AGraf von Klinckowstroem wünscht bei einer weiteren Aus⸗ dehnung dieser Gesetzgebung eine Rücksichtnahme auf die provinziellen Eigenthümlichkeiten und befürwortet die Vorlage, obwohl sie noch nicht genüge. Die Hauptsache sei eigentlich, die Hypotheken⸗ und Grundschulden ganz zu verbieten und die Renten üter, nicht mit der Substanz, sondern nur mit der Rente haften zu lassen. Wenn die Regierung das Gesetz für die ganze Monarchie mache, solle sie sich nicht zu sehr von juristischen Gesi tspunkten leiten lassen, denn das beste Recht seien Sitte und Gewohnheit. Wir müssen wieder einen Bauernstand schaffen. Es sei ein Unterschied, ob ein Gut sich n derselben Familie erhalte, oder ob ein Neuer es bewirthschafte; sich auch die angestammte Königstreue und
Der freie Bauernstand sei der rocher Es handle sich gelte nicht enerationen.
nur im ersten Falle pflanze die Liebe zur Armee fort. de bronze, an dem die Sozialdemokratie zerschelle. nicht um eine agrarische Forderung, denn dieses Gese für die jetzige Generation, sondern diene den späteren
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Nachdem der Herr Graf von Klinckowstroem die Erklärung abgegeben hat, daß er mit dem Entwurf, so wie er aus den Berathungen der Kommission hervorgegangen ist, im all⸗ gemeinen einverstanden sei, wird es nicht nothwendig sein, von dieser Stelle auf die Frage einzugehen, die gleichfalls vom Grafen von Klinckowstroem gestreift ist, ob die Staatsregierung nicht bei ihrer Vorlage noch hätte weiter gehen können, ob es nicht angezeigt gewesen wäre, eine weiter gehende Beschränkung für die Testierfreiheit einzuführen. Die Frage der Aus⸗ dehnung der heute zur Verhandlung stehenden Vorlage auf weitere Gebiete ist mehrfach gestreift worden und aus dem Munde des Herrn Finanz⸗Ministers haben Sie gehört, daß die Auffassung und Absicht der Königlichen Staatsregierung dahin geht, allmählich den Gedanken, der zum ersten Mal in diesem Entwurf eine greifbare Gestalt gewonnen hat, weiter zu verfolgen, und da, wo die Ver⸗ hältnisse danach angethan sind, das Gebiet der Anerbengüter zu erweitern unter Festhaltung derjenigen Auffassungen, die diesem Gesetz zu Grunde gelegt sind.
An mich hat Herr Graf Klinckowstroem die Frage gerichtet, ob nicht das Reichsrecht in dieser Beziehung der Landesgesetzgebung eine unzulässige Beschränkung auferlegen werde. Ich glaube, den Herrn Grafen Klinckowstroem hierüber vollständig beruhigen zu können. Der schon von dem Herrn Grafen Klinckowstroem erwähnte Art. 62 des Einführungsgesetzes bestimmt in seinem zweiten Satze:
8 „Die Landesgesetze können das Recht des Erblassers, über das dem Anerbenrecht unterliegende Grundstück von Todes wegen zu verfügen, nicht beschränken.“
Wird der Kreis der Anerbengüter in Zukunft erweitert, ss bezieht sich auf die zukünftigen Anerbengüter selbstverständlich auch diese Be⸗ stimmung im zweiten Satz des Art. 62. Es wird aber die Landes⸗ gesetzgebung, wenn sie dazu übergehen will, die Singular⸗Intestatsuccession für Anerbengüter im weiteren Umfang einzuführen, in der Reichsgesetz⸗ gebung, falls der § 62, wie er im Entwurf lautet, zur Annahme gelangt, kein Hinderniß finden. Ebenso steht es mit der Frage der Einführung einer Verschuldungsgrenze. Die Frage steht materiell nicht zur Dis⸗ kussion; sie wird einmal Gegenstand der Erörterung für die gesetz⸗ gebenden Faktoren werden, und im Hinblick hierauf bestimmt der Art. 116 des Entwurfs zum Einführungsgesetz des Bürgerlichen Gesetzbuchs:
8 „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche
ie Belastungen über eine bestimmte Werthgrenze hinaus unter⸗
sagen.“
Nach dem Sprachgebrauch des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind aber unter den landesgesetzlichen Vorschriften nicht bloß diejenigen verstanden, die beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Geltung sind, sondern auch diejenigen, welche durch die zukünftige Landesgesetzgebung eingeführt werden. Ich glaube also, daß die Besorgniß des Herrn Grafen von Klinckowstroem nach den beiden von ihm angedeuteten Richtungen hin der thatsächlichen Grundlage entbehrt.
von Helldorf spricht sich gleichfalls für die Vorlage aus, weil ein naturgemäßes Erbrecht für den gesammten Grundbesitz geschaffen
werden müsse, ein Landgütererbrecht. Bei einer Ausdehnung der Vorlage für die ganze Monarchie müßten aber die prinzipiellen Ver⸗
schiedenheiten berücksichtigt werden.
Graf von Mirbach steht auf dem Boden der Kommissions⸗ beschlüsse. Es handle sich darum, den subversiven Tendenzen der Sozialdemokratie gegenüber den konservativen Charakter des Bauern⸗
thums zu stärken. Schulenburg⸗ glaubt, doß die
Graf von der 8* Berücksichtigung der provinziellen Verschieden eit durch die Resolution
nicht verhindert werde. Er sei von Hause aus ein Gegner des Hundert⸗Mihionengesetzes und des Rentengütergesetzes gewesen; diese kleinen Güter hätten ihren kulturellen Zweck verfehlt; sie wider⸗ sprächen auch der hisstorischen Entwicklung unserer bäuerlichen Besitz⸗ verhältnisse. Nachdem aber einmal die egierung in bester Absicht Geld in die Bildung der Rentengüter habe stecken wollen, so bleibe nichts übrig, als ihr die Erhaltung dieses Besitzes zu erleichtern durch dieses Gesetz. Nothwendig sei eine baldige durchgreifende Aenderung unserer Agrargesetzgebung.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ tein:
Meine Herren! Der Herr Graf Mirbach hat aus einer im Jahre 1894 erschienenen Broschüre des Regierungs⸗Raths Paul Wald⸗ hecker einige Sätze vorgelesen. Es ist richtig, daß dieser Herr Wald⸗ hecker Mitglied der General⸗Kommission in Bromberg ist; aber nicht als Mitglied der General⸗Kommission hat er diese Schrift verfaßt, sondern nach dem ihm durch die preußische Verfassung zustehenden Rechte, das jeder Preuße hat, seine Ansicht in Form einer Broschüre niederzulegen. Ich bitte also, nicht anzunehmen, daß diese Aeußerung des Herrn Waldhecker eine Aeußerung der General⸗Kommission in Bromberg ist. (Heiterkeit.)
