Landwirthe auf die Kammer beschlossen worden ist, bestärkt die Zuversicht, daß das in einer langen, freien Vereinsthätigkeit ge⸗ schaffene Gute sich mit den Vortheilen der neuen korporativen Aus⸗ gestaltung des landwirthschaftlichen Berufsstandes verbinden wird, ohne eine zeit⸗ und sachgemäße Entwickelung der landwirthschaftlichen Einrichtungen für die Zukunft zu erschweren. 1“
Die für landwirthschaftliche Meliorationen seit einigen Jahren bewilligten Beihilfen werden, wenn Sie die Vorschläge des Provinzial⸗ Ausschusses gutheißen, eine weitere dankenswerthe Vermehrung er⸗ fahren, und infolge der Verständigung, welche über die Verwendung der von Staat und Provinz gemeinsam zu Meliorationszwecken zur Verfügung gestellten Mittel erzielt ist, wird sich eine neue Quelle der Förderung des landwirthschaftlichen Betriebs eröffnen.
Mit Hilfe des von Ihnen bewilligten Fschustes har im ab⸗ gelaufenen Jahre die Münsterwalder Eindeichung in ihrem oberen
heile ausgeführt werden können, und da durch den bisherigen Verlauf des Eisgangs und des Frühjahrshochwassers die neuen Anlagen eine Beschädigung nicht erfahren haben, so erscheint die Annahme begründet, daß in diesem Jahre das Werk, welches die Münsterwalder Niederung vor weiterer Zerstörung schützen soll, zur Vollendung gelangt.
Eine ähnliche Angelegenheit wird Ihrer Beschlaeac jetzt unter⸗
reitet, und im Interesse der schwer gefährdeten Nassauer Niederung erscheint der Wunsch gerechtfertigt, daß die gegen die Betheiligung der Provinz an. ihrer Bedeichung bestehenden Bedenken gehoben werden möchten. . 3
ür den Ausbau des Chausseenetzes hat die Provinzialvertretung
allezeit erhebliche Opfer gebracht, welche ihr in allen Theilen der Provinz eine dankbare Anerkennung gesichert haben, und daß auch in der gegenwärtigen Tagung der Landtag auf dem mit so großem Erfolg beschrittenen Wege fortfahren wird, unterliegt wohl kaum einem Zweifel. Je näher das Ziel, welches der Landtag hinsichtlich der Aufschließung der Provinz durch Kunststraßen sich gesteckt hat, ge⸗ rückt ist, von desto größerer Bedeutung für die Fi des Verkehrswesens erweist sich jetzt die Vorlage über die Kleinbahnen. Nachdem der Staat seine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben hat, nicht allein den Bau von Kleinbahnen zu unterstützen, sondern auch noch weitere Stammbahnen auszubauen, welche für Kleinbahnen die geeigneten Ausgangs⸗ und Verbindungspunkte darbieten, erscheint der Zeitpunkt gekommen, die Organisation dieses wichtigen, einer be⸗ “ Entwickelung fähigen Verkehrsmittels in die Hand zu nehmen. So bieten auch die bevorstehenden Berathungen eine reiche Ge⸗ legenheit, das Wohl der Provinz zu fördern. In dem bewährten Vertrauen, daß dieses hohe Ziel Ihre Beschlüsse wie bisher leiten wird, erkläre ich im Allerhöchsten Auftrage den XIX. Provinzial⸗Landtag für eröffnet.
Stettin, 3. März. Der XXII. Provinzial⸗Landtag der Provinz Pommern wurde heute durch den Königlichen Ober⸗Präsidenten, Staats⸗Minister von Puttkamer mit folgender Ansprache eröffnet:
Hochgeehrte Herren! Nachdem des Kaisers und Königs Majestät Allergnädigst geruht haben, den XXII. Pommerschen Provinzial⸗Landtag auf heute zu be⸗ rufen, habe ich die Ehre, Sie beim Beginn Ihrer diesmaligen Sitzungen willkommen zu heißen.
Sie haben sich seit Ihrer letzten Tagung in Ihrem altehr⸗ würdigen Landhause durch einen ebenso zweckmäßig wie schön ge⸗ stalteten Umbau ein neues behagliches Heim geschaffen. Es gereicht
mir zur besonderen Genugthuung, Sie zu dem Einzuge in diese glänzenden Räume zu beglückwünschen und dabei der zuversichtlichen . Frwartung Ausdruck zu geben, daß der Geist einträchtigen Zusammen⸗ wirkens, hingebender Thätigkeit für das Wohl unserer Provinz und weiser Wirthschaftlichkeit, wie bisher, so auch ferner an dieser neuen Stätte die Arbeiten des Provinzial⸗Landtags begleiten wird. 1 Auch im verflossenen Jahre ist Ihnen der Verlust werther Mit⸗ glieder nicht erspart geblieben; ihr Gedächtniß wird unter Ihnen und in der Provinz in Ehren fortleben. Die Wahlen zur Landwirthschaftskammer, zu deren Einsetzung Sie in der vorigen Tagung Ihre Zustimmung gegeben haben, sind vollzogen, und wird die Kammer noch im Laufe dieses Monats zur Ervöffnung ihrer Thätigkeit einberufen werden. Das Kleinbahnwesen ist in fortschreitender Entwickelung begriffen. Ein Netz von annähernd 700 km ist theils vollendet und dem Be⸗ triebe übergeben, theils im Bau begriffen. Die Provinz hat sich hieran mit einem Kapital von nahezu 5 Millionen Mark betheiligt, wovon 4 Millionen bereits zur Zahlung gelangt sind. Die Verhand⸗ lungen mit der Königlichen Staatsregierung wegen Unterstützung einzelner besonders bedürftigen Unternehmungen aus dem Fünf⸗ Millionen⸗Fonds dauern noch fort. 2
Die wohlthätigen Wirkungen der Kleinbahnen auf den öffentlichen Verkehr sind schon jetzt unverkennbar hervorgetreten. Die finanziellen Betriebsergebnisse sind zwar noch nicht überall als befriedigende zu bezeichnen, indessen darf von der Zukunft auch in dieser Beziehung eine gedeihliche Entwickelung erwartet werden.
