1896 / 62 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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XIII. (Königlich Württembergisches) Armee⸗Korps.

Offiztere, Portepee⸗Fähnriche ax. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 5. März. Klein, Königl. Preuß. Major, von der Stellung als 2 Kommandeur im Feld⸗Art. Regt. König Karl Nr. 13 ent⸗ oben.

7. März. Die nachbenannten, nach bestandener Offiziers⸗ bezw. Fähnrs. Prüfung aus der Haupt⸗Kadettenanstalt zu Groß⸗ lichterfelde ausscheidenden Zöglinge werden im Armee⸗Korps angestellt, und zwar: als Sec. Lts.: die Portepee⸗Unteroffiziere: Mayer im 8. Inf. Regt. Nr. 126, Großberzog Friedrich von Baden, Hart⸗ mann im Inf. Regt. Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120; als charakteris. Port. Fähnriche: die Kadetten: Picht im Inf. Regt. Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120, Münst, Seeger im 4. Inf. Regt. Nr. 122 Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König ng. Ungarn, Frhr. v. Lindenfels im Drag. Regt. Königin Olga

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Im Sanitäts⸗Korps. 5. März. Dr. Wagner, Assist. Arzt 1. Kl. a. D., bisher Arzt in der Kaiserlichen Fhev. für Deutsch⸗Ostafrika, vom 13. März d. J. ab als Assist. Arzt 1. Kl. mit einem Patent vom 24. Juli 1894 im Armee⸗Korps wieder⸗ angestellt und beim Gren. Regt. König Karl Nr. 123 eingetheilt.

Deutscher Reichstag. 56. Sitzung vom 10. März 1896, 1 Uhr.

Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbe⸗ ordnung.

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Nach Artikel 7 soll der § 42 b, welcher von dem Waaren⸗ feilbieten und Waarenaufkaufen, dem Aufsuchen von Waaren⸗ bestellungen und dem Anbieten von gewerblichen Leistungen handelt, dahin geändert werden, daß dieser Gewerbebetrieb auf öffentlichen Wegen und Plätzen in der Gemeinde, wo die be⸗ treffenden Personen ihren Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung haben, der Genehmigung bedarf; die betreffende Vorschrift soll aber nicht mehr wie bisher auf Grund eines Gemeindebeschlusses von der höheren Verwaltungsbehörde aus⸗ gehen, sondern von der höheren Verwaltungsbehörde nach An⸗ hörung der Gemeindebehörde oder durch Beschluß der Ge⸗ meindebehörde mit Genehmigung der höheren Verwaltungs⸗ behörde. Auch soll die Bestimmung auf einzelne Theile des Gemeindebezirks beschränkt werden können, nicht bloß auf gewisse Gattungen von Waaren und Leistungen.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Es handelt sich hier um einen unbe⸗ rechtigten Eingriff in die Rechte der Selbstverwaltung. Bisher bedurfte es cines Gemeindebeschlusses, also der Uebereinstimmung von Stadt⸗ verordneten und des Magistrats, um einen bestimmten Gewerbebetrieb an öffentlichen Orten oder von Haus zu Haus zu untersagen. Künftighin soll von oben dekretiert werden dürfen, daß ein be⸗ stimmter Gewerbebetrieb auf der Straße u. s. w. unterbleiben soll. Was man sonst für die Einschränkung des Hausiergewerbes gesagt, trifft hier nicht zu; die Gewerbe, um die es sich hier handelt, werden von Einheimischen betrieben, welche der Polizei und in kleinen Städten auch dem Publikum bekannt sind. Gegen Belästigung kann das

Publikum durch die Hausbesitzer selbst geschützt werden, wenn die An⸗ erbieten von Haus zu Haus in lästiger Weise überhand nehmen. Warum also diese ganzen Sachen nicht den Kommunalbehörden zur Entscheidung überlassen? Ehe man zu so einschneidenden Bestimmungen überging, hätte man erst prüfen sollen, ob in der Praxis Unzuträglich⸗ keiten vorgekommen sind; nur vom Hörensagen weiß man, daß in Feösbte a. M. Streit gewesen sein soll zwischen dem Polieei⸗

Präsidium und den städtischen Behörden in Bezug auf die fernere Zulassung des Gewerbebetriebs. Und weil nun die städtischen Be⸗

hörden nicht den Anforderungen des Königlichen Polizei⸗Präsidiums

encigt waren, greift man nach der Klinke der Gesetzgebung. Was

erlin anbetrifft, so wird der Straßengewerbebetrieb mehr als billig von der Polizei behelligt. Wenn ich die Friedrichstraße passiere, so tritt dieser oder jener Verkäufer an mich heran und schüttet mir fein Herz aus über die lästige Art der Kontrole durch die Schutz⸗ männer. Man könnte vielleicht die Gewerbetreibenden vom Bürger⸗ steig fern halten, aber man sollte sie nicht in der Weise chikanieren. Auch die Zeitungsverkäufer leiden darunter, und infolge dessen hat sich der Verkauf von Zeitungen in Berlin nicht so entwickelt wie in anderen großen Städten. Die zweite Aenderung ist eine Verbesse⸗

ung, weil dadurch die Möglichkeit geschaffen wird, ein Verbot, welches sonst für einen ganzen Gemeindebezirk ausgesprochen werden müßte, nur für einen Theil einzuführen. Redner tadelt dann ferner, daß die Landwirthe benachtheiligt würden durch eine Unterdrückung des Zwischen⸗ handels mit Artikeln des Wochenmarktes. Wenn die Landwirthe ihre Produkte auf dem Markt nicht absetzen, so können sie dieselben ent⸗ weder selbst aushökern, oder durch die ortsbekannten Zwischenhändler aushökern lassen, was ihnen jedenfalls bequemer sein wird. Wozu soll da erst eine Genehmigung für die Zwischenhändler erforderlich sein? Die Kommission hat im vorigen Jahre diese Bestimmung abgelehnt.

Ministerial⸗Direktor von Woedtke: Die Regierung glaubt doch

trotz des gegentheiligen Kommissionsbeschlusses an ihrer Vorlage fest⸗

alfen zu müssen. Bezüglich der Beschlüsse der Gemeindebebörden ist doch festzustellen, daß dieselben nicht immer erfolgt sind, wo sie nothwendig waren.

