1896 / 52 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

das Mittel zur Pflege der politischen Tendenzen, die gemeinschaftlich sind mit denen der Landsleute in Oesterreich und Rußland. Ueber die Tendenzen besteht garnicht der geringste Zweifel; sie werden auf allen Gebieten des Lebens mit Nachdruck verfolgt, und ein großer Theil des polnischen Klerus glaubt das Recht zu haben, polnische Interessen mit der Macht der Kirche zu vertreten. So weit, wie man in Oesterreich gekommen ist, sind wir noch lange nicht, und ich freue mich, nach den Worten des Ministers erklären zu können, daß wir die Tendenz der Regierung energisch unterstützen werden. Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Der Standpunkt des Ministers den Polen gegenüber wird von mir nicht getheilt. Herr Bachem ist durch die Verhandlungen der Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch verhindert, seine Tabelle über die Paritätsfrage heute zu vertreten; er wird das morgen thun. Wir haben uns nicht absichtlich in den Vorder⸗ grund gedrängt. Wir haben ja Gelegenheit, nach Herrn von Eynern zu und das abzuthun, was er vorgetragen hat, und was kaum in Verbindung mit dem Kultus⸗Etat steht. Herr von Eynern verlangte, daß der preußische Gesandte beim Vatikan vorstellig werden solle bezüglich der Angriffe auf den Protestantismus. Ich weiß nicht, was der Minister thun will. Der Papst würde wahr⸗ scheinlich Herrn von Bülow fragen, ob nicht die nichtkatholischen Blätter auch Angriffe auf die Katholiken bringen. Herr von Bülow würde dann wahrheitsgemäß den Papst informieren, z. B. über Angriffe des Herrn Thümmel. Herr von Eynern hat die Sonntags⸗ bei ag; der „Schlesischen Volkszeitung“ und die grünen Bücher aus dem Verlage der „Germania“ zitiert. Herr von Eynern sprach von dem Einflusse des Papstes auf die Katholiken. Ich will nicht daran erinnern, daß damals jemand anders einen Einfluß auszuüben versucht hat. Für die Publikationen sind diejenigen, welche sie schreiben und herausgeben, vperantwortlich. In der „Schlesischen Volkszeitung“ ist die Artikel⸗ serie auf Grund einer evangelischen Provokation geschrieben worden. Was geht denn den Evangelischen Bund der Kirchenstaat und die päpst⸗ liche Unfehlbarkeit an? Da kann man sich doch nicht wundern, 8 deßf eine Erwiderung vielleicht etwas scharf wird. Unprovozierte An⸗ griffe mißbillige ich. Die grünen Hefte hat Herr von Eynern wohl nicht nach dem Original zitiert, sondern nach zusammengestellten Zitaten. Graf Zedlitz wird sehr erstaunt sein, zu hören, daß her eigentlich mit dem Schulgesetz ein Werkzeug der katholischen Kirche gewesen sein soll. Wie wir zu seinem Schulgesetz stehen, haben wir oft genug zum Ausdruck gebracht; dieser Entwurf enthält nicht den Gipfelpunkt unserer Wünsche, aber enthält die Stabilierung der christlichen Volksschule, und dafür waren wir bereit, Opfer zu bringen. Die römische Publikation, aus welcher Herr von Eynern zitiert hat, ist mir und meinen Freunden unbekannt. Herr von Eynern meinte, daß ich die Redefreiheit des Hauses mißbraucht habe in Bezug auf Herrn Thümmel. Zur Rechtfertigung hat Herr von Eynern mir nicht die falschen Zitate nachgewiesen, sondern er meinte, ich hätte eine Schlußnote vergessen. Ich habe von der Rede des Herrn Thümmel gesprochen, und darin war die Schlußnote selbstverständlich nicht enthalten. Auf Grund welcher Angriffe aus Schlesien mußte Herr Thümmel vom Westen nach Schlesien kommen und die katholische Kirche angreifen? Herr Thümmel hat den Katholiken direkt das Christenthum abgesprochen; er hat gesagt: Roms Aberglaube wappnet sich mit Aehnlichkeit des Religiösen. Vom Fastenbrief des Bischofs Kopp sagt er: Wenn man’'s so liest, mag's leidlich Flshgeh. es ist aber doch kein Christen⸗ thum; ferner sagt er: Die römisch⸗katholische Kirche hat den Geist in ihrem Leib erwürgt, darum ist sie nicht mehr als christliche Kirche zu betrachten, und wir als Protestanten müssen daraus die Konsequenzen ziehen. In Bezug auf die Reliquien spricht Thümmel von Plunder und Augurnlächeln. Ich überlasse das Urtheil dem Hause. Herr von Eynern und Herr Thümmel, wenn sie einander in den Armen liegen, so sind sie beide einander würdig. b 8 8 Vize⸗Präsident Krause: Diesen Ausdruck kann ich nicht für parlamentarisch halten. Nachdem Sie Herrn Thümmel so charakterisiert haben, wie es geschehen ist, wozu Sie nach dem Vorangegangenen ja vielleicht ein Recht haben mögen, so kann ich die Gleichstellung des Herrn von Eynern mit Herrn Thümmel als parlamentarisch zulässig nicht anerkennen und rufe Sie deshalb zur Ordnung. Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Der Religionsunterricht ist allerdings ein Bestandtheil des Schulunterrichts; daraus folgt eine Mitwirkung des Staats; aber er ist auch Religionsunterricht in erster Reihe, und daraus folgen Rechte der Kirche, welche der Falk'sche Erlaß gar nicht anerkennt, der einseitig im Verwaltungswege die bestehenden Bestimmungen im Gegensatz zur Verfassung geändert hat. Die Ge⸗ meinden haben die äußere Leitung des Religionsunterrichts; was würde für ein Städtetag hier in Berlin zusammentreten, wenn der Staat seine Organe die Schulbauten herstellen lassen und den Ge⸗ meinden nur ein Beschwerderecht dabei einräumen wollte! Aber wo es sich um den Religionsunterricht der Kinder handelt, da soll die Kirche nur hinter dem Rücken der Staatsorgane das Beschwerderecht baben. Ohne Schädigung des Staats ist doch von dem Minister Falk die Schule auch verwaltet worden! Hielt er die Bestimmung der Verfassung für nicht richtig, dann hätte Herr Falk ein Volks⸗ schulgesetz verlangen sollen. Für einzelne Landestheile bestehen sogar Merordnungen mit Gesetzeskraft, welche die Leitung des Religions⸗ unterrichts durch die Kirche genau festlegen. Der Minister sollte den gesetzwidrigen Falk'schen Erlaß aufheben, weil dadurch nur Streitig⸗ keiten hervorgerufen werden dadurch, das er die Rechte des Staats einseitig abgrenzt. Wenn man kein Volksschulgesetz schaffen will, dann muß wenigstens ein Zustand geschaffen werden, der prinzipielle Erörterungen außer Betracht läßt. 8 Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Ausführungen meines Freundes von Eynern sind nicht abgeschwächt worden durch die Behauptungen des Herrn Porsch. Der ganze Fall Thümmel ist zur Sprache ge⸗ bracht durch eine Anregung des Herrn Brandenburg, der, selber ein Richter, ein richterliches Ürtheil einer Kritik zu unterziehen sich nicht gescheut hat. Herrn Thümmel's Reden sind leeres theologisches Gezänk; die rabies theologorum ist ja bekannt. Was Herr von Eynern aber vorgebracht hat, das waren schwere Beschimpfungen der evangelischen Religion und des Charakters der Reformatoren. Das ist in keiner Weise zu verzeihen. Herr Porsch will dafür nicht verantwortlich sein. Würde er die grünen Blätter durchlesen, so würde er sich sagen können, daß ein Verlagsinstitut wie die „Germania“ nicht von den Rockschößen des Zentrums abgeschüttelt werden kann. Das Zentrum hätte zum mindesten die Pflicht, sich dagegen zu verwahren. Wir haben schließlich auch keine Verantwortung für Herrn Thümmel; warum ziehen Sie ihn denn immer bei den Haaren herbei? Die „Germania“ ist doch ein durch und durch katholisches Unternehmen. Die Artikel der „Schles. Volkszeitung“ sollen durch eine Provo⸗ kation veranlaßt sein. Wenn ein evangelischer Theologe in einem evangelischen Verein die Einrichtung der katholischen Kirche kritisiert, so ist das doch kein Anlaß zu einem Angriff auf die evan elische Kirche. Herr Porsch bleibt dabei, daß Thümmel die katholische Kirche be⸗ schimpft habe; er hätte sich nicht auf einen Zeitungsbericht verlassen sollen, sondern die Broschüre ansehen müssen. (Zuruf des Abg. Porsch: Habe ich ja!) Dann . ich nicht, wie er die Note üͤbersehen haben kann, in welcher Thümmel sich beruft auf den katho⸗ lischen Urheber der von ihm gebrauchten Worte. Ich bin allerdings auch der Meinung, daß die papstliche Kurie einen Einfluß ausüben muß auf die katholische Presse, da die Mehrzahl der katholischen Blätter von Geistlichen redigiert wird. Wenn der Gesandte in diesem Sinne auf die Kurie einwirken würde, so würde der Nutzen der Gesandtschaft mir auch deutlicher sein als bis jetzt. as 8 Porsch vorgeführt hat von Herrn Thümmel, was auch ein aatholisches Gemüth verletzen kann, ging nicht über theologische Streitigkeiten hinaus. Was Herr von Eynern hier vorgetragen hat, das war Beschimpfung der evangelischen . und der Reformatoren; dem gegenüber müssen wir mit allen Mitteln darauf hinwirken, daß unsere katholischen Mitbürger sich solcher Meinungsäußerungen ent⸗ halten. Daß der Falk'sche Schulerlaß verfassungswidrig sei, ist nicht richtig. Wenn der katholische Religionsunterricht der Kirche nicht gefällt, dann foll er aufhören. Dadurch würden also alle Lehrer, welche sich der Kirche mißliebig machen, vo elfrei. Sie dürfen keinen Unterricht mehr ertheilen? Wohin sollen sie dann gebracht werden? Wollen Si twa aus den katholischen Stiftungsfonds unterhalten?

