1896 / 62 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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erste Voraussetzung ist, bevor man aus der Meßbildanstalt eine ganz dauernde Institution macht. Ich glaube, daß die Voraussetzung nun⸗ mehr gesichert ist, und der Herr Geheime Rath Meidenbauer macht ge⸗ gründete Hoffnung darauf, daß er die Garantien für die Erfüllung jener berechtigten Voraussetzungen gewähren kann. Geschieht das, so bin ich meinerseits gewiß derjenige, der das größte Interesse daran hat, die Mittel für die Sache etwas zu verstärken. Freilich kann ich das nicht selbständig, sondern ich muß mich an die Finanzverwaltung wenden. Wie weit ich da komme, muß ich abwarten. Aber zunächft muß ich jene Voraussetzung und ihre Erfüllung ins Auge fassen; ist diese gegeben, so werde ich nicht ablassen, nach meinen Kräften zu sorgen, daß auch weitere Mittel für das Meßbildverfahren hergegeben werden.

Bei den Ausgaben für die Kunst⸗ und Kunstgewerbe⸗ schule zu Breslau bemängelt

Abg. Szmula (Zentr.) die baulichen Verhältnisse dieser Schule. Man habe eine Akademie errichten wollen, es sei aber bei der Kunst⸗ schule geblieben, die das nicht leisten könne, dessen die Provinz bedürfe. Er bitte den Minister, der Provinz die Mittel zu einem Neubau zu bewilligen. Tas Kapitel „Kunst und Wissenschaft“ wird bewilligt.

Beim Kapitel „Technisches Unterrichtswesen“ giebt

Abg. Dr. Beumer (nl.) seiner Freude über die Errichtung der maschinentechnischen Laboratorien in Berlin, Charlottenburg und Hannover Ausdruck, bedauert aber, daß die industriell wichtigsten

ovinzen, Rheinland und Westfalen, dabei leer ausgegangen seien. uch in Aachen müsse ein solches Laboratorium errxlchte⸗ werden. Er babe vor der riesenbaften esl1ne Her. die größte Hoch⸗ achtung, wünsche aber nicht, daß dieser Wasserkopf auf Kosten der ovinzen gefördert werde. Ebenso nothwendig sei eine Bibliothek

Aachen, für welche schon 25 000 aus Privatmitteln ge⸗ geben seien.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfennig erwidert, daß die Mittel für das Laboratorium in Aachen noch nicht vorhanden waren, daß sie aber hoffentlich aus Ersparnissen an anderer Stelle werden beschafft werden können. Wenn der Vorredner ein Mittel angäbe, um den Wasserkopf Berlin etwas dünner zu machen, so wäre ihm die Regierung sehr dankbar. 1

Abg. Wallbrecht (nl.) wünscht die Errichtung eines Laborato⸗ riums für die Bauingenieure an der Technischen Hochschule in Han⸗ nover und die Gewährung einer besseren Gelegenheit für hydrau⸗ lische Messungen. 1

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfennig spricht die Hoffnung aus, daß mit der Zeit diese Wünsche erfüllt werden können.

Das Kapitel wird bewilligt. 8

Beim Kapitel „Kultus und Unterricht gemein⸗ sam“ beklagt

Absg. Cahensly (Zentr.) das Verhalten der Staatsverwaltung

egenüber der Gemeinde Offenheim beim Kirchenbau, welche den Staatszuschuß wieder habe herausgeben müssen, und schildert die traurigen baulichen Verhältnisse der katholischen Kirche in Höchst, für welche er einen Neubau wünscht; für ebenso nothwendig hält er einen Kirchenbau in der Filialgemeinde von Höchst, in Niederbach.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

So gern ich dem Herrn Abg. Cahensly entgegenkäme, so bin ich

doch in den drei Fällen, die er angeführt hat, ganz außer stande, ihm

eine Zusage zu machen.

Ueber den Fall in Offheim haben wir uns hier bereits sehr aus⸗ giebig unterhalten. Es ist eine Gemeinde von 700 Seelen, die nach dem Gutachten der Techniker mit einem Betrage von 30 000 ℳ, den sie aufzubringen vermochte, eine vollkommen ausreichende Kirche hätte bauen können; sie hat aber eine Kirche gebaut für 42 000 ℳ; sie ist also über das Bedürfniß hinausgegangen. Nun ist es ja möglich, daß die Techniker sich irren; das kann ich nicht wissen. Aber, meine Herren, wir sind jedenfalls auf das Gut⸗ achten der Techniker angewiesen, und ich kann unmöglich einem solchen amtlichen und pflichtmäßig abgegebenen tech⸗ nischen Gutachten gegenüber den Willen oder die Gedanken der Ge⸗ meinde als maßgebend annehmen.

Was den Prozeß in Höchst anlangt, so muß ich sagen, wir können Zahlungen aus rechtlicher Verpflichtung nur da leisten, wo wir von der rechtlichen Verpflichtung auch wirklich überzeugt sind. Wenn wir Zweifel haben, so ist es loval und pflichtmäßig gehandelt, wenn wir diese einfach entscheiden lassen durch die Gerichte, und ich bin nicht in der Lage, auf die Entscheidung der Gerichte einen Einfluß zu üben.

Wenn endlich für die Filialgemeinde bei Höchst das Gnaden⸗ geschenk versagt ist, weil kein Bedürfniß vorliegt, so möchte ich den Herrn Abg. Cahensly darauf aufmerksam machen, daß jedes Gnaden⸗ geschenk, welches wir aus Billigkeitsrücksichten oder wegen des Drängens einer bestimmten Gemeinde geben, einer anderen, vielleicht noch viel bedürftigeren Gemeinde entzogen wird. Wenn ich das nicht will und solche Ungerechtigkeiten zu vermeiden suche, dann muß ich es mit der Prüfung des Bedürfnisses genau nehmen. So liegen einfach die Sachen, meine Herren, und deshalb kann ich in allen diesen drei Fällen dem Herrn Abg. Cahensly beim besten Willen keine Zusage machen, seinen Wunsch zu erfüllen.

Zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen

aller Bekenntnisse sind 5474 300 ausgeworfen. Nach

dem Etatsvermerk ist dieser Fonds dazu bestimmt, das Jahres⸗ einkommen der bereits fünf Jahre im Amt befindlichen Geist⸗ lichen in evangelischen Pfarren auf 2400 und in katho⸗ lischen Pfarren auf 1800 zu erhöhen, sowie ferner Alterszulagen an Pfarrer und Unterstützungen zu ge⸗ währen. Die Abstufung der Alterszulagen soll so er⸗ folgen, daß das ZJahreseinkommen der evangelischen Geistlichen in je fuͤnf Jahren um je 300 bis zum Höchstbetrage von 3600 ℳ, der katholischen Geist⸗ lichen in je fünf Jahren um je 150 bis zum Höchstbetrage von 2400 steigt. Die Dienstzeit als angestellter Lehrer in einem öffentlichen Schulamt, in Preußen ist der Dienstzeit im kirchlichen Amt gleichzuachten. Die von preußischen Geist⸗ lichen in anderen Bundesstaaten zugebrachte Dienstzeit kann angerechnet werden, sofern in den betreffenden Staaten die Reziprozität gesichert ist.

Abg. von Strombeck (Zentr.) u. Gen. beantrage Abs. 1 hinter „zu erhöhen“ einzuschieben: „einschließli

n, im ch der

staatlich anerkannten evangelischen und katholischen Pfarren in

Diaspora⸗Gemeinden“.

Abg. von der Acht (Zentr.) u. Gen. beantragen, die Alterszulagen für die katholischen Geistlichen in je fünf Jahren um je 225 bis zum Höchstbetrage von 2700 steigen zu lassen.

Abg. von Strombeck ist nicht damit einverstanden, daß die außerpreußische Dienstzeit nur angerechnet werden kann, sondern bittet, die Fassung künftig so zu machen, daß sie angerechnet werden muß; denn sonst könne die Zulage mißliebigen Geistlichen vorent⸗ halten werden. Ferner fragt Redner an, ob die Regierung durch

Verhandlungen mit b. 1

herstellen wolle, und begründet des Näheren seinen Antrag, der sich früher nur auf die sogenannten Missionspfarrer bezogen habe und der in der neuen Fassung hoffentlich leichter Zustimmung finden werde.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Es sind drei alte Freunde, die wir jedes Jahr hier bei dieser Etatsposition wieder finden. Der eine Antrag ist durch die Aenderung des Vermerks, welche Sie im Etat finden, erledigt. Allerdings ist der Antragsteller, der Herr Abg. von Strombeck, auch mit dieser Fassung noch nicht ganz zufrieden; er möchte den Vermerk nicht so gefaßt haben, daß die von katholischen Geistlichen in anderen Bundesstaaten zugebrachte Dienstzeit angerechnet werden kann, sondern er wünscht, daß statt dessen der Vermerk lauten möchte: diese Dienst⸗ zeit muß angerechnet werden. Ich erkläre nun ausdrücklich, daß die Regierung beabsichtigt, diese Dienstzeit in den Reziprozitätsfällen schlechthin anzurechnen. Wenn wir die Ausdrucks⸗ weise fakultativ gewählt haben, so beruht das darauf, daß wir nicht in allen Bundesstaaten über die Voraussetzungen der Anrechnung voll⸗ ständig orientiert sind. Wir wissen bis jetzt nur, daß im Groß⸗ herzogthum Sachsen⸗Weimar eine der unserigen entsprechende Dienst⸗ altersscala besteht und also da die Reziprocität vollständig gesichert ist. Wir müssen ein gewisses Ermessen haben, um feststellen zu können, ob die Reziprocität vorhanden ist oder nicht; und dam bedarf es keines „muß“, sondern mit dem „kann“ kommen wir viel weiter, und für die betheiligten Geistlichen entsteht daraus nicht der mindeste Nachtheil. Die Besorgniß, die Herr Abg. von Strombeck aus⸗ gesprochen hat, daß mißliebige Geistliche seitens der Staatsregierung von der Zulage ausgeschlossen würden, weise ich auf das entschiedenste zurück. Ein solcher Fall ist noch nicht vorgekommen und wird auch nicht vorkommen. Ich bitte jedenfalls Herrn Abg. von Strombeck, mir irgend einen Fall zu nennen, in welchem einem angeblich mißliebigen Geistlichen aus diesem Grunde die Zulage versagt worden wäre. Er wird dazu vollständig außer stande sein!

Dann hat Herr von Strombeck den Wunsch ausgesprochen, die Königliche Staatsregierung möchte die Initiative ergreifen, um in den deutschen Bundesstaaten überall diese Reziprozität herbeizuführen, d. h. zu veranlassen, daß in den Bundesflaaten für die katholischen Geist⸗ lichen Dienstalterszulagen nach dem preußischen Muster eingeführt würden. Ich glaube, bei einigermaßen billiger Beurtheilung werden Sie mir zugeben müssen, daß das nicht Sache der Regierung ist, sondern Sache der Herren Bischöfe, die für das Gehalt ihrer Geist⸗ lichen zu sorgen haben. Das haben wir noch nicht gethan, nämlich bei fremden Regierungen vorstellig zu werden, wie sie die Geistlichen in ihrem Lande stellen sollen. Das können wir garnicht; wir würden bei den anderen Bundesregierungen auf die erstauntesten Gesichter stoßen, wenn wir das nur versuchen wollten. Mögen die Herren Bischöfe die Sache in die Hand nehmen! Wir sind ja durch den Vermerk, wie er jetzt gefaßt ist, in der Lage, da, wo Reziprozität gewährt wird, den Geistlichen die Zulage zu gewähren.

Was den zweiten Antrag anlangt, der so oft hier erörtert und abgelehnt worden ist: den Antrag „einschließlich der staatlich anerkannten sogenannten Missionspfarrer“, so hat ihn der Herr Abg. von Strombeck heute geändert. Ich will dazu im voraus bemerken: wir sind diesem Antrag von jeher entgegen gewesen und mußten ihm entgegen sein. Wir können die Zulage nur da gewähren, wo es sich um definitiv angestellte Geistliche, um staatlich genehmigte feste Pfarren handelt. Da, wo es sich um einen Geistlichen handelt, der ad nutum episcopi amovibel ist, gewähren wir diese Zulage nicht. Wir würden, wenn wir auf die Wünsche, die hier von seiten des Zentrums geäußert sind, eingehen wollten, genöthigt sein, in evangelischen Ver⸗ hältnissen unseren Hilfsgeistlichen ebenfalls diese Zulage zu geben. Damit würden wir in eine ganz uferlose Bewilligung hineingerathen. Das ist unmöglich auf evangelischer Seite und ebenso unmöglich bei denjenigen sogenannten Pfarren, die keine Pfarren sind, weil sie keine Kongrua und keine feste Dotation haben, und weil die Inhaber dieser Pfarren ad nutum des Herrn Bischofs amovibel sind.

