Ausfuhrvergütung von 4,50 ℳ, 1891/92 von 5,33 ℳ, 1892/93 von 4,27 ℳ, 1893/94 von 4,66 ℳ und 1894/95 von 5,08 ℳ, allerdings in etwas anderer Form als wir gegeben. Oesterreich⸗Ungarn hat 1890/91 die Höhe der Prämie auf 1,90 ℳ, 1891/92 auf 1,92 ℳ, 1892/93 auf 1,88 ℳ, 1893/94 auf 1,80 ℳ und 1894/95 auf 1,94 ℳ bemessen. Sie sehen also, meine Herren, daß unsere Haupt⸗Konkurrenzstaaten außerordentlich viel höbere Prämien geben, und zwar dauernd, als diejenigen sind, die Deutschland zur Zeit zu gewähren beschlossen hat. Und zwar werden diese Prämien nach Vorschrift des Gesetzes nur bis zum 31. Juli 1897 gezahlt, von da ab fallen sie gänzlich fort. Dann würde, falls die jetzige Vorlage oder eine entsprechende nicht zu stande käme, voraussichtlich die fran⸗ zösische und österreichische fortbestehen bleiben und dann würde unsere Zuckerindustrie den Konkurrenzländern, soweit es sich um den Export des Zuckers handelt, schutzlos preisgegeben. So hat sich jetzt bei uns historisch die Zuckersteuergesetzgebung entwickelt, die jetzt vor der Frage steht, wie es mit ihr weiter werden soll. Ich weise nochmals darauf hin: groß geworden ist unser Rübenbau und die Zuckerindustrie durch die Gesetzgebung von 1887 als landwirthschaft⸗ liche Industrie, sie ist dadurch erhalten, sie hat segensreich gewirkt und, nachdem wir zur Fabrikatsteuer übergegangen sind, was ich an sich nicht mißbillige, weil diese Gesetzgebung auch den Gegenden mit leichterem Boden die Möglichkeit gewährt hat, Zuckerrüben zu bauen, sind wir jetzt so weit gekommen, daß wir vor der Frage stehen: was soll geschehen? wollen wir drei Fünftel unserer Gesammtproduktion an Zucker einfach auf dem Weltkonkurrenzmarkt preisgeben, oder will man das nicht?
Meine Herren, grundsätzlich stehe ich auf demselben Boden, auf dem der Herr Abg. Richter steht, der da sagt: der zu erstrebende, der allein gesunde Zustand ist der, daß Deutschland nicht mehr Zucker produziert, wie der inländische Markt aufzunehmen im stande ist. Daß dann das Reich von dieser inländischen Produktion das nimmt, was es zu nehmen berechtigt und befugt ist, und daß im übrigen der Preis des Rohprodukts einfach der freien Konkurrenz auf dem Weltmarkt überlassen wird. Es ist auch gar kein großes Un⸗ glück, wenn sich der Preis auf einem nicht allzuhohen Niveau bewegt, denn dadurch wird der innere Konsum zunehmen, also auch die Mög⸗ lichkeit gewährt werden, die Produktion zu vermehren, und es ist das dann auch gar kein Unglück.
Ja, meine Herren, es ist außerordentlich schön, in der Theorie einen solchen Standpunkt einzunehmen, aber nachdem wir durch unsere Gesetzgebung, wie ich glaube zum Glück und zum Segen der Land⸗ wirthschaft — das werde ich später noch ausführen — die Zucker⸗ industrie und den Rübenbau zu dem jetzigen Umfange entwickelt haben, müssen wir mit der Thatsache rechnen, daß 3 der Produktion auf den ausländischen Markt angewiesen ist und daß, wenn man die jetzige Produktion und die jetzige Industrie nicht auf das tiefste schädigen will, man nicht etwa einen Strich durch diese 1 machen kann und darf. Daraus, meine Herren, folgere ich, daß, wenn das theoretisch richtig ist und ich darin dem Herrn Abg. Richter vollständig zustimmen kann, der Unterschied in unseren beiderseitigen Standpunkten nicht im Prinzip liegt; sondern ich glaube, daß jeder vernünftige Staatsmann und ebenso auch der Reichstag mit realen Verhältnissen rechnen muß, mit der thatsächlichen Lage der Dinge, wie sie gegenwärtig ist, nicht wie man sie sich in der Idee konstruiert. Thun wir das, meine Herren, so müssen wir folgerichtig und in Konsequenz der Anschauung, die Sie durch die Annahme des Gesetzes von 1895 hier im Reichstag mit der Reichsregierung als richtig anerkannt haben, uns von dem Siandpunkte lossagen, den der Herr Abg. Richter mit seiner Theorie und den daraus gezogenen Folgerungen einnimmt. Wir müssen uns auf den Boden der realen Verhältnisse stellen.
