1896 / 45 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

3) Der Transport des Viehs von der Grenzstation nach dem Bestimmungsort hat auf der Eisenbahn in besonderen geschlossenen und versiegelten Wagen ohne Umladung zu geschehen. 9 Das Vieh muß am Bestimmungsort unter Polizeiaufsicht sowohl entladen als nach dem Schlachtplatz übergeführt werden, wo es von anderem Vieh getrennt zu halten und binnen 24 Stunden, gleichfalls unter Polizeiaufsicht, zu schlachten ist.

Ules unbeschadet etwaiger weiterer besonderer Vorschriften, die zur Abwehr von Ansteckungen nach Lage der örtlichen Verhältnisse durch die Kommissare Ihrer Majestät in den verschiedenen Provinzen getroffen werden möchten. 8

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Abspe Maßregeln.

b Cholera. Egypten. In Alexandrien wurden vom 1. bis 5. Februar 5 Erkrankungen (5 Todesfälle) festgestellt, in Sawalem am 30. Ja⸗

nuar 1 (1). G Gelbfieber.

Auf Cuba wurden, den „Public health reports“ zufolge, in Havpanna vom 10. bis 16. Januar 2 Todesfälle (bei etwa 5 Neu⸗ erkrankungen) angezeigt, in Cienfuegos in den beiden Wochen vom 6. bis 19. Januar je 1, in Santiago vom 12. bis 18. Januar 6 und in Sagua la Grande vom 5. bis 11. Januar 1.

Verschiedene Erkrankungen.

enenn St. Petersburg und Warschau je 3 Todesfälle; Buda⸗ pest, London (Krankenhäuser) je 6, Paris 12, Petersburg 15 Erkran⸗ kungen; Flecktyphus: St. Petersburg 3 Erkrankungen; Rück⸗ fallfieber: St. Petersburg 3 Todesfälle und 251 Erkrankungen; Genickstarre: New⸗York 3 Todesfälle; Regierungsbezirk Arnsberg 5, München 3 Erkrankungen; Keuchhusten: London 99 Todesfälle; In⸗ fluenza: Berlin und Hamburg je 3, Köln 4, London 14, Modkau und New⸗York je 5, Paris 4 Todesfälle; Nürnberg 126, Kopen⸗ hagen 131, Stockholm 24 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1881/90: 1,30 %): in Kassel, Mülhausen i. E. und Venedig Erkrankungen wurden gemeldet in Berlin 33, Breslau 27, in den Regierungsbezirken Aachen 128, Arnsberg 361, Düssel⸗ dorf 116, Hildesheim 150, Königsberg 116, Posen 109, in München 195, Lübeck 45, Hamburg 62, Budapest 113, St. Peters⸗ burg 195, Prag 40, Wien 289 an Diphtherie und Croup (1881/90: 4,49 %): in Darmstadt, Dessau, Gera, M.⸗Gladbach, Magdeburg, Zwickau Erkrankungen kamen vor in Berlin 84, in den Regierungsbezirken Arnsberg 119, Düsseldorf 124, Hildesbeim 107, in München 118, Kopenhagen 34, London 94 (Krankenhäuser), Paris 118, St. Peterburg 68, Stockholm 31, Wien 70 desgl. an Scharlach in Berlin 40, Breslau 31, München 85, Budapest 34, Edinburg 53, Kopenhagen 30, London 285 (Krankenhäuser), Paris 71, St. Petersburg 105, Wien 83 desgl. an Unterleibstyphus in St. Petersburg 141.

igs⸗

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 19. d. M. gestellt 11 260, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 18. d. M. gestellt 4369, nicht recht. zeitig gestellt keine Wagen.

L

den Verkehr auf dem Berliner vom 19. Februar 1896. Marktpreise nur Schweine werden nach Lebendgewicht Auftrieb 482 Stück. (Durchschnittspreis

Ausweis über Schlachtviehmarkt nach Schlachtgewicht; gehandelt. Rinder.

für 100 16) I. Qualität —,— ℳ, II. Qualität —,— ℳ, III. Qualität 92 100 ℳ, IV. Qualität 80 88 Schweine. Auftrieb 10 296 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 84 ℳ, Landschweine: a. gute 80 82 ℳ, b. geringere 76 —78 ℳ., Galtzier —,— ℳ, leichte Ungarn =,— bei 20 % Tara, Bakonyer bei kg Tara pro Stück. Käl ber. Auftrieb 1784 Stück. (Dunchsa ittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,08 1,14 ℳ, II. Qualität 0,94 1,06 ℳ, III. Qualität 0,84— 092 ℳ, Schafe. Auftrieb 865 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität —,— ℳ, II. Qualität —,— ℳ, III. Qualität

7

Verkehrs⸗Anstalten.

Laut Telegramm aus Herbesthal ist die zweite englische Post über Ostende vom 19. Februar ausgeblieben. Grund: Zugverspätung in England.

Bremen, 20. Februar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Weser“ ist am 18. Februar Abends in Ant⸗ werpen angekommen. Der Postdampfer „Habsburg“ hat am 18. Februar Abends die Reise von Oporto nach Lissabon fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz⸗Regent Luitpold“ hat am 19. Februar Morgens die Reise von Antwerpen nach Bremen fort⸗ gesett. Der Reichs⸗Postdampfer „Oldenburg“ ist am 19. Fe⸗ ruar Vormittags in Colombo angekommen. Der Schnelldampfer „Aller“ ist am 18. Februar Mittags von New⸗York nach der Weser abgegangen. Der Schnelldampfer „Spree“ ist am 19. Fe⸗ bruar Vormittags in Southampton angekommen und hat die Reise nach Bremen fortgesetzt; er überbringt 156 Passagiere und volle Ladung. Der Schnelldampfer „Lahn“ hat am 19. Februar Vor⸗ mittags Dover passiert. Der Schnelldampfer „Fulda“ ist am 18. Februar Nachmittags in Punta Delgada angekommen.