Nun hat freilich Herr von Strombeck heute die Fassung seines Antrags geändert; er will nicht mehr sagen „einschließlich der staatlich anerkannten sogenannten Missionspfarrer“, sondern er will sagen „einschließlich der staatlich anerkannten evangelischen und katholischen Pfarrer in den Diasporagemeinden.“ Das hat manches für sich insofern, als der, wie mir scheint, nicht sehr glückliche Aus⸗ druck „Missionspfarrer“ vermieden wird. Aber, meine Herren, in dieser Fassung ist der Antrag absolut überflüssig; denn der Antrag spricht jetzt nur von „Pfarrern“. Wo aber eine staatlich genehmigte Pfarre besteht, muß sie fest dotiert werden, und dort bekommen die Inhaber unter allen Umständen die Alterszulagen. Also in dieser Fassung ist der Antrag völlig überflüssig. Ich bitte Sie deshalb, ihn abzulehnen.

Abg. Graf Strachwitz begründet den Antrag von der Acht und sucht eingehend darzulegen, daß es unbegründet sei, in der Gehalts⸗ frage einen Unterschied zwischen katholischen und evangelischen Geist⸗ lichen zu machen. Redner beschwert sich ferner darüber, daß eine Reihe eingezogener Stiftungsfonds nicht mehr für ihre ursprünglichen Zwecke verwendet wer de.

Geheimer Regierungs⸗Rath Schwarzkopf sührt gegen den Antrag aus, daß die Bedürfnisse der evangelischen Geistlichen höhere seien als die der katholischen Geistlichen; die ersteren hätten für ihre Familie, namentlich für die Erziehung der Söhne große Aufwendungen und außerdem 4 bis 6 % ihres Einkommens an den Reliktenfonds abzuführen. Sobald die Finanzlage es gestatte, wolle die Regierung mehr für die katholischen Geistlichen thun, aber nur pari passu mit den evangelischen Geistlichen. Zunächst müsse aber der Staat für seine eigenen Beamten sorgen, ehe er die Geistlichen bedenken könne.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.) erklärt sich gegen den Antrag von der Acht und meint, daß durch die Fassung des Vermerks die Parität in richtiger Weise gewahrt sei. Wenn die Finanzlage es erlaube, könne auch die Lage der katholischen Geistlichen verbessert werden. Der Antrag von Strombeck sei auch abzulehnen nach den Erklärungen des Ministers; denn es würde danach doch alles bleiben, wie es ist.

Abg. von Strombeck bemerkt, daß er gerade auf Anregung von Konservativen die frühere Fassung seines Antrags beseitigt babe, weil man an dem Ausdruck „Missionspfarrer“ Anstoß nahm; er habe für die neue Fassung auf die Unterstüzung der Konservativen gehofft, sehe sich aber getäuscht. Es gebe eine Reichsgerechtigkeit und eine preußische Gerechtigkeit; die katholischen Militärgeistlichen ständen den evangelischen Militärgeistlichen gleich, die preußischen Geistlichen würden verschieden behandelt. Redner spricht sich für den Antrag von

der Acht aus. Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Das kann ich nicht unwidersprochen lassen, wenn

der Herr Abg. von Strombeck meint, alle Einwendungen, die wir

Staaten die Reziprozität

gegen seinen Antrag erhoben hätten, seien durch und durch unbegründet. Ich halte meine Einwendungen durch die Bank für begründet.

Meine Herren, ich betrachte den Kulturkampf in der That alz beigelegt; aber ich sehe es als ganz unmöglich an, auf den Antrag des Herrn von Strombeck einzugehen, der meint, es entspräche der Binig. keit, daß wir jedem Geistlichen, welcher während des Kulturkampfs in einem nichtpreußischen Staate angestellt gewesen ist, diese bei den Dienstalterszulagen anrechnen. Wir würden da in Ermitte⸗ lungen hineinkommen, die für den Geistlichen und für die Regierung in gleichem Maße unangenehm sein würden, und die doch zu keinem festen Resultat führen könnten. Der Herr Abg. von Strombeck hat ganz das richtige Gefühl, wenn er sagt: „Rechtlich läßt sich das nicht begründen.“

Außerdem erkennen wir als Pfarrei nur eine Stelle an, die eine feste Dotation hat. Nun sagt freilich der Herr Abg. von Strom. beck: da könnte ja der Herr Kultus⸗Minister eines Tages auf den Gedanken kommen, nicht 1500 als Minimum der festen Dotation zu fordern, sondern 3000 oder 6000 Meine Herren, Sie müssen nun auch der Staatsregierung nichts Unvernünftiges zutrauen. Das thut die Staatsregierung nicht; so unverständig sind wir nicht. Daß wir das nicht sind, können Sie sehen, wenn Sie die Güte haben wollen, Kap. 116 nachzuschlagen. Da finden Sie unter den Bemerkungen, daß wir Zuschüsse geben zur Besoldung von Pfarrern. Diese Zuschüsse giebt der Staat, um die Kongrua zu erfüllen, Herr von Strombeck. Dieses Festhalten an einer bestimmten Dotation als unerläßlichen Voraussetzung für die Anerkennung einer Stelle als Pfarrstelle ist nicht ein Zeichen von Mißwollen, don Uebelwollen und von unverständigen Ansprüchen, die wir machen. Ja, auch die Kirche, die Herren Bischöfe erkennen als Pfarre nur diejenige Stelle an, die genügend dotiert ist, die den titulus mensae hat, und darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Also können wir, wie ich schon sagte, eine uferlose Bewilligung an noch nicht festangestellte Leute, bei Ihnen an die ad nutum episcopi Versetzbaren, bei uns an die Hilfsgeistlichen, die ebenfalls noch keine feste Anstellung haben, nicht eintreten lassen. Das würde zu einem finanziellen Bedürfniß führen, das von vornherein nicht se übersehen ist, und deshalb lehnen wir das ab.