Meine Herren, interessant ist aber auch Folgendes: Der Herr Waldhecker ist nachher über das vorliegende Anerbengesetz gehört und hat sich dazu zustimmend geäußert. (Heiterkeit.) Ich kann ferner mittheilen, daß ein Mitglied der General⸗Kommission Mitglied der im Jahr 1894 berufenen Agrarkonferenz war und daß der Vertreter der General⸗Kommission in Bromberg zu den Anschauungen, die in der Agrarkonferenz zu Tage ge⸗ treten sind, seine volle Zustimmung ausgesprochen hat. — Das zur Beleuchtung der hier durch den Herrn Grafen Mirbach vor⸗ geführten Sätze aus der Broschüre.
Meine Herren, Herr Graf von der Schulenburg hat einige Dar⸗ legungen über das Rentengutsgesetz und dessen Wirkungen gemacht, die ich zu meinem Bedauern als richtig nicht bezeichnen kann. Leider liegt mir das Material, das ich gestern in der Kommission aus⸗ führlich vorgetragen habe, nicht vor; ich würde sonst, Zahl für Zahl berichtigend, hier mittheilen können, daß der Herr Graf die Darstellung
nicht richtig wiedergegeben hat; namentlich aber hat er einen Punkt hervorgehoben, der, glaube ich, durchaus unzutreffend ist, und der gestern auch in der Kommission besprochen wurde. Aus den fest⸗ stehenden Zahlen — nach meiner Erinnerung war es ein Prozent der ausgewiesenen Rentengüter, nicht die Schlußfolgerung zu ziehen, Das habe ich mir gestattet gestern schon auszuführen.
gutsnehmer sind gerade in den
wo sie ihr Inventar zu beschaffen haben, wos ie vielfach deteriorierten Boden
zur Bewirthschaftung übernehme
in der schwierigsten Lage. Daraus, daß nur ein Prozent in dieser schwierigsten Lage in Vermögensverfall gerathen ist, ist jedenfalls der umgekehrte Schluß zu ziehen, als der, welchen den Herr Graf von der
Schulenburg gezogen hat.
Dann gestatte ich mir eine kurze den Herr Graf von Klinckowstroem Staatsregierung mit möglichster Beschleunigung die weiteren Konse⸗
quenzen aus diesem Gesetz 5
außerordenlich schwierig. Wenn Sie die Verhandlungen, welche in
der Agrarkonferenz gepflogen Ueberzeugung gewinnen, daß
schneidende Gesetzgebung auf dem Gebiet des Agrarrechts möglich ist. Zudem sind umfassende statistische Herr Finanz⸗Minister hat ja schon erwähnt, daß seitens der landwirth⸗ schaftlichen Verwaltung mit voller Energie daran gearbeitet wird, das Unterlage erforderliche statistische Material
für die Gesetzgebung als zu sammeln und zu sichten.
liegt — und ich glaube, ich darf das auch namens meiner beiden hier
anwesenden Herren Kollegen versprechen —, die Angelegenheit weiter verfolgt werden wird. Aber daß es so schnell
gehen wird, wie Herr Graf vo für ausgeschlossen.
Ober⸗Bürgermeister Bender erklärt, daß er gegen dieses Experiment
nichts eingewendet haben würde, Anerbenrecht auch auf andere die Interessenten fragen, ob si daß sie es verwerfen
zu Gunsten des Tüchtigsten, werde. Die Bestrebungen auf
auf demselben Boden gewachsen.
Preußen groß gemacht. Die
als Bauern niederer Ordnung angesehen werden.
also im höchsten Grade schädli Schwierigkeit übertrieben. den Fideikommißbesitzern.
Meine Herren! Ich hatt
Herr Vorredner bezogen — gesagt: wir üben nicht einen unnatürlichen
Zwang durch Oktroyierung ein
der Zwang sei heute größer. Das findet der Herr Ober⸗Bürgermeister Nun, meine Herren, von welchem Zwang
von Breslau sonderbar. wollte ich da reden? Von
rechts. Ist denn das kein Zwang, wenn im Landrecht eine ganz bestimmte Verpflichtung des Erblassers, des Vaters
enthalten ist, jedem Kinde in
einer bestimmten Art der Berechnung einen Pflichttheil in bestimmter Größe zu hinterlassen? Und was ist denn das Wesen dieses Gesetzes? Daß wir dies Pflichttheilsrecht zu Gunsten des disponierenden Vaters
ermäßigen und ihm eine ander
bäuerlichen, den ländlichen Verhältnissen allein entspricht. (Sehr gut!) Denn, meine Herren, das römische Recht setzt immer den Verkauf voraus und den Verkaufswerth und bestimmt danach den Pflichttheil.
Hier wird erstens dem Aner der sonst gleichen Theilung, des Erblassers, und zweitens
der Abfindung nach dem dauernden Ertragswerth berechnet. Darum
handelt es sich.
Wie kann der Herr Vorredner unter diesen Umständen noch von einer vollständigen Vernichtung des freien Eigenthümers sprechen, der
nach wie vor unter Lebenden kann! Viel eher kann man voll erreicht. Aber daß hier
Land⸗Sklaven zu machen, darüber kann kein Zweifel sein. Ich lade
den Herrn Bürgermeister ein,
die hannoverschen Bauern anzusehen, ob sie wohl wie unfreie
Menschen aussehen. (Gro
überzeugen, daß alle seine Voraussetzungen unrichtig sind.
Andererseits wird er sehen, daß, wenn er die Summe der Ver⸗ wo das Anerbenrecht noch strenge Sitte und Gewohnheit ist, vergleicht mit der Verschuldung auf denjenigen Höfen, wo das entgegengesetzte Erbrecht gilt, die Zahlen sehr zu Gunsten Und wenn er sich die Landeskultur ansieht — die Entwickelung der Landwirthschaft auf diesen Höfen —, so werden
schuldung auf den Höfen,
des ersteren ausfallen.
sie in vollem Maß den Ver allein das freie Recht des frei
Graf von Klinckowstroem kommißbesitzern allerdings am besten gehe, daß sie aber gerade darum
auch dem Kleinbesitz mit diese § ·1 wird darauf mit
§§ 2 bis 5 werden ohne Debatte erledigt.