Abg. Richter: Wenn die Gemeinden keine Beschlüsse gefaßt haben, so beweist das, daß sich keine Mißstände in dieser Beziehung herausgestellt haben. Der Berliner Magistrat hat protestiert da⸗ gegen, daß den Gemeinden hier von oben her vorgeschrieben werden soll, was sie thun sollen. . 8

Art. 7 wird mit Ausnahme der Bestimmung über die Gegenstände des Wochenmarktverkehrs angenommen.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) beantragt, folgenden Art. 7 a nen einzuschalten: „Kinder unter 14 Jahren dürfen nicht auf öffent⸗ lichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an öffentlichen Orten oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus feilbieten. Die Orts⸗ Polizeibebörde ist befugt, für bestimmte Zeitperioden, welche jedesmal zwei Wochen nicht überschreiten dürfen, die vorstehenden Be⸗ stimmungen in ihrem Bezirk außer Kraft zu setzen.“

Der Antragsteller hält es für bedenklich, daß Kinder unter

4 Jahren in dieser Weise beschäftigt werden, um ihren Eltern durch hren kleinen Verdienst zu helfen, vielfach aber auch, weil die Eltern faulenzten und sich durch ihre Kinder die Schnapsgroschen verdienen ließen. Die Vorschrift sei derjenigen, betreffend die Hausierer, nach⸗ gebildet, wonach Kinder unter 14 Jahren nicht zum Hausieren mit⸗ enommen werden dürften. Hergebracht sei die Verwendung der inder für einen gewissen Hausierbetrieb für die Weihnachts⸗ und *“ deswegen wären dafür Ausnahmebestimmungen zu⸗ gelassen.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Wir werden dem Antrage zustimmen, aber die Ausnahmebestimmung ablehnen, ohne lange Reden zu halten.

Abg. Weiß (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß sowohl in Char⸗ lottenburg als in anderen Berliner Vororten von seiten der Schule eine Statistik aufgenommen sei über die gewerbliche Beschäftigung von Kindern bei dem Austragen von Backwaaren, Kegelaufsetzen u. s. w. Diese Statistik sei unzuverlässig, aber sie habe jedenfalls ein großes Elend aufgedeckt, sodaß es wohl angebracht sei, wenn die Regierung dieser Frage näher trete.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Ich weiß nicht, wie der Bundesrath sich zu dem Vorschlag des Antrags Lenzmann stellen wird. Die Materie ist bei

den bisherigen Berathungen des Bundesraths über die Gewerbe⸗

verhandelt worden. Mir persönlich ist der Antrag durchaus sympathisch. Ich kann den Schilderungen, die die Herren Vorredner über das Elend, das sich bei der Verwendung der Kinder im Gewerbebetriebe herausstellt, vor⸗ gebracht haben, nichts hinzufügen und halte dafür, daß man dahin streben sollte, die Benutzung von Kindern zu gewerblichen Zwecken der hier in Frage stehenden Art überhaupt auszuschließen. Wer menschen⸗ freundlich gesinnt ist und es mit der Zukunft unserer Kinderwelt gut meint, der kann nicht wünschen, daß solche kleinen und unselbständigen Wesen, und zwar vielfach zu eigennützigen Zwecken ausgebeutet werden. Also ich bin mit der Tendenz des Antrags für meine Person durchaus einverstanden und will auch versprechen, meine Bemühungen darauf zu richten, daß der Bundesrath dem Antrage, der sich auf dem Boden dieser Tendenz bewegt, die Zustimmung ertheilt.

Dagegen glaube ich, daß die Aussicht auf Annahme einer solchen Vorschrift im Bundesrath nur dann eine sichere ist, wenn auch der zweite Theil des Antrags Lenzmann angenommen wird. Wir dürfen uns nicht verhehlen ich weiß nicht, ob das von den früheren Rednern schon angezogen ist, ich bin nicht beim Beginn dieser Debatte im Haufe gewesen —, daß die Verwendung von Kindern in der Weihnachtszeit zum Verkauf kleiner Artikel an manchen Orten eine althergebrachte ist und daß sie nicht überall eine moralisch und ethisch verwerfliche Tendenz hat, und daß sie auch eine wirthschaftliche Bedeutung hat, die, wenn hier störend eingegriffen wird, doch wohl in den betheiligten Kreisen eine aroße Unzufriedenheit hervorrufen könnte. Ich bin deshalb der Meinung, daß man wohl thut, wenn man einmal dazu übergeht, im allgemeinen die Verwendung von Kindern unter 14 Jahren auf dem hier behandelten Gebiete auszuschließen, doch den Behörden eine gewisse Dispensationsbefugniß zu geben, um nach Lage der Gewohnheit und der Fälle da, wo die Gefahr für die Kinder keine dringende ist, doch die althergebrachte Gewohnheit auch ferner üben zu lassen.

Der Antrag des Herrn Abg. Lenzmann in seinem zweiten Theil leidet meiner Ansicht nach an einem formellen Mangel. Der wird sich aber, wie ich überzeugt bin, bis zur dritten Lesung korrigieren lassen. Wir werden uns darüber ver⸗ ständigen, einen Paragraphen in das Gesetz hineinzubringen, der nach jeder Richtung zweifelsfrei ist, und werden vielleicht auch die Frist noch etwas verlängern können, die der Herr Abg. Lenzmann vor⸗ geschlagen hat, und dann hoffe ich, daß der sehr beachtenswerthe und gesunde Grundgedanke auch in unsere Gesetzgebung übergeht. (Bravo!)

Abg. von Holleuffer (d. kons.) stimmt dem Antrage Lenzmann zu, jedoch unter der Voraussetzung, daß die Ausnahmebestimmung beschränkt werde auf die Fälle, wo es herkömmlich sei.

Der Antrag Lenzmann wird unverändert angenommen.

Artikel 8 betrifft das Aufkaufen von Waaren und die Aufsuchung von Bestellungen außerhalb des Gemeindebezirks der gewerblichen Niederlassung. Die Bestimmung des § 44: „Das Aufkaufen darf ferner nur bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waaren produzieren, oder in offenen Verkaufsstellen erfolgen“, soll folgenden Zusatz erhalten: „In⸗ gleichen darf das Aufsuchen von Bestellungen auf Waaren, soweit nicht der Bundesrath für bestimmte Waaren Aus⸗ nahmen zuläßt, nur bei Kaufleuten oder solchen Personen ge⸗ schehen, in deren Gewerbebetriebe Waaren der angebotenen Art Verwendung finden.“

Abg. Freiherrr von Stumm (Rp.) beantragt, die Worte „soweit nicht der Bundesrath .. zuläßt⸗ zu ersetzen durch „soweit dazu nicht eine ausdrückliche öffentliche oder schriftliche Aufforderung ergangen ist.“

Abg. Quentin (nl.) will diese Worte ersetzen durch „betreffs deren der Bundesrath dies vorschreibt“.

