nicht

ebenso reinigen wie die großen; sonst würde ja niemand von ihnen

Mehl kaufen. Die Stettiner Kaufmannschaft hat auch erklärt, daß

1 fach Aufhebung des Identitätsnachweises die Transitlager überflüssig

Die große Zahl der überflüssigen Lager sollte direkt aufgehoben

werden. 8 Abg. Graf von Arnim (Rp.): Ich möchte Herrn Meyer meine freude darüber aussprechen, daß ich im wesentlichen mit ihm überein⸗

mme. Die Herren Cohn und Rosenberg können allerdings stolz

1 varauf sem, daß sie mittels, des, Termingeschästs die Getreize⸗

se um 20 vermindern konnten, trotzdem damals eine gewisse

Fruss auf dem Weltmarkt in Aussicht stand. Der Herr Staats⸗ e

kretär hat erklärt, daß der Firma außerordentliche Zoll⸗ ermäßigungen nicht gewährt worden sind. Von der außer⸗ ordentlichen Begünstigung, daß Getreide in unverarbeitetem ustande von der ühle wieder verkauft werden kann, ist allerdings keine Rede gewesen; aber ein Mühlen⸗ konto ist ihr gewährt worden. Daß die großen Mühlen nur vSs Getreide verarbeiten, ist durchaus nicht sicher. Daß aus⸗ ändisches Getreide mit Bakterien behaftet ist, ist festgestellt, und es ist auch erst noch zu untersuchen, ob nicht Getreide, welches Monate lang gelagert hat, gesundheitsschädlich ist. Von den unterwerthigen Sorten kommt sehr wenig zum Export, es bleibt in Deutschland. Daß die kleinen Müller das Getreide nicht so gut reinigen können wie die großen, ist nicht richtig. Aber die kleinen Müller können mit den Mühlen nicht konkurrieren, welche Zoll⸗ begünstigungen genießen und Schiffsladungen verarbeiten können. Ich bin selbst Müller gewesen, meine Mühle war mit den besten Instrumenten ausgerüstet, aber sie konnte nicht konkurrieren. Durch die Börsenreform wollen wir das Verkehrsleben nicht lähmen. Der bei der letzten Protestversammlung gemachte Versuch, die ganze Kauf⸗ mannnschaft mit den Elementen, die wir treffen wollen, zu identifizieren, ist unberechtigt. Wir haben niemals etwas Verletzendes gegen die Börse gesagt. Wenn etwas Verletzendes gesagt worden ist, so war es die Aeußerung des Herrn Meyer, daß für die Börse ein Ehrengericht nicht am Platze sei, daß es da einfachtgheißen, müsse: Hinaus mit dem Kerl!

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Ich will die Debatte nicht weiter verlängern, sondern nur auf eine Anregung eingehen, welche Herr Graf von Kanitz an mein Ressort in Bezug auf die Gestaltung der Statistik gerichtet hat, und mich darauf beschränken, in dieser Beziehung eine Erklärung zu geben.

Es ist richtig, daß unsere neuere Statistik im Gegensatz zu dem früheren Gebrauch nicht mehr die Einfuhr nach den verschiedenen Grenzstrecken angiebt. Es ist dies veränderte Verfahren eingetreten, nachdem die Hansastädte in das Zollgebiet eingeschlossen sind, wodurch die Statistik sich erheblich erweitert, und man geglaubt hat, daß man zur Vereinfachung die Fortlassung der Angabe der Einfuhr nach den Grenzstrecken und Eingangsstellen wohl verantworten könne.

Inzwischen habe ich mit Rücksicht auf die vielfachen Wünsche, die namentlich auch aus landwirthschaftlichen Kreisen auf Verbesserung unserer Statistik über den Verkehr in Produkten, an denen die Land⸗ wirthschaft ein Interesse hat, laut geworden sind, Veranlassung ge⸗ nommen, kommissarische Verhandlungen einzuleiten, in denen die Ver⸗ besserung der Ein⸗ und Ausfuhrstatistik mit Rücksicht auf die Interessen der Landwirthschaft einer Prüfung unterzogen werden soll. Diese Verhandlungen werden in den nächsten Wochen gepflogen werden, es werden dazu auch Sachverständige aus den Interessenkreisen, namentlich Landwirthe, zugezogen werden, und ich werde gern Ver⸗ anlassung nehmen, auch die Frage der Wiederherstellung der früheren Methode in Bezug auf das Anschreiben der Ein⸗ und Ausfuhr in diesen Verhandlungen erörtern zu lassen.

