1896 / 60 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. Dr. Paasche (nl.) erklärt sich für den Antrag Gröber, neh nicht die berechtigten Interessen der Konsumvereine ge⸗ ährde.

Abg. Freiherr von Stumm: Da, wo über die Schnapskonsum⸗ vereine geklagt wird, sind die Löhne größtentheils am höchsten, so z. B. in Elsaß⸗Lothringen.

Die düewmzang über Artikel 3 wird ausgesetzt.

Art. 4 bezieht sich auf den Trödelhandel u. s. w. 35). Die Genehmigung soll versagt werden, wenn die Unzuverläs igkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb durch Thatsachen dargethan ist.

Unter diese Bestimmung sollen neu aufgenommen werden der Kleinhandel mit Bier und der Handel mit solchen Droguen und chemischen Präparaten, welche zu Heilzwecken dienen.

Abg. Gröber (Zentr.) beantragt, noch hinzuzufügen: „Den Handel mit Loosen von Lotterieen und Ausspielungen“; dagegen bezüglich der Droguen und chemischen Präparate die Bestimmung nur gelten zu lassen: „sofern die Handhabung des Gewerbebetriebs Leben und Gesundheit der Menschen gefährdet.“

Abg. Dr. Förster⸗Neustettin (Refp.) will die auf die Droguen bezügliche Bestimmung streichen.

Abg. von Holleuffer (dkons.) will den Kleinhandelmit Bier nur fakultatip unter diese Vorschrift fallen lassen, sodaß im Falle der Un⸗ zuverlässigkeit die Genehmigung versagt werden

Die Bestimmungen über den Kleinhandel mit Bier werden

besonders diskutiert werden.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Jedesmal, wenn wir uns mit der Gewerbeordnung beschäftigen, kommen bezüglich der hier vorliegen⸗ den Materien Petitionen, aber nur aus den Kreisen der Interessenten, der Betheiligten, die sich durch gesetzliche und polizeiliche Chikanen die unliebsamen Konkurrenten vom Halse schaffen wollen. Man will auch den Großhandel mit Droguen unter die Aufsicht eines unter⸗

eordneten Polizeiorgans stellen, wenn sich die Unzuverlässigkeit des Beiriebsinhabers herausgestellt hat. Wer sind die Sachverständigen, welche die Unzuverlässigkeit beurtheilen sollen? Es werden die Apotheker sein, welche den Droguisten gegenüber konkurrenzneidisch sind. Welche Droguen und welche chemischen Präparate dienen Heilzwecken? Wenn man auch die Prophylaxe als Heilzweck ansieht, dann wird es wohl kaum ein Präparat geben, welches nicht Keilzwecken dient. Verschiedene Droguen und Chemikalien dienen aber sowohl Heilzwecken als tech⸗ nischen Zwecken. Da könnte schließlich der ganze Droguenhandel ver⸗ boten werden. Eine statistische Uebersicht über die herrschenden Uebel⸗ stände ist nicht gegeben; es wird nur gesagt, die Berliner Polizei habe in Berlin Uebelstände entdeckt. Wir können doch nicht unsere Gesetze lediglich nach Berliner Verhältnissen einrichten! Der Droguist darf keine Rischung verkaufen, aber er kann die einfachen Stoffe, die zur Mischung gehören, abgeben. Man sollte die Stoffe, welche den Apothekern vorbehalten bleiben, genauer bezeichnen. Die Droguen⸗ handlungen unter Polizeiaufsicht zu stellen, dazu liegt kein Anlaß vor, namentlich nicht vom Standpunkt des konsumierenden Publikums, welches in den Droguenhandlungen billiger kauft als in den Apotheken.

Abg. Dr. Förster⸗Neustettin (Refp.) tritt ebenfalls für die Streichung der Bestimmung über den ein. Durch die Einschränkung der Vorschrift auf die Droguen, welche zu Heil⸗ zwecken dienen, sei auch nichts erreicht worden. Es handele sich um ein blühendes Gewerbe, welches sich unter der Gewerbefreiheit entwickelt habe; die Vorschrift würde tief eingreifen in das Geschäftsleben und namentlich auch in die Interessen des Publikums. Durch das Apotheker⸗

ewerbe dürfte man sich nicht verleiten lassen, welches Konkurrenz,

ufsicht, Anzeigepflicht und Sachverständigkeit in sich vereinige. Die

roguisten wollten selbst, daß für Uebertretungen stufenweise Strafen eingeführt würden; aber den wirthschaftlichen Todtschlag, die Unter⸗ sagung des Betriebes, sollte man nicht darauf setzen, wenn einmal eine Verfeblung eingetreten sei. Die Apotheker wollten gern die un⸗ liebsame Konkurrenz loswerden; in einer Petition heiße es sogar, daß

5 Städte von Droguisten verschont geblieben seien, als wenn die Droguisten anrüchige Gewerbetreibende wären! Vernünftige Apotheker erkennen es vollständig an, daß die Apotheker bisher nur zu vornehm und bequem gewesen wären, um dem bedürftigen Publikum so ent⸗ gegenzukommen wie die Droguisten. Die Apotheker beschränkten sich

uf die Rezeptur und vernachlässigten den Verkehr mit dem Publikum, während der Droguist selbst in seinem Geschäft thätig wäre und dafür sorge, daß das Publikum von seinen Angestellten gut bedient würde.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.) tritt für den Antrag Gröber ein, der bezüglich der Drozuisten eine Einschränkung auf das nothwendige Maß enthalte. Die vollständige Streichung sei wohl nicht angebracht, da die Regierung ein Bedürfniß für vorliegend erachte. Redner empfiehlt dann aber besonders die Beschränkung des Handels mit Lotterieloosen.