Nun, meine Herren, gehe ich zu einer anderen Seite der Sache über. Ich glaube, daß die Gesetzgedung vom Jahre 1887 dem Interesse der landwirthschaftlichen Gesammtentwickelung unseres Vaterlandes den allergrößten Segen gestiftet hat. Denn ich behaupte, die Rübenindustrie und der Rübenbau ist das Rückgrat unserer gegen⸗ wärtigen landwirthschaftlichen Entwickelung. Alle die Fortschritte, die wir in den letzten Dezennien auf dem gesammten landwirthschaft⸗ lichen Gebiet, nicht allein auf den besseren Bodenarten, sondern auch auf den geringeren, auf dem Gebiet der Viehzucht, der Dünger⸗ produktion, auf wissenschaftlichem und auf technischem Gebiet gemacht haben, die sind ausschließlich der Entwicklung der Rüben⸗ kultur und der Rübenindustrie zu verdanken. Darüber, meine Herren, kann man gar nicht zweifelhaft sein, daß beispielsweise, um eins herauszugreifen, die Gründung der Versuchsstation lediglich durch die Rübenindustrie und den Rübenbau ins Leben gerufen ist, daß die Tiefkultur, die doch eine Bedeutung nicht nur für die reicheren, sondern auch für die ärmeren Böden hat, ausschließlich der Rübenkultur ihre Entstehung verdankt (sehr richtig! rechts), daß die Fortschritte, die wir auf dem Gebiet der Untersuchung der Feinde der Landwirthschaft, der Schädlinge gemacht haben, im wesent⸗ lichen auf die Rübenkultur zurückzuführen sind. Wenn der Herr Abg. Richter gestern versucht hat, einen Gegensatz zwischen Süddeutschland und Norddeutschland — Norddeutschland ist vorwiegend beim Rüben⸗ bau betheiligt — zu konstruieren, wenn er die ärmeren Böden den reicheren Gegenden gegenüberstellen will, so hat der Satz, den ich eben aufgestellt habe, daß der Rübenbau und die Rübenindusftrie das Rückgrat unserer ganzen landwirthschaftlichen Entwicklung geworden sind, eigentlich schon diese Behauptung widerlegt, auf die ich gleich noch einmal kommen werde. 1
Aber ich möchte auch einen anderen Punkt kurz streifen. 1Darüber kann doch gar kein Zweifel herrschen, daß der Reichstag und die Reichsregierung den süddeutschen Staaten in der Biersteuer, Brannt⸗ weinsteuer und, wie ich glaube, auf Grund einer viel zu weit gehenden Prägraration Preußens die weitgehendsten Konzessionen gemacht hat (sehr richtig! rechts); dann aber ist es auch eine Ehrenpflicht, wie ich meine, für Süddeutschland, daß in einer Frage, wo vielleicht, was ich übrigens nicht zugebe, der Norden, der preußische Staat mehr wie Süddeutschland betheiligt ist, die füddeutschen Staaten mit diesen
Verhältnissen rechnen. Ich kann nur vollständig unterschreiben, was auch gestern gesagt worden ist: Deutschland ist ein einheitliches Wirthschaftsgebiet, und wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder, und wenn das Rückgrat leidet, leidet der Lebensnerv des ganzen wirth⸗ schaftlichen Körpers, — hier die deutsche Landwirthschaft. Meine Herren, dann möchte ich auf eine Bemerkung zurück⸗ kommen, die Herr Abg. Richter gestern gemacht hat, der ausführte, man habe eine Schaustellung mit der Einberufung des Deutschen
1““ —
Landwirthschaftsraths und des Landes⸗Oekonomie⸗Kollegiums vorge⸗ nommen. Meine Herren, abgesehen davon, daß die Bezeichnung für eine Versammlung von absolut sachverständigen Landwirthen aus der ganzen preußischen Monarchie, — im Landwirthschaftsrathe aus ganz Deutsch⸗ land nach meinem Gefühl niemals als eine Schaustellung, gewisser⸗ maßen als eine Komödie bezeichnet werden darf (sehr gut! rechts), so behaupte ich, meine Herren, daß auf die durchaus sachgemäßen Ver⸗ handlungen der beiden Körperschaften in dieser Frage der allergrößte Werth und die allergrößte Bedeutung zu legen ist. (Bravo! rechts.)
Soweit das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium in Frage kommt, sind mitteldeutsche und östliche Lanwirthe darin vertreten, deren Interessen zweifellos in dieser Richtung vielfach auseinandergehen. Ich werde
achher Gelegenheit nehmen, Ihnen die Resolution mitzutheilen, die das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium einstimmig gefaßt hat und in welcher alle Gegensätze sich ausgeglichen haben. Sie werden dann, glaube ich, doch einer solchen Resolution eine andere Bedeutung als die einer Schaustellung beilegen müssen und wollen. (Sehr gut! rechts.) Nun, im Deutschen Landwirthschaftsrath, wo Süd und Nord, Ost und West gemeinsam tagen, in welchem auch gerade Landwirthe aus solchen Gegenden ver⸗ treten sind, von denen der Herr Abg. Richter sagte, daß sie beim Rübenbau garnicht betheiligt sind, haben sogar die Herren aus Bayern ausdrücklich — das werde ich Ihnen gleich noch nachweisen — ich glaube, aus durchaus begründeten Rücksichten sich für dieselbe Resolution ausgesprochen, die das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium gefaßt hat. Will man auf Interessenvertretungen und deren Anschauungen überhaupt keinen Werth legen, so ist das ja ein Standpunkt; darüber läßt sich streiten. Ich kann dem Herrn Abg. Richter zugeben, daß eine gewisse Ein⸗ seitigkeit bei der Beurtheilung solcher Interessenvertretungen natur⸗ gemäß immer vorliegt. Aber, wenn man Interessenvertretungen hört und sie in einem solchen konkreten Fall gehört hat, wo gerade innerhalb des Schoßes dieser Interessenvertretungen die Gegensätze aufeinanderplatzten, und es kommt trotzdem ein nahezu einstimmiger Beschluß heraus in einer Versammlung von sachkundigen Landwirthen, die diesen Fragen besonders nahe stehen, so glaube ich, ist es doch verkehrt, wenn man einem Gytachten solcher Korporationen jegliche Berechtigung abspricht. (Sehr richtig! rechts.)
Nun, meine Herren, will ich auf ein ganz anderes Gebiet über⸗ gehen. Der Herr Abgeordnete hat gestern unter Angabe von Zahlen allerlei Darstellungen gegeben und daran Schlußfolgerungen geknüpft, die nach meiner Auffassung unzutreffend sind. Ich will mich jetzt be⸗ mühen, auf einem ganz anderen Wege mal Zahlen festzustellen, um an der Hand dieser Zahlen zu prüfen, wie weit die Landwirthschaft unmittelbar bei der Erhaltung des Rübenbaues und der Rüben⸗ industrie betheiligt ist, insofern sie selbst sich damit beschäftigt; ich werde darnach dazu übergehen, zu untersuchen, inwieweit die gesammte Landwirthschaft indirekt beim Rübenbau be⸗ theiligt ist. Nach den Zahlen der Statistik, wie sie sich in der Vorlage befinden, sind in dem letzten Jahre rund 146 Millionen Doppel⸗Zentner Rüben produziert. Ich glaube, es ist unbedenklich, mein Rechenexempel gestaltet sich leichter, wenn ich rund mit einer Produktion von 150 Millionen Doppel⸗Zentnern rechne und daraus meine Schlußfolgerungen ziehe. Durchschnittlich, und ich glaube, hier sind eine ganze große Zahl sachverständiger Landwirthe im Hause, die werden mir das einräumen: durchschnittlich bringt der Morgen 150 Zentner Rüben, das Hektar also 4 150 = 600 Zeatner. Legen Sie diesen Faktor zu Grunde bei der Ausrechnung, wie viel Morgen darnach mit Rüben im Deutschen Reich bebaut sind, so haben Sie 150 in 150 Millionen Doppel⸗Zentner zu dividieren, dann bekommen Sie die Zahl der Morgen, die wahrscheinlich im letzten Jahre mit Rüben bebaut gewesen sind, also 2 Millionen Morgen oder 500 000 ha. Eine Anbaustatistik für das ganze Deutsche Reich ist mir augen⸗ blicklich nicht zu Händen; wie ich zu meiner Zahl komme, habe ich Ihnen dargelegt; ich glaube im, Großen und Ganzen wird sie richtig sein.
