1896 / 38 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Von den Betriebsunfällen ereigneten sic1ht. den Staatsbahnen bei einer Betriebslänge von IqqP61616161B16161P61616ö6öö auf den Privatbahnen bei einer Betriebslänge 11146142*““ Je ein Unfall kommt auf

Tausend Zugkilometer

Kilometer Betriebslänge

bei den Staatsbahnen ... V 171 118 bei den Privatbahnen 342 153

Wenn die Verwaltungen nach dem geometrischen Mittel aus den Betriebslängen und den geleisteten Zugkilometern ge⸗ ordnet werden, so treten an die ungünstigste Stelle:

bei den Staatsbahnen: 8

die Main⸗Neckar⸗Eisenbahn und die Verwaltungsbezirke der Königlichen Direktionen in Essen und in Elberfeld, bei den Privatbahnen: die Lef nitzer Eisenbahn und die Hessische Luͤdwigseisenbahn.

Im Monat Januar d. J. haben 304 Schiffe mit einem Netto⸗Raumgehalt von 51 759 Reg.⸗Tonnen den Kaiser Wilhelm⸗Kanal benutzt und ühren zusammen 37 158 entrichtet.

Der Wirkliche Geheime Ober⸗Baurath im Reichs⸗Eisen⸗ bahn⸗Amt Streckert hat eine Dienstreise angetreten.

Hannover, 11. Februar. Der Provinzial⸗Landtag erklärte sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Antrage des

ö auf Errichtung einer vierten Provinzial⸗

Irrenanstalt einverstanden, mit der Maßgabe, daß die Pläne

und Kostenanschläge dem nächsten Provinzial⸗Landtag zur

Genehmigung vorgelegt werden sollen. Das Fischereigesetz

wurde sodann in zweiter Lesung nach den Vorschlägen der Kommission angenommen.

Bayern.

In der Kammer der Abgeordneten betonte gestern, dem „W. T. B.“ zufolge, bei der allgemeinen Berathung des Justiz⸗Etats der Abg. Lerno (Zentr.), daß in der Zen⸗ trumspartei keiner sei, der nicht das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs lebhaft wünsche; aber man habe gewisse Bedenken wegen der Stellung der Kirche und wegen der allzuleichten Mobilisierung des Grundbesitzes. Zur Beseitigung dieser Bedenken sei eine Kommissions⸗Be⸗ rathung nothwendig gewesen. Er hoffe, daß die Kommission diese Bedenken beseitigen werde, glaube aber niche, daß die Kommissionsarbeiten sich noch in dieser Reichstagssession würden erledigen lassen. Dr. Orterer (Zentr.) trat dieser Erklärung bei. Der Justiz⸗Minister von Leonrod dankte dem Abgeordneten Serne für seine Ausführungen und vertheidigte die von den Sozialdemokraten angegriffene Reichs⸗ Justiznovelle.

Sachsen.

Die Erste Kammer bewilligte gestern die Kap. 73 bis mit 87, mit Ausnahme des Kap. 77 a, des Staatshaushalts⸗ Etats für 1896/97, welche das Departement der Finanzen nebst dessen unmittelbaren Dependenzen betreffen.

Hessen. 8.

In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer ge⸗ langte der Antrag der Abgg. Osann und Genossen auf Neuorganisation der höheren Staatsbehörden zur Berathung. Der erste Ausschuß will diesem Antrage statt⸗ Fgeben wissen und beantragt demgemäß: das Staats⸗

nisterium zu ersuchen, die Frage der Neuorgani⸗ sation der höheren Staatsbehörden in Erwägung zu ziehen, demnächst eine Kommission zur Berathung darüber zu berufen und zu einer entsprechenden Neu⸗ organisation der höheren Staatsbehörden zu schreiten. Das Staats⸗Ministerium hat sich, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, zu dem Antrage Osann dahin geäußert, daß es die Zeit für die Verwirklichung solcher Pläne noch nicht für gekommen erachte, wenn es auch zugebe, daß man eine Neuorganisation wünschen und im Auge behalten müsse. Der Staats⸗Minister Finger begründete die Stellungnahme der Regierung im einzelnen und sagte zu, die Frage der Reorganisation der 1. Staatsbehörden sobald als irgend möglich in Bearbeitung nehmen zu wollen. Der Verlauf der weiteren Debatte zeigte, daß man im Hause überall mit dem Antrage Osann einverstanden sei; nur wurde seitens der Abgg. Wasser⸗ burg und Ulrich auch die finanzielle Seite der Frage betont. Der Antrag des Ausschusses gelangte hierauf einstimmig zur Annahme 8

E

Meecklenburg⸗Schwerin.

In dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß⸗ herzogs ist, nach einem den „Meckl. Nachr.“ zugegangenen Telegramm aus Cannes von gestern, eine wesentliche Aende⸗ rung nicht eingetreten. Die Erholung schreitet langsam fort.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

„Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat am ver⸗ gangenen Sonntag den neu ernannten österreichisch⸗ungarischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Grafen von Lützow empfangen und aus dessen Händen das Beglaubigungsschreiben seines Souveräns entgegengenommen. Der Gesandte wurde hierauf Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin vorgestellt und zur Großherzoglichen Tafel gezogen. Mecklenburg⸗Strelitz.

„Der neuernannte preußische Gesandte Graf von Wall⸗ witz ist am 8. d. M. von Seiner Königlichen Hoheit dem Fröbberheg behufs Entgegennahme des Beglaubigungs⸗ schreibens in Audienz empfangen worden. Später wurde der Gesandte auch von Ihren Königlichen Hoheiten der Groß⸗ herzogin und der Erbgroßherzogin empfangen und zur Frebberwolichen Tafel geladen. 12

vrn

Eis enbahn⸗

chwarzburg⸗Tondershausen.