Ihr vorjähriger Beschluß wegen Vorlegung eines Gesetzentwurfs,
betreffend die Heranziehung von Fabriken, Ziegeleien und anderen industriellen und gewerblichen Etablissements zu Vorausleistungen für den Wegebau, hat in der gewünschten Fassung die Genehmigung der Herren Ressort⸗Minister nicht finden können, indem dieselben daran festhalten, daß dergleichen Vorausleistungen zu der Unterhaltung von Kunststraßen, auf welchen Chausseegeld erhoben wird, nicht zuzulassen sind. Es wird Ihnen in diesem Sinne eine anderweite Vorlage zu⸗ gehen, auf deren Annahme die Verwaltung rechnen zu dürfen glaubt.
Der unzulängliche Zustand der beiden Provinzial⸗Irrenanstalten zu Rügenwalde und Stralsund hat den Entschluß zur Reife gebracht,
Ihnen den Vorschlag zu unterbreiten, unter Auflösung dieser beiden Anstalten an einem geeigneten Ort eine neue Anstalt zu errichten, wodurch zugleich die Möglichkeit geschaffen werden wird, die Anstalten zu Lauenburg und Ueckermünde von diesen beiden zuletzt erwähnten Kategorien an Kranken in zweckmäßiger Weise zu entlasten.
Es soll dabei nach Möglichkeit auf die Bedürfnisse und Interessen der Universität Greifswald Rücksicht genommen werden.
Die Mittel zur Ausführung dieses Plans sollen aus der Anleihe von 4 Millionen Mark bestritten werden, um deren Bewilligung Sie angegangen werden. Diese Anleihe soll zugleich die Mittel für eine Reihe anderer nothwendiger, meist von Ihnen bereits bewilligter Aus⸗ gaben, namentlich auch für Zahlung des Provinzialbeitrags von 400 000 ℳ zur Vertiefung der Schiffahrtsstraße zwischen Stettin und Swinemünde, hergeben.
Es wird Ihnen ferner eine Vorlage zugehen, betreffend die Ab⸗ änderung des Reglements für die Verwaltung des Meliorationsfonds, welche die Möglichkeit schaffen soll, die Bedingungen für die Be⸗ willigung von Beihilfen aus diesem Fonds für die Betheiligten günstiger zu gestalten.
Desgleichen werden Sie gebeten, Ihre Zustimmung zur Er⸗ näßtgun des Zinsfußes für die aus der Provinzial⸗Hilfskasse ge⸗ währten Darlehne zu ertheilen.
Auch wird Ihnen anheimgestellt werden, die durch Beschluß vom 6. März v. J. übernommene Bürgschaft für einen der Pommerschen Landgenossenschaft von seiten der Seehandlung gewährten Kredit auch der Zentral⸗Genossenschaftskasse gegenüber auszusprechen, soweit diese Bürgschaft von der Seehandlung nicht in Anspruch genommen wird.
Der Ihnen zur Prüfung und Genehmigung zugehende Entwurf des Provinzialhaushaltsanschlags für 1896/97 ist unter Berücksich⸗ tigung einerseits der gebotenen Sparsamkeit, andererseits der Be⸗ Uerdicnns driagen den ieih für welche die S e zu sorgen
sestellt, daß es e nicht vhden. iner Erhöhung der Provinzialabgaben
ie großen Heeresübungen, welche im verwichenen Herbst unter den Augen Seiner Majestät des Kaisers und Königs dr Seiner erhabenen Verbündeten in unserer Provinz stattfanden, haben der Be⸗
“ 2*. Feseinil Hcbth og die freudig begrüßte
8 „sowohl durch begeisterten Empfang de Gäste, als auch durch opferwi FE ve beh.e
8 — 1
g der Leistungen für die
Truppen ihre Anhänglichkeit an die erhabene Person unseres Aller⸗ gnädigsten n und ihre Liebe zu unserem herrlichen Kriegsheer aufs neue zu bethätigen.
Indem ich Sie, geehrte Herren, einlade, in Ihre diesmaligen Arbeiten mit bewährtem Eifer einzutreten, erkläre ich im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs den XXII. Pommerschen Provinzial⸗Landtag für eröffnet!
Unter dem Vorsitz des Alters⸗Präsidenten, Amtsvorstehers und Hauptmanns a. D. Wolff aus Bredow brachte die Ver⸗ sammlung zunächst ein begeistertes Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus und wählte sodann den Wirk⸗ lichen Geheimen Rath von Köller⸗Kantreck zum Vor⸗ sitzenden und den Geheimen Regierungs⸗Rath, Ober⸗Bürger⸗ meister Haken zu Stettin zum Stellvertreter des Vor⸗ sitzenden. Die Gewählten nahmen die Wahl an. Nach der Wahl der Schriftführer und Feststellung der an⸗ wesenden Mitglieder durch Namensaufruf erfolgte die Bildung der Abtheilungen, die Mittheilung des Vorsitzenden über die vorliegenden Geschäftssachen und deren Vertheilung in die Abtheilungen. Schließlich wurden Wahlprüfungen vor⸗ genommen.
Bavyern.
Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent wird bei den Krönungsfeierlichkeiten in Moskau durch Seine Königliche Hoheit den Prinzen Ludwig vertreten werden. Prinz Ludwig wird, wie die M. „Allg. Ztg.“ mittheilt, von seinem persönlichen Adjutanten, Hauptmann Freiherrn von Laßberg, dem zur Dienstleistung kommandierten Premier⸗ Lieutenant Freiherrn von Leonrod, dem General⸗Adjutanten, General⸗Major Grafen Lerchenfeld und dem bei der bayerischen Gesandtschaft in Berlin kommandierten Premier⸗Lieutenant des 1. Chevauxlegers⸗Regiments Freiherrn von Axter begleitet v 8 X“
v“
Die Zweite Kammer gab gestern zu dem geplanten Neubau eines Ständehauses ihre Zustimmung, erklärte sich mit den Vereinbarungen, die zwischen dem Ministerium des Königlichen Hauses und dem Finanz⸗Ministerium über die Erwerbung des Brühl’schen Palais und über die Ab⸗ findung an die Königliche Zivilliste getroffen worden sind, ein⸗ verstanden und bewilligte, abweichend von der Vorlage, zur Erfüllung dieser Vereinbarungen und als erste Baurate 3 Millionen Mark. Zugleich beschloß die Kammer, eine aus sechs Mitgliedern bestehende Stäaͤndehausbaudeputation, deren Mandat erst mit Beginn des nächsten Landtags erlöschen soll,
Die Besserung in dem Befinden Seiner Durchlaucht des Fürsten hält an. b Elsaß⸗Lothringen. 8
In der gestrigen Sitzung des Landesausschusses wurde die Frage der Einfühtung des Reichsgesetzes, betreffend den Unterstützungswohnsit, in Elsaß⸗ Lothringen eingehend erörtert. Von säͤmmtlichen Rednern wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, erklärt, es muüͤsse der Ein⸗ führung der obligatorischen Armenpflege mit aller Kraft entgegengearbeitet werden. Das bestehende System habe sich allgemein bewährt. Durch die Einführung des Unter⸗ stützungswohnsitzes werde Elsaß⸗Lothringen gegenüber den anderen Bundesstaaten schwer belastet werden. 10 000 Elsaß⸗ Lothringern, die im übrigen Deutschland sich befänden, ständen mehr als 100 000 aus Altdeutschland in Elsaß⸗Lothringen Eingewanderte gegenüber. Sämmtliche Redner erkannten aber auch an, daß etwas geschehen müsse, um der im Jahre 1894 im Reichstage gefaßten Resolution und den von den anderen deutschen Staaten geführten Klagen ge⸗ recht zu werden. Die Kommission hatte vorgeschlagen, es solle die Regierung ersucht werden, für die Bei⸗ behaltung der gegenwärtigen Armengesetzgebung einzutreten. Um aber die Nachtheile der Nichteinführung des Unterstützungs⸗ wohnsitzes auszugleichen, solle ein Kredit verlangt werden, welcher ausreiche, den Staatsangehörigen anderer Bundes⸗ staaten die gebührende Unterstützung gewähren zu können. Der Staatssekretär von Puttkamer betonte auf das be⸗ stimmteste die Dringlichkeit der Angelegenheit. Eine Reichs⸗ tagsresolution liege vor. Von Preußen und den anderen Bundesstaaten werde auf Erledigung gedrängt. Der Vorschlag der Kommission weise den Weg, auf welchem vielleicht die Einführung des Unterstützungswohnsitzes durch Reichsgesetz erreicht werden könne. Es müsse aber unbedingt auf Er⸗ ledigung der Frage gehalten werden. Die Angelegenheit wurde darauf an die Kommission zurückverwiesen, welche
sti neue Vorschläge machen soll.
Oesterreich⸗Ungarn.
Die Leiche des Erzherzogs Albrecht Salvator ist, Fhr von den Brüdern des Verstorbenen, den Erzherzogen eopold Salvator und Franz Salvator, gestern Abend 10 Uhr in Wien auf dem Südbahnhof eingetroffen und mit dem üblichen Zeremoniell nach der Pfarrkirche der Hofburg über⸗ geführt worden.
Im österreichischen Abgeordnetenhause erklärte gestern bei der Berathung des Etats des Finanz⸗Ministe⸗ riums der Finanz⸗Minister Dr. von Bilinski in Betreff der Ueberschüsse: Der Staat müsse einen Fonds haben, der rouliere. Bei der Vorlage des nächsten Budgets werde die Frage der Gebahrungsüberschüsse zur Erledigung gelangen. Die Regierung wünsche die Annahme der Steuerreform und werde dafür sorgen, daß dieselbe zu gelegener Füt vor das Haus komme. Bezüglich der Grundsteuer sehe die Regierung einen Nachlaß von einer Million als aus⸗ reichend an, habe sich aber zu einer Erhöhung auf 1 ½ Mil⸗ lionen bereit finden lassen. Die Interessen der Landwirth⸗ schaft bedürften einer größeren Regierungsaktion zu ihren Gunsten; allein die Regierung müsse für eine entsprechende Verzinsung des zu verwendenden Kapitals sorgen und dürfe in den laufenden Einnahmen nicht beengt werden, wenn sie etwas für die Landwirthschaft thun solle. Eine Erhöhung der Branntwein⸗ und Biersteuer müsse die Re⸗ gierung “ beabsichtige aber, aus diesem Ertrag namhaft u Gunsten der Landesfinanzen beizusteuern. Betreffs der
erstaatlichung der Nordwestbahn sei die Regierungsvorlage für den Staatsschatz sehr günstig. In der Ausgleichsfrage müsse die Rücksicht auf die Gerechtigkeit und auf die Einheit⸗ lichkeit der Monarchie maßgebend sein. Drei Gesichtspunkte
“
1
seien von entscheidendem Einflusse: 1) Die und das Parlament Oesterreichs müßten die wirthschaftlichen behalten, und die Regierung hoffe, füllung dieser Pflicht erbringen zu können.
berechtigten
liche Interesse beider Reichshälften an der Aufrechthaltung des Zoll⸗ und Handelsbündnisses spreche mit Ent⸗ schiedenheit dafür, daß keines der Parlamente, keine
der Regierungen auf eine Scheidung der Reichshälften hin⸗ Durchkreuzten sich die Interessen bezüglich so erfordere dies einen Ausgleich derselben und hierzu Ruhe und Geduld.
ie Zeit der parlamentarischen Kundgebungen für die Kündi⸗ gung sei noch garnicht so weit vorgeschritten; das beiderseitige Kündigungsrecht sei nicht zum Zweck der Drohung auf⸗ genommen; denn selbst im Kündigungsfall blieben die wichtigen
könne. ersten Gesichtspunkte,
wirken der beiden
sesgrrna und die für die Einheit sprechenden wirth⸗
chaftlichen Interessen bestehen. Da es eine Art B 1
keit für die Monarchie sei, daß der Ausgleich auf Grund wir licher, ehrlicher Gerechtigkeit zu stande
Regierung nur an ihre denen Ungarns in ein gerechtes Einvernehmen zu Der Minister schloß mit dem Appell an das
gerechten Abkommen zu gelangen. Das die Zeit abwarten, wo die Urtheile unterbreiten werde.