Nun macht aber der Herr Abg. Richter einen ganz großen Fehler, indem er nur mit der Zahl der in dem betreffenden Jahr angebauten Morgen rechnet. Daraus ist aber die direkte Einwirkung des Rüben⸗ baues auf die gesammte deutsche Landwirthschaft nicht zu entnehmen. (Sehr richtig! rechts) Denn es steht doch zweifellos fest, daß nicht jedes Jahr auf dem Gesammtareal einer Wirthschaft Rüben gebaut werden können (Zuruf links), sondern daß das nach bestimmtem Turnus wiederkehrt. (Zuruf links.) Und nun will ich einmal einen fünfmaligen Turnus zu Grunde legen und werde dann auch gleich näher begründen, wie ich dazu komme. Also das Areal, was bei dem Rübenbau betheiligt ist, ist zwei Millionen fünfmal, weil, wenn meine Voraussetzung richtig ist, ein Fünftel von dem betheiligten Gesammtareal mit Rüben bebaut wird. Also nicht zwei Millionen Morgen sind es, die direkt betheiligt sind, sondern 10 Millionen Morgen, die bei dem Rübenbau unmittelbar in Betracht kommen. (Sehr richtig!)
Nun habe ich zum Vergleiche das Material der Domänenverwaltung herangezogen. Ich gebe zu, nach den Domänenpachtverträgen ist der Domänenpächter berechtigt, in 6 Jahren dreimal Rüben zu bauen. Also, wenn er davon Gebrauch macht, dann kommt alle drei Jahre das von ihm erpachtete Areal für den Rübenbau in Betracht; mit der Ein⸗ schränkung ist diese Bestimmung getroffen, daß niemand zwei Jahre hinter einander Rüben baut. Aber, meine Herren, mir stehen andere Zahlen zu Gebote, aus denen wenigstens annähernd zu folgern ist, daß nicht alle drei Jahre Rüben gebaut werden. Mir liegen hier Zahlen vor für eine große Zahl rübenbautreibender Domänen, Barby an der Spitze mit 1071 ha, davon jährlich mit Rüben bestellt 303 ha, Schlanstedt mit 736 ha, davon mit Rüben bestellt 233 ha, Hamers⸗ leben mit 519 ha, mit 100 ha lährlichem Rübenbau. Das würde so sein, wie ich schon angegeben habe. Ich glaube deshalb, wenn man beim Privatbesitz namentlich den Kleinbesitz mitrechnet, daß es nicht absolut falsch ist, wenn man sagt: das Fünffache von dem, was jährlich mit Rüben bebaut ist, ist direkt beim Rübenbau betheiligt. Also es ist durchschnittlich ein Gesammt⸗ areal von praeter propter 10 Millionen Morgen unmittelbar beim Rübenbau interessiert.
Nun weiter, wir haben hier in Deutschland 405 Zuckerfabriken. Ich habe mir, um mir klar darüber zu werden, welches Anlagekapital in diesen 405 Zuckerfabriken liegt, einen Ueberblick über die Kosten einer mittelmäßigen und einer außerordentlich großen Fabrik zu verschaffen gesucht. Die kleineren Fabriken kosten annähernd 600 000 ℳ, die größeren etwa 1 ½ Millionen. Ziehe ich daraus den Durchschnitt, — es lassen sich auch bei diesen Zahlen allerdings nach Kleinigkeiten hin Aus⸗
stellungen machen, aber ich glaube, sie sind nicht absolut fehl⸗ gegriffen, — so kann man sagen, im Durchschnitt werden diese 405 Rübenfabriken 405 Millionen gekostet haben. Das ist das Kapital, was unmittelbar angelegt ist in der Zuckerrübenindustrie, bei welcher ich als direkt betheiligt 10 Millionen Morgen rechnen kann.
Nun machen Sie sich klar: wenn die Zuckerrüben⸗ industrie aufhört, eine landwirthschaftliche zu sein, wenn das Kapital sich ihrer bemächtigt und umfangreiche Fabriken anlegt, wenn die Rübenindustrie mehr oder weniger verkracht, wenn namentlich die kleinen Fabriken zu Grunde gehen, was bleibt dann von dem Kapital von 405 Millionen übrig? Repräsentiert das, wenn das nicht mehr zur Rübenwirthschaft brauch⸗ bar ist, dann noch irgend welchen erheblichen Werth? Ich habe im Abgeordnetenhause schon dargelegt, daß im vorigen Jahre in Hannover eine Fabrik, die 600 000 ℳ gekostet hatte, nach 2 Jahren verkrachte; sie wurde verkauft für 75 000 ℳ, nachdem sie 2 Jahre bestanden hatte, weil das in ihr steckende Kapital zu anderen Zwecken nicht mehr zu gebrauchen war. Sie können also aus dieser Zahl allein sich klar machen, welcher Verlust für die landwirthschaftliche Industrie vor⸗ aussichtlich zu erwarten steht, wenn in der Zuckerindustrie ein großer Krach entsteht.