Nach § 6 kann der Eigenthümer eines Anerbengutes ohne die Genehmigung der General⸗ fügung unter Lebenden noch die Zertheilung des Anerbengutes oder die Abäußerung von
Theilen desselben vornehm
äußerung im Ganzen durch Verfügung unter Lebenden
gelten. In diesem Fall werden, wenn 8 fertigen, daß die wirt gutes durch Vereinigung gehoben wird.
Ober⸗Bürgermeister Struckmann will die beiden letzten Sätze streichen, weil die hier vorgesehenen Weitläufigkeiten abschreckend für
die Rentengutsbildung wirken
stein: Meine Herren!
sehr günstige ist, ist im wes
zu verdanken. In den Besti
würden. Segen gereichen, wenn das Erbrecht nicht nach freier Selbstbestimmung
der Lage der Landwirthe, aber diese werde vielfach
Vielen Landwirthen gehe es Das Gesetz breche mit den bestehenden
Sitten und werde den Landwirthen nicht helfen, sondern schaden. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
auch wenn nicht disponiert wird seitens
schaftliche Selbständigkeit des Anerben⸗
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗
Einige wenige kurze Worte. Daß in den nieder⸗ sächsischen Landen die agrarische Vertheidigung des Grundbesitzes eine
die in Verfall gerathen sind — ist die der Herr Graf daraus zieht. Die Renten⸗ ersten Jahren, wo sie neu bauen müssen,
n, wo sie Meliorationen ausführen sollen,
Bemerkung zu dem Wunsch, ausgesprochen hat: es möge die iehen. Meine Herren, die Sache ist sind, prüfen, werden Sie daraus die nicht in kurzer Frist eine so tief ein⸗
Erhebungen erforderlich. Der
Ich verspreche, soweit es an mir daß mit voller Energie
n Klinckowstroem es wünscht, halte ich
wenn man nicht die Absicht hätte, das Landestheile einzuführen. Wollte man e dieses Gesetz wollen, er sei überzeugt, Es könne dem Lande nicht zum
sondern nach der Schablone geübt Beschränkung der Gewerbefreiheit seien Die Freiheit des Bauern habe nach diesem Gesetz würden Das Gesetz werde Er verkenne gar nicht die
Bauern ch wirken.
ganz gut und am besten
e vorhin — und darauf hat sich der
es neuen Anerbenrechts, im Gegentheil,
des römischen Pflichttheil⸗ römischen Recht und im
dem Zwang
einer bestimmten Form nach Maßgabe
e Form geben, eine Form, welche den
ben ein Vorzugsrecht gegeben gegenüber
wird der Werth des Grundstücks und
und von Todeswegen frei disponieren zweifeln, ob das Gesetz seinen Zweck nicht die Rede davon ist, gewissermaßen
mal nach Hannover zu kommen und sich
Da sich
ße Heiterkeit.) wird er
gleich aushalten mit den Höfen, wo er en Mannes findet. (Lebhafter Beifall.) bemerkt, daß es den Fidei⸗
m Gesetz helfen wollten. großer Mehrheit angenommen. Die
ommission weder durch Ver⸗ von Todeswegen rechtswirksam
en. Das Gleiche soll für die Ver⸗
darf die Genehmigung nur versagt vorliegen, welche die Annahme recht⸗
mit einem größeren Gute auf⸗
könnten.
entlichen dem dort geltenden Agrarrecht
E“
auch die Vorschrift, daß mehrere selbständige Höfe nur mit Genehmi⸗ gung der Regiminalbehörden zusammengelegt werden dürfen. Diese Bestimmung galt in den niedersächsischen Landen überall da, wo das sogenannte Meierrecht in Gültigkeit stand. Ich selbst bin eine Reihe von Jahren Beamter in solchen Gebieten gewesen und habe vielfach Gelegenheit gehabt, diese Bestimmung anwenden zu müssen. Die An⸗ wendung war eine sehr einfache und klare, eine lange Instruktion war fast niemals nöthig. Es handelte sich ja nur darum, ob der betreffende Hof verschwinden und zur Bildung eines Latifundiums dienen sollte oder nicht. War Ersteres der Fall, so wurde die Genehmigung versagt. Wenn aber zwei Höfe in der Hand eines Grund⸗ besitzers zusammengelegt wurden, wo beispielsweise zwei Söhne vorhanden waren, wo also zu erwarten war, daß schon bei der nächsten Erbfolge die betreffenden Höfe wieder in verschiedene Hände gelangten, dann wurde die Genehmigung anstandslos ertheilt. Kurzum, Schwierigkeiten sind aus der Handhabung der Vorschrift nicht ent⸗ standen, und ich muß im Gegensatz zu Herrn Ober⸗Bürgermeister Struckmann glauben, daß diese Bestimmung, welche im Jahre 1874 wohlthätig gewirkt hat, aufgehoben ist — daß dieselbe daher, meines Erachtens, hätte bestehen bleiben können. Darum handelt es sich aber im konkreten Fall nicht. Der Zweck der Rentenguts⸗ und Ansiedlungs⸗ gesetzgebung ist doch der: da, wo mittlerer Grundbesitz nicht besteht, einen solchen zu schafften und dauernd zu erhalten, theils aus politischen Gründen, wie bei der Ansiedlungskommission, theils aus wirthschaftlichen Gründen. Nun will Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann diese Bestimmung, die gerade verhüten soll, daß die mit Hilfe des Staats gebildeten Renten⸗ und Ansiedlungsgüter wieder von Latifundienbesitzern aufgesogen werden, beseitigen. Das steht nach meiner Auffassung mit dem Zweck des Ge⸗ setzes in Widerspruch. So lange die Rentengutsbesitzer Renten zahlen, ist ja allerdings das jetzt schon bestehende Recht ausreichend; wenn aber die Rente aufgehört hat, ist der Renten⸗ gutsbesitzer freier Disponent, und da kann er sein Rentengut, das als mittlerer Grundbesitz gebildet ist, jederzeit auch an einen Latifundien⸗ besitzer verkaufen und damit den Zweck der Errichtung vereiteln.
