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zu nehmen. Anz wichtiger Vorlagen aus dem Bereich der kommunalen Provinzial⸗ verwaltung.
DStand setzt, den ihm zugewiesenen
Wie uns von amtlicher Seite mitgetheilt wird, ist die neuerdings von verschiedenen Zeitungen gebrachte Mittheilung von einer seitens der General⸗Lotterie⸗Direktion erlassenen Warnung in Betreff des Privathandels mit Antheil⸗ scheinen von Staatslotterieloosen nicht zutreffend.
Die gedachte Warnung war nur in früheren Jahren vor Erlaß des strafrechtlichen Verbots des Handels mit Staats⸗ lotterieloosen, also vor Eintritt der Wirksamkeit des Gesetzes vom 18. August 1891 angezeigt und ist nach diesem Zeitpunkt
entbehrlich geworden.
Der hiesige Kaiserlich chinesische Gesandte Shu⸗King⸗ Chen hat sich nach St. Petersburg begeben, wo derselbe gleichfalls beglaubigt ist. Für die Dauer seiner Abwesenheit fungiert der Legations⸗Sekretär Kinginthai als interimistischer Geschäftsträger.
Der bisherige Spezialkommissar, Regierungs⸗Rath Lüdke⸗
in Ratibor 8 der Ansiedelungskommission in Posen zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden. “
Laut sebegrepheseher “” an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Moltke“, Kommandant Kapitän zur See Schneider, am 8. Februgr in Cagliari (Sardinien) angekommen und beabsichtigt, am 15. d. M. nach Port Mahon (Insel Menorca) in See zu gehen; S. M. S.
Iltis“, Kommandant Kapitän⸗Lieutenant Ingenohl, und
M. S. „Prinzeß Wilhelm“, Kommandant Korretten⸗
Kapitän von 14““ gehen morgen von Amoy nach Hongkong in See. . W11“”
Potsdam, 8. Februar. Seine Majestät der Kaiser und König traf heute Nachmittag 2 ½ Uhr hier ein und begab Sich in offenem Wagen nach dem „Langen Stall“, um dort die 12. Kompagnie des 1. Garde⸗Regiments z. F. zu besichtigen. Nach der Besichtigung dieser Kompagnie fand ein Parabemarsch statt, zu welchem auch die 9., 10. und 11. Kompagnie des ge⸗ nannten Regiments herangezogen wurden. Nach dem Parade⸗ marsch begab Sich Seine Majestät zu Fuß in das Offtzier⸗ kasino des Regiments, um an dem von den Offizieren aus Anlaß des Jahrestages des Eintritts Seiner Majestät in das 1. Garde⸗Regiment z. F. veranstalteten Diner theilzunehmen.
Hannover, 8. Februar. Der Provinzial⸗Landtag bewilligte in seiner 8 en Sitzung einen Beitrag von 32 000 ℳ zu den Kosten der Chausseeüberführung über die Eisenbahn zwischen Geestemünde und Wulsdorf, sowie die Ge⸗ währung eines unverzinslichen Darlehns von je 10 000 ℳ an das Asyl für Epileptische zu Rotenburg und an die Anstalt fün Epileptische in Bethel bei Bielefeld, behufs Aus⸗
ührung der von der Staatsregierung verlangten Erweiterungsbauten. Sodann wurde mit der Berathung des Antrags des Provinzial⸗Ausschusses: zu dem Bau einer Brücke über die Süder⸗Elbe zur Verbindung der im Stadtbezirk arburg und auf der Fnsel Mfehhehe gü belegenen Theile der arburg⸗Hamburger Chaussee eine Beihilfe von 120 000 ℳ zu bewilligen, begonnen. Die Debatte wurde Mittags ab⸗ gebrochen und die weitere Berathung auf heute vertagt.
Münster, 9. Februar. Heute Mittag 12 ½ Uhr wurde
der auf Befehl Seiner Iünhe. des Königs einberufene Land⸗
tag der Provinz Westfalen im Sitzungssaal des hiesigen Ständehauses, nachdem zuvor die Mitglieder des Landtags dem im Dom bezw. in der keastettsehen Kirche abgehaltenen feier⸗ lichen Gottesdienst beigewo 8 hatten, durch den Königlichen Landtags⸗Kommissar, Wirklichen Geheimen Rath und Ober⸗ Präͤfidenten der Provinz Westfalen Studt mit folgender Ansprache eröffnet: ee 11“4“ 1 ovchgeehrte Herren!
Die Köͤn diche Staatsregierung, in deren Namen ich Sie an der Stätte Ihrer Berathungen willkommen heiße, beabsichtigt für diesmal nicht, die gutachtliche Thätigkeit des Provinzial⸗Landtags in Anspruch Dagegen harrt Ihrer Beschlußfassung eine Anzahl
Die von dem Westfälischen Bauernverein ausgegangenen, seitens des 36. Provinzial⸗Landtags befürworteten Vorschläge zur Abänderung der westfälischen Landgüterordnung sind mit Rücksicht auf den inzwischen
dem Landtage der Monarchie vorgelegten Gesetzentwurf über das An⸗
erbenrecht bei Renten⸗ und Ansiedelungsgütern durch den genannten Verein einer nochmaligen Berathung unterzogen worden. Infolge
dessen wird diese für das Wohl des heimathlichen Bauernstandes
hochbedeutsame Angelegenheit Sie in der gegenwärtigen Tagung aufs neue beschäftigen. . Das bisher geltende Reglement für die Verwaltung der Pro⸗ vinzial⸗Irrenanstalten hat aus Anlaß der Errichtung einer vierten Anstalt zu Aplerbeck und aus anderen Gründen eine Umarbeitung erfahren müssen. Ein neues und in wesentlichen Punkten verbessertes Reglement wird Ihnen unterbreitet werden.