Der Landtagsausschuß ist zur Wiederau nahme seiner

es Landtags⸗

EEö“ Thätigkeit unter dem Vorsitz de in Sonders⸗

Präsidenten Hartmann⸗Arnstadt am 10. d. hausen zusammengetreten.

SDesterreich⸗Ungarn. 88

Der rusfisch General⸗Major Graf Golenistschew⸗ Kutusow ist gestern Nachmittag in Wien eingetroffen und wird heute die Reise nach Sofia fortsetzen. 8

Der böhmische Landtag seßte gestern die Debatte über das Budget fort. Der Abg. Kramar (FJungezeche) ent⸗ wickelte dabei die materiellen Vortheile, welche die Deutschen von einem Staatsrecht haben würden; nur sollten sie nicht die Erhaltung ihrer Sonderrechte verlangen. Die Jung⸗ czechen würden mit dem Großgrundbesitz zusammengehen, wenn derselbe wirklich bereit sei, die staatsrechtlichen Grundsätze der Jungczechen zu verwirklichen. Sodann trat Kramar energisch den Bemerkungen des Abg. Baxa über die Krone und die Dynastie entgegen und sagte, es gehöre zum staatsrechtlichen Programm der Jungczechen, für die Erhöhung des Glanzes der Krone zu wirken. Redner fuhr fort: während in Rußland und Frank⸗ reich die Reaktion förmliche Triumphe feiere, sehe man in Deutschland und Oesterreich durch Vermittlung der Kronen, mit

ilfe der Parteien Fortschritt und soziale Reformen gedeihen.

er Abg. Prinz Friedrich von Schwarzenberg wies auf die wirthschaftlichen Verhältnisse Böhmens hin und erklärte, die Großgrundbesitzer Böhmens ständen auf der historischen Basis des Staatsrechts, wenn es auch nothwendig sei, Kon⸗ zu machen. Redner hielt es für das Beste, zur Basis ie Fundamentalartikel zu nehmen, welche als einer der glücklichsten Versuche zur Lösung der böhmischen Frage er⸗ schienen. Die Großgrundbesitzer, sagte der Redner, strebten somit an, daß der Kaiser, sobald es ihm gut erscheine, das Staatsrecht durch seine Krönung zum König besiegele. Der Streit zwischen den beiden Stämmen des Landes erlösche aber vor der erhabenen Person des Kaisers. „Wir werden,“ schloß der Redner, „die materiellen Interessen und das Staats⸗ recht Böhmens vertheidigen, ebenso aber die Interessen des deutschen Volkes wahren, in Treue für den Kaiser und das Vaterland.“ Der Abg. Kaizl (Jungczeche) erklärte, er sei durch die Rede des Prinzen Schwarzenberg sympathisch berührt worden. Nach längerer Debatte wurde zum Generalredner für das Budget der Abg. Dr. Fournier und zum Generalredner gegen dasselbe der Abg. Dr. Herold gewählt.

Das ungarische Unterhaus beschäftigte sich gestern ausschließlich mit der Angelegenheit Pulszky. Der Abg. Graf Julius Szapary befürwortete den Antrag auf Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission und reichte für den Fall, daß dieser Antrag nicht angenommen werde, einen Antrag ein, wonach das Unterhaus das in der An⸗ Fheheit des Museums für die schönen Künste befolgte

orgehen der früheren und der jetzigen Regierung miß⸗ billigen und die Vorlage der Akten fordern solle. Zur Be⸗ gründung⸗ seines ersteren Antrags führte der Redner aus, die Regierung habe durch Anweisung einer größeren Summe für die Erwerbung von Kunstwerken für das Museum ihre Befugnisse überschritten. Unter gespannter Aufmerksam⸗ keit des Hauses erklärte hierauf der Abgeordnete, ehemalige Minister⸗Präsident Dr. Wekerle, daß er die volle Verant⸗ wortung für das, was er gethan, übernehme und die politische Solidarität mit seinen früheren Kollegen aufrecht⸗ erhalte. Er erörterte sodann die Frage, ob die frühere Regie⸗ rung berechtigt gewesen sei, die in Rede stehenden Summen auszugeben. Die Zustimmung zum Ankauf von Bildern im Werth von 167 000 Fl. habe er erst gegeben, als das Haus den Vorschlag zur Errichtung eines Museums der schönen Künste bereits angenommen gehabt habe. Die Verausgabung der für Ge⸗ mälde bestimmten Gelder vor Verständigung mit dem Parlamente sei deshalb erfolgt, weil die Gelegenheit zu Bilderankäufen infolge des Kursstandes eine außerordentlich günstige gewesen sei und die Ankäufe durch eine vorherige parlamentarische Erörterung sicherlich vertheuert worden wären. Schon in seinem Bericht, den er im Oktober 1894 der Landeskommission für die Millenniumsfeier überreichte, habe er erklärt, daß die Kosten für das Museum der schönen Künste von 1896 bis 1899 flüssig zu machen sein würden, obwohl die entsprechende Vorlage erst im Jahre 1896 werde eingebracht werden. Das Haus sei aber von der Sachlage unterrichtet gewesen. Die Regierung habe zwar ohne Rechtsbasis, aber im Bewußtsein ihrer Ver⸗ antwortung gehandelt und habe, ohne wichtige Interessen zu verletzen, nicht anders handeln können. Einen eigentlichen Schaden habe der Staatsschatz auch nicht erlitten, da die an⸗ geschafften Kunstgegenstände mehr werth seien, als sie gekostet hätten. Im übrigen wies der Redner darauf hin, daß der Minister die Gemälde durch habe untersuchen lassen und auch Strafanzeige erstattet habe. Redner bat den Minister, die für das Museum für schöne Künste bestimmten Kunstwerke auch durch einen ausländischen Fachmann untersuchen zu lassen, und bekämpfte sodann noch den Antrag des Grafen Szapary, der mit den gewohnten parlamentarischen Formen unvereinbar sei. Eine materielle Verantwortung könne nur eine Versetzung ein Anklagezustand zur Folge haben, und eine politische Tragweite habe dieser Antrag nicht. Der Abg. Graf Szapary sah sich einer Be⸗ merkung des Vorredners gegenüber zu einer kurzen Entgegnung veranlaßt, worin er darauf hinwies, daß die unter seiner Ver⸗ waltung vorgekommenen Mehrausgaben in den Schluß⸗ rechnungen nachgewiesen worden seien, was man von den in Rede stehenden unpräliminierten Ausgaben nicht behaupten könne. Er habe die unpräliminierten und die Mehrausgaben stets verurtheilt, und da diejenigen seiner Kollegen, welche diese Beträge verausgabten, nicht die Konsequenzen gezogen hätten, so habe er es gethan. Den ihm gemachten Vorwurf weise er also entschieden zurück. Die Verhandlung wurde sodann auf heute vertagt. 1“