Das ungarische Unterhaus hat gestern den Vor⸗
das Handels⸗Ministerium mit großer der Abstimmung über den erste Absatz des
anschlag für Mehrheit angenommen. Bei Antrag Kossuth wurde der
reich) gegen die Stimmen der äußersten Linken und der
Nationalpartei, und der zweite Absatz des Antrags (selbst⸗ ständiges Zollgebiet) gegen die Stimmen der äußersten Linken abgelehnt. Hierauf wurden auch der Antrag Josef Molnar, Für letzteren
sowie der Antrag Apponyi abgelehnt. stimmte die gesammte Opposition, welche unter großem Lärm die Gegenprobe verlangte. Als der Präsident die⸗ selbe vornehmen ließ,
Gegenprobe. Der Präsident erklärte, da auseinandergehende Meinungen sich kundgegeben hätten, werde er die betreffenden
Paragraphen der Geschäftsordnung in nächster Zeit zur allge⸗
meinen Berathung stellen. 8
Großbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses stellte Samuel Smith einen Antrag, worin er der tiefen Theil⸗
nahme an den Leiden der christlichen Bevölkerung in der asiatischen Türkei und dem Wunsche Ausdruck gab, daß weitere Schritte gethan würden, um das Loos derselben zu verbessern. Der Antrag wurde von Kennaway unterstützt, von Sir Ashmead Bartlett enischieden bekämpft. Sir E. Grey
bemerkte: das europäische Konzert habe nichts Gutes erreicht und habe auch nichts erreichen können. Wenn unter keinen
Umständen Gewalt von einer oder allen betheiligten Mächten 8
angewendet werden solle, und wenn ein selbständiges Vor⸗ ehen Englands ernste europäische Verwickelungen verursacht
aben würde, so sei ein solches selbständiges Vorgehen un⸗ 8 Pforte klar
Aber man müsse doch der machen, daß England nie ein Verwaltungssystem stützen werde, unter dem solche Greuel wie in der möglich seien. Der Parlaments⸗Sekretär des Aus wärtigen Curzon erwiderte: die den Antrag Smith anzunehmen.
möglich gewesen.
durch Waffengewalt E ge geft werden. Fassung des Antrags Smith
Dezember v. J. gegen die Regierung gerichteten heftigen An⸗ klagen vergleichen. Damals habe man danach gelechzt, daß Lord Salisbury von der Forcierung der Einfahrtin die Dardanellen, von
der Abberufung des englischen Botschafters in Konstantinopel und der Entthronung des Sultans reden solle. Solche Ansichten seien hoffentlich jetzt ein für allemal abgethan. Der Botschafter Sir Ph. Currie h außerordentliche Geschicklichkeit, Beharr⸗
lichkeit und Mut Lord Salisbur
Frankreich, welches aus den besonderen Verhältnissen hervor⸗ gegangen sei, und für welches gute Gründe
deshalb die Wiederherstellung des versucht. Dasselbe habe sich aber nicht so wirksam erwiesen,
als man gehofft habe, da Oesterreich⸗Ungarn nur darein habe
willigen wollen, daß die Aktion durch den Sultan und nicht trotz des Sultans erfolge. Rußland habe den Standpunkt verkreten, daß man der Aufregung Zeit lassen solle, sich zu legen, und daß man geduldig den Erfolg der Be⸗ mühungen des Sultans zur Durchführung von Reformen ab⸗
warten solle. Ein isoliertes Vorgehen Englands würde unprak⸗
tisch gewesen sein und das Risiko weiterer Gefahren für die christliche Bevölkerun sowie die Gefahr eines europäischen Krieges in sich ge lossen haben. Obschon keine Bürgschaft dafür vorhanden e 8 Reformprojekt nicht werde ausgeführt werden. Die englische Regierung habe ihr Bestes gethan, um die Lage der Armenier zu bessern, und werde auch in Zukunft ihre Bemühungen nicht einstellen. Der Antrag Smith wurde hierauf ohne besondere Abstimmung angenommen. In der „Queen's Hall“ zu London fand gestern Abend eine große Versammlung zu Gunsten eines Schiedsspruch in den englisch⸗amerikanischen Streitfragen statt. Viele Amerikaner nahmen an der Versammlung theil. Es gelangten Briefe von Gladstone, Balfour, Bryce und Asquith ur Verlesung, in welchen die Genannten ihre Sympathie mit em Zweck der Versammlung zum Ausdruck bringen.
Frankreich.
