1896 / 42 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

de Der Lester der zoologischen Station in Neapel, Gebeime

Regierungs⸗Rath Professor Dr. Dohrn beabsichtigt in Ralum (Neu⸗Pommern) eine Zweigniederlassung zu begründen. Professor Dahl von der Universität zu Kiel wird, wie das „D. Kol.⸗Bl.“ mittheilt, zu diesem Zweck mit dem nächsten Post⸗ dampfer sich nach Ralum begeben um sich zunächst einen umfassenden Ueberblick über die Fauna der Gazellenhalbinsel zu verschaffen. Die nöthigen eingeborenen Fischer sind bereits in Neapel vorgebildet worden; die Räumlichkeiten stellt der Parkinson zur Verfügung. Das Unternehmen wird durch eine Beihilfe aus dem Fonds zur Förderung der Erschließung Afrikas und anderer Länder⸗ gebiete unterstützt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Laut Bekanntmachung der Königlich schwedischen Medizinal⸗ verwaltung vom 3. Januar 1896 darf die Einfuhr seewärts von Wiederkäuern und Schweinen, sowie von Thieren des Pferdegeschlechts bis auf weiteres nur nach den Städten

lsingborg, Malmö,

eernösand, Stockholm, Kongelf (via Gothenburg), Sundsvall, Landskrona, Söderhamm und Lulen, UHImeà

Theater und Musik.

Lessing⸗Theater.

Frrau Hedwig Niemann trat am Sonnabend in der Titelrolle des Sardou’'schen Lustspiels „Madame Sans⸗Gôöne“ auf. Ihre Auffassung der Rolle lief, wie zu erwarten war, mehr auf eine kraftvolle, naturwahre und lebendige Menschengestaltung hinaus, als auf das Bemühen, die schöne Form und das Gefällige der Sardou'’schen Figur, wozu Kostüme und scenische Umgebung verlocken, in den Vordergrund zu rücken. Die Sardou'sche Madame Sans⸗ Göne ist so stark auf rein äußerliche, theatralische Wirkungen daß nur eine Darstellerin ersten Ranges darauf verzichten ann, sich der geläufigen äußeren Mittel auch thatsächlich zu bedienen. Die große schauspielerische Kraft der Frau Niemann, ihre sonnige Heiterkeit, ihr fröhliches Lachen, ihre tiefe Empfindung ver⸗ mochte sich fast in allen Scenen siegreich zu bewähren; aber auch ihrer klaren und reinen Erfassung der künstlerischen Aufgabe blieb ein Rest von dichterischen Hemmungen des einheitlichen Charakterbildes unüberwindbar. Herr Suske gestaltete den Napoleon durch seine sonderbar kurzen Bewegungen, die kleinen Laufschritte im Zimmer aund ähnliche Aeußerlichkeiten in der That zu einer Lustspielfigur. In den übrigen Rollen hatten keine bemerkenswerthen Neubesetzungen stattgefunden. Der Beifall galt verdientermaßen zumeist der Gastin, die nach allen Akten wiederholt hervorgerufen wurde. .

Konzerte.

Im Saale der Königlichen Kriegs⸗Akademie fandam Freitag zu einem wohlthätigen Zweck ein „Musikalisch⸗deklamatorischer Abend“ statt, welchen die wohlbekannte Konzertsängerin Frau Anna Goldbach veranstaltet hatte. Das Duett „Una sera d'amore“ von Campana, welches die Damen Emmy Lampe und die Konzertgeberin vortrefflich vortrugen, machte den Anfang. Die Altistin und Gesanglehrerin Frau Ida Klee, deren Konzert⸗ Vorträge in der Aula des Falk⸗Realgymnasiums jüngst so großen Beifall fanden, brachte hierauf ihre klangvolle Stimme und fein⸗ sinnige Schattierungsweise in zwei Liedern von W. von Woikowski⸗ Biedau und Franz sowie in Rubinstein's „Sang der Vöglein“ wirksam zur Geltung. Außerdem erfreuten Frau von Barby (Sopran) und die Herren Soma Pick⸗Steiner (Violine) und Karl Schwarz (Bariton) durch wohl gelungene Vorträge, die von dem zahlreich erschienenen Publikum beifällig aufgenommen wurden. Die Klavierbegleitung befand sich in den geschickten Händen der Frau Marie Reschke. Die deklamatorische Betheiligung an

dem Konzert hatte der durch seine Jugendschriften bekannte Schrift⸗

steller und Dichter Herr Dr. Julius Lohmeyer mit „FErinnerungen

an 1870/71“ übernommen. Auch seinem Vortrag wurde lebhafter

Beifall zu theil.

An demselben Abend gab im Saal der Sing⸗Akademie die junge Violin⸗ ö“ Marie Burnitz aus Frankfurt a. M. ibr erstes Konzert. Ihr Geigenton ist zwar kein großer, doch besitzt sie eine anerkennenswerthe technische Fertigkeit, spielt sauber und trägt mit Empfindung vor. Dies machte sich in der A-dur-Sonate von Brahms für Klavier und Violine und in kleineren Pibcen von Spohr, Vieuxtemps, Mendelssohn und Anderen angenehm bemerkbar. Die

sjanistin Martha Hornig, welche sich jüngst in einem eigenen

onzert mit Erfolg hören ließ, unterstützte die Violinspielerin in der obengenannten Sonate sowie durch den wohlklingenden Vortrag einiger bekannten Klavierstücke von Mendelssohn, Chopin und Liszt. Am Sonnabend ließ sich Fräulein Marianne Millde, eine junge Sängerin aus Stockholm, im Saal Bechstein zum ersten Mal hierselbst hören. Ihre wenn auch nur kleine Stimme ist recht wohlklingend; eine größere Sicherheit im Tonansatz muß die Künstlerin noch durch fortgesetzte Studien zu erreichen sich bemühen. Interessant war es, unter den gewählten Liedern auch einige hier noch nicht bekannte skandinavische Gesänge zu hören. „I drömmen“ und „Jahrlang möcht' ich so dich halten“ von E. Sjögren, sowie „Mit Hjertes Dronning“ von Bacher Gröndai und ein schwedisches Volkslied „Pehr Svinaherde“ wurden mit besonders lebhaftem Beifall aufgenommen. Der Violinist Herr Alfred Meyer, Mitglied der „Neuen Berliner Symphonie⸗ kapelle“, spielte mit weichem und vollem Ton, technischer Sicherheit und gutem Ausdruck einige Piécen von Spohr, Rehfeld und Svendsen und erntete gleich der Sängerin reichen Beifall.

