Nichtamtliches Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 6. März. In der am 5. d. M. unter dem Vorsitz des Vize⸗
Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staats ekretärs des Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurden die Mittheilung des Präsidenten des Reichstags über den Beschluß des Reichstags zu dem Bericht der Reichs⸗Schuldenkommission, der Antrag Württembergs, be⸗ treffend Aenderung des Statuts der Württembergischen Notenbank, sowie die Vorlage, betreffend den Entwurf eines Gesetzes für Elsaß⸗Lothringen über das Stempelwesen und die Gebühren in Verwaltungsangelegenheiten, den zu⸗ ständigen Ausschüssen überwiesen. Den Ausschußanträgen, betreffend die Errichtung eines Freibezirks in Stettin, be⸗ treffend die Abänderung des Zoll⸗ und Salzsteuerverwaltungs⸗ kosten⸗Etats für Mecklenburg⸗Schwerin, sowie betreffend das von zum Verkauf bestimmten Vorräthen an alzschrot in Brauereien, wurde die Zustimmamng er⸗ theilt. Ferner wurde beschlossen, den Kaiser Wilhelm⸗ Kanal dem Seeamtsbezirk Flensburg zuzuweisen und der Resolution des Reichstags, betreffend die Herabsetzung der Patentgebühren, keine Folge zu geben. Die vom Reichsta bei Berathung der Denkschrift zum Haupt⸗Etat für 1896/ gefaßten Resolutionen ꝛc., betreffend die Dienstaltersstufen der Beamten, wurden dem Reichskanzler überwiesen. Außerdem wurde über die Wiederbesetzung erledigter Mitgliedstellen beim Kaiserlichen Disciplinarhof und bei der Kommisston für Arbeiterstatistik sowie über verschiedene Eingaben Beschluß
gefaßt.
Danzig, 5. März. Der Provinzial⸗Landtag der Provinz Westpreußen genehmigte in seiner gestrigen Sitzung einstimmig den Antrag auf Einstellung des Betrags von 20 000 ℳ in den Haupt⸗Etat pro 1896/97, behufs Ansamm⸗ lung eines Fonds zur Errichtung eines Denkmals für Kaiser Wilhelm I. in Danzig.
Stettin, 5. März. In der heutigen, dritten Sitzung des Pommerschen Provinzial⸗Landtags wurden zu⸗ nächst Rechnungssachen erledigt. Sodann wurde der Bau einer Provinzial⸗Irrenanstalt von 500 bis 600 Betten, haupt⸗ sächlich für unheilbare Kranke, mit einem Kostenaufwand von 1 500 000 bis 1 800 000 ℳ beschlossen; nach Vollendung dieser Anstalt sollen die beiden Irrenanstalten in Stralsund und Rügen⸗ walde in dieser Eigenschaft eingehen. Der Erlaß eines Gesetzes über die Heranziehung von Fabriken u. s. w. mit Vorausleistungen für den Wegebau in der Provinz Pommern wurde mit dem von der Königlichen Staatsregierung angeregten Zusatze befürwortet, daß Vorausleistungen zur Unterhaltung von Chausseen, auf denen Chausseegeld erhoben werde, nicht gefordert werden dürften. Zur Deckung der Kosten verschiedener Wasser⸗ und Landbauten, darunter auch der heute beschlossenen Provinzial⸗ Irrenanstalt, wurde die Aufnahme einer Anleihe von 4 Mil⸗ Ronen Mark beschlossen. Der Antrag, künftig in der Regel die Chausseebauprämien nicht unter 25 Proz. der Kosten zu bemessen, wurde angenommen.
—
Die Zweite Kammer trat estern in die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffed die Wahlen zur Ständever⸗ ammlung, ein und nahm nach längerer Debatte in nament⸗ icher Abstimmung mit 56 gegen 23 Stimmen den § 1 nach der Regierungsvorlage an. Dieser Paragraph lautet: „Die Ab⸗ geordneten fur die Zweite Kammer der Ständeversammlung werden von Wahlmännern in Wahlkreisen und die Wahl⸗ männer von den Urwählern in den Wahlbezirken gewählt.“
— Mecklenburg⸗Schwerin.
In dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs ist, wie den „Meckl. Nachr.“ aus Cannes von gestern gemeldet wird, keine Aenderung eingetreten; die Er⸗ holung schreitet fort, auch brachten die letzten Nächte ruhigen Schlaf.
Oesterreich⸗Ungarnn. .
Wie das „Ungarische Korrespondenzbureau“ meldet, wir die Kaiserin und Königin an der am 2. Mai erfolgenden feierlichen Eröffnung der Budapester Millenniums⸗Ausstellung, an dem am 3. Mai abzuhaltenden Festgottesdienst, an dem am 5. oder 6. Mai stattfindenden Hoffest und an dem Empfang des Huldigungszugs tans 8. Juni, als am Jahrestage der Krönung, persönlich theilnehmen.
der Minister des Aeußern Graf Goluchowski wird sich am nächsten Sonntag nach Berlin begeben. Das „Fremden⸗ blatt“ von heute bemerkt dazu: die Absicht des Grafen Goluchowski, den Besuch, welchen der deutsche Reichskanzler ihm im Dezember 1895 abgestattet habe, durch einen Gegen⸗ besuch zu erwidern und sich dabei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, Allerhöchstwelchem K. persönlich noch unbekannt sei, vorzustellen, habe schon seit einiger Zeit fest⸗
standen. 1 88 Bei den gestern von dem ersten Wahlkörper vor⸗ ommenen Wahlen zum Wiener Gemeinderath wurden 8 Liberale und 18 Antisemiten gewählt. Gegen die Wahlen im September vorigen Jahres ist somit ein Zuwachs von 4 antisemitischen Mandaten zu verzeichnen. Die Gesammtzahl beträgt 96 Antisemiten und 42 Liberale, gegen 92 Anti⸗ semiten, 45 Liberale und einen von beiden Parteien gemeinsam aufgestellten Kandidaten bei der vorigen Wahl. Ein Zwischenfall hat sich bei der Wahl nicht ereignet.