Der Präsident Faure, welcher sich vorgestern in Toulon auf dem Kriegsschiff „Formidable“ eingeschifft hatte, traf gestern
Regierung
Interessen dieser Reichshälfte im Auge den Beweis der Er⸗ 2) Die berechtigten Interessen der anderen Reichshälfte müßten gleichfalls gewahrt werden; beide Interessen seien gleichwerthig, und es müsse zwischen ihnen ein Ausgleich gefunden werden. 3) Das unendlich wichtige Gesammtstaatsinteresse, das hochwichtige wirthschaft⸗
omme, so denke die Pflicht, die Interessen Oesterreichs mit bringen. e Haus, der Re⸗ gierung zu vertrauen, daß sie die Interessen Oesterreichs energisch vertreten und danach trachten werde, zu einem aus möge geduldig egierung ihre Vorlage seinem
Antrags (Kündigung des Zoll⸗ und Handelsbündnisses mit Oester⸗
entwickelte sich eine stürmische Dis⸗ kussion zur Geschäftsordnung über die Frage, wann und wie die Gegenprobe vorzunehmen sei. Nachdem die Anträge Molnar, betreffend Mehleinfuhr und Mahlverkehr, ebenfalls abgelehnt worden waren, erhob sich abermals eine Diskussion über die
Türkei
Regierung sei bereit, Allein es dürfe daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß, wenn der Antrag von weiteren Schritten zur Besserung der Lage der Armenier spreche, die Regierung darunter verstehe: ein solches Ergebniß könne Man möge die mit den noch im November und
unter schwierigen Verhältnissen bewiesen. abe, als er das Minister⸗Präsidium über⸗ nommen, gefunden, daß das Zusammengehen mit Rußland und
vorgelegen hätten, nicht wirksam genug für den Zweck sei; er habe enropäischen Konzerts
dürfe man doch nicht annehmen, daß das
Vormittag um 9 ¾ Uhr in Cannes ein und wurde bei der Landung von den Behörden empfangen. Auf dem Wege nach dem Stadthause fanden verschiedene Kundgebungen statt unter den Rufen: „Es lebe Faure 1“ „Es lebe Bourgeois!“ und „Es lebe der Senat!“. Nach dem Empfang der Behörden im Stadthause hatte der Präsi⸗ dent eine Unterredung mit Gladstone. Nachdem der Präsident dem Vorüberfahren zahlreicher Nachten beigewohnt hatte, schiffte er sich wieder ein, um die Fühen nach Ville⸗ franche anzutreten, wo die Ankunft am Nachmittag erfolgte. Gleich nach der Ausschiffung begab sich der Präsident Faure nach Nizza, wo er, von der Bevölkerung warm begrüßt, zu⸗ erst auf der Place Massena die Garnison besichtigte und alsdann die Hospitäler besuchte. Bei der Besichtigung ereignete sich ein Zwischenfall, indem zwei junge Leute, welche sich durch fortgesetztes Pfeifen bemerkbar machten, unter dem Beifall der Menge verhaftet wurden.
Italien.
Der König ist gestern Nachmittag von Neapel nach Rom zurückgekehrt und am Bahnhof von allen Ministern und den Spitzen der Behörden empfangen worden. Im Laufe des Nachmittags hatte der König eine Konferenz mit dem Minister⸗Präsidenten Crispi und Abends eine lange Unter⸗ redung mit dem Präsidenten des Senats Farini.
Der Prinz von Neapel trifft heute Vormittag in Rom ein. —
Gestern Mittag trat der Ministerrath zusammen, um über die Lage zu berathen. Dem „Popolo romano“ zufolge hätte das Kabinet beschlossen, nicht zu demissionieren, sondern vor die Kammer zu treten und das Verhalten der Regierung in der afrikanischen Angelegenheit auseinanderzusetzen. In Betreff der militärischen Maßnahmen werde das Kabinet die Forderungen des Generals Baldissera, welcher heute in Massowah ankomme, abwarten. Der Minister⸗Prä⸗ sident Crispi habe diesen Entschluß dem König vorgetragen und Allerhöchstderselbe ihn gebilligt.
Die hervorragendsten Mitglieder der Opposition traten gestern unter dem Vorsitz di Rudini'’s ebenfalls zu⸗ sammen. Wie die „Opinione“ berichtet, habe in der Ver⸗ sammlung die Ansicht vorgeherrscht, man müsse Alles be⸗ willigen, aber einem anderen Ministerium. Der „Tribuna“ zufolge habe dagegen die Versammlung beschlossen, aufs neue zusammenzutreten, um mittels einer Adresse an den König, falls nicht das Parlament zusammentreten sollte oder das Kabinet zurückträte, Einspruch zu erheben.
Die aus Afrika eingetroffenen Nachrichten haben in Rom einen schmerzlichen Eindruck gemacht, doch ist die Stimmun des Publikums im Ganzen gefaßt. „Tribuna“, „Fanfulla“ un „Esercito“ haben Extrablätter veröffentlicht, worin sie einstimmig dem Vertrauen Ausdruck geben, daß das Land sich stark zeigen werde. In Rom eingetroffene Privatdepeschen berichten von Kundgebungen, welche gestern Abend und während der letzten Nacht anläßlich der Nachrichten aus Afrika in einigen Städten, namentlich in Mailand, stattgefunden hätten. Das Militär habe die Manifestanten in Mailand zerstreut, wobei mehrere Leute verwundet worden seien; ein Arbeiter sei in der Nacht an den Wunden gestorben. Auch in Rom war für gestern Abend eine Kundgebung geplant, sie wurde aber sogleich verhindert.
Anläßlich des Jahrestags der Krönung des Papstes fand gestern in der Sixtinischen Kapelle eine feier⸗ liche, von dem Kardinal Vanutelli zelebrierte Messe statt, welcher der Papst beiwohnte. Der Papst wurde bei seinem Erscheinen in der Kapelle und beim Verlassen derselben von der Menge lebhaft begrüßt. Das Tedeum, welches gestern Nachmittag in der Peterskirche stattfinden sollte, wurde, wie „W. c. F⸗ berichtet, wegen der aus Afrika eingetroffenen
Nachrichten auf nächsten Sonntag verschoben
Belgien. “ Dem Brüsseler „Vingtième Siscle“ zufolge soll der außer⸗ ordentliche belgische Gesandte beim Vatikan de Bounder de Melsbroeck abberufen und durch den Baron Max d'Erps, den früheren Gesandten in Teheran, ersetzt werden. 8
Türkei.
Die Gesandtschaft, welche sich zu den Krönungs⸗ feierlichkeiten nach Moskau begiebt, wird, nach einer Meldung des „W. T. B.“, aus dem fruͤheren Botschafter in Paris Zia Pascha und fünf Würdenträgern bestehen.
Die serbisch⸗türkische Konsularkonvention ist ratifiziert worden.
Griechenland.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, auf eine Anfrage der Minister des Aeußern Skuzes: die Nachricht von der De⸗ mission Karatheodory scha 2 sei richtig, er wisse aber nicht, ob der Sultan die Demission angenommen habe.