Zu derselben Zeit traten in der Sing⸗Akademie der Baritonist Alex ander Heinemann und der Violoncellist Joseph Horwitz auf. Beide haben ihre Studien am Stern'’schen Konservatorium ge⸗ macht und zeichnen sich durch gediegenes Können aus. Der Sänger bewährte dieses in der Arie „Es ist genug“ aus Mendelssohn’'s „Elias“ sowie in Liedern von Schubert und einem Liede eigener Komposition. Der Violoncellist bekundete seine technische Fertigkeit und warme Empfindung in Kompositionen von Beethoven, Goltermann, Bach und Popper. In der zu Anfang gespielten A-dur-Sonate ven Beethoven führte Herr G. Freudenberg seinen Klavierpart recht befriedigend aus. 4

Im Königlichen Opernhause werden morgen Rossini’'s Oper „Der Barbier von Sevilla“ mit Herrn Bulß in der Titelrolle und das Ballet „Phantasien im Bremer Rathskeller“ gegeben. Am Donnerstag, dem Tage der Beisetzung von Ambroise Thomas, wird des französischen Meisters Oper „Mignon“ aufgeführt. Das Werk geht an diesem Abend zum 103. Mal in Berlin in Scene.

Im Königlichen Schauspielhause ist die Aufführung von Friedrich Hebbel’s „Judith“ auf nächste Woche verschoben worden. Außer dem Schwank „Die Höllenbrücke“ wird daselbst auch Georg Engel's Schauspiel „Hadasa“ zur Aufführung gelangen. Die Haupt⸗ rollen befinden sich in den Händen des Fräulein Lindner und des Herrn Matkowsky. Im März wird mit vollständig neuer Ausstattung als 2. und 3. Abend des Cyclus von Shakespeare's Königsdramen „König Heinrich der Vierte“ in der 8e-g.. von Schlegel⸗Tieck, bearbeitet von Wilhelm Oechelhäuser, gegeben werden.

Morgen gelangt Shakespeare's Richard der Zweite“, über⸗

setzt von Schlegel, bearbeitet von Wilhelm Oechelhäuser, zur Auf⸗ führung. Die eesetang lautet: König Richard: Herr Matkowsky; Königin: Fräulein Poppe; Herzog von Lancaster: Herr Molenar; Herzog von York: Herr Klein; Bolingbroke: Herr Ludwig. Hedwig Niemann wird auf besonderen Wunsch Ernst von Wilden⸗ bruch's in der einaktigen Schauspiel⸗Novität „Jungfer Immergrün“, welche am nächsten Sonnabend im Lessing⸗Theater zur ersten Aufführung gelangt, die weibliche Hauptrolle seuires In „Madame Sans⸗Géne“ wird die Künstlerin nur noch zweimal auftreten, und zwar am morgigen Dienstag sowie am Freitag.

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vom 17. Februar,

Wetterbericht r Morgens.

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Dirigent:

Tanzbild,

Stationen. Wind. Wetter. Graeb.

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5 0 C. = 40 R.

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4 bedeckt 1 bedeckt 6 bedeckt 2 Dunst 764 2 bedeckt 755 4 wolkenlos 749 2 wolkig 754 3 Schnee ¹)

bedeckt halb bed. wolkig bedeckt Nebel bedeckt Dunst heiter wolkenlos wolkenlos wolkenlos wolkenl. ²) wolkenl. ¹³) heiter bedeckt 778 Nebel Breslau. 775 W Nebel

Belmullet.. Aberdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. . 5 St. Petersburg Moskau ...

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¹) Gestern und Nachts Schnee. ²) Reif, Dunst.

3³) Nebel. Uebersicht der Witterung.

Eine breite Zone hohen Luftdrucks erstreckt sich von den Britischen Inseln ostsüdostwärts über Zentral⸗Europa hinaus nach der Balkanhalbinsel, wogegen Nordost⸗Europa von einer umfangreichen Depression überdeckt wird, deren Kern am Weißen Meer liegt. In Deutschland ist das Wetter im Norden bei schwachen Westwinden mild und trübe, im Süden bei schwacher östlicher Luftströmung kalt und trübe; Niederschläge werden nicht ge⸗ meldet. Chemnitz und Bamberg melden 8 ½, München 10 ½ Grad unter Null, dagegen ist das ganze Küstengebiet frostfrei. In Südrußland herrscht trenge Kälte, Charkow minus 24 Grad. Deutsche Seewarte. hafen.

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Gene.

Lautenburg.

in 3 Akten von

Aönigliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗

haus. 43. Vorstellung. Der Barbier von Sevilla. Komische Oper in 2 Aufzügen von

Dienstag: Kostümen,

Gioachimo Rossini. von Cesar Sterbini, übersetzt von Ignaz Kollmann. Kapellmeister tasien im Bremer Rathskeller. frei nach Wilhelm Hauff, Musik von Adolf Steinmann. Musikdirektor Steinmann. Schauspielhaus. 49. Vorstellung. König Richard der Zweite. Trauerspiel in 5 Aufzügen von William Shakespeare, übersetzt von August Wilhelm von Für die deutsche Bühne bearbeitet von Wilhelm Oechelhäuser. Ober⸗Regisseur Max Grube. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Mittwoch: Opernhaus. rusticana. Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascäagni. nach dem gleichnamigen Volksstück von G. Verga. Bajazzi. Oper in 2 Akten und einem Prolog. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch artmann. Schauspielhaus. nachtstraum von William Shakespeare, übersetzt von August Wilhelm von Schlegel. Für Mendelssohn⸗Bartholdy. raeb. Anfang 7 ½ Uhr.

11“ .

Deutsches Theater. Dienstag: Liebelei.

Vorher: Der zerbrochene Krug. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Neu einstudiert: ee Heinrich der Vierte von Shakespeare.

Donnerstag: Liebelei.

