1896 / 50 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Der Unternehmer hat, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich ver⸗ einbart worden ist, für das Unterkommen seiner Arbeiter, insoweit dies von dem bauleitenden Beamten 1n erforderlich erachtet wird, selbst zu sorgen. Er muß für seine Arbeiter auf eigene Kosten an den ihm angewiesenen Orten die nöthigen Abtritte herstellen, sowie für deren regelmäßige Reinigung, Desinfektion und demnächstige Beseitigung Sorge tragen. b . Für die Bewachung seiner Gerüste, Werkzeuge, Geräthe ꝛc. sowie

sseeiner auf der Baustelle lagernden Materialien Sorge zu tragen, ist

ediglich Sache des Unternehmers. Mitbenutzung von Rüstungen.

Die von dem Unternehmer bergestellten Rüstungen sind während hres Bestehens auch anderen Bauhandwerkern unentgeltlich zur Be⸗ utzung zu überlassen. Aenderungen an den Rüstungen im Interesse er bequemeren Benutzung seitens der übrigen Bauhandwerker vorzu⸗ ehmen, ist der Unternehmer nicht verpflichtet.

Beobachtung polizeilicher Vorschriften. Haftung des Ünternehmers für seine Angestellten ec. gen bestehenden polizei⸗

mäßigen erwachsen, werden. Der Unternehmer trägt insbesondere die Verantwortung für die gehörige Stärke und sonstige Tüchtigkeit der Rüstungen. Dieser Ver⸗ antwortung unbeschadet ist er aberauch verpflichtet, eine von dem bau⸗ leitenden Beamten angeordnete Ergänzung und Verstärkung der Rüstungen unverzüglich und auf eigene Kosten zu bewirken. Für alle Ansprüche, die wegen einer ihm selbst oder seinen Be⸗

hat der Unternehmer in jeder Senfis aufzukommen.

Ueberhaupt haftet er in Ausführung des Vertrags für alle Handlungen seiner Bevollmächtigten, Gehilfen und Arbeiter persönlich. Ir hat insbesondere jeden Schaden an Person oder Eigenthum zu

vertreten, welcher durch ihn oder seine Organe Dritten oder der Staatskasse zugefügt wird. Krankenversicherung der Arbeiter. 1 Der Unternehmer ist verpflichtet, in Gemäßheit des Gesetzes über die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 (R.⸗G.⸗Bl. S. 73) die Versicherung der von ihm bei der Bauausführung be⸗ schäftigten Personen gegen Krankheit zu bewirken, soweit dieselben nicht bereits nachweislich Mitglieder einer den gesetzlichen Anforde⸗ rungen entsprechenden Krankenkasse sind. Auf Verlangen der bauleitenden Behörde hat er gemäß § 70 des enannten Gesetzes gegen Bestellung ausreichender Sicherheit eine den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Baukrankenkasse entweder 82 seine nicht bereits anderweitig versicherten versicherungspflichtigen

rbeiter und Angestellten allein, oder mit anderen Unternehmern, welchen die Ausführung von Arbeiten auf eigene Rechnung übertragen wird, gemeinsam zu errichten. .

Wird ihm diese Verpflichtung nicht auferlegt, errichtet jedoch die bauleitende Behörde selbst eine Baukrankenkasse, so hat er seine nicht bereits anderweitig versicherten versicherungspflichtigen Arbeiter und Angestellten in diese Kasse aufnehmen zu lassen und erkennt das Statut in allen Bestimmungen als verbindlich an. Zu den Kosten der Rechnungs⸗ und Kassenführung der Baukrankenkasse hat er in diesem Falle auf Verlangen der bauleitenden Behörde einen von der⸗ selben festzusetzenden Beitrag zu leisten.

Unterläßt es der Unternehmer, die Krankenversicherung der von ihm beschäftigten versicherungspflichtigen Personen zu bewirken, so ist er verpflichtet, alle Aufwendungen zu erstatten, welche etwa der bau⸗ leitenden Behörde hinsichtlich der von ihm beschäftigten Personen durch Erfüllung der aus dem Reichsgesetze vom 15. Juni 1883 sich ergebenden Verpflichtungen erwachsen. .

Etwaige, in diesem Falle von der Baukrankenkasse statutenmäßig Unterstützungen sind von dem Unternehmer gleichfalls zu ersetzen. . vDer Unternehmer erklärt hiermit ausdrücklich die von ihm gestellte Kaution auch für die Erfüllung der sämmtlichen, vorstehend bezeich⸗ neten Verpflichtungen in Bezug auf die Arbeiter⸗Krankenversicherung haftbar.

§ 11 a

1 2 Haftpflicht des Unternehmers bei Eingriffen desselben in die Rechte Dritter.

Für Beschädigungen angrenzender Ländereien, insbesondere durch Entnahme, durch Auflagerung von Erd⸗ und anderen Materialien außerhalb der schriftlich dazu angewiesenen Flächen oder durch unbe⸗ fugtes Betreten, ingleichen für die e eigenmächtiger Versperrungen von G2— und Wasserläufen haftet ausschließlich der Unternehmer, mögen diese Handlungen von ihm oder von seinem Bevollmächtigten, Gehilfen oder Arbeitern vorgenommen sein.

Für den Fall einer solchen widerrechtlichen und nach pflichtmäßiger Ueberzeugung der Verwaltung dem Unternehmer zur Last fallenden Beschädigung erklärt sich derselbe damit einperstanden, daß die bau⸗ leitende Behörde auf Verlangen des Beschädigten durch einen nach Anhörung des Unternehmers von ihr zu wählenden Sachverständigen auf seine Kosten den Betrag des Schadens ermittelt und für seine Rechnung an den Beschädigten auszahlt, im Falle eines rechtlichen Zahlungshindernisses aber hinterlegt, sofern die ahlung oder Hinter⸗ legung mit der Maßgabe erfolgt, daß dem Unternehmer die Rück⸗ forderung für den Fall vorbehalten bleibt, daß auf seine gerichtliche Klage dem Beschädigten der Ersatzanspruch ganz oder theilweise ab⸗ erkannt werden sollte.

§ 12

ufmessungen während des Baues und Abnahme.

Der bauleitende Beamte ist berechtigt, zu verlangen, daß über alle später nicht mehr nachzumessenden Arbeiten von den beiderseits zu bezeichnenden Beauftragten während der Ausführung gegenseitig an⸗ zuerkennende Notizen geführt werden, welche demnächst der Berechnung zu Grunde zu legen sind.