Abg. Graf von Schwerin⸗Löwitz bemerkt gegen den Abg. Rickert, daß er schon vor zehn Jahren in landwirthschaftlichen Versamm⸗ lungen für die Aufhebung des Identitätsnachweises öffentlich eingetreten sei; er könne also dem Abg. Rickert eine G des Verständnisses für diese Sache nicht zubilligen. Im Gegensatz zum Grafen Kanitz erklärt sich Redner für die Aufhebung aller Transitlager. Er fürchte nicht, daß dann die Freihäfen an ihre Stelle treten würden; denn was in diesen geschehen könne, könne auch in den einfachen Transitlagern

emacht werden. Für die erhaltenen Aufschlüsse sei er im höchsten rade dankbar und möchte nur die Bitte aussprechen, daß ihm vor⸗ läufig eine Statistik über die Transitlager gegeben würde. „Das Schwergewicht liege bei den Mühlenkonten; denn wenn die Mühlen vollgepfropft seien, dann stocke eben der Absatz des Getreides.

Damit schließt die Debatte, die Interpellation ist erledigt.

Schluß 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 1 Uhr. (Dritte Lesung des Antrags Barth wegen Aenderung des Wahlgesetzes; Antrag wegen des Vereinsrechts und Antrag wegen Aufhebung des Impfzwangs.) 8 3

Preußzischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

14. Sitzung vom 7. Februar 1896.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite des Staats⸗ haushalts⸗Etats für 1896/97 bei dem Extraordinarium des Etats der landwirthschaftlichen Verwaltung fort.

Auf die Anfrage des Abg. von Detten (Zentr.), ob die Regierung ähnliche Fonds, wie sie zur Förderung der Land⸗ und Forstwirthschaft im Eifelgebiete und in den östlichen Pro⸗ vinzen seit einer Reihe von Jahren verwendet worden seien, nicht auch für die Landwirthschaft im Hunsrück, Ee Westerwald, bergischen Land und Sauerland einstellen wolle, erwiderte der

Minister für Landwirthschaft ꝛec. Freiherr von Hammer⸗ stein:

Meine Herren! Ich ergreife hauptsächlich das Wort, um der Annahme zu widersprechen, daß, weil nur für die Eifel ein außer⸗ ordentlicher Fonds in dem Etat sich befindet, die Gegenden des Westens, welche von dem Herrn Vorredner erwähnt sind, rücksichtlich ihrer landwirthschaftlichen Entwickelung weniger günstig behandelt werden. Ich werde das zu widerlegen versuchen.

Vorab will ich mittheilen, daß der Herr Vorredner den im vorigen Jahre vom hohen Hause gefaßten Antrag zutreffend mit⸗ getheilt hat. Infolge dieses Beschlusses hat die landwirthschaftliche Verwaltung von den Ober⸗Präsidenten der Provinzen Hannover, Westfalen, Sachsen, Rheinland und Hessen⸗Nassau Berichte über die agraren Verhältnisse der weniger glücklich situierten Landestheile ihrer Bezirke eingefordert, zugleich auch Ermittelungen darüber an⸗ geordnet, in welchem Umfange die Provinzialverwaltungen sich an der Melioration dieser Gebiete nach den verschiedensten Richtungen hin be⸗ theiligt haben. Es liegen Berichte vor für Hannover, Westfalen und Sachsen; aus Rheinland und Hessen⸗Nassau stehen die Berichte noch aus. Die landwirthschaftliche Verwaltung hat trotzdem mit dem Herrn Finanz⸗Minister darüber verhandelt, ob es nicht möglich sei, schon mit Rücksicht auf die allgemeine landwirthschaftliche Krisis, für die erwähnten, von der Natur weniger begünstigten Landestheile eine außer⸗ ordentliche Beihilfe in den Etat einzustellen, die dann ähnlich be⸗ handelt werden sollte, wie der Eifelfonds. Der Herr Finanz⸗Minister hat das mit Rücksicht auf die Finanzlage abgelehnt. Ja, meine Herren, es kam sogar in Frage, ob nicht auch der Eifelfonds aus⸗