Die Abgg. Dr. Hasse (nl.) und Dr. Förster⸗Neustettin (Ref.⸗P.) beantragen, den Buchhandel von diesem Verbot aus⸗ zunehmen; Abg. Dr. Bürklin (nl.) stellt denselben Antrag bezüglich des Weinhandels.

Für den Fall der Ablehnung seines Hauptantrags bean⸗ tragt Abg. Quentin, die Druckschriften und Bildwerke, Leinen, Wäsche und Aussteuern in diesen Artikeln, Wein und Baumaterialien auszunehmen. Wird auch diese Fassung ab⸗ gelehnt, so beantragt

Abg. Quentin: den Art. 8 erst mit dem 1. Januar 1902 in Kraft treten zu lassen und folgende Resolution anzunehmen: „Der Herr Reichskanzler wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß bei den Ausnahmen, welche der § 44 der Gewerbeordnung zuläßt, folgende Waaren vorzugsweise Berücksichtigung finden: Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, Leinen, Wäsche und Aussteuern in diesen Artikeln, Wein und Baumaterialien.“

Die Abgg. Fuchs und Humann (Zentr.) beantragen folgenden Zusatz:

„Für Gewerbebetriebe, welche vor Inkrafttreten dieses Gesetzes den Nachweis erbringen, daß sie mindestens 5 Jahre lang in ihrem Gewerbe Waarenbestellungen bei Privaten auf esucht haben, ver⸗ bleibt es bis zum Ausscheiden des bezw. der Inhaber der Firma für den zeitigen Umfang ihres Gewerbebetriebes bei den bisherigen Bestimmungen.“

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Das Aufsuchen von Waaren⸗ bestellungen ist in den meisten Fällen ganz genau dasselbe wie der Hausierhandel; denn es werden nicht bloß Muster vorgezeigt, sondern die Waaren direkt geliefert; deshalb kann ich keine Ausnahme⸗ bestimmung zulassen, wie sie die Herren Fuchs und Humann wollen. Weshalb soll denn ein Gewerbetreibender, der fünf Jahre das Detail⸗ reisen betreiben läßt, besser gestellt sein, als ein solcher, der erst vier Jahre seinen Betrieb hat? Ebenso wie das Aufsuchen von Waarenbestellungen bei Kaufleuten und solchen Personen, welche die Waaren für ihren Gewerbebetrieb brauchen, zugelassen sein soll, muß es auch gestattet sein da, wo eine direkte Aufforderung seitens der Betheiligten ergeht. Ich habe sonst nichts gegen die Ertheilung von Befugnissen an den Bundesrath, aber in diesem Falle würde der Bundesrath doch durch seine Bestimmungen manchen Gewerbezweig begünstigen, andere aber schädigen können, je nachdem er nur die noth⸗ wendigsten Ausnahmen zuläßt oder dabei so weit geht, wie die Wünsche der Interessenten. Die Anträge aus dem Hause entsprechen ja wohl meist den Wünschen der Interessenten in den einzelnen Wahlkreisen. Das führt zu bedenklichen Konsequenzen. Redner bittet desbalb, möglichst bei der Vorlage zu bleiben, weil dieselbe sonst ein Schlag ins Wasser sein würde.

VVon seiten der Abgg. Gröber Fentr), von Holleuffer (dkons.), Dr. Hitze (Zentr.) und

ordnung nicht

Jacobskötter (dkons.) ist ein Kompromißantrag eingegangen, den Art. 8 folgendermaßen zu gestalten:

„Das Aufkaufen darf ferner nur bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waaren produzieren, oder in offenen Verkaufs⸗ stellen erfolgen. Ingleichen darf das Aufsuchen von Bestellungen auf Waaren, mit Ausnahme von Druckschriften, anderen Schriften und Bildwerken und, soweit nicht der Bundesrath noch für andere Waaren oder Gegenden oder Gruppen von Gewerbetreibenden Aus⸗ nahmen zuläßt, nur bei solchen Personen geschehen, in deren Ge⸗

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werbebetriebe Waaren der angebotenen Art Verwendung finden.

Auf das Aufsuchen von Bestellungen auf Druckschriften, andere

Schriften und Bildwerke finden die Vorschriften des § 56 Abs. z

entsprechende Anwendung.“ 8

Abg. Dr. Hasse zieht zu Gunsten dieses Antrags seinen schlag zurück; ebenso Abg. Dr. Förster.

Abg. Dr. Hitze meint, daß der Antrag Alles augenom

habe, was nothwendig sei, um möglichst große Mehrheit men denselben zu gewinnen, namentlich auch bezüglich des Buchhandels die Zustimmung zu erleichtern. Abg. Quentin (nl.) erklärt, daß er seine drei Anträge zurück. ziebe und nur die Resolution aufrechterhalte. Uebrigens würde ein Theil seiner Freunde geßen die ganze Vorschrift des Art. 8 stimmen weil sie es nicht für nothwendig hielten, die kaufmännische Tüchtigken irgendwie zu beschränken. 2 % eine Belästigung des Publikums durz die Detailreisenden irgendwie stattgefunden habe, sei nicht bekannt 8. worden; solche Behauptungen stammten aus dem Lager der Konkar⸗ renz und wären daher mit großer Vorsicht aufzunehmen. Was die großen Versandgeschäfte durch die Größe ihres Betriebes leisteten das müßten die kleinen Geschäfte durch persönliche Liebenswürdigkeit durch das Aufsuchen der Kunden u. s. w. ersetzen. Die Annahme der Vorlage ohne eine gleichzeitige Beschränkung der Versandgeschäfte würde die Wirkung des Gesetzes illusorisch machen.

