1896 / 58 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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war abgegangen der Professor Christlieb, eine ganz außer⸗ ordentliche Kraft positiver Richtung, die in den weitesten Kreisen das größte Vertrauen genoß und eine sehr heilsame Wirkung ausgeübt hatte. Zur Ruhe hatte sich gesetzt der Professor Krafft, der ungefähr der nämlichen Richtung angehörte. Ein dritter Professor folgte einem Ruf nach Heidelberg, ebenfalls der positiven Richtung. So war es allmählich in Bonn dazu gekommen, daß eine einseitige, mehr kritische Richtung dort in der Fakultät überwog, und zwar dergestalt über⸗ wog, daß aus der Provinzialkirche Wünsche an mich herantraten, hier einen Ausgleich eintreten zu lassen. Diese Wünsche habe ich sorg⸗ fältig geprüft und habe sie demnächst auch berücksichtigt. Ausgegangen ist, wie Herr Dr. Friedberg meint, die ganze Bewegung von den Bonner theologischen Ferienkursen im Jahre 1894. Ich bin diesen Ferienkursen überhaupt nicht näher getreten und zwar aus dem Grunde nicht, weil sie jedes amtlichen Charakters entbehrten, und diesen Standpunkt habe ich so⸗ wohl den Gegnern wie den Vertheidigern dieser Kurse gegenüber gewahrt. Als ein Verein im Rheinlande: „Die Freunde des Kirchenbekennt⸗ nisses in Barmen“ sich mit ausführlichen Beschwerden über diese Kurse an mich wandte, habe ich mich einfach auf eine Empfangsanzeige beschränkt, und auf eine Eingabe der evan⸗ gelisch⸗theologischen Ordinarien in Bonn, die der Besorgniß Ausdruck gab, als ob wegen jener Vorgänge die Be⸗ rufung von Professoren von streng kirchlicher Richtung nach Bonn beabsichtigt sei, habe ich im Dezember 1894 Folgendes erwidert und bitte um die Erlaubniß, das hier wörtlich verlesen zu dürfen: Ob die theologischen Ferienkurse als eine empfehlenswerthe Ein⸗ richtung anzusehen sind, ist mir sehr zweifelhaft. Ich stehe auch heute noch so, daß ich sehr zweifelhaft bin, ob gerade auf diesem Gebiet bei dieser Art der Behandlung der Dinge etwas Gedeihliches herauskommen kann. Da sie aber keinen amtlichen Charakter haben, so finde ich mich nicht veranlaßt, auf angebliche Vorgänge bei denselben näher ein⸗ zugehen. Dagegen bin ich allerdings, ganz abgesehen von jenen Ferienkursen, schon längst der Ansicht, daß es im Interesse einer gleichmäßigen Vertretung der verschiedenen theologischen Richtungen wünschenswerth erscheint, die dortige evangelisch⸗theologische Fakultät bei sich darbietender Gelegenheit nach der positiven Richtung hin zu verstärken.

Meine Herren, ich habe damals das Vertrauen ausgesprochen, daß auch die Fakultät in diesem Bestreben mich mit Rath und That unterstützen würde. Ich habe diese Verfügung bisher nicht veröffent⸗ licht, ich lege aber Werth darauf, sie hier zur Kenntniß zu bringen; denn das geht daraus hervor, daß sie wesentlich in diesen ganzen Zu⸗ sammenhang hineingehört. In der Presse ist, als später ein positiver Theologe nach Bonn berufen wurde, die Sache so dargestellt worden, als ob die Regierung ihre Absicht einer derartigen Berufung früher fälschlich abgeleugnet habe. Meine Herren, ich glaube, daß ich das widerlegt habe durch die Mittheilung eines Briefes an die Ordinarien der Fakultät, sodaß es also in diesen Kreisen vollkommen bekannt war, wie ich zu der Sache stand.

Ich will hier nicht noch näher eingehen auf die Frage der freien theologischen Fakultäten, die ebenfalls an mich herangetreten ist, gegen die ich mich unter den obwaltenden Verhältnissen ablehnend ver⸗ halten habe.

Nun, in Bonn habe ich allerdings einen der positiven Richtung angehörenden Professor berufen, und zwar ohne daß die Fakultät zu⸗ gestimmt hat. Ich habe das deshalb gethan, wie ich schon an⸗ gedeutet habe, weil es sich in beunruhigender Weise zeigte, daß die kirchlichen Kreise in den Provinzen Rheinland und Westfalen sich mehr und mehr daran gewöhnten, ihre jungen Theologen auf andere Universitäten und von Bonn weg zu schicken. So hat die Frequenz der Fakultät ganz erheblich abgenommen, so auffallend und über das gewöhnliche Verhältniß hinaus, das in den letzten Jahren bestanden hatte, daß ich gezwungen war, mir zu über⸗ legen, ob ich dem nicht entgegentreten müßte. In den 12 Semestern vom Sommer 1886 bis zum Winter 1891/92 zählte die evangelisch⸗theologische Fakultät in Bonn durchschnittlich 128 Studenten; gegenwärtig weist sie noch 66 auf (hört! hört!), und sie ist auf diese Weise die am schwächsten besuchte von allen evangelisch⸗theologischen Fakultäten in Preußen.

Meine Herren, daß solche Thatsachen und Beobachtungen meine ernste Erwägung erfordern, wird mir auch der Herr Abg. Dr. Friedberg nicht bestreiten. Dazu kam, daß auch von den Provinzialbehörden wieder⸗ holt das dringende Bedürfniß baldiger Abhilfe bei mir geltend gemacht worden ist. Ich konnte diese Vorstellungen um so weniger unbeachtet lassen, als die Fakultät, wie es im § 6 ihrer eigenen Statuten heißt, „zunächst zum Dienst der Provinzialkirche bestimmt ist,“ und unter diesen Umständen beschloß ich dann, eine Professur, die zu meiner Verfügung stand, zu einer Verstärkung der positiven Elemente in der Fakultät zu benutzen. (Bravo!)

