aufgebessert worden sind. (Hört! hört! rechts.) Zweitens, in den letzten 0 Jahren ist für Aufbesserung der Gehälter der etatsmäßigen Beamten und für Verbesserung des Einkommens der nicht etatsmäßigen, im Lohnverhältniß beschäftigten Beamten eine Summe von 40 Millionen ausgeworfen. (Hört, hört! rechts.) Ich habe mich bereit erklärt, sofern das hohe Haus dem Antrag des Herrn Abg. Richter zustimmt, das gewünschte Material zu geben, weil ich überhaupt der Auffassung bin, daß das Material, welches die Eisenbahnverwaltung zu geben im stande ist, auf Anforderung des Landtags der Monarchie nicht ohne triftigste Gründe verweigert werden darf. Ich halte es aber mit dem Herrn Grafen zu Limburg⸗Stirum für durchaus erwünscht, daß zu⸗ ächst in der Budgetkommission eine Prüfung nach der Richtung hin attfindet, in welchem Umfange dieses Material beschafft werden soll. in großer Theil des Materials ist jetzt schon im Betriebsbericht thalten. Es kann sich also im wesentlichen nur um eine Ergänzung andeln, und in der Beziehung wäre eine Erörterung und Berathung m Schoße der Budgetkommission auch mir nur sehr erwünscht. (Bravo!) Abg. von Puttkamer⸗Treblin (kons.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß durch die Einrichtung einer Direktion in Danzig die öglichkeit geschaffen sei, die lokalen Verhältnisse mehr zu berück⸗ ee es scheine aber noch eine mangelhafte Verständigung zwischen den Direktionen in Stettin und Danzig zu bestehen, denn es fehle in Pommern noch an Schnell⸗ und Nachtzügen; „die D⸗Züge kennen wir Hinterpommern nur aus Bilderbüchern-. Im Sommer während des Badeverkehrs werde der Schnellzug bis Stargard KFarchsesahrt. von da ab werde weiter gebummelt. Der Schnellzug müsse allgemein mindestens bis Stargard durchgeführt werden. 1 Abg. Schwarze (Zentr.) hält die Klagen der Eisenbahnbeamten für vollständig berechtigt und empfiehlt dringend ihre Berücksichtigung. Abg. Jaeckel (fr. Vg.) tritt ebenfalls für eine Aufbesserung der Gehälter der Eisenbahnbeamten ein, namentlich für eine Ausgleichung eer Stellung der Bureau⸗ und Betriebsbeamten. Redner bemängelt un ferner die Bahnsteigsperre in Posen, durch welche alle Eisen⸗ ahnbehörden, sogar das Telegraphenamt, vom Verkehr ausge⸗ chlossen seien. . G Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons): Die Rede des Herrn Richter zeigt, wie schwer es ist, mit ihm sachlich zu diskutieren. Ich ill seinen Antrag nicht unbesehen annehmen, da hält er eine anti⸗ agrarische Wahlrede und beschuldigt mich, daß ich für die Beamten nicht eintrete. Seine Mißverständnisse sind immer nachtheilig für den edner von der Gegenseite. Ich habe rein sachlich prüfen wollen, 1 chtigt sind, welche hier gestellt sind. Das etitionsrecht will ich den Beamten nicht verkümmern, ich will nur nen Mißbrauch verhindern. Das Herunterziehen der agrarischen Bestrebungen wird Ihnen in unseren Kreisen nichts nützen. Für die erkrachten Großgrundbesitzer treten wir nicht ein, sondern nur für die nothleidenden Bauern. Wenn Herr Richter keine Mehreinnahmen m Reich bewilligt, dann darf er auch nicht auf Mehrausgaben drängen, was allerdings populärer ist als Steuern bewilligen. Abg. Richter: Meine Bemerkung über die Agrarier habe ich nicht an meinen Antrag angeknüpft, sondern ich habe mich nur gewehrt gegen die Bezeichnung der Petitionen der Beamten als Unfug und Sport. Da lag nichts näher als die Verweisung z. B. auf je Zuckerfabrikanten und ihre Agitation gegenüber den bescheidenen Bitten der Beamten. Wenn Sie (rechts) ein Recht hätten, von Millionen nothleidender Bauern zu sprechen, dann hätte sich die wirthschaftliche Besserung nicht bemerkbar gemacht. Daß die Bauern weniger Ein⸗ ahmen haben als früher, das geht den Zinsrentnern ebenso. Ich habe nichts dagegen, daß mein Antrag der Budgetkommission über⸗ iesen wird; ich habe mich nur dagegen verwahrt, wie der Vorredner ründe gegen den Antrag künstlich heranzog, nachdem der Minister egen meinen Antrag nichts einzuwenden hatte. Wer solche Einwen⸗ ungen macht, der will überhaupt nichts von der Sache wissen. Wann sollen denn die Beamtengehälter überhaupt aufgebessert werden? Wenn die Verhältnisse schlecht sind und die Einnahmen sinken, so ollen Sie es nicht; wenn sie steigen, wollen Sie es auch nicht, weil die Einnahmen unsicher sind! Es handelt sich um Mehr⸗ ausgaben, die aus Mitteln des preußischen Staats gedeckt werden können, bei denen man nicht auf das Reich zurückzugreifen braucht. Sorgen Sie nur dafür, daß nicht die Kolonialpolitik ausgedehnt und die Flottenausgabe vermehrt wird, dann finden sich auch die Gelder für die aktiven Beamten. Abg. von Eynern (nl.): Es ist nur Altes vorgetragen nach dem Satze: Steter Tropfen höhlt den Stein. Die Beamten warten seit langen Jahren auf eine Erhöhung ihrer Gehälter, die als nothwendig anerkannt ist. Da müssen wir doch auch die Petitionen als berechtigt anerkennen. Es mögen in den Petitionen einige Ueber⸗ treibungen und unberechtigte Forderungen enthalten sein; aber wegen des Einzelnen, was uns nicht gefällt, dürfen wir sie nicht ins⸗ gesammt verwerfen. Wir ind durch die Stellungnahme des Reichstags verhindert . diesen Forderungen nachzugeben. Aber ich theile Herrn Richter's Ansicht, daß wir besser gestellt sind als früher, namentlich wenn der Finanz⸗Minister die Konvertierung durchführt, die nur durch eine beengte Anschauung verhindert wird. Dadurch werden wir die Mittel dauernd haben, um allen An⸗ forderungen gerecht zu werden, um die Zufriedenheit der Beamten, die eine berechtigte Forderung des Staatsinteresses ist, herbeizuführen. Ein Freund der Statistik bin ich nicht; ich möchte auch in diesem Falle fragen, ob der Nutzen im Verhältniß stehen wird zu der Arbeit. Darüber kann die Budgetkommission am besten entscheiden, der ich diesen Antrag zu überweisen bitte. 