1896 / 46 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

gekommen, wie es irgend möglich ist, und beansprucht den Preis von 822 000 in vier Jahresraten, um aus demselben ohne An⸗ forderung anderer Mittel, nach HPeneheieag des ganzen Vertrags durch das hohe Haus, die Ersatzbauten leisten zu können. Wenn ihr zugemuthet wird, die Summe in 10 Raten à. 82 000 an⸗ zunehmen das glaube ich, kommt heraus —, würden die Frfas bauten auf diese Zeit vertheilt werden müssen und das Objekt also auch erst nach 10 Jahren an die Stadt Koblenz übergeben werden können, oder es würden die Mittel des Reichs in Anspruch genommen werden müssen, indem ein Ersatzbau durch den Etat aus besonderem Ausgabetitel bewirkt wird. Die Militärverwaltung ist aber der Ansicht, daß, wenn sie für einen so minimalen Betrag das Terrain an die Stadt giebt, sie nicht außerdem die Mittel des Reichs noch in Anspruch deen kann, um Ersatzbauten zu errichten.

Es wird nunmehr die Abstimmung wiederholt, die vorher die Beschlußunfähigkeit erwiesen hatte. Der Antrag Lieber wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Freisinnigen und eines Theils des Zentrums angenommen.

Damit ist der Militäretat erledigt.

Es folgt die Berathung von Petitionen, welche sich auf die Dienstaltersstufen beziehen.

Die Budgetkommission beantragt, folgende Resolution an⸗ zunehmen: 8

1) den Reichskanzler zu ersuchen, bei Aufstellung des nächst⸗ jährigen Reichshaushalts⸗Etats auf eine Erhöhung des Meist⸗

ehalts der Landbriefträger bis 1000 Bedacht zu nehmen durch Finstellung einer weiteren Gehaltsstufe mit dreijähriger Aufrückungs⸗

eit;

2). den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß die

Bestimmungen über die Anrechnung der Militärdienstzeit bis zu

einem Jahr auf die vor dem 1. Januar 1892 angestellten Be⸗

amten ausgedehnt werden; 3) Den Reichskanzler zu ersuchen, in Anbetracht der auf Ein⸗ stufensystems bei einzelnen öö. it Gehaltserhöhungen für diese Be⸗ amtenklassen vorzugehen, insoweit sie von den allgemeinen Gehalts⸗ erhöhungen des Jahres 1890. ausgeschlossen waren.

Hierzu liegt folgender Antrag des Abg. Singer vor:

In Nr. 2 hinter „Beamte“ einzuschalten „und Unterbeamte“ und als Nr. 4 zuzufügen: Den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß den Beamten und Unterbeamten die Zeit vom Tage des Dienstantritts an bei der Anstellung als diätarische Dienstzeit gerechnet wird.

Berichterstatter Abg. Dr. Enneccerus (nl.) berichtet eingehend über die Verhandlungen der Kommission, welche über das Dienstalters⸗ stufensystem an sich nicht eingehend verhandelt, wohl aber die einzelnen Härten, welche dasselbe für die Beamten mit sich gebracht hätte, einer Erörterung unterzogen habe. Die Dienstaltersstufen seien eingeführt worden in der Weise, 829 in keinem Fall ein Beamter in seinem bereits erreichten höheren Ge halt gekürzt werden könne. Redner empfiehlt die Annahme der drei vorgeschlagenen Resolutionen. In der Kommission sei der Wunsch laut geworden, die verbündeten Re⸗ gierungen möchten die Berathung dieser Frage erleichtern durch einen vollständigen Besoldungsplan, welcher für jede Klasse die Zahl der etatsmäßigen Beamten u. s. w. angäbe. Ein Beschluß sei darüber nicht gefaßt worden, aber der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts habe eine solche Zusammenstellung zugesagt. Bezüglich der öe beantrage die Kommission: einen Theil durch die Beschlüsse für er⸗ ledigt zu erklären, einen anderen Theil der Regierung zur Berück⸗ sichtigung und als Material zu überweisen.

Ein Vertagungsantrag wird angenommen.

Der Präsident schlägt vor, morgen die Etatsberathung fortzusetzen.

Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Es ist die Absicht des Herrn Präsidenten, nach der sechstägigen Pause, welche in Aussicht genommen ist, am ersten Tage die Zuckersteuervorlage auf die Tagesordnung zu setzen. Es wird der dringende Wunsch gehegt, daß schon vor der Pause und nicht nach derselben die erste Berathung der Zuckersteuer vorgenommen wird. Ich bin der Meinung, daß in zwei Tagen die Generaldiskussion beendet werden könnte. Es würde sich fragen, ob man nicht vielleicht morgen die Zuckersteuervorlage auf die Tages⸗ ordnung setzen sollte, oder ob nicht mindestens am Montag und Dienstag diese Vorlage zur Berathung gestellt werden könnte; dann könnte die Pause 1 ½ Wochen dauern und neben der Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch könnte auch die Zuckersteuerkommission während dieser Pause arbeiten. Die Landwirthschaft könnte sich nach der ersten Berathung dann auf das Gesetz einrichten.

Präsident Freiherr von Buol: Ich habe nichts dagegen, daß der Reichstag, anstatt vom 22. Februar ab die Pause zu machen, am Montag die Zuckersteuervorlage in Berathung nimmt.

Abg. von Kardorff (Rp.) wünscht, daß möglichst schon heute eine Entscheidung darüber herbeigeführt werde, damit die Mitglieder wissen, ob sie v abreisen können oder hier bleiben müssen. Die Landwirthschaft warte auf die Entscheidung. Gegen diese großen wichtigen Interessen der Landwirthschaft falle doch ein Beschluß des Seniorenkonvents nicht ins Gewicht. Redner beantragt, die Zucker⸗ steuer morgen auf die Tagesordnung zu setzen.

Abg. Richter: Für Montag kann heute überhaupt noch nicht beschlossen werden. Es handelt sich nicht um die Ansichten des allein, sondern um einen Beschluß aller Parteien des

auses über das Programm für die Reichstagsarbeiten. Ich wei nicht, woher jetzt seit 24 Stunden die Eile kommt. Der Grund ist ein sehr einfacher, denn die steigenden Zuckerpreise entziehen der Vor⸗ lage den Boden. Nachdem der Bundesrath monatelang über die Vorlage berathen und sich dort eine Minderheit von 21 Stimmen ge⸗ eigt hat, kann man doch jetzt nicht die Vorlage überstürzen. Es bandelt sich um ein dauerndes Gesetz und nicht um eine Kampagne.