Das ungarische Unterhaus setzte gestern, nach der dritten Lesung der Vorlage über die Verlängerung des Budget⸗ Provisoriums, die Spezialdebatte des Handels⸗Budgets ort. Bei dem Titel „Staatsbahnen“ forderte der Abg.
Folonyi den Handels⸗Minister auf, sich über die Raab⸗ Verzprém⸗Dombövarer Vizinalbahnen und bezüglich der an⸗ eblichen Betheiligung des früheren Ackerbau⸗Ministers Grafen Heeütsh an denselben zu äußern. Der Handels⸗Minister
aniel erklärte, die Behauptung, daß Graf Festetitsch als Minister Konzessionär für den Bau der erwähnten Bahnen gewesen, sei falsch. Der Minister führte dann weiter aus: die materielle
Lage der Staatsbahnbeamten sei besser als die der übrigen
Beamten; er weise die Beschuldigungen, welche der Direktion gegenüber erhoben würden, zurück. Bezüglich der Eisenbahn⸗ brücke an der unteren Donau sei noch nicht entschieden, ob dieselbe zwischen Baja⸗Battaszék oder zwischen Gomkos⸗Erdöd errichtet werden würde. b 8 Die ungarische Quotendeputation wählte Kolo⸗ Szell zum Präsidenten und Max Falk zum Referenten.
“ Großbritannien und Irland 3
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Staatssekretär des Kolonialamts Chamberlain: Er habe von Sir Hercules Robinson auf seine Anfrage wegen der näheren Umstände der Uebergabe Dr. Jameson’s folgende Antworten erhalten: „Weder de Wet noch er (Robinson) hätten bis jetzt jemals von einer auf dem Schlachtfelde ge⸗ führten gehört. Der General⸗Kommandant habe ihm gemeldet, die Ueber abe Jameson's sei bedingungslos gewesen.“ Am 4. März habe Sir Hercules Robinson tele⸗ graphisch gemeldet, er habe nach ee telegraphiert und um Auskunft gebeten und hinzugefügt, er ersehe aus den von London telegraphierten Zeitungsauszügen, in England scheine bezüglich der Entwaffnung Johannesburgs — ohne Abstellung der Beschwerden der Uitlanders — ein Mißverständniß obzu⸗ walten. Er möchte deshalb erklären, daß der Waffenstillstand während seiner Reise abgeschlossen worden sei. Als er am 6. Januar eine Begegnung mit dem Präsidenten der Südafri⸗ kanischen Republik und dem Exekutivrath gehabt habe, sei die Lage folgende gewesen: Johannesburg sei nur theilweise bewaffnet und gänzlich desorganisiert gewesen. Die Stadt sei vollständig der Gnade oder der Ungnade der Boeren preis⸗ egeben gewesen, welche sie umzingelt gehabt hätten, das 8 eer hätten abschneiden und die Stadt in einer Woche hätten aushungern können. Bevor er seine Begegnung mit der Regierung von Transvaal gehabt habe, sei von einem Boten aus Johannesburg gemeldet worden, daß die Regierung auf einer bedingungslosen Uebergabe der Waffen innerhalb 24 Stunden bestehe, andernfalls die Feindseligkeiten be⸗ gonnen werden würden. Er habe sich bestrebt, ein vor⸗ läufiges Versprechen von Zugeständnissen zu erlangen, es sei ihm aber erklärt worden, die Transvaalregierung müsse die bedingungslose Uebergabe verlangen, da die sieg⸗ reiche Partei die Lage vollständig beherrsche und Johannes⸗ burg, als die schwächere Partei, machtlos sei. Ob die damals bestehende Annahme, daß Jameson s Leben in Gefahr sei, richtig gewesen sei oder nicht, sei bedeutungslos. Der in Fraße kommende Punkt sei der gewesen, daß die Alternative gestellt worden sei: entweder bedingungslose Uebergabe oder Beginn der Feindseligkeiten, welche letzteren zu großem Blut⸗ vergießen und sowohl zu einer eventuellen Unterwerfung der Einwohner, wie wahrscheinlich zur Zerstörung der Stadt geführt haben würden. Chamberlain erklärte ferner, nach einer telegraphischen Mittheilung Sir Hercules Robinson's habe die Transvaalregierung den britischen Agenten in Prätoria benachrichtigt, sie habe keine Kenntniß von der angeblichen Korrespondenz zwischen Cronje und Sir John Willoughby. Cronje sei zur Aufklärung der Angelegenheit nach Prätoria berufen worden. Er (Chamberlain) sei der An⸗ sicht, daß der Kommandant der Boeren⸗Streitmacht bestimmte Befehle gehabt habe, auf bedingungsloser Uebergabe zu bestehen, daß aber gleichwohl Cronse Sir John Willoughby das Anerbieten gemacht habe, sein und seiner Leute Leben zu schonen, wenn sie die Waffen nieder⸗ legen und die Zahlung einer Entschädigung versprechen wollten, und daß Cronje damit seine Machtbefugnisse überschritten habe. An dem guten Glauben des Präsidenten Krüger zu zweifeln, liege für ihn (Chamberlain) kein Grund vor. Was die vier britischen Unterthanen betreffe, die noch in Prätoria zurück⸗ gehalten würden, so seien denselben große Zugeständnisse gemacht worden; er sei bemüht gewesen und sei auch noch bemüht, eine Besserung ihrer Lage herbeizuführen; es