1896 / 45 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

eine Denunziation an mich gelangen lassen, die er wegen ihres mal⸗ properen Inhalts aus Schicklichkeitsgründen Anstand genommen hat, im Plenum vorzubringen. Ich habe mich bemüht, die erforderlichen Recherchen eintreten zu lassen. Die haben ergeben, daß die Angaben die Denunziation ist anonym, und der Herr Abg. Bebel legt ihr wohl auch keine große Bedeutung bei unrichtig sind. Es ist eine ältere Sache; sie stammt aus dem Jahre 1893. Aber es ist in der Truppe doch noch eine Anzahl von Leuten, die damals beim Regiment gedient haben, vorhanden. Diese sind vernommen und haben aus⸗ gesagt, daß die Sache, wie sie die Denunziation angiebt, nicht richtig ist, und sie sind auch bereit, ihre Aussagen zu beschwören. Da ist besonders eine Aussage von Interesse, die will ich verlesen; sie lautet:

Im Herbst 1893 wurden wir zur Reserve entlassen. Da sagte

mir der Garde du Corps Bräunig, der mit mir auf einer Stube

lag, es hätten damals verschiedene Leute, darunter auch er, sich

an der unreinlichen Sache betheiligen müssen, und er würde dafür

sorgen, daß diese Geschichte zur Sprache käme.

Es wird also vielleicht der Bräunig Denunziation geschrieben hat.

Bräunig war mit mir zusammen eingetreten und war unter uns als ein unzuverlässiger Mensch bekannt, dem Keiner etwas glaubte. Auch hatte er auf der Stube öfters ausgesprochen, daß er Sozialdemokrat wäre.

Wenn sich die Herren vielleicht für den Gegenstand interessieren, will ich gern nach dem Schluß der Sitzung und nachdem die Tribünen geräumt sind, das Erforderliche mittheilen. Es werden dabei ganz interessante Dinge zur Ihrer Kenntniß kommen.

Präsident Freiherr von Buol: Während der Rede des Herrn Kriegs⸗Ministers hat der Abg. Frohme den Zwischenruf gethan: „dann bleiben Sie überhaupt fort!“ Diese Aeußerung ist unter den gegebenen Verhältnissen eine in hohem Grade ordnungswidrige, und ich rufe deshalb den Abg. Frohme zur Ordnung.

Abg. Bebel: Ich weiß nicht, ob die Antwort des Kriegs⸗ Ministers, daß er nicht verpflichtet sei, jedem sozialdemokratischen Abgeordneten zu antworten, der Verfassung entspricht. Ob, ein sozialdemokratischer oder konservativer Abgeordneter etwas vorbringt, ist vor der Geschäftsordnung des Reichstags vollständig gleichgültig. Solche deplacierten Redensarten machen auf mich, im Hause und auch im Lande keinen Eindruck oder sie machen einen vom Kriegs⸗Minister wohl nicht erwarteten Eindruck. Was ist denn heute richtig gestellt? Er meint, in Königsberg wäre das staatliche Interesse geschädigt worden, wenn nicht Soldaten zur Verfügung gestellt worden wären. Der Kriegs⸗Minister hat nichts weiter zu thun, als auf die Erfüllung des Kontrakts zu dringen, und der Baumeister muß, wenn das nicht geschieht, seine kontraktmäßigen Strafen erleiden. Deswegen braucht sich die Militärverwaltung nicht in die Lohnstreitigkeiten zu mischen; der Arbestgeber muß sehen, wie er mit seinen Arbeitern fertig wird. Es sind hier nur zwei Fälle vorgetragen worden, aber es sind noch viel mehr vorgekommen. Wir wollen dadurch, daß wir die Dinge hier vorbringen, nur bewirken, daß sie für die Zukunft verhütet werden. Im Falle des Lieutenants Voigt II. scheint man den Offizier schnell in eine Nerpenheilanstalt geschickt zu haben, um den Skandal zu vermeiden. Besser wäre es, wenn man zugestände, dieses oder jenes hat sich wirklich ereignet, und wenn man es rügte. Bezüglich der Arbeiterabtheilung macht sich der Kriegs⸗Minister die Sache leicht; er meinte, der oberste Kriegsherr habe die Disziplinar⸗ vorschriften zu erlassen. Es ist aber eben die Frage, ob es sich hier ledigliech um Disziplinarvorschriften handelt. Die Millitär⸗ verwaltung hat kein Recht, einen Soldaten, der während seiner Militärzeit nichts begangen hat, mit einer Strafe zu belegen, die einer Gefängnißstrafe gleichkommt; sonst könnte ja das ganze Millitärstrafverfahren und das ganze Militär⸗ gesetz durch Kabinetsordre umgestaltet werden. Bezüglich des Schöler empfehle ich Ihnen die Anschaffung der von ihm geschriebenen Broschüre; der Mann ist bei klarem Verstande und hat seine Schrift mit Humor geschrieben. Ein geistiger Defekt ist an dem Mann nicht zu erkennen. Seine Ausführungen haben nach meinem Eindruck seine Vorgesetzten gehörig auf den Sand gesetzt. Der Kriegs⸗Minister hat den Mann herabzusetzen versucht, indem er ihn als Brandstifter bezeichnete. Der Mann ist als Knabe mit anderen Knaben aufs Feld gekommen, wo eine alte Bude stand, die sie an⸗ gezündet haben, ohne daß ein erheblicher Schaden entstand. Das ist der Brandstifter! Lesen Sie einmal, was der Schöler schreibt über die Arbeiterabtheilungen; da wird man den Eindruck haben, daß der geistige Defekt eher bei dem Hauptmann als bei dem Schöler sich findet. Endlich ist der Kriegs⸗Minister noch auf den Fall bei der 3. Eskadron der Gardes du Corps gekommen, den ich nur ange⸗ deutet habe. Wenn man etwas gerecht will, dann muß man nicht bloß die aktiven Betheiligten, sondern auch den leidenden Theil befragen. Das ist nicht geschehen; denn die Mannschaften sind entlassen worden. Ich habe keinen Grund, etwas zurückzunehmen.

Kriegs⸗Minister Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Ich protestiere dagegen, daß der Abg. Bebel mir hier in meiner Eigenschaft als Bevollmächtigter zum Bundesrath unterstellt, daß ich in den amtlichen Angaben, die ich hier mache, Beschönigungen und Bemäntelungen und Verschleierung der Wahr⸗ heit mir zu Schulden kommen ließe. Ich weise diese Unterstellung mit aller Entschiedenheit zurück. (Bravol rechts.)