Abg. Singer (Soz.): Im Seniorenkonvent war es gerade der Abg. von Manteuffel, der die Verschiebung der Berathung der Zucker⸗ steuer bis nach der Pause damit begründet hat, daß in seiner Partei roße Meinungsverschiedenheiten herrschen, sodaß man die Sache nicht gbe⸗ das Knie brechen könne. Herr von Bennigsen hat nur einen schüchternen Versuch gemacht, die Zuckersteuer auf die Tagesordnung zu bringen, was ja begreiflich ist, da seine persönlichen Interessen dabei betheiligt sind. Die Versammlung im Zirkus Busch möchte dem Reichstage eine Tagesordnung aufdrängen. Nachdem alle Parteien sich auf den Geschäftsplan eingerichtet haben, können Sie doch nicht verlangen, daß alles über den Haufen geworfen wird, nur um die Zuckersteuervorlage zu berathen. Die Kommission wird in der Pause nicht fertig werden; nicht in der Kommission, sondern in den freien

Vereinigungen wird das Schicksal entschieden werden. 1

Abg. Graf von Mirbach (d. kons.): Es bestehen allerdings rhebliche Meinungsverschiedenheiten unter meinen Freunden; aber um so mehr haben die Landwirthschaft und die Industrie den Wunsch, daß möglichst schnell eine Entscheidung herbeigeführt wird. Wir wünschen in erster Linie, daß die Berathung morgen beginnt, wenigstens ber am Montag.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Wir lassen uns vom Zirkus Busch keine Tagesordnung aufdrängen, aber wir fürchten uns auch vor dem Zirkus Busch nicht. Wenn der Reichstag die Zuckersteuervorlage vor der Pause berathen will, so wird auch die Kommission für diese Vorlage während der Pause arbeiten können. Wir sind geneigt, im Interesse der Landwirthschaft vor der Pause die Zucker⸗ steuervorlage zur Berathung zu bringen; um aber keine Ueber⸗ rumpelung eintreten zu lassen, möchten wir die Berathung am Montag

Abg. Dr. von Bennigsen: Von einer Ueberrumpelung kann

nicht mehr geredet werden, wenn die Berathung am Montag statt⸗ et. Ich möchte nur gegen die ganz ungehörige Insinuation

8 Abg. Singer protestieren, als hätte ich meine Aeußerungen wegen meines persönlichen Interesses an der Zuckersteuervorlage gemacht. Herr Singer hätte bedenken sollen, daß ich sehr ernsthaft und ent⸗ chieden vor Jahren für die Reform der Zuckerrübensteuer und für

die Aufhebung der Materialsteuer eingetreten bin.

8

8*8

Verträte ich 11g⸗ e Inkeressen, so hätte ich damals gegen mein Interesse ge⸗ andelt.

Abg. von Kardorff: Nicht durch die landwirthschaftlichen Versammlungen sind wir dazu gekommen, die Berathung zu verlangen; wir dachten, der Präsident würde selbst die Vorlage zur Berathung 88. bin damit einverstanden, daß die Berathung am Montag

attfindet.

b funder Richter: Das wird sich erst am Sonnabend finden, wenn die Tagesordnung für Montag festgestellt wird. Wenn die Verein⸗ barung der Fartzben hinfällig wird, dann sind alle Parteien lediglich auf die Vorschriften der Geschäftsordnung angewiesen. Meinetwegen könnten wir sofort die Pause eintreten lassen und am Montag über acht Tage mit der Zuckersteuer beginnen. ““

Abg. Rickert (fr. Vg.): Daß der Präsident aus eigener Initiative die Zuckersteuervorlage auf die Tagesordnung setzen sollte, konnte niemand annehmen, da die Wünsche aus dem Hause die entgegengesetzte Rich⸗ tung hatten. Was ist denn der Unterschied, ob Montag oder Montag über acht Tage!

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Wir waren der Ansicht, daß die Zuckersteuervorlage in dieser Woche auf die Tagesordnung kommt. Wir hatten keine Kenntniß von dem Beschluß des Seniorenkonvents und haben sofort, nachdem wir davon Kenntniß hatten, Schritte ge⸗ than, um eine Aenderung herbeizuführen.

Damit schließt die Geschäftsordnungsdebatte. Da ein An⸗ trag nicht nghece bleibt es bei dem Vorschlag des Präsidenten.

Schluß 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Fort⸗

setzung der Etatsberathung.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 23. Sitzung vom 20. Februar 1896.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 1896/97 beim Etat der Verwaltung für Handel und Gewerbe fort.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Es sind im Laufe der vorhergehenden Reden recht erhebliche Dinge gestreift worden, die sonst an einer späteren Stelle bei der Besprechung meines Etats in der Regel ihre Erledi⸗ gung gefunden haben. Die Baugewerkschulen werden es auf sich nehmen müssen, daß sie benutzt worden sind, um einige wichtige prinzipielle Fragen im Hause zur Erörterung zu ziehen. Bezüglich dieser prinzipiellen Fragen möchte ich mir nur einige ganz wenige Worte gestatten. Sie beziehen sich erstens auf die allgemeine Lage des Handwerks und zweitens auf die Ertheilung des Religionsunter⸗ richts an den gewerblichen Fachschulen. Für die erste Frage bitte ich Sie, mich zu dispensieren, in die Debatte einzugreifen; es wird nicht lange währen, so wird die Handwerker⸗ frage eine eingehende Erörterung im Reichstag erfahren. Bei dieser Gelegenheit werde ich ja dann in der Lage sein, auf alle die Ausführungen zu antworten, die heute schon gemacht worden sind, mit denen ich übrigens zum theil übereinstimme.