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Das Leiten des Religionsunterrichts ist doch nicht das Ertheilen des⸗

elben. 1 Abg. Dr. Virchow (fr. Volksp.): Ich habe nicht die Absicht, mich in diesen Etren einzumischen. Wir wünschen nicht, daß eine Aenderung der 8 en Handhabung der Verfassungsbestimmungen durch ministe⸗ rielle Aütar herbeigeführt wird; die Schäden, die entstanden sind, stammen ja hauptsächlich daher, daß jeder Minister Aenderungen nach Belieben vorzunehmen für gut fand. Wir haben im Kultus⸗Ministe⸗ rium vielfach Zuschußverwaltungen; der Landtag bewilligt nur die Zuschüsse, auf diese erstreckt sich auch nur 8 Kontrolrecht, während die Inflitute selbst auf eigenen Füßen stehen. Wenn das Komp⸗ tabilitätsgesetz einmal zu stande kommt, wird auch diese Frage eine genauere Regelung finden. Die Anstalten können auch nicht einmal allein verwalten, ees es geht Alles durch die Hände des Ministers. Der Minister nimmt auch das Recht in Anspruch, die Statuten von solchen Instituten zu ändern, ohne diese Aenderung zu publizieren, sodaß man gar nicht weiß, was eigentlich bestehendes Recht ist. Nach den jetzigen Bestimmungen der Fakultaͤtsstatuten hat die Fatultzt allein das Recht, einen Verweis zu ertheilen; denn die Fakultät läßt den Privatdozenten zu, nicht der Minister. Wenn das nicht zweckmäßig gefunden wird, müsse es erst geändert werden. Das Böseste bei der Gache ist die schwierige Lage, in welcher sich die Anstalten befinden, weil sie aus eigenen Mitteln nichts thun önnen, sondern immer auf die Bewilligungen des Ministers angewiesen sind. Es kommen hierbei auch eigenthümliche Verhältnisse in Frage; den In⸗ stituten sind Häuser und Grundstücke angewiesen; über die Grundstuͤcke wird oft nach Belieben verfügt, besonders sind dadurch beeinträchtigt die Akademie der Künste und Wissenschaften und die Bibliothek. Es sind Versprechungen gemacht worden in Bezug auf Grundstücke, und nun wird im Rei stage eine Vorlage gemacht, welche alle Hoffnungen zerstört, daß für Kunstzwecke ein geeigneter Platz vor⸗ behalten bleibt. Ein Bauplatz, welcher für Museumszwecke bestimmt war, wird jetzt von dem Zirkus Busch eingenommen. Mit welcher Berechtigung hat der Minister dazu seine Genehmigung gegeben? Der Zirkus Busch hat eine gewisse Berühmtheit erlangt durch die Rede der agrarischen Heißsporne. Es war eine Herzensangelegenheit des da⸗ maligen Kronprinzen, der den Ankauf dieser Grundstücke bewirkt hat, und der für die in Aussicht zu nehmenden Baulichkeiten die Pläne vorbereitet hatte. Damals wurden die Bauten aufgeschoben, weil kein Geld vorhanden war. Seitdem sind Millionen ausgegeben worden und die pergamenischen Alterthümer, für welche dort ein Ge⸗ bäude geschaffen werden sollte, befinden sich noch immer in Kisten verpackt und können nicht besichtigt werden. Ich möchte den Minister bitten, das Tempo seines Vorgehens zu beschleunigen und die guten Finanzen nun einmal zu benutzen, um das zu erfüllen, worauf wir seit vielen Jahren warten.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Der Herr Abg. Dr. Virchow hat, soweit ich ihn habe verstehen können, eine Menge Dinge aus allen möglichen Kapiteln dieses Etats besprochen; aber ich muß zu meinem Bedauern sagen, daß das, was ich davon verstanden habe, mir zum theil zwar sehr sympathisch war, daß ich aber auf der anderen Seite den Eindruck empfangen habe, daß der Herr Abg. Dr. Virchow entweder überhaupt nicht richtig oder nicht vollständig informiert war. Jedenfalls bin ich nicht in der Lage, darauf zu antworten, denn ich würde, da ich trotz der gespanntesten Aufmerksamkeit nicht den zehnten Theil seiner Worte habe verstehen können, in die Lage kommen, daß ich möglicherweise gegen Wind⸗ mühlenflügel kämpfte. Ich behalte mir daher vor, auf die Rede des Herrn Abg. Dr. Virchow zu antworten bei den betreffenden Kapiteln des Etats, soweit ich nach dem Lesen des stenographischen Berichts über seine Rede dazu in der Lage sein werde.