Geheimer Ober⸗Medizinal⸗Rath Pistor: Zahlen sind der Kom⸗ mission im vorigen Jahre vorgelegt worden, freilich nur aus Berlin, weil in der Provinz die Zahlen nicht so leicht zu beschaffen sind. Aber vorhanden ist das Material auf Grund der vom Kultus⸗ Minister eingeforderten Berichte der Provinzialbehörden über die Re⸗ vision der Droguenhandlungen. Bei den Droguisten sind oft Heil⸗ mittel gefunden worden in Mengen, die nicht dem Großbetrieb dienen, sondern dem Kleinbetriebe, dem Rezeptieren. Redner führt verschiedene Zahlen an über das Vorkommen des Rezeptierens bezw. des Abgebens von Arzneien und über das Vorhandensein der schärfsten Gifte in besonderen Schränken und fährt sodann fort: Bei verschiedenen Revisionen sind Schränke, die als Küchenschränke d rgestellt wurden, als Behälter für die Aufbewahrung der verschiedensten Arzneien ermittelt worden, die bunt durcheinander lagen, und zwar handelte es sich häufig um Droguisten, die vielfach vorbestraft gewesen sind wegen Uebertretung der Vorschriften. Die Revisionen haben ergeben, daß ein Theil der Droguisten den Vorschriften nicht Folge leistet, sondern ihnen geradezu mit Hohn begegnet; mit Geld⸗ und Haftstrafen kann man dabei nicht auskommen, weil jeder Droguist den Schaden in kurzer Zeit wieder wett machen kann. Die Avpotheker haben nicht den geringsten Antheil an dieser Vorschrift; das Berliner Polizei⸗ Präsidium hat einen Antrag nach dieser Richtung hin bereits 1889 gestellt. Dem Großhandel mit Drognen wird nichts passieren, wenn er nicht, gg allerdings vielfach gefunden worden ist, wilde Apo⸗ theken eingerichtet hat. . 88

Acg. Pr. Kruse (ul.): Nach meiner Kenntniß haben die Revisionen ergeben, daß von der Mehrzahl der Droguisten dem Gesetz gerade⸗ zu Hohn gesprochen worden ist. Es wurden Arzneimittel bei ihnen

funden, die sie unbedingt nicht halten durften; sie fanden sich versteckt in Hängeböden, in Kommoden, in Schlafräumen ꝛc. In einem Falle wurden die Arzneien unter falschen Bezeichnungen vor⸗

gefunden und es fand sich ein Geheimbuch⸗ welches den Schlüssel für die falschen Bezeichnungen enthielt. Es hat jemand von einem

Droguisten für 700 Mo phium bekommen, während er in der Apctbheke nichts erbielt; er mußte einen höheren Preis bezahlen als in der Apotheke. Von einer Schädigung des Publikums ist also durch⸗ aus nicht die Rede. Die Gegenstände, deren Verkauf dem Droguisten gestattet ist, sind ausreichend für den Gewerbebetrieb; es ist durchaus nicht nöthig, den Betrieb auszudehnen. Abg. von Wolszlegier erklärt namens der Polen, daß sie een die Vorlage stimmen würden, weil ein Nachweis der Schädigung

nicht beigebracht worden sei; es handle sich um einen Konkurrenzkampf

zwischen Droguisten und Apothekern. 8 Abg. Dr. Langerhans (fr. Volkep.): Das Verzeichniß der Stoffe, welche die Droguisten führen dürfen, ist so engberzig aufgestellt, daß der Droguist sich daran gar nicht halten kann, wenn er den Wünschen des Publikums gerecht werden will. Schäden sind durch Irrthümer in den Apotheken oft zenug vorgekommen. Die Droguisten sollen Rezepte anfertigen. Ein Rezept ist ein Stück Papier, auf welches eine Formel aufgeschrieben wird. Ich schreibe meine Rezepte nicht lateinisch, sondern deutsch. Also kann auch ein Droguist das Rezept anfertigen. Aermere Leute kaufen sich das, was sie können, in Droauenbandlungen, weil die Apotheker theurer sein müssen, da sie gewisse Medikamente vorräthig halten müssen, die dann manchmal

welche die Droguisten verkaufen dürfen, erweitert wird. Der Antrag Hitze bietet der Willkür noch mehr Spielraum als die Regierungs⸗ vorlage. Die Droguenhandlungen sind ein nothwendiges Uebel; es kann manches vorkommen, was Leben und Gesundheit gefährdet, aber Leben und Gesundheit können auch die Aerzte nicht immer sichern.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:

Obwohl der Worte schon viel gewechselt sind, habe ich doch noch nicht die Ueberzeugung gewonnen, daß Absicht und Wirkung des Vorschlags der verbündeten Regierungen einerseits, sowie des Antrags Gröber auf Nr. 166 der Drucksachen andererseits vollständig für alle Mitglieder klar liegen.

Wenn Herr von Wolszlegier behauptete, es handelte sich hier um den Austrag des Konkurrenzkampfs zwischen Apothekern und Droguisten, so ist im Kreise der verbündeten Regierungen von einem solchen Konkurrenzkampf nie die Rede gewesen; am allerwenigsten lag die Absicht vor, in einem solchen Konkurrenzkampf sich auf die Seite des einen der kämpfenden Theile zu stellen. Zum Vorschlag der Regierung hat einfach die Wahrnehmung geführt, daß im Geschäfts⸗ betrieb der Droguisten vielfach mit Medikamenten Handel getrieben wird, die durch Kaiserliche Verordnung von 1890 dem Vertrieb durch die Apotheken vorbehalten sind, und daß durch diesen Handel mit solchen den Droguisten nicht gestatteten Medikamenten Gefahren für Leben und Gesundheit der Menschen entstanden sind.

Run kommt es hier, wie bei vielen die Gewerbeordnung be⸗ rührenden Fragen darauf an, auf welchen Standpunkt man sich stellt. Läßt man sich dadurch bestimmen, daß eine Anzahl Interessenten von einer gesetzgeberischen Vorschrift, die ventiliert wird, eine einschränkende, ihren persönlichen Interessen nachtheilige Wirkung auf ihren Gewerbe⸗ betrieb befürchten, dann wird man sich mehr auf den Standpunkt dieser Interessenten stellen. Läßt man sich aber von dem Gesichts⸗ punkte leiten und das sollte der Gesetzgeber in erster Linie thun —, daß das Gemeinwohl von solcher Bestimmung, wie sie vorgeschlagen wird, gefördert wird, also daß die Gefahren gegen Leben und Gesundheit, die durch den Handel der Droguisten mit verbotenen Medikamenten ent⸗ stehen können, eingeschränkt werden, dann kann man auch als Reichstags⸗ Abgeordneter gar nicht zweifelhaft darüber sein, auf welchen Stand⸗ punkt man sich zu stellen hat.