Ich nahm für ihre Besetzung einen Konsistorial⸗Rath aus Münster in Aussicht, der mir durch seine theologischen Arbeiten bekannt ge⸗ worden ist, der sich ferner in Münster als Examinator trefflich be⸗ währt hatte und ein guter Examinator pflegt bekanntlich auch ein guter Dozent zu sein —, der sich dann in ganz ungewöhnlicher Weise das Vertrauen der Provinzialkirche, das in Bezug auf Bonn zu stärken ich als meine Aufgabe ansah, erworben hatte, und der mir überdies von allen Seiten, den kirchlichen und staatlichen Behörden ich darf

es hier offen aussprechen —, auch vom Ober⸗Präsidenten auf das dringendste empfohlen wurde. Nun fragte ich bei der Fakultät an; ich habe sie nicht ignoriert. Die Fakultät erhob Bedenken

und führte folgende Gründe an: erstens, die neutestamentlichen Fächer seien in Bonn bereits vollständig besetzt; zweitens, der von mir in Aussicht genommene Kandidat habe durch seine bisherigen Schriften seine allseitige wissenschaftliche Leistungsfähigkeit auf dem Gebiet des

Neuen Testaments doch noch nicht genügend dargethan. Das erste

Bedenken, daß die neutestamentlichen Fächer ausreichend vertreten sein

follten, konnte für mich nicht durchschlagend sein. Auf meinen Ge⸗ danken, daß ich verschiedene Richtungen gerade in diesem wichtigen

Fach in Bonn vertreten haben wollte, war die Fakultät überhaupt nicht eingegangen. Auf diesen Einwand konnte ich also gar keine Rücksicht nehmen. Was das zweite Bedenken anlangt, so informierte ich mich bei theologischen Fachmännern und kam daraufhin zu der Ueberzeugung, daß der von mir in Aussicht genommene Konsistorial⸗ Rath in theoretisch⸗wissenschaftlicher Beziehung mindestens ebensoviel geleistet hatte, wie manche andere Inhaber von theologischen Ordi⸗ nariaten. Deshalb bin ich in Uebereinstimmung mit dem Evangelischen Ober⸗Kirchenrath, dem ja das Recht der Anhörung in diesen

Dingen zusteht, über die Bedenken der theologischen Fakultät hinweggegangen. Dann hat Seine Majestät im August v. J. auf meinen Antrag die Gnade gehabt, den Mann zum ordentlichen Professor der evangelisch⸗theologischen Fakultät in Bonn zu ernennen. Damit hat die Sache ihren endgültigen Abschluß gefunden.

Nun muß ich aber nach der Beschwerde, die Herr Dr. Friedberg hier vorgebracht hat, ausdrücklich anerkennen, daß die Fakultät in Bonn den Professor, von dem hier die Rede ist, bei seinem Eintritt in das neue Amt in durchaus kollegialer und entgegenkommender Weise aufgenommen hat, und daß es ihm gelungen ist, sowohl bei seinen Kollegen, wie bei den Studenten Boden zu gewinnen, sodaß ich seiner weiteren Wirksamkeit mit vollem Vertrauen entgegensehe.

Ich will aber noch im allgemeinen darauf aufmerksam machen: es liegt mir ganz fern, es etwa zur Regel zu machen, Berufungen eintreten zu lassen kraft des mir zustehenden Rechts. Mir allein steht es nicht überall zu; die Sache liegt so, daß die Berufung der Professoren ein ganz zweifelloses Recht der Krone ist, und es wird ausgeübt auf Vorschlag und unter Verantwortlichkeit des Unterrichts⸗Ministers von Seiner Majestat bei Ordinarien und von mir bei Extraordinarien, und ich muß sagen: es ist ein wahres Glück, daß dieses Recht besteht. Denn, meine Herren, wenn wir den einseitigen Richtungen, wie sie bei einer Fakultät die Ueberhand gewinnen können, immer Ausschlag gebende Bedeutung beilegen wollten, so würden Zustände kommen in unseren Fakultäten und an unseren Universitäten, die weder dem Herrn Dr. Friedberg recht sein noch auch dahin führen würden, daß die Dinge so objektiv geleitet und beurtheilt werden in der Zentral⸗ instanz, wie es durchaus nothwendig ist zum Gedeihen unserer Universitäten, in denen ich wahre Kleinodien unseres preußischen Staats erblicke. Es liegt mir ganz fern, irgendwie über das be⸗ rechtigte Maß hinauszugreifen; es muß aber zuweilen geschehen. Da möchte ich nun auf Einzelheiten nicht eingehen, das giebt nur Er⸗ bitterung, und das erlassen Sie mir wohl. Herr Dr. Friedberg hat doch selbst angedeutet, daß er damit einverstanden ist, und es wird genügen, wenn ich versichere, daß ich, wo ich es nur kann, die Fakultäten höre und daß ich auch großen Werth auf die Uebereinstimmung mit den⸗ selben lege. Immer ist das aber nicht möglich. Es ist ja viel be⸗ quemer, wenn die Fakultät immer hinter mir steht; aber ich muß doch unter Umständen auf meine Verantwortung anders handeln, wenn ich mich überzeuge: hier sind sachliche Bedürfnisse, die eine entschiedene Berücksichtigung verlangen.

Ich habe schon angedeutet, diese Berufungen von Leuten der positiven

Richtung an solche Universitäten, wo eine kritische Richtung einseitig oder überwiegend vertreten ist, und umgekehrt, was ich vollständig an⸗ erkenne, will nicht eine Ausschließung der Lehrfreiheit, sondern eine Ergänzung derselben bedeuten. Ich schaffe dadurch der Lehrfreiheit erst freie Bahn und das ist mein Grundsatz bei dieser Sache, weil ich der theologischen Forschung nicht eine Linie ziehen kann, wie es die katholische Kirche in ganz konsequenter Weise auf Grund der Prä⸗ missen, von der sie ausgeht, thut und thun muß, weil ich das nicht kann auf evangelischer Seite, weil ich die individuelle Veranlagung nicht beschränken kann, weil ich nicht sagen kann: bis zu dieser Linie geht ihr und darüber hinaus fängt der Irrthum an. Das kann ich nicht, das will ich nicht, das werde ich nie thun. (Sehr richtig!) Deshalb habe ich diesen Weg gewählt. Nun richtet sich die Frage, wie und wo ich einschreite an den Universitäten und Fakultäten, nicht nach meinem Belieben, sondern ich habe gesagt, das richtet sich auch nach der Aufgabe unserer evangelisch⸗theologischen Fakultäten, nach ihrer Pflicht, für den Nachwuchs der Provinzialkirche, in der sie sich befinden, und der evangelischen Landeskirche überhaupt zu sorgen. Wenn also an einer Universität und dies gilt in erster Linie zur Zeit von Greifswald nach dieser Richtung hin auch nicht der Schatten einer Beschwerde an mich herangetreten, so habe ich bis jetzt auch nicht die leiseste Veranlassung gehabt, in dieser Beziehung einzu⸗ greifen. Daß ich dies aber thun müßte, wenn für mich dort erheb⸗ liche Gründe vorlägen, wie in den beiden Provinzen, die mit ihrem theo⸗ logischen Nachwuchs auf Bonn angewiesen sind, und zwar gerade seitens der positiven Kreise, die doch auch ein Recht haben, zu existieren, ja, meine Herren, das, glaube ich, bedarf keiner weiteren Aus⸗ führung. Nun möchte ich nur darauf aufmerksam machen: zu allen Zeiten sind in Preußen Männer berufen worden auch ohne und gegen den Willen der Fakultäten. Ich will nur einige Beispiele anführen, das wird für Sie recht interessant sein. Ohne oder gegen den Willen der Fakultät sind berufen worden der Professor Twesten, der Vater des bekannten Politikers, der Professor Vatke, ein liberaler alttestament⸗ licher Theologe. Ohne oder gegen den Willen der Fakultäten sind berufen Tholuck, Dorner⸗Berlin, Mangold in Bonn; um von anderen Fakultäten, bei denen das auch vorkommt, nur einige wenige Namen u nennen, der Physiologe Johannes Müller und Hermann von Helm⸗ zholtz, als er 1855 als Physiologe nach Bonn berufen wurde, und Leopold von Ranke. (Heiterkeit!) Das waren doch auch Männer, die einigermaßen auf das Konto der Regierung, und zwar auf das Gut⸗ haben derselben geschrieben werden konnten.