Von der Volltendung der Arbeiten oder Lieferungen hat der Unternehmer dem bauleitenden Beamten durch eingeschriebenen Brief Anzeige zu machen, worauf der Termin für die Abnahme mit thun⸗ lichster Beschleunigung anberaumt und dem Unternehmer schriftlich

egen Behändigungsschein oder mittels eingeschriebenen Briefes be⸗ aannt gegeben wird.

Ueber die Abnahme wird in der Regel eine Verhandlung auf⸗ genommen; auf Verlangen des Unternehmers muß dies geschehen.

Die Verhandlung ist von dem Unternehmer bezw. dem für den⸗ selben etwa erscheinenden Stellvertreter mit zu vollziehen.

Von der über die Abnahme aufgenommenen Verhandlung wird dem Unternehmer auf Verlangen beglaubigte Abschrift mitgetheilt.

Erscheint in dem zur Abnahme anberaumten Termin, gehöriger Benachrichtigung ungeachtet, weder der Unternehmer selbst noch ein Bevollmächtigter desselben, so gelten die durch die Organe der bau⸗ leitenden Behörden bewirkten Aufnahmen, Notierungen ꝛc. als anerkannt.

Auf die Feststellung des von dem Unternehmer Geleisteten im Falle der Arbeitsentziehung 9) finden diese Bestimmungen gleichmäßige Anwendung.

Müssen Theillieferungen sofort nach ihrer Anlieferung abgenommen werden, so bedarf es einer besonderen Benachrichtigung des Unter⸗ nehmers hiervon nicht, vielmehr ist es Sache desselben, für seine An⸗ wesenheit oder Vertretung bei der Abnahme Sorge zu tragen.

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§ 13. Rechn ungsaufstellung. ezüglich d formellen Aufstellung der Rechnung, welche in der Form⸗ Ausdrucksweise, Bezeichnung der Bautheile resp. Räume und

eihenfolge der Positionsnummern genau nach dem Verdingungs⸗ anschlag einzurichten ist, hat der Unternehmer den von der bau⸗

leitenden Behörde bezw. dem bauleitenden Beamten gestellten An⸗ forderungen zu entsprechen.

Mehrarbeiten sind in besonderer Rechnung nachzuweisen, unter deutlichem Hinweis auf die schriftlichen Vereinbarungen, welche bezüglich derselben getroffen worden sind.

Tagelohnrechnungen.

Werden im Auftrage des bauleitenden Beamten seitens des Unter⸗ nehmers Arbeiten im Tagelohn ausgeführt, so ist die Liste der hierbei 8 ten Arbeiter dem bauleitenden Beamten oder dessen Vertreter behufs Prüfung ihrer Richtigkeit täglich vorzulegen. Etwaige Aus⸗ 88 8 dagegen sind dem Unternehmer binnen längstens acht Tagen mitzutheilen.

Die Tagelohnrechnungen sind längstens von zwei zu zwei Wochen dem bauleitenden Beam ten einzureichen.

1X“ 1“ 8 Die Schlußzahlung erfolgt auf die vom Unternehmer einzu⸗ reichende Kostenrechnung alsbald nach vollendeter Prüfung und Fest⸗ stellung derselben.

Abschlagszahlungen werden dem Unternehmer in Kcheneseces Fristen auf Antrag nach Maßgabe des jeweilig Geleisteten bis zu der von dem bauleitenden Beamten mit Sicherheit vertretbaren Höhe

gewährt.

Bleiben bei der Schlußabrechnung Meinungsverschiedenheiten zwischen dem bauleitenden Beamten oder der bauleitenden Behörde und dem Unternehmer bestehen, so soll das dem letzteren unbestritten

zustehende Guthaben demselben gleichwohl nicht vorenthalten werden.

Verzicht auf spätere Geltendmachung aller nicht aus⸗ drücklich vorbehaltenen Ansprüche.

Vor Empfangnahme des von dem bauleitenden Beamten oder der bauleitenden Behörde als Restguthaben zur Auszahlung angebotenen Betrags muß der Unternehmer alle Ansprüche, welche er aus dem Vertragsverhältniß über die behördlicherseits anerkannten hinaus etwa noch zu haben vermeint, bestimmt bezeichnen und sich vorbehalten, widrigenfalls die Geltendmachung dieser Ansprüche später ausge⸗

ist. Zahlende Kasse.

Alle Zahlungen erfolgen, sofern nicht in den besonderen Be⸗ vinüngen etwas Anderes festgesetzt ist, aus der Kasse der bauleitenden ehörde.

§ 15. Gewährleistung.

Die in den besonderen Bedingungen des Vertrags vorgesehene, in Ermangelung solcher nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften sich bestimmende 8 für die dem Unternehmer obliegende Gewähr⸗ leistung für die Güte der Arbeit oder der Materialien beginnt mit dem Zeitpunkt der Abnahme der Arbeit oder Lieferung.

Der Einwand nicht rechtzeitiger Anzeige von Mängeln gelieferter Waaren (Art. 347 des Handelsgesetzbuchs) ist nicht statthaft.

Sicherheitsstellung. Bürgen.

Bürgen haben als Selbstschuldner in den Vertrag mit einzutreten.

Kautionen.

Kautionen können in baarem Gelde oder guten Werthpapieren sicheren gezogenen Wechseln oder Sparkassenbüchern bestellt werden.

Die Schuldverschreibungen, welche von dem Deutschen Reich oder von einem deutschen Bundesstaat ausgestellt oder garantiert sind, sowie die Stamm⸗ und Stamm⸗Prioritäts⸗Aktien und die Prioritäts⸗ Obligationen derjenigen Eisenbahnen, deren Erwerb durch den preußi⸗ schen Staat gesetzlich genehmigt ist, werden zum vollen Kurswerthe als Kaution angenommen. Die übrigen bei der Deutschen Reichsbank beleihbaren Effekten werden zu dem daselbst beleihbaren Bruchtheil des Kurswerths als Kaution angenommen.