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Dr. Langerhans die Droguisten und die Droguenhandlungen als ein nothwendiges Uebel bezeichnet. So weit gehe ich nicht; im Gegentheil, ich behaupte, der Droguenhandel da, wo er solide und den bestehenden Vorschriften entsprechend betrieben wird, ist nicht nur ein nothwendiges Uebel, sondern er ist sogar eine sehr segensreiche Einrichtung, und den Re⸗ gierungen liegt es fern, den soliden und sachgemäß betriebenen Droguenhandel in irgend einer Weise beschränken zu wollen. Was die Regierungen wollen, das ist, den gesetzlichen Vor⸗ schriften Achtung zu verschaffen, wonach bestimmte Droguen den Apotheken vorbehalten werden, weil sie der Ueberzeugung sind, daß die Ueberlassung dieses Handels an die Droguisten Gefahr für Leben und Gesundheit der Menschen mit sich bringt. Halten Sie mit dem Herrn Abg. Dr. Langerhans die Zahl derjenigen Droguen, Präparate u. s. w., mit denen dem Droguisten zu handeln gestattet ist, nicht für erschöpfend genug, so wird sich darüber reden lassen, ob man die Reihe der für den Droguenhandel zulässigen Waaren ver⸗ größern will oder nicht. Man kann aber niemals aus dem Gesichts⸗ punkte heraus, daß dieser Rahmen der freigegebenen Waaren zu eng sei, dazu übergehen zu sagen: darum will ich das Publikum nicht gegen Gefahren schützen, die mit dem rechtswidrigen Handel von Medi⸗ kamenten verbunden sind.

Nun komme ich, nachdem ich über die Absicht der Regierungs⸗ vorlage gesprochen habe, zu der Beleuchtung der Wirkungen, die diese Vorlage, wenn sie Gesetz werden sollte, äußern wird, und namentlich auch ihrer Wirkungen im Verhältniß zu denen des Antrags der Herren Abgg. Gröber und Genossen.

Was will die Regierungsvorlage? Man hat hier davon ge⸗ sprochen: es läßt sich nicht rechtfertigen, um einer einzelnen Kontravention willen die Existenz eines ehrbaren Gewerbetreibenden, des Droguisten, un⸗ möglich zu machen. Davon steht in der Regierungsvorlage kein Wort; und ich habe schon vorher im Privatgespräch auf das Mißverständniß hingewiesen, als ob nun schsn jeder einzelne Fall einer Kontraventien, z. B. des Verkaufs eines dem Droguisten versagten Medikaments, dazu führen könnte, ihm den ferneren Betrieb des Geschäfts zu unter⸗ sagen. Die Regierungsvorlage wird, wenn sie Gesetzeskraft erhält, die Wirkung haben, daß hier ebenso wie in den übrigen, im § 35 der Gewerbeordnung geordneten Fällen die Behörde die Ueberzeugung ge⸗ winnen muß, daß in der That eine Unzuverlässigkeit nachgewiesen ist, und wie sich regelmäßig eine solche Unzuverlässigkeit nicht schon aus einem einzelnen Falle wird herleiten lassen, ebenso wird auch hier rücksichtlich der Behandlung des Droguisten es nothwendig sein, daß sich aus der ganzen Handhabung des Geschäftsbetriebs die Unzuverlässigkeit des betreffenden Gewerbe⸗ treibenden mit Rücksicht auf die Beobachtung der für seinen Betrieb geltenden Vorschriften ergiebt.

Aber nun weiter! Will denn die Regierung überhaupt mit ihrer Vorlage den Zustand statuieren, daß nun einem Droguisten der ganze Geschäftsbetrieb untersagt werden könnte? Davon steht ja kein Wort darin; es soll ihm nur untersagt werden dürfen der weitere Vertrieb solcher Droguen und Präparate, welche zu Heilzwecken dienen. Also der Mann bleibt Droguist, er betreibt ruhig sein Ge⸗ schäft mit allen möglichen anderen Artikeln weiter und die Zahl der Artikel, die im Droguenhandel vertrieben werden, ist Legion —, er kann diese Artikel nach wie vor vertreiben, und es soll als Folge der Untersagung für ihn nur das eintreten, daß er nicht mehr mit Droguen u. s. w. handeln darf, die zu Heilzwecken dienen.

Ganz anders der Antrag der Herren Gröber und Genossen. Die Herren Gröber und Genossen sprechen es ausdrücklich in ihrem Antrag Nr. 166 aus: es soll ihnen schlechthin untersagt werden können,

sofern die Handhabung des Gewerbebetriebs Leben und Gesundheit

der Menschen gefährdet, der Handel mit Droguen und chemischen

Präparaten,

und weil die Regierung es allerdings für eine Härte ansehen würde, den ganzen Droguenhandel um deswillen zu untersagen, weil der Droguist gegen die bestehenden Vorschriften sich vergangen hat —, deshalb ist dieser Antrag für die Regierung unannehmbar, und ich glaube auch, daß das hohe Haus sich nicht wird dazu entschließen können, dem Antrag Gröber die Zustimmung zu ertheilen.

dagegen, meine Herren, ist acceptabel, und zwa

die aus der Mitte des Hauses durch den Herrn Abg. Dr. Kruse und vom Regierungstisch durch den Herrn Regierungs⸗Kom missar vorge⸗ bracht sind, können Sie, frage ich, es danach verantworten, daß ferner Leben und Gesundheit der Menschen ohne ausreichenden Schutz bleiben gegenüber den gefährlichen Kontraventionen, die in unzähliger Menge auf seiten des Droguenhandels festgestellt sind? Wenn Sie sich diese Frage ernstlich stellen, so glaube ich, werden Sie kein Be⸗ denken hegen dürfen, der Regierungsvorlage zuzustimmen.

„Abg. Dr. Förster⸗Neustettin: Wenn man den Droguisten zu Leibe geht, dann müßte man auch den Apothekern zu Leibe gehen, welche allerlei Geheimmittel verkaufen.

Abg. Dr. Langerhans: Als nothwendiges Uebel habe ich die Droguisten bezeichnet, weil es eben nicht genug Apotheken giebt und geben kann. Da sind die Droguisten ein gutes Aushilfsmittel. Wenn den Droguisten der Handel mit Präparaten, welche Heilzwecken verboten wird, untersagt man ihnen den ganzen Geschäfts⸗ etrieb.

Abg. von Holleuffer schließt sich dieser Ausführung an. Es würde dann Apotheken geben, dann Droguenhandlungen, die Heil⸗ mittel verkaufen dürfen, und solche, denen es nicht gestattet wäre. Die Letzteren müßte man dann besonders kennzeichnen und es würden erst recht wilde Apotheken entstehen. 1

Damit schließt die Diskussion. Die Abstimmung wird ausgesetzt. Ein Vertagungsantrag wird abgelehnt.