Meine Herren, so liegt die Sache, und ich hoffe, wenn Sie mit einer billigen Würdigung der thatsächlichen und rechtlichen Ver⸗ hältnisse an diese Frage herantreten, daß Sie mir dann zustimmen werden, daß für mich kein Grund vorliegt, mit mir selbst und meiner Thätigkeit unzufrieden zu sein, wie ich sie in Bonn geübt habe.

Was die Dinge in Marburg anlangt, so sind allerdings dort zwei Fälle, nicht vier, vorgekommen, wo ich ohne Befragung der Fakultät Professoren berufen habe. Die Nichtbefragung der Fakultät hatte aber in diesen Fällen ihre ganz besonderen Gründe. Auch ist der eine Fall von dem Herrn Abg. Dr. Friedberg noch in anderer Beziehung nicht richtig beurtheilt worden; ich habe das Bedürfniß, das doch hier klar zu stellen. Allerdings ist Hessen reformiert, aber nicht in dem Sinne, wie die reformierte Kirche von der lutherischen Kirche sonst in anderen Landestheilen geschieden ist. Die hessische Kirche ist ein eigen⸗ artig gemischtes Gebilde der Augsburgischen Konfession, welches nur auf dem Gebiet der Abendmahlslehre sich der reformierten Auf⸗ fassung zuneigt. Es ist das auch noch nicht der volle Inbegriff dessen, was an Bekenntnißstand in Hessen gilt; aber es mag hier genügen, das festzustellen. Mit Rücksicht darauf nun kann ich sagen, daß der nach Marburg berufene Professor, bei dem die Dinge ganz ähnlich lagen wie in Bonn, und der sich des vollen Beifalls des hessischen Kirchenregiments erfreut, und der auch jetzt mit der Fakultät in einem durchaus erträglichen Verhältniß steht, daß da von einem Angriff auf das reformierte Bekenntniß auch garnicht entfernt die Rede sein kann,

cht einmal von einem Angriff auf die kritische Richtung oder ich

will es ganz rund aussprechen auf die Ritschl'sche Richtung, die in Marburg sehr stark vertreten ist, und durch ausgezeichnete Ver⸗ treter, wie ich gern anerkenne, die ich ja auch ruhig ihren Weg will gehen lassen, die sich aber nicht beklagen können und nicht beklagt haben, daß neben sie auch andere Kräfte gestellt sind, bei denen es den Studenten ermöglicht wird, einmal zu sehen, wie auch von positiver Seite die Lehren der evangelischen Kirche vorgetragen werden.

Das ist der einfache Sachverhalt, und ich glaube, daß ich mit diesen Erklärungen schließen kann.

Abg. Weyerbusch (fr. kons.) hält die Maßregel des Ministers in Bonn für richtig; dadurch sei die große Erregung in der Be⸗ völkerung glücklich überwunden worden. Der Ausdruck „Straf⸗ fheffflor. sei nicht geeignet für einen Mann, der in eine Fakultät ge⸗ chickt werde, die ihn nicht mit offenen Armen aufnehme; er verdiene vielmehr ein pflichttreuer Mann genannt zu werden.

Abg. Lückhoff (fr. kons.): Die vom Abg. Friedberg angeregte Frage interessiert nicht bloß den gelehrten Professor, sondern in sprüfgem Maße auch den Laien. Ich will die Freiheit der Wissen⸗ Lchaft und ihrer Lehre nicht antasten; ich wünsche, daß in der evangelisch⸗theologischen Fakultät neben der positiven Richtung auch die moderne, die kritisch⸗historische, vertreten sei, daß unsere Theologie Studierenden sich in Kenntniß aller Richtungen zur Klarheit und Be⸗ festizung ihres Standpunkts durchkämpfen, was wenigen erspart bleibt. Den Bonner Fall beurtheile ich anders, als Abg. Friedberg. Ein Professor hatte 1894 in einem Ferienkursus in Bonn die alttestamentlichen Patriarchen als „Phantasiegebilde“ hingestellt. Wo⸗ zu? Er konnte doch nicht erwarten, daß die überwiegend posi⸗ tiven rheinisch⸗westfälischen Geistlichen diese neuen Lehren auf der Kanzel verwerthen würden, daß die schönen Geschichten von Abraham, Isaak und Jakob nicht anders aufzufassen seien als die Märchen vom Sneewittchen und Dornröschen. Und ein anderer Professor stellte vor demselben Auditorium die Einsetzung des heiligen Abendmahls als unsicher und unwahrscheinlich hin. Diese neuen Lehren haben großen Anstoß erregt, die meisten Synoden protestierten dagegen; durch die Berufung des streng positiven Konsistorial⸗Raths aus Münster als Professor nach Bonn trat aber Beruhigung ein. Der vom Minister betretene Weg der 8 der verschiedenen theologischen Richtungen als auch des koͤnfessionellen Sonderbekennt⸗ nisses bewahrt vor Einseitigkeit und führt zur Herstellung eines vollen Verständnisses evangelischen Lebens.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Althof bemerkt, daß er auf die begutachtende Thätigkeit der Fakultäten wohl großen Werth lege, daß diese aber nicht . ebend sein könne.