Die Warstein⸗Lippstadter Eisenbahngesellschaft hat eine weitere Ausdehnung der von ihr betriebenen Bahnstrecken in Aussicht ge⸗
nommen. Fndem die Verwirklichung dieses Planes von der finan⸗ ziellen Betheiligung des Provinzialverbandes abhängig ist, wird Ihnen Gelegenheit geboten sein, den Verkehrsinteressen einer größeren Zahl solcher Gemeinden, die zur Zeit gar keine oder nur unvollkommene Bahnverbindungen haben, die wünschenswerthe Förderung angedeihen
zu lassen. Weitere voreahe des Provinzialausschusses betreffen die durch die rasche Vermehrung der Bevölkerungszahl und die stetige Zunahme der erwaltungsgeschäfte bedingte Vergrößerung der Räume für die Provinzialvertretung und Verwaltung.
Bei Prüfung der mit bewährter Umsicht aufgestellten Vor⸗ anschläge für die 18;e Etatsperiode, sowie der erläuternden Be⸗ merkungen des Provinzialausschusses zu dem Haupt⸗Etat werden Sie zu Ihrer Genugthuung erkennen, daß die Finanzlage des Provinzial⸗ verbandes nach wie vor eine hertsdigend⸗ ist und letzteren in den
Aufgaben, der stetig wachsenden Bedürfnisse ungeachtet, ohne erhebliche Anspannung der Steuerkraft seiner Angehörigen, gerecht zu werden.
Hochgeehrte Herren! Noch klingen in uns nach die begeisterten Kundgebungen der Treue zu Kaiser und Reich, mit denen die 25 jährige
Wiederkehr der Ruhmestage von 1870/71 und vor allem der Ge⸗ denktag der Neubegründung unserer nationalen Einheit, wie im ganzen Lande, so auch in unserer Provinz in herzerhebender Weise gefeiert worden sind.
Wie ich mit freudigem Dank anerkenne, hat mein Vorschlag, das Andenken Kaiser Wilhelm's des Großen durch Errichtung eines Stand⸗ bildes auch hier in der Provinzial⸗Hauptstadt zu 8 allerseits
ereitwillige Aufnahme gefunden.
Lassen Sie mich der Hoffnung Ausdruck geben, daß Ihren und meinen gemeinsamen Bemühungen um das Wohl und Gedeihen unserer geliebten Provinz der gewünschte Erfolg nicht fehlen möge.
Im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich den 37. Provinzial⸗Landtag der Provinz Westfalen für eröffnet.
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Das älteste Mitglied der Versammlung, Justiz⸗Rath Geck, brachte nach entsprechenden Worten der Erwiderung ein drei⸗ faches Hoch auf Seine Majestät den 8— und König aus, in welches die Versammlung lebhaft einstimmte.
Sigmaringen, 8. Februar. Seine Königliche Hoheit der Fürst von lern hat sich heute zu den Ver⸗ mählungsfeierlichkeiten nach Brüssel begeben.
Bayern.
Die Kammer der Abgeordneten hat am 7. d. M. die Berathung des Etats des Ministeriums des Innern, welche 17 Sitzungen in Anspruch genommen hatte, beendet und am Sonnabend mit der Berathung des Justiz⸗Etats be⸗ gonnen.
Sachsen.
Seine 8 der König ist am Sonnabend Abend von Leipzig nach Dresden zurückgekehrt. Ihre Majestät die Königin hat sic vorgestern von Leipzig nach Brüssel be⸗ geben, um daselbst der am 12. d. M. stattfindenden Ver⸗ mählung Ihrer Königlichen Hoheit der vFerahegfin Henriette von Belgien mit Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Emanuel von Orleans, Herzog von Vendôme, beizuwohnen.
Hessen.
8 re Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin sind vorgestern wieder in Darmstadt ein⸗ getroffen.
die Zweite Kammer hat am Sonnabend das Volks⸗ schn llehrer⸗Gesetz einstimmig angenommen und den Termin ür das Inkrafttreten desselben mit 25 gegen 13 Stimmen uf den 1. April 1897 festgesetzt. Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Ihre Hoheit die Herzogin⸗Wittwe ist vorgestern von Coburg nach Nizza abgereist.
OesterreichUngarn.
In der vorgestrigen Sitzung des böhmischen Land⸗ tags interpellierte der Abg. Klucek die Regierung wegen der Konfiscierung der Wochenschrift „Vysehrad“. Der Oberst⸗ Landmarschall Fürst Lobkowitz erklärte, daß er die Vor⸗ lesung des inkriminierten Artikels, die eine “ sein würde, nicht gestatten könne. Es folgte eine sehr heftige Auseinandersetzung des Interpellanten, und der Präsident er⸗ klärte, als der Abg. Klucek fortfuhr zu sprechen, unter großem Lärm bei den Czechen und demonstrativem Beifall bei den Großgrundbesitzern, die Sitzung für geschlossen.