Rotterdam, 19. Februar. (W. T. B.) Niederländisch⸗ Amerikanische Dampfschiffahrts ⸗Gesellschaft. Der Dampfer „Amsterdam“ hat heute Morgen Prawle Point passiert. Der Dampfer „Sparndam“ ist heute Nachmittag von Rotterdam abgegangen.

Theater und Musikt.

8 „Deutsches Theater.

Geebstern Abend ging Shakespeare’s „König Heinrich der Vierte“ neu einstudiert in Scene. Das Drama wurde, wie unter der früheren Direktion, in der Förster'schen Bearbeitung gegeben, welche beide Theile zu einem Schauspiel zusammenzieht. Aus dem leichtsinnig lustigen Prinzen Heinz wird dadurch noch im Laufe desselben Stücks der ernste gewaltige König von England. Herr Kainz, der diese Rolle spielte, führte sie, selbst bei der Darstellung der schlimmsten Jugendstreiche, mit königlicher Gemessenheit durch. Seine frische Fröhlichkeit wirkte ansteckend und sein Ernst ergreifend auf die Gemüther. Der Falstaff des Herrn Hermann Müller hätte mehr Fülle des Humors und süsse. Beweglichkeit des Ausdrucks vertragen können; dem Darsteller iegt die Wiedergabe scharfer Satire und Ironie näher als die behag⸗ liche derbe Lebensfreude Sir John’s. Heinrich Perey, den jungen 2 sporn, stellt man sich in der Regel jugendlicher und eißblütiger vor, als ihn Herr Nissen gab; die muntere Gattin Perey's spielte Fräulein Sandow mit beweglichem Tempe⸗ rament. Mit schlichter Würde umkleidete Herr Reicher die Gestalt des alternden Königs Heinrich und weckte dadurch echt menschliche Theilnahme. Unter der großen Zahl der übrigen Mitwirkenden traten die Herren Pittschau (Dwen Glendower) und Jarno (Poins) durch ihr herzhaftes und launiges Spiel hervor.

16

Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Beethoven's „Fidelio“ unter Kapellmeifter Weingartner’s in folgender Besetzung zur Auffuͤhrung: Leonore: Fräulein Hiedler; Florrstam:

err Sommer; Pizarro: Herr Mödlinger; Rocco: 25 tammer; Minister: Herr Betz; Marzelline: Fräulein Dietrich; Jacquino: Ferr eeihd. Zu Beginn wird die große Leonoren⸗Ouverture Nr. 3 gespielt.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen der erste Abend der Wallenstein⸗Trilogie: „Wällenstein's Lager“ und „Die Piccolomini“ in folgender Besetzung gegeben: Wallenstein: Herr Molenar; Herzogin: Frau Stollberg; Thekla: Frau von Hochen⸗ burger; Octavio Piccolomini: Herr Ludwig; Max: Herr Matkowsky; Graf Terzky: Herr Arndt; Gräfin Terzky: Fräulein Poppe; Illo: Herr Keßler; Isolani: Herr Vollmer; Buttler: Herr Kahle.

Im Neuen Theater wird der Wiener Hofburgschauspieler Bernhard Baumeister nach dem Scheiden Tewele's (2. März) ein zehn Abende umfassendes Gastspiel eröffnen. In den Spielplan des Künstlers sind in diesem Jahre neu aufgenommen Heyse'’s Schauspiel „Hans Lange“ und eventuell „Der Richter von Zalamea“. Außer⸗ dem wird der Gast wie im Vorjahre als „Erbförster“ und als Werner in „Minna von Barnhelm’' auftreten. Der Vorverkauf zu dem Gastspiel beginnt in den nächsten Tagen. 8

Mannigfaltiges.

London, 20. Februar. Nach einer bei Lloyds eingegangenen Depesche aus Port Said von heute früh ist der deutsche Post⸗ dampfer „Kanzler“ (vgl. Nr. 44 d. Bl.) noch nicht wieder flott; 26 Schiffe sind dadurch an der Weiterfahrt gehindert.

1 deig- (Lancashire), 20. Februar. Durch Umschlagen eines örderkorbs in einer hiesigen Kohlengrube kamen acht Berg⸗ eute ums Leben.

Madrid, 20,. Februar. „W. T. B.“ meldet: Fünf Petarden explodierten gestern Abend in der nächsten Umgebung des Königlichen Palais. Menschen sind nicht zu Schaden ge⸗ kommen, nur ein Kandelaber auf der Straße ist zerstört.

Lissabon, 19. Februar. In dem Künst lerklub zu Santarem Provinz Estremadura) brach gestern während eines Maskenballes

euer aus, welches sich mit großer Schnelligkeit verbreitete. Viele

änner, Frauen und Kinder stürzten sich aus den Fenstern. Im Ganzen wurden 40 Personen getödtet, auch die Zahl der Verwundeten ist beträchtlich.