Preußischer General⸗Lieutenant von Spitz: Nach den Aus⸗ führungen des Herrn Abg. Bebel sollte ein Soldat in eine Arbeitsabtheilung nur auf gerichtlichem Wege eingestellt werden. Fedenfalls ist das jetzt nicht der Fall, denn die Einstellung in eine Arbeiterabtheilung ist eine Disziplinarmaßregel. Es ist also be⸗ stehendes Recht und zwar das Verfügungsrecht Seiner Majestät nach dem § 8 des Militärgesetzes, der verlesen worden ist. Be⸗ darf diese Disziplinarmaßregel einer Erweiterung oder Beschränkung, so ist gar keine Frage, daß nach dem bestehenden Recht Seine Majestät allein in der Lage ist, dieselbe zu beschränken oder auszudehnen. Seine Majestät hat diese Disziplinarmaßregel nun durch Kabinets⸗ ordre von 1887 ausgedehnt. In der Truppe ist man darüber einig, daß sich diese Erweiterung auf sehr wohlthätige Weise bemerkbar ge⸗ macht hat, weil dadurch Elemente von den anderen Soldaten entfernt werden, die durchaus verderblich auf dieselben einwirkten, deren weiteres Verbleiben in Kompagnie und Eskadron auch eine Menge Be⸗ strafungen anderer noch unverdorbener, oder besser gearteter Sol⸗ daten zur Folge haben würde, und es daber besser ist, wenn die ihnen gefährlichen Elemente von ihnen abgesondert werden. Was die von dem Herrn Abgeordneten angeführten zwei Fälle Wendtland und Buhr anbetrifft, so sind die uns auch im Kriegs⸗Ministerium einmal durch die Hände gegangen; aber wie ist es möglich, noch genau über die Sache in jedem Augenblick unterrichtet zu sein! In Bezug auf Buhr aber erinnere ich mich noch genau, daß die Sache so, wie der Herr Abg. Bebel sie darstellt, sich nicht verhalten hat. Der Auf⸗ enthalt in Berlin war nicht ein so harmloser, wie genau festgestellt worden ist, natürlich unter Zuhilfenahme der Behörden. Einem Soldaten ist streng untersagt, so lange er den Soldatenrock trägt, irgendwie an politischen Versammlungen, seien es welche es wollen, theilzunehmen. Ich müßte mich außerordentlich irren: Buhr hat, trotz⸗ dem er vorher Versprechungen egeben hatte und man ihn auf diese Ver⸗ sprechungen hin beurlaubte, sich doch darauf eingelassen. Ob er da mitgewirkt hat, will ich nicht sagen; jedenfalls hat er dieser Ver⸗ sammlung aber beigewohnt. Was den Herrn Schöler betrifft, den der Herr Abgeordnete auch erwähnte, so abe ich zufällig eine Pidce, welche von ihm handelt, hier in den Akten. Es ist dies der Mann mit dem ganz feinen Rechtsgefühl, der so harmlos ohne Verschulden