Im ungarischen Unterhause ließ sich am Sonnabend der Unterrichts⸗Minister Wlassics über die Fragen bezüglich der einheitlichen juristischen Staatsprüfungen und der Wiener Aerztediplome aus und sagte dann bezüglich der Frage der Zulassung der Frauen zu den Hoch⸗ schulen: Er erachte es für ungerecht und unbillig, die Frauen im Prinzip von der höheren Ausbildung auszuschließen; er wolle aber keine Konkurrenz organisieren, daher würden auch keine Mädchen⸗Gymnasien errichtet werden. ““ dürfe jedoch der befähigten Frau nicht der Weg zu höherer Ausbildung
verschlossen bleiben. Er unterstütze hiermit nicht die Frauen⸗
emanzipation als solche, sondern nur ausschließlich die wissen⸗ schaftliche Emanzipation; denn er sei davon überzeugt, daß der wahre Beruf der Frau in der Familie liege. Der Minister erklärte dann weiter, daß die Zahl der Mittelschulen in Ungarn verhältnißmäßig größer als in Oesterreich, deren territoriale Vertheilung aber eine schlechte sei; diesem Uebelstand müsse nach Möglichkeit abgeholfen werden. Bezüglich der Neuerungen auf dem Gebiet der Mittel⸗ und Bürgerschulen schwebe ihm als Ziel die einheit⸗ liche staatliche Mittelschule vor. Der Minister besprach sodann die Revision des Lehrplans und die Anstellung der Lehrer. Was die Unterstützung der konfessionellen Mittelschulen betreffe, so werde diese eine solche sein, daß diese Schulen ihre Pflicht erfüllen könnten. Die Vorarbeiten zur Revision des Volksschulgesetzes seien im Gange. Er sei ent⸗ schieden gegen die ausschließliche Verstaatlichung der Volks⸗ schulen, doch müßten einerseits die hagthshe Schulen ver⸗ mehrt, andererseits müsse der Einfluß des Staats auf die konfessionellen Schulen besser gewahrt werden. Der Minister kündigte weiter strenge Ueberwachungsmaßregeln für die Ver⸗ waltung der Bildergalerien an. Im weiteren Verlauf seiner Rede ließ sich der Minister über die Frage der Trennung von Staat und Kirche aus und erklärte, er verfechte nur das Prinzip der Absonderung des Wirkungskreises der beiden. Nach Erledigung mehrerer Petitionen, darunter einer solchen
auf Umgestaltung des Oberhauses — eine Reform, welche der
Minister⸗Präsident von Banffy unter Zustimmung der Majorität jetzt weder für nöthig, noch für zeitgemäß erachtete —, wurde die Debatte geschlossen und die Sitzung auf heute ver⸗ tagt. Baron Banffy erklärte zum Schluß unter lebhaftem Beifall der liberalen Partei, er lege Verwahrung ein gegen die Insinuation, daß er sich durch Rücksichten auf irgendwelche Kreise in seinem Vorgehen beeinflussen lasse; für sein Hande
sei ihm nur seine Ueberzeugung maßgebend. 8
f Großbritannien und Irland.
Sir Cecil Rhodes wird, dem „W. T. B.“ zufolge, vorläufig in England bleiben, um sich mit den Inhabern der Shares der E1““ in Verbindung se setzen. Er beabsichtigt, sich der weiteren Entwickelung von Rhodesia, be⸗
sonders der Vollendung der dortigen Eisenbahnen, zu widmen.
Der „Daily Telegraph“ bestätigt die Meldung, daß die Regierung etwa 10 Millionen Pfund Sterling für Schiffs⸗ bauten aufzuwenden gedenke. Im Finanzjahre 1895/96 sollen 5 Schlachtschiffe gebaut werden, ferner 4 Kreuzer I. Klasse, sowie wahrscheinlich 3 Kreuzer II. Klasse, 6 Kreuzer III. Klasse und 20 Torpedojäger, jedoch keine Torpedoboote.
Frankreich.
In dem am Sonnabend abgehaltenen Ministerrath wurde der betreffend die Organisation der Kolonialarmee, festgestellt. Danach wird die Kolonialarmee dem Kriegs⸗Ministerium unterstellt und dadurch eine bessere Verwerthung der zur Verfügung stehenden Elemente ohne Er⸗ höhung der Ausgaben ermöglicht.
Der Senat nahm vorgestern nach eö den Gee über die Anleihe von 80 Millionen Francs
ür Tongking an. — Die Deputirtenkammer setzte die chts über die Eisenbahnverträge fort.
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erathung des Beri
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Der Deputirte Raynal gab einen geschichtlichen Ueberblickh über die Verträge und erinnerte an die Berathung vom Jahre 1888, welche sich durch 14 Sitzungstage hingezogen habe. Er versicherte, daß keinerlei I“ auf d 188 maligen Deputirten ausgeübt worden sei. Redner beleuchtete dann in längerer Ausführung die aus den Verträgen erwachsenen Vortheile. Die Berathung wird heute fortgesetzt werden.
Rouvier, der in Sachen des Südbahnsyndikats vor den Untersuchungsrichter geladen war, hat sein Erscheinen vorläufig verweigert und seinen Anwalt beauftragt, die Legalität der eigens zur Wiederaufnahme der Südbahnangelegenheit er⸗ felgten Ernennung des Untersuchungsrichters Poittevin zu prüfen.
Der Schiffs⸗Lieutenant Buchaud ist zum Marine⸗ Aktaché bei der Botschaft in Berlin ernannt worden.
Italien. Der Prinz und die Prinzessin Heinrich von Preußen sind am Sonnabend Nachmittag gen Rom nach Neapel zurückgekehrt. . 8 “ Türkei 1 Die Botschafter traten, wie „W. T. B.“ aus Kon⸗ stantinopel erfährt, am Sonnabend zu einer Besprechung über die Lage in ö zusammen.
Eine in Wien eingegangene Meldung aus Konstantinopel besagt, daß die Verhandlungen zur friedlichen Beilegung des Aufstandes in Zeitun ohne Ergebniß verlaufen seien, da keiner der beiden Theile die Bedingungen des andern annehmen wolle. Nach dieser Meldung wären die von türkischer Seite gestellten Bedingungen folgende: Ablieferung der Waffen, Aus⸗ lieferung der Führer und Wiederaufbau der Kaserne. Die Auf⸗ ständischen dagegen forderten, daß, wenn sie die Kriegswaffen mit Ausnahme der Jagdgewehre und Pistolen abliefern sollten, auch die Mohamedaner, einschließlich derjenigen des Bezirks von Aintab, entwaffnet werden müßten. Die Auslieferung ihrer Führer verweigerten sie unter dem Vorwand, keine Führer zu haben, und den Aufbau der Kaserne lehnten sie mit der Begründung ab, daß dieselbe von türkischer Seite zerstört worden sei. Sie verlangten ihrerseits ferner Be reiung von der Weinsteuer für sechs verflossene und drei kommende Jahre sowie einen christlichen Kaimakàm, welch letzterer übrigens in dem Reformreglement vorgesehen ist. Das mit der Vermittelung bei den Verhandlungen betraute Konsular⸗ korps sehe seine Instruktionen als erschöpft an; im übrigen “ Botschafter die Versuche zur Erzielung einer Eini⸗ gung fort.