Johannesburg, 19. Februar. „Reuter's Bureau“ meldet: In Viedendorp, einer ärmlichen Vorstadt von Johannesburg, fand heute eine schreckliche Dynamit⸗Explosion statt. Der ganze Stadttheil ist vom Erdboden verschwunden, und Hunderte von Häusern liegen in Trümmern. Das Dynamit, welches die Katastrophe ver⸗ ursachte, füllte acht Güterwagen, die im Augenblick der FFplssien gerade rangiert wurden. Durch die Explosion wurde ein großes Loch von ungefähr 30 Fuß Tiefe in die Erde gexissen. Alle Häuser im Umkreis von einer halben Meile sind dem Erdboden gleich gemacht. Ein starkes Helineicute bat sowie Einwohner von Johannesburg sind eifrig beschäftigt, die Leichen zu bergen. Bis jetzt sind 40 Todte auf⸗ gefunden, welche größtentheils entsetzliche E aufweisen. 200 Schwerverwundete wurden in das Hospital gebracht, wo schon mehrere ihren Vülegeagen erlegen sind. Wie man glaubt, befinden sich nur wenige Weiße unter den Getödteteen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

ͤSͤͤͤqͤqͤqͤͤqͤͤZqͤZͤͤZͤqͤͤͤͤęF11111212121““

Wetterbericht vom 20. Februar,

Schauspielhaus. 52. Vorstellung. Sonder⸗Abonne⸗ ment B. 8. Vorstellung. Wallenstein’s Lager.

8 Uhr Morgens.

Schauspiel in 1 Aufzug von Friedrich von Schiller.

p 18

8 Un.

Stationen. Wind. Wetter.

Bar. auf 0 Gr. [u. d. Meeressp.

red. in Mill

Temperatur

5⁰ C. =

3 halb bed. 5 bedeckt

6 heiter

7 wolkig

2 wolkig

2 bedeckt

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1 wolkenlos

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Christiansund Kopenhagen. Stockholm . rperehe:

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OS5— 20 in 0 Cel⸗

966GGSCGs S68 9G 8

9

1.2 —102

In Scene Elfeßt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Die Piecolomini. Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Schiller. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Opernhaus. 47. Vorftellung. Der Evangelimann. Musikalisches Schauspiel in 2 Auf⸗ zügen, nach einer von Dr. Leopold Florian Meißner erzählten wahren Begebenheit, von Wilhelm Kienzl. Phantasien im Bremer Rathskeller. Phan⸗ tastisches Tanzbild, 8 nach Wilhelm uff, von Emil Graeb. Musik von Adolf Steinmann. Anfang 7 ½, Uhr.

Schauspielhaus. 53. Vorstellung. Wallenstein’s Tod. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von

Cork, Queens⸗ town.. Cherbourg. b.. at. Hamburg.. Swinemünde Neufahrwasser Memel

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1) Reif. ²) Reif. ³) Reif. *) Reif. Uebersicht der Witterung.

Der Kern des Hochdruckgebiets, 785 mm über⸗ schreitend, liegt über dem Innern Rußlands, gegen⸗ über einem nordwärts fortschreitenden Minimum unter 746 mm nordwestlich von Schottland. Ueber dem Nord⸗ und Ostseegebiet sowie über dem deutschen Binnenlande wehen ziemlich lebhafte, vorwiegend süd⸗ liche und südöstliche Winde. In Deutschland ist das Wetter heiter und trocken, im Westen wärmer, im Osten kälter; die Morgentemperaturen liegen fast überall unter dem Gefrierpunkt, am meisten, bis zu 7 Grad, in den östlichen Gebietstheilen.

Deutsche Seewarte.

8

Theater.

Königliche Schauspiele. Freitag: Opern⸗ haus. 46. Vorstellung. Fidelio. Oper in 2 Akten von Ludwig van Beethoven. Text nach dem Fran⸗ zösischen von Ferdinand Treitschke. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekoragtive Ein⸗ richtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. Zu Beginn: „Ouvertüre Leonore (Nr. 3)“. Anfang 7 ½ Uhr.

Schiller. Anfang 7 ½ Uhr.

Deutsches Theater. Freitag: König Heinrich der Vierte. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Liebelei. Vorher: Der zer⸗ brochene Krug.

Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: Das Lumpen⸗ gesindel. Abends 7 ½⅞ Uhr: Liebelei. Vorher: Der zerbrochene Krug. u 8

Berliner Theater. Freitag (23. Abonnements⸗ Vorstellung): Faust. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: König Heinrich.

Sonntag, Nachmittags 2 Uhr: Faust. Abends 7 ½ Uhr: König Heiurich.

Lessing⸗Theater. Freitag: Drittes Gastspiel von Hedwig Niemann. Madame Saus⸗Goöne. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Zum ersten Male: Jungfer Immer⸗ grün. Schauspiel in 1 Aufzug von Ernst von Wildenbruch. (Hedwig Niemann als Gast.) S Zum ersten Male: Der Junge von ennersdorf. Volksstück in 2 Aufzügen von Ernst

von Wildenbruch.

Sonntag, 3 Uhr: Zu volksthüm⸗ lichen Preisen: Die Großstadtluft. Abends 7 ½ Uhr: Jungfer Immergrün. (Hedwig Nie⸗ mann als Gast.) Der Junge von Henners⸗

8 1“ 8 Residenz⸗Theater. Direktion: Sigmund Lautenburg. Freitag: Hotel zum Freihafen. (L'Hötel du Libre Echange.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, übersetzt und bearbeitet von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr. 8 und folgende Tage: Hotel zum Frei⸗ afen.