Abg. Humann (Zentr.) tritt im Interesse der Bielefelder

Leinenindustrie und der Wäschekonfektion im allgemeinen für die Zu⸗ lassung des Detailreisens für diese Branche ein. Abg. Dr. von Cuny (nl.) erklärt, daß der Weinantrag in den Kompromißantrag nicht aufgenommen sei, trotzdem für ihn gerade das Detailreisen am meisten üblich sei. Redner tritt für den Antrag Bürklin ein, da der Antragsteller selbst durch Unwohlsein am Er⸗ scheinen verhindert sei.

Abg. Dr. Förster⸗Neustettin erklärt sich für den Kompromißantrag Gröber mit der Maßgabe, daß der Antrag Stumm in denselben eingeschaltet werde. 3 ““

Abg. Casselmann (fr. Voltsp.) hält die Einschränkung des Detailreisens für bedenklich, da von einer solchen Maßregel nur die kleineren und mittleren Geschäftsleute Nachtheile haben würden n. Gunsten der großen Waaren⸗ und Versandhäuser. Die Detail⸗ reisenden sähen in der Gleichstellung mit den Hausierern eine De⸗ gradation.

Abg. Vogtherr (Soz.) erklärt sich gegen Art. 8, weil derselbe eine durchaus reaktionäre Maßregel sei und eigentlich lediglich den Finanz⸗Ministern der Einzelstaaten eine neue Einnahme zufuͤhre, de die Kaufleute dann Hausierscheine lösen müßten, vielleicht für die Bezirke der kleinen Einzelstaaten mehrere zu gleicher Zeit. Besondes lästig sei die Bestimmung für die Angestellten; sie könnten in Zukunf erst mit dem 25. Lebensjahr als Detailreisende auftreten, verlören also dadurch mindestens fünf Jahre ihres Lebens; denn mit dem 20. Lebensjahre wären sie wohl befähigt für diese Arbeit. Wie umstritten die ganze Frage sei, zeigten die zahlreichen Anträge und Gegenanträge, die eingebracht und geändert würden, sodaß man sich kaum hineinfinden könne. Für den Weinreisenden wären alle zu Ausnahmen bereit, sogar der Bundesrath sei in den Motiven dafür Im übrigen nähme jeder die ihn interessierenden Industrien aus und überlicße sonst alles der Vollmacht des Bundesraths, der neue Erlaubniß geben, aber auch alte Erlaubniß widerrufen könne. Die Sozialdemokraten würden jedoch gegen alle Anträge ftimmen, da solche gesetzlichen Maßregeln nur ein schwacher und nutzloser Versuch seien der Entwickelung der gewerblichen Verhältnisse entgegenzutreten.

Abg. von Wolszlegier⸗Gilgenburg (Pole) erklärt sich für der Antrag von Stumm, den er in den Antrag Gröber⸗Holleuffer auf⸗ nehmen will; für die Weinreisenden will er keine Ausnahme machen. Abg. Dr. Hasse (nl.): Die Mehrzahl meiner politischen Freunde steht der Vorlage sympathisch gegenüber. Wenn so viele Anträg vorliegen, so zeigt das, wie richtig unser Antrag war, eine Kommissions⸗ berathung stattfinden zu lassen; daß einige Anträge jetzt zurückgezogen werden konnten, erklärt sich durch die inzwischen stattgehabte Ver⸗ einbarung, wobei ja auch der Buchhandel in ausgiebiger Weig berücksichtigt worden ist. Redner empfiehlt ferner Ausnahmen für den Wein und die Wäschefabrikation.

Abg. Fischbeck (fr. Volksp.): Der Staat scheine jetzt die Berech⸗

tigung für sich in Anspruch zu nehmen, die Bürger in solche erster und zweiter Klasse zu theilen. Man nehme es als Pflicht des Staats in Anspruch, den seßhaften Handel in erster Linie zu schützen gegen die Ausdehnung des Hausierhandels. Diese Ausdehnung sei aber ein Folge der falschen Durchführung der Sonntagsruhe. Die Bielefelde Leinenindustrie sei durch die Güte ihrer Fabrikate größer geworder und zwar deshalb, weil sie durch Reisende die Waaren dem Publikun ins Haus bringe. Gerade die einsam wohnenden Beamten der Forstverwaltung, der Zollverwaltung, die Lehrer und Geistlichen auf dem Lande würden gar keine Gelegenheit haben, Einkäufe in gewisse Artikeln zu machen, wenn ihnen nicht die Detailreisenden die Sache ins Haus brächten.

Nachdem Abg. Dr. Schädler (Zentr.) sich gegen eine Ausnahme zu Gunsten der Weinreisenden ausgesprochen hat, bezeichnet

Abg. Fuchs (Zentr.) es als eine große Härte, daß plötzlich das Detailreisen aufhören solle; man müsse eine Uebergangsperiode schaffen während deren das Detailreisen ganz allein verschwinden würde. Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) tritt für den Antrag Gröker⸗Holleuffer ein und wendet sich dagegen, besondere Uebergangsbestimmungen zu schaffen. Die Landwirthe hätten die Schädigung durch die Handels⸗ verträge auch ohne jeden Uebergang auf sich nehmen müssen. Brotlos -e die Detailreisenden nicht, sie würden höchstens etwas höber besteuert.

Abg. Fritzen (Zentr.) tritt ebenfalls für die Leinenindustrie ein.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! So viel ist mir aus den Diskussionen klar ge⸗ worden, daß der Wunsch in weiten Kreisen des Hauses besteht, an der Regierungsvorlage irgend welche Aenderungen vorzunehmen. Ich muß indessen betonen, daß auch nach aufmerksamer Verfolgung der Gründe, welche für die verschiedenen Anträge vorgebracht sind, ich ver der Ueberzeugung nicht lassen kann, daß die Regierungsvorlage bei weitem den Vorzug verdient.

Zunächst ist von verschiedenen Seiten der Wunsch geäußert worden, daß im Gesetz eine Ausnahme von den neuen Bestimmungen über das Detailreisen zu Gunsten des Buchhandels gemacht werde. Meine Herren, ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß der Bundesratb, wenn er nach der Fassung der Regierungsvorlage die Befugnisse er⸗ hielte, seinerseits Ausnahmen von den Bestimmungen über das Detailreisen zu statuieren, auch den Vertrieb von Druckschriften unter diese Ausnahmen aufnehmen würde. Nach den in dem hohen Hause hierüber gepflogenen Verhandlungen und nach der Begründung der Petitionen, die auf diesem Gebiete an die Reichsregierung gekommen sind, verkenne ich nicht, daß sich manches dafür anführen läßt, hier den Druckschriftenvertrieb besonders zu berücksichtigen.