Das armenische Patriarchat in Konstantinopel hat, dem „W. T. B.“ zufolge, bei den Botschaftern Beschwerde wegen des zwangsweisen Massenübertritts von Armeniern zum Islam und wegen vieler damit zusammenhängender und aus anderen Gründen vorgenommener Verhaftungen erhoben.
Der bulgarische Minister⸗Präsident Stoilow hat seine Abreise auf morgen verschoben. Der bulgarische Exarch, welcher davon verständigt wurde, daß das Kaiserliche Irade, betreffend die Genehmigung zu seiner Reise nach Sofia, unter⸗ zeichnet sei, sprach gestern Abend im Nildiz⸗Kiosk vor, um dem Sultan seinen Dank hierfür abzustatten. Der Exarch wird morgen nach Sofia abreisen.
Griechenland.
Der Minister⸗Präsident Delyannis legte am Sonnabend der Deputirtenkammer das Budget für 1896 vor. Der Minister besprach dabei die Arrangements mit den Gläubigern und erklärte, die Verhandlungen würden demnächst in Paris wieder aufgenommen werden; die Comités würden hierbei durch ihre Vorsitzenden vertreten sein. Ferner kündigte der Minister verschiedene Gesetzesvorlagen an, darunter eine, betreffend die Vermehrung der Gendarmerie, welche ausschließlich für den Dienst der öffentlichen Sicherheit bestimmt sein solle.
Die russische Flotte ist im Piräus angekommen.
Serbien. In der Skupschtina theilte am Sonnabend der Prä⸗ sident den Dank des russischen Gesandten für die Resolution mit, in welcher die Skupschtina die beleidigenden Auslassungen eines Belgrader sozialdemokratischen Blattes über den Kaiser von Rußland verurtheilt hatte. — Im weiterm Verlaufe der Sitzung wurde die endgültige Fassung de Budget⸗Entwurfs festgestellt.
Bulgarien.
Der gAqence Balcanique“ zufolge, erschien in Sofia am Sonnabend die Nationalversammlung korporativ zum Empfange im Palais. Auf eine Ansprache des Präsidenten der Sobranje Theodorow, der den Dank der Nation für den Akt seltener Staatsweisheit und beispielloser Selbst⸗ verleugnung seitens des Prinzen Ferdinand aussprach, antwortete der Prinz Ferdinand: Was er gethan habe, sei ihm durch seine Pflicht gegenüber der ation auferlegt gewesen, die seit fast einem Lahrzehntk ihr Schicksal vertrauensvoll in seine Hände gelegt habe. Er habe dem Vaterland ein 81 gebracht so groß, so grausam und so tief einschneidend, wie es in der Geschichte noch nicht da⸗ ewesen sei. Er habe für das Heil und das Glück Bulgariens sen eigenes Kind als Unterpfand gegeben und darum die Bande seiner Familie gelockert und die Bande, die ihn an den Oeccident fesselten, eeein Dagegen fordere er nun⸗ mehr von seinem Volke nicht lärmende Ovationen und gleißnerische Huldigung, sondern Ehrfurcht und Ver⸗ trauen für 98 erson. Er erwarte, daß das Datum des 2./14. Februar einen Markstein bilden werde für die Rei⸗ nigung der öffentlichen Meinung, und daß von diesem Tage an in Bulgarien kein Raum mehr sein werde für eine nichtswürdige Presse, welche nur den niedrigen Interessen von Intriganten diene, und für eine gewissenlose Opposition, welche die Person des Herrschers und die Ehre Bulgariens durch Insulte be⸗ udele. Der sprach sodann die Zuversicht aus, daß die orte der Konstitution von der Heiligkeit und Unan⸗ tastbarkeit des Herrschers in Zukunft keine leere Phrase be⸗ deuten und daß alle Bulgaren sich g fühlen wuͤrden in der Devise „Ein Gott, Ein Herrscher, Ein Vaterland“. Der Prinz schloß seine Ansprache mit dem Ausruf: „Der Occident hat sein Anathem über mich ausgesprochen, die Morgenröthe des Orients umstrahle meine Dynagir und leuchte über unserer Zukunft!“ Ein unbeschreiblicher, fast endloser Jubel folgte diesen Worten. Nach einer Pause theilte dann der Prinz noch das von dem Kaiser Nikolaus erhaltene Telegramm mit. — Die Zankowisten und die Mitglieder der Nationgt⸗ partei betheiligten sich lebhaft an den Ovationen, während sich die Radoslawowisten zurückhaltend zeigten.
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Schweden und Norwegen.
Der unter den Mitgliedern des norwegischen Storthing
neu gebildete Bund der Landwirthe hat, wie „W. T. B.“ aus Christiania berichtet, eine Resolution angenommen, worin der Wunsch ausgedrückt wird, daß Zölle auf alle land⸗ wirthschaftlichen Produkte mit Ausnahme des Ge⸗ treides eingeführt würden. Der schwedisch⸗norwegische andelsvertrag dürfe nur dann erneuert werden, falls jede
Schädigung der Landwirthschaft dabei vermieden werde.
Amerika.
Die Sme on zur Regulierung der venezola⸗ nischen Grenze ist, wie „W. T. B.“ meldet, am 7. d. M. in Washington zusammengetreten.
Nach Meldungen aus Havanna hat der General
Canella die Aufständischen unter Maceo, Delgado
und Sotomayor in der Nähe von Candelaria geschlagen. Die Insurgenten, welche 6000 Mann stark waren, verloren über 200 Mann. Die Verluste der Spanier betrugen 5 Todte und 50 Verwundete, darunter 3 Offiziere.
Der General Weyler ist in Portorico eingetroffen.
Asien.
Amsterdamer Blätter erfahren aus Batavia, daß in
Sixtang, im Distrikt Pontianak auf der Insel Borneo, ein ziemlich ernster Aufstand ausgebrochen sei. Ueber die Ursachen des Aufstands seien genaue Meldungen noch nicht eingegangen. Zur Zeit sollen 275 Soldaten im Begriff sein, die Aufständischen einzuschließen. .