Die formellen Schwierigkeiten und Weitläufigkeiten des Verfahrens, welche Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann als Grund für Beseitigung der Vorschrift anführt, kann ich als bestehend nicht anerkennen. Es ist eine so einfache Frage, die Bestimmungen sind so klar, nach welchen die General⸗Kommission zu entscheiden hat, und Kosten werden auch nicht daraus erwachsen, die Handhabung ist daher sehr einfach. Ich bitte das hohe Haus, sich dem Beschluß seiner Kommission anzuschließen, welcher empfiehlt, den § 6 unverändert anzunehmen.
§ 6 wird unter Ablehnung des Antrages Struckmann angenommen.
Eine Debatte erhebt sich erst wieder bei dem § 15, welcher bestimmt, daß der Verzicht des Anerben auf sein Anerbenrecht rechtswirksam nur gegenüber dem Nachlaßgerichte erklärt werden kann. Giebt der Anerbe binnen einer be⸗ stimmten Frist keine Erklärung ab, so gilt er als nicht ver⸗ zichtend. 8
von Lepetzow will diesem Nachsatz die Fassung geben: so gilt er als verzichtend. 8 8
Justiz⸗Minister Schönstedt erklärt, er halte diesen Vorschlag
für eine praktische Verbesserung.
Ober⸗Bürgermeister Struckmann spricht sich gegen den Antrag aus, der zu unnöthigen Härten führen könne.
§ 15 wird mit dem Antrage Levetzow angenommen, § 16 ohne Debatte.
Um 5 ¼ Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag
11 Uhr vertagt.
Haus der Abgeordneten. 8 29. Sitzung vom 27. Februar “ den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet
Ueber worden.
Auf der Etats des richts⸗ und
Bei den Ausgaben und zwar zu des Ministers“ bemerkt
Abg. Lohmann⸗Hagen — Die Regierung hat das Recht der Gemeinden bezüglich der Le reranstellungen nicht immer gewahrtz trotz der Erklärung des Ministers wird in rücksichtsloser Weise gegen die Gemeinden verfahren. In den Regierungsbezirken Münster und Minden werden die Schulen ohne Anhörung der Gemeinden besetzt; anders liegt es im Bezirk Arnsberg, wo die Anhörung der Patrone und der Gemeinden erfolgt. In der Stadt Hagen ist eine Schul⸗ deputation eingesetzt, welche die Schullehrer vorzuschlagen hat. Trotzdem ist 1888 eine Stelle von der Regierung besetzt worden; eine Beschwerde an das Ministerium hatte keinen Erfolg; das Ver⸗ fahren der Regierung wurde gebilligt. Eine zweite Beschwerde blieb im Ministerium liegen. Die Schulordnung ist seitdem beobachtet worden bis 1893; da wurde die Gemeindeverwaltung mit Strafen be⸗ droht, wenn sie ohne Genehmigung der Regierung Vorschläge einreiche. Dieser Verfügung gemäß ist seitdem in der schroffsten Weise verfahren worden Auf eine damals eingereichte Beschwerde ist heute no kein Bescheid ertheilt. Die Verfügung soll aufgehoben sein, aber davon ist nichts bekannt geworden. Dieselben Klagen wie in Hagen bestehen in vielen anderen Städten und in Landgemeinden; in einem Falle befindet sich 88 des Widerspruchs der Gemeinde der berufene Lehrer schon mehrere Jahre im Amt. Wenn die Regierung ein solches Recht sich aneignet, dann muß sie auch dafür sorgen, daß die Fehler wieder gut gemacht werden, die sie begeht. “ 1
Ministerial⸗Direktor Dr. Kügler: Die Regierung hat darüber keinen Zweifel gelassen, daß sie die Betheiligung der Gemeinden an der Schulverwaltung wünscht. Der Fall, den der Vorredner aus einer Stadt anführte, war folgender: Die Stadt hat Lehrkräfte lange Jahre beschäftigt und nachher die Lehrer angemeldet. Die Regieruͤng hat der Stadt die sofortige Anzeige auferlegt und aus dem erregten Schriftwechsel ist dann die Verfügung hervorgeganzgen, daß die Gemeinde erst anfragen sollte, ob sie Vorschläge machen dürfte. Bei einer Konferenz der Regierung mit dem Ober⸗Bürger⸗ meister sollte die Sache friedlich zum Austrag gebracht werden. Wir dachten, diese friedliche Einigung sei erfolgt, weil keinerlei Beschwerde hierher kam. Die Theilnahme der Gemeinde an der Schulverwaltung ist schwer durchzusetzen. Wo das Schulpatronat herrscht, kann darin nicht eingegriffen werden. Die Verhältnise sind mächtiger als die Unterrichtsverwaltung, welche nicht im stande
ist, überall gleichmäßig zu verfahren. Gegenüber den Ausführungen des
Abg. Dr. Friedberg (nl.): ersten Redners kann ich mich auf eine Verwahrung beschränken. Der Falk'sche Erlaß hat eine so vorsichtige Fassung, daß man beim Erlaß eines Schulgesetzes über den Religionsunterricht kaum etwas Anderes thun könnte, als den Falk'schen Erla abhn schreiben. Besonders entgegenkommend ist die Sih anf des Erlasse
bezüglich des Religionsunterrichts. Wenn dem Geistlichen die Er⸗
Tagesordnung steht die zweite Berathung des Ministeriums der geistlichen, Unter⸗ Medizinal⸗Angelegenheiten.
dem Titel „Gehalt
mmungen dieses Agrarrechts befand sich
theilung des Religionsunterrichts gestattet wird, muß er sc natürlich in den Schulplan eingliedern. Wo ein Lehrer den eligion
1 edes Jahr
unterricht ertheilt, da verlangt das Zentrum die missio canonica,
während es jede Garantie, die der Staat beim Geistlichen verlangt, als eine Beleidigung betrachtet. Wo haben wir denn die Herrschaft über die Schule! Unsere Anschauungen haben sehr wenig Einfluß auf den Kultus⸗Minister, der allerdings die wichtigsten Prinzipienfragen verzögert; ob er aber dadurch Siege erringen wird, wie Fabius Cunctator, das lassen wir dahingestellt. Einer staatlichen Qmnipotenz auf dem Gebiete des Schulwesens huldigen wir nicht. Der Abg. von Heereman hat in einer Debatte im Januar den Falk'’⸗ schen Erlaß vorgelesen, aber dabei eine Stelle geändert, wahrscheinlich infolge eines Versehens. Er hat vorgelesen, daß der Religionsunter⸗ richt von staatlichen Organen ertheilt wird. Es heißt aber in dem Erlaß, daß der Religionsunterricht auch von kirchlichen Organen, die der Staat zuläßt, ertheilt werden kann. Herr Bachem hat uns eine Aufstellung der Leistungen des Staats für die Katholischen und für die Evangelischen zugehen lassen; sie enthält vielfach Falsches. Aber ich will heute nicht darauf eingehen, da Herr Bachem nicht hier ist; ich hoffe, daß er demnächst die Aufstellung erläutern wird.