müsse aber daran erinnert werden, daß dieselben mit anderen Mitgliedern des Reformcomités des Verraths angeklagt seien. — Im weiteren Verlauf der Sitzung fragte Foster, ob Schritte gethan worden seien zur Föorderung der am 26. Februar vorigen Jahres von dem Unterhause einstimmig. angenommenen Resolution zu Gunsten einer Mitwirkung bei einer inter⸗ nationalen Münzkonferenz. Der Erste Lord des Schatzes Balfour erwiderte: seit der Antwort, die er im August vorigen Jahres gegeben habe, habe sich nichts ereignet, was ihn zu dem Glauben veranlassen könnte, daß durch eine von der britischen Regierung in dieser Angelegenheit zu er⸗ greifende Initiative irgend etwas gewonnen werden könnte. — Bei der Berathung des Marine⸗Etats erklärte der Erste Lord des Schatzes Balfour, mit der Reserve habe England genügend Mannschaften für alle Schiffe in Kriegszeiten. Keine Nation könne Rüstungen ertragen, die jeder denkbaren Kombi⸗ nation von Mächten gewachsen sein sollten. England müsse
sich zufrieden geben, wenn die Flotte so gestärkt werde, daß sie sich mit den zwei größten Flotten, die gegen England aufgebracht werden könnten, messen könne; dieses Ziel werde in drei v sein. Er sei überzeugt, daß das britische Reich jetzt sowohl an und für sich, als auch im Vergleich zur Stärke anderer Mächte besser vorbereitet zum Kampfe sei, als dies seit Generationen der Fall gewesen. Sir W. Harco urt bezweifelte nicht, daß der Ernst der . den riesenhaften Voranschlägen ge⸗ führt habe. Englands usgaben für die Marine hingen von der Lage ab, in welcher es sich anderen Nationen gegenüber befinde; und da die Regierung nicht im stande sei, über die genaue Lage der Dinge in Europa und Amerika Aufschluß zu geben, wurde es weder weise noch patriotisch sein, die Politik zu erörtern; er wolle jedoch bemerken, daß die Freundschaft zu anderen Nationen nicht gerade gefördert werde, wenn England die Faust gegen sie balle. Schließlich nahm das Haus d Antrag, in die Spezialdebatte über den Marine⸗Etat ein⸗ zutreten, mit 186 gegen 41 Stimmen an. 3
Frankreich.
Der Präsident Faure traf gestern Vormittag in Men⸗ tone ein, um der Einweihung des zur Erinnerung an die Vereinigung Mentones mit Frankreich errichteten Monuments veehchaen Nach der Feier empfing der Präsident im Stadthause die Spitzen der Behörden. Auf eine Ansprache des Generals Gebliart, der das Offizierkorps vorstellte, antwortete der Präsident, ruppe in Mentone 88 eine Avantgarde, au F rechnen könne. — Mittags machte der Kaiser von Oesterreich dem Präsidenten Faure in der Mairie einen Besuch. Der Präsident
empfing den Kaiser am Eingang und begab sich mit ihm in
das Zimmer des Maire, wo er die Minister, welche ihn
leiten, vorstellte. Die französischen Minister zogen sich sodann zurück. Der Kaiser blieb mit dern Präsidenten allein und hatte mit diesem eine zwanzig Minuten währende Unterredung. Nach dieser stellte der Kaiser dem Präsidenten die Grafen Paar und Wolkenstein vor. Beim Abschied begleitete der Präsident den Kaiser bis zur Treppe. Eine zahlreiche Volksmenge begrüßte den Kaiser bei der Ankunft und Abfahrt mit den Fusen: „Es lebe der Friede!“ Kürassiere und Alpenjäger erwiesen die militärischen Ehren. Nachmittags 2 Uhr begab sich der Präsident Faure nach Kap Martin, um den Besuch des Kaisers von Oesterreich zu er⸗ widern. Graf Paar führte den Präsidenten in das Hotel, wo ihn der Kaiser im großen Salon erwartete. Der Präsident wurde der Kaiserin vorgestellt, welche er begrüßte und der er die Offiziere seines militärischen Hauses vorstellte. Letztere zogen sich sodann mit dem österreichischen Gefolge zurück. Der Kaiser und die Kaiserin unterhielten sich sehr herzlich mit dem Präsidenten. Die Kaiserin dankte dem Präsidenten für die ihr bewiesenen Aufmerksamkeiten. Die “ dauerte etwa 20 Minuten. Nachdem der Präsident Faure dann in Monaco von dem Fürsten Albert begrüßt worden war, begab er sich nach La Turbie in die Villa des Großfürsten⸗ Thronfolgers. Im Salon derselben erwartete den Präsi⸗ denten der Großfürst⸗Thronfolger, welcher den Großkordon der Ehrenlegion angelegt hatte. Der Zusammenkunft, welche 20 Minuten dauerte, wohnten der Prinz Peter von Olden⸗ burg und der Herzog von Leuchtenberg bei. Die Unterhaltung hatte hauptsächlich die Aufnahme des Großfürsten⸗ Thron⸗ folgers und der anderen Großfürsten in Nizza zum Gegen⸗ stand, welche die russischen Gäste überaus angenehm berührt hatte. Nach dem Besuche kehrte der Präsident Faure nach Nizza zurück. Auf dem Wege wurde er mit den Rufen: „Es lebe Faure!“ „Es lebe Rußland!“ begrüßt.