Die Frage des Kleinhandels mit Bier wird zur Be⸗ rathung gestellt, worüber Anträge der Abgg. Dr. Schädler (Zentr.) und von Holleuffer (dkons.) vorliegen.

Abg. Dr. Schädler ändert seinen Antrag dahin ab: Dem § 33 den Zusatz zu geben: Durch Landesgesetz kann angeordnet werden, daß der Kleinhandel mit Bier den vorstehenden Bestimmungen (d. h. Kon⸗ zessionierung) unterstellt wird.

Der Antrag des Abg. von Holleuffer lautet: „Der Klein⸗ handel mit Bier kann untersagt werden, wenn der Gewerbetreibende Fwieherhalt wegen unbefugten Betriebes der Schankwirthschaft be⸗

raft ist.“

Abg. Rösicke (b. k. F.) beantragt: hinter „Bier“ einzufügen: „vom Faß“.

Abg. Dr. Schädler: Es handelt sich hier darum, den Schaden zu beseitigen, welchen das wilde Schankwirthschaftswesen anrichtet, nicht bloß in sittlicher Beziehung, sondern auch gegenüber den reellen Schankwirthschaften. Daneben ist durch die Konzessionspflichtigkeit des Kleinhandels mit Bier die Möglichkeit gegeben, für den Flaschen⸗ bierhandel Reinlichkeit und andere gesundheitliche Maßregeln in Bezug auf die Arbeitsräume u. s. w. vorzuschreiben.

Darauf wird gegen 5 ½ Uhr die Berathung auf Montag 1 Uhr vertagt. 1

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

37. Sitzung vom 7. März 1895.

Ueber den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten bei dem Kapitel „Höhere Lehranstalten“ fort.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse

richtig verstanden habe, an mich die Frage gerichtet, ob ich heute noch die Besorgniß hätte, daß wir in einigen Jahren in große Verlegen⸗ heit kommen würden bezüglich der Zahl der verfügbaren Kandidaten des höheren Schulamts. Ich erwidere darauf, daß im allgemeinen, wie ich glaube, diese Besorgniß nicht zu hegen ist; die Dinge haben sich gegen das vorige Jahr in so fern gebessert, als die Zahl der Studierenden der philosophischen Fakultät, ins⸗ besondere derjenigen, die sich dea philologischen Fächern widmen, an unseren Universitäten gestiegen ist. Daraus folgt ja von selbst, daß auch entsprechend wieder eine Steigerung der Kandidaten des höheren Schulamts eintreten wird.

Der Bestand am 1. Mai 1895 zeigte die Zahl von 1500 Kan⸗ didaten des höheren Schulamts. Davon waren 73 befähigt, Religion und Hebräisch zu lehren, 631 für den altsprachlichen Unterricht, 235 für die neueren Sprachen, 346 für Mathematik und Naturwissenschaften und 215 für Deutsch, Geschichte und Erdkunde. Zur definitiven Anstellung sind gelangt im Durchschnitt der letzten drei Jahre 214 Kandidaten, davon 9 für Religion und Hebräisch, 60 für alte Sprachen, 53 für neuere Sprachen, 65 für Mathematik und Naturwissenschaften, 27 für Geschichte, Erdkunde und Deutsch befähigte. Daraus ergiebt sich, daß, normale Ver⸗ hältnisse vorausgesetzt, sowohl des Abgangs an Kandidaten zu anderweitigen Berufen oder durch Tod, als auch des Zugangs an Oberlehrerstellen im allgemeinen die Kandidaten noch für etwa sechs Jahre ausreichen, vollkommen ausreichen. Freilich liegt die Sache für die verschiedenen Fächer sehr verschieden, und wir haben es nicht vollständig in der Hand, hier einen Ausgleich herbeizuführen. Es hat sich aber in der Erfahrung gezeigt, daß jedesmal in den Fächern, in denen einmal Kandidatenmangel eingetreten ist, sich sehr bald wieder der Ausgleich ganz von selbst vollzogen hat. Jetzt haben wir noch einen Ueberfluß an Altphilologen, und es ist an⸗ zunehmen, auch nach der Besprechung dieser Frage in den philologischen Zeitschriften, daß das Studium der altphilologischen Fächer in der nächsten Zeit abnehmen wird. Dagegen sind die Aussichten für tüchtige Neusprachler ausgezeichnet, und wir glauben daher darauf rechnen zu dürfen, daß von den Studenten, die sich überhaupt dem Lehrfach widmen wollen, sich wieder mehr und mehr den neueren Sprachen zuwenden wollen. 1

Also, ich fasse meine Antwort auf die Anfrage des Herrn Grafen Moltke dahin zusammen, daß nach meiner Ansicht eine ernste Besorgniß nach dieser Seite nicht besteht. Jedenfalls aber lehne ich es ab, etwa öffentlich aufzufordern, daß die jungen Leute sich wieder mehr dem höheren Schulfach widmen möchten. Wir haben mit der⸗ artigen amtlichen Aufforderungen die übelsten Erfahrungen gemaͤcht, und, meine Herren, wer wollte die Verantwortung dafür tragen, die jungen Leute amtlich in das Lehramt hineinzutreiben? Die Ver⸗ hältnisse werden auch ohnedies bekannt, und die Regelung vollzieht sich in den Fachkreisen ganz von selbst. So hoffe ich, daß auch wir einen Ausgleich bekommen werden, der auf die Dauer die Besetzung aller der Stellen ermöglicht, für die wir Kandidaten brauchen.

5 „Ohlau (konsf.) erkennt viele der geäußer⸗ ten W. Zen 8* trkanen 2 3 jelto pPartei habe das lebhafteste

Interesse an dem Wohlergehen des Standes, dem die Eltern ihr Gut anvertrauen. Aber die Lehrer könnten nicht anders be⸗

perderben. Mean sollte eher dafür sorgen, daß der Kreis der Stoffe,

ernste Gefahr für den soliden Droguenhandel.

handelt werden als die anderen Beamtenkategorien. Auch im Ge⸗

Meine Herren, können Sie den schlagenden Thatsachen gegenüber,

Meine Herren! Der Herr Abg. Graf Moltke hat, wenn ich ihn 8

ichtsrienst und im Verwaltungsdienst verwalteten Assessoren etats⸗ nchti eStellen; es stehe allerdings bei den Lehrern Tene schlimm, aber 8 weit könne er nicht gehen, das Hilfslehrersystem ganz abzu⸗ schaffn. Das Svstem der Funktionszulagen sei nicht zu entbehren; die Verwaltung müsse ein Mittel haben, um besonders tüchtige Leistungen durch eine Funktionszulage anzuerkennen. Man solle den Bogen der Klagen nicht zu straff spannen, sonst würden auch die be⸗ rechtigten Wünsche an Intensität verlieren.