Amerika.
Der Senat hat, wie „W. T. B.“ aus Washington erfährt, die von dem Repräsentantenhause angenommene Resolution, betreffend die cubanische 85 dem Ausschuß für auswärtige eagelegenbetes überwiesen.
Der „Times“ wird aus New⸗York gemeldet, dort ein⸗ Fteosf hen Telegrammen aus Washington zufolge sei die
timmung des Kabinets und der de Kreise dem Vorgehen des Kongresses bezüglich Cubas entschieden abgeneigt. Die Promptheit, mit der der spanische Minister⸗Präsident Canovas del Castillo sein Bedauern über die Vorgänge in isels zum Ausdruck gebracht, habe einen guten Eindruck gemacht.
Der britische Botschafter in Washington Sir J. Paunce⸗ fote und der venezolanische Gesandte daselbst Andrade sind zur Regelung der Puruari⸗Frage in direkte Verhand⸗ lungen eingetreten.
Der Madrider „Imparcial“ berichtet aus Havanna: die dortige Bevölkerung lege den Beschlüssen des Senats und des Repräsentantenhauses er Vereinigten Staaten keine Bedeu⸗ tung bei. Der General Weyler habe an die Regierung 1e. die Entsendung der angebotenen Verstärkung von 25 ann sei nicht nöthig.
Eine in New⸗York eingetroffene Depesche aus Managua meldet, die Regierungskruppen von Nicaragua hätten die Aufständischen nach sechsstündigem Kampfe bei Matearis und Nargoto geschlagen und ihnen einen Verlust von 500 Todten und Verwundeten beigebracht. Mehrere Krupp'sche Kanonen sien in ihre Hände gefallen. Die Aufständischen seien bis La Pacz zurückgetrieben worden.
“
Afrika.
Aus Massowah vom Dienstag erfährt die „Agenzia Stefani“, der Major Salsa habe 1“ daß sich eine Kolonne unter dem Befehl des Majors Amelio in Maihaini gesammelt habe. Major Amelio habe auch sein Bataillon Eingeborene und Abtheilungen aus Serae und Schire bei sich. Das Regiment Diboccart habe sich von Barachit nach Addi Caie zurückgezogen, wo auch die Obersten Stevani und Brusati mit ihren Truppen angekommen seien. Der General Lamberti suche das Opera⸗ tionskorps in Asmara zu sammeln. Spätere Nachrichten besagten, daß die Generale Baratieri und Ellena sowie der Oberst Valenzano in Addi Caie angekommen seien. Das Schicksal der Generale Dabormida, Arimondi und Albertone sei noch unbekannt. General Ellena sei leicht verwundet. — Von gestern wird gemeldet, der General Lamberti sei im Einverständniß mit dem Admiral Turi, welcher interimistisch die Verwaltung der Kolonie übernommen habe, von Massowah nach Asmara abgereist. In der Kolonie herrsche Ruhe. In der Umgebung von Kassala hätten keine feindlichen Bewegungen mehr stattgefunden. Die bei Asmara vereinigten Streitkräfte ständen jetzt unter dem Oberbefehl des Obersten Pittaluga. Heute werde der General Barbieri, welcher gestern Abend auf dem Hochplateau eintreffen sollte, den Befehl übernehmen.
“
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die Sitzung des Reichs⸗ tages und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Se der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und weiten Beilage. — In der heutigen (51.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky und der Minister für Land⸗ wirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein beiwohnten, wurde die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Zuckersteuer, fortgesetzt. Bei Schluß des Blattes sprach Abg. Goetz von Olenhusen (Zentr.).
— In der heutigen (34.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, in welcher der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse zugegen war, wurde die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegen⸗ heiten bei dem Titel „Gehalt des Unter⸗Staats⸗ sekretärs“ fortgesetzt.
Abg. Jansen (Zentr.) befürwortete den Erlaß einheitlicher Vor⸗ schriften über die Fleischschau.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Ich er⸗ kenne die Wichtigkeit dieser Frage an, wenn ich auch nicht darauf ge⸗ faßt war, daß dieselbe bei diesem Titel zur Sprache gebracht werden würde. Daß die Beanstandung einer großen Menge von Vieh gerade im Bezirk Neisse wirthschaftliche Nachtheile mit sich bringt, kann man bedauern, die Veterinärpolizei hat aber das Interesse, alles kranke Vieh zu beseitigen. Eine strenge Kontrole muß sowohl für das ein⸗ geführte Fleisch wie für das inländische Vieh bestehen.
g. von Jazdzewski (Pole): Er habe in seiner Parochie auf das peinlichste dafür gesorgt, daß die deutschen Kinder den Kommunionunterricht in deutscher Sprache er⸗ halten. Der Bericht des Kreis⸗Schulinspektors Brandenburger in Schroda über diese Angelegenheit sei nicht zutreffend. Der Minister behaupte nach diesem Bericht, daß er Füehen, sich geweigert habe, den deutschen Kindern deutschen
ommunionunterricht zu ertheilen. Auf seine telegraphische Anfrage hätten ihm seine beiden Vikare geantwortet, daß die deutschen Kinder separat unterrichtet würden; seine Anordnungen seien also befolgt. ö““ er also vor dem Lande beschuldigt werden, keine Parität zu üben?
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Ich überlasse es dem Hause, zu beurtheilen, ob ich loyal verfahren bin. Als ich die Sache zum ersten Mal erwähnte, habe ich rücksichtsvoller Weise den Namen des Propstes nicht genannt. Ich habe nach dem mir zugegangenen Bericht gesagt, daß an die Kinder polnische An⸗ fragen gerichtet seien, ob sie den polnischen Unterricht verstehen. Ich bedauere, daß die Sache auf das persönliche Gebiet hin⸗ übergetragen ist, ich habe einen Namen nicht genannt. Zugestanden ist die Hauptsache, daß die deutschen Kinder in dem allgemeinen Unterricht polnisch gefragt werden, und das können wir nicht zulassen. Ich muß auch für meine nachgeordneten Beamten eintreten; Herr von Jazdzewski steckt sich heute aber hinter seine Vikare. Persönlich an⸗ greifen wollte ich Herrn von Jazdzewski nicht.