Großbritannien und Irland.

Das Parlament ist gestern mit einer vön dem Lord⸗ Großkanzler Earl of Salisbury verlesenen Thronrede er⸗ öffnet worden, in der es, dem „W. T. B.“ zufolge, seigt.

„Ich empfange fortgesetzt von den anderen Mächten Versicherungen freundschaftlicher Gesinnungen. Zwischen meiner Regierung und der der französischen Republik ist ein Abkommen getroffen worden, welches den

weck hat, die Unabhängigkeit des Königreichs Siam noch mehr zu ichern. Die Kommissare, für die Feststellung der Grenze zwischen Indien und Afghanistan einerseits und den Ländern des Kaisers von Rußland and its hab⸗ über di Grenzlini

Linie ist sowohl von mir als auch von dem Kaiser von Rußland nehmigt worden. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat e⸗ Wunsch ausgedrückt, an der Beilegung der Streitigkeiten, welche seit langen Jahren zwischen meiner Regierung und Venezuela bezüglich der Grenze zwischen letzterem Lande und dem englischen Guyana be⸗ stehen, mitzuwirken. Ich habe dem Wunsche, daß eine billige Rege. lung stattfinde, beigepflichtet und hoffe, daß die weiteren Verhandlungen zu einer befriedigenden Regelung führen werden. Der Sultan der Türkei hat die hauptsächlichsten Reformen in Armenien genehmigt, auf die ge, meinschaftlich mit dem Kaiser von Rußland und dem Präsidenten der französischen Republik zu bestehen ich für meine Pflicht gehalten habe Ich bedauere lebhaft, daß der fanatische Aufruhr eines Theils der türkischen Bevölkerung in jenen Provinzen zu einer Reihe von Greuel⸗ thaten geführt hat, welche in unserem Lande tiefsten Unwillen hervor⸗ riefen. Der plötzliche Einbruch einer bewaffneten Armee aus den unter der Kontrole der englischen Süd⸗Afrika⸗Kompagnie stehenden Gebieten in die Südafrikanische Republik hat zu einem be⸗ dauernswerthen Zusammenstoß mit den Streitkräften der Burghers eführt“ Nach einer Darlegung der bekannten Vorgänge und er von der englischen Regierung und dem BPreo‚sidenten Krüger unternommenen Schritte heißt es in der Rede weiter: „Nach der von dem Präsidenten Krüger bei dieser Gelegenheit beobachteten Haltung und nach seinen freiwillig abgegebenen Versiche⸗ rungen darf ich annehmen, daß er erkennt, wie wichtig es sei, den be⸗ rechtigten Beschwerden abzuhelfen, welche die Mehrzahl der Ein⸗ wohner Transvaals vorbringt.“ In der Rede wird dann darauf hin⸗ gewiesen, daß die Expedition gegen die Aschantis nothwendig gewesen und glücklich verlaufen sei; bedauernswerth sei aber der Verlust theurer Menschenleben, darunter das des Prinzen von Battenberg, der freiwillig seine Dienste zur Verfügung der Königin und seines Adoptiv⸗ vaterlandes gestellt habe. Die Königin spricht in der Thronrede dann ihren Dank aus für die ihr und der Prinzessin von Battenberg be⸗ wiesene allgemeine Theilnahme. Ferner wird in der Rede der von der Tschitral⸗Expedition errungene Erfolg festgestellt. Als wichtigsten Berathungsgegenstand des Parlaments nennt die Thronrede die Vermehrung und Verbesserung der Seestreitkräfte. Dann werden in der Rede Maßregeln angekündigt zur Milderung des unter der landwirthschaftlichen Bevölkerung infolge der unglücklichen Lage der Landwirthschaft herrschenden Nothstands; ferner werden angekündigt eine Gesetzesvorlage, betreffend die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber bei Unfällen der Arbeiter, sowie eine Vorlage, welche die Einschränkung der Einwanderung von ausländischen Armen bezweckt, und endlich ein Gesetz, betreffend die agrarischen Verhältnisse in Irland.

Beide Häuser traten sofort in die Berathung der Adresse ein.