Meine Herren, was die Frage der Einführung des Religions⸗ unterrichts in die gewerblichen Fachschulen anlangt, so schicke ich vor⸗ aus, daß ich die Bedeutung eines Religionsunterrichts für die heran⸗ wachsende Jugend nicht nur nicht verkenne, sondern daß ich der Mei⸗ nung bin, die einzelne der Herren ausgesprochen haben, daß es durchaus wünschenswerth wäre, wenn nicht mit dem Abschluß der Volks⸗ schule der Religionsunterricht aufhörte. Ich würde garnicht ab⸗ geneigt sein, wenn ich dazu in die Lage komme, dem Gedanken der Einführung und der Ertheilung eines Reli⸗ gionsunterrichts an einer allgemeinen Fortbildungsschule, die obligatorisch zu gestalten wäre, zuzustimmen. Etwas Anderes ist es aber meiner Meinung nach, wenn man den Religionsunterricht an den gewerblichen Fortbildungs⸗ und Fachschulen einführen will. Dem stehen in der That meiner Meinung nach doch sachliche Bedenken ent⸗ gegen, die mich veranlassen, mich diesem Gedanken nicht anzuschließen. Ich will bemerken, daß im Laufe der Jahre, während ich das Han⸗ dels⸗Ministerium führe, hin und wieder wohl auch eine Anregung, obgleich nicht sehr häufig, an mich herangetreten ist, in welcher ge⸗ beten wurde, den Religionsunterricht an den gewerblichen Fachschulen einzuführen. Ich habe das zwar nicht zugestanden; ich habe aber immer die Anweisung gegeben, wenn Geistliche sich bereit erklären, Religions⸗ unterricht den gewerblichen Fachschülern zu ertheilen, daß die Lehrer dann nach Möglichkeit ihre Schüler zusammenhalten sollen, und die be⸗ treffenden Lokalitäten den geistlichen Herren zur Verfügung gestellt werden.

Meine Herren, warum ich nicht wünsche, den Religionsunterricht als Lehrgegenstand in die gewerblichen Unterrichtsanstalten einzu⸗ führen, das liegt zunächst darin, daß damit meines Erachtens der Charakter dieser Schulen durchaus geändert werden würde. Wir ertheilen Zeichenunterricht, der sich nach den Bedürfnissen des Ge⸗ werbes richtet; wir ertheilen Rechenunterricht, der ebenso sich nach den Bedürfnissen des Gewerbes richtet, und Unterricht im Deutschen, in dem vorwiegend gewerbliche Gegenstände berührt werden, in der Auswahl der Lehrstücke, in der Art der Anfertigung der Aufsätze, Rechnungen und Briefeschreiben, und ähnlichen Dingen; kurzum der deutsche Unterricht hat durchaus einen gewerblichen Charakter. Der Religionsunterricht kann diesen Charakter natürlich nicht haben. Ich bin der Meinung: mit dem Augenblick, wo der Religionsunterricht in die gewerbliche Fachschule eingeführt wird, hört sie auf, gewerbliche Fachschule zu sein; sie wird zu einer allgemeinen Unterrichtsanstalt, und dann tritt sofort und mit Recht die Frage auf: ist der Handels⸗Minister überhaupt im stande, die Aufsicht und die Ertheilung des Religionsunterrichts an gewerb⸗ lichen Fachschulen zu führen? Diese Frage muß ich verneinen. Das ist weder meines Amtes, noch würde der Handels⸗Minister dazu befähigt sein. Der Religionsunterricht gehört dem Kultus⸗Ministerium, und die Herren, die den Wunsch haben, daß den jungen Leuten im Alter von 14 bis 16 und 17 Jahren Religionsunterricht ertheilt wird, thun meines Erachtens recht, wenn sie diesen Wunsch an den Herrn Kultus⸗ Minister richten und bei ihm die Einführung eines Religions⸗ unterrichts an einer zu diesem Zweck zu gründenden Fortbildungsschule

beantragen. Meine Herren, die störenden Momente, die durch die Einführung

des Religionsunterrichts in die Fortbildungsschulen hineingetragen

werden würden, sind doch nicht ganz zu unterschätzen. Es ist ganz begründet, wenn man sagt, daß das Schülermaterial, das in den Fach⸗ schulen zusammensitzt, ein so tiges ist

amentlich im 8 8 11.“

Lebensalter so verschiedenartiges (sehr richtig! links), daß die Er⸗

theilung des Religionsunterrichts wirklich ihre großen Schwierigkeiten

hat. (Sehr richtig! links.) In unseren Fachschulen, z. B. in Berlin, nehmen eine große Menge erwachsener Leute am Unterricht theil (seh richtig! links), Gesellen, Meister, ältere Leute aller Art.

Einer der Herren Vorredner hat gemeint: das trifft für di gewerblichen Vorschüler nicht zu. Ich weiß nicht, welche gewerblichen Vorschulen er dabei im Auge gehabt hat. Meiner Verwaltung unter⸗ stehen solche Vorschulen nicht.

Ich stehe, wie gesagt, durchaus auf dem Standpunkt derjenigen die eine Ertheilung des Religionsunterrichts an die jung heranwachsenden Leute im Handwerker⸗ und Gewerbestand wünschen, gerade so gut wie ich es für unentbehrlich halte, daß de Söhnen von Eltern, die ihre Jungens auf das Gymnasium schicken, bis zum 18., 19. Jahre Religionsunterricht ertheilt wird. Ich bin aber der Meinung, die gewerbliche Schule ist nicht der Ort, wo dieser Religionsunterricht richtig ertheilt wird.

Was die Baugewerkschulen nun anbetrifft, so steht das Handels⸗ Ministerium auf dem Standpunkt, daß eine Vermehrung der Schulen dringend wünschenswerth ist, und es ist von verschiedenen der Herren bereits bemerkt worden: Die Stelle, wo die Vermehrung zunächst an⸗ gezeigt erscheint, ergiebt sich aus der Zahl der zurückgewiesenen Schüler. In der Denkschrift, die heute vielfach zitiert worden ist, finden Sie angegeben, wie die Zahlen der aus den einzelnen Provinzen stammenden Schüler, die zurückgewiesen worden sind, sich stellen. Danach sind am meisten Schüler zurück⸗ gewiesen in der Rheinprovinz, dann in Westfalen und in der Provinz Brandenburg. Meines Erachtens ist deshalb die Aufmerk⸗ samkeit des Handels⸗Ministeriums zunächst auf eine Vermehrung der Baugewerkschulen in diesen drei Provinzen zu richten. Bezüglich der Rheinprovinz schweben Verhandlungen. Ich hoffe, daß sie zum Ab⸗ schluß führen werden. Für Westfalen habe ich bisher Schwierigkeiten gehabt. Man muß immer bedenken, daß es nicht vom guten Willen der Staatsregierung abhängt, wo sie eine Baugewerkschule hinsetzen will, sondern auch von der Bereitwilligkeit der betreffenden Gemeinde, eine recht erhebliche Summe aufzubringen, um die Baugewerkschule zu bauen, eine Summe, die sich doch auf etwa 250 000 beziffert. Dazu ist nicht jede Stadt im stande, und die Städte überlegen sich sehr, ob sie aus der Errichtung einer Baugewerkschule soviel Vortheil ziehen werden, daß sie auch dieses finanzielle Opfer auf sich nehmen. Für Westfalen würde ich außerordentlich wünschen, wenn die Stadt Münster die Baugewerkschule übernehme.