Der „Nowoje Wremja“ wird aus Wladiwostok ge⸗ meldet, daß auf E ein Aufstand ausgebrochen sei; etwa 10 000 Aufständische hätten Tamsui, Girame, Suncho, Kosuki und Taipe angegriffen. Die Eisenbahnen und die
Telegraphen seien zerstört worden. Die siebente japanische
Brigade sei in Kelong eingetroffen. Die Aufständischen schlügen sich mit großer Energie und großem Muth. Taba⸗ jama solle als General⸗Gouverneur von Formosa durch den Marine⸗Minister Saigo ersetzt werden.
Afrika.
Die „Agenzia Stefani“ veröffentlicht eine Depesche aus Massowah, worin die Bewegungen der italienischen Truppen und der Schoaner in der Richtung auf Adua in der Zeit vom 2. bis 8. Februar mitgetheilt werden. Dem⸗ gemäß hätten Ras Mangascha und Ras Alula am 2. d. M. versucht, nach dem Berge Augher vorzurücken, aber von dieser Bewegung abgesehen, als sie diesen Punkt von eingeborenen Truppen der Italiener besetzt gefunden Füag. Eine starke Abtheilung des Feindes habe am 5. d. M. eine befestigte Stellung fünf Stunden vom Lager der Italiener entfernt besetzt. An demselben Tage hätten die Alpenjäger und ein Bataillon der Eingeborenen eine Reko noszierung in dem Entiscio⸗Thale vorgenommen, 1e sich der Feind, der diese Bewegung von den umliegenden Höhen und den Bergen um den Zala⸗Paß, östlich von Entiscio, beobachtet, zurüͤckgezogen habe, dabei seien nur einige Schüsse gewechselt worden. Die Abtheilung des Kapitäns Barbanti habe hierauf von den feindlichen Stellungen Besitz sehee Am 7. Februar habe der Feind hinter den nach Adua zu liegenden Höhen gelagert, welche durch eine doppelte Reihe vorgeschobener Posten in einer Stärke von ungefähr 20 000 Mann geschützt gewesen seien. Die Italiener seien an diesem Tage bis auf 2 Stunden von Adua vorgerückt und hätten eine Stellung auf den Höhen, die den Entiscio beherrschen, eingenommen in der Hoffnung, den Feind zu einem Angriff zu bewegen. Aber die Schoaner hätten sich noch am Abend nach Colma zurückgezogen, wahrscheinlich in der Absicht, die Italiener nach einem günstigeren Terrain zu ziehen. Am 8. d. M. habe das ganze italienische Armee⸗Korps die Höhen am Zala⸗Passe beseßzt. — Von gestern meldet die „Agenzia Stefani“ dann weiter, daß die Schoaner am 9. d. M. ihre Lagerstellen nicht verlassen hätten. Sie hätten zwei nahezu parallele Sallungen inne. Die erste derselben sei fast 6 km. von den italieni chen Vorposten entfernt und staffelförmig und amphitheatralisch, gestützt mit Flankendeckungen und rück⸗ wärtigen Abtheilungen, auf den besetzten Bergkegeln. Die Ebene vor dem Feind sei von tiefen Gräben durchzogen. Die zweite Stellung befinde sich einige Kilometer weiter rück⸗ wärts. Der Negus Menelik halte sich in der Nähe von be auf. Obwohl die Italiener die von den Schoanern rüher 8 Stellungen einnähmen, deute alles darauf hin, daß der Feind in der Defensive bleiben wolle.
Dem „Popolo Romano“ von heute ufolge, wäre das Bataillon, welches nach Assab gehen sollte, in Massowah serückgehalten und nach dem äthiopischen Hochplateau ge⸗ schickt worden.
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Prätoria vom 6. d. M. gemeldet: Das Organ der Regierung von Transvaal, die „Prätorig Preß“, schreibe: die Regierung wünsche nicht, ch die moralische Unterstützung einer zivilisierten Macht zu eni⸗
emden, die Bürger und die egierung würden jedoch bis auf den letzten Mann der Idee eines fremden Protektorats entgegen⸗ treten. Wenn die englische Regierung in freundlicher Weise mit der Republik die Beschwerden der Vergangenheit gutmache, werde die Regierung von Transvaal alles aufbieten, um an der Förderung der rsesen Süd⸗Afrikas mitzuwirken. 8 Von vorgestern berichtet dasse be Bureau, daß eine lange Liste von Gesetzentwürfen, welche dem Volksraad im Mai nücgelegt werden solle, veröffentlicht worden sei. Außer den 8 orm⸗Gesetzentwürfen, die sich auf das Unterrichtswesen, die kadtverwaltung in Johannesburg und auf Preßvergehen bezögen, unfasse die Liste Gesetzentwürfe, betreffend die Errichtung einer heilung für Landwirthschaft im Ministerium, sowie die Schaffung von Arbeiterschulen und die Regelung der Ver⸗ wendung einheimischer Arbeiter. G Die Londoner „Standard and Diggers News“ haben ein elegramm aus Johannesburg vom 8. d. M. erhalten, sonach der Präsident Krüger die Einladung Ehamber⸗ Pern s, nach England zu kommen, angenommen habe. Der räsident Krüger werde sich mit einer Kommission dahin begeben. Die Punkte, über welche derselbe mit der 1 Regierung verhandeln werde, würden vor seiner Ab⸗ disse festgestellt werden. — Das „Reuter'sche Bureau“ bestätigt Nei Nachri t von der reäbsichisgen Reise des Präsidenten üger nach England, doch sei dieselbe von der vorherigen ehmigung des Volksraads abhängig.
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Parlamentarische Nachrichten.
gei Die Berichte über die vorgestrigen Sitzungen des
steichstags und des Hauses der Abge ordneten de nd sich in der Ersten Benlcs Feltt
In der heutigen (36.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minsgiet Dr. von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs⸗ Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, stand zur ersten Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung (betrifft die Kon⸗ enfücht für Irrenanstalten, Seausnielvntelnehenangen⸗ ür Kleinhandel mit Spiritus und Branntwein, ferner die Vorschriften über den Hausierhanbel).