Meine Herren, es sind aber noch kleine Dinge, die da noch in Betracht kommen. Vergegenwärtigen Sie sich einmal, daß eine Wirthschaft mit extensivem Betriebe vielleicht nur den sechsten Theil Betriebskapital nöthig hat, der in einer intensiven Rübenwirthschaft steckt, (sehr richtig! rechts), daß ein großer Theil dieses Betriebskapitals nicht wieder realisierbar ist, daß ein höheres Kapital in den Boden gesteckt ist für Kunst⸗ und Naturdünger für Verbesserungen des Bodens, für Tiefkultur, für Drainage u. s. w., das in dem Umfang für den exten⸗ siven Betrieb garnicht mehr rentabel ist, daß also auch nach der Richtung hin ein bedeutendes wirthschaftliches Kapital, welches im Besitz der Landwirthschaft sich befindet, verloren geht oder in hohem Grade gefährdet wird. Doch ich will noch auf ganz andere Umstände hinweisen. Mit Rücksicht darauf, daß die Landwirthschaft, wo der Rübenbau betrieben wird, zu einem sehr intensiven Betriebe übergegangen ist, hat sie eine Masse von Folgeeinrichtungen getroffen. Mir sind Feldmarken bekannt, wo mit Rücksicht auf den Rübenbau jede Feldmark drainiert ist. — Mir sind Wirthschaften bekannt, wo lediglich mit Rücksicht auf den Rübenbau kilometerlange, ver⸗ legbare Feldgleise angeschafft sind, um die Rüben vom Felde zu entfernen, um den Verkehr mit den Massen⸗ produkten von und nach der Fabrik zu bewältigen. Dieses Kapital ist der Landwirthschaft verloren, wenn entweder die Industrie verkracht, oder wenn sie ihren gegenwärtigen Charakter als landwirthschaftliche Industrie aufgiebt und das Kapital sich der Rüben⸗ industrie bemächtigt.
Nun gebe ich zu, daß der Herr Abg. Richter in der Be⸗ ziehung, wie gewöhnlich, glaube ich, sehr richtig gerechnet hat. Die Vertheuerung, die durch die gegenwärtige Vorlage dem zum Verbrauch kommenden Zucker erwächst, beziffert sich zwischen 4 ¾ bis 5 ₰ für das Pfund, aber wenn der Herr Abg. Richter daraus den Schluß gezogen hat, das wäre eine Vertheuerung von 20 %, so hat er sich, glaube ich, geirrt; nach meiner Rechnung ist das eine Vertheuerung von 10 %, denn das Pfund Verbrauchszucker, also Kandiszucker kostet 50 ₰, vertheuert ist das Pfund um 5 ₰, das sind nicht 20, sondern 10 %. Doch das nur beiläufig; ich komme jetzt aber auf einen mindestens ebenso wichtigen Punkt, als derjenige ist, den ich eben dargelegt habe, nämlich die direkte Bedeutung des Rübenbaues für die Landwirthschaft. Ich wende mich jetzt zu dem mittelbaren Nutzen des Rübenbaues für diesen Berufszweig.
Nun, meine Herren, hebe ich zunächst hervor, bei der Ver⸗ sorgung; mit Fleisch auf unserem deutschen Markt ist kein Theil so stark betheiligt, wie unsere rübenbautreibende Bevölkerung. Die Rübenindustrie bringt außerordentlich viel Futtermittel hervor, die an Ort und Stelle verwerthet werden, und verwerthet werden müssen, weil sie schwer transportabel sind. Darauf beruht eine ganz kolossale Fleischerzeugung, die mit der Rübenindustrie und der Rübenkultur steht und fällt.
Meine Herren, interessant sind folgende Zahlen, die bei Be⸗ rathung des Entwurfs des vorliegenden Gesetzes im Deutschen Land⸗ wirthschaftsrath vom Professor Märcker vorgetragen sind. Ich bitte um die Erlaubniß, diese wenigen Zahlen verlesen zu dürfen. Eine mittlere Zuckerfabrik, die 40 000 Doppelzentner Zucker produziert — ich kann die Zahlen verbürgen — kauft 100—140 bayerische Ochsen alljährlich. Da diese Fabrik für diese Ochsen etwa 600 ℳ pro Stück bezahlt — man wird den Preis nicht immer anlegen, und ich will nur annehmen, daß für jeden Ochsen 550 ℳ in Bavern bezahlt werden —, so wäre das für diese eine Fabrik 66 000 ℳ Nun kommt hinzu, daß diese Zuckerfabrik etwa ½ ihrer Rüben zukauft, und diese werden auch von bayerischen Ochsen bestellt, bearbeitet und nach der Fabrik geschafft. Dadurch erhöht sich der Betrag von 66 000 ℳ auf 99 000 ℳ Und wenn auch, so führt Märcker aus, diese Zahlen für die einzelnen Fabriken größer oder kleiner sind, so ergiebt sich doch dabei, daß bei der Erhaltung der Vieherzeugung für die Zuckerindustrie Bayern, welches bei weitem den größten Theil des Vieh⸗ materials für den Rübenbau liefert, jährlich mit 11 ¼ Millionen Mark be⸗ theiligt ist. Meine Herren, daraus sehen Sie, daß auch indirekt bedeutende Produktionszweige auch in selchen Gegenden aus der Zuckerrübenindustrie erhebliche Vortheile ziehen, welche direkt nicht an ihr betheiligt sind. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, begründen brauche ich nicht, in welchem Umfang die Kohlenindustrie und überhaupt die Montan⸗ industrie bei der Rübenindustrie interessiert sind: keine Fabrik, die nicht einen ganz kolossalen Kohlenkonsum hat! Die drei, auch vier Monate, während deren die Fabriken im Gange sind, treten regelmäßig die Klagen über Waggonmangel auf, weil der Kohlenbedarf der Zuckerfabriken, die Zufuhr von Kalk, die Massen⸗ transporte der Rüben nach den Fabriken und der Abfälle an Futter und Dünger von den Fabriken regelmäßig in Deutschland um diese Zeit eine erhebliche Nachfrage nach Wagen hervorrufen, die oft nicht genügend befriedigt werden kann. Das ist eine feststehende Thatsache.