Für die Auswahl des Orts für eine Baugewerkschule ist meines Erachtens bestimmend, wie ich schon erwähnt habe, die finanzielle Lage der betreffenden Stadt, dann der Umstand, daß die Stadt weder zu groß noch zu klein ist. Meines Erachtens sind die Mittelstädte von etwa 40 oder 50 Tausend ein Spielraum ist natürlich nach oben und unten gegeben die geeigneten Städte für eine Baugewerk⸗ schule, weil einestheils die Verführung, die das großstädtische Leben mit sich bringt, für die Baugewerkschüler dort nicht so groß ist, und weil andererseits in diesen Städten sich doch schon rege Bauthätigkeit entwickelt, und eine große Zahl alter bedeutender Baudenkmäler vorhanden ist, die nicht nur für die Schüler, sondern auch für die Lehrer der Baugewerkschule von der allergrößten Bedeutung sind. Aus allen diesen Gesichts⸗ punkten heraus würde mir die Stadt Münster ein ganz willkommener Ort für die Errichtung einer Baugewerkschule in Westfalen sein. Es wird sich fragen, ob die finanziellen Verhältnisse das ermöglichen, ob die Stadt bereit sein wird, auf den Plan einzugehen. Den Versuch werde ich jedenfalls machen. In der Provinz Brandenburg sftreiten sich wie um Homer eine große Anzahl Städte: erstens die schon ge⸗ nannte Stadt Brandenburg, dann Frankfurt a. O., Kottbus und Guben, alle bereit, eine Baugewerkschule in ihren Mauern aufzu⸗ nehmen. Wofür ich mich schließlich entscheiden werde, bin ich im Augenblick noch nicht in der Lage, zu sagen. Es wird doch darauf Bedacht genommen werden müssen, die Schule in eine Mittelstadt zu bringen, die eine rege bauliche Entwickelung hat und auch im stande ist, die nöthigen Kosten aufzubringen, und die nicht zu nahe an einer bereits bestehenden Baugewerkschule liegt. Denn das scheint mir nicht zweckmäßig zu sein, bloß deshalb, weil es sich um eine andere Provinz handelt, die neue Baugewerkschule in die Nähe einer vorhandenen in einer benachbarten Provinz zu bringen. Wie die Frage schließlich auslaufen wird, darüber kann ich den Herren augen⸗ blicklich noch keine Auskunft geben. Ich hoffe, daß, wenn wir im nächsten Jahre mit der Errichtung einer Baugewerkschule kommen werden, auch der Ort Ihren Beifall findet.

Nun ist von Herrn Krawinkel ausgesprochen worden, daß es seiner Ansicht nach weniger auf die Vermehrung oder Vergrößerung der Baugewerkschulen ankomme, als auf eine geeignete Umformung, eine Reform derselben. Herr Felisch ist ihm in seinen Anschauungen entgegen⸗ getreten und hat ihm mitgetheilt, daß die Baugewerkmeister überein⸗ stimmend der Meinung sind, daß den Plänen, denen von Herrn Krawinkel Ausdruck gegeben ist, nicht Folge gegeben werden solle. Die Frage der Gestaltung der Baugewerkschulen befindet sich augenblicklich im Fluß; wir sind damit beschäftigt, die Frage der Aufnahmebedingungen, der Lehrpläne und der Prüfungsordnung einer Neuordnung zu unterziehen, und hoffen sie in Gemeinschaft mit dem Verbande der deutschen Bau⸗ gewerkmeister in der richtigen Weise zu lösen. Es werden sich hieraus naturgemäß Aenderungen der bestehenden Bestimmungen ergeben, aber in Bezug auf die von Herrn Krawinkel angeregte, von Herrn Felisch bekämpfte Maßnahme der Theilung der Schulen in zwei verschiedene, je nach den Zielen, die sie erreichen wollen, steht die Regierung auf dem Standpunkte des Herrn Felisch. Wir werden den Gedanken der Zweitheilung der Baugewerkschulen nicht acceptieren köͤnnen; wir glauben, daß der Weg, den man bisher in der Ausbildung der Schüler eingeschlagen hat, als ein richtiger anzusehen ist, um so mehr, als die Praktiker, d. h. die Baugewerkmeister, die doch wesentlich von dieser Frage betroffen werden, ganz überwiegend auf unserer Seite sind.

Abg. Barthold (frkons.) meint, daß bezüglich des Religions⸗ unterrichts in den Baugewerkschulen der Unterschied der Altersklassen keine Rolle spielen könne, in landwirthschaftlichen Schulen bestehe auch Religionsunterricht, und es könne niemandem schaden, wenn er etwas über Religion höre.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch⸗

Meine Herren! Ich glaube doch, daß ein Mißverständniß vor⸗ liegt. Ich bin von dem Herrn Vorredner falsch verstanden worden⸗ Ich habe das Gegentheil von dem gesagt, was er angenommen hat.

Ich habe ausgeführt, daß, so sehr ich davon überzeugt bin, daß die

111““

Ertheilung des Religionsunterrichs an Knaben und junge Leute vom 14. bis zum 18. Jahre wünschenswerth ist, ich es nicht für angängig halte, an den gewerblichen Schulen diesen Religionsunterricht zu er⸗ theilen. Ich habe mich nach meinen Begriffen deutlich ausgesprochen, nur der Herr Vorredner hat mich wohl mißverstanden.