Abg. Dr. Virchow: Nach den Statuten hat die Fakultät das Recht, Vorschläge für eine Vakanz zu machen; allerdings steht nicht darin, daß sie zu entscheiden habe, ob eine Vakanz vorliege. Die Berufung ohne Hefragung der Fakultät ist sehr bedenklich, es machen sich sonst die Einflüsse illegitimer Rathgeber geltend. Im Ministerium besteht die Neigung, das Statut als eine Art flüssiger Materie anzusehen, die sich beliebig verändern läßt. In den Fakultäts⸗ statuten ist die Anzahl der Ordinariate vorgeschrieben, und wenn man durch die bloße Geldbewilligung eine neue Professur schafft, muß man gleich das Statut ändern, damit die Verhältnisse klar liegen. Die Verhältnisse der Extraordinarien haben sich im Laufe der Zeit gänzlich verschoben. Bei Seen Lückhoff ist mir nicht klar geworden, was er sich unter einer vorstellt, wenn er alle möglichen Richtungen darin vertreten sehen will. Wir können nicht ein Allesdurcheinander

von Lehren befürworten, dadurch könnte die deutsche Wissenschaft eine schwere Schädigung erleiden. Wenn von oben künstlich hineingearbeitet wird in die Richtung der Fakultäten, so kann das keinen Nutzen bringen.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Althof setzt auseinander, in welcher Weise die Verhältnisse der Extraordinariate geregelt seien; eine Beförderung finde nur statt, wenn eine etatsmäßige Stelle vorhanden br Die ganze Frage habe unnützen Staub aufgewirbelt. Es komme ierbei nicht allein auf die Kompetenz der Fakultäten, sondern auch auf die Kompetenz des Ministers an.

Abg. Damink (kons.) stimmt den Maßregeln des Ministers zu.

Die weitere Berathung wird vertagt.

Der heute eingegangene Nachtrags⸗Etat wird auf Vorschlag des Vize⸗Präsidenten Freiherrn von Heereman unter Verzicht cuf die erste Berathung sofort der Budget⸗ kommission überwiesen.

Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. (Kultus⸗Etat.)

Handel und Gewerbe.

Breslau, 5. März. (W. T. B.) Getreide⸗ und Pro⸗ duktenmarkt. Spiritus pr. 100 1 100 % exkl. 50 Verbrauchs⸗ abgaben pr. März 50,20, do. do. 70 Verbrauchsabgaben pr. März 30,70. 8

Magdehurg, 5. März. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exklusive, von 92 % —,—, Kornzucker exklusive 88 % Rendement —,—, Nachprodukte exkl., 75 % Rendement 9,40 10,40. Stetig. Brotraffinade I 25,25. Brotraffinade II 25,00. Gem. Raffinade mit Faß 24,75 25,25. Melis I mit Faß S Ruhig. Rohzucker I. Produkt Trans. f. a. B. Hamburg pr. März 12,40 bez. und Br., pr. April 12,47 ½ Gd., 12,50 Br., pr. Mai 12,60 bez., 12,62 ½ Br., pr. Juli 12,80 Gd., 12,82 ½ Br., pr. Oktober⸗ Dezember 11,45 bez., 11,50 Br. Ruhig, stetig.

Leipzig, 5. März. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. März 3,50 ℳ, pr. April 3,52 ½ ℳ, pr. Mai 3,55 8 pr. Juni 3,57 ½ ℳ, pr. 82 3,60 ℳ, pr. August 3,60 ℳ, pr. September 3,62 ½ ℳ, pr.

3,62 ½ ℳ, pr. November 3,62 ½ ℳ, pr. Dezember 3,62 ½ ℳ, pr. Januar 3,62 ½ ℳ, pr. Februar 3,62 ½ Umsatz 60 000 kg. Ruhig.

Bremen, 5. März (W. T. B.) Böörsen⸗Schlußbericht.

Raffiniertes Pötr oleum. (Offizielle Notierung der Bremer etroleum⸗Börse.) Stetiger. 0 5,65 Br. Russisches Petroleum. oko 5,40 Br. Schmalz. Ruhig. Wilcox 29 ¾ ₰, Armoun shield 29 ₰, Cudahy 30 ½ ₰, Choice Grocery 30 ½ ₰, White label 30 ½ ₰, Fairbanks 26 . Speck. Ruhig. Short elear middling loko 27 ½ ₰. Reis ruhig. Kaffee unverändert. Baum⸗ wolle. Matt. Upland middl. loko 40 ¼ ₰. Wolle. Umsatz: 185 Ballen.

Hamburg, 5. März. (W. T. B.) Getreidemarkt. Weizen loko ruhig, holsteinis loko neuer 154 158. Roggen loko ruhig, hiesiger —, mecklenburger loko neuer 142 145, russs r loko ruhig, 86 88. Hafer ruhig. Gerste matt. Rüböl (unver⸗ zollt) ruhig, loko 47 ⅛. Spiritus still, pr. März⸗April 16 ¾ Br., pr. April⸗Mai 16 ½ Br., pr. Mai⸗Juni 16 ¾ Br. Kaffee fest, Umsatz 2000 Sack. Petroleum matt, Standard white loko 5,65.

Kaffee. (Nachmittagsbericht.) Good average Santos pr. März 66, pr. Mat 66 ¼, pr. September 62 ½, pr. Dezember 58 ½. Behauptet. Zuckermarkt. (Schlußbericht.) Rüben⸗Rohzucker I. Produkt Basis 88 % Rendement neue Usance, frei an Bord Ham⸗ burg pr. März 12,22 ½, pr. April 12,37 ½, pr. Mai 12,47 ½, pr. Juli 12,67 ½, pr. Oktober 11,47 ½, per Dezember 11,40. Matt.

London, 5. März. (W. T. B.) Wollauktion. Preise fest, behauptet.

An der Küste 2 Weizenladungen angeboten.

96 % Javazucker 14 ¼ stetig, Rüben⸗Rohzucker lolo 125⁄18 matt. Chile⸗Kupfer 45 ¼, pr. 3 Monat 46 ⅛.

Paris, 5. März. (W. T. B.) (Schluß.) Rohzucker ruhig, 88 % loko 31 ½ à 31 ¼.. Weißer Zucker matt, Nr. 3, pr. 100 kg pr. März 33, pr. April 33 ¼, pr. Mai 34 ¼, pr. Oktober 31 .