2 Abg. von Riepenhausen (kons.): Wenn die Forderungen der Beamten als berechtigt anerkannt werden, dann werden auch wir für dieselben eintreten. Wir haben dasselbe Wohlwollen, wie die linke Seite des Hauses. Es handelt sich nicht bloß um einige Tausend Groß⸗ grundbesitzer, sondern um die Nothlage der gesammten Landwirth⸗ schaft. Redner befürwortet ebenfalls eine Schnellzugs⸗Verbindung zwischen Stettin und Danzig und empfiehlt den Bau von Sekundär⸗ bahnen in den ärmeren Provinzen, welche jetzt mit den Kleineisen⸗ bahnen vorgehen, sowie die Einstellung von mehr Wagen zweiter und erster Klasse, ferner die Fortführung der Fischtransporte über Berlin hinaus und schließlich eine schnellere Verbindung mit Schweden von Stralsund aus über Rügen. 85 1““ Abg. Rickert: Ich als Danziger habe an den Schnellzügen über Stettin nach Danzig kein großes Interesse, weil ich auf der stbahn Berlin sogar mit D⸗Zügen erreichen kann. Ich habe gehört, daß die Direktion schon Erwägungen darüber angestellt hat; geholfen könnte schon werden durch eine Verkürzung der Aufenthaltszeiten auf den einzelnen Stationen. Durch die Schnellzüge durch Pommern könnten die Passagiere von der Ostbahn etwas abgeleitet werden. Der Finanz⸗ Minister schwieg auf die Anregung des Herrn von Eynern be⸗ züglich der Konvertierung. Dieses Zögern mit der Konvertierung ist allerdings kaum zu begreifen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Der Herr Abg. von Riepenhausen hat eine große Anzahl von Wünschen vorgebracht aus den verschiedensten Zweigen und Winkeln des Eisenbahn⸗Etats. Zunächst der hinterpommersche Schnellzug! Es ist vorher schon von einem der Herren Abgeordneten hervorgehoben worden, daß eine lang erstrebte Verbesserung auf der hinterpommerschen Bahn dadurch erreicht wird, daß vom 1. Mai d. J. der Berlin⸗Stettiner Nachtzug auf der hinterpommerschen Bahn seine Fortsetzung findet und damit eine neue und zweckmäßige Verbindung mit Hinterpommern hergestellt wird.
Was nun den Schnellzug zwischen Danzig und Stettin anbetrifft, so ist auch in diesem Jahre wiederholt die Frage von mir erörtert worden, ob der Zeitpunkt gekommen sei, einen Versuch, der in früheren
dieser
Zeiten einen Mißerfolg gehabt hat, wieder aufzunehmen, und ein Tages⸗Schnellzug auf der hinterpommerschen Bahn einzurichten ist.
Die Einrichtung eines Schnellzugs⸗Paares auf der hinter⸗ pommerschen Bahn kostet 250 000 bis 300 000 ℳ jährlich; die Summe ist denn doch so groß, daß es da der sorgfältigsten Er⸗ mittelung bedarf, ob dieses Opfer im Verhältniß steht zu den Vor⸗ theilen, die man erringt. Bei der Ermittelung ist nun unsererseits festgestellt worden, daß ein durchgehender Verkehr zwischen Danzig und Stettin nur in geringem Maße existiert. Der Verkehr bewegt sich auf der hinterpommerschen Bahn zunächst auf kürzeren Strecken. Er hat einen gewissen Scheitelpunkt, von dem aus der Verkehr einerseits nach Stettin und auf der anderen Seite nach Danzig gravitiert. Die Ermittelungen werden aber fortgesetzt werden. Ich kann die Frage, ob für die Zukunft ein Schnellzug auf der hinterpommerschen Bahn erhofft werden darf, mit gutem Gewissen mit Ja beantworten (Bravo!), aber ich kann zur Zeit noch nicht angeben, wann. (Heiterkeit.)
Die zweite von Herrn von Riepenhausen berührte Angelegen⸗ heit ist die Frage der Bahnsperre. Ich habe der Erklärung, die ich bereits über diesen Gegenstand abgegeben habe, kaum etwas zuzusetzen. Ich kann nur wiederholt darauf aufmerksam machen, daß die Direktionen angewiesen sind, die bezüglichen Einrichtungen so zu treffen, daß sie das Publikum nicht unnöthig belästigen, daß sie daher individualisieren sollen, sich jeden einzelnen Bahnhof, auch die kleineren, darauf anzusehen, wie die Sache am besten den örtlichen Verhältnissen ent⸗ sprechend einzurichten ist. Ich hoffe, daß das geschieht, und daß Be⸗ schwerden abgeholfen wird.
Die dritte Frage betrifft den Fischtransport. Dieser Frage haben wir auf mannigfache Anregungen, namentlich auch seitens des Herrn landwirthschaftlichen Ministers und des Vorstandes der Fischerei⸗ gesellschaft, ein lebhaftes Interesse zugewandt, und es sind im allge⸗ meinen die Einrichtungen derartige, daß die Fische rasch ihren Konsum⸗ plätzen zugeführt werden. Neuerdings sind noch besondere Transport⸗ wagen nach den Angaben der Fischereigesellschaft gebaut worden, die in allernächster Zeit in den Dienst gestellt werden sollen. Sehr lehrreich, auch für die Eisenbahn⸗ verwaltung, wird in dieser Beziehung die Berliner Ausstellung werden, an der sich die Fischereigesellschaft in großartigem Maßstabe betheiligen wird, und in der namentlich die Transportfrage eine besondere Be⸗ rücksichtigung finden wird.