Im Oberhause kritisierte Lord Rosebery die Thron⸗ rede und sprach sein Bedauern darüber aus, daß die Be⸗ ziehungen mit Deutschland gefährdet gewesen seien. Der Fremie⸗ Minister Lord Salisbury erklärte: Präsident rrüger sei von dem Wunsche der Regierung, daß er nach England komme, lange vor der Veröffentlichung des Wunsches in Zeitungen unterrichtet gewesen; über seine Absichten sei die Regierung nicht unterrichtet. Bei der Vertheidigung des Vertrags mit Frankreich, betreffend Siam, führte Lord Salisbury aus: Der Vertrag entspreche den Wünschen der indischen Regierung; die Gefahr, gegen die England sich verwahren wolle, sei klar, denn zwischen Frank⸗ reich und Siam hätten Differenzen entstehen können, die zu einem Konflikt zwischen beiden und zum Verschwinden des Königreichs Siam hätten führen können; letzteres würde eine ernste Frage für England geworden sein. Die Besoörgnisse seien jetzt beseitigt, denn der Vertrag schütze einen wesentlichen Theil Siams gegen die Möglichkeit eines Angriffs. In einigen Gesichtspunkten stimme er (Lord Salisbury) mit Lord Rosebern überein, nämlich darin, daß die Einmischung der Vereinigten Staaten in die Angelegenheit Venezuelas befriedigende Resul⸗ tate für England schneller herbeiführen könne, als es ohne die Einmischung Amerikas möglich gewesen sein würde. An gesichts der geographischen Lage Venezuelas müsse dasselbe für Amerika ebensolches Interesse haben, wie Holland und Belgien für England. Ueber den Stand der Unter⸗ handlungen sei es nicht erwünscht, Näheres zu sagen, aber während der letzten Wochen sei die Hoffnung gestiegen, daß man eine befriedigende Lösung finden werde, und daß jede Gefahr eines Bruches abgewandt sei. Damit wolle er nicht sagen, daß ein Einverständniß bereits erzielt sei. Amerika schenke einem Schiedsgericht zur Regelung von Streitfragen mehr Werth als England dies bisher gethan habe. England könne einen Vorschlag, der mittels Schiedsspruchs 40 000 britische Unter⸗ thanen an Venezuela übertragen könnte, nicht annehmen; aber es glaube, es könnten Mittel gefunden werden, um durch Verbindung von Unterhandlungen mit dem Schiedsspruch eie befriedigende Lösung herbeizuführen. Auf die armenssche Frage übergehend, erklärte Lord Salisbury, in keinem Vertrag, den England unterzeichnet habe, sei die Zusage zu finden, da England dem Sultan den Krieg erklären werde, wenn er sein Land nicht besser verwalte, auch habe er in seinen Reden nie mit einer englischen Kriegserklärung gedroht, sondern nur den Sultan vor den Folgen gewarnt, die eintreten würden, wenn der Sultan die Ansichten Europas außer Acht lasse; er (Lord Salisbury) sei bereit, die Warnung zuwiederholen, daß in solchem Falle nichts die Zerstörung des Reichs des Sultans verhindern könne. Er behaupte nicht, daß dies sofort eintreten werde, er glaube vielmehr, die Mächte würden eine derartige Katastrophe so weit als möglich hinausschieben; wenn aber das bisherige Verwaltungssystem fortdauere, könne die Katastrophe nicht ewig verschoben werden. Zur Unterdrückung eines Bürgerkrieges wie er jetzt entstanden sei, seien Reformen nicht genügend, da zu bedürfe es einer militärischen Besetzung. Der Schriftwechsel werde zeigen, daß die anderen Mächte keineswegs geneigt ge⸗ wesen eäe. eine militärische Besetzung durch England zu er⸗ muthigen, zu unterstützen oder zu dulden. Rußland habe in bestimmten Worten erklärt, daß der Kaiser die Anwendung von Gewalt von seiten Rußlands beanstandet habe und großen Widerwillen dagegen sowie gegen die Anwendung von Gewalt seitens einer andern Macht hege. Lord Salisbury wies den Gedanken zurück, daß England die Armenier aufgegeben und daß das europäische Konzert keinen Vortheil für die Christen in der Türkei erreicht habe; selbst die Mächte, welche geger eine Einmischung mit materiellen Mitteln seien, hätten keines wegs die Hoffnung aufgegeben, daß durch einen Druck auf den Sultan eine bessere Verwaltung in Klein⸗Asien geschaffen werden könne; dieselben glaubten, daß, falls dem Sultan Zeit gelassen werde, eine Besserung zu gewärtigen sei. Hierauf wurde die Adresse angenommen.

Im Unterhause erklärte der Erste Lord des Schatzes Balfour: in Betreff der Absichten der Regierung hinsichtlich der Südafrikanischen Kompagnie werde der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain im Laufe der Besprechung eine Erklärung abgeben. Die bewaffnete Gewalt werde anstatt der Kompagnie einem Beamten übertragen werden. Nach der richterlichen Untersuchung werde notch eine erschöpfende Unter fuchung der Thätigkeit und der Stellung der Kompagnie er⸗ olgen, falls die erstere nicht genügt haben sollte. Die Debatte dauerte bis Mitternacht und wurde dann vertagt. m Eme