Amsterdam, 5. n. (W. T. B.) Java⸗Kaffee good ordinary 50 ½. Bancazinn 37. v1““

Berlin, Freitag, den 6. März

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

In Bezug auf die gesetzliche Verpflichtung der Gewerbetreiben⸗ den zu Präzipualleistungen für den Bau von Gemeinde⸗ wegen oder Süa welche infolge des Betriebs von Fabriken ꝛc. in erheblicher Weise dauernd abgenutzt werden, hat

das Ober⸗Verwaltungsgericht, IV. Senat, durch Urtheil vom 18. Sep⸗

1895 folgende Rechtssätze ausgesprochen:

1) Um ein Urtheil über die Erheblichkeit der geschehenen Abnutzung zu gewinnen, ist es erforderlich, wenigstens approximativ schätzungsweise klarzustellen, in welchem Umfange die Benutzung des Weges von seiten des Fabrik⸗ ꝛc. Besitzers im Verhältniß zu der gesammten, auf dem Wege sich bewegenden Vekturanz stattfindet. Erst eine Vergleichung der durch den Fabrikbetrieb der Beklagten veranlaßten Vekturanz mit dieser gesammten Vekturanz läßt erkennen, ob durch erstere die Unterhaltungskosten in nennenswerther Weise vermehrt worden sind, und ob also eine hehhaag des Weges in erheblicher Weise, wie sie das Gesetz voraussetzt, tattgefunden hat.“

2) Es kommt nicht darauf an, wer den Transport der Pro⸗ dukte besorgt, mag dies der Unternehmer des Betriebs oder mögen es die Abnehmer seiner Produkte sein, die vielleicht mit eigenem Gespann letztere abfahren; in beiden Fällen bleibt der Be⸗ triebsunternehmer gegebenen Falls zu den Wegebaubeiträgen ver⸗ pflichtet. Eine Ausnahme würde der Fall bilden, daß der Fabrik⸗ besitzer die fraglichen Produkte loko der Fabrik und im Ganzen an einen Zwischenhändler verkauft, so zwar, daß ihn letzterer in kleineren Partien und auf eigene Rechnung an einzelne Abnehmer weiter absetzt; in diesem Falle kann der Zwischenhändler, welcher eine feste Betriebsstätte daselbst hat, von wo aus der Vertrieb der Produkte an die Einzelabnehmer erfolgt, als Unternehmer im Sinne des Gesetzes betrachtet werden, der im Betrieb seiner eigenen ünternehmung den Transport der von ihm abgesetzten Produkte ver⸗ aclaßt. (V. 1271.)

Wird die Einkommensteuer ⸗Veranlagung cines Steuerpflichtigen von diesem beanstandet, so liegt, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, II. Senats, vom 5. Oktober 1895, dem Steuerpflichtigen die Beweislast für die von ihm be⸗ hauptete Höhe seines steuerpflichtigen Einkommens ob. Er hat, wenn er ein Handels⸗ oder Gewerbetreibender ist, eine übersichtliche und ge⸗ nügend informierende Aufstellung der Betriebseinnahmen und ⸗Ausgaben zu machen, worauf dann die Parteien über die einzelnen Posten dieser Aufstellung zu verhandeln haben. „Wie von dem Ober⸗Verwaltungsgericht in zahlreichen Fällen nachgewiesen worden ist, trifft die Beweislast, sofern die Steuerpflicht an sich feststeht, den Zensiten. Er ist cs, der unter der gegebenen Voraussetzung das erforderliche Matertal zur Rechtfertigung seines auf Ermäaäßigung gerichteten Antrags zu beschaffen hat; nicht aber liegt dem Steuergläubiger es ob, seinerseits darzuthun, daß der Steuerschuldner dasjenige Einkommen auch wirklich besitzt, zu dem er herangezogen ist. Der Kläger (Zensit) hat nicht dem Beklagten eine vollständige Abschrift seiner Bücher vorzulegen. Wohl aber kann der Beklagte fordern, daß ihm eine übersichtliche Zusammenstellung, die ihm ermöglicht, sich zu vertheidigen, zugefertigt wird. Außerdem aber bleibt es ihm überlassen, sich bei der Prüfung der Bücher zu betheiligen und sich auf diesem Wege ausreichende Information zu verschaffen, wo die übersichtliche Zusammenstellung ihm nicht zu ge⸗ nügen scheint.“ (II. 1483.)

Für Streitigkeiten über Ansprüche eines Landarmen⸗ verbandes gegen einen Ortsarmenverband auf Erstattung der Pflegekosten armenrechtlich bilfsbedürftiger Geisteskranker, Idioten ꝛc. ist nach § 31 c Abs. 2 der zum Preußischen Armengesetz ergangenen Novelle vom 11. Juli 1891 in letzter Instanz das Bundes⸗ amt für Heimathwesen zuständig; ferner hat die Novelle vom 11. Juli 1891 dem Kreise, dem der endgültig unterstützungspflichtige Orts⸗ armenverband angehört, durch ihren § 31 a eine doppelte Verpflich⸗ tung auferlegt, nämlich einmal, die Erstattung der Pflegekosten zu vermitteln, und zweitens, dem Ortsarmenverband mindestens zwei Drittel der von ihm aufzubringenden Kosten als Beihilfe zu ge⸗ währen, und sie hat sodann im § 31 c Abs. 1 weiter bestimmt:

„Streitigkeiten zwischen den Ortsarmenverbänden und den zur Beihilfe verpflichteten Kreisen unterliegen der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren; zuständig ist in zweiter Instanz das Ober⸗Verwaltungsgericht.“

In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht, I. Senat, durch Urtheil vom 26. November 1895, in Ueber⸗ einstimmung mit einer früheren Entscheidung (vom 14. Mai 1895) desselben Gerichtshofs, ausgesprochen: Nur für Streitigkeiten zwischen dem Kreise und dem Ortsarmenverbande, welche die Gewährung der Beihilfe betreffen, ist das Verwaltungsstreitverfahren zugelassen, dagegen nicht für die aus der Vermittelung der Pflege⸗ kosten⸗Erstattung entspringenden Rechtsansprüche. Hat der Kreis für Rechnung des Ortsarmenverbandes die gesammten Pflegekosten an den Landarmenverband vorschußweise gezahlt, so kann er weder im Verwaltungsstreitverfahren, noch im Wege des Armenprozesses, sondern nur im ordentlichen Rechtswege, sei es aus der condiectio indebiti gegen den Landarmenverband auf Zurückzahlung, sei es aus der nützlichen Verwendung oder der Geschäftsführung gegen den Orts⸗ armenverband auf Erstattung eines Drittels des Vorschusses klagen. (I. 1484.)