sein, der diese

in die Arbeiterabtheilung , seil Da muß ich doch sagen, daß das Gesammtbild, welches man aus den Akten, die uns in Händen waren, von dem Herrn bekommen hat, doch das war, daß er ein sehr gefährlicher Mann für die Truppe gewesen ist, und das ist vielleicht ein Grund, weshalb er die besonderen Sympathien des Herrn Bebel gefunden hat. Wir haben aus den Akten ersehen können, daß der Herr früher einmal wegen versuchter Brand⸗ stistung bestraft worden war, wohl möglich, daß die Sache sich so verhält, wie der Herr Abg. Bebel gesagt hat; wir wissen das nicht. Es steht nur in den Akten: wegen versuchter Brand⸗ stiftung; ob er noch ein Junge war, steht dort nicht vermerkt. Dann ist er auch vorbestraft wegen Widerstandes gegen die Staats⸗ gewalt, und dann ist er auch noch außer dieser Be chwerdesache mit einer ganzen Reihe Strafen während seiner Militärdienstzeit belegt worden. Dieser Herr, der neben seiner schriftstellerischen Thätigkeit auch eine Art politischer Wanderprediger ist, hat dann in einer Ver⸗ sammlung in Dresden es sollen 300 Personen zugegen gewesen sein sich in einer Art und Weise ausgelassen, daß es scheinbar sich offen⸗ barte, daß die in der Versammlung anwesenden Herren wohl Parteigenossen, aber durchaus nicht Gesinnungsgenossen des Redners waren; denn es hat sich ein solcher Lärm und solche Pfuirufe zweimal ist das in die Erscheinung getreten erhoben, daß die Versammlung aufgelöst werden mußte. Der Herr ist nun zunächst in Sachsen in Anklage versetzt worden und wegen Beleidigung der sächsischen Armee ich glaube, so war der Wortlaut mit zwei Monaten Gefängniß bestraft worden, und in dem heißt es unter anderm, wo die Absicht der Beleidigung ausgeführt wird: „Die Absicht der Beleidigung ergiebt sich weiter noch aus der überaus gehässigen und verletzenden Tendenz, von welcher seine von ihm ausdrücklich in der Rede angezogenen beiden Broschuͤren „Zwei Jahre Infanterie und Ein Jahr Arbeitssoldat“, was aus den beiden zum Vortrag gebrachten Stellen hervorgeht, getragen sind.“ So urtheilt das Gericht über diese Broschüren, von denen Herr Bebel meint, daß es eigentlich Ihre Pflicht sei, sich dieselben anzuschaffen; das Gericht scheint doch anderer Ansicht über deren Werth gewesen zu sein. Nun sagte Herr Bebel ferner: wenn die Broschüren nicht auf Wahrheit beruhten, dann würde der Mann für das, was er gegen das preußische Kriegs⸗Ministerium und gegen die Behörden gesagt hat, verurtheilt und bestraft sein. Der Prozeß schwebt, und ich hoffe, daß der Mann auch verurtheilt werden wird. Der Prozeß hat sich aber in die Länge ziehen müssen, weil noch Zeugen zu ver⸗ nehmen sind, die früher in der Arbeiterabtheilung waren, inzwischen entlassen sind und deren man, soviel ich weiß, bisher noch nicht habhaft geworden ist. Die Sache liegt also noch den Gerichten vor, und des⸗ wegen kann jetzt darüber hier keine Auskunft gegeben werden.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Dem Abg. Bebel wird nicht entgangen sein, daß die Situation, in die er die Armeeverwaltung und das Haus gebracht hat, eine wesentlich andere ist, als sie in der Regel von Mitgliedern des Hauses geschaffen wird. Wenn wir hier Einzel⸗ fälle vorzutragen genöthigt sind, ist es gutes Herkommen, die be⸗ treffende Verwaltung vorher von der Absicht zu verständigen. Sie ist dann in den Stand gesetzt, wenn der Gegenstand zur Verhandlung kommt, sofort mit dem nöthigen Material Stellung zu nehmen und Aufklärung zu geben. reilich entbehrt dann auch der be⸗ treffende Abgeordnete des wohlfeilen Triumphes, als Sieger aus der Debatte hervorzugehen. Ich möchte Herrn Bebel bitten, dieses parlamentarische Herkommen auch seinerseits anzuwenden, dann werden wir weiter kommen, als auf die seither von ihm beliebte Weise. Auf den Fall Schöler will ich nach Lesung der Broschüre eingehen. Be⸗ züglich des Strikebruches bin ich geneigt, anzuerkennen, daß, wenn militärische Interessen an die Fertigstellung eines Baues geknüpft sind, die Militärbehörde das Recht hat, ihr Interesse nach allen Kräften selbst zu wahren. Die Einstellung in die Arbeiterabtheilung ist nach den bestehenden Vorschriften eine Disciplinarsache, die den Kommandierenden zusteht. Wenn Herr Bebel sich jetzt an die Juristen wendet, warum hat er die schwierige Frage nicht in der Budget⸗ kommission aufgeworfen? Jetzt auf die Rechtsfrage einzugehen, lehne ich ab; ich behalte es mir für das nächste Jahr vor.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Es entspricht nicht meinem Geschmack, die Armee anzugreifen; aber diesmal muß ich dem Abg. Bebel durchaus zustimmen. Ich kann dem Kriegs⸗Minister nicht Recht geben, wenn er den sozialdemokratischen Rednern nicht antworten will; sie stehen allen Rednern anderer Parteien voll⸗ ständig gleich. Ein nervenkranker Offizier sollte nicht zum Agitations⸗ mittel mißbraucht werden, aber es wäre doch erst festzustellen, ob sich die Nervenkrankheit schon vorher bei dem betreffenden Offizier gezeigt hat. Die söhg der Arbeiterabtheilungen ist keine so schwierige, fi ist eine sehr einfache. Seine Majestät hat allerdinas die Disciplinar⸗ gewalt in der Armee, aber sie ist nicht schrankenlos. Sollen die in die Arbeiterabtheilungen verwiesenen Soldaten nur abgesondert werden, so muß man sich auf die Absonderung beschränken, aber nicht eine Behandlung eintreten lassen, die der der Gefangenen gleichkommt. Es widerspricht dem Rechtsgrundsatz: ne bis in idem, wenn man zu einer zivilrechtlichen Strafe noch eine Disciplinarstrafe fügt, obgleich der Mann als Soldat nichts begangen hat. Wenn man mit dem Vorwande des Interesses der Armee alle rechtlichen Verhältnisse umstürzen will, dann hätte man uns mit der Umsturzvorlage verschonen sollen. Ein Beweis der Schuld sei nicht erforderlich, meinte der Kriegs⸗Minister. Das ist falsch; ein Unschuldiger darf nicht bestraft werden. Ein Vorgesetzter, der sich nicht von der Schuld vollständig überzeugt hat und dennoch eine Bestrafung ein⸗ eintreten läßt, verletzt gröblich seine Pflicht. Den Herrn Schöler kenne ich persönlich. Was Herr Bebel vorgetragen hat, ist vollständig richtig. Der Mann ist bestraft wegen einer im Alter von 14 Jahren begangenen Brandstiftung. Ehe man einen solchen Mann in die Arbeiterabtheilung schickte, hätte man danach fragen können. Er ist einmal bestraft worden wegen Widerstands gegen die Staats⸗ gewalt. Das ist bei einem aufbrausenden jungen Mann kein gefährliches Vergehen. Herr Schöler hat ein ausgesprochenes Rechtsgefühl; ob er sich dabei immer von dem richtigen Gedanken hat leiten lassen, weiß ich nicht. Er hat auch den Muth ge⸗ habt, mit seinem Rechtsgefühl sich an die vorgesetzte Behörde zu wenden. Diese beiden Eigenschaften sind nicht die eines die Mannes⸗ zucht störenden Menschen. Ich habe mich des Schöler angenommen, aber ich habe nicht den geringsten geistigen Defekt an ihm entdeckt. Er muß etwas an der Kandare gehalten werden. Der Mann ist trotz der Behandlung in der Arbeiterabtheilung nicht Sozialdemokrat ge⸗ worden, sondern ist zu uns gekommen. Wir haben ihn in der Presse angestellt, und er füllt seine Stellung vollkommen aus. Er ist wegen Beleidigung der sächsischen Armee verurtheilt worden vom Landgericht, aber das Erkenntniß ist meines Wissens noch nicht rechts⸗ kräftig. Es fällt mir nicht ein, dem Minister den Vorwurf zu machen, daß er die Sache beschönigen will. Ich bitte ihn aber, die Sachen, auch wenn sie von dieser Seite (von den Sozialdemokraten) vorgebracht werden, genau zu eteee und Remedur zu schaffen, dadurch würde er sich ein größeres Verdienst erwerben, als durch die Abweisung solcher Beschwerden.

Preußischer General⸗Lieutenant von Spitz: Wenn der Herr Vorredner bemerkt, daß das Kriegs⸗Ministerium aus der Zeit der Bestrafung des Herrn Schöler wohl hätte ausrechnen können, wie alt er gewesen sei, als er die Brandstiftung beging, so wäre das wohl möglich gewesen, wenn wir vorher avertiert gewesen wären, daß die Sache hier vorkäme; dann hätten wir uns genaue Notizen machen können und nicht bloß uns auf den Fefac verlassen müssen. Mir war zufällig in den Akten eine Bemerkung aufgefallen: wegen versuchter Brandstiftung verurtheilt, und zwar war diese Bemerkung mit einem Signum des verantwortlichen Beamten unterzeichnet. Wenn ferner der Herr Abgeordnete Lenzmann vermuthet, daß das Urtheil noch nicht rechtskräftig geworden ist, so maß ich sagen: das ist Sec wir wissen es noch nicht; denn ich sehe, daß es ein Ürtheil aus erster Instanz war.