Der Senator Monis brachte, wie „W. T. B.“ berichtet, in der gestrigen Sitzung des Senats eine Interpellation in über den Wechsel der Person des Untersuchungs⸗ eichters, der mit der CCC betraut Vor und behauptete, dieser Wechsel sei un ssebmä ig gewesen. Der Justiz⸗Minister Ricard rechtfertigte die Gesetzmäßigkeit des Wechsels. Monis brachte darauf eine Tagesordnung ein, worin bedauert wird, daß eine Ungesetzmäßigkeit begangen Der Minister⸗Präsident Bourgeois beantragte die einfache Tagesordnung, denn die Tagesordnung Monis könnte im Lande den Glauben erwecken, der Senat wolle die Aufhellung der Sache verhindern. Die einfache Tagesordnung wurde mit 158 gegen 85 Stimmen abgelehnt und eine solche mit 161 gegen 57 angenommen, worin die volle Aufhellung der Sache gefordert, aber auch bedauert wird, daß Unregel⸗ mäßigkeiten begangen seien. Darauf wurde die Sitzung ge⸗

en. . sclose Deputirtenkammer setzte die Berathung des Be⸗ richts über die Eisenbahnkonventionen fort. Der Depu⸗ tirte Pelletan griff Raynal heftig an und drückte sein Er⸗ staunen darüber aus, daß der Bericht kein einziges Tadelswort für Raynal, der das Land getäuscht habe, enthalte. Raynal erging sich darauf in ÄAngriffen wider Pelletan. Der Mnister der öffentlichen Arbeiten Guyot⸗Dessaigne er⸗ klärte, wenn die Zinsgarantie noch im Jahre 1914 hiftrhe⸗ so könnte das Parlament dieselbe ja aufheben. Damit war die Berathung geschlossen. Bei der Schlußabstimmung wurde der erste Theil des Berichts, in welchem es heißt, daß die Kammer sich über die Abkommen von 1883 nicht äußere und alle Rechte des Staats sich vorbehalte, mit Stimmeneinhellig⸗ keit bei 350 Abstimmenden angenommen. Der zweite Theil, in welchem erklärt wird, es liege kein Grund vor, Raynal in den Anklagezustand zu versetzen, wurde mit 370 gegen 73 Stimmen genehmigt. Der ganze Bericht wurde alsdann durch Aufheben der Hände angenommen. 1

Die Minister Bourgeois, Doumer, Ricard, Guyot⸗ Dessaigne und Lockroy hielten gestern nach den Sitzungen in der Deputirtenkammer und im Senat eine Konferenz im Palais Bourbon ab. Von der Demission eines der Minister war keine Rede. Wahrscheinlich wird die gestern im Senat verhandelte Frage in der Sitzung der Deputirtenkammer am Donnerstag zur Sprache kommen. 8

Der Minister für die Kolonien Guieysse empfing gestern eine Depesche des französischen Residenten in Tana⸗ narivo vom 28. Januar, wonach die Lage dort vollständig befriedigend ist.

Spanien.

Ein Bataillon Infanterie ist gestern von Madrid nach Cadix abgegangen, um sich von dort nach Cuba zu be⸗ geben. Dasselbe wurde mit jubelnden Zurufen begrüßt.

Belgien.

In Brüssel fand gestern im Palais des Grafen von Flandern Galatafel statt, an welcher der König, der Graf und die Gräfin von Flandern, der Herzog von Vendome und seine Braut, die Prinzessin Henriette, der Prinz Albert von Belgien, die Fürstlichen Gäste sowie sämmtliche in Brüssel beglaubigten Gesandten der fremden Mächte mit ihren Gemahlinnen theilnahmen. Der König führte die Königin von Sachsen, der Prinz Albert die Gräfin Montholon, Gemahlin des französischen Gesandten. Nach dem Diner wurde Cercle abgehalten.

Türkei.

Der französische Botschafter Cambon erschien am Mon⸗ tag zum ersten Male nach dem ihm vor elf Monaten zuge⸗ stoßenen Unfalle im Yildiz⸗Palais zum Diner sowie 88 Audienz bei dem Sultan, dem er ein den letzten Botschafts⸗ wechsel betreffendes Schreiben des Präsidenten Faure über⸗ reichte. Nach dem Abschluß der Zeitun⸗Angelegenheit wird sich der Botschafter nach Egypten begeben. 8

Wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel erfährt, rären da⸗ 8 Nachrichten aus Zeitun eingetroffen, denen zufolge die

ermittelungsvorschläge zu einem ngen Abschlusse geführt hätten. Nach der „Agenzia Stefani“ hätten die Füͤhrer der Aufständischen folgende Bedingungen zur Ueber⸗ H⸗ angenommen: 1) Auslieferung sämmtlicher Kriegswaffen, ie indessen gleichzeitig auch den Mohammedanern, die in der Umgegend wohnen, abgenommen werden sollen. Im Privatbesitz befindliche ee se len den Eigenthümern belassen bleiben. 2 Allgemeine Amnestie für die Einheimischen mit der alleinigen lusnahme, daß ein gerichtliches Vorgehen auf dem Klageweg für gemeine Vergehen möglich ist. Einige nicht einheimische Agitatoren sollen ausgewiesen werden. 3) Der Sultan wird die Forderungen der Einwohnerschaft in Erwägung ziehen, wonach gewisse Steuern und Steuerrückstände zu erlassen sind und die zerstörte Kaserne nicht wieder aufgebaut werden soll. 4) Es wird in Gemaͤßheit der bereits beschlossenen Reformen ein christlicher Kaimakaͤm eingesetzt werden. Die Botschafter sollten die Pforte ersuchen, zu erklären, daß sie die Sicherheit der Person und des Eigenthums der Aufständi⸗ schen formell garantiere. Die Konsuln sollten in Gemein⸗ schaft mit den Behörden die Heimsendung der Aufständischen ordnen und an Ort und Stelle überwachen.