Nun kommt aber der Appetit bekanntlich beim Essen, und wenn man eine Ausnahme macht, so findet man sehr bald Veranlassung, eine Erweiterung des Kreises der Ausnahmen zu wünschen. So ist es auch hier gegangen. Wir haben jetzt schon Wünsche nach Aus⸗ nahmen zu Gunsten des Weins, der Textilien, Baumaterialien, Näh⸗ maschinen u. s. w.; und ich bin nicht zweifelhaft darüber, daß sich bis zur dritten Lesung noch weitere Wünsche geltend machen werden. Aber aus der Erörterung über die Ausnahmen haben wir, glaube ich,

den Schluß zu ziehen, daß das pro und contra sich in einzelnen Fällen stark die Wage hält; und deshalb halte ich es nicht für richtig, daß der Reichstag sich über diesen Streit mit der Wirkung schlüssig macht, daß nun durch das Gesetz festgelegt wird, welche Aus⸗ zahmen bezüglich des Detailreisens stattfinden sollen. (Sehr richtig!) Ich halte es für viel richtiger auch vom Standpunkt der Interessenten, die ihre Wünsche geltend machen, daß der Reichstag dieses schwierige Geschäft, das pro und contra zu ergründen und das Rechte u finden, dem Bundesrath überläßt, der in dieser Beziehung bekanntlich einen breiten Rücken hat und es auch gerne über⸗ gehmen wird. Was wird die Folge sein? Schlagen Sie hier eine nachgesuchte Ausnahme ab, so ist der betreffende Industriezweig schwer im stande, die Vergünstigung, die ihm seine Vertreter hier zu theil werden lassen wollten, nachträglich vom Bundesrath zu erlangen, und nehmen Sie die Ausnahme an, so nehmen Sie vielleicht dabei nicht die gebührende Rücksicht auf die Gegenstände, aus denen gerade für den speziellen Zweig die Ausnahme sich nicht empfiehlt. Wenn nun aber geändert werden soll, so könnte ich, wie ich vor⸗ bin schon angedeutet habe, mit dem Antrag der Herren Gröber, von Holleuffer, Dr. Hitze und Jacobskötter auf Nr. 176 der Drucksachen noch am ersten einverstanden sein; nur werde ch mir gleich den Vorschlag zu machen erlauben, daß auch in diesem Antrag eine Korrektur vorgenommen werden möge. Der frag⸗ liche Antrag statuiert zunächst nur eine Ausnahme durch das Gesetz felbst dn Gunsten des Druckschriftenhandels. Er erweitert außerdem den Kreis der Befugnisse des Bundesraths, worüber sich reden läßt. Dagegen enthält er gegenüber der Regierungsvorlage eine Abweichung, zilce meines Erachtens bei der Feststellung des Paragraphen beseitigt nwaden muß. Der Antrag Gröber und Genossen will nämlich das Pisuchen von Bestellungen nur zulassen bei solchen Personen, „zeren Gewerbebetrieb Waaren der angebotenen Art Verwendung und er weicht von der Regierungsvorlage darin ab, daß diese uch noch das Aufsuchen von Bestellungen bei Kaufleuten unbeschränkt alassen will. Meine Herren, wenn Sie nach diesem Antrag be⸗ bließen, so schaffen Sie mit Rücksicht auf unsere Handelsverträge zwei Fategorien von Personen, die dasselbe mit verschiedener Befugniß treiben. Im deutsch⸗schweizerischen Handelsvertrag im deutsch⸗rumänischen st der Wortlaut der Bestimmung derselbe heißt es ausdrücklich: Kaufleute, Fabrikanten und andere Gewerbetreibende, welche sich durch den Besitz einer von den Behörden des Heimathlandes aus⸗ gefertigten Gewerbelegitimationskarte darüber ausweisen, daß sie in dem Staat, wo sie ihren Wohnsitz haben, zum Gewerbebetrieb be⸗ rechtigt sind und die gesetzlichen Steuern und Abgaben entrichten, sollen befugt sein, persönlich oder durch in ihren Diensten stehende Reisende in dem Gebiet des anderen vertragschließenden Theils bei Kaufleuten oder in offenen Verkaufsstellen, oder bei solchen Personen, welche die Waaren produzieren, Waarenankäufe zu machen, oder bei Kaufleuten oder Personen, in deren Gewerbebetrieb Waaren der angebotenen Art Verwendung finden, Bestellungen zu Meine Herren, nach diesen Verabredungen sind die Handelsfirmen der Schweiz und aller derjenigen Staaten, welche sich in gleicher Lage befinden, berechtigt, innerhalb Deutschlands unter den entsprechenden Voraussetzungen bei Kaufleuten unbeschränkt Waarenbestellungen suchen zu lassen. Sie stellen also, wenn Sie den Antrag Gröber ohne Einfügung der Worte der Regierungsvorlage „bei Kaufleuten oder“ annchmen, die deutschen Kaufleute schlechter, als die Kaufleute der⸗ jenigen Staaten, für welche jene Handelsvertragsfestsetzung gilt. (Hört! hört! rechts.) Ich möchte deshalb glauben, Sie thun wohl, die Fassung der Regierungsvorlage in dieser Beziehung anzunehmen. Ich kann auch keinen Nachtheil hierin erblicken; denn gegenüber dem Detailreisenden ist der etablierte Kaufmann unter allen Umständen am widerstandsfähigsten; er wird den ihm unbequemen Detailreisenden secr wohl abzuwehren im stande sein. Viel weniger widerstands⸗ üüig ist der Privatmann, dem der Detailreisende, sei es ein Wein⸗, Faback⸗ oder Textilreisender, unter Umständen denn doch recht un⸗ beguem werden kann. Ich gehe nicht so weit, daß ich den Detail⸗ mnisenden als eine Landplage ansehe, eine Bezeichnung, die er heute schon in diesem Hause über sich hat ergehen lassen nüssen. Aber das verstehe ich sehr wohl, daß in weiten Schichten des Publikums die Vorlage nicht bloß aus dem Gesichtsyunkte heraus, daß es sich um eine Maßregel handelt, die einem großen Theil unseres Mittelstandes zu gute kommt, für gerecht⸗ fertigt gefunden wird, sondern auch um deswillen, weil dadurch die Belästigung, die durch den Andrang der Detailreisenden für das Publikum entsteht, eingeschränkt wird. Also ich kann Ihnen, wenn Sie doch einmal der Regierungsvorlage in forma producta die Zustimmung nicht ertheilen zu können glauben, nur empfehlen, den Antrag Gröber nach der von mir gegebenen Anregung zu korrigieren. Was die Anträge Quentin und Fuchs⸗Humann auf Nr. 199 und 186 der Drucksachen anlangt, so erkenne ich das Wohlwollen für die Aufrechterhaltung bestehender Betriebsinteressen, das diesen Anträgen zu Grunde liegt, in vollem Maße an. Aber, meine Herren, ich halte diese Anträge um deswillen nicht für annehmbar, weil sie einen Zustand schaffen, bei welchem jede Kontrole darüber, ob der betreffende Detail⸗ reisende zu seinem Geschäft legitimiert ist oder nicht, unmöglich sein würde. Sie würden auch in dieser Beziehung in Bezug auf die Firmen und in Bezug auf die Waaren einen Dualismus schaffen, der die Behörden außer Stand setzt, eine wirksame Kontrole zu führen. Ganz mit Recht hat bereits der Herr Abg. Dr. Hahn ausgeführt, daß solche Eingriffe in das wirthschaftli che Leben, wenn es sich um eine Maßregel handelt, die wirklich eine Ver⸗ besserung des bestehenden Zustandes herbeiführen soll, ertragen werden müssen, so unangenehm sie auch in dem einzelnen Falle sein mögen; und der Herr Abg. Dr. Hahn hat auch das Remedium bereits an⸗ gegeben, indem er sagte, die ganze Frage laufe auf eine Steuerfrage binaus; denn was bisher die Gewerbelegitimationskarte geleistet hat, wird künftig der Wandergewerbeschein leisten. Abg. von Holleuffer stellt eine Revision des Antrages 95 und Genossen im Sinne der Ausführungen des Staats⸗ ärs für die dritte Lesung in Aussicht. Damit schließt die Diskussion über Artikel 8. Nachdem der Antrag Fritzen⸗Humann bezüglich der Aufnahme der Gegenstände der Leinen⸗ und Wäschefabrikation den Antrag Gröber in namentlicher Abstimmung mit 130. gegen 109 Stimmen angenommen worden, wird unter Ableh⸗ nung sämmtlicher Anträge der so veränderte Kompromiß⸗