Abg. Krawinkel (nl.) empfiehlt die Heranziehung von Sach⸗ verständigen aus Handwerk und Vidustrie für die Kommission für das technische Unterrichtswesen und die Befragung dieser Sachverständigen bei der Gründung neuer Baugewerkschulen. Die praktische Aus⸗ bildung der Baugewerkschüler solle unter seinen Vorschlägen nicht leiden; in den Städten seien die baulichen Verhältnisse und die Verwerthung des viel theureren Grund und Bodens schwieriger als auf dem Lande, die Ausbildung müsse also eine bessere sein. Redner empfiehlt eine Dezentralisation durch Schaffung von Aufsichtsräthen für die einzelnen Bau ewerkschulen; die technische Unterrichtskom⸗ mission, welche hauptsächlich aus Excellenzen und Grafen bestehe, sei nicht sachverständig genug.

. Miinister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berl epsch:

Meine Herren! Der Herr Vorredner ist doch etwas hart, meine ich, mit mir umgegangen. Weil ich nicht seiner Ansicht über die Gestaltung der Baugewerkschulen bin, wirft er mir vor, daß ich ver⸗ nachlässige, mich mit genügend sachverständigen Personen zu umgeben, mir den richtigen Rath von richtiger Stelle zu holen. Ja, er geht sogar so weit, zu behaupten, daß der Kommission für das technische Unterrichtswesen die Sachverständigkeit in diesen Fragen abgehe; er hat uns sogar von Weitem gezeigt, daß in diese Kommission leicht eine Ueberzahl von Excellenzen und Grafen eintreten könne, die von vornherein dazu dienen würde, dieser Kommission jeden sachverständigen Glauben zu nehmen.

Nun, meine Herren, ich kann nicht leugnen, es sind einige Excellenzen in der Kommission, zunächst ich selbst. (Heiterkeit.) Man kann doch von mir nicht verlangen, daß bloß deshalb, weil mit meiner Stellung der Charakter der Excellenz verbunden ist, ich an den Ver⸗ handlungen der Kommission nicht theilnehme. Dann befinden sich unter den Mitgliedern der Kommission noch zwei Excellenzen: ein sehr verehrter Fraktionsgenosse Herr Hobrecht ich weiß nicht, ob er den heraushaben will (Heiterkeit), ich muß ihm dann überlassen, sich mit ihm persönlich auseinanderzusetzen und endlich noch eine Excellenz, der ehemalige Unter⸗Staatssekretär und langjährige Direktor im Handels⸗Ministerium Herr Jacobi. Ich war bisher der Meinung, daß gerade dieser Herr einer der allersachverständigsten Männer in Preußen wäre, wenn es sich um die Beurtheilung von Fragen auf dem Gebiet des technischen Unterrichtswesens handelt. Nun ist aller⸗ dings auch ein Graf in der Kommission. Ich habe mich für ver⸗ pflichtet gehalten und das ist stets so gewesen —, außer den Mit⸗ gliedern aus dem Abgeordnetenhause auch Mitglieder des Herrenhauses, die sich für diese Frage interessieren, in die Kommission zu berufen. Unter diesen befindet sich ein Graf. Leidet darunter wirklich der Charakter der Kommission derartig, daß man ihr nun die Sach⸗ verständigkeit absprechen kann? Ich glaube, da geht der verehrte Herr Abgeordnete zu weit.

Meine Herren, die Kommission ist zusammengesetzt aus einer Anzahl von Mitgliedern dieses hohen Hauses, die nach den Fraktionen aus⸗ gewählt werden, aus einer Anzahl von Mitgliedern des Herrenhauses, aus einer Anzahl von Fabrikanten, aus einer Anzahl von Handwerks⸗ meistern und endlich aus Direktoren unserer Fachgewerbeschulen, die an jeder Sitzung theilnehmen und uns ihren sachverständigen Rath nicht vorenthalten.

Ich muß gestehen, ich habe keine Neigung, die Kommission anders zu gestalten (sehr richtig!), und wenn der Herr Vorredner mir in dieser Beziehung nicht andere Vorschläge macht als bisher, dann bedauere ich, auf seine Wünsche nicht eingehen zu können. (Bravo!)

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Dittrich und Pleß werden die Einnahmen aus den Baugewerkschulen

bewilligt. Bei den Einnahmen Königlichen Porzellanmanufaktur theilt eferent Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum mit, daß die keinen Ueberschuß abwerfe, sondern mit einem efizit von etwa 100 000 im Jahre arbeite; es sei aber auch nie verlangt worden, daß sie Ueberschüsse erziele, und sie schließe immerhin noch besser ab als andere Porzellanmanufakturen.

Abg. Krawinkel (nl.) erkennt die Verdienste der Porzellan⸗ manufaktur als Kunstanstalt und die Vorzüglichkeit der Erzeugnisse derselben voll an, bemängelt aber die Art der Buchführung; es sei erstaunlich, daß es nicht möglich gewesen sei, eine Bilanz auf⸗ zustellen. Auffallend hoch sei der Bestand von theils fertigen, theils halbfertigen Waaren im Werthe von 1 ½ Millionen Mark bei einem jährlichen Umsatz von 8 900 000

Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Lüders bittet den Redner, sich die Buchführung der Porzellanmanufaktur selbst anzu⸗ sehen, damit er sich überzeuge, daß eine so einfache Buchführung wie die kaufmännische garnicht möglich sei. Auch bei Privatwerken sei die innere Fabrikbuchführung nicht so genau, daß die Kosten jedes einzelnen Stückes berechnet werden.

Bei den Einnahmen der Musterbleiche in Soh⸗ lingen regt

Abg. La die Aufhebung dieser Anstalt an und bean⸗ tragt deshalb, bei diesem Titel den Vermerk „künftig wegfallend“ zu machen, weil diese Anstalt den Privatbetrieben unlautere Konkurrenz mache, denn die daraus hervorgehenden Leinenstücke enthielten die Etiquettes: Königliche Musterbleiche, Rasenbleiche, ohne daß etwas Aüperes in der Anstalt erzielt werde, als was die Privatbetriebe eisten.