Abg. Dasbach (Zentr.) führt aus: die Kirche würde gern seln für ihre Geistlichen sorgen, aber durch die Säkularisation sei vil Kirchenvermögen in Staatsverwaltung übergegangen. Nach den persönlichen Bedürfnissen dürften die Gehälter nicht bemessen werden, fonst müßten vermögende Beamte weniger bekommen als anderr. Redner wünscht die Grundsätze kennen zu lernen, nach welchen die Regierung bei der Emeritierung der katbolischen und evangelischen Gelftlichen verfahre und nach welchen sie eine Pfarre für eine feste und dauernde ansehe.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich beschränke mich auf Folgendes. Ich kann die Grundsätze, nach welchen die Pfarrstellen erigiert werden, nicht veröffentlichen. Ich brauche sie auch nicht zu veröffentlichen, weil sie im Allgemeinen Landrecht stehen. Die Verhandlungen zwischen den Betheiligten be⸗ ziehungsweise den Bischöfen einerseits und der Regierung respektivbe dem Kultus⸗Minister andererseits führen auch zu keinen Schwierig⸗ keiten. Dieselben Konnivenzen, die wir den evangelischen Kirchen⸗ behörden gegenüber zugestehen, bethätigen wir auch auf kathollschem Gebiete, wie der Etat deutlich ergiebt. Aber eine besondere Erklärung über die Grundsätze zu veröffentlichen, die im Landrecht seit beinahe 100 Jahren veröffentlicht sind, dazu fühle ich mich durchaus nicht ver⸗ anlaßt.

Was die Frage anlangt, auf wie viel Jahre eine Leistung zu Gunsten einer Kirchengemeinde für eine geistliche Stelle bewilligt sein muß, um von uns als eine dauernde und für die Erektion einer Pfarrstelle genügende angesehen zu werden, so läßt sich das nur nach dem konkreten Fall und unter Würdigung aller besonderen Umstände, die dabei in Betracht kommen, entscheiden. Ich kann darüber wirklich keine allgemeinen Grundsätze aussprechen.

Unter Ablehnung der Zentrumsanträge wird die Position mit dem Vermerk unverändert bewilligt. u dem Zuschuß zu dem Pfarrwittwen⸗ und Waisenfonds bemerkt

Abg. Dr. Sattler (nl.), daß bei der Ausdehnung dieses Fond⸗ auf Hannover am 1. April 1895 die vor diesem Termin vorhanden ge⸗ wesenen Wittwen und Waisen nicht berücksichtigt, sondern auf ältere Kassen angewiesen worden seien. Das Landes⸗Konsistorium habe sich des hald schon an das Ministerium gewandt, aber noch keine Antwort erhalten, und man wundere sich über diese Langsamkeit.

Geheimer Regierungs⸗Rath Schwarzkopf erwidert, daß das Landes⸗Konsistorium zu einem technischen Gutachten in dieser Sache aufgefordert sei. Die Angelegenheit liege also jetzt beim Konsistorium.

Das Kapitel wird bewilligt.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung auf Mittwoch

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Nr. 10 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“ berausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 6. März, dat folgenden Inhalt: 1) Versicherungswesen: Bekanntmachung, betreffen die Anmeldung unfallversicherungspflichtiger Betriebe der große Heringsfischerei, vom 28. Februar 1896. 2) Zoll⸗ und Steuer wesen: Zulassung des Umtausches von versteuertem beschädigten gegm unversteuerten Zucker. 3) Konsulat⸗Wesen: Ernennungen; Er⸗ mächtigung zur Vornahme von Zivilstandsakten; Entlassung. 4) Marine und Schiffahrt: Erscheinen der Amtlichen Liste der Schiffe der deutschen Kriegs⸗ und Handelsmarine für 1896. 5) Polizei⸗ wesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Nr. 10 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“ herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 7. März hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienst⸗Nachrichten. Nichtamtliches: Die Thätigkeit unserer Feld⸗Eisenbahnen⸗Abthei⸗ lungen im Kriege 1870/71. (Schluß.) Das neue Gymnasium in Erfurt. Der Wettbewerb um die Bebauung des Platzes am Wasserthurm in Mannheim. Wettbewerb für die Rhein⸗Straßen⸗ brücke bei Worms. VI. (Fortsetzung.) Vermischtes: Bismarck⸗ Denkmal am Starnberger See. Schinkelpreisbewerbung des Berliner Architekten⸗Vereins. Wettbewerb zum Bau einer katho⸗ lischen Kirche in Frankfurt a. M. Preisbewerbung für Pläne zu einem Kurhause in Westerland a. Sylt. Wettbewerb für Ent⸗ würfe zu einem Plakat für die Ausstellung in Leipzig 1897. Wettbewerb um eine Turnhalle in Schneeberg i. S. bewerbung für den Neubau des Deutschen Kasinos in Prag. Wahl von Mitgliedern für die Akademie der Künste in Berlin. Ehren⸗ bezeigung. Abschiedsfeier für den Direktor der Reichsdruckerei, Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Karl Busse in Berlin. Sparsam⸗ keit bei den Staatsbauten im Königreich Sachsen. Kriegt⸗ erinnerungsfeier der Eisenbahntruppe von 1870/71.

Zweite Beilage s⸗Anzeiger und Königlich Preußisch

Berlin, Mittwoch, den 11. März

8 Statistik und Volkswirthschaft.

Die Ziele der europäischen Auswanderung. Nachdem in Nr. 52 des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ deutsche Auswanderungsfrage an der Hand der in Heft XVII der Statistik des hamburgischen Staats“ veröffentlichten Arbeit „Die Auswanderung über Hamburg in den Jahren 1887 bis 1894 nebst Beiträgen zur deutschen und internationalen Wanderung“ von Dr. W. Beukemann kurz besprochen worden ist, sollen in Nachstehendem die Auswanderungsziele, d. h. die Einwanderungsverhältnisse in den für die europäische beziehungsweise deutsche Aus⸗ wanderung hauptsächlich in Betracht kommenden über⸗ seeischen Gebiete noch etwas näher beleuchtet werden. Es gscheint das namentlich deshalb gerechtfertigt, weil bei aller Be⸗ deutung, welche die heimathlichen Verhältnisse für das Aus⸗ wandern haben, doch immer die im Einwanderungslande gebotenen Aussichten auf das Maß der Wanderungen den wesentlichsten Einfluß msüben und schließlich auch die Frage der Uebervölkerungsgefahr in Furopa davon abhängt, in welchem Maße und wie lange die Ein⸗ wanderungsländer sich hinreichend aufnahmefähig für den europäischen Zwölkerungsüberschuß erweisen. Wir folgen dabei wiederum der

dden genannten statistischen Arbeit Dr. Beukemann'’s.