fallen könne und statt dessen also sta ntlicher Fonds,

eingestellt sind die allgemeinen Mittel für landwirthschaftliche Forderungen zu verwenden und soweit nöthig zu erhöhen seien. Es wäre das vielleicht zweckmäßig gewesen, es würde dann der landwirthschaftlichen Verwaltung, wie sie das bisher immer schon gethan hat, die Machtvollkommenheit gegeben worden sein, die für bestimmte Zwecke in den Etat eingestellten Mittel hauptsächlich da zu verwenden, wo das größte Bedürfniß vor⸗ liegt. Der Herr Finanz⸗Minister hat den Eifelfonds noch für ein paar Jahre bewilligt mit Rücksicht darauf, daß in diesem Sommer durch eingehende und sorgfältige Prüfung festgestellt wurde an dieser Prüfung hat sich der Finanz⸗Minister betheiligt —, daß aller⸗ dings die Verwendung des Eifelfonds in diesem von der Natur stief⸗ mütterlich behandelten Gebiet außerordentlich genützt hat, und daß es nothwendig, auch ferner auf dem betretenen Wege fortzuschreiten, und daß die vielfach aufgestellte Behauptung, die Mittel würden nicht zweckentsprechend verwendet, als irrig sich erwiesen hat.

Nun hat die landwirthschaftliche Verwaltung bei dem Herrn Finanz⸗Minister beantragt: entweder eine Summe von 50 000 zur Förderung der Landwirthschaft in den Gebirgsgegenden des Westens mit vorwiegend kleinbäuerlichem Besitz unter Ausschluß des Eifel⸗ gebiets in das Extraordinarium in den Etat einzustellen, oder eine Summe von 50 000 zur Förderung der Wiesen⸗ und Weidekultur und der Drainage ohne jede örtliche Begrenzung zu bewilligen.

Auch diesen Wunsch der landwirthschaftlichen Verwaltung hat der Herr Finanz⸗Minister wegen der allgemeinen Finanzlage zur Zeit abgelehnt, aber in Aussicht gestellt, daß im nächsten Jahre den Wünschen der landwirthschaftlichen Verwaltung Rechnung getragen werden solle. So, meine Herren, ist die allgemeine Lage bezüglich des vom hohen Hause gefaßten Beschlusses.

Nun werde ich bezüglich des Westerwalds, des Hunsrücks und des Hochwalds Ihnen einige Zahlen mittheilen, aus denen zu entnehmen ist, daß die Landwirthschaft dieser Gebiete schon bisher sehr erheblich unterstützt ist, ja theils in demselben Umfang wie das Eifelgebiet.

Meine Herren, aus den ordinären Staatsfonds Waldkultur⸗ fonds, Flußregulierungsfonds, Folgeeinrichtungsfonds sind seit dem Jahre 1884/85 (der erstmaligen Bewilligung des Eifelfonds) dem Westerwald gegeben 418 172 ℳ, aus Provinzialfonds 284 784 ℳ, zusammen 702 956 Der Westerwald umfaßt ein Flächengebiet von rund 71 000 ha, mithin entfallen auf den Hektar an gewährten Zu⸗ schüssen 9,88 An wirthschaftlichen Zusammenlegungen der Grundstücke sind ausgeführt 72 Sachen mit 11 647 ha im Eigenthum von 13 082 Grund⸗ besitzern; dabei sind rund 158 000 Parzellen in 36 000 neue Pläne zusammengelegt worden. In der Ausführung oder in der Vorbereitung sind noch begriffen 70 Zusammenlegungssachen mit 9255 ha im Eigen⸗ thum von 11 801 Grundbesitzern. Im Ganzen sind das 142 Sachen mit 20 902 ha Fläche. Zu den Kosten der Ausführung dieser Zu⸗ sammenlegungen hat der Staat 322 000 ℳ, die Provinz 90 000 beigetragen, das sind zusammen 412 000 Dagegen sind in dem⸗ selben Zeitraum für Zusammenlegungen auf der Eifel nur 401 000 ich nenne runde Zahlen gewährt. Da der Westerwald 71 133 ha, das Eifel⸗Nothstandsgebiet aber 441 443 ha umfaßt, sehen Sie, daß das viel kleinere Gebiet des Westerwalds verhältniß⸗ mäßig höher berücksichtigt ist als das größere Eifelgebiet.