Abg. Dr. Porsch: Wir können nicht alle Erzeugnisse der Literatur kontrolieren und müssen es daher ablehnen, für dieselben die Verant⸗ wortlichkeit zu übernehmen. Die katholischen Blätter werden nicht hervorragend von katholischen Geistlichen redigiert; das war der Fal zur Zeit des Kulturkampfes, ist aber jetzt bei den geordneten Ver⸗ hältnissen nicht mehr der Fall. Theologische Kontroversen in Büchern sind immer noch zu ertragen; aber Herr Thümmel hat sie auf die Tribüne getragen; die Schlußnote steht nur in seiner Broschüre, in seiner Rede hat er sie nicht vorgebracht. Die Ertheilung des religiösen Unterrichts ist ein Recht der Kirche, das älter ist als die preußische Verfassung, aus der die Kirche ihr Recht nicht allein schöpft. Darauf wird die Debatte vertagt. Persönlich bemerkt 8 Abg. von Eynern: Ich weiß, daß innerhalb der Zentrums⸗ fraktion wahre Entrüstung herrscht über die Angriffe auf den evan⸗ gelischen Glauben in den grünen Heften; aber die Anschauungen der grünen Blätter erhalten den Sieg über die mäßige Richtung in der

Hartei. Wenn Herr Porsch nicht wußte, daß die Thümmel'schen nführungen Aussprüche katholischer Geistlicher sind, so trage ich dabei keine Schuld; ich habe nicht gewußt, daß die Herren so unwissend

sind in ihren eigenen Dingen. Schluß nach 4 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr.

Literatur.

Das preußische Jagdrecht, spystematisch dargest A. Dalcke, Ober⸗Staatsanwalt. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage. Breslau, J. U. Kern's Verlag. Preis 6 Wenn der Verfasser am Schluß der Vorrede sagt, „daß zur Zeit kein zweites Buch existiert, welches das jeßt geltende preußische Jagdrecht in gleicher Vollständigkeit zur Darstellung bringt, wie das vorliegende“, so hat er damit zweifellos Recht. Die Arbeit ist eine durchaus tüchtige Leistung. Angenehm berührt der frische Ton, in dem das Werk geschrieben ist; der Verfasser zeigt eine große Vertrautheit mit allen in das Jagdrecht ZZö und beherrscht dieses Gebiet vollständig. Den breitesten Raum nehmen allerdings die zivil⸗ und strafrechtlichen Fragen ein, wie dies bei den meisten Be⸗ arbeitern der Jagdgesetze der Fall zu sein pflegt, die öffentlich⸗rechtlichen kommen auch hier etwas zu kurz. In dem ersten Theil werden die zivil⸗ rechtlichen Vorschriften der preußischen Jagdgesetze systematisch behandelt; dann folgt das Jagdstrafrecht die einschlagenden Bestimmungen der eigentlichen Strafgesetze sowie der allgemeinen Landes⸗ und der provinziellen Polizeisteafgesege —, das Reichsgesetz über den Schutz von Vögeln vom 22. März 1888 mit ausführlichem Kommentar, schließlich der Text der wichtigsten preußischen Jagdge see nebst Formular zu einem Jagdpachtvertrage. Die neuesten Entscheidungen der obersten Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verwerthet. Das Werk steht somit auf der Höhe der Zeit und wird Inristen, Ver⸗ waltungsbeamten sowie solchen Jägern, die sich wissenschaftlich mit der Materie Helbdsge wollen, gute Dienste leisten. Besonders werth⸗ voll sind die Abschnitte über den Begriff, Umfang und Gegenstand des Jagdrechts, welche weit über das Gebiet des Königreichs Preußen hinaus Bedeutung haben und in der Praxis reichlich Anwendung finden dürften. 11“

Die Herausgabe einer weit angelegten und reich illustrierten, volksthümlichen Biographie des Fürsten Bismarck hat der Verlag der Werner⸗Company (Chicago⸗Berlin) unternommen. Dieselbe ist von Arthur Mannell verfaßt und erscheint in mehreren Sprachen; der Titel der deutschen Ausgabe lautet: „Bismarck⸗ denkmal für das deutsche Volk⸗-. Das Werk hat Groß⸗ folio⸗Format und wird, nach den vorliegenden beiden ersten Liefe⸗ rungen (Preis je 70 ₰) zu schließen, illustrativ glänzend ausgestattet sein. Das erste Heft bringt in einem großen guten Holzschnitt das lebensvolle Porträt des Fürsten Bismarck nach dem Gemälde von Gustav Aßmus. Dann folgt in Wort und Bild eine eingehende Schilderung des Besuches Seiner Majestät des

Kanzler des neuen Reicha zu dessen 80. Geburtstage bereitete. e

m zweiten Heft beginnt Beschreibung der anderen Huldigun en, wie ,— der Parlamentarier und der imposante Aufzug der deutschen Studentenschaft; ferner wird Schloß Friedrichsruh im Innern und Aeußern geschildert, das Arbeitszimmer des Fürsten, sein Schlafzimmer, das Speisezimmer sowie der Geschenksaal, in welchem die reichen Gaben Aufstellung gefunden hatten, durch photographische Aufnahmen veranschaulicht. Außer diesen und vielen anderen Text⸗

llustrationen schmücken noch zwei große farbige Kunstbeilagen die efte, und zwar Ferdinand Keller's „Apotheose Kaiser Wilhelm's I.“ und die „Ueberreichung des Ehrendegens durch Kaiser Wilhelm II. an den Fürsten Bismarck.