Geheimer Regierungs⸗Rath Simon erwidert, daß nach dem

Urtheil Sachverständiger die Industrie diese Musteranstalt nicht entbehren könne, weil kein Privatbetrieb das leisten könne, was die Muster⸗ bleiche leiste. Die Bleiche koste dem Staat nichts, sondern bringe noch einen, wenn auch nur kleinen Ueberschuß. Die Fortlassung des Wortes „Rasenbleiche“ sei schon angeordnet, weil es nicht mehr zutreffend sei. Abg. Moeller (nl.) bemerkt, daß die Bielefelder Handels⸗ kammer allerdings die Aufhebung der Königlichen Bleiche gewünscht habe, daß aber die Meinungen doch darüber getheilt seien; ein großer Industrieller habe ihm die Bleiche für nöthig erklärt, weil ie für gewisse Leinenstücke ein besonderes Verfahren habe, das Privat⸗ leichen nicht hätten. Die Bleiche in Sohlingen nähere sich am meisten der alten Naturbleiche auf dem Rasen, während die modernen Verfahren hauptsächlich mit Chemikalien arbeiten.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Ich habe allerdings in einer Berathung des Abgeordnetenhauses vor zwei Jahren ausgesprochen, daß ich in Er⸗ wägung nehmen wolle, ob die Bleiche aufgehoben werden solle, und es sind Erwägungen angestellt worden. Mit Rücksicht darauf, daß jedenfalls ein recht erheblicher Theil unserer Industrie sich dafür erklärt hat, die Bleichanstalten zu erhalten, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß diese zur Zeit nicht aufgehoben werden möchte. Ich glaube auch nicht, daß die Sohlinger Musterbleichanstalt von ganz

aus der

hervorragender Bedeutung ist; sie besteht aber, sie kostet nichts eb

wird von einem Theile unserer Industrie für nothwendig gehalten. Da, meine ich, liegt kein Grund vor, sie aus dem Etat zu streichen; man kann abwarten, wie die Dinge sich weiter entwickeln werden.

Die Frage der reinen Rasenbleiche ist hinreichend ausführlich be⸗ handelt. Sobald zu meiner Kenntniß gekommen ist, daß ein Etiquette in die Welt ginge, die zu Irrthümern Anlaß geben kann, habe ich angeordnet, daß sie beseitigt wird; und ich meine, mehr kann man von mir nicht verlangen. Und wenn der Herr Abg. Dr. Langer⸗ hans der Ansicht ist, daß auch das Etiquette, was jetzt noch gebraucht wird, nämlich das Etiquette: „gebleicht auf der Königlichen Muster⸗ bleiche in Sohlingen“, als anstößig angesehen würde, so muß ich sagen, der Gedanke ist mir bis jetzt noch nicht gekommen und von niemandem gebracht worden. Ich weiß nicht, ob es nicht auch andere Fabrikationen giebt, die auf ihre Waare schreiben: da und da und von dem und dem gefertigt. Ich weiß es nicht, aber in keinem Fall liegt für den Staatsbetrieb etwas Unwürdiges darin, wenn auf dem Fabrikat steht: gebleicht auf der Musterbleiche in Sohlingen. Was nicht richtig war, ist beseitigt, und damit ist den berechtigten Wünschen Rechnung getragen.

Meiner Auffassung nach ist die Bleiche in Sohlingen nicht nur nicht schädlich, sondern sie ist auch, wenn auch nicht in großem Um⸗ fange nützlich. Dazu kostet sie uns nichts, und da meine ich, hat man auch keinen Grund, zu verlangen, daß sie aus dem Etat be⸗ seitigt wird.

Abg. von Puttkamer⸗Ohlau (kons.) spricht sich gegen den Anttag Langerhans aus; vorläufig sei kein Anlaß, die Anstalt auf⸗ zuheben.

Gegen die Stimmen der Abgg. Langerhans, Jäckel und Parisius wird der Antrag Langerhans abgelehnt, der Titel bewilligt, ebenso ohne Debatte der Rest der Einnahmen.

Bei den dauernden Ausgaben und zwar dem Gehalt des Ministers bemerkt

Abg. von Brockhausen (kons.): Wir stehen auf dem Boden der Botschaft vom 17. November 1881, welche das praktische Christen⸗ thum gesetzgeberisch zur Geltung gebracht hat; ich bin auch dafür, daß diese Sozialpolitik weiter fortschreite und den arbeitenden Klassen zu gute komme. Aber ich muß davor warnen, einen Sprung ins Dunkle zu machen und Schwarmgeistern zu folgen, die nicht mit dem praktischen Leben in Fühlung stehen. Die Einführung des Maximalarbeitstages für das Bäckerei⸗ gewerbe, welches sich selbst dagegen ausgesprochen hat, muß vorsichtig behandelt werden. Durch die sozialpolitische Gesetz⸗ gebung ist das kleine Gewerbe und Handwerk ganz besonders belastet. Diese zu vereinfachen unter Belassung der den Arbeitern zugedachten Wohlthaten, ist dringend nothwendig; ich bitte die Regierung, bald an den Reichstag da in gehende Vorschläge kommen zu lassen. wünsche, daß die Sonntagsruhe noch weiter ausgedehnt wird, doch verkenne ich nicht, daß durch sie das kleine Gewerbe und der Handel stark benachtheiligt wird; hier bestehende Uebelstände müssen beseitigt werden. Um Mißstände im Handelsverkehr zußbeheben, hat zwar die Regierung manche Maßnahmen vorgeschlagen, so Börsenreform, Abänderung der Gewerbeordnung, Entwurf gegen den unlauteren Wettbewerb ꝛc. Das aber reicht in vielen Punkten nicht aus. Ich bitte, daß sich die Regierung durch die Agitation dagegen, durch die Drohungen der Presse nicht einschüchtern läßt. In diesem Sinne rufe ich ihr zu: Landgraf, werde hart! Bezüglich der Vergebung der Lieferung von Bekleidungsgegenständen für die Post⸗ und Eisen⸗ bahnverwaltung muß dasselbe Verfahren eingeschlagen werden wie bei der Militärverwaltung. Die Lieferung der Stoffe muß wie bei dieser im engeren Submissionsverfahren direkt an Fabri⸗ kanten vergeben werden. Die Anfertigung der Uniformen müßte dann leistungsfähigen Kleidergenossenschaften oder Innungen über⸗ tragen werden, damit auch dem Handwerk genützt wird und nicht nur den großen Firmen. Das Darniederliegen unseres Gewerbes hat seine Ursache in der unlauteren Konkurrenz der unsoliden großen Bazare und Magazine, die billiger liefern können als der kleine Mann, dank ihrem Kapital und ihrer unlauteren Reklame. Die fran⸗ zösische Gesetzgebung hat diesen Uebelständen durch eine progressive Gewerbesteuer und eine Spezialitätensteuer zu begegnen gesucht. In Bayern hat der Abg. Lutz die Bekämpfung der Bazare durch hohe Steuern angeregt, und alle Parteien, mit Ausnahme der Sozial⸗ demokraten, haben sich zustimmend geäußert, ebenso die bayerische Regierung. Auch die preußische Regierung muß sich mit der Frage einer höheren Besteuerung dieser Geschäfte befassen; gegen die Kom⸗ munalbesteuerung derselben in den Städten würden sich ja die Stadt⸗ verordneten entschieden erklären, man kann aber eine Steuer nach Analogie der Betriebssteuer einführen. Ebenso schädlich wirken die 50 ₰⸗Bazare. Redner wünscht ferner eine höhere Besteuerung der Wanderlager und hofft, daß der Reichstag endlich etwas für das Handwerk zu stande bringen werde, über dessen Lage man sich noch immer Illusionen hingebe. Dankbar anzuerkennen sei die Einstellung von 10 000 in das Extraordinarium zur Förderung des Genossen⸗ schaftswesens im Kleingewerbe. Möge man mit thunlichster Be⸗ schleunigung an die Lösung dieser Fragen herangehen.