Land⸗ und Heerstraßen ist nach §§ 11 ff. des Allgemeinen Landrechts II. 15 der Staat zu unterhalten verpflichtet, und die Ein⸗ wohner der an der Straße liegenden Gegend sind, nach gemeinen Rechten, zur Arbeit mit Hand⸗ und Spanndiensten bei Unterhaltung und Besserung der Wege nach der Anordnung des Staats verbunden. In Bezug auf diese hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, IV. Senat, durch Urtheil vom 4. Januar 1896 ausgesprochen, daß den provinzialrechtlichen Bestimmungen über die Einrichtung der Land⸗ und Heerstraßen nicht eine solche ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden kann, daß Straßen, welche diesen Anforderungen nicht überall und nicht in vollem Umfange entsprechen, um deswillen allein die Land⸗ straßeneigenschaft nicht haben könnten, daß ferner eine Landstraße die Eigenschaft einer solchen nicht ohne weiteres dadurch verliert, daß eine dieselbe Richtung einschlagende Chaussee erbaut worden ist und den Verkehr, welcher der Landstraße das Gepräge einer solchen früher verliehen hatte, ihr abgenommen hat. Gegenüber den hervorgehobenen Umständen, nach denen es im vorliegenden Falle ausgeschlossen ist, in der Erbauung der Chausseen von A. nach G. und von G. nach H. eine von der Landespolizeibehörde genehmigte Verlegung der alten Landstraße von H. nach A. zu finden, erscheint es ganz unerheblich, ob die Straße den provinzialrechtlichen Anforde⸗ rungen noch entspricht, und ob darauf noch ein landstraßenmäßiger Durchgangsverkehr stattfindet.“ (IV. 17.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Der Bestand der deutschen Kauffahrteiflotte

an registrierten Fahrzeugen mit einem Bruttoraumgehalt von mehr als 50 cbhm belief sich nach dem Ende Februar ausgegebenen ersten

Hefte des Jahrgangs. 1896 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs am 1. Januar 1895 auf 3665 Schiffe 5 einem Gesammtraumgehalt von 1 553 902 Register⸗Tons netto, wogegen am 1. Januar 1890 3594 Schiffe mit 1 320 721 Register⸗Tons vorhanden waren. Unter den Schiffen waren am 1. Januar 1895 2622 Segel⸗ schiffe mit 660 856 Register⸗Tons und 1043 Dampfer mit 893 046 Re⸗ gister⸗Tons, während am 1. Januar 1890 die Zahl der Segelschiffe 2779 mit 702 810 Register⸗Tons, der Dampfer 815 mit 617 911 Register⸗ Tons betrug. Ergeben die letztgenannten Zahlen für Segelschiffe 77,3 %, für Dampfer 22,7 % des Gesammtbestandes an Seeschiffen mit einem Antheil am Gesammtraumgehalt von beziehungsweise 53,2 % und 46,8 %, so zeigen die Zahlen am 1. Januar 1895 für die Segelschiffe und Dampfer und deren Nettoraumgehalt das Verhältniß 71,5: 28,5 und 42,5:57,5. Die hieraus ersichtliche Abnahme des Segler⸗ bestandes betrifft hauptsächlich nur die Größenklassen von 50 bis unter 1000 Register⸗Tons netto und ist am stärksten in der Größenklasse von 500 bis 600 Register⸗Tons Raumgehalt (42,3 %), während die Zahl der Fahrzeuge mit weniger als 30 Register⸗Tons von 664 auf 805 (um 21,2 %), mit 30 bis unter 50 Register⸗Tons von 520 auf 573 (um 10,2 %) sowie derjenigen mit 1000 Register⸗Tons und darüber pvon 191 auf 241 (um 26,2 %) sich erhöht hat. Bei den Dampfern zeigt sich eine Vermehrung durch fast alle Größen⸗ klassen. Hier sind die kleineren Fahrzeuge unter 100 Register⸗Tons am stärksten angewachsen, von 165 auf 248 oder um 50,3 %, nicht ganz so bedeutend die größeren von über 1000 Register⸗Tons, welche von 243 auf 332 oder um 36,6 % gestiegen während die Dampfer in der Größe von 100 bis 1000 Register⸗Tons verhältnißmäßig am wenigsten zugenommen haben, von 407 auf 463 oder um 13,8 %. Unter der Gesammtzahl der Segelschiffe befanden sich am 1. Januar 1895 15 = 0,57 % viermastige, 560 = 21,36 % dreimastige, 1364 = 52,02 zweimastige, 597 = 22,77 % einmastige Schiffe, und 86 = 3,28 % führten keine Masten. Von den vorhandenen Dampfern waren 56 = 5,4 % Räderdampfer und 987 = 94,6 % Schrauben⸗ dampfer.

Ueberdie Verunglückungen (Totalverluste) deutscher Seeschiffe in den Jahren 1893 und 1894 sind in demselben Heft einige Zusammenstellungen veröffentlicht. Hiernach sind 1893 (die An⸗ gaben für 1894 sind noch nicht vollständig) 125 deutsche registrierte Seeschiffe mit einem Nettoraumgehalt von 51 117 Register⸗Tons ver⸗ loren gegangen, und zwar sind 44 Schiffe gestrandet, 21 gesunken, 5 gekentert, 3 verbrannt, 20 infolge schwerer Beschädigungen und 8 durch Kollision verunglückt, 24 verschollen. Dabei büßten 278 Personen (sämmtlich der Besatzung angehörend) von 1200 an Bord gewesenen Menschen (1169 Mann Besatzung und 31 Passagiere) ihr Leben ein. Im Vergleich zum Bestands der registrierten deutschen Seeschiffe am 1. Januar 1893 beträgt der Schiffsverlust im Laufe des Jahres 3,35 %. Dagegen bezifferte sich der Verlust in den Jahren 1892, 1891, 1890 und 1889 auf 2,80 %, 3,23 %, 2,53 % und 3,16 % des Schiffsbestandes am Anfang des be⸗ treffenden Jahres. Für die Schiffsbesatzung berechnet sich das Verlust⸗ verhältniß derart, daß in den Jahren 1893, 1892, 1891, 1890 und 1889 ein Mann von je 150, 158, 227, 227 und 174 Seeleuten, welche auf deutschen Schiffen dienten, verunglückte.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.