Der vierte Artikel betrifft die Verbindung mit Schweden. Es finden Ver⸗ handlungen statt mit der schwedischen Staatsregierung bezüglich der Ein⸗ richtung einer neuen direkten Verbindung zwischen Schweden und Deutsch⸗ land. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, und ich bin nicht in der Lage, hier nähere Mittheilungen darüber machen zu können. Ich möchte nur bemerken, daß die Herstellung dieser Verbindung auf verschiedene Schwierigkeiten stößt, die auch so kurzer Hand nicht zu beseitigen sein werden. Die erste Schwierigkeit liegt darin, daß zwischen dem Landungsplatz im Hafen Saßnitz und der Eisenbahn⸗ station Krampas zur Zeit noch keine Schienenverbindung besteht. Be⸗ kanntlich ist ein großer Niveauunterschied vorhanden, und die Herstellung der Schienenverbindung ist eine ziemlich kostspielige Sache. Ferner ist darauf aufmerksam zu machen, daß die Bahnen auf Rügen lediglich als Nebenbahnen gebaut sind, nicht für den großen internationalen Verkehr. Drittens existiert zwischen Rügen und dem Festland keine Brücke, sondern der Verkehr muß durch eine Dampffähre unterhalten werden. Das sind Einrichtungen, die an und für sich nicht sehr geeignet sind für einen großen internationalen Verkehr und erst einer Anpassung an denselben bedürfen. Auf der anderen Seite wird seitens der Staatsbahnverwaltung durchaus nicht verkannt, daß die direkte Ver⸗ bindung mit Schweden von Jahr zu Jahr immer größere Bedeutung erlangt, daß die Beziehungen im Personen⸗ und Güterverkehr zwischen Deutschland und Schweden in erheblichem Aufschwung begriffen sind. Endlich hat der Abg. von Riepenhausen angeregt, daß das Haus doch die Nebenbahnenvorlage im nächsten Jahre in möglichst großem Umfang erhalten möge, und darauf aufmerksam gemacht, daß dabei besondere Rücksicht genommen werden möge auf diejenigen Landestheile, die als wirthschaftlich schwach anzusehen sind, und daß man bestrebt sein möge, die Erbauung von Kleinbahnen dadurch zu fördern, daß man Nebenbahnen durch die betreffenden Landestheile gewissermaßen als Rückgrat für die anzuschließenden Kleinbahnen erbaut. Ich hoffe, daß der Abg. von Riepenhausen mit der demnächst zu erwartenden Vorlage einigermaßen, wenn auch nicht vollständig, befriedigt sein wird. (Heiterkeit.)
Abg. Ehlers (fr. Vgg.) bedauert, daß die Zusage des Ministers, daß in Zukunft einmal ein Schnellzug zwischen Stettin und Danzig eingerichtet werde, nicht bestimmt genug war. Man solle gerade beim Ausbau dieser Verbindung nicht warten, bis die Rentabilität nach⸗ gewiesen sei. Zwischen den Direktionen Bromberg, Königsberg und Danzig bestehe engere Fühlung, weil sie einen gemeinsamen Eisenbahn⸗ Bezirksrath haben; die Fühlung zwischen Stettin und Danzig scheine aber noch zu fehlen; der Minister solle dafür sorgen, daß sie hergestellt und der Schnellzug zum 1. April 1897 eingerichtet werde.
Die Ausgaben werden bewilligt; der Antrag Richter wird der Budgetkommission überwiesen.
Bei den Ausgaben für die Löhne klagt
Abg. Stötzel (Zentr.) über die niedrigen Löhne, welche in den Eisenbahn⸗Betriebswerkstätten gezahlt würden, ferner darüber, daß die Accordarbeiten nach Willkür vertheilt würden; daß die Arbeiter und die Unterbeamten, die Weichensteller und Bahnwärter von den Weih⸗ nachtsgratifikationen ausgeschlossen, und daß alte Arbeiter entlassen worden seien.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Nur die Erwägung, daß aus meinem Schweigen falsche Schlüsse gezogen werden könnten, veranlaßt mich, dem Abg. Stötzel zu antworten.
Meine Herren, im übrigen sind die Zahlen, die der Herr Abg. Stötzel vorgebracht, und die Thatsachen, die er hier mitgetheilt hat, für mich absolut unkontrolierbar. Wenn Herr Abg. Stötzel vorher zu mir gekommen wäre und hätte mich davon benachrichtigt, daß er diese Dinge hier im Hause vorbringen würde, so würde ich in die Lage gekommen sein, ihm eine eingehende Antwort zu geben und ihm, wie ich annehme, auch eine Widerlegung zu theil werden zu lassen. (Sehr richtig! rechts.) 1
Meine Herren, die Schlußfolgerungen, welche der Herr Abg. Stötzel an den letzten von ihm angeführten Fall anknüpfte, hat er eigentlich selbst schon dadurch hinfällig gemacht, daß er an die Spitze Erörterung die Worte setzte: Die Kündigung ist in⸗ zwischen zurückgenommen. Das ist sie auch thatsächlich; sowie das bekannt geworden ist, daß die Arbeiter anderwärts kein
ist die Kündigung zurückgenommen
worden. Die Kündigung war im übrigen veranlaßt worden durch Aenderungen in den Diensteinrichtungen, infolge deren einzelne Lokomotivputzer in Karthaus entbehrlich wurden. Von dieser Maßregel, die im übrigen ökonomisch richtig war, ist einstweilen Abstand genommen. Ich habe gesagt: die Zahlen des Herrn Abg. Stötzel sind unkontrolierbar. Wenn gesagt wird: ein Schlosser hat in der Wochenperiode nur so und so viel Lohn erhalten, und dabei die näheren Umstände nicht angegeben werden, dann ist das eine Zahl, die gar keinen Werth hat. (Sehr richtig! rechts.) Unsere Handwerker werden nahezu alle in Accord beschäftigt. Nun weiß jeder, der mit dem Fabrikbetriebe einigermaßen vertraut ist, daß der Aeccord für den Arbeiter zuweilen ungünstig ausfällt, andere dagegen um so viel günstiger. Also die einzelnen Zahlen beweisen in dieser Beziehung gar nichts. (Sehr richtig! rechts.) Die Direktionen sind von mir wiederholentlich und bis in die neueste Zeit angewiesen worden, sich hinsichtlich der Normierung der Löhne, und zwar sowohl der Tage⸗ wie der Aeccordlöhne fortwährend in Verbindung mit den Privatbetrieben der verwandten Industriezweige zu halten. Wir wollen nicht weniger geben, können aber auch nicht mehr zahlen, wollen vielmehr das geben, was die betreffenden Arbeiter in der Privatindustrie auch erhalten. Meine Herren, im allgemeinen ist die Staatseisenbahnverwaltung als Arbeitgeber, glaube ich, einer der allerbeliebtesten. Das erhellt schon daraus, daß wir eine große Anzahl von alten Arbeitern haben, daß generationsweise die Arbeiter im Dienst der Staatseisenbahnverwaltung bleiben. Wenn die Auffassung des Herrn Abg. Stötzel richtig wäre und die Behandlung der Arbeiter seitens der Staatsbahnverwaltung so wäre, wie er sie schildert, dann würde diese Erscheinung nicht zu Tage treten. Der Staat nimmt sich seiner Arbeiter nach jeder Richtung an und ist nicht gewillt, hinter der Privatindustrie zurückzubleiben. (Bravo! rechts.)