Die Ergänzung einer in Werthpapieren bestellten Kaution kann gefordert werden, falls infolge eines Kursrückgangs der Kurswerth bezw. der zulässige Bruchtheil desselben für den Betrag der Kaution nicht mehr Deckung bietet. 1“

Baar hinterlegte Kautionen werden nicht verzinst. Zinstragenden Werthpapieren sind die Talons und Zinsscheine, insoweit bezüglich der letzteren in den besonderen Bedingungen nicht etwas Anderes bestimmt wird, beizufügen. Die Zinsscheine werden so lange, als nicht eine Veräußerung der Werthpapiere zur Deckung entstandener Verbindlich⸗ keiten in Aussicht genommen werden muß, an den älligkeitsterminen dem Unternehmer ausgehändigt. Für den Umtausch der Talons, die Einlösung und den Ersatz ausgelooster Werthpapiere, sowie den Ersatz abgelaufener Wechsel hat der Unternehmer zu sorgen.

Falls der Unternehmer in irgend einer Beziehung seinen Ver⸗ bindlichkeiten nicht nachkommt, kann die Behörde zu ihrer Schadlos⸗ haltung auf dem einfachsten, gesetzlich zulässigen Wege die hinterlegten Werthpapiere und Wechsel veräußern bezw. einkassieren.

Die Rückgabe der Kaution, soweit dieselben für Verbindlichkeiten des Unternehmers nicht in Anspruch zu nehmen ist, erfolgt, nachdem der Unternehmer die ihm obliegenden Verpflichtungen vollständig erfüllt hat, und insoweit die Kaution zur Sicherung der Garantieverpflichtung dient, nachdem die Garantiezeit abgelaufen ist. In Ermangelung anderweiter Verabredung gilt als bedungen, daß die Kaution in ganzer Höhe zur Deckung der Garantieverbindlichkeit einzubehalten ist

§ 17. Uebertragbarkeit des Vertrags. Ohne Genehmigung der bauleitenden Behörde darf der Unter⸗

nehmer seine vertragsmäßigen Verpflichtungen nicht auf Andere über⸗

tragen.

Verfällt der Unternehmer vor Erfüllung des Vertrags in Konkurs, so ist die bauleitende Behörde berechtigt, den Vertrag mit dem Tage der Konkurseröffnung aufzuheben. 8

Bezüglich der in diesem Falle zu gewährenden Vergütung sowie der Gewährung von Abschlagszahlungen finden die Bestimmungen des § 9 sinngemäße “X

Für den Fall, daß der Unternehmer mit Tode abgehen sollte, bevor der Vertrag vollständig erfüllt ist, hat die bauleitende Behörde die Wahl, ob sie das Vertragsverhältniß mit den Erben desselben fort⸗ setzen oder dasselbe als aufgelöst betrachten will.

8 § 18.

9 Gerichtsstand.

8 Für die aus diesem Vertrage entspringenden Rechtsstreitigkeiten hat der Unternehmer unbeschadet der im § 19 vorgesehenen Zu⸗ ständigkeit eines Schiedsgerichts bei dem für den Ort der Bau⸗ ie zuständigen Gericht Recht zu nehmen.

§ 19. Schiedsgericht.

Streitigkeiten über die durch den Vertrag begründeten Rechte und Pflichten sowie über die Ausführung des Vertrags sind zunächst der vertragschließenden Behörde zur Entscheidung vorzulegen.

Die Entscheidung dieser Behörde gilt als anerkannt, falls der Unternehmer nicht binnen vier Wochen vom Tage der Zustellung der⸗ felben der Behörde anzeigt, daß er auf schiedsrichterliche Entscheidung

antrage.

Lie Fortführung der Bauarbeiten nach Maßgabe der von der Verwaltung getroffenen Anordnungen darf 1e nicht aufgehalten werden. .

Auf das schiedsrichterliche Verfahren finden die Vorschriften der Deutschen Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 §§ 851 bis 872 Anwendung. 1

Falls über die Bildung des Schieds erichts durch die besonderen Vertragsbedingungen abweichende Vorschriften nicht getroffen sind, ernennen die Verwaltung und der Unternehmer je einen Schiedsrichter. Dieselben sollen nicht gewählt werden aus der Zahl der unmittelbar Betheiligten oder derjenigen Beamten, z deren Geschäftskreis di gelegenheit gehört hat. 8 1

Falls die Schiedsrichter sich über einen gemeinsamen Schiedsspru nicht einigen können, wird das Schiedsgericht durch einen ünrach ergänzt. Derselbe wird von den Schiedsrichtern gewählt oder, wenn diese sich nicht einigen können, von dem Präsidenten derjenigen be⸗ nachbarten Provinzialbehörde desselben Verwaltungszweigs ernannt, deren Sitz dem Sitze der vertragschließenden Behörde am nächsten

belegen ist.

Der Obmann hat die weiteren Verhandlungen zu leiten und darüber zu befinden, ob und inwieweit eine Ergänzung der bisherigen Verhandlungen (Beweisaufnahme u. s. w.) stattzufinden hat. Die Cngfchesdung über den Streitgegenstand erfolgt dagegen nach Stimmen⸗ mehrheit.

Bestehen in Beziehung auf Summen, über welche zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, so wird dier für die größte Summe aeFeselecge Stimme der für die zunächst geringere abgegebenen hinzu⸗ gerechnet.

Ueber die Paqung der Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens entscheidet das Schiedsgericht nach billigem Ermessen.

Wird der Schiedsspruch in den im § 867 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Fällen aufgehoben, so hat die Entscheidung des Streitfalls im ordentlichen Rechtswege zu erfolgen.

§ 20. Kosten und Stempel. 86

Briefe und Depeschen, welche den Abschluß und die Ausführung des Vertrags betreffen, werden beiderseits frankiert.

Die Portokosten für solche Geld⸗ und sonstige Sendungen, welche im ausschließlichen Interesse des Unternehmers erfolgen, trägt der

letztere. 8 Die Kosten des Vertragsstempels trägt der Unternehmer nach

Maßaabe der gesetzlichen Bestimmungen. Die übrigen Kosten des Vertragsabschlusses fallen jedem Theile zur Hälfte zur Last. .

Vorstehende Bedingungen werden hiermit öffentlich be⸗ kannt gemacht. Berlin, den 20. Februar 1896. Königliche Ministerial⸗Baukommission. von der Marwitz.

1M“

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten.