Abg. von Eynern (nl.) kommt auf seine neuliche Kontroverse mit dem Abg. Kirsch über die Frequenz an den Düsseldorfer Gym⸗ wsien zurück und giebt eine statistische Uebersicht über die Zahl der katholischen und evangelischen Lehrer und Schüler, wonach auf 12 khatholische Schüler ein katholischer Lehrer und auf 29 evangelische Schüler ein evangelischer Lehrer komme. Redner führt noch eine Reihe anderer Städte an, wo die Katholiken im Vortheil seien, und bittet den Minister um eine genaue Statistik über die Lehrer⸗ und Schülerzahlen nach der Konfession. Infolge seines Streits mit dem Abg. Dasbach über Hexen⸗ und bitte er den Minister um die Anschaffung richtiger Geschichtsquellen für die Schul⸗ bibliotheken, damit niemand mehr, wie der Abg. Dasbach, in die Lage komme, solche Dinge zu bestreiten.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! Ich bin bereit, eine Statistik über die Konfession der Schüler und Lehrer an den höheren Lehranstalten herstellen zu lassen; ich boffe, daß ich in dem nächsten Jahre in der Lage sein werde, sie hier mitzutheilen. Ich kann es nur für nützlich halten, wenn volle Klarheit in dieser Beziehung herrscht. Ich wüßte nicht, was ich dabei zurückzuhalten hätte. Was die geschichtlichen Quellenwerke anlangt, so wird wohl Herr von Eynern selbst nicht annehmen, daß ich den einzelnen Geschichts⸗ lehrer zwinge, aus diesem oder jenem Geschichtswerke seine Infor⸗ mationen zu nehmen. Darüber kann ich ihn aber beruhigen, daß wir zberall das genügende Material haben, damit Schüler und Lehrer das, was sie lernen sollen, auch wirklich lernen können. Abg. Kirsch (Zentr.) will diese Statistik willkommen heißen und erbkennt an, daß bezüglich Düsseldorfs jetzt Klarheit geschaffen sei, nach⸗ dem Herr von Eynern und er zuerst Zahlen aus verschiedenen Zeiten mgefthrt hätten; sodann befürwortet er die einheitliche Regelung der Funktionszulagen und die Umwandlung der etatsmäßigen Hilfs⸗ sehrerstellen in Oberlehrerstellen. Abg. Wetekamp (fr. Volksp.) bestreitet, daß die Lehrer nicht anerkennten, was ihnen durch den Normal⸗Etat gewährt worden sei; sie seien aber keineswegs bevorzugt worden, sondern hätten sogar länger als alle anderen Beamten auf Aufbesserung warten müssen. Redner bleibt den gestrigen Ausführungen des Ministers Pgenüber bei seiner Ansicht von dem Nutzen einer Verlegung des chuljahres und der Schulferien stehen. Die von ihm e⸗ empfohlene Veränderung der Unterrichtspausen verkürze die Unterrichts⸗ stunde durchschnittlich nur um drei Minuten. Die Maximalschülerzahl einer Klasse dürfe unter keinen Umständen überschritten werden; wenn nicht genügend Schulen da seien, müßten eben neue gegründet werden. Die Funktionszulage werde nicht für besondere Leistungen gegeben, sondern sei ein integrierender Bestandtheil des Gehalts und werde verweigert, wenn ein Lehrer nicht voll seine Pflicht erfülle. Die Mißstände, daß die Lehrer Pensionäre und Privatschüler an⸗ nehmen, werden von selbst verschwinden, wenn die Gehaltsverhältnisse besser geworden seien.

Abg. Dasb ach (Zentr.) empfiehlt dem Abg. von Eynern, seine T über katholische Einrichtungen aus katholischen Werken zu schöpfen.

Abg. Porsch (Zentr.) wirft dem Abg. von Evnern vor, daß dessen Statistik über die katholischen und evangelischen Schülerzahlen auf unrichtigen Grundlagen beruhte. Redner theilt eine Reihe von Zahlen in verschiedenen Provinzen mit. In Berlin seien 17 evangelische, keine katholischen, 14 paritätische höhere Anstalten, 30 evangelische Direktoren, 1 katholischer Direktor, 475 evangelische Oberlehrer, 15 katholische, 18 jüdische. Im ganzen Staat seien 79 % Direktoren wangelisch, 19,9 % katholisch; unter den Oberlehrern seien 77 % evangelisch, 21,2 % katholisch, 0,9 % jüdisch; von den Anstalten seien 62,45 % evangelisch, nur 12,45 % katholisch, 25,1 % simultan.

Abg. von Eynern (nl.). bittet den Minister, zu erwägen, ob nicht die Abschaffung der Weihnachtszensuren sich empfehlen dürfte; sie seien unbequem und grausam für die Eltern, welche weniger befähigte Söhne hätten, und geeignet, diesen die ganze Weihnachtsfreude iu verderben; man habe diese zwecklosen Weihnachtszensuren erst vor

einͤgen Jahren eingeführt, er bitte um Wiederabschaffung derselben.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Darin irrt sich der Herr Abg. von Eynern,

daß diese Weihnachtszensuren erst seit einigen Jahren eingeführt wären oder daß sie von der Unterrichtsverwaltung angeordnet wäcen; sie bestehen nicht einmal auf allen höheren Schulen, sondern wir haben bis jetzt darin Freiheit gelassen und haben das dem pädagogischen Takt und der pädagogischen Erfahrung des Leiters der Schule und dem Lehrer⸗ kollegium überlassen.

Was die Zeugnisse anlangt, so ist es ja unzweifelhaft, daß damit auch Mißbrauch getrieben wird. Unter den Schülern bestehen in Bezug auf die Beurtheilung dieser Zeugnisse zwei Parteien: die, welche gute Zeugnisse bekommen, haben sie ungeheuer gern; die schlechte bekommen, sind unglücklich darüber. (Heiterkeit.) Es ist richtig das muß ich Herrn von Eynern zugeben —, daß es nicht sehr taktvoll ist, daß der Direktor das so einrichtet, daß diese Weihnachts⸗ zensuren gerade am Weihnachts⸗Heiligabend in die Hände der Eltern kommen. Das könnte ich nur auf das energischste mißbilligen.