„Die E Armee im Felde“. Organisation, e und Kampfesformen, mit Skizzen im Text. Verlag von

. Bath, Mohfensttoff. 19, Berlin (Preis 1,25 ℳ). Das 79 Seiten in Klein⸗Oktavformat starke Büchlein, dessen zweifellos dem Offiziersstande angehöriger Verfasser sich nicht genannt hat, ist eine militär⸗wissenschaftlich werthvolle Monographie, die in den be⸗ theiligten Kreisen gewiß anregend und belehrend wirken dürfte.

Handbibliothek für Militär „Anwärter und Beamte. Band 1 und II. W., S. Gerstmann's Verlag.) Dieses Werk bietet dem Militär⸗Anwärter alles Erforderliche zur Vorbereitung für die künftige Beamtenlaufbahn im Staats⸗ oder Kommunaldienst. Dasselbe umfaßt das ganze Gesetzmaterial, Dienst⸗ vorschriften sowie alles Wissenswerthe über Anmeldung, Prüfung, Versorgungsansprüche u. s. w. Band 1 (Pr. 75 ₰) enthält die Ver⸗ fassung des Deutschen Reichs, das Wahlgesetz und Wahlreglement, eine Uebersicht der Organisation der Zentral⸗Reichsbehörden und das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. Im II. Bande (Pr. 3 ℳ) haben die Grundfätze für die Besetzung der Subaltern⸗ und Unterbeamtenstellen bei den Reichsbehörden mit Militär⸗ Anwärtern nebst den für Preußen, Bayern, Sachsen, Baden und Württemberg geltenden besonderen Bestimmungen Aufnahme ge⸗ funden. findet man darin das neueste Verzeichniß der den Militär⸗Anwärtern in sämmtlichen Bundesstaaten vorbehaltenen Stellen, das Gesetz, betreffend die Besetzung der Subaltern⸗ und Unterbeamten⸗ stellen mit Militär⸗Anwärtern in den Kommunalverbänden Preußens, und die Verfügung über die Besetzung der den Militär⸗Anwärtern bei den Privateisenbahnen vorbehaltenen Beamtenstellen vom 8. Ok⸗ tober 1895. Das oben erwähnte „Gesammtverzeichniß der den Militär⸗Anwärtern in den Bundesstaaten vorbehaltenen Stellen, nebst dem bEböö“ der Privateisenbahnen, welche bei Be⸗ setzung der Beamtenstellen Militär⸗Anwärter vorzugsweise zu be⸗ rücksichtigen haben, und einem Verzeichniß der in den Bundesstaaten eingesetzten Vermittelungsbehörden“ ist in demselben Verlage auch als Sonderausgabe (Pr. 1,50 ℳ) erschienen.

„Jenseits der Alpen.“ Novellen von Wilhelm Jensen. Dresden und Leipzig, Verlag von Carl Reißner. „Ein Winter in Sizilien“, „Altflorentinische Tage“ und „Auf der Brücke“ sind die drei Erzählungen betitelt, aus denen dieser Band besteht. Theils eigene Erlebnisse, theils Erinnerungen und Eindrücke, die der Autor in Italien gesammelt hat, bilden den Vorwurf. Die erste Erzählung spielt auf Sizilien während der Wirren des Jahres 1848, welche auch dem Brigantenthum sehr förderlich waren, und ist in ihrem Abschluß überraschend. Die zweite führt uns in die „Blumenstadt am Arno' zur Zeit der kunstliebenden Mediceer und ist in phantasievoller Weise unmittelbar zu der Gegenwart in Beziehung gesetzt. Die vielfältigen Betrachtungen über Geschichte, Kunst, Poesie und Volksleben, zu denen ein Aufent⸗ halt in Florenz den Besucher anregt, hat der Verfasser in geistvoller Weise in seine Erzählung verwoben. Kenner der herrlichen Stadt werden diese Novelle mit Genuß lesen, der nur leider durch viele Druckfehler in den italienischen Zitaten beeinträchtigt wird. Eine rührende Dorfgeschichte, deren Schauplatz eine Brücke ist, die zwei kleine Ortschaften an der österreichisch⸗italienischen Grenze verbindet, bietet die letzte Gabe. Jensen zeigt hier im Gegensatz zu jener, von einem bistorischen Hintergrunde sich abhebenden Erzählung, daß er auch mit der intimen Schilderung einfachster Alltagsverhältnisse und Charaktere eine tiefgehende Wirkung zu erreichen .

Der neue, 12. Jahrgang von „Engelhorn's allgemeiner Romanbibliothek“ (Stuttgart, J. Engelhorn; jährlich 26 Bände à 50 ₰) bringt als Nr. 9 und 10 einen zweibändigen Roman „Revanche“ von Alexander Baron von Roberts. Der beliebte Er⸗ zähler schildert darin in seiner keck zugreifenden, lebensprühenden Schreibweise die Einwirkung des Revanchegedankens auf das Schran einer Pariser Familie. Die Art der Darstellung und Charakteristerung zeigt, daß der Autor ein feiner Kenner des französischen Volks und seiner nationalen Anschauungen und Eigenthümlichkeiten ist. Man wird dieses Zeitbild daher mit Interesse lesen. Nr. 11 bietet unter dem Titel „Pinsel und Meißel“ einen Künstlerroman aus dem Englischen des Teodoro Serrao. Es ist eine fein erdachte und ausgestaltete Erzählung, die ohne Effekthascherei dennoch einen nachhaltigen Eindruck hinterläßt. Die tief ergreifende en; spielt sich auf dem Hintergrunde des römischen senenlee e0. welches wahr und lebendig und mit poetischem

mpfinden geschildert ist.

8 8— Fflustrierter Ozean⸗Führer, mit Berücksichtigung von Orient⸗, Nordland⸗ und Westindien⸗Fahrten, zur Belehrung und Unterhaltung lfür Reisende, Touristen und Se] von Heinrich Lemcke. Leipzig, Verlag von Gustav Weigel. Pr. 5 In angenehm unterhaltender und zugleich belehrender Form ge währt dieses Buch demjenigen, der auf die „dunkle Meerfluth“ sich hinauswagt, die im Zeitalter des Verkehrs alle früheren Schrecken verloren hat, vielseitige Unterweisung über das ihm dabei anzurathende Verhalten. Vorangeschickt ist eine Uebersicht der allmählichen Ent⸗ wickelung des Ozean⸗Dampfschiffsverkehrs, dessen hohe Vervollkomm⸗ nung es dahin gebracht hat, daß, wie in dem folgenden Abschnitt näher ausgeführt wird, Seereisen wegen der heilsamen Ein⸗ wirkung der Seeluft namentlich Nervenkranken und an Schlaf⸗ losigkeit oder Asthma Leidenden jetzt als kräftigende Kuren anempfohlen werden können. Die komfortable Einrichtung der neuesten Ozean⸗Doppelschrauben⸗Dampfer, wie sie in Wort und Bild ge. schildert wird, bietet dazu alle Annehmlichkeiten eines Hotels ersten Ranges, sodaß Kranke dieser Gattung kaum irgend etwas von dem zu entbehren haben, was ihnen ein Kuraufenthalt bietet. Dafür, da sie von der viel gefürchteten Seekrankheit verschont bleiben, ist dur die besondere Bauart der Dampfer der Amerika⸗Linie gesorgt, welche eine so ruhige Gangart haben, daß selbst beim schwersten Sturm die Passagiere dem Uebel selten verfallen. Dem ver⸗ möge seiner Konstitution dennoch dazu neigenden Touristen wird in einem besonderen