27. Sitzung vom 25. Februar 189b56.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Etats der Eisenbahnverwaltung bei dem Titel „Ausgaben für die Eisenbahn⸗Direktionen“ fort.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Im allgemeinen kann ich mich auch heute auf die Ausführungen beziehen, die ich im vorigen Jahre an dieser Stelle gegeben habe. Ich möchte nur dem Herrn Vorredner entgegenhalten, daß die Behauptung, es sei durch die Neuorganisation für die technischen Beamten der Staats⸗Eisenbahnverwaltung nichts geschehen, eine irrige ist. Meine Herren, Sie werden sich erinnern aus den Etatsverhandlungen des vorigen Jahres, daß die Vorstände der Inspektion sowohl im Gehalt, wie in ihrem Rang eine nicht un⸗ erhebliche Aufbesserung erfahren haben. Es ist das Maximalgehalt der Inspektionsvorstände von 4800 auf 5400 erhöht, und die Hälfte derselben wird zu Räthen vierter Klasse befördert, was früher nicht der Fall war. Es sind infolge dessen mit der Neuorganisation 100 und einige 20. Bauinspektoren zu Regierungs⸗ und Bauräthen befördert. Meine Herren, ich glaube also, daß nach diesen beiden Richtungen hin eine wesentliche Ver⸗ besserung der Lage der technischen Beamten eingetreten ist.

Andererseits ist es richtig, und das wird von mir durchaus nicht geleugnet oder verkannt, daß die zeitliche Lage der Baumeister aus gewissen Jahrgängen eine ungünstige ist. (Hört, hört!) Meine Herren, das trifft aber nicht nur die Baumeister, die in der Staats⸗Eisen⸗ bahnverwaltung beschäftigt sind, sondern trifft auch die Baumeister der allgemeinen Bauverwaltung und liegt im wesentlichen daran, daß in der Mitte der achtziger Jahre eine außergewöhnlich große Anzahl von Baumeistern in die Verwaltung übernommen worden sind. Ich werde mir gestatten, Ihnen gleich auch die bezüg⸗ lichen Ziffern mitzutheilen. Es tritt hier also dieselbe Erscheinung ein, die auch in anderen Staatsdienstzweigen wiederholt leider eingetreten ist, daß sich im Avancement und damit auch im Aufrücken im Gehalt sehr unliebsame Stockungen zeigen. Die Herren werden sich erinnern, daß dies in der Justizverwaltung wie in der allgemeinen Verwaltung zeitweise ebenso beklagt worden ist, wie es heutzutage hier nicht nur von seiten der betroffenen Beamten, sondern auch von mir, ihrem Chef, beklagt wird.

Auch unter den administrativen Beamten der Staats⸗Eisenbahn⸗ verwaltung werden ähnliche Mißstände beklagt, wenn dies auch nicht in die Presse gekommen ist. Auch bei den Assessoren der Staats⸗ Eisenbahnverwaltung vollzieht sich jetzt und wohl noch mehr in der nächsten Zukunft in ihrem Avancement und in ihrem Aufrücken im Gehalt eine unliebsame Verzögerung. In der allgemeinen Staatsverwaltung liegen, glaube ich, zur Zeit bezüglich der Assessoren die Verhältnisse, soweit mir bekannt ist, nicht viel günstiger.

Dies vorausgeschickt, möchte ich mir erlauben, Ziffern zu geben.

Die Neuorganisation hat bekanntlich die Betriebsämter auf⸗ gehoben und statt dessen die Direktionen von 11 auf 20 vermehrt. Wir haben jetzt für die höheren Beamten folgende Stellen in der Eisenbahnverwaltung: administrative Beamte bei den Direktionen 136 Stellen; das jüngste administrative Direktionsmitglied von Anfang Februar sind die Zahlen ist Assessor vom 18. Mai 1889. Wir haben technische Beamte 132 Stellen, und zwar sind darunter 100 Bautechniker und 32 Maschinentechniker; das Dienstalter des jüngsten Direktionsmitglieds ist bei den bautechnischen Beamten als Bauinspektoren vom 11. Juni 1868, als Baumeister vom 24. Juni 1876 (hört! hört! links), bei den maschinentechnischen Beamten als Bauinspektoren vom 1. April 1885, als Baumeister vom 12. November 1879. Zweitens Inspek⸗ tionsvorstände und Bauinspektoren: etatsmäßige Stelle für administra⸗ tive Beamte haben wir hier nicht, dagegen finden Sie eine Anzahl von Assessoren zur Zeit mit der Wahrnehmung der Vorstände von Verkehrs⸗Inspektionen betraut. Diese Beamte sind aber außeretats⸗ mäßig. Für etatsmäßige bautechnische Beamte sind inklusive des Ministeriums 277 Stellen vorhanden, maschinentechnische 167 Stellen, auch einschließlich des Ministeriums. Hierzu noch

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folgende amtliche

antragen: die Staatsregierung zu ersuchen, in dem Bericht

A1 Stellen für Telegraphen⸗Inspektionsvorsteher. Das Dienstalter des jüngsten Bauinspektors als Baumeister ist vom 12. Mai 1884, das Dienstalter des jüngsten maschinentechnischen Mitglieds als Bau⸗ meister ist vom 20. Dezember 1886.

Daraus geht zunächst hervor, daß das Avancement bei den maschinentechnischen Beamten etwas günstiger ist.

Ich erlaube mir, hier gleichzeitig auch die Zahlen mitzutheilen in der allgemeinen Bauverwaltung, weil das Verhältniß derselben zu der Eisenbahnverwaltung ja doch hier auch von Interesse sein möchte.

Der jüngste Bauinspektor im Hochbaufach hat ein Patent als Baumeister vom 20. November 1885, steht also günstiger, wie der in der Eisenbahnverwaltung beschäftigte. Der jüngste Bauinspektor im Wasserbaufach hat ein Patent vom 7. Mai 1884, steht also mit dem Beamten der Eisenbahnverwaltung ungefähr gleich bis auf wenige Tage. Das Dienstalter des jüngsten Bauinspektors für Ma⸗ schinenbaufach datiert vom 20. März 1885. Auch hier ist also der Techniker des Maschinenbaufachs am günstigsten gestellt. Ich bemerke hierzu, daß es in der allgemeinen Verwaltung nur wenige Stellen für Maschinenbautechniker giebt.