Abg. Metzner (Zentr.); Der Entwurf ist ein alter Bekannter, den wir schon oft hier begrüßt haben und über den es vieler Worte nicht mehr bedarf. Ich hoffe, daß diesmal seine Verabschiedung nicht wieder durch einen vorzeitigen Schluß der Session vereitelt wird; um sein Zustandekommen zu sichern, möchte ich aber immerhin vor⸗ schlagen, den Entwurf überhaupt nicht an eine Kommission zu verweisen, sondern sofort in zweiter Lesung im Plenum zu behandeln. Es wird hoffentlich Pelingen, hier diejenigen Ver⸗ besserungen anzubringen, welche die Vorlage leider zum Unterschied von den Initiativanträgen und den vorjährigen Kommissionsbeschlüssen noch vermissen läßt. Ueber die Konsumvereine will ich heute nicht eingehend sprechen, werde aber bei anderer Gelegenheit, wie ich hoffe, mit Erfolg den Nimbus zu zerstören bemüht sein,
mit dem sich diese Einrichtungen bisher zu umgeben ge⸗
wußt haben. Hier führe ich nur an, daß die Schäden der Konsumvereine immer weiteren Kreisen bekannt werden? Ein Pastor, der sich von dem Treiben des Konsumvereins seines Ortes überzeugt und öffentlich seinen Austritt aus demselben erklärt hatte, wurde von der betreffenden Regierung seiner Zeit dahin beschieden, daß zur Konzessionsentziehung nicht übergegangen werden könne, da die Gesetzgebung dazu keine Hand⸗ habe böte; es würden aber Erhebungen angestellt werden. Wie diese ausgefallen sein müssen, lehrt die Vorlage, die den Landes⸗ regierungen wenigstens die Befugniß ertheilt wissen will, die Be⸗ stimmungen über den Betrieb der Gast⸗ und Schankwirthschaften sowie den Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus auf Konsum⸗ und andere Vereine anzuwenden, wenn der Betrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt ist. Der Schnapskonsum in den Konsumvereinen hat nicht ab⸗, sondern ganz beträchtlich zugenommen. Der Konsumverein verfolgt angeblich ideale Ziele; wie kommt er dazu, den Branntweingenuß zu fördern? Gerade in den Winkelkneipen dieser Konsumvereine sucht und findet der Schnaps⸗ teufel seine Opfer. Schnaps, als Fusel genossen, gehört weder zu den Lebens⸗ noch zu den Wirthschaftsbedürfnissen. Gleichwohl halten die Konsumvereine an dem Schnapsverkauf deswegen so hartnäckig fest, weil er den meisten Geschäftsgewinn, 30 bis 50 %, abwirft und die hohen Dividenden bringt. An diesen nehmen auch diejenigen theil, die am Schnapskonsum nicht betheiligt sind; der Herr Staatsanwalt, der Herr Gerichts⸗Präsident, der Herr Pfarrer, sie ziehen ihre Divi⸗ denden aus dem Schnapsgenuß des armen Mannes. Der Schnaps⸗ verkauf muß daher diesen Konsumvereinen direkt verboten sein. Wenn nicht in der Nevelle zum Genossenschaftsgesetz Abhilfe geschafft wird, werden wir in zweiter Lesung den bezüglichen Antrag stellen und hoffen auf seine Annahme. Dagegen muß ich die Ausnahmebestimmung, welche der Artikel 4 der Vorlage gegen die Droguenhandlungen trißft, als unzweckmäßig und zu weit⸗ 8” verwerfen. Auch die unschädlichen Arzneimittel, welche bisher der Droguist abgeben kann, dem Alleinverkauf durch die Apotheken vorzubehalten, die den fünf⸗ oder sechsfachen Preis fordern, ist eine 1s und Unbilligkeit segen das Publikum. Wir werden in diesem Punkte die iederherstellung der Beschlüsse der vorjährigen Kommission beantragen. Die Bestimmungen der Vorlage über den Hausierhandel zeigen uns deutlich, wohin wir mit der liberalen Gesetzgebung gekommen sind. Demnach gehen auch hier die vorgeschlagenen Abhilfemaßregeln nicht weit genug. Das Detailreisen ist doch auch weiter nichts als eine versteckte Form des Hausierens; der ganze Hausierhandel ist aber bei dem Fortschritt der Verkehrsverbindungen und der Verkehrstechnik völlig Aberftafsig und für die Konsumenten direkt schädlich geworden. Er müßte der Regel nach verboten und nur in Ausnahmefällen gestattet sein. In den Ausnahmen aber könnte man mehrfach weiter gehen, als die Vorlage will, da thatsächlich noch immer ganz abgelegene Landstrecken auf den Hausierhandel angewiesen sind. In diese Verhältnisse will ich nicht eingreifen. Ich wünsche, daß in dieser Session endlich ein den Forderungen des seßhaften Gewerbebetriebes genügendes Gesetz zu stande kommt. . Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. Dr. Schneider
(fr. Volksp.).
— In der heutigen (16.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Justiz⸗Minister Schönstedt beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 1896/97 bei dem Etat der Justiz⸗ verwaltung fortgesetzt. Die Einnahmen aus Gerichtskosten sind angesetzt
mit 55 017 000 ℳ
Der Berichterstatter Im Walle (Zentr.) theilte mit, daß in der Kommission die Frage, ob das neue Gerichtskostengesetz bei Ver anschlagung der Kosten schon in Betracht gezogen sei, dahin beant⸗ wortet worden sei, daß bei Aufstellung des Etats die Wirkung dieses Gesehes noch nicht hätte übersehen werden können. Abg. Kirch (Zentr.) bat, für die Aufstellung des nächsten Etats zeitig dafür zu sorgen, daß die aus diesem Gesetz entstehenden Mehr⸗ einnahmen in den Etat eingestellt werden.