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. 1 Chaufseestraße 25— 26. reitag: Mit großartiger Ausstattung an Kostümen, Dekorationen und Requisiten: Der Hungerleider. Ausstattungs⸗Komödie mit Gesang

ley’s Tante.

und Ballet in 10 Bildern von Julius Keller und Louis Herrmann, mit theilweiser Benutzung einer Idee des Mark Twain. Musik von Louis Roth. In Scene gesetzt von Julius Frit'sche. Dirigent: Herr Kapellmeister Winné. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Der Hungerleider. badn Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a. /5. Freitag: Gastspiel des Franz Tewele vom K. u. K. priv. Carl⸗Theater in Wien. Der es Pückter (Monsieur le Directeur). züustspiel in 3 Akten von Alexandre Bisson und Carré. Deutsch von Ferdinand Größ. in Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Vorher: Ein Zündhölzchen zwischen zwei Feuern. Schwank in 1 Aufzug nach dem Fran⸗ 8 des H. Honoré von Georg Hiltl. Anfang 1

4 Uhr. Sonnabend, Sonntag und Montag: Der Herr Direktor. Vorher: Ein Zündhölzchen zwischen zwei Feuern.

Sonntag Nachmittag: Zu halben Preisen: Der Militärstaat.

Das Baumeister⸗Gastspiel beginnt am 2. März.

Theater Unter den Linden. Direktion: Julins Fritzsche. Freitag: Gastspiel der rau Petterson⸗Norrie. Die schöne Helena. omische Operette in 3 Akten von Meilhac und Halévy, deutsch von J. Hopp. Musik von Jacques Offenbach. Dirigent: Herr Kapellmeister Feder⸗ mann. Fernaf Muffkalische Scherze. Großes Ballabile, arrangiert vom Balletmeister J. Reisinger. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Gastspiel der Frau Petterson⸗ Norrie. Die schöne Helena. Hierauf: Musikalische Scherze. Großes Ballabile, arrangiert vom Balletmeister J. Reisinger.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen: Der Bettelstudent. Abends 7 ½ Uhr: Boccaccio. Komische Operette in 3 Akten von F. Zell und R. Genée. Musik von Franz von Suppé.

Adolph Ernst⸗Theater. Freitag: Char⸗ Schwank in 3 Akten von Thomas Brandon. Repertoirestück des Globe⸗Theaters in London. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Vorher: Die Bajazzi. Parodistische Posse mit Gesang und Tanz in 1 Akt von Ed. Jacobson und Feans Jacobson. Musik von F. Roth. Anfang s. Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. nüSt s 22. Fberne⸗ a. G. 4 giz 8 acht. Große vsftattgeshsse m ang un Tanz in 5 Bildern von . Mannstad und ulius Freund. Musik von Julius Einödshofer. Scene gesetzt vom Direktor Richard Schul

ie Tanz⸗Arrangemeuts vom Balletmei lach. Anfang 7 ½ Uhr. ster Gun

Sonnabend: Eine tolle Nacht.

Konzerte.

Sing-Akademie. Freitag, Anfang 8 Uhr: Konzert von Ludwig Bleuer (Viol.). Mitw.: Fr. Lina Marschall (Ges.).

8 11““ Saal Bechstein. Linkstraße 42. Anfang 7 ½ Uhr;: II. Humoristisch⸗dramatischer Fritz Renter⸗Abend von Aug. Junkermann, Königl. Hof⸗Schauspieler. („Hanne Nüte“, „Ut mine Stromtid“, „Läuschen un Rimels“.)

Birkus Renz. Karlstraße. Freitag, Abends 7 ½ Uhr: Große Hofffenna mit humovistischen Entrés und Intermezzi sämmtlicher Clowns und des beliebten August Mr. Lavater Lee. Aufführung des Roßen militärischen Ausstattungsstücks 1870/71.

ußerdem: Auftreten von nur Künstler⸗Speztialitäten allerersten Ranges. Vorführung der berühmten Original⸗Dressuren des Direktors Fr. Renz. Alles Nähere aus Plakaten ersichtlich.

Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr: Gala Vorstellung.

Sonntag: Zwei Vorstellungen: Nachmittags 4 UÜhr (ermäßigte Preise und 1 Kind unter 10 Jahren frei): 1870/71 und Abends 7 ½ Uhr.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Lieut. Wilhelm von Kummer (Gr.⸗Lichterfelde). rl. Eva Adametz mit Prn. Gerichts⸗Assessor scar Prasse (Ratibor). . Verehelicht: Hr. Regierungs⸗Assessor Dr. jur. Erich von Kries mit Frl. Alice Hennipg (Potsdam). Hr. Fester Wilhelm Tietze⸗Glafow mit Frl. Marie unqins ( S). Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann von Kraewel (Koburg). Hrn. Oberlehrer P. Siemon

(Berlin).

Gestorben: Fr. Amtsrath Auguste Kühne, geb. Uebel (Thänsdorf). Fr. Amtsrath Pauline von Livonius, geb. Ziegan (Berlin). Henriette Frei⸗ frau von Tauchnitz, geb. Morgenstern (Dresden). Hr. Gebhard von Domhardt (Bestendorf). Hr. Rittergutsbesitzer, Prem.⸗Lieut. a. D. Julius von Loesch (Berlin). Hr. Pastor em. Friedrich Arnold Rumpff (Detmold). Hr. Rentmeister Carl Jana (Schmiegrode b. Trachenberg). Hr. Fabrikbesitzer Adolf Voigt (Köpenick.)

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., vüclhenafgeige Nr. 32.

Sieben Beilagen

(einschließlich Börsen⸗Beilage).

Freitag,

rl. Helene Reincke mit Hrn. Prem.⸗

zum Deutschen

chs⸗An

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 20. Februar

Die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats, und zwar des Militär⸗Etats wird fortgesetzt.