Von den Grundbesitzern in den obengenannten Westerwaldgebieten sind im Wege der amortisierbaren Anleihe rund 855 000 für diesen Zweck aufgenommen. Die Leistungsfähigkeit der Eifelbewohner war, wie Sie ja aus den Verhandlungen über den Eifelfonds wissen, an⸗ fänglich nur eine geringe, jetzt hat sie sich infolge der ausgeführten Meliorationen gesteigert.

Meine Herren, dem Hunsrück sind in demselben Zeitraum aus den ordinären Staatsfonds an Beihilfen 87 000 und aus Pro⸗ vinzialfonds 68 000 ℳ, zusammen 155 000 gewährt. Das beträgt allerdings für den Hektar nicht, wie beim Westerwald 9,88 ℳ, sondern nur 1,57

Für den Hochwald sind aus Staatsfonds rund 66 000 ℳ, aus Provinzialfonds 172 000 gewährt, auf den Hektar berechnet 2,17 Für Zusammenlegungen im Hochwald und Hunsrück haben der Staat 40 000 ℳ, die Provinz 16 000 ℳ, zusammen rund 56 000 an Beihilfe gewährt: eine Beihilfe, die nur deshalb nicht größer ist, weil zufolge der Zurückhaltung des Grundbesitzes im Hochwald und Hunsrück nur 8 Zusammenlegungssachen anhängig waren, gegen 142 Sachen auf dem Westerwald.

Meine Herren, wenn wir diese Thatsachen und diese Verhält⸗ nisse gegenüberstellen, so glaube ich mit Fug und Recht sagen zu können, daß die landwirthschaftliche Verwaltung bemüht ge⸗ wesen ist, für die eben genannten Gebietstheile im wesentlichen dasselbe zu leisten, was für die Eifel bewilligt worden ist, und was unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Betheiligten, die in diesen Gebieten nach unserer Erfahrung eine größere ist als wie im Eifelgebiet, zu erwarten war. Nichtsdestoweniger habe ich Ihnen ja mitgetheilt, daß die Staatsregierung bemüht ist, auch für diese Ge⸗ biete größere Fonds zur Verfügung zu bekommen.

Nicht erwähnt habe ich jetzt andere Gebiete, z. B. das Sauerland, das Eichsfeld, theils in der altpreußischen Provinz Sachsen gelegen, theils in der Provinz Hannover. Bezüglich der Verhältnisse dieser Gebiete kann ich eingehendere Darlegungen heute noch nicht machen, weil die Berichte der betreffenden Ober⸗Präsidenten, wie ich im Eingange mittheilte, noch nicht vorliegen.

Zum Schluß will ich noch erklären, daß die landwirthschaftliche Verwaltung nach wie vor bemüht sein wird, wenn die Finanzlage des Staats eine günstigere ist, im allgemeinen größere Fonds zur Ver⸗ fügung zu bekommen, speziell auch für diejenigen Gebiete, wo die landwirthschaftliche Nothlage am größten ist. Ich hoffe, daß dem hohen Hause diese Mittheilungen genügen werden. (Bravo!)

Bei den Ausgaben der Gestütverwaltung befür⸗

wortet 3 Ss Lamprecht (kons.) eine Gehaltserhöhung für die Gestüts⸗ eamten. Geh. Ober⸗Finanzrath Lehnert erwidert, daß die Regierung nicht mit der Aufbesserung einer einzelnen Beamtenklasse vorgehen könne. bg. Witt (Marienwerder, fr.kons.) bittet, die kleinen Land⸗ wirthe instand zu setzen, zu Remonte geeignete Pfefhe⸗ zu züchten; sie müßten jetzt ihre Pferde oft zu schle ten Preisen an Händler verkaufen, da sie von der Remontekommission zurückgewiesen würden. Abg. Reinecke (frekons.) beklagt die Verlegung der Station Lindau Lee ne. und ersucht um deren Sres Ober⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff begründet die Ver⸗

ünschen

le üüen. den aus Schlesien selbst an die Regierung herangetretenen

Lamprecht bespricht nochmals die Nothwendigkeit einer