Bei den Einnahmen aus dem Arbeitsverdienst der Gefangenen (1 950 000 ℳ) tadelte
Abg. Mizerski (Pole) die Konkurrenz, welche die Gefängniß⸗ arbeit dem Handwerk mache. Er führte besonders die verdartnüse der Gefängnisse in Bromberg und Stargard i. P. an, wo Stiefel und Pantoffel zu sehr . Löhnen angefertigt werden. Redner meinte, daß die Gefängnißbeamten von den gewerblichen Arbeiten nichts verstehen, deshalb seien die Preise für die fertigzustellenden Fabrikate sehr niedrig bemessen. Man könnte vielleicht Sachverständige mitwirken lassen, um Uigemesene Lohnsätze zu erzielen.
Justiz⸗Minister Schönstedt: Die Frage einer angemessenen Beschäftigung der Gefangenen ohne Schädigung der konkurrierenden Industrie ist außerordentlich schwierig. Die Staatsregierung ist nach allen Seiten bemüht gewesen, diese zu beschränken, soweit es sich er⸗ reichen läßt. Daß keine höheren Preise für die Gefangenenarbeit erzielt werden, kann die Justizverwaltung nur bedauern. Eine nackte Vergleichung der Löhne der Gefangenen mit denen der freien Arbeiter anzustellen, wäre unrichtig; es kommt eine ganze Anzahl von Umständen in Betracht, welche die Arbeits⸗ leistungen der Gefangenen minderwerthiger erscheinen lassen, z. B. der, daß man häufig wenig vorgeschulte Arbeiter hat. Die Thatsache steht fest, daß die Konkurrenz bei der Ausschreibung der Gefängniß⸗ arbeiten eine außerordentliche geringe ist. Daraus läßt sich schließen, daß die Vortheile, die mit den geringeren Löhnen verbunden sind, den Unternehmern nicht so groß erscheinen. Technische Beiräthe eventuell heranzuziehen, ist die Justizverwaltung nicht abgeneigt; daß die Regierung bemüht ist, der Konkurrenz möglichst das Nachtheilige ür die Privat⸗ industrie zu nehmen, geht daraus hervor, daß im Oktober vorigen Jahres eine allgemeine Verfügung an die Ober⸗Staatsanwalte erlassen ist, nach welcher die Beschäftigung der Gefangenen an Strick⸗ maschinen, worüber hauptsächlich Klage geführt worden war, thunlichst eingeschränkt werden sollte. Es schweben auch Erwägungen, ob nicht der Konkurrenz der ben, neüses dadurch zu begegnen sei, daß die einzelnen vesegt. der Staatsverwaltung für verpflichtet erklärt werden, ihre Bedürfnisse möglichst aus den Fefash zu ent⸗ nehmen. Diese eeeee nd indessen noch nicht ab cgflen weil die Staatskasse dabei berücksichtigt werden muß. Endli ist die Justizverwaltung überall bereit, Gefangene zu landwirthschaftlichen Arbeiten herzugeben, doch bestehen hier besondere Schwierigkeiten, z. B. die Gefahr, daß die Disciplin Fes; wird, und ferner dürfen die Gefangenen bekanntlich nur mit
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hrer Zustimmung im Freien be⸗ 2„ ..“ 8
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schäftigt werden. Auch enthalten sich die Gefängnißverwaltungen möglichst der Beschäftigung der Gefangenen in denjenigen Industrien, we 22 in der Nähe des Gefängnisses als Hausindustrien betrieben werden.
Abg. Möller (nl.) ae S Befriedigung über die Erklärung des Ministers Ausdruck. Die Gefängnißarbeit ist vielfach zum Gegen⸗ stand der Agitation gemacht worden. In England hat man sogar eine Enquête angestellt über die deutsche Gefängnißarbeit, um sie auszubeuten gegen die deutsche Einfuhr. Aber die Gefangenen müssen beschäftigt werden; es kommt nur darauf an, nach welcher Richtung hin eine Beschränkung stattfinden soll. Ich habe mit Freuden gehört, 5 die Staatsbedürfnisse in erster Linie in den Gefängnissen hergestellt werden sollen. Dahin ge⸗ hören namentlich die Bedürfnisse der Militärverwaltung. Wenn so vergegancgen wird, werden die Klagen der kleinen Gewerbetreibenden abnehmen. ü8 8 dem Titel „Gehalt des Ministers“ erhielt das
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Abg. Brandenburg (Zentr.): Ich habe im vorigen Jahre eine Selünehng der katholischen Kirche und das Verhalten der Staats⸗ anwaltschaft dazu vorgebracht; diese Beschimpfungen haben sich wieder⸗ holt. Ich brauche nur den Namen Thümmel zu nennen, der dafür die Unterstützung des Evangelischen Bundes gefunden hat. Mehrfach haben die schwersten Beschimpfungen nicht zur Bestrafung, zur Freisprechung geführt. Der § 166 des Strafgesetzbuchs ist ver schiedenartig 88I worden, wie ja überhaupt mehrfach die richterlichen Urtheile mit dem Rechtsgefühl des Volks nicht mehr übereinstimmen Das katholische Volk wird über die freisprechenden Urtheile erbittert
I es darin einen mangelnden Schutz des Staats für seine Religion erblickt. Unsere Sitten sind milder geworden als zur Zeit der Reformation. Wir müssen mit einander auszukommen suchen Beschimpfungen, die nicht geschehen zur Vertheidigung des eigenen Feerennn ses, sondern zur Verhöhnung der anderen Kirche, müssen streng geahndet werden. Ich verlange nicht, daß der Minister gegen die Gerichte einschreite, denn das wäre nicht gesetzlich. Ich habe hie nur gesprochen, damit die Auffassung der katholischen Mitglieder dieses Hauses im Lande bekannt werde.