Berliner Theater. Dienstag: König Hein⸗ „Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Der Pfarrer von Kirchfeld. Donnerstag: König Heinrich.

Lessing-Theater. Dienstag: Zweites Gast⸗ spiel von Hedwig Niemann. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Comtesse Guckerl. Donnerstag: Der Thron seiner Väter.

Residenz⸗Theater. Dienstag: Hotel zum Freihafen. (L'Hötel du Libre Echange.) Schwank

bearbeitet von Benno Jacobson. Mittwoch und folgende Tage: Hotel zum Frei⸗

8 81 8 Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25 26. Mit Dekorationen und Regquisiten: Der Hungerleider. Ausstattungs⸗Komödie mit Gesang

Im Konzerthause wird am Mittwoch, den 19. d. M Professor Dr. Carl Reinecke, der 18n e Dirigent Gewandhaus⸗Kapelle in Leipzig, seine neue ö. in G persönlich dirigieren. Außerdem wird Herr Dr. Reinecke, der sich ei bedeutenden Rufs als Mozart⸗Spieler erfreut, das Klavier⸗Konzert ft B-dur von Mozart vortragen. Auch gelangt an diesem Abend in

neues Violin⸗Konzert von Major zum ersten Mal zur Aufführung

Mannigfaltiges.

Berliner Gewerbe⸗Ausstellung 1896. Der unter den Vorsitz des Afrikaforschers Grafen von Schweinitz thätige Arbeitn ausschuß der Sonderausstellung deutscher Kolonien (Gruppe XXIII des Gesammtunternehmens) hat jetzt sein Programn festgesetzt und folgende Eintheilung getroffen: 1) Darstellung dn Handelsbeziehungen zu den Kolonien, Produkte, Maschinen, sonf Artikel aller Art; 2) Darstellung sonstiger Erzeugnisse aus dem Pflanzen⸗ und Thierreich, der mineralischen Schätze aus den Kolonien Sammlungen zoologischer, ethnographischer, botanischer, mineralogischer Art; 3) Darstellung des Lebens der Eingeborenen, ihrer Wohnungen Festungen, häuslichen Einrichtungen, ihrer Arbeit und Vergnügungen ze⸗ theilweise durch Aufbau von Dörfern und Vorführung von Ein. geborenen mit ihren Familien; 4) Darstellung des Lebens der Europäer in den Kolonien, ihrer häuslichen Einrichtungen; 5) Dar⸗ stellung der Ausrüstungen, Formation der Karawanen ꝛc. für Forschungs⸗ reisen ins Innere Afrikas; 6) Porträts hervorragender Forscher Reisewerke, kartographische und photographische Darstellungen, wissen⸗ schaftliche Instrumente u. a; 7) Abtheilung für Tropenhbygiene. Das Bureau befindet sich Lhe 3, 2 Treppen, wohin auch alle geschäftlichen Anfragen zu richten sind.

Der Erfolg, den hier und anderwärts die Idee der Ausgabe von „Ausstellungs⸗Marken“ gehabt hat, hat auch den geschäfts⸗ führenden Ausschuß der im nächsten Jahre zu Leipzig statt⸗ findenden „Sächsisch⸗Thüringischen Gewerbe⸗ und In⸗ dustrie⸗Ausstellung“ bewogen, Marken herstellen zu lassen welche die Bestimmung haben, die Kunde von dem Unter⸗ nehmen zu verbreiten. Dieselben sind von dem Professor M. Hon⸗ negger geschmackvoll entworfen und werden durch das typographische Inststut von Gieseckeund Devrientin Leipzig und Berlin vertrieben. Ein Exemplar der Marke liegt uns vor. Auf mosaikartig gehaltenem Goldgrund thront hoheitsvoll eine Lipsia; ihr linker Arm stützt sich auf einen Schild mit dem Stadtwappen, der rechte hält Lorbeerkranz und Palme. Die unteren Ecken zeigen Attribute der Industrie und des Gewerbes; nach außen zu umschließt ein blauer Rand die In⸗ schrift: Sächsisch⸗Thüringische Industrie, und Gewerbe⸗Ausstellung Leipzig 1897. Der untere freie Raum ist dem Aufdruck von Firmen⸗ namen vorbehalten.

Die bekannte Blumenhandlung von J. C. Schmidt in Erfurt, Hoflieferant Seiner Majestät des Kaisers und Königs, ver⸗ sendet zum herannahenden Frühjahr ihre geschmackvoll ausgestatteten, umfangreichen Samen⸗ und Pflanzenkataloge und ihr Rosen⸗ und Baumschulen⸗Verzeichniß. Beide sind reich illustriert und so übersichtlich geordnet, daß den Kunden die Auswahl und Bestellung der gewünschten gärtnerischen Erzeugnisse so leicht wie möglich gemacht ist.

Friedeberg (Neum.). Die vier Verpflegungsstationen, welche im hiesigen Kreise bestehen, werden, dem Beschlusse des Kreis⸗ tages vom 10. Dezember v. J. gemäß, mit dem 1. April d. J. ein⸗ gehen, da ihr Weiterbestehen, nachdem die Stationen in den Nachbar⸗ kreisen schon seit längerer Zeit aufgehoben sind, zwecklos erscheint.

(Fortfetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.) 8 3

Dichtung nach Beaumarchais, Sucher. Phan⸗ Idee des Mark Twain. Phantastisches von Emil Dirigent: Anfang 7 ½ Uhr.

Herr Kapellmeister Winné. Mittwoch: Der Hungerleider.

Ueues Theater.

In Scene gesetzt vom vom K. u. K.

Carré. Deutsch von

44. Vorstellung. Ca- In Scene gzesetz⸗

(Bauern⸗Ehre.) Text

Anfang 7 ½ Uhr. e

Feuern.

Anfang 7 ½ Uhr.

50. Vorstellung. Ein Sommer. Direktor. Vorher:

zwischen zwei Feuern. Sonntag Nachmittag:

Musik von Militärstaat.

Tanz von Emil

FZFulius Fritzsche. Fean

Anfan Uhr. Worber: Der zer⸗

Herr Voigt. Großes Ballabile, J. Reisinger.

Norrie. Die Musikalische Scherze. W

leys Taute. Brandon.

Die Bajazzi.