antrag Gröber ebenfalls angenommen und um 6 ½ Uhr die 82

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weitere Berathung auf Mittwoch, 1 Uhr, vertagt. Der Vor⸗

schaß des Präsidenten, am Mittwoch einen „Schwerinstag“ abzuhalten, findet nicht die Zustimmung des Hauses. 8 1 8 1.“ 8 v1“ 8

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 8 39. Sitzung vom 10. März 1896, 11 Uhr.

Ueber den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten nimmt ihren Fortgang.

Bei dem Kapitel „Kunst und Wissenschaft“ wünscht Abg. Dr. Beumer (nl.) eine Aufstellung, welche Künstler vom Staat Aufträge erhalten, ob nur oder wenigstens in erster Linie Akademiker berücksichtigt werden und welche Summen hierfür be⸗ willigt werden. Eine mehr paritätische Besetzung der Landeskunst⸗ kommission mit Akademikern und Nichtakademikern sei wünschens⸗ werth, und auch bei der Vergebung von Arbeiten müsse die Tüchtigkeit allein in Betracht gezogen werden, denn auch unter den Nichtakademikern gebe es tüchtige Künstler. Ferner wünsche er, daß, wie das jetzt auch schon bei der Kölner Dombaulotterie geschehe, Kunstwerke mit zur Verloosung gebracht würden; das könne z. B. auch bei sonstigen Kirchenbaulotterieen im Interesse der Kunst geschehen und habe noch den besonderen Vortheil, daß sich hiermit Kunstausstellungen ver⸗ binden ließen, die sonst ohne einen finanziellen Rückhalt nur schwer zu stande gebracht werden könnten. Der Minister des Innern habe sich als Regierungs⸗Präsident in Düsseldorf als ein im hohen Grade kunstverständiger Mann und warmer Freund der Kunst gezeigt, so daß er wahrscheinlich auch gern hierbei mitzuwirken bereit sein werde.

Abg. Knebel (nl.) wünscht die Erhaltung der Porta Papia in Köln und bittet den Minister, Schritte in dieser Richtung zu thun.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Dem Herrn Abg. Knebel glaube ich versichern zu dürfen, daß voraussichtlich bereits in den nächsten Tagen die Ent⸗ scheidung ergehen wird, und, wie ich hoffe, in einem Sinn, der ihn vollkommen befriedigt. Auch ich bin der Meinung, daß der jetzige Zustand bei der Porta Papia nicht so bleiben kann, wie er ist, und daß dabei alle Rücksicht auf den Dom genommen werden muß aber auch auf die Verkehrsverhältnisse der Stadt.

Was dann die Wünsche des Abg. Beumer

möchte ich zunächst hervorheben,

betrifft, daß die Kunstverwaltung bei der Vergebung von Kunstaufträgen aus den Kunstfonds bis jetzt noch niemals gefragt hat, ob die dabei in Betracht kommen⸗ den Künstler Akademiker sind oder nicht. Bei dieser ganzen Frage besteht ein Unterschied zwischen Akademikern und Nichtakademikern in keiner Weise, und ich möchte auch nicht, daß er in Zukunft in den Vorder⸗ grund tritt. Meine Herren, wenn wir der Anregung des Herrn Abg. Beumer entsprechend bei jeder Veröffentlichung über die Vergebung on Kunstwerken eine Rubrik machen wollten, ob der Künstler Akademiker ist oder nicht, dann werden wir nächstens den Streit um die Parität, den wir auf konfessionellem Gebiet haben, auch hier auf dem Kunstgebiet haben; und das möchte ich absolut vermieden wissen; ich habe schon an einem vollkommen genug. (Heiterkeit.)