Abschnitt der auch über alle sonstigen mannigfachen Vorkommnisse auf einer Meerfahrt belehrende Auskunft ertheilt das Rezept zu einem probaten Mittel dagegen angegeben. Für eine Reihe von Hauptreiserouten: über den Ozean 888 Amerika, durch das Mittelmeer nach dem Orient, nach West⸗ indien und nach dem Nordlande, wird eingehende berathende Aus⸗ kunft ertheilt, während mehrere anzieyend geschriebene Reisebilder zugleich der Unterhaltung dienen. Den des Buchs bilden poetische Beiträge von Emil Rittershaus, Karl Stieler und Ludwig Fäde⸗ denen sich auch der Herausgeber mit einigen gefälligen Gaben

eigesellt hat. 8 8b Das Februar⸗Heft des„ vist difsen Hasthichfn Hehürae blatts“ (früher „Monatsschrift für Forst⸗ und Jagdwesen ), heraus⸗ gegeben von Dr. Franz Baur, o. ö. Professor der Forstwissenschaft an der Universität in München (Verlag von Paul Parey, Berlin; Preis pro Jahrgang 14 ℳ) enthält folgende Originalartikel „Die Bestimmung der Umtriebszeit eines nachhaltigen Normal⸗ waldes nach dem Holzalter, in welchem das Maximum des Boden⸗ erwartungswerths eintritt,“ vom Großh. hess. Ober⸗Forstdirektor Bose, und „Grundsätze zur Berechnung des Höhenwachsthums b6 Nadelhölzer“ von Albert Livén, Forst⸗Ingenieur in Evois, Finland. erner bietet das Heft Mittheilungen aller Art über das Forstwesen, Feun literarische Berichte und Notizen über Personalver nderungen im Forstverwaltungsdienst Preußens und Bayerns.

Kaisers in Friedrichsruh am 26. März 1895, der Ueberreichung des Ehrendegens und aller anderen Ehrungen, die der Monarch dem ersten

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Zweite Beilage

s⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗An

Berlin, Freitag, den 28. Februar

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur deutschen Auswanderungsfrage. (Nach der „Statistik des hamburgischen Staats“, Heft XVII.)

Das kürzlich erschienene Heft XVII der Statistik des ham⸗

burgischen Staats bringt eine ausführliche Arbeit von Dr. W. Beuke⸗ mann über „Die Auswanderung über Hamburg in den Jahren 1887 bis 1894 nebst Beiträgen zur deutschen und internationalen Wanderung“. Die Arbeit greift weit über den Rahmen der hamburgischen Statistik hinaus und ist, wenn ihr auch Widerspruch nicht erspart bleiben wird,

be

der deutschen

i der weiteren statistischen und volkswirthschaftlichen Behandlung Auswanderungsfrage der eingehenden Beachtung sicher.

In Nachstehendem ist der Versuch gemacht, kurz den Inhalt, soweit

er die deutsche Auswanderung,

abgesehen von den spezifisch ham⸗

burgischen Verhältnissen und Interessen, behandelt, einem weitern Leserkreise, als ihn die offiziellen Veröffentlichungen der statistischen Aemter in Deutschland gewöhnlich finden, näher zu bringen.

ök

Ueber die „prinzipielle Frage der Auswanderung“

äußert ssc der Verfasser ziemlich ausführlich. In den neueren national⸗

onomischen Schriften so meint er werde die Auswanderung,

obwohl noch immer entgegengesetzte Urtheile Vertretung finden, „doch überwiegend als unserm Vaterlande nicht schädlich“ erachtet: so u. A. von G. Rümlin (Reden und Aufsätze“), Staatssekretär Herzog (Conrad's Jahrbücher 1886) und Ad. Wagner („Grundlegung“). Dem gegen⸗ über ständen, und zwar in Verbindung mit den zum theil älteren, zum theil neueren Berechnungen über den Werth des Menschen und

den Verlust, den Deutschland die Ansichten von Engel, Wittstein, Lütge, Becker, Janna

ährlich durch die u. A.

Die Beantwortung der Frage, ob es für das Deutsche Reich nützlicher sei, daß Auswanderung stattfinde oder nicht, hänge in .

dem Stande der „Uebervölkerungsgefahr“ ab.

Den Begriff

Uebervölkerung definiert der Verfasser dabei folgendermaßen:

„Uebervölkerung liegt da und dann vor, wenn unter den gerade bestehenden Wirthschafts⸗, Rechts⸗ u. s. w. Verhältnissen nicht alle auf Arbeitsverdienst angewiesenen Arbeitsfähigen auf dem erreichten Niveau der Lebenshaltung angemessenen eigenen Erwerb und Unterhalt finden. Darunter fällt auch der Zustand, in welchem die Arbeitsgelegenheit zwar noch gerade ausreicht, das Einkommen jedoch nicht genügt, um den eigenen Unterhalt, sowie den der zu unproduktiven An⸗ pehneigen und die Leistungen sar die Allgemeinheit zu be⸗

reiten. In diesem Sinne glaubt der Verfasser das Deutsche Reich zur

Zeit als übervölkert bezeichnen zu müssen, womit er aber nicht sagen will, daß es seine Bevölkerung nicht mehr zu ernähren 88. fgüeg unter veränderten Verhältnissen selbst eine weit größere Volksmasse

nicht auskömmlich aufzunehmen vermöchte.

Es komme aber unter

allen Umständen darauf an, daß die Bevölkerung, als Konsument be⸗ trachtet, nicht stärker wachse, als die Menge der ieeeeha Unter⸗

ha

lts⸗, Genuß⸗ und Kulturmittel. Liege hier im besonderen Falle

oder allgemein die Gefahr eines Mißverhältnisses vor, so würde außer etwa noch vorzunehmenden langwierigen agrarischen Reformen, innerer Kolonisation, Schafang neuen Absatzes im Export und dergl. „als

sicher wirkende A

hilfe eine Verminderung der Volkszunahme bezw.

auch der Bevölkerung, sei es durch Abfluß überschüssiger Bevölkerungs⸗ theile, sei es, und zwar als rationellstes Mittel, durch Verminderung der Geburten oder moral restraints nach Malthus) in

Betracht zu zie

en sein.“ Dieses „rationellste“ Mittel erscheint dem

Verfasser praktisch, aber doch nicht leicht anwendbar, wenn man sich auf „sittlich zulässige“ Vorschläge beschränke, und es ist ihm deshalb erklärlich, daß die politisch und geistig leitenden Kreise ihr Augenmerk

in

S

erster Linie oder auch ausschließlich auf jene gleichsam positiven eiten des Gegenstandes richten, insbesondere auf innere dopesitihen

und Becünstigung besonderer Wirthschaftsformen (Rentengüter, Heim⸗

ftstten) Ste elb

gerung des Absatzes (am Weltmarkt), Sicherung des⸗ en durch eigene Kolonien, Handelsniederlassungen u. s. w., Aus⸗

wanderung und Lenkung derselben derart, daß sie gesteigerten Handels⸗ verkehr und vermehrten Absatz inländischer Erzeugnisse 9 nren e stelle.