Benno Jacobson. 7 ½ Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Direktion: Sigmund

Georges Feydeau, übersetzt und Anfang 7 ½ Uhr.

Nacht. Tanz Julius Freund.

großartiger Ausstattung an

lach. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Eine tolle Nacht.

und Ballet in 10 Bildern von Julius Keller und Louis Herrmann, mit theilweiser Benutzung einer Musik von Louis Roth. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Anfang 7 ½ Uhr.

Schiffbauerdamm 4 a./5. Dienstag: Gastspiel des Herrn Franz Tewele priv. Carl⸗Theater in Wien. Der Herr Direktor (Monsieur le Directeur). Lustspiel in 3 Akten von Alexandre Bisson und Ferdinand Groß. von Sigmund Lautenburg. Vorher: Ein Zündhölzchen zwischen zwei Schwank in 1 Aufzug nach schen des H. Honoré von Georg Hiltl. Anfang

r. Mittwoch, Donnerstag und Freitag: Der Herr Ein Zündhölzchen

Zu halben 1 Preisen : Der

Theater Unter den Linden. Dienstag: Letzter Ball in dieser roßer Fastnachts⸗Maskenball. Vier Musikkorps (200 Musiker): Das Theater⸗Orchester, die russische Hauskapelle des Hotel Monopol, die vollständige Kapelle des Kaiser Franz⸗Garde⸗Grena⸗ dier⸗Regiments Nr. 1, Musik⸗Dirigent: Herr John, das vollständige Korps des 1. Garde⸗Dragoner⸗ 11 Regiments Königin von England, Musik⸗Dirigent: Zum ersten Male: Walzer⸗Reigen. arrangiert vom

Mittwoch: Gastspiel der Frau Petterson⸗ schöne Helena.

Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag: Char⸗ Schwank in 3 Akten von Thomas

Repertoirestück des Globe⸗Theaters in In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Parodistische Posse mit (Gesang und Tanz in 1 Akt von Ed. Jacobson und Musik von F. Roth. Anfang

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 50. Dienstag: Emil Thomas a. G. Eine tolle

Große Ausstattungsposse mit Gesang und in 5 Bildern von Wilh. Mannstädt und Musik von Julius Einödshofer. Secene gesetzt vom Direktor Richard Schultz. ie Tanz⸗Arrangements vom Balletmeister Gund⸗

Konzerte.

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Konzert⸗-Haus. Dienstag, den 18. Fastnachts⸗Subskriptions⸗Ball. Karten à 3 im Bureau des Hauses.

Mittwoch, den 19. Februar: Großes Extra⸗ Symphonie⸗Konzert, unter gütiger Mitwirkung der Herren Professor Major, Lauboeck (Violine,, Lingen (Gesang, Alt), Professor Dr. Reinecke.

Sing-Akademie. Dienstag, Anfang 8 Uhr⸗ III. Klavier⸗Abend von Ferruccio B. Busoni.

Saal Bechstein. Linkstraße 42. Dienstag Anfang 7 ½ Uhr: III. letzte Abonnements⸗Soiree des Böhmischen Streich⸗Quartetts.

dem Fran⸗

Birkus Renz. Karlstraße. Dienstag, Abende 7 ½ Uhr: Außerordentliche Vorstellung. Groß⸗ artiger Erfolg! Ein Künstlerfest. Auf das

GFlanzendste insceniert vom Direktor Fr. Renz. Außerdem: Auftreten von nur Künstler⸗Spezialitäten Direktion: allerersten Ranges. Vorführung der berühmten Original⸗Dressuren des Direktors Fr. Renz. Auftreten sämmtlicher Clowns und des beliebten Original⸗August Mr. Lavater Lee. Alles Nähere aus Plakaten ersichtlich.

Mittwoch: Ein Künstlerfest. 1

Seit 5 Monaten befindet sich in Einstudierung und scenischer Vorbereitung: Lustige Blätter!

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: 888 Margarethe Wittmack mit Hm. Dr. phil. Friedrich Krüger (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: 228 Regierungs⸗Bau⸗ meister Goldschmidt (Berlin). Eine Tochter: Hrn. Pfarrer Ernst Heffter (Rohrbeck b. Jüterbog). Hrn. Lieut. Ernst von Eickstedt (Stargard iu Pomm.). Hrn. Regierungs⸗Assessor Dr. von Obernitz (Liegnitz).

Gestorben: Hr. Rittmeister a. D. Hans Gebhar Dräseko von Kröcher (Charlottenburg). Hr. Bürgermeister Ludwig Matzky (Schönlanke). Hr. Oekonomie⸗Direktor a. D. Oswald Sudg

(Breslau). Hr. Rektor a. D. Wilhelm Kittel,

(Breslau). Fr. Postsekretär Johanna Altmann

geb. Posner (Breslau).

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Hierauf: 16““

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagk⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

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Erste Beilage

eutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staat

Deeutscher Reichstag. 41. Sitzung vom 15. Februar 1896, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der Nummer d. Bl.

vom Sonnabend berichtet. 8

Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Reichs⸗ haushalts⸗Etats, und zwar des Militär Etats beim Titel: „Gehalt des Kriegs⸗Ministers“.

Abg. Bebel (Soz.): eer Kriegs⸗Minister hat gestern in längerer Ausführung mich zu widerlegen gesucht, gelungen ist es ihm nicht. Er sagte in Bezug auf die Soldatenmißhandlungen: Herr Bebel hat wohl selbst den Eindruck gewonnen, daß dieses Repertoire nicht mehr die nöͤthige Zugkraft hat. Für mich ist es gleichgültig, wie stark das Haus hier besetzt ist im Saal und auf den Tribünen. Wir haben zu sprechen, wenn der Gegenstand auf der Tagesordnung steht, und bei den Millionen draußen finden meine Ausführungen mehr Anklang wie hier im Hause. Der Kriegs⸗Minister hat mich für leichtgläubig gehalten. Das bin ich keineswegs. Es handelt sich bei den Mißständen, deren Abstellung wir verlangen, garnicht um sozialdemokratische Forderungen; alles, was wir wollen, kann auf dem Boden der jetzigen Gesellschaftsordnung geschehen, und wenn Sie die ver⸗ morschte Ordnung noch aufrechterhalten wollen, müssen Sie die Klagen ab⸗ stellen, die wir vorbringen. Was ist mir denn Falsches nachge⸗ wiesen? Ich habe Briefe verlesen von einem jungen Mann, der ich wegen Mißhandlungen das Leben nehmen wollte. Der junge sannn hat sich aber nachher das Leben nicht genommen. Dafür in ich doch nicht verantwortlich. Dier ö ist, daß der junge Mann überhaupt zu diesem Entschluß kommen konnte. Uebrigens hat der Kriegs⸗Minister bei diesem Fall zugestanden, daß die Kameraden einen Mann, den man besonders peinigen will, überfallen und miß⸗ handeln. Das kann doch von der Behörde nicht gebilligt werden, aber der Kriegs⸗Minister scheint das ganz in der Ordnung zu finden.