Beim Kapitel „Militär⸗Gefängnißwesen“ kommt

Abg. Bebel (Soz) auf den Fall zurück, wo ein zum ein⸗ jährig⸗freiwilligen Dienst Berechtigter Namens Wendtland, weil er vor seiner Dienstzeit wegen Majestätsbeleidigung verurtheilt worden, zum dreijährigen Dienst eingezogen worden sei und in der Arbeiter⸗ abtheilung Dienstzeit habe abdienen müssen. Redner meint, dieses Verfahren entbehre durchaus jeder gesetzlichen Arbeiterabtheilungen wären Strafabtheilungen und die dazu gehörigen Soldaten vielfachen Beschränkungen unterworfen. Einen in seinem Zivil⸗ verhältniß bestraften Soldaten kann, fährt Redner fort, die Militärver⸗ waltung nicht ohne weiteres durch Ueberweisung an die Strafabtheilung nochmals bestrafen. Es besteht allerdings eine Kabinetsordre über diese firüse⸗ aber diese kann doch nicht die Rechtsverhältnisse so auf den Kopf tellen, daß sie Mannschaften bestraft, die während ihrer Militär⸗ dienstzeit nichts begangen haben. Nicht bloß bestrafte Personen, son⸗ dern auch solche, die von der Militärbehörde als ehrlos angesehen werden, können in die Arbeiterabtheilung gesteckt werden, und als ehrlos betrachtet man schon Soldaten, die sich öfter hintereinander beschwert haben. Ein gewisser Schöler kam in diesen Fall, weil man ihn für einen Sozialisten hielt, während er ein Freisinniger war. Ein Mann, der auf seinem Urlaub seine Berliner Freunde, Sozialdemokraten, besuchte, wurde dafür mit einigen Tagen Mittel⸗ arrest bestraft und dann in die Arbeiterabtheilung gesteckt, wo er den Rest seiner Dienstzeit abdienen mußte. Schließlich werden alle Sozialdemokraten als ehrlos betrachtet. Ist ein solcher Zustand auf die Dauer aufrecht zu erhalten? Wir haben alle Ursache, die Rechts⸗ beständigkeit der hierauf bezüglichen Kabinetsordre von 1887 genau zu prüfen, und es muß durchaus dasselbe Rechtsverfahren für das Militär eingeführt werden, wie es für den Zivilstrafprozeß besteht.

Kriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Der Herr Abg. Bebel hat bei seinen Ausfüh⸗ rungen über das Gefängnißwesen und die Arbeiterabtheilungen auch wieder eine Anzahl von Fällen angeführt, durch die er, wie mir scheint, die agitatorische Wirkung seiner Rede mehr be⸗ kräftigen wollte. Ueber die einzelnen Fälle kann ich nicht jeder Zeit Auskunft geben, sie finden auch nicht ihre ressortmäßige Erledi⸗ gung im Kriegs⸗Ministerium, sondern bei den Kommandobehörden, den Gouvernements und ordentlichen Gerichten. Es kann aber auch niemand von mir verlangen, wenigstens halte ich mich nicht dazu verpflichtet, jedem sozialdemokratischen Herrn Abgeordneten, der mich hier, um sein agitatorisches Bedürfniß zu befriedigen, auf eine Anzahl von Fällen, die er aus der Zeitung, aus Broschüren oder sonst wo aufgelesen hat, anspricht, Rede und Antwort zu stehen. (Sehr wahr! rechts, Zurufe links.) Das kann man meiner Ansicht nach nicht von mir verlangen. Ich bin, wie ich es bisher gethan habe, auch ferner bereit, jedem der Herren Abgeordneten eine ge⸗ wünschte Auskunft zu ertheilen, wenn es mir möglich ist und ich dazu im stande bin. Ich bin aber nicht geneigt, die Hand zu end⸗ loser Verlängerung der Debatten zu bieten. (Sehr richtig! rechts, Na! links.) Und das würde ich thun, wenn ich auf alle diese Dinge mit großer Weitschweifigkeit einginge und, falls die Herren nachher darauf antworten, ich wieder replizieren sollte, und so eigentlich die ganze Sitzung hier ausgefüllt wird zu drei Vierteln von Reden der Herren Sozialdemokraten. (Sehr gut! rechts.) Am Donnerstag sprachen allein vier (hört, hört! Zuruf links), ich behaupte und erkläre hier ein für alle Mal, daß Ungesetzlich⸗ keiten, Strafthaten, Rechtsverletzungen und dergleichen jedes Mal streng untersucht und geahndet werden, sobald sie zur Kenntniß der Kommandobehörden gelangen; weiter erkläre ich, daß ich mir nach wie vor das Recht vorbehalte, auf diejenigen einzelnen Fälle hier mäher einzugehen und sie vorzutragen, wenn von den Herren Ab⸗ geordneten der sozialdemokratischen Fraktion Uebertreibungen oder objektiv unwahre Thatsachen vorgetragen sind. Ich werde dann dem Urtheil des hohen Hauses es jedes Mal überlassen, selbst die nöthigen Schlußfolgerungen daraus zu ziehen, die Gelegenheit dazu wird sich auch gleich finden.