Abg. Fuchs (Zentr.) tritt seinem Fraktionsgenossen Stötzel darin bei, daß in den Eisenbahnwerkstätten ebenso wie in den Privat⸗ betrieben Lohndrückereien an der Tagesordnung seien. Die Direktiven, welche von oben herab gegeben sind, würden von den unteren Instanzen dahin ausgelegt, daß um jeden Preis Ersparnisse gemacht werden sollen. Der Minister sollte seine Absicht deutlich bekunden, daß er eine solche Lohndrückerei nicht billige.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Der Herr Abg. Fuchs hat noch weniger Beweise gebracht, als der Abg. Stötzel (sehr richtig! rechts), sondern er hat nur den allge⸗ meinen Eindruck wiedergegeben, den er empfangen haben will. Ich kann dem Herrn Abg. Fuchs aber mittheilen, daß eine Lohndrückerei weder von mir, noch von seiten der Direktionen ausgegangen ist, vielmehr sind die Löhne allmählich von Jahr zu Jahr gestiegen. (Sehr richtig! rechts.) Ich werde gleich in der Lage sein, ihm das zahlenmäßig nachzuweisen; ich habe eben nach dem betreffenden Ma⸗ terial geschickt. (Bravol rechts.)
Abg. Stötzel (Zentr.) bleibt bei seiner Behauptung und bittet den Minister, über die Dauer der Arbeiten in den Eisenbahnwerk⸗ stätten Erhebungen anstellen zu lassen. Wenn das durch sämmtliche
rheinische Blätter gegangene Material unrichtig wäre, dann hätte sich die Eisenbahnverwaltung die Redakteure schon gelangt.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Hier ist der von mir versprochene Beweis. Es sind in den Jahren 1887 bis 1894 thatsächlich folgende Löhne gezahlt worden — und zwar sind diese Zahlen den Beiträgen zu den Krankenkassen zu Grunde gelegt worden, es sind auf den Pfennig berechnete Löhne —: im Jahre 1887 haben die Werkstättenarbeiter im Durchschnitt einen Lohn verdient von 826,6, 1888: 848,5, 1889: 869 ℳ4, 1890: 905,4 (hört! hört! rechts), 1891:942,3, 1892: 950/6 (hört! hört! rechts), 1893: 1032,1, 1894: 1036. (Hört! hört! Bravo! rechts.)
Abg. Fuchs (Zentr.): Die Zahlen können wir nicht kontrolieren. Der Minister sollte uns einmal eine Lohnstatistik geben.
Minister der öffentlichen Arbeiten bebee1ö1“
Meine Herren! Das Material, was ich Ihnen eben esen habe, stammt aus der Bibliothek dieses hohen Hauses, ist also jeder⸗ mann zugänglich. Ferner kann ich dem Herrn Abg. Fuchs mittheilen, daß es auch käuflich zu haben ist. Wenn er ein Interesse daran hat, sich über diese Verhältnisse zu unterrichten, so empfehle ich ihm, das Archiv für Eisenbahnwesen zu halten. Darin steht dies und noch manches andere interessante Material. (Bravo! rechts.)
Der Titel wird bewilligt.
Darauf wird um 4 Uhr die weitere Berathung auf Mittwoch 11 Uhr vertagt.
Handel und Gewerbe.
Der Aufsichtsrath der Deutschen fabrik rerh beschlossen, der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 4 ½ % auf die konvertierten Aktien für das ver⸗ flossene Geschäftsjahr vorzuschlagen.
Posen, 25. Februar. (W. T. B.) Saatenmarkt. Der Markt war weniger stark, als in früheren Jahren besucht. 82,. sächlich waren nur geringe Qualitäten vorhanden und das Geschäf sehr gedrückt. Preise flau, nur beste Qualitäten wurden gut bejahlt Rothklee 20 — 36, ausgesuchte bis 43. Weißklee 30 — 55, ausgesuchte bis 58. Wundklee 15 — 33 bezahlt, Gelbklee 12 — 16, Schwedischer Klee 30— 48. Tymothee 18— 30. Raygras inländ. 8— 13, englisch. 12 — 16, Inkarnattlee 14 —16. Lupinen sehr gesucht; blaue wurden mit 100 ℳ, gelbe mit 120 ℳ bezahlt. Seradella, neue Wicken 12 — 18. Senf geschäftelos. Spörgel, klein 6— 7, groß 6 bie 10 bezahlt. Der Schluß blieb 8 1 1“ I
Bückeburg, 25. Februar. .T. B.) ei einer stattgehabten vision in der hiesigen Geschäftsstelle der Füedenr sächsischen Bank wurden Unregelmäßigkeiten durch den. Aufst 8 rath entdeckt, welche die Verhaftung des Bankdirektors Lindner zu
atten. Foloe habte 25. Februar. (W. T. B.) Heute fand die Konstituierung des Oesterreichischen Kreditinstituts für Verkehrsunter. nehmungen und öffentliche Arbeiten statt. Der e Gesellschaft ist in Wien, das Gesellschaftskapital beträgt 5 Million
Gulden. . 8 heutigen General⸗ Rom, 25. Februar. (W. T. B.) In der heu nhüre die Ver⸗
versammlung des Credito fondiario italiano theilung 8 Dividende von 22 Fr. auf die Aktie beschlossen. th des Bern, 25. Februar. (W. T. B.) Der Verwaltungöra 88 Zürcher Bankvereins beschloß, von dem 686 320 Fr. detragen 758 Gewinnsaldo 500 000 Fr. zur Vertheilung einer Dividende von gütus zu verwenden und 9. Res 8 “ 28 8 1 neue In Basler und Zürcher Ban verein zu übertragen. 1 1G 25. Februar. (W. T. B.) Die National⸗ Bank hat von morgen ab den Wechseldiskont auf 3, den Lom
zins auf 3 ½ % festgesetzt.
5
Portland⸗Zement⸗
“ Staats⸗Archiven. 63. Band: A. Köcher, Hannover und Braunschweig“. Zweiter Theil: 1668 bi
Berlin, Mittwoch, den 26. Februar
Statistik und Volkswirthschaft.
Die vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung vom 2. Dezember v. J. in Flfaß⸗Loatheener
Die Zählung am 2. Dezember v. J. ergab nach der „Straßb. Korr.“ eine ortsanwesende Bevölkerung von 1 641 220 Personen gegen 1 603 506 am 1. Dezember 1890. Es hat mithin eine Zunahme statt⸗ gefunden, welche 37 714 Personen = 2,35 % beträgt. Die Zunahme vertheilt sich auf 27 529 männliche und 10 185 weibliche Personen. Von der EEöö entfallen auf den Bezirk Unter⸗Elsaß 638 402 Personen = 38,90 %, auf Ober-Elsaß 477 636 Personen = 29,10 % und auf Lothringen 525 182 Personen = 32,00 %.