Durch solche Thatsachen schlagen Sie ja fortwährend der Religion,

der Moral, der sittlichen Ordnung ins Gesicht. In einem andern all soll der Rücken nicht vereitert gewesen sein. Ich habe gegen militärärztliche Zeugnisse ein großes Mißtrauen; wenn die Militärärzte alles das, was sie dbeß einigen müssen, beim jüngsten Gericht vertreten sollen, dann wird es ihnen schlecht gehen. Der Mann soll bestraft sin, weil er die Mißhandlungen zuerst abgeleugnet hatte. Parum hat er denn gelogen? Weil er fürchtete, bei lussage der Wahrheit noch schlimmer behandelt zu werden. Man kann solchen Aussagen, wie ich an eeinzelnen ällen beweisen kann, nicht immer trauen, selbst wenn sie beeidigt fal (Präsident Freiherr von Buol: Ich nehme an, daß der Redner nicht im allgemeinen von militärischen Eiden spricht, sondern nur von einzelnen Fällen.) Ich bitte den Herrn hesüdenten, vom steno⸗ graphischen Bericht Kenntniß zu nehmen, derselbe wird ergeben, daß ich nicht das gesagt habe, was einzelne Herren gehört zu haben ver⸗ meinen. Im Fall von Strombeck ist allerdings der Mann, der die Behauptung aufgestellt hatte, wegen Verleumdung angeklagt, aber er ist doch nicht verurtheilt worden. Im Hamburger Fall sprach der Kriegs⸗Minister von einem Denkzettel. Darin lag eine gewisse Ge⸗ nugthuung. Das Kriegsgericht hat anders geurtheilt; es hat den Major von Sculze⸗Klosterfelbe zu zwei Monaten Gefängaiz, ver⸗ urtheilt. In Bezug auf die Duelle hat der Kriegs⸗Minister ge chwiegen. Es ist seltsam, daß alle bürgerlichen Parteien, trotzdem sie doch das Duell nicht vertheidigen, schweigen, wo sie sprechen sollten. Das ist in Zustand, der auf die Untergrabung der Moral hinwirkt, mmentlich wenn von der höchsten Stelle ein solch gemein⸗ gfährlicher Unfug geduldet wird. Leider hat Lassalle die dummheit gemacht, sich in ein Duell einzulassen. Kein Sozial⸗ emokrat wird das entschuldigen. Wenn Lassalle heute noch lbte, würde er wahrscheinlich anders denken. Die Ordens⸗ verleihungen sollen wegen der militärischen Stellung erfolgt und des⸗ halb der militärische Rang dem bürgerlichen Beruf vorangestellt sein. Es war jedenfalls ein Novum, daß dies bei den diesjährigen Drdensverleihungen zum ersten Mal geschah. Vielleicht ist es nur ene Nachahmung der Sucht, den Reserve⸗Lieutenant auch im bürger⸗ lchen Leben hervorzukehren. Eigentlich geht uns die Sache nichts in, denn wir Sozialdemokraten kommen nicht in die Lage, uns wegen Dndensverleihungen Kopfschmerzen zu machen; das wäre Sache der bürgerlichen Parteien gewesen, aber ich wußte, daß es von dieser Seite nicht gerügt werden würde. Die Presse ist manchmal noch twfer, in den Landesvertretungen aber spricht man nicht von solchen Sachen. Die Broschüren, die mir der Kriegs⸗Minister anbot, besitze sch längst; ich könnte dem Kriegs⸗Minister vielleicht manche aus meinem Vorrath anbieten. Die Verfasser der Broschüren haben doch manche Erfahrungen gemacht, die man 58 gut verwerthen kann. Daß ein Tauf⸗ und Trauzwang geübt wird, findet der Kriegs⸗Minister ganz begreiflich. Er schreibt den Verzicht auf die kirchlichen Akte einer schlechten Erziehung und verderb⸗ lichen Einwirkung zu. Es handelt sich darum, ob die Militärbehörde überhaupt eine Befugniß zu einem solchen Zwang hat. Der 588 Minister scheint garnicht zu wissen, daß wir ein Zivilstandsgesetz haben. Die Statistik weist nach, daß die Kriminalität bei den Dissi⸗ denten am geringsten ist, daß sie also sittlich am höchsten, minde⸗ stens denen, die sich Christen nennen, gleichstehen. Luther betrachtete die Ehe als ein rein weltliches Ding, in welches die Kirche nicht eingreifen soll. Mit den wissenschaftlichen Vorträgen in den Jünglings⸗ vereinen ist es nicht weit her; es wird mit der Wissenschaft 8. viel Unfug getrieben. In den Jünglingsvereinen wird sehr viel über aöffentliche Angelegenheiten gesprochen und Politik getrieben. In eister Linie wird natürlich die Sozialdemokratie bekämpft. Die Rommandierung von Soldaten in eine Gerberei entschuldigt der Kriegs⸗Minister mit einem Nothstand; einen solchen Nothstand des Unternehmers benutzen die Arbeiter, um ihre Forderungen durch⸗ zusetzen. Das ist auch jetzt beim Ausstand der Konfektionsarbeiter der Fall; sie wissen, daß die Unternehmer Bestellungen haben. Wenn das Angebot von Arbeitskräften groß ist, dann drücken die Unternehmer die Löhne. Dabei darf ein Eingriff der Behörden nicht vorkommen; am allerwenigsten seitens der Armee. Der Kollege Schall hat meine Rede sehr ernsthaft genommen; denn er hat zur Widerlegung die längste Rede gehalten, die er bisher je gehalten hat. Le ich streng objektiv zu sprechen versucht habe, wird mir allgemein bestätigt werden. Herr Schall hat sich in seinem Urtheil über meine Rede Uebertreibungen u Schulden kommen lassen. Ich bin allerdings nicht Soldat sewesen, aber ich bin Soldatenkind, in der Kasematte geboren und abe 8 ein lebhaftes Interesse für militärische Dinge gehabt. abe nicht gesagt, daß Herr Schall das Duell vertheidigt hat,