Zunächst scheidet der Verfasser die asiatischen Länder ganz von den in Betracht kommenden Einwanderungsgebieten aus. Zwar herrsche

M den verschiedenen Kolonien in Asien und deren Mutterland in ein ausgedehnter Güter⸗ und Personenverkehr, erstere aber lägen z nopischem Klima und bereiteten schon dadurch einer eigentlichen Emwanderung von Europa aus ein großes Hinderniß. Japan, Fbina und Indien zeigten selbst eine hohe Volkszahl, Volksdichte ud Mehrauswanderung, sodaß es nur einer Steigerung der Lebens⸗ mfprüche in diesen Ländern bedürfe, um ihre Bevölkerung ungleich sürker als jezt über die Grenzen zu drängen. Von den für Europäer siedelun 21 Asiens, Südsibirien und Kleinasien, öre ersteres Rußland und werde muthmaßlich auch nur von diesem aus besiedelt werden, während in Kleinasien die bestehende türkische Herrschaft einer wirklichen Einwanderung wenig Raum gäbe.

Ganz überwiegend kam bis jetzt Amerika als Auswanderungsziel für den europäischen Bevölkerungsüberschuß in Betracht, und zwar in erster Linie wegen der Einwanderungsverhältnisse in den Vereinigten Staaten.

Die Einwandererstatistik in den Vereinigten Staaten reicht in ununterbrochener Folge bis zum 1. Oktober 1819 zurück. Von diesem Tage bis zum 31. Dezember 1894 sind im Ganzen 17 756 000 Ein⸗ wanderer gezählt worden. Aus den vorliegenden Zahlen theilen wir zur Kennzeichnung der Bewegungen in der Gesammteinwanderung felgende mit. Es betrug die Einwanderung in dem Jahrfünft

1819,24: 38 689, 1865/69: 1 547 767, 1835/39: 307 939, 1870/74: 1 824 350, 1845/49: 1 027 306, 1875/779: 882 945, 1850/54: 1 917 527, 1880/84: 3 075 759, 1855/59: 884 796, 1885/89: 2 199 135, 1860/64: 696 687, 1890/94: 2 632 000.

An der Gesammteinwanderung war allein in der Zeit von 1861 zis 1893 Europa mit 10 864 990 von im Ganzen 12 224 928 Ein⸗ wanderern betheiligt. In dem Verhältniß des Antheils der ver⸗ schiedenen europäischen Länder an der Einwanderung in die Vereinigten Staaten haben im Laufe der letzten Jahrzehnte sehr bedeutende Ver⸗ schiebungen stattgefunden. Während bis in die sechziger Jahre Groß⸗ britannien mit Irland und Deutschland beinabe das ganze Einwandererpersonal stellten, Frankreich, die Schweiz und Skandinavien dagegen sehr zurücktraten und Italien sowie die slavischen Länder fast ganz fehlten, ist in neuerer Zeit der Antheil Oesterreich⸗Ungarns, Rußlands, Skandinaviens und Italiens sehr bedeutend gestiegen. Folgende Zahlen⸗ übersicht möge dies veranschaulichen. An der Einwanderung in die Vereinigten Staaten waren im Durchschnitt jährlich betbeiligt

1861/69 1870/79 1880/89 1890/93 Großbritannien und Irland 106 209 149 346 114 054 Deutsches Rei I1“ 146 403 107 011 vm1“ 8 278 6 292 ee 4 968 5 955 Skandinavische Staat . 12 030 67 642 60 690 Oesterreich⸗Ungarn.. 511 33 334 67 410 weö“]; 429 23 078 72 101 ö15 27 675 66 067 Spanien und Portugal 8 916 623 3 258 Fanz Europa . . . . . . 210 200 219 347 470 609 518 412

Deutlich tritt die Erscheinung hervor, daß die Auswanderung aus Ländern mit niederer Lebenshaltung der unteren Klassen zuch in den Vereinigten Staaten, als Auswanderungsziel, der Aus⸗ wanderung aus den Ländern mit höherem Stande der Lebens⸗ haltung eine nicht unerhebliche Konkurrenz zu machen beginnt. Es it dabei von Interesse zu beobachten, daß sowohl die italienische wie die ungarische Statistik festzustellen in der Lage ist, daß zahl⸗ reiche Ausgewanderte als Einzelreisende in die Heimatb zurück⸗ kehren, um daselbst mit den erzielten Ersparnissen meistens einen kleinen Landbesitz zu erwerben und zu bewirthschaften. Etwas Aehnliches ist als bemerkenswerthe Erscheinung in Deutschland u. W. nicht registriert worden. Was die zukünstige Entwicklung der europäischen Ein⸗ wanderung in die Vereinigken Staaten so weist Dr.

kemann in erster Linie auf die Erschwekungen hin, welche die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten neuerdings der Einwanderung in den Weg legt, und zwar, wie er bemerkt, im Einklang mit den Forderungen der Arbeiterklasse, der Gemeindeverwaltungen und der öffentlicen Meinung, wenn es auch einzelnen Gelehrten und Politikern kaum zweifelhaft erschienen sei, „daß vom öffentlich⸗rrechtlichen und bölkerrechtlichen Standpunkt sowie

dem Inhalt und Sinn der internationalen Verträge dagegen schwere Bedenken abzuleiten seien.“ Trotz dieser Einwanderungspolitik werde sich aber doch, dank der besseren Lebens⸗ daltung und sozialen Lage der nordamerikanischen Arbeiterklassen und dank der sehr entwickelten verwandschaftlichen Beziehungen zwischen diesseits und jenseits des Ozeans, noch Jahre lang, vielleicht einige Jahrzehnte hindurch, ein ziemlich starker Auswandererstrom nach Nord⸗Amerika ergießen. Dabei sei allerdings zu erwarten, daß die Länder mit niederer Lebenshaltung immer stärker in den Vordergrund treten würden. Für Irland mache seine außerordentliche Bevölkerungs⸗ abnahme bei mäßiger natürlicher Volksvermehrung eine erhebliche Aus⸗ wanderung kaum noch möglich. 8