Ausgewanderten zum

In letzterer Hinsicht, die fortdauernden Beziehungen der alten Heimathlande betreffend,

glaubt der Verfasser die Ansicht Leroy⸗Beaulieu's wiederholen zu sollen, der 1885 sich im „Economiste“ u. a., wie folgt, äußerte: „Die im Auslande wohnenden Deutschen sind nicht für ihr altes Vaterland verloren, ob sie nun die Absicht zurückzukehren haben und ihre Natio⸗ nalität bewahren, oder ob sie in der Völkerschaft, bei welcher sie sich

die zeu

niedergelassen haben, aufgehen. bef

Sie bleiben, wenigstens lange Zeit, sten Förderer deutscher Industrie und deutschen Handele⸗ he

gte und freiwillige Commis⸗Voyageurs, entschiedene und willige

Beschützer, zähe und interessierte Verbreiter“ u. s. w.

daß, sofern ni

In der Hauptsache gelangt der Verfasser zu der Ueberzeugung, Hr der Ueberschuß der Geborenen über die N S.

bald zu fallen beginne, was nicht zu erwarten, zumal die Sterblichkeit seit Jahren merklich geringer werde, mit Wahrscheinlichkeit auf eine starke

Auswanderung, und falls dieser Hinderni

bereitet würden, bezw.

usm e wirklich oder vermeintlich günstige Ziele s6 ihr nicht mehr bieten

sollten, auf umfangreichere Arbeitslosigkeit,

erminderung der Löhne

und Abwärtsbewegung der Lebenshaltung als wahrscheinlich zu re⸗

sei.

nen Betrachte man die Ausfuhr des Deutschen Reichs, sch u vech an

Indes eeriteaisen. sowie die Einfuhr, hier namentlich an Rohstoffen

ahrungsmitteln, berücksichtige man ferner, daß dieser Austausch

fast ausschließlich mit fremden souveränen Staaten erfolge, von ihrem

die

Verhalten also wesentlich abhängig sei, so könne man nicht anders als

allgemeine volkswirthschaftliche Lage für „schwierig und gefahrvoll“

ansehen. Ohne unsere entwickelte Handelsflotte, ohne den Eifer und die

nur

Rei

Unermüdlichkeit des würde bnsere Exportindustrie einen

untergeordneten Rang einnehmen und behaupten können. Wir e nunmehr unter Verzicht auf die Wiedergabe einer he höchst beachtenswerther Detailausführungen zur prinzipiellen

dase auf die statistische Bearbeitung der thatsächlichen

rsch uchung gezogen hat, über. ausgegangen,

einungen, welche der Verfasser in den Kreis seiner Unter⸗ Er ist dabei von der berechtigten Ansicht daß, um die deutsche Auswanderung nach anderen

ändern, insbesondere nach den üb erseeischen richtig beurtheilen zu önnen, man auch über die Binnenwanderung innerhalb der Reichs⸗

gren

ze unterrichtet sein müsse. Um diese letztere zu veranschaulichen,

zerlegt der Verfasser das Deutsche Reich in 9 Gebietsgruppen und

theilt aus 4 derselben das Ergebniß der Wanderung nach dem

vom

1) Ost⸗ und Westpreußen,

Stande Er unterscheidet:

1. Dezember 1890 des bieen mit. ommern, Posen, Schlesien,

2) Berlin und Brandenburg,

) Provinz Sachsen, Braunschweig, Anhalt,

4) Hamburg, Sehlenmig olftein Lübeck, Mecklenburg, a

6

In

) Hannover, Hessen⸗Nassau, Lippe, Waldeck, Oldenburg, Bremen, Westfalen und Rheinland, Königreich Sachsen und Thüringen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen⸗Darmstadt, Hohenzollern,

9) Elsaß⸗Lothringen.

st⸗ und Westpreußen, Pommern, Posen und Schlesien

Puprhn im Ganzen 218 748 Personen gezählt, die in den übrigen düriPe gs geboren waren, während die Pegag⸗ im letzteren

272 911 Per

ch 8 mehreshab 8

einen G.

onen betrug, mithin ein Gesammtverlust von 1 054 163 ein an Berlin⸗Brandenburg waren 569 292 Fereneg abgegeben als von da erhalten. Von keiner Gruppe hat Gruppe 1

ewinn zu verzeichnen gehabt.

Berlin⸗Brandenburg hat gegenüber allen Gruppen mit Ausnahme von Elsaß⸗Lothringen einen Gewinn aufzuweisen, von 712 431. Weitaus den größten Antheil davon hat sonach Gruppe 1. Auf diese folgt Gruppe 3 mit einem Verlust an Berlin von 91 970 Personen, Gruppe 7 mit 14 577, Gruppe 6 mit 14 202, Gruppe 5 mit 12 347, Gruppe 8 mit 9028, Gruppe 4 mit 4123. Elsaß⸗ Lothringen erhielt von Berlin⸗Brandenburg 4896 und gab dahin ab 2808 Personen.

Hannover, Hessau⸗Nassau, Lippe, Waldeck, Olden⸗ burg, Bremen hatten Verluste zu verzeichnen an Gruppe 6 (84 306 Personen), an Gruppe 4 (60 204), an Gruppe 2 (12 347), an Gruppe 9 (9096). Sie gewannen aus Gruppe 1 (55 737), Gruppe 7 (47 533), Gruppe 3 (18 902), Gruppe 7 (7961). Der Gesammtverlust be⸗ trug 35 820.

Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Soe hatten Gewinn zu verzeichnen nur aus Gruppe 12 238) und Gruppe 3 (2544). Sie verloren an Gruppe 9 (51 330), Gruppe 5 (47 533), Gruppe 6 (19 498), Gruppe 7 (16 512), Gruppe 2 (9028) und Gruppe 4 (7053), im Ganzen 136 172 Personen.