Das wären die Zahlenverhältnisse, wie sie sich zur Zeit für die neuorganisierten Eisenbahnverwaltungen ergeben. Es ergiebt sich schon daraus, daß die Anstellungsverhältnisse der Regierungs⸗Baumeister des Ingenieurbaufachs ungünstige sind. Es sind am 1. April 1896, wenn der neue Etat zur Ausführung kommt, 257 Regierungs⸗Bau⸗ meister im Ingenieurbaufach vorhanden; davon werden 49 für den Betrieb und 208 für Neubauzwecke verwendet. Von denselben ge⸗ hören 17 dem Prüfungsjahr 1884, 63 dem Prüfungsjahr 1885, 60 dem Prüfungsjahr 1886, also 140 Baumeister einem Jahr⸗ gang an, der bis zu zehn Jahren und darüber hinaus hinter uns liegt (hört! hört! bei den Nationalliberalen) nun nehmen die Zahlen wieder ab. 40 gehören dem Jahre 1887, 26 dem Jahre 1888, 29 dem Jahre 1889, 7 dem Jahre 1890, 11 dem Jahre 1891, 4 dem Jahre 1892 an.

Aus diesen Zahlen geht also deutlich hervor, daß die 4 ersten Jahrgänge allerdings außergewöhnlich ungünstig gestellt sind und für sie eine Stockung auf verhältnißmäßig lange Zeit hinaus zu befürchten ist. Wie gesagt, die Ursache liegt im wesentlichen darin, daß in der Mitte der achtziger Jahre eine außergewöhnliche Vermehrung der in der Eisenbahnverwaltung beschäftigten Baumeister statt⸗ gefunden hat. Es waren vor dem 1. April 1895 an Beamten des Ingenieur⸗Baufachs 521 etatsmäßige und 356 diätarisch beschäftigte Baumeister vorhanden, also zusammen 877, während gegenwärtig 373 etatsmäßige und 257 Diätarien beschäftigt waren, in Summa also nur 630 Beamte, und zwar für Betriebs⸗ und für Neubauzwecke.

Wie es gehalten worden ist mit denjenigen Beamten, die infolge des Eingangs der betreffenden Beschäftigungsstellen nicht mehr inner⸗ halb der Eisenbahnverwaltung als Baumeister verwendet werden konnten, das ist bereits im vorigen Jahre weitläufig erörtert worden, und brauche ich wohl darauf nicht weiter einzugehen. Nun ist ja natürlich, daß vorzugsweise ältere Beamte zur Disposition gestellt und die dadurch frei werdenden Stellen mit jüngeren Beamten besetzt worden sind, sodaß allerdings auch aus diesem Grunde ein rasches Vorrücken in den nächsten Jahren kaum zu erwarten ist.

Meine Herren, es kann, wenn man diese Zustände bessern will, sich im wesentlichen nur darum handeln, den augenblicklichen und, wie ich annehme, vorübergehenden Verhältnissen dadurch Abhilfe zu schaffen, daß man einen Theil der diätarisch beschäftigten Bau⸗ meister in etatsmäßige Stellen bringt. (Sehr richtig! links.) Dieserhalb finden z. Zt. Verhandlungen mit dem Herrn Finanz⸗ Minister statt. Meine Herren, es ist außerordentlich schwierig, die Verhältnisse der Beamten in einem einzelnen Ressort nur allein für sich zu betrachten. Es entsteht sofort innerhalb der Staatsregierung die Frage, ob durch einseitige Verbesserung im Gehalt oder Rang einer einzelnen Kategorie von Beamten nicht ungerechte Zurück⸗ stellungen anderer Zweige der Staatsverwaltung entstehen, und diese Rücksicht hat sich auch geltend gemacht bezüglich der Aufbesserung der Lage der technischen Beamten innerhalb meines Ressorts. Die Ver⸗ handlungen im Schoße der Königlichen Staatsregierung werden fort⸗ gesetzt und hoffentlich zu einem baldigen gedeihlichen Ende führen. (Bravo!)

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Petitionen sind so zahlreich, daß man beinahe einen besonderen Registraturbeamten braucht, um sie übersichtlich zu ordnen. Es liegt gar keine Ursache vor, die Be⸗ friedigung der Wünsche der Beamten hinauszuschieben. Insbesondere 24 das auch von der Ausgleichung in den Verhältnissen der Ab⸗ ertigungs⸗ und der Bureaubeamten. Auf eine allgemeine Besoldungs⸗ verbesserung wird man noch eine längere Zeit warten müssen; aber man sollte die schrittweise Besoldungsverbesserung nicht unterlassen. Allerdings wird eine solche Besoldungsverbesserung Konsequenzen aben, aber das ist überall so. Die erste Besoldungsverbesserung erstreckte sich nur auf die Subaltern⸗ und Unterbeamten, aber man nahm keinen Anstand, einige Klassen der höheren Beamten hinein⸗ zuziehen. Neue Mittel sind zur Aufbesserung gar nicht erforderlich. Die Verhältnisse haben sich gebessert infolge der Zu⸗ wendungen aus dem Reich. Der Ueberschuß der Eisenbahnen stellt ch um 23 Millionen höher als der Etatsvoranschlag. Das laufende Etatsjahr wird mit einem Ueberschuß von 30 Millionen abschließen, statt mit einem Defizit von 34 Millionen, und da sollen wir uns um jede 10 oder 50 Tausend Mark herumstreiten mit Rück⸗ 88 auf die Finanzlage. Zwingen Sie doch Herrn Miquel, Farbe zu ekennen, daß er sehr viele überflüssige Millionen hat für die hier be⸗ sprochenen Zwecke. 1891 habe ich einen Antrag gestellt betreffs der Zahl der dienstfreien Wochen⸗ und Sonntage des Eisenbahnpersonals. Aus der teebenen Statistik ging hervor, daß die Eisenbahnbeamten noch nicht drei dienstfreie Tage im Monat haben und 40 % nur zwei freie Tage. Die Statistik ist veraltet. Eine Veränderung 5 eingetreten dadurch, daß der Güterverkehr an Sonntagen meist au gehoben ist, abgesehen von den Zeiten des Wagenmangels. Ueber die elsaß⸗lothringische Eisenbahn hat der Minister neulich im Reichs⸗ tage 11 gemacht, wonach das Bureaupersonal zu 80,79 % eden Sonntag frei hat; ungünstiger stehen die Stationsbeamten und ie Abfertigungsbeamten. Ich möchte annehmen, daß der Minister auch über die preußischen Staatsbahnen ähnliche Mittheilungen machen kann, aber ich möchte die Statistik ausgedehnt sehen auf die Frage, ob und wie weit den Beamten Urlaub gewährt wird im Laufe des Jahres. Es fehlt auch jede Andeutung über die Arbeitszeit der Beamten und Diätare. Die Regierung veranstaltet jetzt die ein⸗ sebendsten Enquéten über die Arbeiterverhältnisse bei Privaten, aber 128 die Arbeiterverhältnisse im Staatsbetriebe erfahren wir nichts, Fot dem 181 000 Arbeiter geh sind. Aus dem Etat kann man . einmal ersehen, wie sich die 135 Millionen Mark auf die⸗ . vertheilen. Ebenso wenig erfahren wir etwas über die Wohl⸗ führtseinrichtun een. Nach allen diesen Richtungen hin muß der Be⸗ biest über die Betriebsverhältnisse vervollständigt werden. Es kommt aese Les an, daß solche Zahlen regelmäßig in jedem Jahre mitgetheilt erden, damit sie verglichen werden können. Ich möchte daher 58