Die Zunahme der Bevölkerung vertheilt sich auf alle drei Bezirke und beträgt für Unter⸗Elsaß 16 897 Personen = 2,72 %, für Ober⸗ Elsaß 6027 Personen = 1,28 %, für Lothringen 14 790 Personen = 2,90 %. Hiernach haben der Bezirk Unter⸗Elsaß absolut, der Bezirk Lothringen aber relativ die größte Bevölkerungszunahme unter den drei Bezirken erfahren. Von den Kreisen haben 13 an Bevölkerung zugenommen; voran steht Straßburg⸗Stadt mit 11 813 Personen = 9,57 %, dann folgen: Forbach mit 5176 Personen = 7,53 %, Dieden⸗ hofen mit 5283 = 6,25 %, Mülhausen mit 7792 = 5,12 %, Metz⸗Land mit 3586 = 4,67 %, Hagenau mit 2938 = 3,99 %, Saargemünd mit 1889 = 2,84 %, Colmar mit 2045 = 2,39 %, Landkreis Straß⸗ burg mit 1920 = 2,34 %, Zabern mit 1724 = 2 %, Erstein mit 787 = 1,28 %, Weißenburg mit 630 = 1,13 % und Saarburg mit 687 = 1,09 %. Die übrigen 9 Kreise weisen eine Bevölkerungs⸗ abnahme auf und zwar: Chateau⸗Salins 30 Personen = 0,06 %, Thann 140 = 0,24 %, Metz⸗Stadt 458 = 0,76 %, Altkirch 919 = 1,87 %, Molsheim 1319 = 1,94 %, Rappoltsweiler 1248 = 2,02 %, Schlettstadt 1596 = 2,26 %, Gebweiler 1473 = 2,37 % und Bolchen 1343 = 3,23 %.
In stetem Steigen ist seit 1871 die Bevölkerung der Kreise Straßburg⸗Stadt, Straßburg⸗Land, Mülhausen und, abgesehen von kleinen Schwankungen, die der Kreise Hagenau, Colmar, Metz⸗Stadt, Metz⸗Land, Diedenhofen, Forbach, Saarburg und Saargemünd. Da⸗ gegen weisen eine stete Bevölkerungsabnahme auf die Kreise Molsbeim, Schlettstadt, Altkirch, Thann und Bolchen, welchen noch die Kreise Weißenburg, Gebweiler, Rappoltsweiler und Chateau⸗Salins hinzu⸗ zurechnen sind. Die Bevölkerung der Kreise Erstein und Zabern hält sich so ziemlich auf dem status quo.
Seit der Zählung am 1. Dezember 1871 hat der Bezirk Unter⸗ Elsaß eine Bevölkerungezunahme von 37 996 Personen = 6,33 %, der Bezirk Ober⸗Elsaß um 18763 Personen = 4,09 % und Lothringen um 34 723 Personen = 7,08 % erfahren. Die Zunahme für das Land beträgt seit 1871 91 482 Personen = 5,90 %. Von den 88 Landkantonen haben seit 1890 39 eine Zunahme und 49 eine Abnahme der Bevölkerung aufzuweisen. Die größte Zunahme hat der Kanton Großtänchen mit 23,97 %, dann folgen: Metz⸗Land mit 17,28, Fentsch mit 14,65, Diedenhofen mit 11,05, Hagenau mit 9,52, Mülhausen⸗Nord mit 9,06, Colmar mit 8,40, Schiltigheim mit 6,53, Saarburg mit 6,15, St. Avold mit 5,91, Mülhausen⸗Süd mit 5,83, Saargemünd mit 4,78, Lützelstein mit 4,61, Dieuze mit 3,72, Zabern mit 3,68, Erstein mit 3,49 und Benfeld mit 3,48 %; die Kantone Bischweiler, Habsheim, Hüningen, Rixingen, Rohrbach, Weißenburg und Wörth haben eine Zunahme von 2 bis 3 %, die Kantone Bitsch, Buchsweiler, Drulingen, Forbach, Geispolsheim, Lörchingen, Saaralben, Saarunion und Sulz u. W. eine solche von 1 bis 2 % und die Kantone Brumath, Hochfelden, Masmünster, Metzerwiese, Münster und Sennheim unter 1 % Zunahme. Von den 49 Kantonen mit einer Bevölkerungsabnahme beträgt die Abnahme bei 15 Kantonen unter 1 %, bei 9 Kantonen 1 bis 2 %, bei weiteren 9 Kantonen 2 bis 3 %, bei 8 Kantonen 3 bis 4 %; darüber hinaus Vigy 4 %, Bolchen 4,16, Markirch 4,31, Rufach 4,36, Saales 4,40, Falkenberg 4,60, Ensisheim 4,80 und endlich Kanton Gorze 8,20 %.
Gemeinden mit 5000 Einwohnern und darüber waren am 2. De⸗ zember 1895 30 vorhanden (3 mehr wie 1890). Die Einwohnerzahl dieser 30 Orte betrug 1890: 482 065 Personen, 1895 aber 519 730. Die Zunahme an Bevölkerung beträgt mithin 37 665 Personen, bei⸗ nahe ebensoviel wie für das ganze Land (37 714). Seit dem 1. De⸗ zember 1871 hat sich die Bevpölkerung dieser 30 Gemeinden insgesammt um 153 422 Personen = 41,88 %, vermehrt. Von der gesammten Zunahme entfallen auf die Zeitabschnitte 1871/1875: 12 388, 1875/1880: 32 298, 1880/1885: 23 392, 1885/1890: 47 679 und 1890/1895: 37 665 Personen.
Unter den Gemeinden mit 5000 und mehr Bewohnern befinden sich 7, deren Bevölkerungsziffer 1871 höher war als 1895. Die Ab⸗ nahme gegen 1871 beträgt in Prozenten: bei Bischweiler 20,67, Thann 6,52, Markirch 5,86, Brumath 4,31, Rappoltsweiler 4,24, Barr 1,40 und bei Schlettstadt 0,03.
8 Für die übrigen Orte beträgt die Bevölkerungszunahme seit 1871 in Prozenten: Weißenburg“ 6,20, Gebweiler 9,53, Metz? 16,36, Illkirch⸗Grafenstaden“ 16,70, Münster 25,58, Diedenhofen“ 27,53, 41,03, Colmar* 42,16, Erstein 42,75, Forbach““ 45,52,
agenau“ 49,72, Dornach 51,12, Mülhausen“ 57,00, Straßburg“ 57,98, Hayingen 70,60, Bischheim 74,25, Schiltigheim 77,27, Saar⸗ 5— 102,81, Groß⸗Moyeuvre 104,70, Dieuze** 128,21, Montigny’*
37,79, Saarburg“ 205,07, Mörchingen** 551,19.
Die vorstehend mit einem * bezeichneten Gemeinden hatten so⸗ wohl 1871 als 1895 Militärbevölkerung; die mit ‧ bezeichneten Gemeinden sind jetzt Garnisonorte, hatten aber 1871 keine Militär⸗ bevölkerung.