Richt unerheblich, wenn auch bisher in sehr großem Abstande von den Vereinigten Staaten, kommt für die europäische Auswanderung sodann Canada als Einwanderungsgebiet in Betracht. Nach den Volkszählungen von 1881 und 1891 lebten in Canada 478 235 bezw. 490 252 in sonstigen britischen Besitzungen Geborene, 77 753 bezw. 80 919 in den Vereinigten Staaten, 25 328 bezw. 27 752 in Deutsch⸗ land, 6376 bezw. 9917 in Rußland, 4389 bezw. 5381 in Frankreich,

bezw. 9129 in China, 2076 bezw. 7827 in Skandinavien,

2 bezw. 2964 in Spanien, Portugal und Italien, 9786 beiw. 13 225 in andern Ländern Geborene. Bemerkens⸗ werth ist die geringe Einwanderung aus Frankreich, obwohl das alt⸗ französische Element, wenigstens der Sprache nach, sich verhãltniß⸗ wüsch stark erhalten hat. Im Jahre 1891 wurden 1 404 974 fran⸗ jüsisch sprechende Personen gezählt, d. i. 29 % der Gesammtbevölkerung;

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in Quebec allein stieg die Verhältnißzahl sogar auf 79 %. Der Staat steht in Canada der Einwanderung freundlich gegenüber; besiedelungsfähiges Land ist noch genügend vorhanden, und Dr. Beuke⸗ mann glaubt deshalb, daß in der nächsten Zukunft die europäische Auswanderung dorthin an Bedeutung gewinnen werde.

Für Mexiko und Chile fehlen einigermaßen zuverlässige An⸗ gaben über die Einwanderung. Bislang war diese nicht erheblich, obwohl die natürlichen Verhältnisse wohl dazu angethan wären, während die Länder mit tropischem Klima für die europäische Ein⸗ wanderung wenig in Betracht kommen dürften.

Eine recht erhebliche Rolle als Einwanderungsland spielt dagegen Brasilien. Es sind hier eingewandert unter Anderen:

1 1870 1880 1890 1891 1892 Portugiesen 6 110 8666 25 177 34 334 17 797 11ö1ö—e-—““] 9 404 30 519 183 738 54 993 Spanier .364 1 254 12 008 25 403 10 468 Pestthh . 306 2385 4812 6779 802 Oesterreich⸗Ungarn.. 292 2 246 4 166 574 ———23252525 45 Nord⸗Amerikaner 171

Als der Nationalität nach unbekannt werden 1890 29 186 und 1891 20 595 Einwanderer aufgeführt, deren Zahlen sich etwa mit denen der gleichzeitig über deutsche Häfen beförderten russisch⸗polnischen Emigranten decken. Das Land bietet noch weiten Spielraum, die Regierung begünstigt die Einwanderung; ob aber die Verhältnisse des Landes gerade für die deutsche Auswanderung sich in besonders an⸗ nehmbarer Weise entwickeln werden, scheint schwer zu beantworten.

Auch in Argentinien herrscht das italienische Element stark unter den Einwanderern vor. In der Zeit von 1857 bis 1893 sind eingewandert 855 293 Italiener, 246 405 Spanier, 143 678 Franzosen, 30 796 Engländer, 24 411 Oesterreicher, 21 864 Schweizer, 21 506 Deutsche, 17 693 Belgier, 45 411 aus anderen Nationalitäten ein⸗ schließlich vieler russischen Juden seit 1889. Auch in Uruguay ist die italienische Einwanderung vorherrschend.

Ueber die Einwanderungsverhältnisse Afrikas giebt die Beuke⸗ mann'’sche Arbeit, wie natürlich, neue thatsächlich begründete Gesichts⸗ punkte nicht.

Die Einwanderung nach Anstralien kommt von Anfang an bis in die letzte Zeit aus Großbritannien und Irland. In großem Ab⸗ stand folgen die deutschen Einwanderer, dann die Chinesen. Die Möglichkeit einer erheblichen Zunahme der Einwanderung auch aus dem übrigen Europa ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.

„Zunm Schluß giebt Dr. Beukemann eine interessante Uebersicht über das Wachsthum der Bevölkerung in den Einwande⸗ rungsländern in den Jahrzehnten 1870/80 und 1880/90. In Prozenten ausgedrückt, betrug in den genannten Zeiträumen die Be⸗ völkerungszunahme in Britisch⸗Nord⸗Amerika 16,9 (1870/80) und 17,0 (1880/90); in den Vereinigten Staaten 29,6 und 24,8; in Mexiko 12,7 und 9,1; in Brasilien 16,4 und 16,1; in Argentinien 56,7 und 38,2; in Uruguay 9,6 und 66,8; in Chile 20,0 und 27,7; im übrigen Amerika 17,6 und 14,6; in Australien 48,0 und 33,4; in Kapland 37,9 und 95,6; in Natal 88,7 und 47,3; in Basutoland 120,0 un 65,8; in Transvaal 28,3 und 26,6.