Im übrigen hat die Zensur nicht bloß diesen unter Umständen mißbräuchlichen pädagogischen Charakter, den Herr von Eynern im Auge hat, sondern es ist die letzte Zensur vor Ostern, vor dem Abiturientenexvamen, überhaupt vor dem Osterexamen und der Oster⸗ versetung, und deshalb ist es wichtig für die Eltern, daß sie ein Vierteljahr vorher ein Avis bekommen, wie es mit dem Jungen geht; da läßt sich noch manches nachholen, es lassen sich auch Maßregeln erwägen, was überhaupt mit dem Jungen werden soll. Ich vermuthe, daß dieser letzte Gesichtspunkt der ausschlaggebende bei den meisten tern und Lehrerkollegien der Schulen, an denen diese Zensuren ein⸗ geführt sind, gewesen ist.

Ich bin nicht sehr geneigt, in diese Dinge von zentralverwaltungs⸗ wegen einzugreifen, ich möchte das lieber den örtlichen Verhältnissen und dem Takte der Direktoren und der Lehrerkollegien überlassen. Ich nehme aber gar keinen Anstand, mit Herrn von Eynern es zu mißbilligen, wenn es so eingerichtet wird, daß gerade am Weihnachts⸗ Heiligabend diese kritische Zensur in die Hände der Eltern gelangt. it Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) bemerkt, daß die Zahl der rielischen Lehrer und Anstalten in Berlin durchaus nicht pari⸗

ei.

8 Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Kirsch, in welcher dieser

neint, daß Herr von Eynern wie Don Quixote gegen Windmühlen

gefochten habe, bemerkt Abg. von Eynern, daß er diesen Vergleich

zeceptiere und ihm das Zentrum wie die Hammelheerden vorkomme, rch welche Don Quixote hindurchgeritten sei.

halt Abg. Brandenburg (Gentr.) bespricht die baulichen Ver⸗ nisse des Gymnasium Carolinum in Osnabrück, welches 804 von

„Geheimer Ober⸗Regierungs.Rath Bohtz theilt mi ß di 8 han 169 E. 8 Fneevees 18 X“

Ibg. von Pappenheim (kons.) weist darauf hin, d st all Gemeinden das Dienstalterssystem eingeführt vanh⸗ ke ce zebn Gemeinden sei dies noch nicht zu erreichen gewesen wegen der Leistungs⸗ unfähigkeit derselben. Hier liege ein öffentliches Interesse vor, und der Staat solle die Einführung der Dienstaltersstufen diesen

Zuschüsse ermöglichen. Es handle sich dabei nur

„Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Bohtz erwidert, daß der Er⸗ Snen große Seha kagtesen .de. Ses Fr. onds dazu un is

nicht vor anderen bevorzugen. 1“

Abg. von Schenckendorff (nl.) schließt sich den Ausführungen des Abg. von Pappenheim an; der Staat müsse mit den zehn Ge. meinden verhandeln, um auch für diesen letzten Theil im ganzen Staat die Dienstalterszulagen einzuführen.

Abg. Dr. Kropatscheck (kons.) wünscht, daß genau geprüft werde, ob diese zehn Städte auch wirklich sanaeuee eg. sind oder ob nicht vielleicht eine gewisse kommunale Klugheit dabei vorgewaltet det dnh. 8 beee und ferner ob die höhere

n diesen Gemeinden überhaupt nöthig ist oder d i Realschule ersetzt werden kann. 3 8

Abg. von Pappenheim widerspricht diesen Ausführungen; es sei nicht zu empfehlen, die höheren Anstalten nur 82 eh den

theilige die ganze Umgegend.

Lehranstalten die Re bittet die Regierung, ihren Einfluß dazu geltend zu machen.

Das Kapitel der höheren Lehranstalten wird bewilligt. wesen“.

einer katholischen Volksschule Schöneberg; einer so großen Zah

eine eigene Schule nicht länger vorenthalten werden.

deutscher Lehrer in polnischen Landestheilen sei ein Mißgriff. Mijnister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

wir hinter uns haben, hier nochmals eröffnen; aber ganz ohne ein

es und maßvollen Ausführungen des Herrn Vorredners nicht assen. 1

Er hat gemeint, die polnische Bewegung in Oberschlesien sei ge⸗ wachsen. Darin stimme ich ganz mit ihm überein: nicht bloß die polnische Bewegung in Oberschlesien ist gewachsen, sondern die großpolnische, die nationalpolnische (Zurufe bei den Polen), die wir als eine große Gefahr für unser Vaterland und für den Bestand des Deutschthums in Oberschlesien ansehen müssen. Die ist im Wachsen, ganz gewiß, trotz meiner Ver⸗ fügungen in Bezug auf die Behandlung des Deutschen in der Schule der Herr Vorredner meint, vielleicht theilweise auf Grund dieser Ver⸗ fügungen. Nun, meine Herren, ich glaube das nicht. Wir haben, so lange diese Verfügungen dort bestehen, die Erfahrung gemacht, daß wir sehr gut vorwärts gekommen sind, und daß wir auch mit den polnisch sprechenden Einwohnern Oberschlesiens sehr gut ausgekommen sind, und wenn uns nicht von anderer Seite diese sogenannte polnische Bewegung dort hineingetragen wäre, so würde das auch ganz normal weiter gehen.