Nun möchte ich aber zur Beruhigung des Abg. Beumer bemerken, daß wir über die Verwendung des Kunstfonds bereits öffentlich amt⸗ liche Rechenschaft geben und zwar in den amtlichen Berichten der Königlichen Kunstsammlung. Ich bitte die Herren aus Düsseldorf, die dafür Interesse haben, diese Berichte einzusehen. Dort werden sie über die Verwendung des Kunstfonds vollkommen Auskunft finden⸗

Hinsichtlich der Lotterien zu kirchlichen Zwecken möchte ich dem Abg. Beumer noch Folgendes sagen. Ich erkenne es mit dem Abg. Beumer als sehr wünschenswerth an, wenn man diese Lotterien durch die Aussetzung von Kunstwerken als Gewinne dazu benutzen könnte, um der Kunst ein bischen unter die Arme zu greifen. Das haben auch die Künstler gewünscht freilich zunächst nur in Bezug auf die Kölner Dombau⸗Lotterie. Ich kann Sie versichern: es hat mir Mühe genug gekostet, es endlich dahin zu bringen, daß bei der letzten Dombau⸗Lotterie in dieser Beziehung eine Bedingung gestellt worden ist. Das Prinzip wurde von vielen Seiten angegriffen, und ich weiß noch nicht, ob ich es in künftigen Fällen wieder werde durchsetzen können. Augenblicklich schwebt keine derartige Lotterie, wenigstens nicht im Rheinland, bei der die Frage überhaupt zur Sprache ge⸗ kommen wäre. Ich kann nur sagen: die Kreise, welche die Lotterie nachsuchen, wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Aussetzugg von Kunstwerken. Dem kann man sich auch nicht verschließen: der Käufer des Looses will Geld gewin nen, und wenn er ein Bild bekommt, fühlt er sich enttäuscht. Das ist allgemeine Ansicht; und es ist auch Thatsache, daß Leute, die bei früheren Kölner Lotterien Bilder gewonnen hatten, diese Bilder zu Spottpreisen haben verkaufen müssen, wenn sie sie los werden wollten. Voraussetzung für die Aussetzung von Kunst⸗ werken wäre freilich eine aus künstlerischen Kräften zusammengesetzte Einkaufskommission. Ob aber auch da alles nach rein künstlerischen Gesichtspunkten zugehen würde, ist schwer zu kontrolieren. Auch der Staat hat die Kontrole nicht vollständig in der Hand. Kurz, ich will nur darauf aufmerksam machen: die Bedingung, daß bei derartigen Lotterien Kunstgegenstände mit als Gewinne verwendet werden sollen, stößt an vielen Stellen auf den größten Widerspruch. Und man muß ja auch zugeben: an und für sich hat die Aussetzung von Kunstwerken mit dem Zweck der Lotterie nichts zu thun. Ich meinerseits kann es nur wünschen, weil ich damit den künstlerischen Interessen entgegenkomme. Ich will auch bei künftigen Gelegenheiten den Versuch machen. Aber darüber hinaus kann ich eine Verpflichtung nicht übernehmen.

Abg. von Dziembowski (fr. kons.) beklagt, daß für die Provinz Posen in Bezug auf Kunst bisher noch nichts geschehen sei. Gerade durch Förderung eines solchen internationalen Gebiets könne man zur Ausgleichung der nationalen Gegensätze beitragen. Das Pro⸗ vinzialmuseum und die Landesbibliothek in Fosen müßten mehr ge⸗ fördert werden. Als Vorsitzender des Provinzial⸗Landtags danke er der Regierung für das Entgegenkommen, das der Minister in dieser Sache bewiesen habe, aber das Wohlwollen des Ministers genüge nicht, es scheitere Alles an dem Widerstand der Provinzialverwaltung. Der Kultus⸗Minister möge den Finanz⸗Minister dahin beeinflussen, daß Mittel zur Förderung der kulturellen Interessen in Posen be⸗ willigt würden.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich kann mich auch hier auf eine allgemeine Er⸗ klärung beschränken. Es versteht sich ganz von selbst für jeden, der die Posenschen Verhältnisse kennt, und deshalb auch für mich, daß ich wie bisher so auch ferner der Landesbibliothek und der Errichtung

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eines Provinzial⸗Museums in Posen mein wärmstes Interesse schenke und daß ich thun werde, was ich kann, um diese beiden Institute zu fördern. Ich hoffe, daß, wenn das Provinzial⸗ Museum erst noch etwas weiter umgestaltet ist, ich auch durch unsere Sammlungen werde behilflich sein können.

Was die Frage einer Geldbewilligung anlangt, so bin ich ja in erster Linie nicht kompetent; ich habe aber mit dem Herrn Finanz⸗ Minister über die Sache gesprochen und von ihm die Versicherung er⸗ halten, daß er der Sache mit dem größten Wohlwollen gegenübersteht. Der Antrag des Provinzial⸗Landtags kommt jetzt zur geschäftlichen Erledigung, und ich zweifle nicht, daß der Herr Finanz⸗Minister thut, was er irgend wie zu thun in der Lage ist.

Abg. von Jazdzews ki (Pole) erwähnt, daß das Museum in Posen eine große Menge von Alterthümern besitze und gern mit anderen Museen in Austausch treten würde; zu diesem Zweck solle der Minister eine Deputation nach Posen entsenden. Ein friedliches Zusammenwirken auf diesem kulturellen Gebiete könne auch einem Aus⸗ gleich auf anderen Gebieten dienen. 8 8 Abg. Dr. Beumer bemerkt, daß man sich auf dem Gebiete der Kunst vor einem Paritätskriege nicht zu fürchten brauche. Abg. Dr. Sattler (nl.) meint, daß es eine Ehrenpflicht des Staats sei, in Posen als Kulturträger aufzutreten und für wissen⸗ schaftliche Anstalten zu sorgen, daß aber eine Zersplitterung des Museums nicht zu empfehlen sei.

Gebeimer Ober.Finanz⸗Rath Dr. Germar betont, daß der Finanz⸗Minister diesen Wünschen wohlwollend gegenüberstehe und bereits Verhandlungen über die Erfüllung derselben schweben. Bei den Ausgaben für das Meteorologische Institut bei Potsdam spricht sich Schulz⸗Bochum (nl.) sehr befriedigt über die Thätigkeit dieses Instituts aus und dankt den Leitern desselben für ihre Arbeit; er betont dabei den Werth der Beobachtungen der magnetischen Erdströmungen und der magnetischen Vermessung des Landes, bleibt aber in seinen einzelnen Ausführungen fast unverständlich.