In dem gestern Vormittag abgehaltenen Ministerrath theilte der Minister des Auswärtigen Berthelot mit, es werde am Nachmittag ein Gelbbuch über Madagaskar, welches den bereits bekannten Text des neuen Vertrags ent⸗ halte, in der Kammer vertheilt werden.
Die Deputirtenkammer hat gestern einen Gesetzent⸗ wurf angenommen, durch den die Verfälschung von Butter verboten un die Verwendung von Margarine ge⸗
8
regelt wird. “ 1,8
1 Der Chef der 9. Kavallerie⸗Division General Nowitzky ist, nach einer Meldung des „W. T. B.“, zum Kommandeur des XII. Armee⸗Korps ernannt worden. Italien. “
Der König empfing gestern Nachmittag nacheinander
Biancheri, den General Ricotti, Visconti Venosta und di Ru⸗
dini sowie später den Deputirten Brin und den Senator Perazzi.
Die Zugänge zum Gebäude der Deputirtenkammer waren gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, von einer dicht⸗ gedrängten Menschenmenge besetzt. Der Saal, die Galerien, auch die Diplomatenloge waren überfüllt. Der Minister⸗ Präsident Crispi zeigte die Demission des Kabinets an und erklärte, daß der König dieselbe angenommen habe. (Lang⸗ anhaltender Beifall auf mehreren Bänken; Rufe „Es lebe der König!“ Lebhafte Zwischenrufe auf der äußersten Linken.) Crispi erklärte sodann, daß die Minister zur Aufrecht⸗ haltung der öffentlichen Ordnung bis zur Ernennung der Nachfolger auf ihren Posten verbleiben würden. (Große Unruhe und laute Rufe auf der äußersten Linken.) Der Präsident ersuchte das Haus, sich zu vertagen, bis die Krone ihre Entscheidung getroffen haben werde. (Andauernder Lärm auf der äußersten Linken.) Die Sitzung wurde hierauf unter großer Erregung geschlossen. Nach Aufhebung der Sitzung beschwerten sich mehrere Abgeordnete, da einige von ihnen di Rudini aufgefordert hätten, zu sprechen, und weil die äußerste Linke den Antrag eingebracht habe, das Kabinet in Anklagezustand zu versetzen. Der Präsident der Kammer kam später in eine Versammlung der Oppofition und legte die Gründe klar, die ihn bewogen hätten, die Sitzung zu schließen; außerdem übernahm derselbe den Auftrag, dem König den Wunsch der genannten Versammlung zu übermitteln, daß die Krise sobald wie möglich gelöst werden möge. Hierauf begab sich der Präsident in den Guirinal. Auch mehrere Senatoren waren in der Versammlung zugegen und sprachen die Zuversicht aus, daß der König die Krise schnell lösen wede..
Im Senat gab der Minister⸗Präsident Crispi die gleiche Erklärung wie in der Deputirtenkammer ab. Auf Ersuchen des Präsidenten vertagte sich sodann der Senat auf unbestimmte Zeit.
Nach der Sitzung der Kammer verblieb die Volksmenge auf der Piazza Monte Citorio und in den angrenzenden Straßen, sodaß die Polizei diese räumen lassen mußte. Truppenabtheilungen sperrten die Zugänge ab. Während des Nachmittags dauerten die Kundgebungen fort; es wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen. ““
Gestern ist das vom 4. d. M. datierte Dekret veröffentlicht worden, durch welches der General Baratieri zur Disposition gestellt wird. — Das Kriegs⸗Ministerium hat alle Berichte des Generals Baratieri dem militärischen General⸗ Anwalt in Nom übermittelt, damit sich letzterer über die Verantwortlichkeit des Generals im Sinne der Art. 72 bis 88 des Militärstrafgesetzes ausspreche. 1““
Die Madrider Zeitung „Dia“ meldet, der spanische Ge⸗ sandte bei den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika Dupuy de Lôme habe an das Ministerium telegraphiert, der Präsident Cleveland werde, so lange er Präsident sei, sich weigern, die Aufständischen auf Cuba als krieg⸗ führende Macht anzuerkennen und zu intervenieren.
Wie der „Temps“ aus Madrid erfährt, ermächtigte der Ministerrath den Marine⸗Minister, zwei bereits fertige Kreuzer für den Preis von 6 Millionen anzukaufen, und bewilligte bedeutende Summen zum Ankauf von Waffen. — Mehrere englische Rheder haben, dem „W. T. B.“ zufolge, der Regierung im Falle eines Krieges mit den Vereinigten Staaten ihre Hilfe angeboten. b1
Neue Kundgebungen gegen die Vereinigten Staaten fanden gestern in Valencia statt. Die Fenster des amerikanischen Konsulatsgebäudes wurden durch Stein⸗ würfe zertrümmert. Die Polizei griff die Ruhestörer an und
zerstreute sie.