Betriebsergebnisse Mittheilungen zu machen über die Arbeitszeit, Ruhe⸗ tage und ÜUrlaubsbewilligungen der Beamten und Arbeiter und darüber, welche besonderen Wohlfahrtseinrichtungen bestehen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Wenn das hohe Haus dem Antrage des Herrn Abg. Richter zustimmen würde, würde für mich keine Veranlassung vorliegen, die gewünschten Daten in dem nächsten Betriebsbericht nicht zu geben. Meine Verwaltung ist sters bestrebt gewesen, in der Be⸗ ziehung den Wünschen des Landtags thunlichst entgegenzukommen. Ich habe nur manchmal das Gefühl gehabt, als ob der Betriebsbericht jetzt eigentlich schon zu umfangreich sich ge⸗ staltet. Es ist ein dickleibiges Buch, welches wir jedes Jahr dem Landtag vorlegen. Allein es würden ja die statistischen Nachrichten einmal über die Beschäftigung der Beamten und Arbeiter, zweitens über die Vertheilung der Arbeiter auf die einzelnen Betriebszweige und drittens über ihre Lohn⸗ und Beschäftigungsverhältnisse und endlich auch über die für die Arbeiter eingerichteten Wohlfahrts⸗ einrichtungen, soweit ich das heute hier zu übersehen vermag, keinen allzu großen Zuwachs für den Betriebsbericht bilden. Ich würde also für den Fall, daß das hohe Haus dem Antrage zu⸗ stimmt, meinerseits nichts dagegen zu erinnern haben, die gewünschten Daten zu geben, soweit sie nicht im Betriebsbericht schon vorhanden sind. Ich möchte nun hier noch hinzufügen, daß bereits im Jahre 1854 die allgemeinen Vorschriften, von denen der Herr Abg. Richter sprach, über die Beschäftigung, die Dienstdauer der Arbeiter in den einzelnen Zweigen erlassen worden sind. Eine Statistik, wie sich nun nach diesen Vorschriften für die einzelnen Kategorien und innerhalb der einzelnen Verwaltungsbezirke der Staats⸗Eisenbahnverwaltung die Verhältnisse gestaltet haben, liegt mir allerdings zur Zeit nicht vor und müßten diese Angaben erst von den einzelnen Direktionen eingezogen werden. Ich kann hier nur eine Ziffer mittheilen, welche mir zur Hand ist, daß nämlich durch die Einführung der Sonntagsruhe jetzt überhaupt 25 239 Bedienstete der Staatseisenbahnverwaltung mehr Sonntagsruhe genießen, als bisher der Fall war, (Bravo! im Zentrum und rechts) und daß im übrigen seitens der Zentralverwaltung strenge darauf geachtet wird, daß die von ihr erlassenen Vorschriften über die zulässigen Grenzen der In⸗ anspruchnahme der Beamten in allen Dienstzweigen auch eingehalten werden. Dabei kann es immerhin vorkommen, daß wenn Noth an Mann geht, auch mal diese oder jene Beamte oder Arbeiter über die Zeit in Anspruch genommen werden, und ich setze voraus, daß das von seiten des hohen Hauses als natürlich und unvermeidlich be⸗ trachtet wird.

Abg. Schmieding (nl.): Herr Richter spricht immer von den Frofen slülle Reserven, die noch im Etat vorhanden sind, namentlich im Eisenbahn⸗Etat, aber niemals von den latenten Defizits, die gerade im Eisenbahn⸗Etat stecken, denn es fehlt noch die Reform der Güter⸗ tarife und eine Aufbesserung der Beamtengehälter. Die Finanzlage kann niemals ein Grund sein für die Zurückstellung der Besser⸗ stellung der Beamten. Der Minister erklärte es früher für bedenk⸗ lich, daß die Beamten erst mit dem 40. Jahre angestellt werden. Wenn aber die Baumeister erst mit 50 Jahren zur Anstellung ge⸗ langen, so ist das geradezu unerträglich. Es muß vor allen Dingen ein richtiges Verhältniß zwischen den diätarischen und den etatsmäßigen geschasten 8S 8 1

g. Freiherr von Eynatten (Zentr.) hält ebenfalls eine baldige Aufbesserung der Gehälter der Eisenbahnbeamten für nothwendig Fe.; empfiehlt besonders die Berücksichtigung der Petitionen der Lokomotiv⸗ führer, Heizer und Bahnmeister.

„Abg. Rickert (fr. Vg.): Es liegt allerdings ein Nothstand vor; seit 1879 ist eine Erhöhung der Beamtengehälter versprochen, und es ist noch nichts geschehen. Man kann die zahlreichen Petitionen gar nicht mehr lesen, es muß eine Abhilfe geschaffen werden. Bei den Baumeistern handelt es sich schließlich doch um ganz kleine Summen. Wenn man die Zeit zusammenrechnet, die hier darauf verwendet wird jeder Tag kostet außer den Stellvertretungskosten der Beamten 6000 bis 7000 —, dann sind diese Ausgaben bald gedeckt. Es handelt sich darum, das richtige Verhältniß zwischen etatsmäßigen und diätarischen Stellen herbeizuführen. In Bezug auf die Strecke Han⸗ nover Pyrmont geht mir ein Nothschrei zu. Es gehen drei Züge auf dieser Strecke, aber keiner legt die 71 km lange Strecke unter zwei Stunden zurück. Man sagt mir, es seien eine Menge Petitionen eingereicht, um eine größere Schnelligkeit herbeizuführen, aber bisher erfolglos. Der Abendzug ferner, der in Hameln stecken bleibt, sollte bis Pyrmont durchgeführt werden.