Die Zunahme bei Forbach stellt sich in Wirklichkeit höher, weil die Ziffer der Bevölkerung des im Jahre 1893 abgezweigten Theils des Bannes von Forbach, welcher Klein⸗Rosseln zugetheilt wurde, für 1871 nicht abgesetzt werden konnte. 8
Zur Arbeiterbewegun
In Halle a. S. ist der Berliner „Volks⸗Ztg.“ zufolge der Ausstand der Konfektionsarbeiter durch Gewährung einer 15 % Lohnerhöhung beendet worden.
Aus Kottbus berichten die Blätter, daß sich der Ausstand der Arbeiter und Arbeiterinnen der Textilindustrie zu einem all⸗ gemeinen erweitert habe. Auch in einer Hutfabrik in Kottbus ist ein Ausstand ausgebrochen.
In Hamburg wurde in einer Versammlung der Konfektions⸗ chneider und Schneiderinnen von Hamburg, Altona und
mgegend berichtet, daß die Lohnbewegung zu Gunsten der Aus⸗ ständigen langsame Fortschritte mache; man beschloß, einer Mit⸗ theilung des „Hamb. Corr.“ züsolge die Arbeitseinstellung weiterzuführen. Gegenwärtig sind no 132 Kegieenagehnt der dar⸗ unter 42 Verheirathete mit 53 Kindern und 90 Unverheirathete, an der Arbeitseinstellung betheiligt. Unter den Ausständigen befinden sich
8 Frauen und Mädchen.
In Mainz hat der „Frkf. Ztg.“ zufolge nun auch eine Lohn⸗ bewegung der Schneider begonnen.
us Verviers wird der „Köln. Ztg.“ gemeldet, daß in drei dortigen Spinnereien ein Ausstand ausgebrochen sei.
Literatur. fk. Publikationen aus den nat preußischen „Geschichte 142
Berlin, J. J. Heine’s Verlag. — Die Literatur des Seerechts i
Leipzig, S. Hirzel, 1895. Pr. 20 ℳ — Die innere Geschichte der
welfischen Herzogrhümer, die Köcher hier entrollt, zeigt im allge⸗
meinen dieselben Züge wie die Geschichte der meisten deutschen Terri⸗ torien nach dem dreißigjährigen Kriege: Begründung der absoluten Monarchie und Niederdrückung der Landstände. Vor dem Kriege waren die Landesherren in wesentlichen Punkten von ihren Landtagen abhängig; ohne deren Zustimmung durften sie weder neue Steuern ausschreiben noch Truppen halten; auch die auswärtige Politik stand nicht selten unter ständischer Kontrole. In dem großen Kriege wurde nun offenbar, daß die Territorien, die noch eine politische Rolle spielen und sich einiger Sicherheit erfreuen wollten, ein stehendes Soldheer errichten mußten, da die alten Vasallen⸗ und Milizaufgebote den geworbenen Berufsheeren des Kaisers, der Fran⸗ zosen und Schweden nicht entfernt gewachsen waren. Sobald aber einmal das stehende Heer, der miles perpetuus, und die zu seiner Unterhaltung erforderlichen Auflagen bewilligt waren, hatte die stän⸗ dische Mitregierung ein Ende; der Landesherr erhob die ursprünglich nur auf bestimmte Zeit bewilligten Steuern weiter und erdrückte mit Hilfe des Heeres jeden thatsächlichen Widerstand. Dazu kam, daß der verheerende Krieg vielfach den materiellen Wohlstand der Stände und damit auch ihre politische Bedeutung gebrochen hatte; endlich fand der Fürst einen Bundesgenossen in den unteren Volksklassen, die in den Ständen nicht mehr die Ver⸗ treter des Gemeinwohls, sondern einseitiger Privilegien sahen. Nicht überall ging die Begründung der Fürstlichen Souveränetät ohne harte Kämpfe ab, in Hannover und Braunschweig aber beugten sich die Stände vor dem Befehl der Landesherren, ohne bewaffneten Wider⸗ stand zu wagen. Der Form nach blieben allerdings die ständischen Rechte bestehen, ausgeübt wurden sie jedoch nicht; insbesondere war die so wichtige Finanz⸗ und Militärverwaltung ganz auf Fürstliche Beamte übergegangen. Bezeichnend für den Sieg der Fürstenmacht war es, daß in einem welfischen Theilfürstenthum, in Hannover, ein zum Katholizismus übergetretener Herzog dennoch alle Rechte des summus episcopus behielt, also die oberste Behörde der evangelischen Kirche blieb. Indessen zeigte sich hier wieder, daß damals die religiösen Empfindun⸗ gen in Dentschland weit stärker waren als die politischen: dem Absolutismus fügten sich die Stände willig, aber allen Versuchen des Herzogs, den Katholizismus zu begünstigen, setzten sie einen nachhaltigen und erfolg⸗ reichen Widerstand entgegen. — Was nun die auswärtige Politik der Welfen betrifft, so schwankt diese zwischen dem Anschluß an Frankreich und dem an die antifranzösische Partei hin und her. Frankreich verfolgte damals eine entschiedene Eroberungspolitik, insbesondere war es sein Bestreben, gegen die Republik Holland, die seinen Angriff auf die spanischen Niederlande durchkreuzt hatte, eine große Koalition zu stande zu bringen. Schweden und England hatte Ludwig XIV. schon gewonnen, auch der Kaiser neigte ihm zu; von den S Reichsfürsten standen einige, wie Münster und Köln, durchaus auf seiner Seite. Die Sympathien des Welfenhauses waren getheilt: der katho⸗ Usche Herzog von Hannover war für Frankreich, die übrigen, voran der Senior des Hauses Georg Wilhelm von Celle, mehr für Holland. Zu einer offenen Parteinahme kennten sie sich jedoch nicht sogleich verstehen; Jahre lang zogen sich die Ver⸗ handlungen mit beiden Parteien ohne Resultat hin. Hauptsächlich wurde über die Geldfrage verhandelt, da es diesen Kleinfürsten ohne auswärtige Subsidien unmöglich war, ein nar einigermaßen be⸗ deutendes Heer längere Zeit im Felde zu erhalten. Den Ausschlag gab endlich, daß der Kaiser und Spanien auf die Seite Hollands traten und letzteres große finanzielle Zugeständnisse an die deutschen Fürsten machte. Nun traten auch die welfischen Herzöge — mit Aus⸗ nahme des Herzogs von Hannover — dem Bunde gegen Frankreich bei (1674) Ihre Theilnahme am Kriege wird ein weiterer Band schildern. — Es ist ein außerordentlich reich⸗ haltiges Material, das Köcher hier publiziert und verarbeitet hat, und für die Geschichte der Territorien und der europäischen Politik ist es von hohem Werth; leider aber ist es dem Verfasser nicht überall ge⸗ lungen, die Motive der handelnden Personen im Zusammenhang dar⸗ zulegen; eine klare Anschauung von den Zielen der welfischen Politik gewährt die Lektüre nicht durchweg. Indessen ist anzuerkennen, daß es zu den schwersten Aufgaben der büftveitchen Forschung gehört, den Zickzackwegen diplomatischer Verhandlungen zu folgen und aus den wortreichen und oft absichtlich dunkel gehaltenen Denkschriften und Briefen die wahren Gedanken der Politiker herauszulesen und zu einer abgerundeten Darstellung zu verarbeiten.