Meine Herren, nicht bloß die Landwirthschaft ist hierbei stark betheiligt; ich behaupte, die Maschinenindustrie wird auf das schwerste geschädigt, wenn die Zuckerindustrie geschädigt wird. Nicht bloß in der Anlage neuer Fabriken und in der Ver⸗ besserung der bestehenden, sondern auch in der Erhaltung derselben steckt eine sehr bedeutende Arbeit, die nur von der Maschineninduftrie bewältigt werden kann. Aber in noch weit höherem Grade ist ein
ganz anderer Industriezweig bei der Zuckerindustrie betheiligt: das ist die Kunstdüngerfabrikation, der Import von Chile⸗ Salpeter. Mir sind Landwirthschaften, Domanialpachtungen be⸗ kannt, die eigene Schiffe haben, mit denen sie sich Chile⸗Salpeter direkt heranschaffen lassen. Und nun die Dünger⸗ produktion für die intensive Bewirthschaftung in ganz Deutschland! Glauben Sie mir, meine Herren, kracht es in der Rübenindustrie, dann kracht es auch in der Düngerindustrie; denn die Rübenindustrie und die Düngerindustrie hängen auf das engste mit einander zu⸗ sammen. Also, meine Herren, alles mittlere Gewerbe, das kleine Ge⸗ werbe, das Baugewerbe, das Tischlerhandwerk, kurzum, es giebt kaum irgend ein Gewerbe, was nicht auf das engste mit diesen Betrieben verbunden ist.
Meine Herren, aber nun kommt noch ein ganz anderer Gesichts⸗ punkt. Die Rentabilität unserer Eisenbahnen, nicht bloß hier im preußischen Staat, sondern auch in den übrigen Bundesstaaten, in denen eine intensive Landwirthschaft betrieben wird, steht und fällt mit der intensiven Landwirthschaft. Vergegenwärtigen Sie sich einmal, daß in der Provinz Sachsen mit einem Mal die Rübenindustrie aufhört, ja, dann sind doch die Ausfälle an Einnahmen, die als Folge davon der Eisenbahnverkehr in Sachsen erfahren würde, nach Millionen zu berechnen.
Und nun die Arbeiter, inwieweit sind denn die bei dieser Frage betheiligt? Nach meiner Auffassung in ganz exorbitanter Weise. Im Sommer, meine Herren, werden über eine halbe Million Arbei⸗ terinnen, die sonst schwer Beschäftigung finden würden, wenigstens den ganzen Sommer über, beim Rübenbau verwendet, und in den Wintermonaten, wo die Bestellung im wesentlichen erledigt ist, wo es sich nur um den industriellen Betrieb handelt, da werden Frauen und Männer selbst bis in den Februar hinein, und zwar gegen gute Löhne, bei der Anfuhr der Rüben und in den Zucker⸗ fabriken beschäftigt. Und diese Frage behandelt man vollständig gleichgältil! Was wird denn aus denjenigen Gegenden, aus denen man die Arbeiter und Arbeiterinnen alljährlich als Sachsengänger holt? Sind sie im stande, diese Leute während dieser Zeit, wenn sie daheim bleiben, vollständig zu beschäftigen und aus⸗ reichend zu löhnen, wenn auch dort die Landwirthschaft krankt, wenn dort der extensive Betrieb mehr und mehr platzgreift? Und, um⸗ gekehrt, kann die Zuckerindustrie diese Arbeiter und Arbeiterinnen noch aufnehmen, wenn sie zurückgeht? Nein, meine Herren, die Frage verneine ich auf das allerentschiedenste.
Meine Herren, nun will ich einmal eine Reihe von Zahlen mittheilen, für deren absolute Richtigkeit ich einstehen kann, und zwar bin ich im Besitz solcher Zahlen, weil ich an der Spitze der preußischen Domänenverwaltung stehe. Von Interesse sind zunächst folgende Zahlen: Der preußische Domanialbetrieb bringt 15 369 000 ℳ jährlich auf, nach dem Durch⸗ schnitt der letzten Jahre; alle übrigen deutschen Bundes⸗ staaten zusammen haben nur eine Einnahme aus ihrem Domanialbesitz von 7 924 857 ℳ Der preußische Domanial⸗ betrieb gewährt also, um es rund zu sagen, eine doppelt so große Rente wie der Domanialbesitz aller übrigen deutschen Bundes⸗ staaten zusammengerechnet. Meine Herren, von dem preußischen Domanialbesitz wurden mit Rüben durchschnittlich 17 804,5 ha bebaut. Nehme ich wieder die Zahlen, die ich zuerst angab, daß der 5. Theil dieser 17 804 ha den 5. Theil desjenigen Areals bedeutet, das über⸗ haupt mit Rüben bestellt werden kann, so würde 5 % 17 804 be⸗ deuten, daß der Domanialbesitz Preußens mit 89 020 ha direkt beim Rübenbau betheiligt ist; das sind rund 356 000 Morgen. Also der preußische Domanialbesitz umfaßt mehr als ein Sechstel des zu zwei Millionen Morgen von mir berechneten Gesammtareals, das beim Rübenbau unmittelbar interessiert ist. Die Gesammtfläche des preußischen Domanialbesitzes, auf dem Rübenkultur betrieben wird, bringt dem preußischen Staat eine Einnahme von 7 170144,66 ℳ; das macht auf den Hektar dieser am Rübenbau direkt betheiligten Flächen einen durchschnittlichen Pachtzins von 80,03 ℳ Dann habe ich fest⸗ stellen lassen, welchen Durchschnittspachtertrag der gesammte preußische Domanialbesitz, also alle Domänengrundstücke einschließlich der Rüben⸗ wirthschaften, abwerfen, und die Rechnung ergiebt dann, wenn ich die Rübenwirthschaften, die 80 ℳ für den Hektar Pacht bringen, mit ein⸗ rechne, einen durchschnittlichen Pachtertrag von 41,53 ℳ pro Hektar. Also diejenigen Domanialwirthschaften, welche nicht direkt mit dem Rübenbau verbunden sind, bringen rund nur die halbe Pacht von denjenigen Domanialwirthschaften, welche Rübenbau betreiben. Das ist doch eine hochinteressante Rechnung also: mit Rübenbau 80, ohne Rübenbau 40. Nun, meine Herren, wird Sie das Folgende interessieren. Aus der „Germania“ ist mir heute Morgen ein Ausschnitt vorgelegt, wo eine Berechnung aufgestellt ist für eine besondere, einzelne mittlere rheinische Wirthschaft, von 470 Morgen Größe, auf welcher 150 Morgen Rüben gebaut werden; und zwar sind die Einnahmen und Ausgaben auf das genaueste für die Zeit berechnet, wo diese Wirthschaft zu lohnenden Preisen mit Nutzen Rüben bauen konnte, und für das letzte Jahr, wo die Fabrik, bei welcher die Wirthschaft betheiligt war, so um 25 bis 30 ₰ niedrigere Rüben⸗ preise zahlte, daß der Mann zu der Ueberzeugung kam: ich mache kein Geschäft mehr dabei. Während der Reinertrag sich für die Zeit, wo er noch Rüben mit Erfolg gebaut hat, auf rund 17 000 ℳ berechnete, ist er auf 8000 ℳ zurückgegangen. Meine Herren, drastisch ist das Exempel (sehr richtig! rechts); denn es stimmt fast auf Heller und Pfennig mit den Zahlen, die ich aus dieser Abstraktion hier gewonnen habe. Das giebt doch wesentlich zu denken!