Abg. Werner (Reform⸗P.): Die Frage der Arbeiterabtheilung kann 8 nicht ohne weiteres entscheiden. Es wäre besser gewesen, wenn Sen gebel die Sache in der Kommission vorgebracht hätte. Herr Schöler ist mir auch bekannt. Die Verurtheilungen, welche

tegen Herrn Schöler ergangen sind, zeigen doch wohl, daß es mi e Hermn, Sshal nicht weit her ist

Abg. Bebel: Ich bin lange genug im Parlament, um zu wissen, wie ich mich zu benehmen habe. Ich habe auch nicht ge⸗ funden, daß die Art, wie ich die Dinge hier vorgebracht habe, nach⸗ theilig für mich gewesen ist. Bei militärischen Bauten und bei einem Nothstand hält der Kriegs⸗Minister die Stellung von Soldaten als Arbeiter für berechtigt und Herr Lieber vertheidigt dieses Verhalten des Kriegs⸗Ministers. Bezüglich der Arbeiterabtheilungen wird si herausstellen, daß die Frage doch einfacher ist, als sie erscheinen vsch Daß die Behandlung eines Soldaten als Sträfling nicht als eine Disciplinarstrafe angesehen werden kann, wird doch allgemein zu⸗ gegeben werden müssen. Die ganz unbestimmten Vorschriften von 1887 können es dahin bringen. daß ein Mann, der sich mißliebig gemacht hat, in die Arbeiterabtheilung kommt. Ich habe von meiner Absicht, diese Vorfälle vorzubringen, keine Mittheilung gemacht, weil alle Fälle der Verwaltung bekannt waren und der Kriegs⸗ Minister selbst im Besitz der darüber geschriebenen Broschüren war, die er mir ja am Freitag hat anbieten lassen. Wendtland hat nicht Versammlungen besucht; seine Parteigenossen haben ihn nur in großer Zahl auf den Bahnhof gebracht. Deswegen wurde er in die Arbeiterabtheilung gesteckt. Kann das gesetzlich zugelassen werden? Ich werde Veranlassung nehmen, im nächsten Jahr darauf zurück⸗ zukommen, da die Frage heute doch nicht ausgetragen werden kann.

Abg. Gröber (Zentr.): Dann hätte aber auch Herr Bebel die Vorwürfe gegen uns nicht erheben sollen. Es ist doch nicht so einfach, eine cke Verordnung als ungesetzlich zu bezeichnen; wir nehmen es auch nicht so leicht wie Herr Lenzmann. Der Staatsrechtslehrer Laband spricht sich über die ganze Sache mit keinem Wort aus, also liegt die Sache doch nicht sehr klar. Der Begriff Disciplin ist aus ihrer ganzen geschichtlichen Entwickelung zu erklären. Die Disciplinar- ordnung ist der Militärstrafprozeßordnung gegenübergestellt, und Laband findet darin eine Anerkennung der b Disciplinarordnung, die besteht, so lange, wie das preußische Heer besteht. Heute zum ersten Mal tritt man im Reichstag an diese Frage heran. Wir thun gut, unsere Stellungnahme dazu uns vorzubehalten.

Beim Kapitel „Artillerie⸗ und Waffenwesen“ be⸗ mängelt der

Abg. Bebel, daß für Pulver die Preise sehr hoch gestellt seien, sodaß viele Millionen mehr gezahlt würden, als nöthig sei. Die Militärverwaltung, fährt Redner fort, ist hier einem Pulverring in die Hände gefallen, von welchem sie den Bedarf deckt, den sie in eigenen Fabriken nicht herstellen kann. Die Pulverfabriken haben 1884 ein Kartell geschlossen, um sich den Profit und den Verlust zu theilen. Von einem Verlust ist überhaupt keine Rede. Während früher die Kölner Fabrik den größten Vortheil hatte, hat jetzt die Rottweiler Fabrik den größten Gewinn, weil sie ein Pulver fabriziert, welches die Militärverwaltung sehr gut gebrauchen kann. Um die hohen Verdienste zu verhüllen, erhöbte man mehrfach das Betriebs⸗ kapital. 1889 wurde das Kartellverhältnig aufgehoben, und es trat eine vollständige Fusion an die Stelle - es wurden die Aktien wieder verwässert, und die bisher außerhalb des Kartells stehenden Fabriken wurden mit herangezogen; auch die Dynamitfabriken vormals Nobel u. Co. traten dem Kartell bei. Die Berichte der vereinigten Pulverfabriken stimmen darin überein, daß die Hauptprofite nicht vom Privatgeschäft, sondern von dem militärtischen Geschäfte herrühren, weil bei dem Privatgeschäft die Konkurrenz eine zu große sei. Obgleich die Militärverwaltung der Hauptkunde und der beste Zahler ist, wird sie keineswegs in Bezug auf die Preise entsprechend behandelt, wie dies doch sonst kaufmännischer Grundsatz ist; das gerade Gegentheil ist der Fall; die Militärverwaltung hat weit höhere Preise zu bezahlen ge⸗ habt, als die Privatkonsumenten. Die Firma Friedrich Krupp hat billiger das Pulver bezogen als die Militärverwaltung; wo Krupp 1,25 bezahlte, mußte die Militärverwaltung 1,80 ℳ, ja 2,10 ℳ, bezahlen. Auch bei dem rauchschwachen verdienten die ver⸗ einigten Pulverfabriken 100 % der Herstellungskosten, bei dem Ge⸗ schützvulver sogar 150 %, Die Milltärverwaltung hat über 3 Millionen Mark mehr bezahlen müssen als die Prsvatkundschaft. Neben dem großen Gewinn der Aktiengesellschaften laufen noch besonders hohe Profite für die Direktoren und Aufsichtsraths⸗ mitglieder u. s. w. her und die Extravergütungen, welche große Abnehmer, wie z. B. Krupp, erhalten haben. Die hohen Divi⸗ denden werden mit einer verhältnißmäßig geringen Zahl von Arbeitern gewonnen, der ganze Pulverring beschäftigte nur etwa 1000 Arbeiter. Ich habe mir sagen müssen, daß man sehr klar sieht, woher der Eifer kommt, mit welchem sich gewisse Theile der Parteien und der Presse für die Vermehrung des Heeres oder der Marine interessieren. Da wird mir vieles klar, was wir in den letzten Jahren erlebt haben. Und dabei handelt es sich nur um einen einzigen Artikel. Ziehen Sie in Betracht, was die Stahl⸗ und Eisenfabrikanten, die Tuch⸗ und Lederlieferanten u. s. w. für Geschäfte mit der Militärver⸗ waltung machen, dann werden Sie erkennen, daß ein großer Theil unserer bürgerlichen Klassen direkt an der Vermehrung des Heeres und der Marine persönlich betheiligt ist. Wir müssen aber die Interessen der Steuerzahler wahrnehmen und von der Militärverwaltung ver⸗ langen, daß sie möglichst billig und gut einkauft. Hier steht die Militärverwaltung vor einem Ring von Kapitalisten, den sie nicht durchbrechen kann. Ich stelle daher die Frage: Wie hoch ist die Summe, welche für die Beschaffung von Pulver durchschnittlich aus⸗ gegeben wird? Wie hoch ist die Fabrikation des Reichs an Pulver? Wie hoch stellt sich der Preis der einzelnen Pulversorten?