Abg. von Eynern (nl.): Ich hatte erwartet, daß Herr Bachem heute seine Imparitätsklagen wieder vorbringen 85 ich behr den Herren vom Zentrum meinen Platz in der Rednerliste angeboten, aber sie haben dieses Anerbieten abgelehnt. Ich hoffe, sie werden nachher zum Worte kommen. Durch die Mittheilungen des Grafen Paul Hoensbroech, namentlich über eine Aeußerung von Windthorst in Köln, sind wir doch wieder zu der Einsicht gekommen, daß der Papft in Rom hin und wieder einen Einfluß auf das Zentrum ausübt. Ich möchte den Minister bitten, durch den Gesandten in Rom den Papst aufmerksam zu machen auf die ultramontanen Publikationen schreiendster Art. Vielleicht wirkt der Papst dahin, daß die Angriffe gröbster Art gegen den Protestantismus eingestellt werden. Die Zentrumspresse ist bekanntlich eine außerordentlich schlechte, das ist von Zentrumsblättern selbst ausgesprochen; 1887 ist unter dem Vorsitz des Herrn von Los auf einer Katholikenversamm⸗ lung zu Würzburg beschlossen worden, daß die katholischen Journalisten nicht eine Protestantenhetze treiben sollen. Der Friede innerhalb Deutschlands wird in höchst bedenklicher Weise gefährdet. Nach dem Zeugui des Grafen Paul Hoens⸗ broech denkt die evangelische eistlichkeit nicht daran, ihr Amt zur Katholikenhetze zu mißbrauchen. Die periodische Presse des Zentrums erlaubt sich alles Mögliche. Wir haben uns ja neulich über Herrn Pastor Thůͤmmel unterhalten. In Schlesien erscheint zur „Schlesischen Volkszeitung“ ein Sonntagsblatt, welches in ganz ent⸗ setzlicher Weise den evangelischen Glauben angreift. Die Artikel scheinen hauptsächlich von Herrn Majunke geschrieben zu sein, der ja hier keine Reden mehr halten kann. Es heißt darin, daß die Katholiken trotz ihrer Betheiligung an den Kämpfen vor 25 Jahren zu Bürgern zweiter Klasse gestempelt worden sind; Luther wird in
entsetzlicher Weise verurtheilt und den Evangelischen wird gesagt, sie
könnten sich für alle Unsittlichkeiten auf die Grundsätze ihres Relivionsstifters berufen. Wenn aus dieser Hetze kein Religionskrieg hervorgeht, so ist das nur durch die maßvolle Haltung der evangelischen Bevölkerung zu erklären. Das Schlimmste sind Publikationen, die hier im Verlag der „Germania“ erscheinen, „Katholische Flugblätter zu Wehr und Lehr“, die massenhaft durch Kolportage verbreitet werden. Sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit den wildesten Angriffen auf die Evangelischen und ihre Lehren. Die Re⸗ formatoren werden als Leute bezeichnet, die den Strang ver⸗ dienten. Ein Heft beschäftigt sich mit dem Schulgesetz; die Konservativen, welche auch ein Schulgesetz wollen, können daraus sehen, was das Zentrum eigentlich will. Katholische Grundsätze sollen in Naturwissenschaft und Kunst, in Erdbeschreibung u. s. w. ein⸗ geführt werden. Das Zentrum hat sogar früher die Jesuitenaktion zurückgestellt, um die Schulaktion nicht zu stören. Die Flugblätter sind geschrieben, als das Schulgesetz noch nicht zurückgezogen war. Sie meinen, die Rückkehr ins Vaterhaus sei nun nicht mehr fern; alle Hoffnung beruht auf dem Kaiser, für den man recht fleißig beten müsse. Das Volteschacgesc war die erste auf dem Wege der gött⸗ lichen Vorsehung herbeigeführte Etappe zur Wiedervereinigung im karholischen Glauben. Die Schonung des Glaubens Anderer wird als übel angebracht bezeichnet. Es wird eine Hoffnung bei der katholischen Bevölkerung hervorgerufen, daß die I sich bekehren; man entblödet sich nicht, die Person Seiner Majestät des Kaisers hinein⸗ zuziehen, als wenn Er den ersten Schritt dazu gethan hätte. Es ist eine Pflicht, da den meisten diese Art und Weise der ultramontanen Proxpaganda fremd geblieben ist, darauf aufmerksam zu machen. Solche Sachen schwimmen nicht an der Oberfläche; es wird alles gethan, um diese Dinge in das Volk hineinzutragen. Wir mäͤssen be⸗ kennen, daß wir eine Richtung in Deutschland haben, die alles zerstört wissen will, was wir an geistiger Kraft aufgebaut haben. Ich weiß nicht, ob eine Vorstellung unserer Gesandtschaft beim Papste Erfolg haben wird. Früher sind solche Einwirkungen nicht ohne Erfolg ge⸗ wesen. Beim früheren Papst hatten sie keinen Erfolg; er war der streitende Papst. Wie der jetzige ist, weiß ich nicht. Er wird vielleicht durch seine Umgebung sehr stark beeinflußt, das zeigen wenigstens die Veröffentlichungen, welche aus seiner Umgebung hervor⸗ treten, z. B. die uͤber den Segen der Inquisition, die als eine In⸗ stitution der Kirche hingestellt wurde und mit dem Ausruf schloß: O seid gesegnet, ihr flammenden Scheiterhaufen, durch die einige wenige verschmitzte Subjekte gerettet werden! Sollen wir eine Ge⸗ sandtschaft bei einer so feindlichen Macht unterhalten! Demgegenüber muß man sich wundern, daß Herr Porsch sich so entrüstet ausgesprochen hat über einige Aeußerungen des Pastors Thümmel. Selten ist die Redefreiheit des Hauses so ausgenutzt worden wie von Herrn Porsch in diesem Falle; er sprach von einem schamlosen Ausdruck bezüglich des Meßopfers, von miß⸗ achtender, pöbelhafter, gräßlicher Weise, von einer Tiefe der Roh⸗ heit u. s. w. Schwerere Vorwürfe kann man wohl kaum erheben, trotzdem Herr Porsch selbst nicht ganz unterrichtet war. Er zitierte nach der „Germania“ und nicht nach der Schrift des Pastors Thümmel; sonst hätte er gefunden, daß Herr Thümmel nur Aus⸗ sprüche von Geistlichen der römischen Kirche selbst wiedergegeben hat. Ich würde solche Angriffe wie Herr Thümmel nicht machen; Herr Thümmel ist nur durch maßlose Angriffe dazu getrieben worden. (Redner zitiert Stellen aus katholischen Blättern, wo von der Ver⸗ zauberung gesprochen wird und davon, daß der Priester aus einem Stück Brot einen Gott macht.) Die „Schlesische Volkszeitung“ ver⸗ langte damals, als Herr Thümmel in Breslau gesprochen hatte, die Ausse ließung Thümmel's aus dem Evangelischen Bunde. Herr Konsistortal⸗Rath Leuschner hat aber dem gegenüber erklärt: Thümmel's Sache ist unsere Sache! Ich wollte nur zeigen, wie die katholischen Geistlichen das Verhältniß zwischen den Mitbürgern der verschiedenen Konfessionen auffassen.