Au Anträgen auf Gewährung von Renten sind

Hanseatischen Versicherungsanstalt eingegangen: a. Altersrenten: im Jahre 1891 1105, 1892 404, 1893 381, 353, 1895 354 und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende 1896 80, zusammen 2677; b. an Invalidenrenten: im Jahre 1892 181, 1893 301, 1894 550, 1895 895 und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende Februar 1896 142, zusammen 2069; mithin sind seit Beginn des Jahres 1891 bei der Hanseatischen Versicherungsanstalt an Rentenanträgen eingegangen 4746. Von den Rentenanträgen auf Altersrente entfallen auf das Gebiet der freien und Hansestadt Lübeck 445, Bremen 582, Hamburg 1650 und von den auf Invalidenrente auf das Gebiet von Lübeck 230, Bremen 664, Hamburg 1175. Von den Anträgen auf Altersrente sind bis Ende Februar 1896 erledigt 2628 und zwar 2285 durch Rentengewährung, 304 durch Ablehnung und 39 auf sonstige Weise. Von den Altersrenten⸗ empfängern sind inzwischen ausgeschieden 460, von diesen sind ver⸗ storben 4377. Von den Anträgen auf Invalidenrente sind bis Ende Februar 1896 erledigt 1984, und zwar 1449 durch Renten⸗ gewährung, 466 durch Ablehnung und 69 auf sonstige Weise. Von den Invalidenrentenempfängern sind inzwischen ausgeschieden 370, von diesen sind verstorben 350. Auf die Gebiete der drei städte vertheilen sich die noch im Bezug der Rente befind⸗ lichen Personen folgendermaßen: Lübe 305 Altersrenten, 131 Invalidenrenten; Bremen 402 Altersrenten, 392 Invaliden⸗ renten; Hamburg 1118 Altersrenten, 556 Invalidenrenten. Die Jahressumme der bis jetzt gewährten Renten macht insgesammt 544 858 aus, von welchem Betrage 115 433 für die in⸗ zwischen ausgeschiedenen Rentenempfänger abzusetzen sind. Nach den Berufszweigen vertheilen sich diese 3734 Rentenempfänger auf folgende Gruppen: Landwirthschaft und Gärtnerei 239 Rentenempfänger, In⸗ dustrie und Bauwesen 1563, Handel und Verkehr 707, sonstige Berufsarten 312, Dienstboten ꝛc. 913. An Anträgen auf Rückerstattung der Beiträge gemäß §§ 30 und 31 des Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versi Eö“ sind bis jetzt eingegangen aus dem Gebiete von Lübeck 72, Bremen 180, Hamburg 517, zusammen 769. Davon sind erledigt durch Rückzahlung 548, durch Ablehnung 130, auf sonstige Weise 18, zusammen 696, mithin unerledigt 73.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Kottbus wird der Berliner ] zum Aus⸗ tande der dortigen Textilarbeiter telegraphiert: Das Gewerbe⸗ bende teran veröffentlicht eine Bekanntmachung, wonach es ihm elungen ist, die Fabrikanten zu folgendem Zugeständniß zu ewegen: Zurücknahme der Generalkündigung zum Sonnabend, wenn heute drei Viertel der Ausständigen die Arbeit wieder aufnehmen. Vorbehalten ist jedoch die Auswahl der Arbeitsuchenden. Der „Frkf. Ztg.“ wird gleichzeitig gemeldet, daß die ausständigen Textilarbeiter in Kottbus eine Erklärung erließen, der zufolge sie mit den Fabrikanten in neue Unterhandlungen eintreten wollen. 1

In Lauterberg a. H. ist, wie der „Vorwärts berichtet, in der Stuhlfabrik v. Haltecdof und Zeidler wegen Lohnstreits ein

sstand ausgebrochen. 6 g süns Lübeck wird der „Köln. Ztg.“ geschrieben: Die Arbeiter der hiesigen Maschinenbaugesellschaft beschlossen in einer Ver⸗ sammlung, von der Direktion eine Lohnerhöhung zu fordern und, falls diese nicht gewährt wird, am 9. März die Arbeit niederzule en. Die Maschinenbauer, Dreher und Tischler verlangen einen Mindeststunden⸗ lohn von 30 ₰, welcher Betrag auch der Accordarbeit zu Grunde ge⸗ legt werden soll. Ferner soll ein Aufschlag von 25 % für Ueber⸗ tunden gefordert werden. 8 Sies so Berlin ist einer Mittheilung der Berliner . zufolge in einer Versammlung der nicht zur Innung gehörenden Ber⸗ liner Buchdruckereibesitzer beschlossen worden, daß auch sie sich auf den Standpunkt der Irxnung stellen und mit ihr im d⸗ niß handeln wollen. (Vgl. Nr. 56 d. Bl.)

Literatur.

hs. Schule u d Vaterland von M. Evers, Professor und Gymnasial⸗Direktor in Barmen. (243 S.) Barmen. Verlag von D. B. Wiemann. Preis brosch. in Kunstdruckumschlag 2 25 ₰, gebd. 3 ℳ% Auch eine Gabe zum Jubeljahr 1895/96. Sie enthält vaterländische Vorträge für Jung und Alt, die der Herausgeber bei Schulfeiern und anderen patri otischen Festen gehalten hat. Evers ist durch seine Schriften: „Vaterländische Festdichtungen“ und „Bismarck und Moltke, Deutschlands Dioskuren“ (Verlag von F. Bagel in Düsseldorf und Jäger in Frankfurt a. M.) bereits bekannt geworden. Sein neuestes Buch enthält wirklich „vaterländische Worte“, die er in einem Zeitraum von 15 Jahren gesprochen hat. Etliche sind bereits einzeln im Druckerschienen. Es sind nicht nur Schulreden, sondern auch anderwärts gehaltene. Der letzte Abschnitt schildert eine „vaterländische Schulfahrt“ von Oberklassen der Gymnasien, Realgymnasien und Ober⸗Realschulen des Wupperthals am 13. und 14. Juli 1895 zum Blücher⸗Denkmal

Art vielleicht einzig dasteht. Den Verfasser zeichnet eine angenehme

Knappheit der Rede aus, die den Gegenstand dennoch erschöpft und

die Zuhörer fesselt. Da dies bei den Schulreden nicht immer der

19. ist, so weisen wir gern und nachdrücklich auf die Evers'sche ammlung bin.

chs. Denkschrift des IX. Deutsschen Evangelischen Schulkongresses zu Potsdam vom 1. bis 4. Oktober 1895. Herausgegeben vom Bureau des Kongresses. (228 S.) Berlin 1895. Verlag der Buchhandlung der „Deutschen Lehrerzeitung“ (Fr. Zillessen). Preis brosch. 3ℳ Diese Denschrift enthält ein ebenso ausführliches, wie geschickt ausgearbeitetes Protokoll des Schulkongresses. Die ge⸗ haltenen Vorträge sind wörtlich wiedergegeben und die Diskussion anschaulich geschildert. Die Denkschrift wird den betheiligten Kreisen sein; freilich aber wird der Preis den Lehrerstand zurück⸗ schrecken.

Von dem mehrfach erwähnten, im Verlage von Max Babenzien in Rathenow erscheinenden Sammelwerk „Deutschlands Ruhmes⸗ tage“ liegen jetzt die Lieferungen 10 bis 13 vor. Die zehnte Liefe⸗ rung schließt mit den „Feldzugs⸗Erinnerungen eines 35 ers“ ab, während die folgenden drei die Erinnerungen von Horst von Gersdorff, Hauptmann a. D., enthalten, welcher beim 37. Regiment den Feldzug mitmachte. Das Werk soll in 40 Lieferungen à 40 vollständig werden.