General⸗Major von Falkenhausen: Die Heeresverwaltung ist durchaus bereit, auf die Fragen zu antworten. Auf die anderen Aus⸗ führungen des Vorredners, auf die Bildung des Pulverrings und dessen Profite brauche ich nicht einzugehen, da der Vorredner felbt anerkannte, daß die Militärverwaltung durchaus gewissenhaft vorgeht. Wenn die Behauptung des Vorredners sich darauf stützte, daß der Pulverring 5 hauptsächlich auf die Lieferungen für die Militärverwaltung stützt, o ist das durchaus nicht vollständig richtig. Die Fabriken haben auch mit ausländischen Militärverwaltungen zu thun. Wenn sie Krupp weniger Geld abnehmen, so liegt das daran, daß er zum Ring gehört, und unter sich nehmen sie natürlich weniger. Die Pulverfäbriken klagen mir gegenüber über zu geringen Verdienst, und es scheint überhaupt, als ob die Behauptungen des Abg. Bebel nur auf frühere Zeiten passen. Die Einführung des rauchschwachen Pulvers bedeutete einen großen Fortschritt. Damals waren die staatlichen Fabriken nicht in der Lage, die erforderlichen Pulvermengen anzufertigen. Wir . auf die Privatindustrie zurückgreifen, die dazu im stande war. ir mußten in ausgedehntem Maße Verträge eingehen, die immer mehr zu unseren Gunsten ver⸗ ändert sind. Dann giebt es gewisse Pulversorten, an denen Patent⸗ rechte haften, die die Militärverwaltung nicht erwerben konnte, oder wegen der hohen Kosten nicht erwerben wollte, oder für die große neue kostspielige Einrichtungen hätten getroffen werden müssen. Die Sprengstoffe müssen wir von Privaten beziehen, da wir dafür keine eigenen Fabriken haben. Der Staat muß die Privatindustrie beran⸗ ziehen, weil er sie im Kriegsfall braucht; er muß im Frieden wissen, was die Privatindustrie leistet, und der Staat muß wissen, was die

rivatindustrie fordert. Aber sie wird nur herangezogen, wie es ge chehen muß, weil die Preise bei der I größer sein müssen als bei den staatlichen Fabriken. Die Fabriken müßten füist Anlagen schaffen, die sie verzinsen und amortisieren müssen, und zwar in größeren Beträgen. In den letzten sechs Jahren sind durchschnittlich für Preußen 12,55 Millionen für Pulver ausgegeben worden. Hlernen 86 entfallen auf solche Stoffe, welche Privat⸗ und Staats abriken berstellen können, 8,7 Millionen, solche, die nur Privatfabriken her stellen können, 3,85 Millionen. Wenn es sich um den Ersatz vo dehagc ton handelt, so ergiebt sich ein Durchschnitt von 4,2 Millionen, wovon 0,7 Millionen auf solche Stoffe entfallen die nur von Privatfabriken hergestellt werden können. Der Prozent satz, den der Staat produziert, ist ein recht hoher, und man kan nicht von einer Ausbeutung des Staatt durch den Pulverring reden Die Selbstkosten der staatlichen Fabriken betragen 5,50 ℳ, für die

Privatindustrie betragen die Selbstkosten 8,50 Ich glaube nicht, daß diese amtlichen Hahlen so erschrecklich sind, um daraus eine Aus⸗ beutung der Militärverwaltung herleiten zu können, und ich glaube, nachgewiesen zu haben, daß für die Folge um so weniger davon die Rede sein kann. 1

Darauf wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten

und Freisinnigen die Diskussion geschlossen.

Bei dem Kapitel „Technische Institute der Ar⸗ tillerie“ ergreift das Wort der

Abg. Schall (dkons.): Wir müssen beinahe um Entschuldigung bitten, wenn außer dem Abg. Bebel noch ein anderer Abgeordneter sprechen will. Ich möchte fragen, wie es mit den Wünschen der Städte Spandau, Ellerbeck, Gaarden und Siegburg steht, welche über die Steuerfreiheit des Militärfiskus sich beklagen. Die genannten Städte sind von Seiner Majestät dem Kaiser dahin beschieden worden, daß die darüber schwebenden Verhandlungen noch nicht ab⸗ geschlossen seien. Die Regierung hat aber schon früher erklärt, daß sie bis zur Vereinbarung über diese Frage für die betheiligten Städte einen Ausgleich für die Belastung derselben mit Schullasten u. s. w. fuchen würde. Aber es ist nichts geschehen. Auch in Gaarden ist die Belastung sehr hoch, so daß bis 25 % des Eintommens an Steuern zu bezahlen sind. Auf dem Wege des Gesetzes wird die Abhilfe nicht schnell geschehen können; aber es ist zweckmäßig, daß die Militär⸗ verwaltung Zuschüsse zu den Schulen leistete; 100 000 für diese Zwecke müßte das Reich doch wohl haben, um solchen bedrängten Orten aufzuhelfen. Denn sie haben durch die militärischen Betriebe direkte Nachtheile gehabt. Ich bitte den Herrn Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, baldigst die nöthigen Schritte zu thun.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich bemerke zunächst, daß die Bedenken, die dem Erlaß einer Kommunalbesteuerung des Reichsfiskus entgegen⸗ stehen, noch nicht erledigt sind. Es wäre auch nicht praktisch erschienen, ein solches Gesetz noch in dieser außerordentlich belasteten Session vorzulegen. Dagegen hat eine eingehende Prüfung der Frage statt⸗ gefunden, in wie weit durch die militärischen Anlagen eine kommunale Ueberbürdung der drei genannten Ortschaften veranlaßt ist.

Der Reichsfiskus könnte ja gegenüber den Beschwerden dieser drei Ortschaften einen formalen ablehnenden Standpunkt einnehmen. So⸗ weit es sich um Ueberbürdung mit Armenlasten handelt, könnte man mit einigem Recht den Einwand erheben, daß nach dem preußischen Ausführungsgesetz zum Reichs⸗Armengesetz Gemeinden, die leistungs⸗ unfähig werden infolge Ueberbürdung mit Armenlasten, die erforder⸗ lichen Beihilfen seitens der Provinzialverbände zu theil werden sollen. Insoweit es sich um Ueberbürdung mit Schullasten handelt, könnte man beanspruchen, daß diesen Gemeinden aus denselben Gesichts⸗ punkten wie anderen Gemeinden von der zuständigen Landes⸗ behörde Beihilfen gewährt werden. Die Reichsregierung ist aber der Ansicht, daß in Rücksicht dessen, daß es sich hier um angebliche Ueberbürdung aus Anlagen des Reichs handelt, ein nobile officium vorliegt, auch mit Reichsmitteln einzugreifen. (Hört, hört!) Die Prüfung der steuerlichen Verhältnisse der drei Ortschaften ist jetzt ziemlich abgeschlossen, und ich glaube, daß es in der allernächsten Zeit möglich sein wird, den Ortschaften, von denen wir die Ueber⸗ zeugung gewonnen haben, daß sie durch militärische Anlagen des Reichs steuerlich überbürdet sind, aus Allerhöchsten Dispsitionsfonds oder aus dem Dispositionsfonds des Herrn Reichskanzlers eine Beihilfe zuführen zu können.