8 Serbien.

Der Minister⸗Präsident Novakovic erklärte gestern in der Skupschtina, die rumänische Re⸗ ierung habe ihre inwilligung zu dem Bahnanschluß an die Timok⸗Bahn ge⸗ geben.

Bulgarien.

Wie die „Agence Balcanique“ meldet, habe die Regierung aus Konstantinopel die offizielle Mittheilung erhalten, daß der Sultan den Prinzen Ferdinand als Souverän von Bulgarien anerkannt und den türkischen Botschaftern bei den Großmächten den Auftrag gegeben habe, die betreffenden Regierungen um ihre Zustimmung zu bitten.

Der Watster ad cheis Stoilow ist stantinopel nach Sofia zurückgekehrt und auf dem Bahnhof von sämmtlichen Ministern empfangen worden. Ein zahl⸗ reiches Publikum brachte ihm bei seinem Eintreffen Ovationen dar. Der bulgarische Exarch traf gestern Nachmittag ein. Derselbe wurde von sämmtlichen Ministern, einem Flügel⸗Adjutanten sowie der hohen Geistlichkeit empfangen und von einer zahlreichen Menge begeistert begruͤßt. Der Erarch begab sich zunaͤchst mit dem Minister⸗Präsidenten Stoilow in einer Hofequipage zu einem kurzen Gottesdienst

estern aus Kon⸗

in die Kirche, dann in das Palais des Metropoliten und von dort zur Audienz nach dem Palais des Prinzen.

Die Session der Sobranje ist bis zum 4./16 2 ““*“

8 Februar verlängert worden.

88 Amerika. 8 1“

Der General Weyler hielt gestern bei seiner Ankunft in Havanna Ansprachen an die Behörden, worin er ausführte, daß er, solange der Krieg dauere, keinerlei politische Unter⸗ scheidung machen werde; für ihn gebe es nur Spanier und Separatisten.

1“

Asien.

Leeenganeschang und Shaoyu⸗Lien werden, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Peking berichtet, als außerordent⸗ liche Gesandte des Kaisers von China der Krönung des Kaisers von Rußland in Moskau beiwohnen. Tschang⸗Yin⸗Huan ist zur Fortführung der Unterhand⸗ lungen behufs Abschlusses des Handelsvertrags mit Japan bestimmt worden. Das Abkommen, betreffend die Eröffnung des West Riverfür den Handel, welchem China bereits bedingungsweise zugestimmt hat, ist nunmehr definitiv abgeschlossen worden.

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Entiscio vom Montag: Der General Baratieri habe eine Rekognoscierung bis in die Linie der äußersten Vorposten unternommen. Die Stellung des Feindes sei immer noch dieselbe, in zwei Lager getheilte. Man bemerke die zahlreichen Zelte des ersten Lagers auf einer weiten Fläche zwischen zwei Bergen. Ungefähr 4 km rückwärts sehe man das andere Lager, dasjenige Me⸗ nelik's, durch Hügel gedeckt. Der Feind unternehme Streif⸗ züge bis in die Nähe von Adua. .

Die Grenzen der Niederlassung Diégo Suarez“, welche durch die Festsetzungen des am 1. Oktober 1895 zu Tananarivo abgeschlossenen Friedens erweitert worden sind, werden, der „France militaire“ zufolge, gegenwärtig durch eine von den beiden Vertragsmächten zu diesem Zweck an Ort und Stelle entsendete Abordnung genau bestimmt. Diégo Suarez wird bis zu 12,45 Grad südlicher Breite reichen und der Scheidelinie zwischen dem französischen und dem mada⸗ Psgschen Staat, in der Umgegend von Port Luquez an der Ostküste beginnend, dem Laufe des Luky⸗Flusses folgen, das Ambregebirge einschließen und den Mananjeba⸗Fluß entlang und der Insel Nossi Mitsiu gegenüber die Westküste erreichen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (38.) Shsng des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher beiwohnte, stand zunächst auf der Tages⸗ ordnung folgende Interpellation der Abgg. Freiherr von Heyl (nl.) und Genossen: 1 „Im Verfolg des Beschlusses des Reichstags vom 11. Mai 1885 sind dem Reichstag am 29. April 1887 die Ergeb⸗ nisse der von den Bundesregierungen angestellten Ermitte⸗ lungen über die Lohnverhältnisse der Arbeiterinnen der Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche, sowie über den Verkauf oder die Lieferung von Arbeitsmaterial (Näh⸗ faden ꝛc) seitens der Arbeitgeber an die Arbeiterinnen und über die Höhe der dabei berechneten Preise zugegangen. Nachdem sich die Lage dieser Arbeiterinnen seit jener Zeit noch ungünstiger gestaltet hat, richten die Unterzeichneten die Anfrage an die verbündeten Regierungen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen dieselben zum Schutz für Gesundheit und Sittlichkeit und gegen Ausbeutung dieser Arbeiterinnen durch das Trucksystem zu ergreifen beabsichtigen?“ Der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher erklärte sich zur sofortigen Beantwortung bereit. Das Wort nahm zuerst der Abg. Freiherr von Heyl

Abgeordneten wurden zunächst die Abgg. Biesenbach, Feh isch, Hauptmann, von Heydebreck, Horn, von Knapp, Krings, Langer, Latacz und Schag derane welche den ver⸗ fassungsmäßigen Eid noch nicht geleistet haben, in der üblichen, feierlichen Form vereidigt.

dritter Berathung wurde darauf der Gesetzentwurf, betreffend eine Ermäßigung der Gebühren bei der ersten Anlegung der Register für Binnenschiffe, ohne Debatte angenommen.