Abg. von Eynern (nl.): Ich hatte nicht die Absicht zu sprechen, aber die Provokationen des Vorredners veranlassen mich, ebenso all⸗ gemein Klagen vorzubringen, wie der Vorredner. Beim Ministerium des Innern sind die Klagen über die Imparität vorgebracht worden; Zahlen und Thatsachen sind nicht vorzebracht, Herr von Heereman sprach nur von den Gefühlen des katholischen Volkes. Der Minister des Innern hat den Beweis geführt, daß die Ka⸗ tholiken größere Berücksichtigung gefunden haben als die Evangelischen. In der Justizverwaltung sind die Katholiken auch besonders bevorzugt worden, namentlich sind viele Mitglieder des
entrums in höhere Stellen befördert worden. Dadurch hat ich die evangelische Bevölkerung verletzt gefühlt. Herr Fried⸗ berg hat ganz Recht gehabt, daß im evangelischen Volk das Gefühl besteht, man brauche nur katholisch und Zentrumsmann zu sein, um eine gute Carrière zu machen. Ich will keine Bevorzugung der Evangelischen, die Regierung soll ihre Beamten nach der Tüchtigkeit auswählen. Nach der Berufszählung von 1882 waren von den 65 000 höheren Beamten 77 % evangelisch, 19,2 % Katholiken und 3 % Juden. Die geringere Betheiligung der Katholiken, welche 34 % der Bevölkerung ausmachen, liegt daran, daß die Katholiken nicht eine genügende Anzahl von Schülern für die höheren Lehranstalten und Universitäten liefern. An den höheren Lehranstalten waren 73,5 % der Schüler evangelische, 16,4 % katholisch; auf den Universitäten 70 bezw. 20 %, in der juristischen Fakultät 72,2 % evangelisch und 18,8 % katholisch. Die Evangelischen sind danach beeneh über die Bevorzugung der Katholiken. Vielleicht nimmt der Minister Gelegenheit, darüber weiteres statistisches Material zu bringen, damit wir nicht immer mit dieser Klage kommen müssen. Nun komme ich auf den Fall Thümmel; es handelt sich um eine Persönlichkeit bedeutender Art, welche Herr Brandenburg in ihrer Eigenart nicht ver⸗ steht und wohl auch nicht verstehen will. Eine solche Kritik, wie sie der Vorredner, selbst ein Richter, geübt, ist bisher nicht üblich ewesen im Parlament. Auf seiten der evangelischen Bevölkerung esteht über die Prozesse gegen Thümmel ein anderes Urtheil. Meistens beruhen die Klagen auf Denunziationen der in die evangelischen Versammlungen geschickten ultramontanen Spione, die die Worte verdrehen und so lange wühlen, bis die Staatsanwaltschaft sich zum Einschreiten veranlaßt sieht. Mir gegenüber ist die Vermuthun ausgesprochen worden, daß die Staats⸗ anwaltschaft angewiesen sei, Herrn Thümmel nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Ich abe die Ueberzeugung, daß diese Auffassung falsch ist; aber das Gefühl im Volke ist einmal vorhanden. § 166 ist ein so dehnbarer, daß er häufig zu Klagen Veranlassun gegeben hat. Was sind Beschimpfungen und was kirchliche Fiaeschtangens Als die ultramontanen Blätter bei Gelegenheit der Lutherfestlich⸗ keit den großen Reformator auf das gröblichste und nieder⸗ trächtigste beschimpften, wurde darin eine Beschimpfung der Einrichtungen der evangelischen Kirche nicht gefunden. Sobald aber Pastor Thümmel etwas schreibt, was der Vorredner als Beschimpfung ansieht, aber das Richterkollegium nicht, dann wird der Schutz des Strafgesetzbuchs angerufen. Ich habe den lebhaften Wunsch, daß dieser § 166 aus dem Strafgesetzbuch verschwinden möge. In keinem anderen Lande besteht eine solche Bestimmung, und dennoch leben! verschiedenen Bekenntnisse in anderen Ländern ruhig nebeneinander.
(Schluß des Blattes.)
— Bei der am 4. d. M. im 5. Koblenzer Wahlkreise (Ma yen⸗ Cochem) vorgenommenen Ersaßwah zum Reichstag erhielten nach der amtlichen Zählung: der Baumschulen⸗ besitzer Wallenborn in Bitburg (Zentr.) 10 897, der Land⸗ wirth Peter Cohns I. aus Ochtendung (Ant.) 539 und der Redakteur Adolf Hofrichter aus Köln (Soz.) 526 Stimmen. Ersterer ist somit gewaͤhlt.
Kunst und Wissenschaft.
Im Verein für Deutsches Kunstgewerbe wird am Mitt⸗ woch Herr Direktor Dr. P. Jessen über „25 Jahre deutschen Kunst⸗ ewerbes“ sprechen. Der Vortrag wird erläutert werden durch An⸗ d.ö aus den verschiedenen Gebieten des deutschen Kunst⸗ gewerbes während der letzten 25 Jahre. Die Sitzung findet im großen Saal des Architektenhguses 8 ¾ Uhr Abends statt. 8
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Handel und Gewerbe. “
Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom 7. Februar hat der gesammte Kassenbestand bei einem Betrage von 975 Heshen ℳ der Vorwoche gegenüber um 9 153 000 ℳ zugenommen; der Metall⸗ bestand allein ist um 10 078 000 ℳ angewachsen. Der Bestand an Wechseln zeigt mit 511 367 000 ℳ eine Abnahme um 32 331 000 ℳ und der Bestand an Lombardforderungen mit 83 059 000 ℳ eine folche um 13 846 000 ℳ; auf diesen beiden Anlagekonten zusammen ist also ein Rückgang um 46 177 000 ℳ eingetreten. Auf passiver Seite hat sich der Betrag der umlaufenden Noten um 35 536 000 ℳ auf 1 042 732 000 ℳ ermäßigt, aber auch die sonstigen täglich fälligen Verbindlichkeiten (Giroguthaben) haben sich um 1 926 000 ℳ auf 410 353 000 ℳ vermindert. 8
Fyheater und Musik.
Lessing⸗Theater. 1b 1b Als ein harmloses, belustigendes und mit vielen ensasn e Petene; ausgestattetes Soldatenstüch erwies sich das gestern zum ersten ale im Lessin aufgeführte Lustspiel i