Bei den Positionen für das Astrophysikalische Observatorium bei Potsdam fragt

Abg. Szmula (Zentr.) an, weshalb die längst angeregte Her⸗ stellung eines großen Refraktors erst jetzt in Angriff genommen werden solle, und ob man nicht statt der beabsichtigten Linsengröße von 30 Zoll einen Refraktor von 40 Zoll herstellen könne.

Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Schmidt: Daß wir erst jetzt diesen Plan ausführen, daran ist theils die Finanzlage schuld gewesen, theils der Umstand, daß noch nicht fest stand, ob man das Ziel, das man damit erreichen wollte, auch erreichen könnte. Es kommen dabei klimatische Umstände in Betracht, und der Beweis, daß ein so großes Instrument bei unseren klimatischen Verhältnissen dasselbe leisten könne wie in Nizza, England, Amerika, ist erst neuerdings er⸗ bracht, nachdem man bei St. Petersburg mit einem 30 ͤölligen Refraktor gute Resultate erzielt hat. Beliebig weit kann man mit der Größe des Objektivs nicht gehen, die Größe steht im Zusammenhang mit der Länge des Rohrs, und da kann durch Strahlenbrechung der Effekt eines größeren Obiektivs verloren gehen. Auf das 44zöllige Rohr der Gewerbe⸗Ausstellung will ich nicht eingehen; die Akademie der Wissenschaften hat aber die Frage, ob dieses Rohr für ein Ob⸗ servatorium zu verwenden ist, verneint;; alle wissenschaftlichen Kreise halten einen Refraktor von 30 Zoll für ausreichend und zweckmäßig.

Zu dem Titel „Biologische Anstalt auf Helgoland“ bemerktt 8 111““

Abg. Hermes (fr. Volksp.): Diese Anstalt, welche die auf sie gesetzte Hoffnung voll erfüllt hat, ist der Erweiterung und Vervoll⸗ kommnung dringend bedürftig. Die Mittel für sie sind außer⸗ ordentlich knapp bemessen. Die Wohnräume, die Räume für die Unterbringung der wissenschaftlichen Sammlungen und Aauarien sind unzureichend. Ist ein Neubau in Aussicht genommen? Zur Förderung der botanischen Seite des Instituts, um welche sich insbesondere Professor Pringsheim erhebliche Verdienste erworben hat, ist die Anstellung eines Botanikers unumgänglich. Auch die definitive An⸗ stellung der Assistenten ist ein Wunsch des Redners.

Abg. Szmula (SZentr.) schließt sich diesen Wünschen an, spricht aber sein Bedauern aus, daß die Anstalt nicht dem Landwirthschafts⸗ Minister unterstellt sei. 8

Geheimer Re ierungs⸗Rath Dr. Schmidt: Mit sreuen nimmt die Regierung die Anregung des Abg. Hermes an, wie sie ihm über⸗ haupt für seine dem Institut immer erwiesene Freundschaft dankbar ist. Im Extraordinarium ist schon eine Summe für die Einrichtung des alten Postgebäudes auf Helgoland für die Zwecke der Biologischen Anstalt gefordert. Die Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und der Landwirthschaft decken sich auf keinem Gebiet so sehr, wie auf dem der biolegischen Forschung. Dies Institut bearbeitet jetzt ein großes Werk „Die Meeresforschungen“’, von dem bereits ein Band vorliegt, der sehr bemerkenswerthe Resultate enthält. Die Regierung wird bemüht sein, den hier geäußerten Wünschen nachzukommen.

Bei den Kosten für Unterhaltung der Denkmäler und Alterthümer bittet

Abg. Lotichius (nl.) um Wiederherstellung des Domanial⸗ gebäudes im Kloster Eberbach und um anderweitige Unterbringung der dort internierten Gefangenen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich will nur dem Herrn Dr. Lotichius, der die Verhältnisse des Klosters Eberbach zur Sprache gebracht hat, meinen Dank aussprechen und meine Bereitwilligkeit, nach Möglichkeit zu helfen. Es ist ganz unzweifelhaft, daß hier außerordentlich werthvolle, künstlerisch wirksame alte Gebäude vorliegen, deren Erhaltung und Pflege in jeder Beziehung wünschenswerth ist. Ich will gern der Anregung Folge geben, soweit es an mir ist, um eine Evakuierung der Gebäude von den Gefangenen herbeizuführen, mache aber darauf aufmerksam, daß mein Ressort nicht dominus dirigens dieses ganzen Klosters ist, und daß ich deshalb abwarten muß, ob und wann ich in die Lage kommen werde, die Mittel zu einer künstlerischen plan⸗ mäßigen Restaurationsarbeit zur Verfügung zu stellen.

Bei den Ausgaben für das Meßbildverfahren be⸗ dauert

Abg. Dr. Kropatscheck (kons.), daß die Abgg. von Mexyer⸗ Arnswalde und Reichensperger nicht mehr im Hause seien, die für solche Angelegenheiten sachverständig waren. Man müsse sich beeilen, alte Denkmäler, namentlich in Kirchen, mit Hilfe des Meßbild⸗ verfahrens aufzubewahren, ehe sie verfallen. Die dem Professor Meidenbauer, dem Erfinder des Verfahrens, zur Verfügung stehen⸗ den Arbeitskräfte und Mittel reichten nicht aus, um die nächste wichtige Aufgabe der Aufnahme der Photographien schnell genug zu erledigen. Der Minister solle statt der ausgeworfenen 18 000 30 000 dafür bewilligen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Mieine Herren! Ich habe das lebhafteste Interesse für das Meß⸗ bildverfahren. Ich glaube auch, daß das Verfahren unserer Bau⸗ denkmal⸗Verwaltung ein sehr nützliches und werthvolles Material für die Zukunft liefern wird. Die Sache hat aber einen Haken. Es ist wirklich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit zu übersehen, ob nach dem Ausscheiden des jetzigen genialen Erfinders, der die Meßbildanstalt auch leitet, sich Nachfolger finden werden, die mit genügendem Geschick die Kunst in vollem Maße werden weiterführen können. Darauf richte ich mein Augenmerk in erster Linie; und darauf habe ich auch den Herrn Geheimen Rath Meiden⸗

bauer immer hingewiesen, daß die Sicherung tüchtiger Nachfolger

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