Sodann wurde die Wahl des Aog. Durlach (3. Lüneburg) dem Antrag der Wahlprüfungskommission gemäß für gültig erklärt.

Ueber die Petitionen des Destillateurs Radziejewski in Oels um Rückzahlung eines Stempelbetrags, sowie des Waldwärters a. D. Casper in Wiesbaden um Gewährung einer Pension oder um Wieder⸗ aufnahme in den Forstdienst ging. das Haus zur Tagesordnung über.

Die Petition des Kanzleigehilfen Hansen in leswig um An⸗ stellung im Justizdienst wurde, entgegen dem Antrage der Justiz⸗ Kommission, auf Vorschlag des Abg. Christophersen (fr. kons.) der Regierung zur Erwägung überwiesen. 1

Ueber die Petition des Hofbesitzers Grote in Hohenhameln und Anderer um Aenderung der ee erdan für die Provinz S8s dahin, daß die Scheidung zwischen den Verbänden der

roßgrundbesitzer und Landgemeinden bei der Wahl der Kreistags⸗ abgeordneten aufgehoben werde, beantragte die Gemeinde⸗Kommission zur Tagesordnung überzugehen.

Abg. Langerhans (fr. Va.): Schon bei der Einführung der Kreisordnung in den neueren Provinzen wünschten wir, den Unterschied zwischen Groß⸗ und Kleingrundbesitz aufzuheben. Es wäre bielleicht jetzt die Zeit, dies zu beantragen, weil die Großgrundbesitzer immer behaupten, sie verträten die Interessen der Kleinbesitzer. Wir sind heute noch derselben Meinung wie früher, ich stehe aber von einem Antrage ab.

Das Haus beschloß den Uebergang zur Tagesordnung.

Darauf wurde die zweite Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 1896/97 fortgesetzt.

Die Etats der Lotterieverwaltung, des See⸗ handlungsinstituts, der Münzverwaltung, des Bureaus des Staats⸗Ministeriums wurden ohne

Debatte bewilligt. 1 8

Bei dem Etat der Staats⸗Archive wünschte

Abg. Freiherr von Heereman (Zentr.), daß die Archivbeamten nicht so häufig nach anderen Stationen versetzt werden, weil sie ihre Thätigkeit nur förderlich ausüben könnten, wenn sie durch lange Erfahrung genaue Kenntniß von Land und Leuten in den Landestheilen hätten, wo sie angestellt seien; er bitte die Archivverwaltung, nament⸗ lich die Vorsteher der einzelnen Staatsarchive inz den ] Provinzen

E.—

dauernd an ihren Stellen zu lassen. —,

(nl.), dessen Rede bei Schluß des Blattes noch fortdauerte. stände lassen sich ausgleichen innerhalb der Verfassung durch die Be⸗

In der heutigen (18.) Sitzung des Hauses ber

Heftigkeit

Berichterstatter Abg. von Bockelberg machte nähere Mit⸗ theilungen über die Neuregelung der Gehälter der Archivbeamten.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum empfahl einige Aenderungen in den beee Stellen der Archivbeamten und wünschte eine weitere Aufbesserung der Assistenten.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) begrüßte die Besserstellung der Archiv⸗ beamten mit Freuden, bedauerte aber, daß sie noch immer nicht mit den Bibliotheksbeamten gleichgest t sind und daß durch die geplante neue Organifation die alte bewährte Or⸗

anifation der Staatsarchive umgestoßen werde. Man solle der Anre ung des Abg. Grafen Limburg Folge leisten. Die Rangver⸗ hältnisse der Archipbeamten seien noch in keiner Weise geregelt. Das Maximalgehalt erreichen die Archivbeamten erst mit dem 62. Lebens⸗ jahre. Den Assistenten müsse die Dienstzeit als Assistent bei Berech⸗ nung des Dienstalters mit angerechnet werden.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Rheinbaben erwiderte, daß die neue Regelung der Gehaltsverhältnisse der Archivbeamten diesen zum Vortheil gereiche. Eine pöllige Gleichstellung in der ganzen Monarchie ist nicht möglich. Den Wünschen der Beamten werde hoffentlich im nächsten Jahre noch weiter Rechnung getragen werden können.

Abg. Gothein (fr. Vg.): Die Archivbeamten haben keine E haben aber darum auch länger als andere

eamten auf Aufbesserung warten müssen und auch jetzt noch nicht viel mehr erreicht. Sie müssen so lange auf Anstellung warten, daß sie erst mit 62 Jahren das Höchstgehalt erreichen. Redner empfah deshalb eine Vermehrung der etatsmäßigen Stellen. .

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Dr. Fried⸗ berg und Sattler (nl.) sowie des Geheimen Ober⸗ Lehnert und des Geheimen Ober⸗Regierungs⸗ Raths von Rheinbaben wurde der Etat der Staatsarchive bewilligt. .

Die Etats der General⸗Ordenskommission, des Geheimen Zivilkabinets und der Ober⸗Rechnungs⸗ kammer wurden ohne Debatte bewilligt.

Beim Etat der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte besprach

Abg. Freiherr von Richthofen (kons.) das geplante neue Reglement für den Vorbereitungsdienst der höheren Verwaltungs⸗ beamten. Er halte es für nöthig, daß sich die Assessoren auch mit den Zweigen des praktischen Lebens, wie Landwirthschaft, Bankwesen und Genossenschaftswesen, beschäftigen.

Die Etats des Disciplinarhofs, des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, des Ge⸗ ö“ in Berlin, des Deutschen

eichs⸗ und Preußischen Staats⸗Anzeigers, der Landesvermessung und des Hauses der Abgeordneten wurden ohne Debatte bewilligt. .