Abg. Dietz⸗Neuwied (nl.) wiederholt seinen früheren Wunsch nach Erlaß eines Gesetzes zum Schutz der Mineralquellen, das der Minister versprochen habe.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlep sch:

Meine Herren! Ich möchte zunächst bemerken, daß ich die Vor⸗ legung eines Gesetzes nicht versprochen habe, wie der Herr Vorredner bemerkte; dagegen muß ich mich verwahren, sonst würde alleroings mit Recht der Vorwurf erhoben werden, daß ich ein Versprechen nicht eingelöst habe. Ich habe nur zugesagt, mich mit dieser Frage zu beschäftigen, obgleich die Ressortverhältnisse dabei nicht ganz zweifellos sind. Die Frage der Mineralwässer hat eine gewisse Aehnlichkeit mit der Währungsfrage: sie ist bei jedem Ressort anzubringen. Im vorigen Jahre ist sie beim Berg⸗Etat behandelt worden; in diesem Jahre kommt sie bei dem Etat des Handels⸗Ministers zur Sprache; der Herr Kultus⸗Minister ist bei der Frage auch betheiligt, und endlich ist sie in ganz hervorragendem Maße eine juristische Frage. So leicht wird es nicht sein, eine Ver⸗ ständigung über diese Frage herbeizuführen. Ich habe mir die Unter⸗ lagen, die zur Beurtheilung nothwendig sind, verschafft, und ich bin öorientiert über das Vorkommen und die Bedeutung dieser Quellen durch eingehende Berichte des Ober⸗Bergamts in Bonn und durch technische Gut⸗ achten. Ich kann heute dem Herrn Vorredner nur so viel sagen, daß die Frage noch nicht zum Abschluß gekommen ist, daß sie aber in meinem Ministerium der Bearbeitung unterliegt. Wann sie ihren Abschluß finden wird, und ob die preußischen Ressorts, die dabei betheiligt sind, sich bis zur nächsten Session über eine Vorlage verständigen werden, bin ich noch nicht in der Lage anzugeben.

Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) legt ebenfalls die Schäden der schrankenlosen Konkurrenz der großen Bazare dar und kann nicht verstehen, wie die Freisinnigen über die Klage des Abg. v. Brock⸗ haufen lachen konnten. Das Publikum werde künstlich in die un⸗ foliden Bazare gelockt, der freie Kaufmann werde ruiniert, an seine Stelle trete der Inhaber einer Filiale eines großen Magazins; der erstere war als freier Bürger eine Stütze des Staats, der letztere nicht. Der Minister muß sich sehr ernst mit dieser Fragf. beschäftigen. Nach dem Nothschrei der Landwirthschaft kommt der othschrei der

Handwerker, der gewiß berechtigt ist. lafsen sich die großen Bazare einschränken. Es muß endlich auf diesem Gebiete Abhilfe geschaffen werden; der Minister hat aber nicht ein⸗ mal auf die Rede des Herrn von Brockhausen geantwortet.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Ber lepsch:

Der Herr Vorredner hat sich darüber gewundert uz. mir, wie es scheint, in erregtem Ton vorgeworfen, daß ich auf die Anregungen nicht geantwortet hätte, die gegeben worden sind. Wenn er einen Blick auf die Verhandlungen in Bayern mit einiger Aufmerksamkeit wirft, so wird er sich das vielleicht erklären können. Denn auf die Anregung der Besteuerung einer gewerblichen Klasse hat dort mit Recht der Finanz⸗Minister geantwortet, weil das zu dessen Ressort gehört (Ohol rechts), und die sämmtlichen Anregungen, die jetzt hier gegeben worden sind, sind solche gewesen, bei denen mein Ressort nur indirekt und nicht direkt betheiligt ist. Ich kann hier keine Erklärung abgeben darüber, ob die Post das Porto von 50 abschaffen soll ob der Finanz⸗Minister ein neues Steuergesetz vorlegen soll, ob die Eisenbahn die Art ihrer Submissionen anders einrichten soll. Was soll das nützen, wenn ich für meine Person in diesen Sachen hier Antwort gebe? Das muß ich und das gehört sich so dem Herrn Ressort⸗Minister überlassen.

Abg. Gothein (frs. Vg.): Nicht alles in der Rede des Abg von Brockhausen erregte unsere Heiterkeit, sondern nur die Mittelchen die er empfahl. Auch wir beklagen die Konzentration der großen Versandgeschäfte, namentlich des Offizier⸗ und des Beamtenverein ja, jetzt lachen die Herren drüben. Sie sind nicht die wahre Beschützer des kleinen Manncs, denn in Ihren Reihen sitzen di Abnehmer dieser Vereine. Die großen e haben große Vortheil von den Tarifen für den Bezug ihrer Waaren; durch Er richtung der Stückguttarife könnte man auch dem kleinen 2 mann den Bezug erleichtern. Rudolf Hertzog war ein h konservativer Mann. Die Konkurrenz ist nothwendig für den Kau mann; wer tüchtig ist, kommt vorwärts; wir wollen, daß jeder si frei entwickeln kann. Beim Börsengesetz sind die Vorschlä der Handelskammern garnicht berücksichtigt worden, das En. den Kreisen des Großhandels sehr verstimmt. Dagegen hat ma die Rathschläge solcher befolgt, welche sich rühmen, von der Börs nichts zu verstehen. Man beschuldigt uns, Börseninteressenten zu sein wer sind aber die, welche die Termingeschäfte in Getreide machen Das sind unsere lieben Gutsbesitzer, die auch mal ein Spielche machen wollen. Der größte Spekulant in Breslau war die Haupt⸗ genossenschaft schlesischer Landwirthe, deren Vorsitzender, ein Groß⸗ Funbbesißr zum Mitglied des Landeseisenbahnraths ernannt wurde.

ssessor Eschenbach war auch Börsenspekulant; daß er Gegner der Börse wurde, nachdem er verloren hatte, ist am Ende erklärlich, es ist nu wunderbar, daß er als Schriftführer in die Börsenkommission berufen wurde. Ich kann dem Minister nur zurufen: Landgraf werde hart gegen solche Vorschläge, wie sie von der rechten Seite kommen.