fr hat es aber gerechtfertigt im Jahre 1894 am 5. März und zwar o, daß der Abg. Lieber dagegen Protest erhob. Wenn er und seine mtskollegen das Duell verurtheilen, dann ist ihr Einfluß in der Armee ein außerordentlich schwacher. Die Sozialdemokraten sind hedfr Armee ebenso gute Soldaten das hat der Reichskanzler raf Caprivi anerkannt wie sie gute Arbeiter sind. Herr Schall geach von der religiösen Gesinnung des Heeres, von seiner sittlichen aͤltung. Ich wollte darauf nicht eingehen, weil ich ohnehin schon böses Blut sa erregt habe. Ich weise nur auf einen Vortrag des Pastors Wagner zuf. dem Kongreß der Sittlichkeitsvereine über die stzrlicen Ver⸗ misse auf dem Lande hin; danach ist der Ausdruck „Unschuld vom 98 e ein durchaus unzutreffender. Es wird in diesem Vortrag Heer als eine Schule der Unzucht bezeichnet; die Soldaten würden

Berlin, Montag, den 17. Februar

durch das Beispiel der Vorgesetzten verleitet. Wenn es so schlimm in der Armee aussieht, dann kann man sich nicht wundern, daß die Folgen sich im bürgerlichen Leben zeigen. Pastor von Bodelschwingh schildert die traurigen Feste der Kriegervereine, wo es so herging, daß er sich sagte: Einmal und nicht wieder habe er sich daran betheiligt. Sehen Sie die Programme der Herrenabende der Kriegervereine! Wenn das am dürren Holze, den älteren Leuten, passiert, wie wird es dann erst beim grünen Holze aussehen? Wenn ich einmal Zeit habe, eine Broschüre zu schreiben, dann werde ich nicht den von Herrn Schall mir VvW Titel wählen, sondern den folgenden: Kapi⸗ talismus und Militarismus, die Zwillingskinder einer untergehenden Gesellschaft. Und das Material dazu werden mir Herr Schall und seine Genossen geben.

Kriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Wenn ich sechs oder sieben Mal dem Herrn Abg. Bebel nachgewiesen habe, daß er sich geirrt hat, daß er Un⸗ recht hat, dann behauptet er acht oder zehn Mal, er habe Recht. Auf mich macht das absolut keinen Eindruck. Ich glaube, es macht auch keinen Eindruck auf die nichtsozialdemokratischen Mitglieder des hohen Hauses, die gewohnt sind, sich ihr Urtheil selbst zu bilden und nicht auf unbeglaubigte Angaben des Herrn Bebel hin. (Sehr richtig! rechts.) Im übrigen muß ich sagen, es besteht im ganzen Lande auch nicht der allergeringste Zweifel darüber, daß von der Allerhöchsten Stelle herab bis in die unterste Instanz unserer Vorgesetzten die Mißhandlungen aufs schärfte verurtheilt werden und daß sie, dank der sorgsamen und scharfen Einwirkung der Kommandobehörden, von Jahr zu Jahr mehr abnehmen. Welchen Zweck hat es, daß der Herr Abg. Bebel hier einige Fälle alljährlich vorträgt, sie breit tritt und sie so darzustellen sucht, als wären sie der schlagende Beweis dafür, daß in der Armee ganz verrottete Zustände herrschen? Der Zweck ist: zu agitieren nach bekannten Rezepten gegen die Armee. (Sehr richtig! rechts) Väter und Mütter der Wehrpflichtigen sollen mit Haß und Verachtung gegen das Heer erfüllt, den Wehrpflichtigen selbst soll noch, bevor sie in den Dienst treten, der Dienst verleidet werden. (Sehr richtig!) Das ist der ganze Zweck der Sache. Ich will hier nicht näher auf Details eingehen, die der Herr Abgeordnete vorgebracht hat; mir kam seine lange Rede wie ein langsamer Rückzug vor, bei dem er nur mit den Heckgeschützen feuerte. Im übrigen muß ich bemerken, der Herr Abgeordnete be⸗ findet sich zuweilen in großem Irrthum, wenn er, ohne den Zusammen⸗ hang zu kennen, Argumente vorbringt und denkt, die haben ganz erschütternd gewirkt. Ich habe gestern nämlich vergessen, hervor⸗ zuheben, daß auch die von ihm ganz haltlos aufgestellte Behaup⸗ tung, Mißhandlungen und schlechte Behandlung von Soldaten bei dem Regiment in Aachen hätten zahlreiche Desertionen daselbst zur Folge gehabt mit diesen Desertionen verhält es sich wieder, wie mit dem Musketier in Lübeck. (Heiterkeit rechts.) Die Leute, die dort desertiert sind, gehören der Klasse der unsicheren Heerespflichtigen an, die man, meiner Ansicht nach, allerdings nicht in einer Grenzgarnison hätte einstellen sollen; diese unsicheren Heerespflichtigen sind in der Regel Landstreicher, sogenannte Stromer, die einen sehr scharf ausgebildeten Wandertrieb besitzen und im Nichtsthun die angenehmste Beschäftigung suchen. (Zuruf links.) Diese unsicheren Heerespflichtigen, auch unsichere Kantonisten genannt, werden natürlich in der Nähe der Grenzgarnison es sehr verlockend finden, einmal hinüberzugehen,“ um inkognito längere Zeit dem Natur⸗ genuß und der Bettelei zu leben. (Heiterkeit.) Seitdem in dem Orte die unsicheren Heerespflichtigen nicht mehr eingestellt werden, haben wir dort auch keine Fahnenflüchtigen mehr in besonders großer

ahl. 8 Der Herr Abgeordnete hat weiter von den militärärztlichen Zeugnissen abfällig gesprochen, anknüpfend an einen Fall, in dem ihm nachgewiesen ist, daß er eine unrichtige Behauptung aufgestellt hatte. Nun, ich muß sagen, die militärärztlichen Zeugnisse halte ich für glaubwürdiger und praktisch weit bedeutender als alle Reden, die der Herr Abg. Bebel gehalten hat und noch halten wird, und seine sämmtlichen Kollegen mit inbegriffen. (Heiterkeit rechts, Zuruf links.) Was er ferner noch über den Werth des Eides hier ge⸗ sprochen hat, so hat schon der Herr Präsident die nöthige Korrektur eintreten lassen, deshalb versage ich es mir, weiter darauf einzugehen.