Noch stehen, wie Dr. Beukemann sagt, die Eingangspforten der Einwanderungsländer allerdings mit einer Einschränkung für Nord⸗Amerika weit offen, zahlreiche Plätze sind noch t. Wann alles besetzt sein wird und von wem, wer möchte das sicher beantworten? Jedenfalls sind der Ernst der deutschen Auswanderungs⸗ frage und die Schwierigkeiten, welche ihrer Behandlung erwachsen, durch die besprochene Arbeit sehr lehrreich beleuchtet worden. 3

b Stettins Seehandel im Jahre 1895. G Nach den aen. Listen betrug der Waareneingang Stettins zur See im Jahre 1895 1 820 677 t gegen 1 709 071 t in 1894 neben unbedeutenden Mengen, die nach der Stückzahl an⸗ gegeben werden. Aus dem deutschen Zollgebiet kamen 296 089 t, aus dem Hamburgischen Freihafengebiet 11 354 t, zusammen aus deutschen fen 307 443,9 t (1894 nach der „Ostsee⸗Ztg.“ 314 741 t), aus Belgien 18 293,9 (1894 34 145) t., aus Dänemark 37 001 (1894 24 571) t, aus Frankreich 25 515 (1894 36 675) t, aus Großbritannien 625 834,9 (1894 498 734) t, aus den Niederlanden 17 595 (1894 27 687) t, aus Norwegen 32 300 (1894 25 938) t, Portugal 19 257 (1894 21 787) t, Rußland 157 458 (1894 116 758) t. Schweden 364 454 (1894 350 274) t, Spanien 64 565,9 (1894 50 877) t, aus den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika 140 755 (1894 185 195) t ꝛc. Der Waaren⸗Ausgang Stettins zur See betrug 1895 610 350 t gegen 660 530 t in 1894, abgesehen von den wenigen nach Stückzahl angegebenen Waaren. Nach dem deutschen Zollgebiet gingen 180 586 t, nach dem Hamburgischen Freihafengebiet 5251 t, zusammen nach deutschen Hafen 185 837 (1894 188 463) t, nach Dänemark 50 448 (1894 47 184) t, Frankreich 8565 (1894 16 030) t, Großbritannien 179 747 (1894 175 256) t, nach den Niederlanden 14 411 (1894 31 034) t, Norwegen 23 894 (1894 19877) t, Rußland 59 396 (1894 63 419) t, Schweden 57 354 (1894 83 197) t, nach den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika 26 072 (1894 30 100) t.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Oldenburg berichtet die „Wes.⸗Ztg.“ nach dem „Gen.⸗Anz.“ über einen bevorstehenden Arbeiterausstand: Außer den Maurer⸗ gesellen beabsichtigen auch die Bauarbeiter und die Zimmergesellen in den Ausstand einzutreten. Die Maurergesellen sollen, nachdem sie erfahren haben, daß von den Meistern ihre Forderung nicht bewilligt werde, den Ausstand bereits endgültig beschlossen haben. Bei ver⸗ schiedenen Meistern haben die Gehilfen bereits zum 1. April gekündigt.

In Berlin fand am Montag eine sehr zahlreich besuchte Ver⸗ sammlung von Tischlermeistern statt, in welcher über die Folgen der den Gehilfen gewährten Forderungen verhandelt wurde. Es ge⸗ langten folgende Resolutionen zur Annahme: Die VeLesg der Berliner Tischlermeister beschließt, da durch die Bewilligung der Forderung der Gesellen, sowie durch die Erhöhung der Löhne der Fräser, Bildhauer, Drechsler, Polierer, durch die Steigerung der Preise der Materialien und durch den Ausfall, veranlaßt durch die verkürzte Arbeitszeit, eine Erhöhung der Preise ihrer Fabrikate bedingt wird, eine Erhöhung von 10 bis 15 v. H. eintreten zu lassen. Die Versammelten ersuchen die Baumeister sowie die Bauberren und das Privatpublikum, direkt beim Tischler⸗ meister ihren Bedarf zu decken. Die Versammlung macht es den Gehilfen zur Pflicht, dahin zu wirken, daß auch die Arbeitszeit außerhalb, namentlich in den Vororten Berlins, verkürzt werde, sowie auch, daß die Löhne erhöht werden, um Berlin konkurrenzfähig zu erhalten. Nur dann können die hiesigen Meister ihr gegebenes Ver⸗ sprechen den Gesellen gegenüber halten.

Aus Prag wird der „Voss. Ztg.“ berichtet: Die Schneider⸗ und Schuhmachergehilfen kündigten den Ausstand an, falls eine Lohnerhöhung nicht bewilligt wird. 2

Aus Bern meldet „W. T. B.“: In einer gestern Abend abge⸗ haltenen Sitzung des Zentralcomités der Eisenbahn⸗Angestellten wurden nicht alle Theile einer mit der Direktion der Jura⸗Simplon⸗ Bahn erzielten Verständigung gutgeheißen. Die Zugeständnisse der Direktion genügen den Angestellten nicht; es sollen vielmehr noch

den Verke

weitgehende Differenzen bestehen. Die Verhandlungen sollten heute Morgen fortgesetzt werden, wobei die Delegationen der einzelnen Be⸗ triebszweige der Direktion ibre Wünsche verlegen werden. Sollte sich bis Donnerstag Mittag eine endgültige Verständigung nicht Bielhn lassen, so ist der Ausstand für Donnerstag Mitternacht be⸗ ossen sser

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks

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an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 10. d. M. gestellt 11 818, nicht rechtzeiti gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 9. d. M. gestellt 5067, nicht recht⸗ jeitig gestellt keine Wagen.

Gestern Vormittag trat hier im Saal des Hotel „Kaiserhof“ der Deutsche Handelstag zu seiner 22. Plenarversamm⸗ lung zusammen. Der Präsident des Deutschen Handelstags, Geheime Kommerzien⸗Rath Frentzel (Berlin), begrüßte, nachdem ein begeistertes Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König verklungen war, den anwesenden Staatssekretär des Reichsamts des Innern und Vize⸗Präsidenten des Staats⸗ Ministeriums, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, der alsdann zu einer längeren Ansprache das Wort nahm. Der Staatssekretär gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß der deutsche Handelsstand und die Vertreter der deutschen Industrie die Bemühungen der Reichsregierung, allen deutschen Wirthschaftsgebieten die größtmögliche Förderung angedeihen zu lassen, unterstützen würden. Alsdann wandte sich der⸗ selbe einer Besprechung der Gegenstände der Tagesordnung zu und bemerkte zu der dem Handelstage vorliegenden Resolution, er empfinde es als eine Genugthuung, daß dem Gedanken Ausdruck gegeben werden solle, daß der deutsche Handelstag uneingeschränkt alle gesetzlichen Vorschriften billige, welche nothwendig und geeignet seien, vorhandene Auswüchse des Verkehrslebens zu beseitigen. Einer Politik, deren oberster Grundsatz es sei, der wirthschaftlichen Entwicklung freie Bahn zu schaffen, könne es niemals beikommen, dem Handel und Verkehr Beschränkungen aufzuerlegen. Wenn der Handelstag daher gegen die deutsche Reichsregierung ein Mißtrauen ausspreche, so habe die Regie⸗ rung das nicht verdient. Dagegen sei die Regierung dankbar, wenn der Handelstag an den Gesetzentwürfen Kritikübe. Die Regierung werde daraus entnehmen, daß die Gesetzentwürfe noch der Korrektur bedürfen; und er bemerke, daß die Regierung gern den Rath des Handelstages hören und prüfen werde. Der Präsident des Handelstages sprach dem Staatssekretär Dank für seine Begrüßungsworte aus, die in dem gesammten deutschen Handelsstande ein freudiges Gefühl erwecken würden. Der deutsche Handelsstand habe die Ueberzeugung, daß die deutsche Reichsregierung von dem besten Willen beseelt sei, allen Erwerbsständen gleichmäßig zu helfen. Nach der Erledigung der Formalien wurde alsdann in die Tagesordnung eingetreten, deren Hauptgegenstände das Margarine⸗Gesetz, das Gesetz über den Verkehr mit Handelsdünger, Kraftfuttermitteln und Saatgut und der Gesetzentwurf über die Reform der Börsen bildeten. Der Präsident des Handels⸗