„Die Berufswahl im Staatsdienst.“ Eine Zusammen⸗ stellung der wichtigsten Vorschriften über Annahme, Ausbildung, Prüfung, Anstellung und Beförderung in sämmtlichen Zweigen des Reichs⸗ und Staats⸗, des Militär⸗ und Marinedienstes; sowie über die wissenschaftlichen Erfordernisse, die Ausbildung und Prüfung der Aerzte, Apotheker, Thierärzte und Zahnärzte, als auch der Maschinisten und Steuerleute in der Handels⸗Marine. Auf amtlichen Quellen beruhend, von A. Dreger, Geheimem Rechnungs⸗Rath am Rech⸗ nungshofe des Deutschen Reichs. Fünfte Auflage. Dresden und Leipzig, 1896; C. A. Koch's Verlag. Preis 3 60 ₰. Ein Vorzug, der dieses Werk vor anderen ähnlichen auszeichnet, ist die Uebersichtlichkeit und Klarheit der Darstellung. Der Verfasser hat sich stets, auf amtlichen Quellen fußend, bei seinen Mittheilungen auf das für den B des Buchs Nothwendige beschränkt und insbesondere nur die wissenschaft⸗ lichen und sonstigen Erfordernisse, sowie die für die Anmeldung und Ausbildung zu beachtenden Vorschriften hervorgehoben. Die materiell erreichbaren Ziele sind durch Angabe der mit den verschiedenen Stellungen verbundenen Einkünfte gekennzeichnet. Daß auch für die nicht im unmittelbaren Staatsdienste stehenden Aerzte, Apotheker, Thierärzte, Zahnärzte die Vorschriften über die wissenschaftliche Aus⸗ bildung, die Prüfungen ꝛc. mitgetheilt sind, werden diejenigen, die sich den genannten Berufen widmen wollen, als eine angenehme Zugabe begrüßen. Das Buch hat sich, wie die schnelle Folge der Auflagen zeigt, wohl bewährt und wird sich auch in der neuen allen denjenigen, welche vor der entscheidenden Wahl stehen, als hilfreicher Berather erweisen.

Die Verbreitung guten Lesestoffs. Von Apel, 55 in Odagsen bei Einbeck. Nr. 8 der Schriften der Zentral⸗ telle für Arbeiter⸗Wohlfahrtseinrichtungen. Berlin, Karl Heymann'’s Verlag. Preis 2 Das Verlangen nach Bethätigung und Er⸗ weiterung der in der Volksschule erworbenen Kenntnisse, das Be⸗ dürfniß, die eigene Zeit, ihre wirthschaftliche, politische und geistige Entwickelung zu verstehen, der Wunsch, mit seiner Zeit zu leben und an ihren Aufgaben mitzuarbeiten, und die Erkenntniß, dazu erst an sich selber arbeiten zu müssen, durchdringen heute immer weitere Kreise unseres Volkes. Um dieser Erkenntniß, diesem Bedürfniß entgegenzukommen, giebt es neben der unmittelbaren Pflege des religiösen und kirchlichen Lebens, neben der Weckung eines gesunden und gutgeleiteten Vereinslebens, der Errichtung von Fortbildungsschulen, der Abhaltung von Vorträgen und Familien⸗ abenden, die doch immer nur einem kleineren Theil der Bevölkerung (dem weiblichen Geschlecht nur in beschränktem Maße) zu gute kommen, kein wichtigeres Mittel als die Verbreitung guten Lesestoffs. Die vorliegende Schrift der Zentralstelle für Ar eiter⸗Wohlfahrts⸗ einrichtungen behandelt die verschiedenen schon eingeschlagenen und noch einzuschlagenden Wege, diesen Lesestoff ins Volk zu bringen, die Lese⸗ lust zu befriedigen und neue zu wecken, insbesondere die Gründung und praktische Einrichtung von Volksbibliotheken und die nach ver⸗ nünftigen Grundsätzen betriebene Kolportage, daneben und zum theil im Anschluß daran die Errichtung von Lesezimmern, Begründung von Lesevereinen und Leseabenden, die Verbreitung von Fentenoen, Zeitschriften und Flugschriften und endlich die Anlage einfacher Hausbüchereien. In wie a Maße die Staaten des europäischen Kontinents hinter England und Amerika auf dem Gebiete des freiwilligen Volks⸗ bildungswesens zurückgeblieben sind, 1888 sich aus folgenden, in der

enannten Schrift mitgetheilten Zahlen. Es wurden jährlich in Polksbibliotbe en entlehnt in: England und Schottland 25 Millionen Bände, Nord⸗Amerika und Australien 20 Mill., Frankreich 6 Mill., Deutschland 4 Mill., Oesterreich 1 Mill., Dänemark 0,6 Mill Schweiz 0,5 Mill. Bände. In den Püere, Städten Englands entfallen auf einen Einwohner pro Jahr durchschnittlich 1

2 Entlehnungen aus Volksbibliotheken, in manchen Städt auf einen Band 6 bis 8 Entlehnungen. Es hat 1. B. Mancheste (500 000 Ew.) 200 000 Bände, die 1 560 000 Entlehnungen aufweisen Edinburg (260 000 Ew.) 110 000 Bände mit 780 000 Entlehnungen Bristol (220 000 Ew.) 74 000 Bände mit 630 000 Entlehnungen Aberdeen (120 000 Ew.) 22 000 Bände mit 320 000 Entlehnungen

ehnungen; Boston (448 000 Ew.) 556 000 Bände mit lehnanage Prln. Damit vergleiche man die folgenden Daten ür deutsche Städte: Berlin verzeichnet für seine 27 Vo sbibliotheken ns 155 Buchbenutzungen, Dresden 159 519, Bremen 106 097, Frank⸗ furt a. M. 117 300, Hannover 34 623, Brandenburg ca. 50 000, Düsseldorf 18 846, Wiesbaden 17 550 Buchbenutzungen. Von allen den genannten deutschen Städten hat also nur Bremen eine der Ein⸗ wohnerzahl annähernd gleiche Anzahl von Buchausleihungen auf⸗ zuweisen. Die Begründung von Volksbibliotheken ist indessen nur einer der in jener Schrift angegebenen, praktisch erprobten Wege zur Verbreitung guten Füfste s im Volke, und man kann nur wünschen,

daß alle die guten Beispiele, die der Verfasser gesammelt hat, eine allgemeine Nachfolge finden.

in Caub und zum National⸗Denkmal auf dem Niederwald, welche in dieser

Birkenhead (100 000 Ew.) 45 000 Bände mit 266 000 Ent⸗

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