Ich muß aber auch gleichzeitig bemerken, daß sowohl bei Gaarden, wie bei Ellerbeck die Armenlast, insoweit sie aus dem Werftbetriebe herrührt, eine ganz minimale ist und gar nicht in Frage kommt, da in beiden Orten ausreichende Fürsorge einerseits durch die sozial⸗ politische Gesetzgebung getroffen ist, andererseits Fürsorge getroffen wird durch die Wohlfahrtseinrichtungen der zuständigen Reichs⸗ Marinebehörden.

Was ferner Spandau betrifft, so kann eine Belastung von Spandau in dem Umfange, wie sie bei Ellerbeck und Gaarden zu⸗ gestanden werden möchte, nicht anerkannt werden. Die Herren ent⸗ sinnen sich noch, daß zu der Zeit, als von Spandau ein Laboratorium fortgenommen werden sollte, gerade von den Interessenten in Spandau der lebhafteste Widerspruch dagegen erhoben wurde. Es kann auch sicht bestritten werden, daß in Spandau die steuerliche Belastung nicht höher ist, als an einer ganzen Anzahl von Orten des Westens und Oberschlesiens. Aber auch, soweit es sich um Spandau handelt, soll, wenn wir bezüglich dieser Ortschaft zu der Anschauung kommen sollten, daß in der That eine kommunale Ueberbürdung infolge der militärischen Anlagen vorliegt, die Frage der Gewährung einer Bei⸗ hilfe in wohlwollende Erwägung gezogen werden.

Abg. Lingens (Zentr.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß auch für die in seinem Wahlkreise liegende Stadt Siegburg in dieser Weise gesorgt worden sei.

Um 4 ¾ Uhr wird ein Vertagungsantrag angenommen. Der Präsident stellt für Donnerstag den Rest des Militär⸗ Etats auf die Tagesordnung.

Abg. von Kardorff (Rp.): Ich bin von verschiedenen Seiten angegangen worden, doch einmal die Frage anzuregen, wann das Zuckersteuergesetz auf die Tagesordnung kommen wird. Die Land⸗ wirthe müssen sich danach einrichten mit ihrer Bestellung; ich möchte also bitten, das Zuckersteuergesetz für morgen auf die Tagesordnung

zu setzen.

dent Freiherr von Buol: Ich habe Anordnung getroffen, 8. die Vertreter aller Parteien morgen zur Besprechung dieser Frage zusammentreten.

Abg. Richter (fr. Vg.): Ich glaube, daß doch alle Parteien damit einverstanden waren, daß diese wichtige Frage, welche mindestens vier Tage in Anspruch nehmen wird, da selbst die Parteien in sich noch nicht alle einig darüber geworden sind, nicht so kurz vor der Vertagung noch zur Berathung gestellt wird. Wenn die Herren Landwirthe ihre Dispositionen nach dem Schicksale des Gesetzes treffen müssen, dann Fäshen die Herren doch mit dieser Anfrage etwas früher kommen müssen.

Abg. von Kardorff: Vertretern der Parteien erwogen werden soll, so bescheide ich mich vorläufig dabei. 1 .

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. Rest des Militär⸗Etats und Petitionen, betreffend die Dienst⸗ altersstufen.)

Da die Frage noch einmal unter den

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

22. Sitzung vom 19. Februar 1896.

1 den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet

en.

Auf der Tagesordnung steht zunächst der Bericht über Petitionen.

Als letzte derselben gelangt die Petition des Verbandes Stadt⸗Hannoverscher Bürgervereine um Aenderung der Städteordnung für die Provinz Hannover zur Be⸗

sie wird der Regierung als Material überwiesen. Eine auf denselben Gegenstand bezügliche Petition von Böttger und Gen. in Hannover wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, nachdem die Abgg. Brüell und Wall⸗ brecht, sowie Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Brandt sich gegen die Nothwendigkeit einer Revision der hannoverschen Städteordnung erklärt haben, während Abg. Langerhans die Petitionen, soweit sie sich auf eine Vermehrung der Bürger⸗ vorsteher beziehen, der Berücksichtigung empfiehlt und Abg. Eckels die Herstellung einer einheitlichen Städteordnung für die ganze Monarchie wünscht.

Darauf setzt das Haus die zweite Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats für 1896/97 im Extraordinarium des Etats der Bauverwaltung fort.

Bei den Ausgaben für die Erweiterung des Schutzhafens zu Hameln wünscht

Abg. Eckels (nl.) die Herstellung einer Verbindung der Weser mit dem C der Eisenbahn in Münden und die Kanali⸗ sation der oberen Weser. Lasse sich dieses letztere große Projekt nicht ausführen, so müsse man wenigstens mit kleineren Mitteln den Absatz der industriellen Produkte fördern, und hierzu gehöre ferner eine Geleiseverbindung in Bodenfelde.

„Auf eine Anfrage des Abgeordneten Bandelow (kons.) theilt ein Regierungskommissar mit, daß eine Erhöhung der Kafen⸗ gebühren der Erweiterung des Hafens in Aussicht ge⸗ nommen sei.

Bei den Ausgaben für die Herstellung einer tiefen Fahrrinne im Frischen Haff von Königsberg nach Pillau wiederholt

Abg. Weibezahn (nl.) seinen früheren Wunsch nach Verbesserung des Fahrwassers im Köhlbrand bei Hamburg und bemängelt ferner die unzulänglichen Verhältnisse an der Fähre über die Süderelbe nach der Insel Wilhelmsburg, welche nur durch den Bau einer festen Brücke gebessert werden könnten. Er vertrete diese Wünsche im Auf⸗ trage seines Wahlkreises. Es sei zu hoffen, daß ein Abkommen be⸗ züglich des Köhlbrands zwischen dem preußischen und dem hamburgischen Staat zu stande komme, und in diesem Fall möge die Regierung die entsprechenden Mittel sich noch in diesem Jahr in einem Nach⸗ trags⸗Etat bewilligen lassen.