der Deputirtenkammer erklärte gestern der Minister des Auswärtigen de Soveral die Nachricht von der Ab⸗ tretung eines Gebietes am Catembe⸗Flusse an die deutsche Regierung für unbegründet. “ 1
8 8 5 8
Rumänien. 8 In der Deputirtenkammer interpellierte gestern der Depu⸗
tirte Scortzesco die Regierung betreffs zweier jüngst nach
Bukarest gekommener Macedonier, welche die Polizei auf⸗ gefordert habe, abzureisen, und die sich zu dem Deputirten Fleva geflüchtet hätten. Der Deputirte Fleva schloß sich dieser Interpellation an und verlangte die Mittheilung der auf die macedonische Frage bezüglichen Aktenstücke. Der Minister⸗ Präsident Sturdza verweigerte die Mittheilung dieser Aktenstücke und erklärte, dieselben hätten einen internationalen Charakter. Die Kammer müsse, wenn sie Vertrauen zur Regierung habe, diese Weigerung billigen, denn Fleva suche, obwohl er sich national⸗ liberal nenne, der Regierung auf jedem Schritte Schwierig⸗ keiten zu bereiten. Der Minister⸗Präsident stellte dann die Vertrauensfrage. Der Deputirte Pherekyde bestand auf der Nothwendigkeit, das Verhältniß Fleva's zur nationalliberalen Partei und zur Regierung aufzuklären und seine Gesinnung kennen zu lernen. Die Kammer genehmigte hierauf in nament⸗ licher Abstimmung mit 98 gegen 21 Stimmen eine Tages⸗ ordnung, in welcher der Regierung das Vertrauen der Kammer ausgesprochen wird. ö“
8 1“ 111“
Amerika.
Die Kommissionen des Senats und des Reprä⸗ sentantenhauses traten, wie „W. T. B.“ aus Washington berichtet, gestern zu einer Berathung zusammen. Nach kurzer Besprechung wurde der Beschluß des Repräsentanten⸗ hauses in Betreff Cubas an Stelle des ebenfalls die cuba⸗ nische Frage betreffenden Beschlusses des Senats angenommen. Der Senat wird am Montag über den Beschluß der Kom⸗ missionen berathen.
Nach einer Meldung aus Havanna hatte der General Meleguizo einen Zusammenstoß mit den Schaaren Maceo’'s bei Casiguas in der Provinz Havanna. Maceo wurde mit einem Verlust von etwa dreißig Todten zurückgeschlagen. Die Generale Prat und Arolas berichten, daß sie die Streit⸗ kräfte Maximo Gomez' bei Hanabana geschlagen und zer⸗ streut hätten, dabei sei der Führer Castillo schwer verwundet worden. Die Aufständischen haben mehrere kleine Ortschaften in der Umgebung von Guanabacoa, welches 5 Meilen von
Havanna entfernt ist, in Brand gesteckt.
Aus Tegucigalpa (Honduras) wird berichtet, die Regierung von Honduras habe über die Städte Tegucigalpa, La Paz, Valle Choluteca, Paraiso, Olancho und Colon den Belagerungszustand verhängt. vWAX“
Der „Agenzia Stefani“ zufolge fehlt noch jede Nachricht
über die Generale Dabormida, Albertone und Ari⸗ mondi. Man nehme an, daß auf italienischer Seite 9000
Weiße und 8000 Eingeborene (Askaris) an der letzten Schlacht theilgenommen hätten.
Privatdepeschen aus Massowah vom 5. d. M. berichten: Der General Baratieri hatte am 21. Februar beschlossen, sich nach Adicaje zurückzuziehen, um sich der Verproviantierungs⸗ basis zu nähern. Der Befehl hierzu wurde am 24. Fe⸗ Generale und höheren Offiziere waren für den Angriff, einige Offiziere aber dagegen. Die italienischen Truppen marschierten, wie gemeldet, in drei Kolonnen. Der General Albertone rückte zu weit vor und nahm den Angriff mit voller Wucht und großer Lebhaftigkeit auf. Die Artillerie bruar widerrufen, und am 29. Februar beschloß General Baratieri, den Feind am 1. März anzugreifen. Fast alle (14 Geschütze) beschoß den Feind aufs heftigste. unmehr warf sich die gesammte schoanische Armee auf das Korps des Generals Albertone. Dieser mußte trotz der Tapferkeitund Ausdauer der Askaris zurückweichen und forderte Verstärkungen. Von Ar⸗ tillerie beschützt, unternahm alsdann General Albertone einen neuen Angriff. Das Vorgehen der Artillerie war ausgezeichnet, selbst nach dem Rückzug feuerte noch eine Kanone. Wie es heiße, solle das Hauptquartier fast bis Mittag sich unthätig verhalten haben in dem Gedanken, daß Albertone bemerkt haben werde, daß er sich zu weit vorgewagt habe und sich nach der im vooraus festgestellten Linie werde zurückgezogen haben. Infolge der Forderungen von Verstärkungen seitens des Generals Albertone befahl General Baratieri der Kolonne Arimondi, Albertone zu unterstützen. Indessen befand sich die Kolonne Arimondi weit hinten, und kostbare Zeit verging, ehe sie nach der ersten Linie gelangen konnte, mittlerweile trafen nach vierstündigem Kampfe
fliehende Askaris ein, zugleich mit ihnen Amharas, welche die Ascaris verfolgten. Die italienischen Truppen, welche ihrerseits in der Stellung am Rebbi⸗Ariena zusammen⸗ gedrängt waren, wo sie keinen Platz hatten, sich zu entwickeln, waren nicht im stande, zu Hlfe zu kommen. Dadurch entstand eine Panik und völlige Unordnung. Nur wenige Kompagnien fochten muthig in ihren Stellungen, der Rest blieb jedoch unthätig und begann sich aufzulösen.