Was ich eigentlich vor Beginn der Tagesordnung hier vortragen und sagen wollte, will ich hier einschalten. Es handelt sich darum, das Ergebniß derjenigen Recherchen mitzutheilen, die ich auf Grund der von zwei sozialdemokratischen Herren Rednern am Sonnabend hier vorgebrachten Fälle angestellt habe. Anknüpfend an den Vor⸗ trag des Herrn Abg. Bebel, in Bezug auf den Vorgang in Frankfurt a. O., wo zu dem Herrn Gerbermeister Schulze zwei Soldaten zur Verrichtung dringlicher Arbeit beurlaubt waren, hatte der sozial⸗ demokratische Herr Abgeordnete ich glaube, er heißt auch Schulze angeführt, daß in Königsberg ein noch viel schlimmerer Fall vorgekommen wäre; dort wurden bei einem Klempnerstrike, ich glaube, 11 Pioniere dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Nun, meine Herren, ich möchte vorausschicken, in der Armee ist es grundsätzlich untersagt, daß die Truppen sich ein⸗ mischen in Lohnstreitigkeiten, dergestalt, daß dem Arbeitgeber als Ersatz für strikende Arbeiter Soldaten zur Verfügung gestellt werden. (Hört, hört! rechts.) Ausnahmen sind allerdings zulässig, wenn die Staats⸗ kasse oder das militärfiskalische Interesse dabei geschädigt werden. Ein solcher Fall lag in Königsberg vor; es handelte sich darum, daß der von Ihnen uns bewilligte Neubau der Pionierkaserne zum 1. Oktober fertiggestellt werden sollte. Im Juli legten die Klempner die Arbeit nieder, die Organe der militärischen Bauverwaltung brachten darauf bei der vorgesetzten Kommandobehörde zur Sprache, daß die Kaserne nicht zum 1. Oktober fertig werden würde, wenn die Arbeiten nicht weiter gefördert würden (hört, hört! rechts), es wurde bei der Ge⸗ legenheit auch auf die ganz natürliche Erwägung hingewiesen, daß die Kosten recht erheblich werden dürften, wenn das Bataillon nicht zum 1. Oktober in seine Kaserne käme. Daraufhin ist aus dem Pionier⸗ Bataillon eine Anzahl von Klempnern, die sich freiwillig dazu gemeldet hatten, dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden. Die Leute haben sich freiwillig gemeldet, sie haben die Arbeit auch gern gethan; denn sie sind gut bezahlt worden (sehr gut! rechts), und sie haben sich auch nicht durch Drohungen von seiten der feiernden Arbeiter abschrecken lassen. Nun, meine Herren, richte ich die Frage an Sie: wünschen

Sie, daß ich noch einmal vorlesen soll, was der Herr Abg. Schulze am Sonnabend über den Fall gesagt hat (Zurufe rechts), um zu vergleichen, ob es in Uebereinstimmung ist mit dem, was ich hier vor⸗ getragen habe? Im wesfeetlichen deckt es sich mit dem, was der Herr Abg. Bebel von dem Falle Schulze in Frankfurt vorgetragen hat; nur mit dem Unterschiede, daß der Herr Abg. Schulze noch hervorhob: wenn das so weiter ginge, würden wahrscheinlich bald ganze Truppentheile kommandiert werden, um bei den Lohnstreitig⸗ keiten in Thätigkeit zu treten. Ich frage Sie, meine Herren, von der sozialdemokratischen Fraktion, wie viel Lohnstreitigkeiten haben in den letzten Jahren stattgefunden, und was ist die ganze Ausbeute Ihrer Untersuchungen, wenn Sie nur zwei solche Fälle anführen! Wie jemand verlangen kann, daß ich das ernst nehmen soll, ist mir voll⸗ ständig unverständlich. (Sehr richtig! rechts.)

Ein anderer Fall ist der, welchen der Herr Abg. Bebel vortrug und zwar muß ich die Aufmerksamkeit des hohen Hauses leider dahin in Anspruch nehmen, daß ich den Passus, wie er hier vor⸗ getragen ist, verlese er sagte also:

Der Lieutenant Krogh II. kommt aus einem Hotel in schwer angetrunkenem Zustand, springt auf einen Omnibus, der eben um die Ecke auf den Markt fährt, er läßt sich mit dem Omnibus über den Markt fahren und springt auf der anderen Seite des Markts wieder vom Wagen herunter und begiebt sich auf das Trottoir. Er ist, wie bemerkt, in hochgradig angetrunkenem Zustand, schwankt bedenklich, und die Folge natürlich ist, daß, wie das Publikum den Offizier in diesem Zustand sieht, man sich um ihn versammelt. Allerlei Spottreden werden laut, wie das ganz natürlich ist. Das passiert ja auch in Berlin, wenn Privatpersonen sich in trunkenem Zustand auf der Straße befinden. Der Offizier zieht darauf seinen Säbel, haut verschiedentlich um sich, und die Folge davon ist, daß der Haufe des Publikums immer größer wird. Bei dem Herumfuchteln mit dem Säbel trifft er verschiedene Personen derart, daß er ihnen zunächst nur die Kleider zerreißt. Als aber verschiedene Personen, darunter der so⸗ genannte Schleichwächter Nieting ein Schleichwächter ist nämlich in den mecklenburgischen Städten ein Organ der Sitten⸗ polizei, das diesen eigenthümlichen Namen führt an ihn heran⸗ treten und ihn ersuchen, fortzugehen, wurde der Offizier so auf⸗ gebracht, daß er jetzt wieder den Säbel zieht, um dem Schleich⸗ wächter einen tüchtigen Hieb über den Kopf zu geben. Das war nun Veranlassung, daß sowohl der Schleichwächter wie verschiedene andere Personen auf den Lieutenant zuspringen, ihn packen, ihm den Säbel entreißen und diesen auf die Polizeiwache bringen. Dort war mittlerweile, da der Skandal ziemliche Zeit in Anspruch genommen hatte, auch der Major und der Rittmeister der be⸗ treffenden Batterie eingetrofften. Der Lieutenant wurde, als ihm der Säbel entrissen worden war, auf einmal nüchtern; denn er mußte sich wohl sagen, welche böse Situation jetzt für ihn beginne. Er begab sich ebenfalls zur Polizei; dort kam es zu ziemlich heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Offizieren und dem mittlerweile herbeigeholten Chef der Polizei, einem Senator, die damit endeten, daß der Offizier seinen Säbel zurückbekam.