Nun, meine Herren, greife ich einmal wieder zurück auf den An⸗ fang meiner Rede. Ich habe Ihnen also darzulegen gesucht, daß drei Fünftel unseres ganzen Zuckers nicht für den Inlandskonsum, sondern für den ausländischen Markt bestimmt sind. Ich habe dargelegt, daß dieselben bisher noch mit Erfolg auf dem auswärtigen Markt Unterkommen gesucht haben, und zwar bis auf ein paar Jahre, wo es allerdings gekracht hat, wo die Rübenindustrie angefangen hat, zurückzugehen, auch noch mit nutzbringenden Preisen — das war unter den Verhältnissen, wie ich sie Ihnen geschildert habe; wo Prämien gewährt wurden in Oesterreich, Rußland, Frankreich u. s. w. Nicht erwähnt habe ich dabei die übrigen Länder, auf deren Markt wir hauptsächlich an⸗ gewiesen sind, und nun will ich, weil ich das für außer⸗ ordentlich interessant und bedeutsam für die Frage halte, die wir hier berathen, aus einem Berichte, den die deutsche Botschaft in Washington im Juli dieses Jahres über die Vorgänge in der amerikanischen Gesetzgebung erstattet hat, hier Fol⸗ gendes mittheilen.
Der Kongreß der Vereinigten Staaten hat in dem Etatsgesetz für „sundry civil expenses“ für das Jahr 1895/96 die Summe von 5 238 289 Doll. — das sind 23 814 000 ℳ — für Prämien auf in Amerika erzeugten Zucker ausgesetzt. Von dieser Summe sind 238 289 Doll., also 1 Million Mark bestimmt für die Er⸗ zeugung von Ahorn⸗, Rüben⸗, Sorghum⸗ oder Rohrzucker, und das würde eine Prämie für das Pfund von 8,4 ₰ bei einer geringeren Polarisation von 7,35, bei einer geringen Polarisation zwischen 80 und 90 Grad betragen, — ich sagte: 1 Million soll für Ahorn⸗, Rüben⸗, Sorghum⸗ und Rohrzucker verwandt werden. Aus den übrigen zur Verfügung gestellten 5 Millionen Dollars — das sind 21 Millionen Mark — sollen für Rüben⸗, Ahorn⸗, Sorghum⸗ oder Rohrzucker, welcher zwischen 1894 und 1895 erzeugt war und nach dem Polariskop nicht unter 80 Grad enthält, eine Prämie von 0,8 Zent für das Pfund — das sind also 3,36 ₰, im Ganzen 21 907 000 ℳ Prämien gezahlt werden.
Meine Herren, daß das eine weittragende Einwirkung auf die Ausdehnung der Rohzuckererzeugung in Amerika ausüben wird, ist zweifellos. Aber, meine Herren, was von ganz erheblicher Bedeutung ist: Amerika behandelt den deutschen Zucker bekanntlich differentiell, wodurch wir an sich schon ganz erheblich geschädigt sind. Kommt dies nun noch dazu, so wird unser Absatzgebiet dort noch ganz er⸗ heblich mehr beeinträchtigt.
Aber, meine Herren, noch ein anderer Umstand ist hinzu⸗ gekommen, wie ein Bericht aus Amerika lehrt, der mir gestern Morgen vorgelegt worden ist: ich nehme gar keinen Anstand, das auch hier mitzutheilen. Der Senator Perkins vom Staate Colorado hat dem Senat einen Antrag unterbreitet, welcher den Zweck verfolgt, die vom Repräsentantenhause beschlossene Erhöhung des Zolltarifs um 15 % auch auf Rübenzucker auszudehnen, der, wie mein Bericht vom 15. Dezember ausführt, von dem allgemeinen Zollaus⸗ schuß angenommen werden wird. Der Antrag wird damit begründet, daß die Boden⸗ und klimatischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten für Rüben⸗ und Zuckerrohranbau besonders günstig sind und daß der Zuckerindustrie in Amerika eine besonders hervor⸗ ragende Stellung eingeräumt werden müßte. Unter dem Me Kinley ⸗Tarif habe sie sich ausgebreitet und es seien große Länderstrecken zum Anbau von Zuckerpflanzen nutzbar gemacht worden, während die Tarifreform des Jahres 1894 dieser Entwicke⸗ lung Einhalt gethan habe.
Meine Herren, das vollzieht sich auf dem amerikanischen Zucker⸗ markte, der für uns von um so größerer Bedeutung ist, als ich eben schon darauf hinwies, daß Amerika uns differentiell in der Zucker⸗ besteuerung behandelt.