Abg. Motty (Pole) führt aus, daß die Schule in den polnischen Landestheilen ihre Aufgaben nicht erfülle; sie diene nicht der allge⸗ meinen Erziehung, sondern sie solle aus den polnischen Kindern Deutsche machen; das könne sie aber nicht erreichen, denn ohne Unterricht in der Muttersprache wäre die Schule nur eine Abrichtungsanstalt. Wie könne der Minister ein solches Schulsystem mit seinem Gewissen vereinbaren? Der Kultus⸗Minister sei nicht bloß Staatsmann, son⸗ dern auch Dichter. In einem schönen Gedicht zu Neujahr sage er sehr richtig: „O denke dran bei jedem Schritt, was du gethan, das geht mit hinüber, hinüber!“ „Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter!“ habe der Kaiser auf ein Bild geschrieben. Diese heiligsten Güter seien Religion und Sitte.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Mieine Herren! In einem Punkte stimme ich mit den Ausfüh⸗ rungen des Abg. Motty überein, nämlich darin, daß es heißt Eulen nach Athen tragen, die polnischen Klagen über die angeblich preußische Bedrückung hier immer und immer wieder zur Sprache zu bringen. Es existierten solche Bedrückungen nicht (sehr richtig! bei den Nationalliberalen) und es ist hier seit vielen vielen Jahren immer wieder ausgeführt, daß die polnischen
Klagen unbegründet sind und es bleibt mir nichts übrig als das eben⸗ falls heute wieder auszuführen. Ich würde dabei nicht geneigt sein, auf die Einzelheiten, die Herr Abg. Motty angeführt hat, näher ein⸗ zugehen; er hat mir aber vier Fragen vorgelegt und diese Fragen will ich allerdings beantworten, weil sie eine Illustration bilden für die Klagen, die er hier vorgebracht hat.
Er sagt erstens: Ist dem Minister eine Verfügung der König⸗ lichen Regierung zu Posen bekannt, wonach den polnischen Kindern, welche einmal den Religionsunterricht in deutscher Sprache gehabt haben, in keiner anderen Schule gestattet wird, die Religion in polnischer Sprache zu lernen? Darauf antworte ich: Nein, eine solche Verfügung ist mir nicht bekannt; ich nehme auch an, daß sie nicht existiert.
Zweitens: weshalb wird die Entscheidung der Frage, ob einem Kinde der Religionsunterricht in polnischer oder in deutscher Sprache gewährt werden soll, nicht den geistlichen Inspektoren des katholischen Religionsunterrichts überlassen? Darauf erwidere ich: deshalb nicht, weil es nach den bisherigen Erfahrungen an jeder Gewähr dafür fehlt, daß dabei in den polnischen Landestheilen die deutsch⸗katholischen Kinder auch wirklich der deutschen Religionsabtheilung zugewiesen werden (hört! hört!); daran haben wir aber ein erhebliches Interesse, wie ich nachher noch näher dar⸗ legen werde. (Bravo! bei den Nationalliberalen und rechts.) Drittens: mit welchem Recht verzeichnen die Rektoren auf den soge⸗ nannten Schulkarten ein polnisches Kind in der Rubrik Konfession durch die Buchstaben K. D. — d. h. katholisch⸗deutsch —8? Darauf erwidere ich: bei polnischen Kindern geschieht das nicht.
Viertens: weshalb werden polnische Kinder, welche im Religions⸗ unterricht zu Unrecht der deutschen Abtheilung zugewiesen sind, des Rechts beraubt, an dem polnischen Sprachunterricht theilzunehmen? Darauf erwidere ich: es werden niemals Kinder zu Unrecht der deutschen Religionsabtheilung zugewiesen; das kommt absolut nicht vor! Ich habe auch keine einzige Beschwerde in dieser Beziehung be⸗ kommen.
Nun, meine Herren, ich will aber zum Beweis dafür, welche polnischen Einflüsse sich auf die deutschen Familien in der Provinz Posen geltend machen, und wie vorsichtig wir sein müssen in Bezug auf die Gestattung des polnischen Religionsunterrichts an Kinder, die uns als polnische bezeichnet werden, die es aber nicht sind, hier einen ganz bestimmten Fall mittheilen.
Ein landwirthschaftlicher Beamter mit ausgeprägt deutschem Namen, der, wie ich annehme, stark unter wirthschaftlichem polnischen Einfluß steht, richtete an uns eine Bitte um Wiederzulassung seiner Kinder zum Religionsunterricht in der polnischen Sprache. Er führte an, daß die Muttersprache der Kinder die polnische sei und daß die Kinder ihr Gebet zu Hause trotz des deutschen Namens der Familie nur in polnischer Sprache verrichteten; den Kindern wäre auch eine Zeit lang der Religionsunterricht in polnischer Sprache ertheilt worden. Auf Verfügung des Kreis⸗Schulinspektors sei dies aber seitdem nicht mehr der Fall gewesen. Die Sache fraäppierte mich allerdings, und ich habe Bericht darüber eingefordert und habe nun Folgendes über die Sache erfahren.