Nunmehr wurde der linke Flügel der Italiener umgangen, und die Amharas drangen 822. Allgemeine Flucht war die Folge. Die Generale Baratieri und Arimondi versuchten mit dem Revolver in der Hand die Soldaten Man erzähle zahlreiche Episoden von persönlicher
den ersten Nachrichten glaubte man an ein allgemeines Blutbad. Nach neueren Meldungen ist die Niederlage viel geringer. Die auf dem Rückzug befindlichen und die auf⸗
en die einzelnen Brigaden ein. apferkeit der Offiziere und Soldaten. Nach
elösten Kolonnen kommen nach und nach an. Die Schoaner etzten die Verfolgung nicht fort. . Die „Times“ meldet aus Kairo, daß gestern sechs ita⸗
lienische Transportschiffe mit 3344 Soldaten an Bord von Port Said nach Massowah in See gegangen seien.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet, daß Gardner
Williams, der General⸗Direktor der Debeers⸗Minen, in Kimberley verhaftet worden sei, weil er ohne Erlaubniß Waffen bei Seite geschafft habe Gegen eine Bürgschaft von 1000 Pfund sei Williams
eigelassen worden. 8
estrige Sitzung des Reichs strige Sitzung des
Der Bericht über die tags und der Schlußberi
t über die ge auses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten
In der heutigen (53.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch und mehrere Kommissare beiwohnten, stand die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, auf der Tages⸗
Art. 1 bezieht sich auf die Privat⸗Kranken⸗, Ent⸗ bindungs⸗ und Irrenanstalten (§ 30), denen die Kon⸗ zession bisher nur versagt werden konnte wegen Unzuverlässig⸗ keit des Unternehmers oder wenn die Einrichtungen ꝛc. den gesundheitspolizeilichen Anforderungen nicht entsprechen.
Nach der Vorlage soll die Konzession auch verweigert werden können, wenn für die Mitbewohner des betreffenden Gebäudes und bei Aufnahme von Personen mit ansteckenden skranken für die Besitzer und Bewohner dstücke erhebliche Nachtheile und Ge⸗
Krankheiten und Geiste
der benachbarten Grun
en hervorgerufen werden.
Statt „Nachtheile und Gefahren“ beantr
olleuffer (dkons.) zu sagen:
eelästigungen.“ Nachdem der
agte Abg. von „Nachtheile, Gefahren oder
Abgeordnete seinen Antrag begründet, erklärte der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, daß bei Annahme des Antrags die verbündeten kaum einen Widerspruch erheben würden, da eine schon in der vorjährigen Vorlage ent⸗
Pachnicke (fr. Vg.) r bedenklich, weil da⸗
Regierungen ähnliche Bestimmung halten gewesen sei. Die Abgg. Dr. Schädler (Zentr.), und Dr. Kruse (nl.) hielten den Antrag fü durch die diskretionären Befugnisse der Behörden e würden. Abg. von Salisch (dkons.) empfahl den Antrag, welcher hierauf gegen die Stimmen der einiger Zentrumsmitglieder abgeleh angenommen.
(Schluß des Blattes.)
Konservativen und
nt wurde. Artikel 1 wurde
tzte in der heutigen
— Das Haus der Abgeordneten setztei geistlichen ꝛc. An⸗
er der Minister der Bosse zugegen war, die zweite Be⸗ Ministeriums der geistlichen, Angelegenheiten beim
(36.) Sitzung, in welch gelegenheiten D. Dr. rathung des Etats des Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Kapitel „Universitäten“ fort. Abg. Stöcker: In Bonn sind es nicht die Professor sondern die evangelische Kirche; ehrfreiheit, als um den Bestand der se positive Volk hat das Gefühl: Universitäten nicht mehr ge⸗ Mit dem Begriff: Berech⸗ Richtungen ist die Schwierig⸗ uner⸗Angelegenheit waren d, um unsere ganze Kirche scht bloß die Theologen
sich zu beschweren haben, sich nicht so sehr um die Das evangelisch kenntniß ist auf den Lehrstühlen der sichert, sondern aufs äußerste gefährde tigung oder Gleichberechtigung aller
keit dieser Sache nicht geloft. In der Bo schon die beiden gedruckten Vorträge genügen in Unruhe und Ungewißheit zu stürzen, ni und Geisstlichen, 1 meinden, Synoden. den Kathedern gelehrt werden, und das apostolische Bekenntniß berühren, Zehntausende die Landeskirche verlassen und zu gehen. Ich male Ihnen keine Gespenster vor. enannten Orthodoxen sind durch diese Dinge enannte kirchliche Mittelpartei, wie es In den siebziger Jahren hat in V sich dafür ausgesproche ß Theologie berufen werden, welche die dem unveräußerlichen Grunde des Man hat das Statut der Bonner Fakultät jitiert, dem der Berliner Universität hat die theologische Faku Lehre der evangelischen Kirche —
Soviel steht fest: wenn die Lehren, wie sie auf evangelische Volk so werden Tausende und anderen Sekten über⸗ Nicht bloß die so⸗ geregt, auch die so⸗ ssor Zorn in Königsberg Halle die Evangelische solche Lehrer der Bürgschaft gegeben haben, daß Bekenntnisses stehen.
estätigt hat.