Abg. Schmidt⸗Warburg verweist den Abg. Gothein darauf, daß die schrankenlose Konkurrenz die soliden Geschäftsleute ruiniere, die auch nicht solche Maximen haben wie die großen Magazinbesitzer.

Abg. Freiherr von Er ffa (kons.) erwidert dem Abg. Gothein, daß der Offizier⸗ und der Beamtenverein nicht mit den Genossenschaften verglichen werden könnten. Herr Gothein habe den Konservativen den schlesischen Spe⸗ kulanten an die Rockschöße gehängt; woher weiß er, daß derselbe kon⸗ servativ ist? Gegen Herrn Eschenbach habe Herr Gothein schon einmal revozieren - jetzt scheine er wieder sehr muthig zu sein. Ob Herr Eschenbach onserbativ sei oder nicht, wisse er nicht, jeden⸗ falls sei es nicht richtig, Abwesende anzugreifen.

Abg. Gothein erwidert, daß Assessor Eschenbach mit seinen Spekulationen hereingefallen sei und versucht habe, sich auf prozessua⸗ lischem Wege seinen Verpflichtungen zu entziehen. Die hervorragen⸗ den Stellungen, die er einnehme, verdanke er wohl nur seiner konser⸗ vativen Gesinnung.

Abg. von Brockhausen entgegnet, daß er den Offizier⸗ und den Beamtenverein nicht ausgenommen habe. Im bayerischen Landtag haben alle Parteien, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, für einen Antrag zur Bekämpfung der unlauteren Konkurrenz gestimmt. Herr Gothein nehme natürlich eine andere Stellung ein.

Abg. Gothein bemerkt, daß er sich wiederholt gegen den un⸗ lauteren Wettbewerb ausgesprochen habe, und verbittet sich deshalb die Vorwürfe des Abg. von Erffa.

„Abg. Freiherr von Erffa stellt fest, daß Assessor Eschenbach nicht Mitglied, sondern juristischer Beirath des Kreuzzeitungs⸗Comités gewesen ist. Herr Gothein sei von ihm mit Recht als Mann der freien Konkurrenz hingestellt worden.

Das Gehalt des Ministers wird bewilligt.

Um 4 ½ Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 11 Uhr vertagt.

8 Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts.

Nach § 16 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 gelten als fteverhseeheih. Einkommen nichtphysischer Personen die Ueberschüsse, jedoch nach Abzug von 3 ½ % des eingezahlten Aktien⸗ kapitals, und „an Stelle des letzteren tritt bei Berggewerkschaften das aus dem Erwerbspreise und den Kosten der Anlage und Einrich⸗ tung bezw. Erweiterung des Bergwerks sich zusammensetzende Grund⸗ kapital oder, soweit diese Kosten vor dem 1. April 1892 auf⸗ gewendet sind, nach Wahl der Pflichtigen der zwanzigfache Betrag der im Durchschnitt der letzten vier Jahre vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vertheilten Ausbeute“. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, VI. Senat, 1. Kammer, durch drei Urtheile vom 11. Juli 1895 folgende bemerkenswerthen Rechtssätze ausgesprochen:

I Berggewerkschaften, die vor dem Inkrafttreten des Einkommensteuergesetzes, dem 30. Juli 1891, noch nicht be⸗ standen haben, haben hinsichtlich der Berechnung des Grundkapitals kein Wahlrecht, dieselben müssen ihr Grundkapital lediglich nach dem Erwerbspreise und den Kosten der Anlage und Einrichtung bezw. Erweiterung des Bergwerks berechnen. „Es kann au nicht etwa der von dem nicht gewerkschaftlichen Vorbesitzer erzielte Ertrag des Bergwerks in Betracht kommen, da dieser Ertrag niemals den Charakter einer „vertheilten Ausbeute“ gehabt haben kann, sondern den von der einzelnen Person oder Firma unter ganz anderen Bedingungen erzielten eigenen Geschäftsgewinn darstellt. Die Berggewerkschaft ist ein neu entstandenes Rechts⸗ und Steuersubj⸗ welches sowohl in rechtlicher als thatsächlicher Beziehung wesentli anders beurtheilt werden muß, als irgend ein früherer nicht gewerk⸗ füljcher Vorgänger im Betriebe des Bergwerks.“ (Rep. VI A.

2) Wählt eine steuerpflichtige Gewerkschaft für den Abzug der 3 ½ % den zwanzigfachen Betrag der im Durchschnitt ve eheen vier Jahre vor dem Inkrafttreten des Einkommensteuergesetzes ver⸗ theilten Ausbeute, so dürfen die Kosten, welche in der Zwischen⸗ zeit zwischen dem Ablauf der vierjährigen Periode und dem 1. April 1892 aufgewendet sind, niemals hinzugerechnet werden, dagegen ist die Hinzurechnung der nach dem 1. April 1892 aufgewendeten Kosten zulässig. „Da das Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 am 30. Juli 1891 in Kraft getreten ist, so sind die maßgebenden vier Jahre die Jahre 1887 bis 1890. Der Ans ruch der Beschwerde⸗ führerin auf Zurechnung der im Jahre 1891 für Verbesserung oder Erweiterung aufgewendeten Kosten bei Feststellung des Grundkapitals ist demnach unbegründet. Gerechtfertigt dagegen ist der Anspruch auf Zurechnung von Kosten der Anlage und Einrichtung bezw. Erweiterung des Bergwerks, welche nach dem 1. April 1892 verwendet worden sind.” (Rep. VI A. 746/94.)

Durch eine höhere Besteuerunz 8