Von Ferdinand Lassalle hat er auch gesprochen. Der Herr Abg. Bebel sagt, es wäre eine große Dummheit von ihm gewesen, daß er sich geschlagen hätte. Meine Herren, wer Dummheiten von Ihren Führern begeht, müssen Sie selbst am besten beurtheilen, darüber maße ich mir ein Urtheil hier auch garnicht an. (Heiterkeit.) Jeden⸗ falls habe ich stets die Auffassung gehabt, daß Ferdinand Lassalle der Meinung war, er sei es seiner Manneswürde und Mannesehre schuldig, mit seiner Person einzutreten. (Sehr richtig!) Der ganze Unterschied ist bei Ihnen der, daß Sie anderer Meinung sind und das für eine Dummheit halten! Ich glaube, das hohe Haus wird es gern sehen, wenn ich weiter darauf verzichte, die 16 bis 17 Nummern, die der Herr Abgeordnete nochmals vorgebracht hat, heute von neuem zu widerlegen (sehr richtig!), sonst würde die Sache endlos werden und wir könnten bis übermorgen uns bloß mit der einen Rede des Herrn Abg. Bebel beschäftigen. Es sind noch mehr Kollegen von ihm vorhanden, die noch reden wollen, denen darf man die Zeit nicht weg⸗

nehmen. (Bravo! Heiterkeit.)

Abg. Stadthagen (Soz.): Ich bin doch zweifelhaft, ob der Koiegs⸗Minister für den Ernstfall die Stellung aus⸗ füllen kann, für die er 36 000 erhält, wenn er ernsthafte Dinge in so scherzhafter Form be andelt. Redner geht dann auf den Fall des Hauptmanns von Strombeck ein, in welchem jetzt der Fechnefche Dommatzsch wegen Verleumdung verklagt sei; dem Beklagten sei es gelungen, nachdem bisher nur Zeugen benannt waren, welche im militärischen Dienstverhältnisse stehen, andere Zeugen

zu finden, welche nicht mehr im Dienste seien. Der e.

b ür das eintreten, was ihm mitgetheilt ist; Bnnen Sn. 5 diesem Fall seinen Gewährsmann genannt. Redner weist auf einen Fall hin, wo ein Ulan in Saarburg, wie seine Angehörigen glaubten, infolge einer Mißhandlung ums Leben gekommen sei. Der Rittmeister habe bestritten, daß eine Mißhandlung statt⸗ efunden hätte. Aus den Privatbriefen des Verstorbenen gehe aber daß er mißhandelt worden sei, daß er verhindert worden sei, in das Lazareth zu gehen, und als er es doch gethan, wiederum miß⸗

Redner verliest die Briefe, wobei er mehrfach

handelt worden sei. Er bemerkt: Wenn es Ihnen

durch Gelächter unterbrochen wird.

lächerlich ist, daß ein Vater sich darüber beschwert, daß sein Sohn beim Militär engadneg ist, so bitte ich, sagen Sie das bei den

Wahlen. Der Fall zeigt, wie die Mißhandlungen nicht verhindern können und schließlich an die Mißhandlungen nicht lauben wollen. Die Militärverwaltung scheint keine Mittel zur Ver⸗ Je zu haben, deshalb stellt man es etwas scherzhaft dar. Der Redner führt einen anderen Fall eines zum Krüppel gewordenen Klempners Kümmert an, der beim 2. Westfälischen Infanterie⸗ Regiment Nr. 15 gedient habe und nach zwei Jahren als absolut unheilbar entlassen worden sei. Er wurde, fährt Redner fort, dem Landarmenhause zu Geseke überwiesen, da ihn seine Heimaths⸗ emeinde nicht übernehmen wollte. Erst auf Betreiben des Landes⸗ Fargideeea von Westfalen wurde eine kriegsgerichtliche Untersuchung angestellt und der mißhandelnde Sergeant verurtheilt, aber es wurde die Mißhandlung nicht als die Ursache des Siechthums feestgestellt. Dem Manne sind 15 monatlich im Gnadenwege bewilligt; aber er will nicht Gnade, er will sein Recht haben. Die Liste der Mißhandlungen ließe sich ins Ungeheuere steigern. Die Be⸗ hauptungen meines Freundes Bebel sind ja zum übergroßen Theile bewiesen. Ich hatte erwartet, daß der Minister anerkennen würde, daß das System nicht beibehalten werden könne. Wenn er aber annahm, daß wir Haß und Verachtung gegen die Armee haben, so irrt er sich. Haß und Verachtung gegen die Armee müssen die⸗ jenigen haben, welche solche dulden. Für jeden Denkenden ist offensichtlich, daß der Zweck ist: Abstellung der Mängel und auf den Kriegs⸗Minister und die anderen Parteien einzuwirken, daß die Mißstände abgestellt werden. Redner beantragt schließlich, dem Kriegs⸗Minister das Gehalt zu streichen.