— Das deutsche Seerecht. Kommentar zum fünften Buch des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs und den seerechtlichen Nebengesetzen, zugleich als Ergänzung des Kommentart zum Allgemeinen deutschen rn eigresehbach von Dr. Hermann Staub, bearbeitet von Dr. Georg Schaps, Amtsrichter in Hamburg. Erste nicht reich an bedeutenden Werken. Die letzte hervorragende kommentatorische Bearbeitung erschien vor elf Jahren aus der Feder des verstorbenen Professors Lewis. Seitdem ist indessen die Ent⸗ wickelung des Seerechts in Deutschland theils durch die Theorie, theils durch die Judikatur des Reichsgerichts und anderer hervorragender Gerichte, insbesondere des hanseatischen Ober⸗Landesgerichts, nam⸗ haft gefördert worden. Ein Werk, welches die theoretischen und praktischen Errungenschaften des letzten Dezenniums in systematischer Verarbeitung weiteren Kreisen zugänglich macht, darf daher einer stmpathh en Aufnahme sicher sein. Diese Aufgabe zu lösen, hat der Amtsrichter Dr. Schaps in Hamburg unternommen, und zwar nach dem Vorbild des Staub'schen Kommentars zum Han⸗ delsgesetzbuch, der bekanntlich nur die ersten vier Bücher umfaßt. Neben sorgfältiger Verwerthung der Judikatur und Literatur des letzten Jahrzehnts soll auch das partikuläre Seerecht in ausgedehntem M ag berücksichtigt werden. Die vorliegende erste Lieferung umfaßt die Artikel 432 bis 452 mit dem Gesetz über die Nationalität der Kauffahrteischiffe und zeigt bereits, daß die Staub'sche Methode, welche Vollständigkeit, kritische Sichtung des Materials, systematischen Aufbau dr einzelnen Artikels und Uebersichtlichkeit vereint, mit roßem Geschick adoptiert worden ist. Es mag u. a. nur auf die Rugführungen über das Wesen der nicht eFersenbechn Haftung des Rheders (Art. 452, §§ 1, 1a, 1b und 1c, . 74 f.) hingewiesen sein.
— Die Rechtsverhältnisse TETET Nach amtlichen Quellen bearbeitet von Dr. P. Daude, Geheimem Regie⸗ rungs⸗Rath. Berlin, Verlag von Julius Becker. — Die vorliegende Schrift ist in Ausführung eines Auftrags des Ministers der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten entstanden, welcher dahin ging, eine Zusammenstellung derjenigen Bestimmungen auszuarbeiten, die an den Universitäten Deutschlands und Oesterreichs sowie an den deutschsprachlichen Universitäten der Schweiz über die Uüit g.
Stellung der Privatdozenten erlassen sind. Demgemäß enthält sie ausschließlich Materialien, dem Verfasser zu änglich gemachte amtliche Quellen und Mittheilungen der einzelnen niversitäten, die er nach eigenem Ermessen systematisch verarbeitet hat. Bei dem großen Interesse, welches der Frage der rechtlichen Stellung der Privat⸗ dozenten augenblicklich in weiten Kreisen entgegengebracht wird, kann das Erscheinen dieser Schrift nur dankbar begrüßt werden.
— Landwirthschaft und Bürgerliches Gesetzbuch. 8 erstattet vor der Generalversammlung des Zentralvereins westpreußischer Landwirthe von Peiser, Amtsgerichts⸗ Rath in Danzig. Verlag von iemenroth und Troschel, Berlin. 55 60 ₰. — Nur ein Theil derjenigen Gebiete, auf welchen die
nteressen der Landwirthschaft liegen, hat i
dem Entwurf Augenzeugen abgefaßte Schilderung des Kampfes des preußischen
1896
eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich eine Stätte ge funden; zum größeren Theil bleiben sie der landesgesetzlichen Regelun überlassen. Die Gründe, welche hierfür maßgebend waren, sind bekannt Gewisse Rechtsgebiete haben so viele Berührungspunkte mit de öffentlichen Recht, daß ihre Aufnahme in ein Bürgerliches Gesetzbu bedenklich erschien; andere Rechtstheile und Rechtsinstitute haben na der Meinung der Redaktoren eine nur vorübergehende, andere nu lokale Bedeutung, auf manchen Gebieten erschien infolge der Rechts zersplitterung eine Kodifikation geradezu unausführbar. Die vor⸗ liegende kleine, lesenswerthe Schrift enthält nun in ihrem ersten Theil einen Hinweis auf alle diese in dem Entwurf nicht geregelten, aber für die Landwirthschaft wichtigen Rechtsgebiete, und der Verfasser giebt hier überall zugleich das Ziel an, welchem bei der künftigen Fort⸗ bildung des Landwirthschaftsrechts die Landesgesetzgebung zusteuern —28 Im zweiten Theile seiner Schrift betrachtet er sodann einzelne be⸗ sonders charakteristische und wichtige Gebiete, welchen eine reichsgesetz⸗ liche Regelung durch das Bürgerliche Gesetzbuch vergönnt sein wird: insbesondere die Frage der Formlosigkeit der Rechtsgeschäfte, den Dienstvertrag, die Pacht, die Gewährleistung bei Viehmängeln, das Verhältniß des Grundbesitzes zu den Nachbarn, die Frage der Im⸗ missionen, das Nothwe erecht, die Lehre von den Grunddienstbarkeiten, die Organisation des Realkredits, die Frage der Verschuldungsgrenze und der Vollstreckungsgrenze einschließlich des Heimstättenrechts, endlich die Stellung des Entwurfs zur Frage des Anerbenrechts.
In demselben Verlage ist auch ein im vorigen Jahre von dem Rechtsanwalt Dr. Paul Alexander⸗Katz in der Polytechnischen Gesellschaft zu Berlin gehaltener Vortrag, in welchem ein reichs⸗ gesetzlicher Schutz für das Urheberrecht an allen Werken der Ingenieur⸗ und Baukunst befürwortet wurde, unter dem Titel „Die geistige Arbeit der deutschen Architekten und Ingenieure und ihr Rechtsschutz“ im Druck erschienen.