Meine Herren, dann möchte ich Ihnen aus einem Bericht vom 6. Dezember 1896, der sich auf Rußland bezieht, Folgendes mit⸗ theilen. Es soll ein neues Eisenbahntarifgesetz für den nach dem Ausland bestimmten Zucker ausgearbeitet werden, das darauf hinaus⸗ läuft, allen Fabriken gleiche Frachtkosten aufzuerlegen, gleichviel ob dieselben an der Grenze oder im äußersten Osten des europäischen Rußlands belegen sind, während bis jetzt die entferntesten Fabriken bei der Ausfuhr von Zucker durch den Unterschied in der Fracht sehr im Nachtheil sind. Also Rußland, dessen Bedeutung für den Zuckerexport ich bereits hervorgehoben habe, beabsichtigt auf dem Gebiete des Eisenbahntarifwesens diese Begünstigung eintreten zu lassen. Also, während sämmtliche Zucker erzeugende Staaten damit umgehen, uns den auswärtigen Markt streitig zu machen, auf den wir mit ⁄ unserer Produktion angewiesen sind und den wir mit großen Opfern durch unsere Zuckersteuergesetzgebung bis 1887 uns erobert haben, denn die Reichskasse hat auf große Einnahmen aus der Zuckersteuer, di wir jetzt haben — sie waren damals bis auf 14 Millionen Mark zurückgegangen — verzichtet, — da sollen wir nach Ansicht des Herrn Abg. Richter einfach die gut geladene Flinte, die wir haben, ins Korn werfen und sagen: unsere Industrie muß für den inländischen Konsum arbeiten, sie wird sich vorübergehend erheblich einschränken müssen, sie muß sehen, wo sie mit den ⅞ Ueberschuß bleibt: s ist aber zu hoffen, daß durch diese Maßnahmen der Einschränkung der Produktion in nicht allzuferner Zeit der Inlandskonsum sich wieder heben wird? Und das sollen wir thun zu einer Zeit, wo die Landwirthschaft anerkanntermaßen in einer höchst kritischen Lage sich befindet, wo wir augenblicklich, wenigstens auf diesem Gebiete, vermöge der Fabrikatsteuer auch ärmere Böden in die Lage gebracht haben, zum Zuckerrübenbau überzugehen, da sollen wir einfach dieses Gebiet einheimischer Produktion ruinieren? Nein, meine Herren, wer es ehrlich und gut mit unserer Landwirthschaft meint, der kann für einen solchen Schritt, der in der Theorie — das gebe ich dem Herrn Abg. Richter zu — vielleicht richtig ist, der aber die praktische Lage unserer Verhältnisse vollständig unbeachtet läßt, nicht stimmen!
Ist nun aber wirklich, wie der Herr Abg. Richter meint, nicht erwiesen, daß diese intensiv betriebene Landwirthschaft in der aller⸗ gefährlichsten Lage sich befindet, wenn wir nicht rechtzeitig Schritte dagegen thun? Herr Richter deduziert lediglich aus dem letzten Jahre. Ja, welche Ursachen entscheidend gewesen sind, daß wir augenblicklich — aber ich betone vorübergehend — bessere Preise gehabt haben, will ich ununtersucht lassen. Ich persönlich glaube, daß allerdings die cubanischen Wirren einen ganz erheblichen Einfluß auf unsere Preis⸗ gestaltung gehabt haben, vielleicht auch der Rückgang der Produktion, der allerdings eingetreten ist, weil zwei Jahre lang infolge von Ueber⸗ produktion die Zuckerpreise sehr gefallen waren; aber daß die Krisis dauernd beseitigt ist, hat weder Herr Abg. Richter behauptet, noch hat er es beweisen können. Das kann ich den Herren aber bestimmt ver⸗ sichern, weil ich kraft meines Amts und meiner Pflicht genöthigt war, in diese Dinge tiefer hineinzusteigen, und weil mir das Material durch die Domänenpächter zur Verfügung steht, daß reiche Domänenpächter in einem Jahre 4⸗ bis 500 000 ℳ, in anderen 200 000 ℳ zugesetzt haben. Das kann ein reicher Mann 2 Jahre, wenn er noch reicher ist, 3 Jahre, und wenn er sehr reich ist, 4 Jahre aushalten, aber, daß auch der reichste Mann dabei in absehbarer Zeit zu Grunde gehen mußf, ist zweifellos.
Was hat das zur Folge? wenn der Krach bei dem Domänen⸗ pächter eintritt, dann verliert der Herr Finanz⸗Minister 3 ½ Mil⸗ lionen Mark. Denn wenn der Ertrag der hier in Betracht kommenden Domänen pro Hektar von 80 auf 40 ℳ zurückgeht und die Einnahmen betrugen 7 ½ Millionen, so sind das ein⸗ fach 3 ½ Millionen Mark weniger. Daraus aber, wie groß der Ausfall der Einnahmen des Staats bei den Domänen ist, kann man berechnen, wie groß der Ausfall in den Privatwirthschaften, die beim Rübenbau interessiert sind, sich gestalten muß Geht die
Reineinnahme bei den intensiven Wirthschaften wie bei den bisher rübenbauenden Domänen auf die Hälfte zurück und die kolossalen Ver⸗ luste in den industriellen Anlagen kommen hinzu, so giebt es einen akuten Krach gerade in unseren besten Gegenden, in dem Rückgrat der Landwirthschaft, der wirklich doch den Herren, wenn sie nicht bei Zeiten Vorsorge treffen, ein Grauen erwecken würde. Das zu ver⸗ hüten ist doch der Staat in diesem Fall in der Lage durch gesetzgeberische Maßregeln, und dazu seine Hand zu bieten ist seine Schuldigkeit. Aus reiner Liebe zur Theorie können wir uns doch nicht in solche Gefahr begeben, die für Deutsch⸗ land die unabsehbarste Krisis werden könnte, die man sich denken kann.