Was die Wanderungen über die Reichsgrenze anbelangt, so sind diese nicht mit der gleichen Genauigkeit statistisch zu erfassen wie die Binnenwanderungen. Hier lassen die Volkszählungen in den

fremden Ländern den Statistiker arg im Stich. Die Zahlen der in Deutschland lebenden Ausländer sind bekannt, aber die ,a gücnepem

Maße die Zahl der im Auslande lebenden Deutschen. Nach dem vom Kaiserlichen Statistischen Amt gesammelten Material (Statistik des D. R. Neue Folge Band 68. Vierteljahrshefte zur Statistik des D. R. 1894. Stat. Jahrbuch f. d. D. R. 1894) hat Dr. Beukemann, soweit möglich, die Zahlen mitgetheilt, denen wir Folgendes ent⸗ nehmen. Die Zahlen der Ausländer in Deutschland sind dabei durchweg die der Zählung vom 1. Dezember 1890.

Zunächst Europa. In Großbritannien sind (1891) gezählt 53 591 in Deutschland Geborene gegen 15 534 in Großbritannien Geborene, die in Deutschland gezählt sind; in der Schweiz (1888) 94 207 gegen 41 105; in Belgien (1890) 36 547 gegen 10 194; in Frankreich (1891) 83 506 deutsche Staatsangehörige gegen 19 659; in Spanien (1887) 1826 gegen 442; in Dänemark (1890) 31 112 gegen 23 317; in Bulgarien (1893) 473 gegen 67; in Griechen⸗ land 572 gegen 235.

Dagegen lebten deutsche Staatsangehörige in Oesterreich (1890) 99 303 gegen 194 835 Oesterreicher in Deutschland; in Ungarn

1890) 6596 gegen 6706; in Luxemburg (1890) Deutsche dem

eburtsort nach 9925 gegen 12 585; in den Niederlanden deutsche Staatsangehörige (1889) 28 732 gegen 37 055; in Italien (1881) 5221 gegen 15 570; in Schweden (1890) 1622 gegen 10 924; in Norwegen (1891) 616 gegen 2012. Für Rußland sind nur an⸗ gegeben 1890 in St. Petersburg gezählte 13 235 deutsche Staats⸗ angehörige gegen 17 107 in Deutschland gezählte Staats⸗ angehörige. Aus den übrigen europäischen Ländern liegen Zahlen nicht vor, in Deutschland sind als in ihnen geboren 1890 Personen gezählt worden. Im Ganzen dürfte der Deutschlands allen europäischen Ländern gegenüber nicht allzu groß sein.

Dem außerenropäischen Auslande gegenüber stellt sich aber die Bilanz wesentlich anders. Was Asien und Afrika anbelangt, so ist natürlich die Abgabe Deutschlands im Verhältniß zum Zuzuge sehr groß, an sich aber nicht gerade bedeutend. Dagegen sind in Australien schon (1891) 49 681 in Deutschland Geborene gezählt worden gegen 760 Australier in Deutschland. Ausschlaggebend aber ist Amerika. Es wurden gezählt (1890) in den Vereinigten

taaten von Nord⸗Amerika 2 784 894 in Deutschland Ge⸗ borene gegen 17 550 Nord⸗Amerikaner in Deutschland; in Brasilien (1872) 44 087 gegen 1476; in Canada (1891) 27 752 gegen 318; in Argentinien (1887 nur für Buenos Aires) 8225 deutsche Staatsangehörige gegen 391; in Chile (1885) 6808 gegen 379; in Uruguay (1881) 2125 gegen 82 und in Venezuela (1881) 1171 Pgen 107. Aus dem übrigen Amerika liegen Zahlen nicht vor, dort

eborene wurden in Deutschland gezählt 2304.

Alles in Allem stehen den 508 595 in Deutschland ge⸗ zählten Ausländern etwa 3 575 000 im Ausland lebende Deutsche gegenüber; ein Verhältniß wie 14 zu 100. Will man die deutsche überseeische Auswanderung und auf diese kommt es hauptsächlich an näher untersuchen, namentlich in Bezug auf das Reiseziel und die Frequenz der einzelnen Jahre, die Herkunftsbezirke, den Beruf, das Geschlecht und Alter, die Familien⸗ und Einzelwanderung, so muß man die leider gleichfalls nicht erschöpfenden Listen der Aus⸗ und Eingangshäfen zu Rathe ziehen. Ein Bild von dem Umfang und dem nesbäsen der deutschen Auswanderung in den Jahren 1872 bis 1894 mögen Sblen Zahlen der über deutsche, belgische, niederländische vi sen, sowie über Havre und Bordeaux beförderten deutschen

uswa Es wanderten Deutsche aus nach

deutsch. Aus⸗ nach fremden wanderern gingen na Nord⸗Amer. Amerika Welttheilen d. V. Er Linon nüch 123 866 4 684 129 736 95,5 19 179 16324 G 1771

113 872 2 880 97,4

216 440 3 264 98,0

105 014 4 044 95,4

89 962 6 031 92,6 113 046 5 909 94,1 3 561 96,1

8 363 89,88

so b stehe 88,9 8

o bestehen, was ja allgemein bekannt ist, bezüglich der Auswanderungsfre uenz inn erhebliche Unterschiede zwischen denselben. Eine nähere Betrachtung ergiebt aber immerhin Wahrnehmungen, die keineswegs weiteren Felen geläufig sind. Eine starke Auswanderung haben agbesonbere Westpreußen, Pommern, Posen, Schleswig⸗Holstein, Hannover, Mecklenburg, Hamburg, Bremen, Oldenburg, also der ganze Norden mit Ausnahme von Ostpreußen, ferner die Pfale Württemberg sowie auch Baden und Hessen⸗Darmstadt. Daran reihen sich mit mitkleren Verhältnissen Hessen⸗Nassau, Bayern rechts des Rheins und Elsaß⸗ Lothringen. it schwacher Auswandererziffer sind Anhalt, Braun⸗ schweig, Ostpreußen, Schlesien, Provinz und Königreich Sachsen und Thüringen hervorzuheben. Nachstehende kleine Zahlenübersicht wird diese Unterschiede verdeutlichen. Auf 1000 Bewohner kommen Aus⸗ wanderer:

6 in 1881 18986 17,14

00 13,27

9,18 5,30 6,71

1,17 1,47 1,57 1,80 1,58

nderer geben. dden V.⸗St. dem

überhaupt von übrigen

8

Gründe sind, welche die Auswandererziffer eines Bezirks bestimme und wie vorsichtig man bei Schlüssen aus diesen Zahlen sein muß Es gebricht hier an Raum, näher auf die Einzelheiten einzugehen Man muß zufrieden sein, durch solche Zahlen das Interesse etwa weiterer Kreise für die Sache wachzurufen. 8

Auch bezüglich des Berufs der Auswanderer müssen wir un mit einigen wenigen Zahlen begnügen. Die bei dem Kaiserliche Statistischen Amt monatlich und jährlich aus den Hafenplätzen ein laufenden Nachweisungen umfassen den Beruf nicht mit. Es sin

von dem genannten Jahre Nachweisungen aus den beiden deuts

was Bremen anbelangt nähere Erläuterungen vom Verfasse als erwünscht bezeichnet werden. Danach vertheilten sich die Aus wanderer über deutsche Berufe nach, wie folgt:

1891 1892 1893 1894 Landwirthschaft 11 678 14 681 10 728 6 985 3 27 Iadn tn. 10 721

16 761 16 504 15 131 andel und Verkehr 5564 5 172 4 518 5 890 Arbeiter 19 450 28 703 32 324 21 154 Andere Berufsarten 1 504 1 130 1 362 1 630 Ohne Beruf bezw.