— Grundbegriffe und Grundsätze der Volkswirth⸗ schaft. Eine populäre Volkswirthschaftslehre von Karl Jentsch. 446 S. Leipzig, Verlag von Fr. Wilh. Grunow. Preis 2,50 ℳ — Das Bedürfniß volksthümlicher Darstellungen der National⸗ ökonomie wie des öffentlichen Rechts scheint in den großen Kultur⸗ staaten fast gleichzeitig lebendig geworden zu sein. Die Franzosen haben mit ihren — freilich nur auf den Schulunterricht zugeschnittenen Katechismen — den Anfang gemacht, England ist mit dem vortreff⸗ lichen Buche: The Life and Duties of a Citizen by Henry Elliot Malden (Methuen & Co., London) auf dem Plan erschienen, und Deutschland sogleich mit einer ganzen Reihe von „Bürger⸗ und Staatskunden“ gefolgt. Die meisten derselben können indeß, da sie auf wenig mehr als hundert Seiten die ganze Nationalökonomie zu⸗ sammendrängen, nur Worterklärungen geben, nicht aber den Lesern zum Verständniß der Gegenstände und der streitigen Fragen verhelfen. Dem Zweck, die Volksschüler in das Verständniß der volkswirthschaft⸗ lichen Dinge und Vorgänge einzuführen, dient mit gutem Erfolg das treffliche „Volkswirthschaftliche Lesebuch“ von dem Regierungs⸗Rath Maraun, während in Fortbildun sschulen die alle Zweige des staat⸗ lichen Lebens umfassende „Deutsche Bürgerkunde“ von Hoffmann und Groth zur Zeit wohl die gebräuchlichste ist. Der bereits durch größere Werke bekannt gewordene Verfasser des vorliegenden Buchs hat sich ein höheres Ziel gesteckt: er will einmal, wozu die genannten Bücher nicht genügen, dem Voltsschullehrer ein tieferes Verständniß und umfassendere Kenntnisse vermitteln, sodann aber auch jedermann aus dem Volk, der eine Uebersicht über das ganze Gebiet der Volks⸗ wirthschaft und feste Anhaltspunkte für die Beurtheilung der brennenden wirthschaftlichen Fragen gewinnen möchte, ja selbst noch für den Unter⸗ richt in den oberen Klassen der höheren Schulen ein nützliches Hilfs⸗ mittel bieten, und in der That, soweit wir uns haben orientieren können, eignet sich das Buch für diese Zwecke vortrefflich. Bei der An⸗ ordnung des Stoffs hat sich der Verfasser an Adolf Wagner'’s Grundlegung der politischen Oekonomie angelehnt, mit dem er auch, ungeachtet mancher Meinungsverschiedenheiten im einzelnen, in der Auffassung des Wesens und der Aufgaben der Volkswirthschaft übereinstimmt. Die Sprache ist leicht und flüssig, die Darstellung im Tone des Essays gehalten, aber das auptaugenmerk immer auf den Stoff selbst gerichtet.
— „Ein Leib⸗Husar im Kriege 1870/71“, Erinnerungen aus großer Zeit von Dr. H. von Nathusius⸗Heinstedt. Verlag von Otto Salle in Braunschweig (Preis 2 ℳ). — Der Verfasser, welcher zur Zeit Zweiter Bibliothekar der Stadt⸗Bibliothek zu furt a. M. ist, hat den Feldzug im 2. Leib⸗Husaren⸗Regiment Nr. 2 mitgemacht und plaudert fesselnd über seine Perlalichen Erlebnisse im Feindeslande. Das Buch, welches zum 154. ubeltage der Leib⸗ Husaren erschien, ist dem erhabenen Chef des Regiments, Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, gewidmet.
— In der öfter erwähnten, von Karl Krabbe in Stuttgart veranstalteten illustrierten Ausgabe der Hackländer'schen Romane beginnt jetzt auch der „Künstlerroman“ zu er⸗ scheinen. Der talentvolle A. Langhammer hat die Illustration dieses Werkes besorgt und den feinen Humor der Schilderung sowie die treffende Charakteristik der einzelnen Figuren vorzüglich zur Erschei⸗ nung gebracht. Mit diesem anziehenden bildlichen Schnuck wird der Roman sich den vorausgegangenen glänzend anreihen. In 30 Liefe⸗ rungen zu je 40 ₰ wird derselbe vollständig werden.
— Deutscher Kolonialkalender. Nach amtlichen Quellen bearbeitet und herausgegeben von G. Meinecke, Redakteur der „Deutschen Kolonialzeitung“. 8. Jahrgang. Berlin 1896, Deutscher veeeeen (G. Meinecke). — Der Deutsche Kolonialkalender ist ein Handbüchlein für alle diejenigen, welche sich mit Kolonialpolitik beschäftigen oder an dem Gange der Kolonialbewegung Interesse nehmen. Er bringt die Personalien der Kolonialbeamten, eine Auf⸗ zählung der einzelnen Kolonial⸗Erwerbsgesellschaften, der Agitations⸗
esellschaften (vornehmlich der Deutschen Kolonialgesellschaft mit ihren btheilungen), der evangelischen und katholischen Missionen, die Post⸗ bestimmungen für die Kolonien und im Anhang ein sehr reichhaltiges statistisches Material. Das Buch ist mit dem Bildniß des Präsi⸗ denten der Deutschen Kolonialgesellschaft, Seiner Hoheit des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg⸗Schwerin, geschmückt.
— Das Leben und Treiben auf einem Leuchtthurm, der auf ein samem Felsen draußen im Meere der anprallenden Brandung trotzt muß in der Winterzeit ein sehr eintöniges sein; wenn auch die Pflicht die treuen Wächter immer von neuem ermuntert, so sind sie doch oft wochenlang von jeder Verbindnng mit dem estlande abgeschlossen und sehen nichts Anderes als ihre eigenen, wetterharten Gesichter. Um nun das Getriebe da draußen auf dem umbrandeten Thurm gerade in der rauhen Jahreszeit aus eigener Anschauung schildern zu können, hat die geistvolle Schriftstellerin und muthige Seefahrerin Helene Pichler e unternommen, kurze Zeit die Gesellschaft der Thurmwächter zu t eilen und was sie dort erfahren, erzählt sie den Lesern im 16. Heft der beliebten Familien⸗Zeitschrift „Für Alle Welt“ (Deutsches Verlags⸗ haus Bong u. Co.; Preis des Vierzehntassheftes 40 ₰) in frischer und humorvoller Weise. Damit diese interessanten Erlebnisse dem Leser noch näher gebracht werden, sind sie von einer großen A 22 trefflich gezeichneter Illustrationen v Ferner bietet üses de 8 die Fortsetzungen der Romane „Glücksspiel am Hofe“ von Carl Ed. Klopfer und „Vergeltung“ von Hektor Malot, eine gemeinverständlich
eschriebene Würdigung der Verdienste Johann Heinrich Pesta ozzi's um die moderne Volksschule, eine nach den Berichten von