Bei diesem Anlaß will ich dem Einwande, den Herr Abg. Richter mir persönlich gemacht hat, gegenübertreten, der mit großem Applaus auf der linken Seite dieses Hauses aufgenommen wurde. Herr Richter führte aus: die Frage, um die es sich hier handle, gleiche der Frage, die in dem Antrage Kanitz liege, wie ein Ei dem anderen. Diese Worte hat Herr Richter zwar nicht gebraucht, er hat aber ungefähr dasselbe gesagt. Meine Herren, ehrlich gesagt, ich glaube, Herr Richter glaubt das selbst nicht. Die Sache hat bereits in der fort⸗ schrittlichen Presse gestanden, ich habe aber den Einwand nicht für ernst genommen. Worum handelt es sich denn bei dem Antrage Kanitz? Um die Feststellung eines Mindestpreises für das Brotgetreide was in den Konsum der inländischen Bevölkerung übergehen soll. Nach oben kann eine Steigerung der Preise eintreten, aber nach unten soll durch den Antrag Kanitz ein Mindestpreis festgesetzt werden. Meine Herren, um was handelt es sich aber hier? soll nach wie vor der Konjunktur auf dem Weltmarkt der Einwirkung von Angebot und Nachfrage unterliegen. Es soll aber für gewisse Theile dieser Produktion, die nicht für den inländischen Markt bestimmt sind, kein Mindestpreis bestimmt werden, sondern, um der Landwirthschaft den Absatz dieses Ueberschusses nach dem Auslande zu ermöglichen, soll für den Export eine Prämie, eine Ausfuhrvergütung gewährt werden. Aus diesen paarxr Worten wird doch jeder Nachdenkende schon entnehmen, welch himmelweite Unterschied zwischen diesen Vorschlägen und dem Antrage Kanitz vorhanden ist. Und ist denn das, was hier geschehen soll und seit dem Jahre 1887 geschehen ist, etwas so Abnormes? Wir haben dasselbe doch schon bei dem Spiritus. Für denjenigen Spiritus, der in den auswärtigen Konsum übergegangen ist, haben wir eine Rückvergütung bewilligt; auch für den Zucker haben wir eine solche gegeben. Unsere Industrie ist dadurch groß geworden. Hat denn das wirklich eine solche Bedeutung wie der Antrag Kanitz, der absolut die Einwirkung auf die Preise in die Hand des legen will, während hier allerdings die Ausfahrprämie eine gewisse Rückwirkung auf den Preis ausübt, aber die Preisbildung doch nicht dem Angebot und der Nachfrage absolut entzieht? Ich glaube wirklich nicht nöthig zu haben, ernstlich auf diese Behauptung weiter einzugehen, denn jede Steuer, direkte oder indirekte, die im Lande erhoben wird, hat eine gewisse Rückwirkung auf die Preisbildung. Woran laborieren wir denn jetzt? daß wir theuere Löhne, große Staats⸗ und Kulturaufgaben haben, die eine gewisse Rückwirkung auf die Preisbildung ausüben. Das ist bei jeder Steuermaßregel der Fall, und dazu gehört auch die Gewährung der Exportbonifikation. Das ist doch himmelweit verschieden von dem, was der Herr Abg. Richter ausgeführt hat. Ja, meine Herren, ich möchte glauben, daß diese kurzen Erörterungen zur Genüge das wider⸗ legt haben, was der Herr Abg. Richter gestern ausgeführt hat.
Ich habe dann nochmals zurückzugreifen auf die Resolution, welche das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium und der Deutsche Landwirth⸗ schaftsratch in Uebereinstimmung gefaßt haben — auf diese Resolution, welche der Herr Abg. Richter als Schaustellung hingestellt hat, gestatte ich mir noch mit wenigen Worten einzugehen. Das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium hat also beschlossen:
Der Zuckerrübenbau ist für die deutsche Landwirthschaft um eines Ertrags willen und als Schule des intensiven Ackerbaus un⸗ ntbehrlich. Es muß daher alles vermieden werden, was den Rübenbau zu gefährden oder die Zuckerfabrikation von der Land⸗ wirths
Also
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as Rückgrat der Landwirthschaft.
Dann fährt die Resolution fort: Ein Fortfall der Exportprämie würde der Ruin der deutschen Zuckerfabrikation und damit des Rübenbaues herbeiführen, wenn die konkurrierenden Staaten fortfahren, solche Prämien zu gewähren, während die deutsche Zuckerindustrie entwickelt genug ist, um bei einer allgemeinen Abschaffung der Exportprämie ihre Stellung auf
dem Weltmarkt selbständig zu behaupten.
Meine Herren, das ist ebenfalls durchaus richtig, und ich habe schon zum Anfang gesagt: können wir mit den übrigen Staaten uns dahin verständigen — und die Verhandlungen sind ja noch im Gange —, daß sie eine mäßigere Exportprämie gewähren, nicht in der Höhe, wie es die Oesterreicher thun, und hört die differentielle Behandlung seitens Amerikas auf, und hört Rußland auf, künftig seiner Industrie große Ermäßigung in Bezug auf Fracht u. s. w. zu gewähren, dann bin ich der erste, welcher sagt: wir wollen auf alle Exportprämien verzichten, denn der deutsche Rübenbau und die deutsche Rübenindustrie sind so lebensfähig, dank dem deutschen Fleiß und Dank der deutschen Energie, dank der deutschen Wissen⸗ schaft, daß sie auf dem Weltmarkt ihre dominierende Stellung wahren können, aber stützen müssen wir sie, wenn der Kampf zu schlimm wird.
Nun, meine Herren, zum Schluß noch eine Bemerkung! Im übrigen glaube ich, den wesentlichsten Theil der Ausführungen des Herrn Richter, soweit sie sich auf mein Ressort beziehen, bereits wider⸗ legt zu haben. Anderes hat Herr Graf Bismarck bereits gestern eingehend beleuchtet; kurzum, ich enthalte mich im übrigen, auf die Widerlegung des Herrn Abg. Richter einzugehen; soweit sie finanz⸗ politischer Natur ist, liegt sie auf dem Gebiet des Herrn Grafen Posadowsky. Aber charakteristisch ist Folgendes.
Ich kann mir wirklich die Freude nicht versagen, in dieser Be⸗ ziehung mal die Zahlen zu beleuchten, die Herr Abg. Richter an⸗ geführt hat. An sich hat dieser einen Satz aufgestellt, der im Prinzip schon nicht richtig ist. Er sagt: Aus der Lage der Rübenzuckerfabriken kann man einen sicheren Rückschluß ziehen auf die Lage des Rübenbaues im Allgemeinen einschließlich der Rübenindustrie. Ich bestreite das. Wenn Sie die Budgets oder, richtiger gesagt, die Bilanzen derjenigen
Der Zuckerpreis
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