Beim Etat des Herreh auses bemerkte

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Zeitungsnachricht, daß dem Familienverbande der Puttkamer ein Sitz im Herrenhausc verliehen sei, hat Erstaunen in bürgerlichen Kreisen hervorgerufen; man meint, daß der Großgrundbesitz dort genügend vertreten ist, während korpo⸗ rative Verbände und das bürgerliche Leben keine genügende Ver⸗ tretung haben. Ich will den Werth eines Oberhauses nicht unter⸗ schätzen, ich halte dieses für werthvoll für das politische Leben; aber wenn eine solche erste Kammer ihren Zweck erfüllen soll, muß sie in sich enthalten alle hervorragenden wirthschaftlichen und geistigen Kräfte des Volks und ferner die Vertreter hervorragender korporativer Verbände. Darin liegt der Werth eines von der Volkswahl unabhängigen Hauses. Die jetzige Zusammen⸗ sehun des Herrenhauses entspricht diesen Anforderungen nicht.

ir haben darin eine übertriebene Vertretung des Großgrundbesitzes, eine Vertretung der Städte in unvollkommenem und unzureichendem Maße nach der Bedeutung der Städte, eine Fülle von ehemaligen Beamten, eine Vertretung von Universitäten, aber wir haben beispielsweise gar nicht eine Vertretung von Handel und Industrie, die in Bezug auf die Bedeutung des Erwerbslebens der Landwirthschaft nicht nachsteht; der Groß⸗ handel ist garnicht vertreten im Herrenhause, die Industrie lediglich durch den Freiherrn von Stumm, der aber vielleicht ebenso als Grundbesitzer in Frage kommt, und auch wichtige sittliche und geistige Verbände und Korporationen unseres Vaterlandes sind unzulänglich ver⸗ treten; eine dieser hervorragenden Korporationen, die katholische Kirche, ist lediglich durch einen Bischof, die protestantische Kirche das ist auch ein Beitrag zur Paritätsfrage überhaupt nicht vertreten. Die Städte sind lange nicht im Verhältniß zu ihrer Bedeutung im Oberhause vertreten. Die Verfassung giebt uns das Mittel an die Hand, diese Zustände zu berücksichtigen, ohne daß eine Reform des Verfassungslebens in Aussicht zu nehmen ist. Wir haben in anderen Ländern eine Oberhausbewegung, bei uns noch nicht. Die Uebel⸗

rufung von Vertretern von Handel und Industrie und der korporativen Verbände. Es könnte mir vielleicht der Einwand gemacht werden, daß diese Frage zu den Prärogativen der Krone ehört und daher nicht zu erörtern ist. würde einer sühden Auffassung auf das allerentschiedenste widersprechen. Die Berufung in das Herrenhaus ist ein rein politischer Akt, der unter der Verantwortlichkeit des Staats⸗Ministeriums erfolgt. Des⸗ halb ist es gerechtfertigt, wenn ich das Staats⸗Ministerium ersuche, bei der Krone eine geeignete Vertretung im Herrenhause anzuregen.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.): Ich will dem Abg. Friedberg nicht das Recht bestresten, hier den Wunsch auszusprechen, daß Berufungen ins Herrenhaus eintreten möchten in der Weise, daß mehr Industrielle hineingelangten. Es ist ja nicht zu ver⸗ kennen, daß die Berufung ins Herrenhaus unter Kontrasignatur der Minister erfolgt und daß deshalb hier auch darüber ge⸗ sprochen werden kann. Aber wenn ich das vorausgeschickt habe, so muß ich doch darauf das Gewicht legen, daß es entschieden eine ö der Krone ist, in letzter Instanz darüber zu ent⸗ cheiden, wen der Souverän in das Herrenhaus berufen will und wen nicht. Die Wünsche können ja vorge⸗ tragen werden, und ich kann mir den Fall denken, daß von seiten des Ministeriums gewünscht wird, daß jemand berufen wird, daß aber Seine Majestät den Betreffenden nicht haben will, und umgekehrt. Wie die Verhältnisse bei uns sind, wird doch der persönliche Wille des Souveräns der allein maßgebende bleiben. Nachdem ich das festgestellt habe, glaube ich weiteres nicht bemerken zu müssen. eees

Der Etat des Herrenhauses wurde bewilligt.

Schluß 1 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. (Etats der direkten Steuern, der Bergverwaltung ꝛc.)

Kunst und Wissenschaft.

Der Universitäts⸗Professor Salvioni in Perugia hat, wie „W. T. B.“ meldet, ein Instrument erfunden, welches die Röntgen'schen Strahlen für das menschliche Augewahrnehmbar macht. Dasselbe hat den Namen „Kryptoskop“ erhalten. Man soll mit Hilfe desselben im stande sein, in den Geweben des menschlichen Körpers befindliche Fremdkörper unmittelbar, auch ohne Anwendung von Photographien, deutlich wahrzunehmen. Gleich⸗ zeitig sei hierbei mitgetheilt, daß eine wohlgelungene chirurgische Anwendung Röntgen’'scher Strahlen in voriger Woche in Berlin stattgefunden hat. Eine Frau hatte sich vor zwei Monaten eine Nähnadel in die rechte Hand (Kleinfingerballen) feitoßen Die⸗ selbe brach beim Stoß ab und war verschwunden. Ursprünglich waren die Beschwerden gering, dann aber stellten sich chmerzen ein, die bis in den rechten Oberarm ausstrahlten, von ioher

waren und dringend Hilfe erheischten. Zu fühlen