Abg. Felisch (kons.): Die technischen Beamten stehen schlechter als die administrativen Beamten in Bezug auf Gehalt und Rang; sie, wünschen bei ihrer etatsmäßigen Anstellung ebenso wie die admi⸗ nistrativen Beamten den Rathstitel zu erhalten. Die Beamten wenden sich an ihre vorgesetzte Behörde nicht, weil sie annehmen, daß 89 ein e v

im Jahre würde den Beamten schon geholfen sein; das ist gegenüber den 230 Millionen Ueberschuß doch nur kleine Summe. 8

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. Felisch würden mir keine Veranlassung geben, hier nochmals das Wort zu ergreifen, wenn er nicht eine Bemerkung gemacht hätte, die ich nicht mit Stillschweigen übergehen lassen darf. Er hat gesagt, daß eine Deputation höherer technischer Beamten bei ihm gewesen wäre, die ihm ihre mißlichen Verhältnisse auseinandergesetzt hätten, und dann ihm auf die Frage: warum sie sich nicht direkt an ihren Ressort⸗Minister gewandt hätten, die Antwort gegeben haben: ja, wenn wir das thun, bekommen wir ein schwarzes Kreuz. Meine Herren, wenn das ein Weichensteller oder Portier gesagt haben würde, dann würde ich mich nicht wundern; ich würde das dem Bildungsgrade dieser Leute zu gute halten. Aber daß höhere Beamten wirklich eine solche Auffassung von ihrem Chef haben sollten, muß ich bestreiten.

Abg. Schultz⸗Bochum (nl.) tritt ebenfalls für die Aufbesserung der Gehälter der Eisenbahnbeamten ein, die allseitig als nothwendig erkannt sei; dem gegenüber dürfe man nicht auf die schlechte Finanz⸗ lage verweisen. Mindestens sollte man in Bezug auf die Wohnungs⸗ frage für die Beamten sorgen; denn in den Industriegegenden könnten die Beamten mit dem Wohnungsgeld von 180 nicht auskommen. Dafür bekämen sie höchstens zwei Dachkammern.

Abg. von Tzschoppe (fr. kons.): Die Bahnsteigsperre bringe der Verwaltung eine Mehreinnahme und eine Ersparniß d die Ersparung der Kontrolbeamten. In der letzteren Richtung ist die Verwaltung zu weit gegangen, sodaß die Fehr der Beamten nicht ausreicht, um namentlich den Damen beim Aussteigen die Thüren zu öffnen u. s. w. Dazu kommt das lange Warten der Reisenden beim Betreten des Bahnsteigs. Redner verweist besonders auf den Bahnhof Uelzen, wo sich die Züge von Berlin⸗Hamburg und Hamburg⸗Bremen kreuzen. Früher gab es zwei Zugänge, jetzt sind alle Reisenden auf einen Eingang angewiesen, der auch von denen benutzt werden muß, welche den Bahnsteig verlassen. Die Anstellung eines einzigen Be⸗ amten und die Eröͤsnung eines zweiten Zugangs würden die Klagen beseitigen. Aehnlich wird es auf manchem anderen Bahnhof sich ver⸗

halten. Wenn ein Ministerial⸗Kommissar, -r nicht 888 seinen m m

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Mit Aufwendung von

zweiter oder dritter Klasse die Strecken bereisen würde, würde er

manches erfahren, was dem Minister unbekannt bleibt.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.): Die Rede des Herrn Vorredners giebt mir Anlaß, mich einigermaßen etwas mit den Pe⸗ titionen der Beamten zu befassen. Die Forderungen der Beamten können nicht alle nach einem Maße behandelt werden. Es giebt welche, die unbedingt berechtigt sind und auch außerhalb des Rah⸗ mens der allgemeinen Besoldungsverbesserung eine Berücksichtigung erheischen. Aber mitunter wird mit den Petitionen ein kolossaler Unfug getrieben. Viele Beamtenkategorien treiben einen wahren Sport mit den Petitionen, daß man erstaunt ist über die Kosten, welche sich die Beamten machen. Wenn Herr Rickert meinte, daß er einen Sekretär haben müßte, um die Petitionen zu bear⸗ beiten, so möchte ich ihn bitten, die Petitionen zu sichten und zu scheiden zwischen berechtigten und unberechtigten Eingaben. Auf zehn berechtigte kommen fünfzig unberechtigte Petitionen. Herr Richter spricht von den sich bessernden preußischen Finanzen; also könnten wir die Gehälter erhöhen. Da verfällt Herr Richter wie⸗ der in den Fehler, daß auf unsichere steigende Einnahmen dauernde Ausgaben basiert werden sollen. Wenn wir das thun, wird ein Defizit die Folge sein. Vorsicht ist in diesen Dingen unbedingt geboten. Petitionen können hier nicht erörtert werden, das kann nur auf Grund der Berichte der Kommission geschehen. Der Widerspruch gegen die Wünsche der Beamten kann sich hier nicht geltend machen, weil wir die Sache hier nicht prüfen können. Das kann nur unter Zuziehung der Regierungskommissare ge⸗ schehen. Wenn die Aufbesserung der Beamtengehälter bedauerlicher Weise aufgeschoben ist, so liegt das nicht an der Regierung, sondern an den Herren, welche auf die Reichsfinanzen ihren schädlichen Einfluß ausüben, welche im Reiche nicht die Mittel flüssig machen, deren wir bedürfen. Gerade Herr Richter hat, als er einen noch maß⸗ gebenderen Einfluß hatte als jetzt, das besonders verhindert. Bei allen anderen Behörden beschränkt sich das Publikum mit seinen Anforderungen, aber bei der Eisenbahnverwaltung stellt es die größten Anforderungen. Wenn das Publikum englische Sitten annimmt und Sonntags nicht spazieren fährt, dann wird für die Eisenbahn⸗ beamten sehr schnell eine Sonntagsruhe geschaffen werden. Es giebt noch eine Reihe von Beamten, welche gar keine Sonntagsruhe haben. Von dem Antrage Richter ist die Forderung einer Darstellung der Wohlfahrtseinrichtungen der Eisenbahnverwaltung für meine Freunde am annehmbarsten; aber ob die anderen Punkte Annahme finden können, ist mir doch zweifelhaft. Die Frage nach der Beurlaubung der Beamten ist doch eine Frage, die zu sehr in die Details eindringt. Solche Dinge, die einem Abgeordneten interessant erscheinen, muß die Verwaltung zusammenstellen; dadurch entstehen viele Schreibereien und Statistiken. Deshalb habe ich Bedenken, heute schon auf den Antrag einzugehen, weil derselbe auch finanzielle Bedenken hat. Ich halte es für besser, den Antrag erst der Budgetkommission zu überweisen.