26 698 24 819

statistik die oben berührten und noch andere Detailfragen einer gründ lichen Erörterung unterzogen und daraus eine Reihe interessanter Er gebnisse und neuer Gesichtspunkte gewonnen, welche für die gesammt Auswanderungsstatistik gewiß befruchtend wirken werden. Hier gochte kur noch folgende Schlußbetrachtung des Verfassers mit getheilt:

„Ist die wirthschaftliche und politische Lage im Einwanderungs lande eine aussichtsvolle, so ergreift das Bestreben, dorthin auszuwandern alle unbefriedigten Klassen oder Individuen diesseits, und es pflegt ; umfangreichen Auswanderungen zu kommen. Solche Zeiten sind abe auch regelmäßig im Auswanderungslande wirthschaftlich günstige Liegen dagegen hier Gewerbe, Erwerb und Verdienst danieder, so wir ebenfalls der Wunsch allgemein rege, im Ausland eine bessere Stellun da aber zur Ausführung einer überseeischen Reise einig

meisten Bedrängten vorwiegend mittellos ist, so könnte dieser der pprtaug nicht in ausgedehntem Umfange zur kommen. Der Antheil der gewöhnlichen ungelernten gewerbliche Arbeiter müßte in solchen Perioden gerade ein niedrigerer sein, al durchschnittlich. Eine andere Stellung nehmen die landwirthschaftliche Arbeiter ein, deren Lage eine gleichmäßigere ist; denn, ve. die Zeite und Ernten gute und schlechte sein, das Gros der Landarbeiter brauch nicht zu hungern. Des ferneren größten Theil noch gehindert, indem bei einem beträchtlichen Theil ein festes Arbeitsverhältniß mit längeren Kündigungsfristen besteht Auch tritt nicht eine b8aee8 des Arbeitsangebots aus andere Arbeiterklassen in belangreichem Maße ein, unter welchem Uebel vo

es ihnen schlecht gegen, wenn esi nen gut geht.“

Zur Arbeiterbewegung. der Ausstand in einer dortigen Hutfabrik (vgl. Nr. 49 d. Bl.

aufgenommen.

ämmtliche Arbeiter der Holzleisten⸗ Küchenmöb Fnna von Carl Lutze die srlz eingestellt, weil lüch üe5b3 52stündige Arbeitszeit unter Beibehaltung des bisherigen Wochen lohns, abgelehnt wurde. Am Ausstand betheiligt sind etwa 78 Mann 25 Maschinen⸗, 30 Hilfsarbeiter, 17 Tischler und 6 Maler. Aus Karwin berichtet „W. T. B.“: Grubenarbeiter, der in geringer Ausdehnun währte, hat sich gestern früh weiter ausgedehnt allen Karwiner Schächten ist der Betrieb eingestellt, auch in Poremba, Peterswald und Pesgest Ostrau ruht die Arbeit in einzelnen Schächten. In denjenigen Schächten, in denen bisher noch normal gearbeitet wird, befürchtete man für den gestrigen Nachmittag gleichfalls Arbeitseinstellun . Es sind daher Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Rubs⸗ troffken. Die Gendarmen und solche Arbeiter, die an dem Ausstande nicht betheiligt aben, wurden den Ausständigen verhöhnt und die Telephonistinnen in Orlau thätlich angegriffen; zu ernsteren Ruhestörungen ist es in⸗ dessen nicht gekommen. ie Feschare müssen laut polizeili Anordnung zu früherer Stunde schließen und die Telephonstellen fortlaufenden Dienst unterhalten. Aus Troppau wird ferner gemeldet: Auf den Gräflich Larisch'schen Gruben for⸗ dern die Arbeiter eine wöchentliche Auslohnung, 25 % Lohn⸗ erhöhung, Rücknahme der Straflosigkeit der Ausstehen⸗ den, künftige Unterlassung grundloser Kündigungen, Entlassung eines Ingenieurs. Die Forderungen wurden abgelehnt. Das von den Direktoren in einer Konferenz gemachte Zu eeständniß regel⸗ mäßiger Abschlagszahlungen innerhalb der büoberigen Lohn⸗ selodam wird von den Arbeitern nicht acceptiert; sie be⸗ ttehen auf wöchentlicher Abrechnung. Der mit der Bergwerks⸗Inspektion bei der Berghauptmannschaft in Wien betraute Ober⸗X 8.g osef Ferdinger sdar 8— Ausstandsgebiet begeben. bscele ein Bataillon . und Michalkowitz abgegangen. ““

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Durch Verfügung des ünüglich bor 8 rfügung de niglich portugiesi

Innern sind die vihg von Marokko, weesiscen geeh. weren ee „rein“ von olera, der Hafen von Pernambuco für von Gelbfieber „verseucht und die übrigen Häfen der gleichnamigen für dieser Krankheit „verdächtig“ erklärt worden. (Vergl. „R.⸗

nz.“ Nr. 305 3. Ienn 8 r 1. aeg 8) und Nr. 310 vom 31. Dezember v. J., sowie

1 8 Handel und Gewerbe. 1

rägliche Wagengestellung für Koh! 8 An der Rnhe ndah dannd 5 S sc etnnn gestellt keine Wagen. m 27. d. M. gestellt 11 651, nicht rechtzeitig

In Obersch b sind am 26. d. M. gestellt 4318, nicht recht⸗

zeitig gestellt keine Wagen.

E“

Aus Brandenburg a. H. wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß durch Vergleich beendet worden ist; die Arbeit wurde gestern wieder

aber für 1890 besondere Erhebungen veranlaßt worden, und es en

Auswanderungshäfen Hamburg und Bremen vor, bei denen freilich

ittel gehören und die breite untere Schicht der wirthschaftlich am erade aus“ usführung

ist ihre Bewegungsfreiheit zum

allem die vorgenannten ungelernten und sog. Gelegenheitsarbeiter von seiten aller möglichen Berufsarten gerade in den schlimmsten. Zeiten so sehr zu leiden haben. Die Quintessenz dieser Darlegung würde sein: Aus den noch etwas Besitzenden der ver⸗ schiedenen Erwerbsstände wandern am meisten aus, wenn eht; aus den besitzlosen Arbeitern da⸗

In Adlershof bei Berlin haben nach demselben Blatt gestern

Ein Aus stand der

8