Nun, meine Herren, gebe ich darin dem Herrn Vorredner voll⸗ kommen Recht: die Mehrzahl der Oberschlesier, die für eine Aenderung des jetzigen deutschen Unterrichtssystems in der ober⸗ schlesischen Volksschule sich aussprechen, sind nicht nationalpolnische Agitatoren, sie sind auch nicht einmal nationalpolnischer Gesinnung, so wenig, wie ich das dem Herrn Vorredner auch nur von fern imputieren möchte. Darüber kann gar kein Zweifel sein. Aber, meine Herren, das, was wir beklagen, das ist, daß ein Theil der Deutschen in Oberschlesien noch immer die Gefahr nicht erkennt, die dort vorhanden ist, daß sie keine Ahnung daven haben, welche ungeheure Gefahr für die deutsche Sprache und die deutsche Sache, für das deutsche Land und die deutsche Regierung, kurz für den ganzen deutschen Stamm, für eine ehrliche deutsche Politik dort entsteht, wenn wir von der deutschen Schule auch nur um eines Zolles Breite abgehen. Denn, meine Herren, sobald wir davon abgehen, sobald wir dort hochpolnisch werdende Leute erziehen wozu gar kein Bedürfniß vorliegt, denn die Muttersprache dieser Leute ist kein Hochpolnisch, sondern das so⸗ genannte Wasserpolnisch, ein polnisches Patois —, so stärken wir naturgemäß die Elemente, die empfänglich sind und auch empfänglich sein müssen naturgemäß für diese großpolnische und nationalpolnische Agitation, die dort an Bewegung wächst, weil sie uns von außen hereingetragen wird. Das gerade wünsche ich den Deutschen in Ober⸗ schlesien, daß sie endlich dafür ein Auge bekämen.

Ein Theil, meine Herren, der deutschen Bevölkerung hat auch bereits ein Haar gefunden in der Art und Weise, wie von polnischer Seite diese Dinge dort behandelt worden sind. Ich will hier gar⸗ nicht exemplifizieren, ich möchte die Sache überhaupt nicht noch einmal vertiefen; ich will nur versichern: wir können garnicht anders, als an unserem Unterrichtssystem festhalten.

Meine Herren, was die Dolmetscher anlangt, von denen der Herr Vorredner gesprochen hat, so ist ja das nicht meine Aufgabe; es ist die Sache der Gerichte, auch die Heranbildung der Dolmetscher zu überwachen. Ich glaube, daß sich solche Dolmetscher heranbilden lassen, die keinen orthographischen Fehler machen, und zwar Deutsche, die polnisch so lernen, daß sie in den Gerichten vollkommen verwerthbar sind.

Das Polnische kann gar kein obligatorischer Lehrgegenstand in der oberschlesischen Volksschule sein; das hat s. Z. der verewigte Fürstbischof Kardinal Diepenbrock in sehr schlagender Weise dargethan. Er hat selbst anerkannt, daß die oberschlesischen Geistlichen zum großen Theil aus den unteren Volksschulen kommen und auf einen sehr geringen Sprachschatz beschränkt sind. Nun hat er ihren Widerstand gegen die deutsche Bildung dadurch erklärt, daß er sagt: sie suchen die neuen Begriffe und An⸗

aiser Karl dem Großen gestiftet sei und einer Aula ganz entbehre;

die sie sich aneignen müssen, durch polnische Umbildung

des Deutschen zu erlangen, und das führt leicht zu einer Verderbniß der Sprache. Genau so steht es, wie es der Fürstbischof uns damals charakterisiert hat, zum großen Theil heute noch in Bezug auf die deutschen Schulen, und der deutsche Unterricht hat jetzt eigentlich die Aufgabe, diese Sprachverderbniß zu beseitigen.

Ganz ähnlich äußerte sich ein Mann, der in Oberschlesien sehr häufig als Autorität angesehen wird. Es war ein Schulrath bei der Regierung in Oppeln, der seiner Zeit in umgekehrter Richtung wie wir thätig war und dort leider in den Volksschulen eine Zeit lang das Polnische mehr gepflegt hat, als es nützlich gewesen ist. Aber das mußte auch er anerkennen, indem er sagte:

Es ist in Schlesien kaum der eine oder andere Geistliche od

Lehrer 8

Oberschlesien meint er natürlich —, der im stande wäre, auch nur eine Zeile in seiner Muttersprache ganz orthographisch richtig zu schreiben. Ja, es läßt sich bis zur unleugbaren Evidenz nachweisen, daß einzelne Geistliche und Lehrer in Oberschlesien die polnische Sprache geradezu korrumpiert haben. Es ist dadurch ein Sprachgemisch entstanden, welches weder polnisch, noch ein gutes Deutsch ist.

Städten zu überlassen; die Aufhebung einer solchen Anstalt benach⸗

Nur durch den deutschen Unterricht an den Volksschulen werden

Aig br. Gattker int) macht darauf aufmerksam, dah in einigen wir mit Erfolg eine Reinigung und Sprachverbesserung vornehmen Städten, wie Dambie Stargard, Neisse, an nicht ssantdg6, böheren können. Mit dem Moment, wo wir anfangen, hochpolnisch in den Schulen iktenversorgung noch nicht eingeführt sei, und einzuführen, machen wir das heranwachsende Geschlecht empfänglich für

diese großpolnischen Ideen, die den Oberschlesier garnichts angehen. Er hat nicht zu Polen gehört, hat keine politische Tradition, hat an

Es folgt das Kapitel „Elementar⸗Unterrichts⸗ und für sich mit der nationalpolnischen Agitation nichts zu thun.

Nur die Agitation, die mit einer Frechheit und Unverschämtheit

Abg. e- entr.) befürwortet die Seeen sonder gleichen auftritt (Widerspruch bei den Polen), nur diese drängt von katholischen Kindern, wie in Schöneberg sie vorhanden sei, könne den Oberschlesier dahin und sucht ihm weis zu machen, daß dort seine

Heimath und das Glück seiner Zukunft liegt, und gegen diese Agitation

Abg. Dr. Stephan⸗Beuthen (Zentr.) erwidert auf die neulichen suchen wir ihn zu schütz I Aeußerungen des Abg. von Gilgenheimb, daß die Schulpolitik der den Polen.) v““ n 2 nene d- Dberschlefien eeveee 1

jon bestehe: Es sei natürlich, daß auf die Bestrebungen zur b jonj G der polnischen und mährischen Sprache in Oberschlesien oEEe 18 unter 1 Eeaen Behandlung immer mehr „Reaktion in Form einer volnischen Agitation folge. Die Kinder sei es nicht wegen vtg Pon in der Schule 1e erzielt seien, so konmten oft nicht einmal abff 8 eeheen -S. außerordentlichen Fleiß der oberschlesischen 1 un de. e Justizverwaltung unangenehm sein müsse. DBie Verwendung rein Sprachbegabung der Kinder. Redner legt an einer Reihe von Bei⸗

Abg. Wolczyk (Zentr.) tritt für die Berücksichtigung der hoch⸗

ondern trotz dieses

spielen dar, daß die Schule früher bessere Resultate erzielt habe. Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Schneider führt dagegen aus, daß die Zahl der Analphabeten zurückgegangen sei. Wenn

Meine Herren! Ich möchte sehr ungern die Polendebatte, die die Kinder sich mit dem hochdeutsch sprechenden Lehrer nicht ver⸗

ständigen könnten, so liege das am Dialekt der Kinder, und diesen Uebelstand habe er auch in anderen Provinzen, z. B. Pommern,

Wort der Erwiderung kann ich doch die, wie ich anerkenne, sehr wahrgenommen. Nicht richtig sei die Ansicht, daß unsere Schul⸗

kinder wie die Staarmätze abgerichtet würden. Darauf vertagt sich das Haus.