Abg. Richter: Gewiß haben Petitionen einen verschiedenen Werth, es fällt mir nicht ein, deshalb, weil petitioniert 1 den Anspruch für berechtigt zu erkennen. Graf Limburg spricht von dem Unfug der Petitionen, aber nicht dann, wenn man auf agrarischer Seite Zuwendungen auf Kosten des Reichs und Staats verlangt. Da spricht er auch nicht von einem Sport! Wie kann man die Stellung der Beamten wohl so verkennen, daß Petitionen des Sports wegen eingereicht werden. Ein Sport, sich liebes Kind zu machen, ist begreiflich; aber doch nicht ein Sport, wodurch die Beamten sich mißliebig bei ihren Vorgesetzten machen. Die Beamten können sich nicht selber helfen, sie sind auf das Petitionieren an⸗ gewiesen. Daß so viele Mitglieder aller Parteien sich der Petitionen annehmen, mit Ausnahme allerdings der Freunde des Vorredners, zeigt, daß, unabhängig von dem Parteiinteresse, die Herren die Wünsche als berechtigt anerkennen. Das Schweigen der Verwaltung gegenüber diesen Ausführungen des Vorredners über die Beamten ist doch bezeichnend. Graf Limburg leugnet nicht, daß ein Ueberschuß vorhanden ist; ich bitte das festzuhalten bei den künftigen Erörterungen. Aber er meint, die Ein⸗ nahmen seien unsicher. Wann soll denn dann überhaupt die Aufbesserung kommen? Die Reichseinnahmen beruhen auf indirekten Steuern; die Betriebseinnahmen in Preußen sind unsicher. Wenn alles Un⸗ sichere ausgeschieden werden soll, dann kommt der Moment zu einer Aufbesserung niemals. Man kommt doch zu der Gesammtauffassung, daß nach einer längeren Depression sich ein wirthschaftlicher Aufschwung bemerkbar macht. Ach, die 1000 verkrachten Grundbesitzer im Osten, die machen's doch nicht. Ueberall, wo die Erwerbsverhältnisse sich reflektieren, merkt man, daß wir zu normalen Erwerbsverhältnissen zurückgekehrt sind, daß eine fortschreitende Verbesserung eingetreten ist. Es ist mir gar nicht eingefallen, zu verlangen, daß man die 30 Millionen Mark Mehreinnahme zu Besoldungserhöhungen ver⸗ wenden soll. Ich habe mich nur dagegen verwahrt, daß man bei kleinen nothwendigen Mehraufwendungen immer über die schlechte Finanzlage jammert. Ich will nicht untersuchen, ob ich mit meiner Fraktion die Steuern hätte zu Fall bringen können ohne die Unterstützung der Zentrumspartei. Wenn ich dabei mitgewirkt habe, so rechne ich es mir zum Verdienst an. Denn wie würden wir da⸗ stehen, wenn die Millionen Ueberschüsse sich jetzt herausstellen, während man eine neue Tabacksteuer von 33 Millionen eingeführt hätte, welche die Industrie erschüttert! Was wollen Sie denn vom Reich? Das Reich kostet Preußen nicht einen Pfennig in diesem Jahr. Die Ueberweisungen übersteigen die Matrikularbeiträge, und das ist ohne den Automaten erreicht. Das Reich verlangt weniger, als im Etat angesetzt ist, und das Reich vertheilt 35 Millionen mehr, als man angenommen hatte. Also man kann mit dem Reiche sehr zufrieden sein, wenn man nicht einen Steuerfanatismus hat. Der Minister ist bereit, meinen Antrag ohne weiteres anzunehmen. Da erhebt sich Graf Limburg, um an diesem Antrag dieses und jenes auszustellen. Es handelt sich nicht bloß um die Feststellung der freien Sonntage, sondern auch darum, ob für einen nichtfreien Sonntag eine Ent⸗ schädigung in der Woche eintritt. Man macht die Arbeiterschutz⸗ bestimmungen über die Sonntagsruhe, und wir sollen für 181 000. Eisen⸗ bahnarbeiter gar nichts thun? Da ist Herr Stöcker Ihnen (rechts) doch über. Ein Eingriff in die Exekutive ist die Frage nach den Urlaubs⸗ bewilligungen doch nicht; das ist doch eben solche Frage, wie die nach der Dauer der Arbeitszeit. Ist das nicht auch eine Wohlfahrtseinrichtung? Bei der Eisenbahn ist die Frage der Arbeitszeit zu gleicher Zeit eine Frage der Sicherheit des Betriebes. Sind nicht Unfälle häufig aus der Ueberanstrengung von Beamten entstanden? Graf Limburg meint, es würden die Drucksachen zu dick werden. Sonst haben Sie diese Rücksicht nicht bei Ihren Spezialinteressen. Wenn auch der Bericht über die Betriebsergebnisse um einige Blätter stärker wird, was schadet das? Ueber die Arbeiterstatistik veröffentlicht die Statistik dicke Bände, und wir wollen aus Sparsamkeitsrücksichten uns über di Verhältnisse der Eisenbahnarbeiter nicht unterrichten! Mehr Arbeits⸗ kräfte braucht man wohl nicht, denn eine Verwaltung, die das Inter⸗ esse ibrer Arbeiter wahrnehmen will, muß aus eigenem Interesse eine solche Statistik aufstellen. Graf Limburg hat klargestellt, wie die Konservativen über Arbeiter und Beamte denken, daß der schärfste Gegner sie nicht besser hätte zeichnen können.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Richter hat es als charakteristisch für die Auffassung der Regierung gegenüber den Petitionen erklärt, daß die Regierung heute keinerlei Aeußerungen gethan, sondern alles schweigend mit angehört habe. Meine Herren, das ist aus dem Grunde von dem Regierungstisch aus geschehen, weil die Petitionen ja heute nicht zur Tagesordnung gehören. Vielmehr sind sie zunächst der Budgetkommission überwiesen, Wum dann im Plenum erörtert zu werden. Die Regierung wird also in der Budgetkommission und im Plenum reichlich Gelegenheit haben, ihre Stellung zu den einzelnen Petitionen darzulegen.

Ich möchte mich daher hier heute nur auf zwei allgemeine Be⸗ merkungen beschränken. Ueber die Hälfte der Petitionen rührt von

ber, di im Ja re 1890/91 bereits erheblich in ihrem Gehalt

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