Vereinigun n, daß nur
ltät die Be⸗ das ist nicht Wissenschaft fortzupflanzen akademische Uebungen widmen wollen, sich hier nicht Thatsachen ohne welche sie zusammenbricht. hat gesagt: man könne Männer, welche Christenthums nicht anerkennen, ebenso wenig Theologie machen,
stimmung, nach der absolute Lehrfreiheit — die theologische Vorlesungen und andere welche sich dem Dienste der Kirche
und durch
um Richtungen, sondern um en der Kirche,
Lebensbedin sungen iherr vom Stein
große Minister Fre die Grundsätze des zu Professoren der General⸗Feldmarschall. Universitäten nicht bloß Vorbild für den Beruf, schaftlichen
Quäker zum Deutschland ungsanstalten Bethätigungsstätten der w
„Athenian“ ist auf der Ausreise gestern von Madeira ab gegangen.
Forschung, 8 dadurch das praktische Leben durch die Wisse Wissenschaft durch das praktische Leben. W. liche Forschung einseitig Die Staatsregierung i 1 ½ Jahrzehnte diese Entwickelung zu sehr Lehrfreiheit, ich auch; aber die in den Gegenständen, denen sie dient. ihre Professur
nschaft befruchtet und die ird aber die wissenschaft⸗ lösbare Spannungen zusprechen, daß sie befördert hat. Herr Dr. Fried Lehrfreiheit hat ihre Grenze in Darum haben in den letzten ihr Standpunkt entspreche dem Stand⸗ s nicht mehr. Es giebt eine Lehr⸗ ist. Wollte ein evangelischer Pro⸗ man würde Lehrfreiheit statum docendi Gottheit Christi oder die eugnen dürfen? Lehrfreihei ar nicht zu denken. S ozent der Volkswirthschaft ist als Würde der Staat grund⸗ Eigenthum Es können dem Staat, Atheistische Schüler heranbilden, der Gesellschaft Die Regierung, welche solche der Theologie ist es ähnlich. verkehrt hält, auf der Universität vertreten
ie Mehrzahl der Das beweisen die kirch⸗ (links) hat es nicht einmal zu einem t. David Strauß war sten Ranges, aber das Widerspruch gegen seine so weit gehen, wie erhaufen mehr —, Professoren an der Universität n. Diese Frage ist we es des Ministers.
betont, so müssen unlös st nicht davon frei
sich selbst und n auch Theologie⸗Professoren niedergelegt, weil sie fühlten, ih punkt eines theologischen Professor die garnicht u d en Primat des ich halten
Soll ein Professor die Auferstehung Christi I. zur Seite gehende Lehrordnung
Gebieten. Ein Berliner Privat Sozialdemokrat reprimandiert worden. Rechtslehrer die Monarchie die Richtungen der Gesellschaft, der Kirche Philosophie
nachher den
Geschichtlichkeit der t ist ohne eine ihr
ist ein Unglück? Nutzen bringe
Bestand des efährden, und wer ist schuld daran? Männer ernannt Herr Virchow hat Recht, alle wissenschaftlichen Ri seien und die und heraussuchen sollen, was ihnen evangelischen Chri lichen Wahlen. Abgeordneten in der ohne Zweifel ein wissens republikanische, Berufung. Di
wenn er es tudenten alles prüfe
urchaus positiv. re Richtung General⸗Synode gebracht. chaftlicher Mann er olk von Zürich erhob Gelehrten mögen in ihren Forf Gott sei Dank, haben wir aß sie nun auch richtig nicht zugebe als eine Frage des Takt
sie
aber den Schluß, d sein sollen, kann eine prinzipielle
89
fürchten jene Professoren nicht, aber der Minister muß sich die
age vorlegen, ob er einen Professor berufen darf, der die Grund⸗
en der evangelischen Kirche aufs äußerste gefährdet. Wenn man an eine durchaus positive Fakultät negative Geister bringt, stört man nur den Frieden. Die Professoren und die Kirche müssen dieselben Ziele haben; fonst haben wir Geistliche, die sagen: auf der Universität haben wir gelernt, an das Glaubensbekenntniß nicht zu glauben. Und predigen sie eine Lehre, an die sie selbst nicht glauben, so sind sie nur Lohnknechte der Kirche, und das ist der schlimmste Zustand für die Kirche. Der deutsche Liberalismus hat sich daran gewöhnt, mit Schlagwörtern und Gespenstern wie Orthodoxie und dergl. zu operieren. Nicht auf Gewissensfreiheit, sondern auf Gewissenszucht kommt es an, sonst haben wir keine Kirche mehr. Wenn die göttliche Wahrheit in Zweifel gezogen wird, verliert die Kirche ihre Wirkung auf das Volk. Auf den geringen Prozentsatz der Gebildeten kommt es hier nicht an. Weite Kreise des Volkes wissen nicht mehr, was Goit ist, und das ist das Unglück unserer heutigen Zustände. Ein Vor⸗ schlagsrecht müssen die Fakultäten haben, aber der Minister darf nicht daran gebunden sein. Eine Fakultät, in die keiner hinein darf, den die Fakultät nicht will, wäre eine Zwangsinnung, und davon wollen die Herren links doch nichts wissen. Die Theologie kann nur Wissenschaft sein, wenn sie in engster Verbindung mit der Kirche steht. Nicht nur die Fakultät, sondern auch die kirchliche Oberbehörde sollten bei Berufung von Professoren vorher gehört werden. Die heutige Wissenschaft übt viel zu viel Kritik und giebt zu wenig Positives. Durch des liberalen Herder Buch „Vom Geiste der deutschen Poesie“ geht eine glühende Begeisterung für das Alte Testament. Die Frage ist schwierig, die Wissenschaft mit der Kirche zu verbinden, aber wir müssen sie mit Ernst im Sinn des Lebens der Kirche lösen. 8
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Der Minister ist im Ganzen mit meinem Standpunkt einverstanden gewesen, abgesehen von unserer Differenz in dem Bonner Fall. Herr Lückhoff hätte seine Ausfüh⸗ rungen über die theologischen Lehrmeinungen lieber unterlassen sollen. Herr Stöcker hätte alle Veranlassung, sich etwas zurück⸗ zuhalten. Er greift die Lehrfreiheit an; das ist doch selbst⸗ verständlich, daß die Lehrfreiheit nicht bis zum Abfall von der Kirche ehen kann. Was wollte er also mit seinen langen Ausführungen sagen? Er hat nur offene Thüren eingerannt. Wer soll denn die Instanz sein, die entscheidet, ob eine besondere Richtung den Interessen der Kirche frommt oder nicht? Herr Stöcker betrachtet sich wohl selbst als diese Instanz. Die Gewissensfreiheit ist das köstlichste Gut der Kirche. Der Hinweis auf das Schlagwort „Orthodoxie“ war nur eins der Fechterkunststücke, die wir von Herrn Stöͤcker gewöhnt sind. Irgend eine Belehrung habe ich in den Aus⸗ führungen des Herrn Stöcker nicht gefundre.