Der Mann ist ein Sohn deutscher evangelischer Eltern (hört! hört! bei den Nationalliberalen und rechts), im späteren Lebensalter zur römisch⸗katholischen Kirche übergetreten; seine Frau ist noch evangelisch und ebenfalls eine Deutsche. Beide verstehen zwar etwas polnisch, beherrschen aber die Sprache in keiner Weise. Danach ist die Muttersprache der Kinder thatsächlich die deutsche, und diese allein ist ihnen auch nach dem Maße ihrer geistigen Entwickelung geläufig. Aus dem Umgange mit polnisch sprechenden Altersgenossen hätten die Kinder zwar etwas polnisch gelernt; sie verständen indessen Fragen in der polnischen Sprache nicht ohne Nachhilfe zu beantworten. Nun, meine Herren, diese Kinder wurden mir vorgeführt als solche, gegen die es eine Grausamkeit wäre, ihnen das polnische Gebet zu versagen und die polnische Muttersprache im Religionsunterricht! Nein, meine Herren, so liegt die Sache nicht. Hier ist ein Deutscher, der unter polonisierendem Einfluß schwach und thöricht genug gewesen ist, um keinen schlimmeren Ausdruck zu gebrauchen, sein Deutschthum zu ver⸗ leugnen und sich hinzugeben an polnische Einflüsse! Solchen Dingen und Versuchen gegenüber müssen wir pflichtmäßig mit aller Energie ent⸗ gegentreten. (Bravo! bei den Nationalliberalen und rechts.) Daraus, meine Herren, können Sie entnehmen, daß wir gar nicht anders können, als daß wir in den polnischen Landestheilen auf unserer Hut sind, und das werde ich Ihnen auch sonst noch ausführen. Ich hoffe, daß ich damit diese immerwährend wiederkehrenden Polendebatten, wenigstens in ihren Hauptpunkten, soweit sie mich angehen, erledige, vielleicht ab⸗ schneide. Ich sage dem Herrn Abg. Motty gegenüber: wir haben die Pflicht, das Deutschthum zu schützen. (Bravo! bei den National⸗ liberalen und rechts.) Wir müssen allen Agitationen und Aspirationen national⸗polnischer Tendenz mit aller Entschiedenheit entgegentreten. (Bravo! bei den Nationalliberalen und rechts.) Denn, meine Herren, diese Agitationen und Aspirationen die in den letzten beiden Jahren erschreckend gewachsen sind und zwar infolge zum großen Theil ausländischen Einflusses — diese Aspirationen richten sich im tiefsten Grunde gegen den Bestand und gegen die In⸗ teressen unseres Vaterlandes. (Sehr richtig! bei den National⸗ liberalen und rechts.) Meine Herren, wir sind ein nationaler Staat; Preußen ist nach seiner Entstehung, nach seiner Entwickelung ein deutscher Staat, kein Föderativstaat, der sich aus einzelnen deutschen, polnischen, dänischen Elementen oder Nationalitäten zusammensetzt, sondern wir sind ein deutscher Staat, nnd zwar ein deutscher nationaler Staat. Der Geist, der unser ganzes Staatsleben gebildet hat, ist ein deutscher Geist; dieser Geist findet seinen Ausdruck in der deutschen Sprache, in der deutschen Armee, in der deutschen Schule, in deutschen Gesetzen, in deutschen Behörden, auch in einer unzweifelhaft deutschen Regierung. Nun, meine Herren, kein nationaler Staat kann sich eine antinationale Bevölkerung selbst heranziehen; er würde ja damit den feindlichen Elementen selbst die Waffe gegen sich in die Hand geben. Das alles habe ich hier wiederholt ausgeführt; ich habe gar nichts dagegen, meine Herren, wenn ich veranlaßt werde, das noch einmal sagen zu müssen: es ist gut und nothwendig, daß Polen und Deutsche in Preußen genau wissen, was sie von der Re⸗ gierung in dieser Beziehung zu erwarten haben, und ich werde darüber keinen Zweifel lassen. Dagegen protestiere ich, was hier früher und in den polnischen Zeitungen vielfach gesagt worden ist, und was auch durch die Rede des Herrn Abg. Motty durchklang, wenn es auch nicht mit diesen Worten gesagt ist, dagegen, daß die Regierung die Polen als Preußen zweiter Klasse behandle; das ist nicht wahr. Die Regierung behandelt
die Polen in allen privatrechtlichen Verhältnissen gemäß der Ver⸗ fassung als vollkommen gleichberechtigte Staatsbürger mit derselben Gerechtigkeit, demselben Wohlwollen, derselben Sachlichkeit wie alle anderen Bürger des Staats. Aber die Wünsche der Polen kann ich nicht erfüllen, die mittelbar oder unmittelbar das öffentliche Interesse des Staats gefährden; das können wir nicht thun. Die Regierung befindet sich den polnischen Bestrebungen und der national⸗polnischen Agitation gegenüber im Stande der Nothwehr, (Lachen bei den Polen) in der Vertheidigung, und die Regierung wird auf diesem Gebiete mit unerschütterlicher Festigkeit ihre Pflicht thun, darauf können Sie sich verlassen. (Bravo! rechts.) Keine Angriffe der national⸗polnischen Presse, von denen es doch wimmelt, keine Beleidigung, keine Beschimpfung, aber auch kein sanftes Schmeicheln und Locken wird die Regierung darin irre machen. Die Regierung muß in dieser Beziehung nach den von uns gemachten Erfahrungen überaus wachsam sein. Meine Herren, die Polen sind ein liebenswürdiges und impulsives Volk (Heiterkeit), das erkenne ich in vollstem Maße an; aber wenn man ihnen den kleinen Finger reicht, springen sie sofort zu und nehmen nicht bloß eine ganze Hand, sondern alle beide. (Große Heiterkeit.) Dann wollen sie uns fest⸗ halten, und das wollen wir nicht. Wir haben die Polen festzuhalten, aber die Polen nicht uns. (Bravol rechts.)