Ich will noch bemerken, daß von den geschädigten Privat⸗ personen ein Tischler Ponto von dem Lieutenant für die zerrissenen Kleider, die beim Herumfuchteln mit dem Säbel verletzt worden waren, 6 Thaler Entschädigung bekommen hat. Was weiter mit dem Offizier passiert ist, weiß ich nicht.

Nun, wenn von den verschiedensten hohen und maßgebendsten Stellen aus der Offizierswelt die bevorzugte Stellung eingeräumt wird, wie wir es erst wieder in der letzten Zeit gesehen und gehört haben, dann muß man denn doch nachdrücklich verlangen, daß die Herren sich allesammt so benehmen, wie es sich für ordentliche Leute gebührt.

Die amtliche Auskunft, die ich erbeten und sofort erhalten habe, lautet dahin:

Der Offizier hat auf offener Straße mit gezogenem Säbel herumgefuchtelt, ohne jedoch jemand zu bedrohen. Ihm ist der Säbel durch einen Polizeibeamten abgenommen worden.

Auf eine am 12. bei mir eingegangene Meldung von dem Vorfall habe ich von der gerichtlichen Feststellung des Thatbestandes vorläufig absehen müssen, da nach dem Berichte des Regiments⸗ Kommandos und den vorgelegten ärztlichen Attesten der Offizier zur Zeit nicht vernehmungsfähig ist, sondern in eine Nervenheilanstalt hat überführt werden müssen.

Meine Herren, ist bei dieser Sachlage die Angabe des Herrn Abg. Bebel als zutreffend zu erachten? Ich überlasse es dem hohen Hause, sich sein Urtheil selbst zu bilden. (Bravo! rechts.) Das meinige steht fest. Ich finde es empörend, daß das schwere Mißgeschick eines unglücklichen Offiziers in dieser Weise zu einer agitatorischen Ausbeutung benutzt wird, wie es von dem Herrn Abg. Bebel mit dem ihm in der vorigen Sitzung ich glaube, von dem Herrn Abg. Lieber attestierten Ernste geschehen ist. Mir ist es mit dieser Sache, wie auch mit verschiedenen anderen, Ernst, aber in einem anderen Sinne, meine Herren! Mir ist die Sache um deswillen ernst, weil der Herr Abgeordnete Anlaß daraus nahm, an das Offizierkorps der Armee den beleidigenden Appell zu richten, sich doch zu verhalten, wie es sich gebührt. Meine Herren, ich nehme aus dem Vorgange nicht den Anlaß, an den Herrn Abgeordneten den Appell zu richten, den er an das Offizierkorps gerichtet hat. (Sehr gut! rechts.) Der Herr Abg. Bebel würde ihn auch nicht befolgen.

Nun, meine Herren, komme ich wieder auf die heutigen Be⸗ merkungen, die der Herr Abg. Bebel hier im speziellen an mich gerichtet hat, zurück. Er sprach über die Bedeutung und die praktische Wirkung der Einstellung in die Arbeiterabtheilungen. Die Arbeiter⸗ abtheilungen sind meiner Ansicht nach am richtigsten zu beurtheilen nach dem § 8 des Reichs⸗Militärgesetzes, der da lautet:

Die Vorschriften über die Handhabung der Disciplin im Heere werden vom Kaiser erlassen.

Die Errichtung der Arbeiterabtheilungen ist eben darauf zurück⸗

zuführen, und die Einstellung in die Arb terabtheilung ist auch

zeiger und Königlich Preußischen Stnats⸗Anzeiger.

1896.

nicht als Strafe, sondern nur als Disciplinarmaßregel zu betrachten, die sich im übrigen auch sehr gut bewährt hat. Es finden in diesen Abtheilungen diejenigen Personen Aufnahme, die der Herr Abg. Bebel schon sehr ausführlich aus der Instruktion über die Vorschriften der Arbeiterabtheilungen vorgelesen hat. Ich brauche das also nicht zu wiederholen. Wenn der Herr Abg. Bebel die Rechtsbeständigkeit der Allerhöchsten Kabinetsordres in Frage gezogen und dabei eine Masse juristischer und staatsrechtlicher Bedenken vorgetragen hat, so befindet er sich in einem ganz außerordentlichen Irrthum. Das steht zweifel⸗ los fest. Die Verordnungen über die Einstellung in die Arbeiterabthei⸗ lungen bestehen vollkommen zu Recht im Deutschen Reich, und daran ist absolut nichts zu ändern.

Weiter hat der Herr Abg. Bebel einen Fall zur Sprache ge⸗ bracht, auf den ich ihm eingehender antworten kann. Ich meine den Fall mit einem Musketier Schöler aus Celle vom Regiment 77. Dieser Mann war vor seinem Eintritt wegen Brandstiftung be⸗ straft und hatte infolge dessen die Berechtigung zum einjährig⸗ freiwilligen Dienst verloren. (Hört, hört! rechts.) Er kam nun zur Truppe, und da ist es ihm allerdings nicht besonders gut ergangen. Der Ursprung seines Unglücks ist ein an sich in meinen Augen ziemlich unbedeutender, aber er ist doch bezeichnend für den Mann selbst. Auf dem Kasernenhof in Celle befindet sich eine Wasserleitung oder eine Wasserkunst, möchte ich sagen, die in so fern sehr kom⸗ pliziert ist, als der Kontrolapparat daran außerordentlich leicht ver⸗ dorben werden kann, sobald jemand mit ungeschickten Fingern daran manipuliert. Es war nun von dem Truppen⸗Kommandeur befohlen, daß periodisch der Mannschaft, die dort regelmäßig zu pumpen hatte, eingeschärft werden sollte, sich nicht an diesem Kontrolapparat zu beschäftigen. Eines Tages war der ꝛc. Schöler mit einem anderen Soldaten zum Pumpen kommandiert, und als es dem Schöler zu lange dauerte, sagte er: der Kontrolapparat ist nicht in Ordnung; den wollen wir einmal etwas korrigieren. Der andere mitarbeitende Soldat machte ihn darauf aufmerksam, daß es wiederholt verboten worden sei, daran zu stochern. Schöler that es aber trotzdem, und richtig wurde der Kontrolapparat verdorben.