Preußischer General⸗Lieutenant von Spitz: Es ist der Militär⸗ verwaltung nicht möglich, auf die einzelnen Fälle, die der Herr Vorredner angeführt hat, einzugehen, weil die Akten nicht zur Stelle sind. Auch über den letzten, der wohl der Hauptbeweis des Herrn Vorredners gewesen ist, haben wir die Akten nicht hier. Zu den Anführungen möchte ich doch einiges bemerken. Ein Soldat, der in⸗ folge der Mißhandlungen eines Vorgesetzten invalide wird, ist ver⸗ Er hat eine Dienstbeschädigung erlitten. Das ist

egründet durch die militärischen Einrichtungen; der Mann ist wehrlos

dem Vorgesetzten gegenüber. Es ist also allgemein anerkannt, daß das eine Dienstbeschädigung ist. Wenn es dem Herrn Vorredner nun lediglich darum zu thun gewesen wäre, dem Manne zu seinem Rechte zu verhelfen, so wäre es meiner Ansicht nach richtig gewesen, wenn er die Klagen des Mannes oder des Vaters an die Petitions⸗ kommission des Reichstags geleitet hätte. Wie die Erfahrung zeigt, stellen sich dort diese Sachen ganz anders heraus, als sie hier ohne Gegenbeweis ins Land hinausgeworfen werden. Die Sache steht mir als einem Sachkenner von solchen Verhältnissen ziemlich klar vor Augen. Die Versorgungsansprüche des Mannes sind untersucht worden, gewissenhaft, wie ich überzeugt bin, und wenn die Angelegenheit noch an die Petitionskommission gelangen sollte, wird es sich dort bestätigen. Ich bin überzeugt, es ist auf das genaueste recherchiert worden, ob der Mann in der That invalide geworden ist, d. h. ob er in den leidenden Zustand gerathen ist durch die Mißhandlungen des Vorgesetzten. Hätte sich dies heraus⸗ gestellt, so würde er seine gesetzliche ensian bekommen haben. Es wird sich dies aber nicht herausgestellt haben durch die ärztlichen Atteste, durch die Vernehmung der Zeugen, das Alles wird in den Akten sein, daran zweifle ich nicht. Der Mann hat auch nicht auf dem Gnadenwege, wie der Herr Vorredner meinte, eine Beihilfe erhalten. Wenn der 3 Vorredner das Pensionsgesetz ansehen will, nämlich den § 110, so wird er finden, wie es im Gesetz vorgesehen ist, daß, wenn eine Diee h sich nicht nachweisen läßt, der Mann aber aus irgend einem Grunde, der mit dem Dienst nicht zusammenhängt, krank oder erwerbsunfähig geworden ist und entlassen wird und in Lage ist, daß es dann gestattet ist fakultativ, ist es dort ausgedrückt —, ihm 1h auf Zeit zu gewähren. Das ist hier der Fall gewesen, und ich bin überzeugt, wenn die Akten durchgesehen werden, wird es sich ganz anders herausstellen, als es der Herr Vorredner hier vorgetragen hat.

Abg. Graf Roon (d. kons.): Der heroische Entschluß des Herrn Stadthagen, das Gehalt des Ministers nicht zu bewilligen, wird auf das Haus und den Kriegs⸗Minister keinen Eindruck machen. Wir sind das ja gewohnt, die Herren langweilen uns mit ihren Reden beim Etat, und schließlich lehnen sie den ganzen Etat ab. Die Herren haben ja allerdings das Recht, über den Etat zu reden, aber eigent⸗ 58 das ungehörig, da sie ja von dem ganzen Etat nichts wissen wollen.

Vize⸗Präsident Schmidt⸗Elberfeld: eerr Abgeordneter, ich muß Sie ersuchen, nicht in das Amt des Präsidenten einzugreifen. Welche Reden hier ungehörig sind und welche nicht, unterliegt ganz ausschließlich meiner Beurtheilung.

Abg. Graf Roon (fortfahrend): Ich füge mich I bemerke aber, daß die gestrigen Ausführungen des Abg. Bebel gegen einen abgehenden Oberst auch ungehörig waren.

Vize⸗Präsident Schmidt⸗Elberfeld: Es ist ein Unterschied, ob ein solcher Ausdruck gebraucht wird gegen einen Abwesenden oder gegen ein Mitglied dieses Fenla

Abg. Graf Roon: Ich muß das anerkennen; schön ist es aber auch nicht, wenn man gegen einen abwesenden Obersten der Armee solche Aeußerungen fallen läßt. Die V des Abg. Bebel sind auch als Mißhandlungsreden dieses Hauses zu betrachten. Ich kann mich nicht ganz zu dem Humor des Kriegs⸗Ministers auf⸗ schwingen; ich muß es doppelt bewundern, daß ein so viel be⸗ lasteter ; wie der Kriegs⸗Minister noch die Möglichkeit und Frische hat, auf solche Dinge mit solchem Gleichmuth zu antworten. Ich denke daran, daß solche Agitation dem Vaterlande und der Armee chädlich ist. Herr Bebel hat davon gesprochen, daß die Soldaten in den Verein junger Männer geführt werden, wo Politik getrieben wird. Wir wollen keine Politik in der Armec; ich würde der letzte sein, der das billigt. Aber womit beweist er denn, da im christlichen Verein junger Männer Politik getrieben wird? All⸗ monatlich Igiebt der Verein einen Anzeiger mit seinem heraus. Der Verein bietet den jungen Leuten ohne Familienanhang ein christliches Heim, in welchem Vereinszimmer, Kegelbahnen ꝛc. vorhanden sind. Jedermann hat Zutritt, Anhänger jeder Partei und jeder Konfession, auch die Juden haben ie Herren thun ein gutes Werk, die dazu Beiträge liefern; von allen guten Cbristen sind Beiträge willkommen, auf die der Heiden und Juden verzichten wir. (Redner verliest das -e-; des Vereins 88 in welchem von keiner die Rede sei.) ie

oldaten sind noch niemals hingeführt worden; höchstens können sie einmal in Eechen Trupps zusammen hingegangen sein. Namentlich gehen die zahlreichen Burschen der hierher kommandierten Offiziere in diesen Verein. Herr Stöcker hat mit ihm nichts zu thun gehabt; er hat nur Vorträge dort gehalten über kirchliche Dinge und Missionen. Der Vorsitzende des Vereins ist ein Oberförster a. D. von Rothkirch, stellvertretender Vorsitzender ist unser Ka. Graf Bernstorff. Herr Bebel glaubt, daß die zweijährige Dienstzeit die Selbstmorde vermindert habe; ich schreibe es der größeren Sorgfalt der Vorgesetzten zu. Uebrigens sind doch mit der zweijährigen

Dienstzeit auch schlechte Erfahrungen gemacht worden. Die Sach⸗ verständigen sind der Meinung, daß wir zu der Organisation