Meine Herren, es hat hiernach eigentlich gar keinen rechten Zweck, daß ich auf einzelne Beschwerdefälle, die Sie auf dem Herzen haben oder angeführt haben, noch eingehe. Meine Herren, da wir an der Ostmark dem aggressiven Polenthum gegenüber auf Vorposten stehen, so müssen wir auch pflichtgemäß die gebotene Vorsicht üben und könnern nicht alle Wünsche der Polen erfüllen, oft auch dann nicht, wenn sie auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Das habe ich an dem Bei⸗ spiel von diesem deutschen Inspektor gezeigt.
Meine Herren, das gilt insbesondere von zwei Gebieten: von dem Gebiete der Schule und von dem geistlichen, kirchlichen Gebiete und dem Ordensleben. Wir können dort nicht in dem Maße konnivent sein, wie wir es in anderen Landestheilen können; auf dem Gebiete der Schule nicht, weil wir darüber wachen müssen, daß die deutsche Sprache die herrschende Sprache in der Schule bleibt. Wir haben eine Ausnahme gemacht: im Interesse der Gewissensfreiheit der Polen haben wir dafür gesorgt, daß die Kinder so weit polnischen Schreib⸗ und Lese⸗Unterricht bekommen, damit der Religions⸗ unterricht, den sie haben müssen und der ihnen polnisch ertheilt wird, fruchtbar für diese Kinder werde. Das ist eine Maßregel, womit wir dem polnischen Gewissen gerecht geworden sind. Diese Maßregel — das habe ich von Anfang an hier im Hause gesagt, schon zu der Zeit, als diese Maßregel hier einem außerordentlichen Mißtrauen begegnete — muß striktissime interpretiert werden, und ich kann nicht zugeben, daß man jetzt, wie die Polen thun, alle diese Maßregeln benutzt, um nun Kinder zweifelhafter Nationalität, Kinder aus Mischehen ꝛc. in die polnische Abtheilung hinein⸗ zubringen. Ich habe deshalb mit aller Energie darauf gehalten, daß sie beschränkt bleibt auf Kinder unzweifelhaft polnischer Nationa⸗ lität. Zu meiner großen Genugthuung höre ich von allen Behörden, daß die Maßregel sich bewährt hat, und daß sie einen guten Einfluß gehabt hat auf die Lehrer, die früher noch unter dem Einfluß des polnischen Agitationscomités standen, welches ihnen den polnischen Privatunterricht bezahlte und dadurch die Lehrer uns aus der Hand nahm. Kurz, ich habe keinen Anlaß, irgendwie ein böses Ge⸗ wissen in dieser Beziehung zu haben. Das möchte ich doch dem Abg. Motty gegenüber bemerken.
Es ist ja wahr, ich habe vor einer Reihe von Jahren ein paat sehr mäßige Verse verbrochen; aber so schwer ist doch meine Schuld wirklich nicht, daß ich hier im Abgeordnetenhause zur Strafe darauf angenagelt werden muß. (Große Heiterkeit.)
Was das kirchliche Gebiet betrifft, so ist in der Provinz Posen von kirchlicher Seite als Uebelstand angesehen worden, daß wir in Bezug auf die Männerorden außerordentlich zurückhaltend sind. Das kann uns auch niemand verübeln. Die Polen wissen ganz genau, daß wir polnische Männerorden dort nicht zulassen können; denn diese würden im Volk als eine starke Erregung und Anregung des polnischen Geistes wirken müssen, und sie würden uns auch gar keine Garantie bieten, daß sie nicht wirklich polnische Bestrebungen fördern. Wir müssen deshalb in dieser Beziehung hart sein und sind auch hart. Es ist kein polnischer Männerorden dort bis jetzt zugelassen, und es wird auch voraussichtlich ein solcher nicht zugelassen werden. Wenn wir einen recht zuverlässigen deutschen Männerorden hätten, der dahin gehen will und dort willkommen ist, so ließe sich über die Sache sprechen. Solche Anträge sind aber bis jetzt noch nicht an uns herangetreten.
Ich gebe aber zu, wir müssen auch den polnischen Frauenorden gegenüber mit einer gewissen Vorsicht verfahren; denn wir haben die Erfahrung gemacht, daß auch die polnischen Damen in den Orden uns in Bezug auf das Deutschthum nicht diejenige Gewähr geboten haben, die wir von ihnen verlangen müssen. Deshalb halten wir darauf, daß wir wesentlich national⸗deutsche Elemente auch in den Frauenorden für den Dienst der Liebe an den Erkrankten u. s. w. haben. Wir erkennen in vollstem Maße den Dienst dieser Schwestern an, aber wir sind nicht in der Lage, auf die Firma dieses Dienstes polnischen Gefahr gegenüber irgendwelche Konzessionen zu machen.
Nun, meine Herren, das ist im wesentlichen unsere gebotene, unsere ehrliche, unsere gerechte Politik. Diese Polenpolitik ist weder unklar, noch schwankend; damit müssen die Polen sich abfinden, sie mögen wollen oder nicht! Mögen die Polen die national⸗polnische Agitation und die Gemeinschaft mit dieser Agitation von sich abthun! Das ist der einzige Weg, auf dem sie sich helfen können und auf dem ihnen überhaupt geholfen werden kann! (Wiederholter lebhafter Beifall rechts und bei den Nationalliberalen. Zischen bei den Polen und im Zentrum.)
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.): mu dem Minister unseren Dank für die Worte ö . 88 naen gesagt hat. Wir waren in der letzten Zeit nicht in der Lage, unsere Befriedigung kundzugeben. Wir haben von Anfang an dieselbe Haltung in der polnischen Frage eingenommen, und wo die Regie⸗ rung davon abwich, haben wir daraus kein Hehl gemacht. Wenn der Minister sagt, daß die Konzession des pofriischen Sprach⸗ unterrichts nicht geschadet hat, so soll uns das freuen. Wir haben aber damals gesagt: wenn der kleine Finger geboten wird, so nehmen die Polen die beiden Hände. Wir haben Recht behalten und werden den Minister unterstützen. Wir erkennen die tüchtigen Eigenschaften der Polen an; aber wir können es nicht als berechtigt anerkennen, daß sie 5 ihre nationalen Tendenzen einen volitischen Ausdruck suchen. enn es sich nur um die fremde Sprache handelt, so
würden wir mit uns reden lassen. Aber die Sache ist immer nur