Abg. Szmula (Zentr.) meinte, daß die Angaben des in Oben schlesien sehr angesehenen Pfarrers und Abgeordneten Wolczyk, der die Ver⸗ hältnisse genau kenne, zuverlässiger seien als die Berichte, auf welche sich der Minister bezogen habe. Es handle sich nicht um eine großpolnische Agitation, sondern um rein religiöse Propaganda. Weil ein paar Oberschlesier einmal zur Ausstellung nach Lemberg gegangen seien, spreche man gleich von einer großpolnischen Die Oberschlesier seien ebenso gute Preußen wie der Minister. Der Minister beschuldige sogar Oberschlesien hochverrätherischer, revo⸗ lutionärer Tendenzen. Wenn das der Fall sei, müsse der Minister es dem Justiz⸗Minister zur Bestrafung mittheilen. Nicht ein einziger, auch nicht ein Redakteur in Ober⸗ schlesien sei wegen solcher Tendenzen bestraft worden. Durch einen katholischen Rath im Ministerium würde der Minister ein ganz anderes Bild erhalten als durch die Berichte der Gendarmen. Nicht eine einzige Versammlung sei aufgelöst worden. Warum gebe der Minister nicht an, wer ihm die Berichte darüber erstatte, daß die deutschen Kinder der deutschen Sprache entfremdet würden? Nur durch eine wohlwollende Behandlung der Bevölkerung könne eine Ver⸗ söhnung herbeigeführt werden. 8
Abg. von Jazdzewski hob nochmals hervor, daß er den deutschen Kindern deutschen Unterricht ertheilen lasse, und verwahrte sich gegen den Vorwurf, daß er sich hinter seine Vikare verstecke.
inister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse theilte mit, daß er soeben einen neuen Bericht erhalten habe, wonach der Verfasser seinen früheren Brief vollständig aufrecht erhalte und wenigstens eine Stunde deutschen Unterrichts wöchentlich für seine Kinder beanspruche. Der Minister verlas den neuen Brief.
bg. von Jazdzewski verlas ein ihm zugegangenes Telegramm, in welchem nähere Angaben über die Stundenzahl des deutschen Unterrichts enthalten sind. Er könne einem einzigen Parochianen, auf den sich der Minister beziehe, nicht das Recht geben, in die Unter⸗ richtsverhältnisse einzugreifen. 1 1
Das Gehalt des Unter⸗Staatssekretärs wurde bewilligt.
Beim Kapitel „Evangelischer Ober⸗Kirchenrath“ brachte
Abg. Rickert (fr. Vgg.) die Erlasse des Ober⸗Kirchenraths an die Geistlichen über deren außeramtliches Verhalten zur Sprache. In dem Ihe Erlaß vom 20. Februar 1879 über die Aufgabe der 858 sen Geistlichen gegenüber den sozialdemokratischen Bestre⸗ ungen
als erster Redner der
Gottes sei, sich an der Erörterung sozialpolitischer und wirthschaft⸗ licher Fragen zu betheiligen. Damit sei er prinzipiell einverstanden, aber nicht mit der Veröffentlichung solcher Erlasse; er wolle den Geistlichen dieselbe Freiheit wahren wie den Lehrern. Bei den Wahlen seien allerdings manche böse Dinge vorgekommen, namentlich seitens antisemitischer Geistlicher; ein solcher habe gesagt, die ganze Wählerei stinke nach Revolution; also eine verfa sungemabig gewährleistete Einrichtung! Der zweite Erlaß des Ober⸗Kirchenraths von 1890 stehe mit dem ersten in einem gewissen Widerspruch, er warne nur vor der Theilnahme an der Agitation für eine bestimmte Partei; welche damit gemeint sei, werde nicht gesagt. Der Minister sei aller⸗ dings für diese Erlasse nicht verantwortlich; etwas anders liege es beim 8b Witte. Jeder müsse wünschen, daß diesem schwer geprüften Nanne endlich die verdiente Genugthuung werde. Pastor Witte sei ohne ärztliches Gutachten 1892 vom Konsistorium für Branden⸗ burg für geisteskrank erklärt, erst nachträglich habe der Kreisphysikus bestätigt, daß er an Querulantenwahnsinn leide. Infolge seiner Beschwerden sei er erst zwei Jahre später für völlig gesund erklärt worden durch das Provinzial⸗Medizinal⸗Kollegium. Erst dann habe der Ober⸗Kirchenrath das Disciplinarverfahren eingeleitet, das Pastor Witte längst verlangt hatte, aber merkwürdiger Weise habe er nicht das Brandenburgische Konsistorium „wegen dessen Stellung in der Sache“, sondern das Konsistorium in Breslau damit beauf⸗ tragt. Ein Parteiinteresse habe er, Redner, dabei nicht, denn Pastor Witte sei orthodox, aber ein öffentliches Interesse, daß verhindert werde, daß jemand ohne autoritatives Gutachten für wahnsinnig er⸗ klärt werden könne. Es sei dem Pastor Witte nicht zu verdenken, wenn er auch einmal scharf im Kampfe mit den Behörden aufgetreten süs Redner verlas ein Schreiben des Herrn C. Hoppe zum Beweise für das Ansehen, welches Witte in seiner Gemeinde genieße. Es müsse jeder mitwirken, diesen Mann sei ätigkei 1
(Schluß des Blattes.)