Präsident von Köller theilt mit, welche Etats noch zu er⸗ ledigen sind, und fügt hinzu: Wenn ich einen Maßstab nehmen darf nach der Eilfertigkeit der bisherigen Verhandlungen, so glaube ich nicht, daß diese Sachen unter 14 Tagen zu erledigen sind. Der Präsident des Herrenhauses hat erklärt, daß das Herrenhaus, wenn es nicht bis zum 16. d. M. den Etat erhalte, ihn nicht mehr vor Ostern erledigen könne; dann würde also der Etat erst Gesetz werden, wenn das Etatsjahr bereits angefangen hat. Ich habe dem Lande gegen⸗ über die Pflicht, alles einzusetzen, daß dies vermieden wird, und werde deehaöee am Montag eine Abendsitzung vorschlagen und damit

( n. Schluß nach 4 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 (Kultus⸗Etat.) 5 1u“

Statistik und Volkswirthschaft.

Schiffsunfälle an der deutschen Küste.

Das Ende ebruar dieses Jahres zur Ausgabe vhn⸗ 1. Heft des Jahrgangs 1896 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs bringt eine Abhandlung über die Schiffsunfälle an der deutschen Küste während des Jahres 1894, das heißt über diejenigen zur amt⸗ lichen Kenntniß gelangten Unfälle, von denen Schiffe an der deutschen Seeküste selbst, auf dem Meere in einer Entfernung von nicht mehr als 20 Seemeilen von der Küste oder auf den mit dem Meere in Verbindung stehenden, von Seeschiffen lPha benen Binnengewässern im Jahre 1894 betroffen wurden. Derartige Unfälle sind im Ganzen 353 gezählt, welche (bei 107 Kollisionen zwischen je 2 und 1 Zusammenstoß zwischen 3 Schiffen) 462 Schiffe betrafen. Die Erhebungen der 4 vorgehenden Jahre hatten ergeben für 1893: 388 Unfälle und 534 betroffene Schiffe, für 1892: 370 Unfälle und 201 betroffene Schiffe, für 1891: 393 Unfälle und 513 betroffene Schiffe, für 1890: 255 Unfälle und 336 betroffene Schiffe. Die Unfälle haben sich demnach von 1890 auf 1891 ganz erheblich ge⸗ steigert, zeigen 1892 eine geringe Abnahme, 1893 wieder eine In⸗ nahme und 1894 abermals eine nicht unbeträchtliche Verminderung. Nach der Zahl der betroffenen Schiffe hat das Jahr 1893 alle übrigen Jabre überragt. Die Zunahme der Schiffsunfälle ist nament⸗ lich durch das Anwachsen des Schiffsverkehrs in den deutschen Häfen, wodurch sich hauptsächtich die steigende Zahl der Schiffs⸗Zusammen⸗ stöße erklärt, begründet, außerdem in einzelnen Jahren durch be⸗ sonders ungünstige Witterungsverhältnisse, so 1891 durch an⸗ haltenden Frost und starken Eisgang, 1892 und 1894 durch schwere Stürme und 1893 durch Stürme und schlechte Eisverhältnisse. Von den durch Unfälle betroffenen Schiffen sind im Jahre 1894 50. (1893: 59, 1892: 68, 1891: 72, 1890: 52) gänzlich verloren ge⸗ gangen, 259 wurden theilweise beschädigt, 149 blieben unbeschädigt, und von 4 Schiffen ist über den Ausgang des Unfalls nichts ermittelt worden. Der Verlust an Menschenleben (45) erreicht nicht annähernd die Höhe des in den beiden Vorjahren 1893 und 1892 eingetretenen (65 und 72), übersteigt aber den der Jahre 1891 und 1890 (25 und 20) nicht bedeutend sodaß er dicht an die durchschnittliche Verlustziffer der vier Jahre 1893 bis 1890 (45,5) heranreicht; er berechnet sich auf 0,75 % aller an Bord gewesenen Personen (soweit deren Zahl bekannt war) egen 0,83 % im Vorjahre, 1,06 %, 0,32 % und 0,67 % in den ahren 1892, 1891 und 1890.

Von der Gesammtzahl der nachgewiesenen Schiffe sind 1894 118 gestrandet, 7 gekentert, 18 gesunken, 217 in Kollision gerathen, und 102 wurden von Unfällen anderer Art betroffen. 134 Unfälle er⸗ eigneten sich im Ostseegebiet (1,68 auf je 10 Seemeilen Küstenstrecke), 219 im Nordseegebiet (7,42 auf je 10 Geemeilen e 329 der betroffenen Schiffe fuhren unter deutscher, 132 unter fremder Flagge, während von 1 Schiff die Nationalität unermittelt blieb. Unter den infolge der Unfälle gänzlich verloren gegangenen Schiffen

befanden sich 41 deutsche und 9 fremde Schiffe.

Die Durchschnittspreise der wichtigsten Lebensmittel

im Königreich Preußen betrugen im Februar 1896: für 1000 kg Weizen 152 (im Januar: 146), Roggen 124 (122), Gerste 127 (126), Hefer 119 (118), Kocherbsen 198 (197), Speisebohnen 278 (278), Linsen 386 (386), Eßkartoffeln 43,1 (43,7), Richtstroh 39,2 (40,2), Heu 46,2 (46,6), Rindfleisch im Großhandel 1052 (1055),; für 1 kg Rindfleisch im Kleinhandel von der Keule 135 (135) ₰. vom Bauch 114 (114), Schweinefleisch 123 (124), Kalbfleisch 126 (130), Hammelfleisch 121 (120), inländischer Speck 150 (152) Eß⸗ butter 208 (210), inländisches Schweineschmalz 147 (150). Weizen⸗ mehl 28 (28), Roggenmehl 23 (23); für 1 Schock Eier 364 (428) J.