(Schluß des Blattes.)
— Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Entwurf des Staatshaushalts⸗Etats für 1. April 1896,97, nebst An⸗ lage zugegangen. In demselben wird vorgeschlagen, für einen ständigen Vertreter des Direktors der Staatsarchibe und des Geheimen Staats archivs zu Berlin in dieser seiner doxppelten Stellung eine pensions⸗ fähige persönliche Zulage von jährlich 4000 ℳ bereit zu stellen.
— Bei der gestern im 3. Breslauer Wahlbezirk vor⸗ genommenen Ersatzwahl zum Landtag wurde nach amt⸗ licher Feststellung Dr. von Korn, Majoratsbesitzer in Rudels⸗ dorf (Kreis Wartenburg), (d. kons.) mit den abgegebenen 333 Stimmen zum Mitglied des Hauses der Abgeord⸗ neten gewählt. “
Handel und Gewerbe. Tägliche Wagengestelluns für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.
An der Ruhr sind am 5. d. M. gestellt 11 688, ni ttig gestellt keine Wagen. g nicht rechtzeitig
In Oberschlesien sind am 4. d. M. gestellt 4540, nicht recht
zeitig gestellt keine Wagen.
Verkehrs⸗Anstalten. Bremen, 6. März. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd.
Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II.“ ist am 4. März Nach⸗ mittags in New⸗York angekommen. Der Schnelldampfer „Havel“ ist am 5. März Morgens auf der Weser angekommen. dampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm⸗ Vormittags in Oporto angekommen. Der Postdampfer „Bonn ist am 5. März Nachmittags auf der Weser angekommen.
Der Post⸗ ist am 4. März
London, 5. März. (W. T. B.), Der Union⸗Dampfer
— 6. März. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Garth
Castle“ ist heute auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen. Der Castle⸗Dampfer „Hawarden Castle“ ist am Mittwoch auf der Heimreise von Kapstadt abgegangen. Der Castle⸗Dampfer „Warwick Castle“ ist am Dienstag auf der Heimreise von Mauritius abgegangen.
Rotterdam, 5. März. (W. T. B.) Niederländisch
Amerikanische Dampfschiffahrts ⸗Gesellschaft. Der Dampfer „Veendam“ hat heute früh Dover 188, —
Theater und Mufik.
Konzerte. Die bereits wohlbekannte Konzertsängerin Fräulein Gertrud
Heinrich (aus der Schule O. Eichberg's hervorgegangen) gab am Dienstag im Saal Bechstein in emeinschaft mit dem jungen Edmund Munger, einem Schüler des Klindworth'schen Instituts, ein Konzert, das von dem Letztgenannten, der hier zum ersten Mal vor dem Publikum erschien, mit Bach's Präludium und Fuge in F-moll eröffnet wurde. Hierin sowie in einer Suite (D-moll, op. 1) von d'Albert war sein Vortrag recht befriedi gend, während in sechs Etuden verschiedener Komponisten und in zwei Rhapsodien von Liszt manche Fehlgriffe hörbar wurden, deren Ursache vielleicht eine momentane Be⸗ fangenheit war. Die Sängerin, die eine und umfangreiche Sopranstimme besitzt, ließ in ernsten und h 8 Beethoven, Schubert, Brahm 1 belebte Ausdrucksweise erkennen. Eine zu Setehr Konzerts ein⸗ getretene Indisposition verschwand im weiteren
träge mehr und mehr. Das Publikum kargte nicht mit seinen Beifallsbezeugungen. .
s und Anderen eine verständnißvolle und
erlauf ihrer Vor⸗
Gesang und Klavierspiel bildeten auch den Inhalt des 999v
gestrigen Konzerts im Saal Be chstein, in welchem die Sopranistin Adda Terrato und der Pianist Alfred Schmidt⸗Badekow zum
ersten Mal vor dem hiesigen Publikum erschienen. Die Sängerin verfügt über eine umfängliche und metallreiche Stimme, die sich mit Leichtig⸗ keit sogar bis in das dreigestrichene Es und F hinaufschwingt; ihre Koloraturen und Triller 1- 1“
der Vortrag der früher sehr beliebt gewesenen Proch'schen Variationen (in ur) bewies. Weniger glückte der 1—
ind von perlender Klarheit, wie besonders
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Künstlerin das längere
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