Nun wird in der Armee nie ein Soldat zu einer Geldstrafe heran⸗ gezogen, sondern, wenn er ungehorsam ist und durch Muthwillen etwas an seinen Kleidern oder anderen Gegenständen beschädigt, mit Arrest bestraft, und so passierte das auch Herrn Schöler: er wurde bestraft wegen Ungehorsams und weil er muthwillig den Kontrolapparat zerstört hatte. Dabei kam jetzt das feine juristische Verständniß bei dem Mann zum Vorschein, welches der Herr Abg. Bebel an ihm so sehr lobte; nämlich er sagte, es müsse ihm bewiesen werden, daß er absichtlich den Apparat zerstört hätte; absichtlich hätte er es nicht gethan er hätte es also eigentlich mit bestem Willen gethan —, und keinenfalls habe er den Apparat muthwillig zerstört. Er beschwerte sich infolge dessen wegen der verhängten Strafe und sagte dabei: ich bin bestraft worden, weil ich muthwillig einen Apparat zerstört hätte; das ist aber nicht der Fall, folglich verlange ich, daß die Strafe zurückgenommen wird. Der Kommandeur antwortete ihm darauf, daß davon nicht die Rede sein könnte, daß die Beschwerde eine unbegründete wäre, und diktierte ihm wegen unbegründeter Be⸗ schwerdeführung, nachdem er ihn belehrt hatte, noch einige Tage Arrest zu. Das ist vollkommen gesetzlich. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Ja, meine Herren, es würde Alles aufhören, wenn jeder Soldat das Recht hätte, unausgesetzt unbegründete Beschwerden vorzubringen und damit die Vorgesetzten zu belästigen, das unterliegt doch keinem Zweifel! So ging Schöler nun vom Bataillons⸗Kommandeur an den Regiments⸗Kommandeur, vom Regiments⸗Kommandeur weiter und kam schließlich bis an das General⸗Kommando. Ich bin damals kommandierender General gewesen und habe mich auch bemüht und versucht, dem Mann auseinandersetzen zu lassen, wie er eben kein richtiges Verständniß dafür hätte, welcher Unterschied zwischen einer Disciplinar⸗ und einer gerichtlichen Strafe besteht, wie bei einer gerichtlichen Strafe allerdings dem Angeschuldigten bewiesen sein muß, was im Tenor des Erkenntnisses ihm zur Last gelegt wird, daß bei einer Disciplinarstrafe das nicht nothwendig sei. Der Vorgesetzte entscheidet nach seiner Ueberzeugung, und wenn der Kompagnie⸗Chef glaubt, der Mann hat etwas muthwillig gethan, dann hat er seine Gründe für diese Annahme. Und das ist bei der Disciplinarbestrafung ausreichend. Es ist eben absolut unmöglich, in solchen Fällen im einzelnen den juristischen Beweis zu erbringen; der Mann wird bestraft nach der Ueberzeugung des betreffenden verantwortlichen Vorgesetzten, und damit ist die Sache erledigt. Das wollte der ꝛc. Schöler aber nicht glauben. Er ging, wie ich schon sagte, bis an das General⸗ Kommando. Ich habe mich bemüht, dem Mann das Verhältniß so eingehend wie möglich auseinanderzusetzen und ihm dann auch noch einige Tage Arrest zudiktiert; ich nahm an, daß er nun endlich Raison annehmen würde. Das war aber noch nicht der Fall, er richtete sogar ein Beschwerdegesuch an Seine Majestät den Kaiser. Diese Beschwerde enthielt ungefähr acht Bogen und ein solches Kauderwelsch von juristischen Erörterungen, von verworrenen philosophischen Er⸗ örterungen aus Schopenhauer und ich weiß nicht, was noch alles, daß man die Ueberzeugung gewinnen mußte, in dem Kopfe dreht sich etwas herum, was vielleicht doch nicht frühzeitig genug entdeckt ist. Seine Majestät der Kaiser hat in Gnaden deshalb von einer weiteren Bestrafung des Mannes Abstand genommen, aber befohlen, daß erneut versucht werden sollte, ihm klar zu machen, in welchem großen Irrthum er sich befände. (Zuruf links.) Weshalb er in die Arbeiterabtheilung kam ja, meine Herren, nachdem der Mann nun diese Strafen erlitten und den unglücklichen Ausgang seiner Be⸗ schwerden erlebt hatte, fing er an, sich auch mit seinen Kameraden und der militärischen Ordnung überhaupt in Widerspruch zu setzen, was dem Kompagnie⸗Chef und den anderen Vorgesetzten zu ernsten Erwä⸗ gungen Anlaß gab, ob er mit Rücksicht auf die von ihm entwickelten Grundsätze und Theorien nicht ein bedenkliches Element in der Truppe wäre; so blieb nichts Anderes übrig, als daß er in die Arbeiter⸗

aldemokraten.)