Bei den Ausgaben für den Schutz der Halligen an der schleswigschen Westküste dankt

Abg. Jürgensen (nl.) der Regierung für die Einstellung dieses Titels. Die Halligen seien ein natürlicher Schutz für die dahinter liegende Küste und bedürften der sorgsamsten Pflege. Die Regierung müsse noch weiter gehen und auch den kleinen e. ihren Schutz zuwenden, sie werde sich damit den Dank der Bevölkerung verdienen. b den Ausgaben für Wegebauten und Brücken

itte

Abg. Ring (kons.) im Namen des abwesenden Abg. Schall die Regierung um den Bau einer Brücke über die Havel bei Sakrow behufs besserer Verbindnng mit Berlin.

Abg. Bandelow gons.) bittet um den Bau einer Brücke über die Oder zwischen Glogau und Steinau, da diese lange Strecke noch gar keine Brücke habe.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß bisher noch nicht an die Regierung herangetreten sei.

Ober⸗Baudirektor Wiebe bemerkt, daß der Wunsch wegen der Brücke bei Sakrow von der Regierung wohlwollend aufgenommen werde, daß aber die Erfüllung desselben noch an der Finanzlage scheitere, zumal der Kreis sich zu einer Beihilfe nicht bereit erklärt

abe.

Berichterstatter Abg. von Tiedemann⸗Bonst theilt mit, daß das neue Geschäftsgebäude für das Abgeordnetenhaus am 1. Oktober 1897 vollständig fertiggestellt sein werde, so daß nach diesem Termin ein Nebeneinanderarbeiten zwischen dem Hause und der Baukommission, wie es beim Reichstag zu beklagen sei, vermieden werden würde. Redner macht noch einige Mittheilungen über die innere Einrichtung des Baues.

Der Rest des Extraordinariums wird ohne Debatte be⸗

ei Berathung der Denkschrift über die Re⸗ gulierung von Wasserstraßen empfiehlt

Abg. Jäckel (fr. Vp.) eine gründliche Nachregulierung der Warthe, die der Regierungskommissar aber noch nicht für er⸗ forderlich hält angesichts des geringen Verkehrs.

Abg. von Czarlinski (Pole) schließt sich dem Wunsche des Abg. Jäckel an, welch letzterer dem Kommissar erwidert, daß der Verkehr sich erst bei besseren Verkehrsverhältnissen heben könne.

Die Denkschrift wird für erledigt erklärt.

Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. (Etat der Verwaltung für Handel und Gewerbe.)

diese Anregung

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Hause der Abgeordneten ist eine Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes vom 26. April 1886, betreffend die Beförderung deutscher Ansiedelungen in den Provinzen Wetpreußen und Posen, für das Jahr 1895 zugegangen, aus der wir Folgendes hervo

heben: Ankaufsgeschäft.

f u““ 1““ Im Jahre 1895 sind der Königlichen Ansiedelungskommission zum

freihändigen Ankauf angeboten worden: 163 Güter und 30 bäuerliche Grundstücke, davon aus polnischer Hand: 49 Güter und 12 bäuerliche Grundstücke, aus deutscher Hand: 114 Güter und 18 bäuerliche Grundstücke.

Als für Ansiedelungszwecke geeignet sind im Berichtsjahr 11 größere Güter (Haupthöfe, mit oder ohne ausgebaute Vorwerke und theil⸗ weise mit zugeschriebenen, früher angekauften bäuerlichen Grundstücken), und zwar 9 im Wege des freihändigen Ankaufs, 2, nämlich Goniczki im Kreise Wreschen und Miedzylesie im Kreise Obornik, gelegentlich der Zwangsversteigerung erworben worden. Außerdem wurde eine

mit einem früher erworbenen Ansiedelungsgut grenzende Bauerwirth⸗

schaft angekauft. 1 Von den erworbenen Gütern entfallen:

A. Auf den Regierungsbezirk Marienwerder: 1“ das Rittergut Groß⸗Konojad, Kreis Strasburg, und das Rittergut Wonsin, Kreis Strasburg, mit einem Gesammt⸗Flächeninhalt von 2851,63 ha zu einem Gesammt⸗Kaufpreis von 1 735 000

B. Auf den Regierungsbezirk Posen: das Rittergut Budziszewo, Kreis Obornik, das Landgut Miedzylesie, Kreis Obornik, und das Rittergut Goniczki, Kreis Wreschen, mit einem Gesammtflächeninhalt von 2 166,24 ha zu einem esammt⸗ kaufpreise von 1 083 000 ℳ, sowie ein bäuerliches Grundstück, bestehend aus den Grundbuchnummern Tarnowo Nr. 3, 7, 8, 9, 73, mit einem Flächeninhalt von 41,29 ha zu einem Kaufpreise von 31 000 ℳ, also mit einem Gesammtflächeninhalt von 2207,53 ha zu einem Gesammt⸗ kaufpreise von 1,114 000 . G. Auf den Regierungsbezirk Bromberg:

das Rittergut Rzegnowo, Kreis Gnesen, das Vo 8 Kobyletz, das Rittergut Sarbia und das Gut Sienno, Kreis Wongrowitz, das Rittergut Bielawy und das Gut Wiesensee, Kreis Znin, mit einem Besanantflächeninbaltk von 2507,24 ha zu einem Gesammtkaufpreise von 1 471 140

Zusammen 7566,40 ha zum Kaufpreise von 4 320 140

Unter Hinzurechnung der Erwerbungen aus den 9 Vorjahren umfaßt daher der Gesammterwerb der Ansiedelungskommission am Schlusse des Jahres 1895:

a. an Gutsareal b. an bäuerlichem Areal 1 392,71

zusammen . 89 204,43 ha 53 878 586,87

Der Flächeninhalt dieser Erwerbungen des Jahres 1895 mit 7566,40 ha bedeutet gegen das Vorjahr, das einen Grunderwerb von im Ganzen 6264,18 ha aufgewiesen hatte, ein Mehr von 1302,22 ha.

Der durchschnittlich für den Grunderwerb im Jahre 1895 ge⸗ zahlte Erwerbspreis stellt sich auf rund 571 für 1 ha, während er sich im Jahre 1894 auf 573 für 1 ha belaufen hat.

Die angelegten Preise schwanken zwischen dem 47 fachen und dem 81 fachen Grundsteuer⸗Reinertrage und stellen im Durchschnitt den 64 fachen Grundsteuer⸗Reinertrag dar.

Der Gesammtdurchschnittspreis für sämmtliche bisher von der erworbenen Liegenschaften beträgt 604 ür 1 ha.

Vorbereitungen des Besiedelungsgeschäfts.