Nr. 8 des „Eisenbahn⸗Verordnungsblatts“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 27. Februar 1896, hat folgenden Inhalt: Allerhöchste Konzessionsurkunde, betr. den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Neustadt O.S. über Zülz und Krappitz nach Gogolin durch die Eisenbahngesellschaft Neu⸗ stadt O.⸗S.— Gogolin, vom 19. August 1895. — Erlasse des Mi⸗ nisters der öffentlichen Arbeiten: vom 19. Februar 1896, betr. Be⸗ stellung des Kommissars für die Ausübung des staatlichen Aufsichts⸗ rechts uͤber die Eisenbahn von Neustadt O.⸗S. über Zülz und Krappitz nach Gogolin; vom 21. Februar 1896, betr. Anrechnung der Militär⸗ dienstzeit auf das Besoldungsdienstalter; vom 22. Februar 1896, betr. Besoldungsdienstalter; vom 22. Februar 1896, betr. pensions⸗ fihige Dienstzeit als Landmesser; vom 23. Februar 1896, betr. Ver⸗ fahren bei Einziehung der Antheile fremder Eisenbahnverwaltungen bei Fahrgelderstattungen. — Nachrichten.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Nach § 217 der Strafprozeßordnung ist neben dem Angeklagten zur Hauptverhandlung der gewählte Vertheidiger dann zu laden, wenn die erfolgte Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. In Bezu auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, II. Strafsenat, dur Urtheil vom 15. November 1895 ausgesprochen, daß die Nicht⸗ ladung des gewählten Vertheidigers nicht ohne weiteres dadurch geheilt wird, daß der nichtgeladene Vertheidiger im Laufe der Hauptverhandlung thatsaͤchlich erscheint und bis zum Schluß der Ver⸗ bandlung als Vertheidiger fungiert. „Die Thatsache, daß der Vertheidiger im vorliegenden Falle noch während der Hauptverhandlung erschien, ist nicht geeignet, den Verstoß gegen § 217 St.⸗Pr.⸗Ordn. unschädlich zu machen; vielmehr würde das Urtheil nur dann auf einer hin⸗ sichtlich der Vertheidigung dem Gesetze entsprechenden Verhandlung beruhen, wenn aus dem Verhalten des Angeklagten ein Verzicht auch auf die Unterlassung der Ladung seines Vertheidigers zu folgern wäre. Letzteres aber würde nur dann statthaft sein, wenn angenommen werden duͤrfte, daß der Angeklagte von einem Antrage auf Aussetzung Abstand nahm, obwohl ihm bekannt war, daß ein solcher Antrag bewilligt werden müßte. Diese Annahme ist indeß hier nicht zu- lässig“. (3774/95.)
— Als Gewerbebetrieb im Umherziehen ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 18. November 18955, nicht zu erachten das Feilbieten von Waaren an einem fremden Ort auf die Aufforderung der Kaufreflektanten, diese Waaren zum Kauf zu bringen; wohl aber liegt ein Gewerbebetrieb im Umherziehen vor, wenn auf die Anfrage des Händlers die bloße Erlaubniß zum Besuch mit seinen Waaren ertheilt worden ist. „Die Bewilligung eines Besuchs zum Zweck der Anbietung von Waaren ist noch keine Bestellung dieser Waaren. Wohl kann die Erlaubniß unter Formen und mit Worten ertheilt werden, die eine wirkliche Aufforderung zum persönlichen Ueberbringen und Anbieten von Waaren enthalten, und in dem Falle, in welchem das Ober⸗Landesgericht München ausgesprochen hat, daß in der Er⸗ theilung solcher Erlaubniß eine Bestellung erblickt werden könne, ist festgestellt, daß der Verkäufer vom Käufer aufgefordert war, ihm eine passende Kuh zu bringen. Es hängt also von den Umständen ab, v als Bestellung aufgefaßt werden kann oder nicht’...
— Bei einem aus Kauf und Schenkung gemischten Ge⸗ schäft ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Zivilsenats, vom 23. November 1895, im Gebiet des Preußischen Allgemeinen Landrechts die für die Schenkung erforderliche Form zu beobachten. „Auch wenn G. (seiner langjährigen Lebensgefährtin) das Grundstück theils verkaufen, theils “ wollte, war die für die Schenkung er⸗ forderliche Form zu beobachten und würde mangels dessen die Auf⸗ aen (von den G.'schen Erben) nicht begehrt werden können.“
/95.)
Verdingungen im Auslande.
Italien.
10. März, 3 Uhr. Artillerie⸗Direktion des Feuerwerks⸗Labora⸗- toriums in Bologna: Lieferung von 8000 kg Kupferbarren. Vor⸗ anschlag 13 600 Fr. Kaution 1360 Fr. Lieferungszeit 50
10. März, 2 Uhr. Artillerie⸗Direktion der Geschützgießerei in Neapel: Lieferung von 4000 kg ausgesuchten Stabeisens. Vor⸗ anschlag 1800 Fr. Kaution 180 Fr. Lieferungszeit 30. Tage.
Spanien.
10. März, 2 Uhr. Stadtverwaltung von Ecya, Provinz Sevilla: Konzession zur Errichtung und zum Betrieb der elektrischen Stadtbeleuchtung für 20 Jahre. Kaution 22 500 Peseten. Näheres bei genannter Verwaltung. 3
14. März. Stadtverwaltung in Plasencia, Provinz Cacéres: Errichtung einer Wasserleitung in Plasencia. Muthma licher Vor⸗- anschlag 113 549,18 Peseten. Kaution 5677,46 Peseten. Ausführungs⸗ zeit 6 Monate. Näheres bei genannter Verwaltung.
25. März. Junta inspectora de las obras del nuevo Ministerio de Fomento: Heizungsanlagen in dem zum Unterrichts⸗ Ministerium bestimmten Neubau in Madrid. Pläne des Gebäudes und Ausführungsbedingungen zur Einsicht im Negociado de con strucciones civiles del Ministerio de Fomento, Calle Atocha 14 in Madrid. Angebote auf Stempelpapier 12. Klasse. Formulare dazu beim „Reichs⸗Anzeiger“.
Niederlande. 17. März. Gesellschaft für den Betrieb der Staatseisenbahnen
age der Ober⸗Kirchenrath, daß es nicht Sache in Utrecht: E
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chtung einer Werkstatt auf dem Bahnhofe von