Im Laufe des Jahres 1895 sind ausgearbeitet worden 10 Be⸗ siedelungspläne, gegen 4 des Vorjahres. Dieselben umfassen eine Fläche von 5822,72 ha.

Der planmäßigen Auftheilung sind bisher unterworfen worden:

im Jahre 1886/87 1888

zu einem Kaufpreise vo 52 935 076,62 941 510,25

87 811,72 ha

8G

Rechnet man die Grundstücke hinzu, die ohne beson⸗ deren Besiedelungsplan, wie die erworbenen Bauerngüter, an Ansiedler bereits begeben sind, nämlich . . . . . .

ferner 9 neue Besiedelungspläne der Güter Waldau, Loßburg, Gwiazdowo, Latalice, Tarnowo, Stanislawowo, Wonsin, Janowitz, Bukowitz, Rest, die im Frühjahr 1896

zur Auslegung kommen, mit . . . 7 590

so wird die zur Auslegung gestellte Fläche am 1. April 1896 umfassen. 1m“

oder 75,9 % der Gesammterwerbungen der Ansiedelungskommission

Demnach verbleiben in der Vorbereitungsperiode vor dem Be⸗ siedelungsvorgang 24,1 % des ganzen Grunderwerbs der Ansiedelungs⸗ kommission.

Hochbauten.

Aus den Nachweisungen über die Thätigkeit des Hochbaubureaus der Ansiedelungskommission ist zu ersehen, daß fertiggestellt beziehungs⸗ weise im Ausbau begriffen sind: 1

6 Kirchen, und zwar 5 evangelische, eine katholischer 3 Bethäuser, evangelisch, farreigebäude, bezw. Gehöfte, robsteihof, chulen mit angebauten Betsälen, oder Apsiden, 58 Schulen, 25 Armenhäuser, davon 4 in Verbindung mit Spritzenhäusern.

Die aufgewendeten Kosten betragen bis zum Schlusse des Berichts⸗ jahres 1 465 176

Die Hauptarbeit im Jahre 1895 konzentrierte sich auf die Kirchen⸗ bauten, und zwar:

1) auf die Rechenschaftslegung über die Einzelheiten der Bau⸗ ausführung und die Abrechnung der Baukosten für die drei fertig⸗ gestellten Kirchen in Libau, Zerniki und Deutsch⸗Wilke,

2) auf die Bauaufsicht über den 1894 eingeleiteten und im No⸗ vember 1895 seiner Bestimmung übergebenen Kirchenbau in Griewen⸗ hof, Kreises Strasburg in Westpreußen,

3) auf die Ausführung der Kirchen⸗ und Pfarrbauten in Strzydzew, Kreises Pleschen, und Bukowitz, Kreises Schwetz.

Beide Kirchen sind im Rohbau vollendet.

Für Libau und Zerniki ist der Revisionskostennachweis erbracht. Für die erstere Kirche mit 400 Sitzplätzen ist die Schlußsumme auf 162,c ℳ, für die andere mit 450 Sitzplätzen auf 39 234,79 estgestellt.

Weitere Kirchenbauprojekte für die Ansiedelungen: Orchowo, Kreises Mogilno, Bromberg, und Rynsk, Kreises Briesen, Gryzlin, Kreises Löbau, sowie Loßburg, Kreises Flatow, sämmtlich im Regierungsbezirk Marienwerder, sind in Vorbereitung.

Zur Darlegung, wie sich die Ansiedelungskommission in Kirchen⸗ bausachen ihrer Aufgabe entledigt, ist der Plan, Kostenanschlag und Revisionskostennachweis von dem Kirchenbau in Zerniki, Kreises Znin, angefertigt und kann auf FvS- vorgelegt werden.

Neben dieser Hauptaufgabe ist als Pensum des Jahres 1895 zu erwähnen:

1) Die Beendigung des Bethausbaues mit 150 Sitzplätzen in Groß⸗Salesche, Kreises Koschmin, zum Kostenbetrage von 7600

Das Gebäude ist am 17. Oktober 1895 seiner Bestimmung über⸗

geben worden. .2) Die Fertigstellung von neun Schulgebäuden und die Neu⸗ einleitung von vier solchen Bauten. Die inschränkung dieser Bau⸗ thätigkeit begreift sich einmal aus dem erheblichen Vorrath solcher Anlagen in 66 Ansiedelungen und aus der Erwägung, daß die Zentral⸗ Aufsichtsinstanz eine Abänderung der baulichen Normativbestimmungen auf dem Lande geplant hat, die abgewartet werden mußte.

Auch von dem in der letzten Zeit am häufigsten zur Ausführung gebrachten Schulgehöft mit einer Klasse für 80 Kinder und mit der Wohnung für einen verheiratheten Lehrer ist ein Bauplan nebst Kostenanschlag gefertigt und kann auf Verlangen vorgelegt werden.

3) Von Armenhäusern sind elf Stück im Berichtsjahre fertig geworden, davon vier mit Spritzenschuppen.

Ferner ist den Nachweisungen zu entnehmen, daß die im porigen Jahre begonnenen 882 Krugbauten beendet sind, und daß neue Gehöftsbauten für Ansiedler mit

2 solchen Bauten in der Ansiedelung Kikowo⸗Nojewo, 3 desgleichen in Laskowo, h“ S Sendschau,

3 Siedleczko,

2 Tonowo,

3 Waliszewo,

8 9 8 Rynsk,

157 ingesammt andgesübrt End.

Hierzu kommen zwei neue Kruggehöftbauten und zwar in Slowi⸗ kowo und Zurawiniee.

Ein Bauplan nebst Kostenanschlag von einem Ansiedlerhof ist gefertigt und kann auf Verlangen vorge egt werden.

Die Baukostensumme der Nachweisung B beläuft sich auf

208 870 Das Ansiedelungsgeschäft.

Der Verkehr mit Ansiedelungslustigen im Berichtsjahr hat sich etwa auf der Höhe der beiden Vorjahre gehalten. Man wird an⸗ nehmen können, daß rund die Hälfte der Anfragen und Anträge in vnhee aus den Ländern westlich der nsiedelungsprovinzen eingehen. Ueber die bisberige Betheiligung des Westens Deutschlands an der Stellung von Anstedlern besagt die Anlage XII in den Spalten 45 bis 61.

Das Geschäft in Ansiedlerpunktationen ist im Jahre 1895 mit 255 um ein Geringes höher 1— als in den beiden Vorjahren,

diesseitige Zuschlagsertheilung perfekt ge⸗

aber die Zahl der duc wordenen Punktationsabschlüsse ist erheblich beeinträchtigt worden ch Rücktritte ö durch Nichteinhaltung i