gs, Geheimer Kommerzien⸗Rath Frentzel beantragte die Annahme

tags folgender Resolution: „Die in den letzten Jahren hervortretenden Bestrebungen, Handel und Industrie in ihrer freien Bewegung und in der Verfolgung ihrer berechtigten Interessen einzuengen und zu behindern, haben in den vorliegenden Entwürfen eines sogenannten Margarinegesetzes, eines Börsengesetzes und eines Gesetzes, betreffend ehr mit Handelsdünger, Kraftfuttermitteln und Saatgut, eradezu einen grundsätzlichen Ausdruck gefunden und erhalten durch viele nträge der Reichstags⸗Kommissionen, welche zur Berathung der beiden erstgenannten Gesetzentwürfe eingesetzt worden sind, eine so unzuläs Uebertreibung, daß eine Verfolgung der hiermit eingeschlagenen Bahn nur zu schweren Niederlagen unseres wirthschaftlichen Lebens und zu empfindlichen Schädigungen des materiellen Wohlbefindens des ganzen Volks führen kann. Der Deutsche Handelstag billigt un⸗ eingeschränkt alle gesetzlichen Vorschriften, welche nothwendig und geeignet sind, vorhandene Auswüchse des Verkehrslebens zu beseitigen, er legt aber entschieden Verwahrung ein gegen Maßnahmen, we che nur zur Folge haben können, daß große und wichtige Berufsstände in der allgemeinen Achtung bvernbeses werden, daß die einzelnen Mit⸗ glieder dieser Berufsstände in der Verfolgung ihrer berechtigten Inter⸗ essen gehindert werden, und daß unter diesen Erschwerungen des Erwerbslebens der Einzelne und mit ihm die Gesammtheit unbe- rechenbaren Schaden leidet.’ Die Beschlußfassung hierüber wurde vorläufig ausgesetzt und den Sppezial⸗Referenten zur Be⸗ gründung ihrer besonderen Anträge das Wort ertheilt. Ueber den Gesetzentwurf, betreffend die Börsenreform, berichtete Stadtrath Kaempf (Berlin) und ersuchte schließlich, folgen⸗ dem Antrage zuzustimmen: „Der Handelstag weist eine Gesetz⸗ gebung zurück, welche in die Freiheit des Verkehrs eingreift, zur Bevormundung des Publikums führt, die bisher selbständige Thätig⸗ keit der Handelsvertretungen in der Verwaltung der Börsenangelegen⸗ heiten zu einer untergeordneten herabdrückt, sowie in ihren einzelnen Bestimmungen auf das Selbstgefühl des Handelsstandes kränkend und beleidigend einwirkt.’ Hierzu nahm der Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Wermuth, welcher, nachdem sich der Staatssekretär Dr. von Boetticher verabschiedet hatte, als Vertreter der Reichsregierung den Verhandlungen beiwohnte, das Wort mit der er sei selbstverständlich bei dem augenblicklichen Stande der Dinge nicht in der Lage, zu dem Pebrnee selbst Stellung zu nehmen, doch wolle er gleich seinem Herrn Chef ersuchen, die Versicherung zu genehmigen, 87 der undesrath irgend eine Kränkung oder Schädigung des deutschen Handelsstandes in keiner Weise beabsichtigt habe. Aus diesem Grunde erlaube er sich, gegen die Fassung der letzten Resolution einen schwachen Protest einzulegen. er Börsengesetzentwurf sei auf Grund einer umfangreichen Erhebung und Arbeit zu stande ge⸗ kommen und lediglich eingebracht worden, um Auswüchse im Börsen⸗ wesen zu beseitigen. Daß solche vorhanden seien, werde doch von niemandem geleugnet. Er halte es für besser, daß der deutsche Handelsstand an dem Zustandekommen des Gesetzes mitarbeite, als daß er sich schmollend zurückziehe, weil er in demselben eine Beleidigung sehe, die jedenfalls vom Bundesrath niemals beabsichtigt worden sei. Schließlich gelangten alle Anträge einstimmig zur Annahme.

Das Kuratorium der Preußischen Hypotheken⸗Actien⸗ Bank hat nach dem Antrage der Direktion beschlossen, die ordentliche Generalversammlung auf den 18. April einzuberufen und dieser die Vertheilung einer Hividende von 6 ½ % (wie im Vorjahre) vor⸗ zuschlagen.

Der Aufsichtsrath der Eisengießerei Aktiengesell⸗ schaft vormals Keyling u. Thomas hat auf Vorschlag der Direktion beschlossen, I das vergangene Jahr eine Dividende von 5 % (1894 4 %) zur Vertheilung zu bringen und die Generalversamm-⸗ lung auf den 30. März d. J. einzuberufen. Der Kla hat sich im vergangenen Jahre gegenüber dem Vorjahr um etwa 15 % gehoben; die hat im laufenden Geschäftsjahre weitere Fortschritte zemacht.

In der gestrigen Aufsichtsraths⸗Sitzung der Union Elek⸗ trizitaks⸗Gesellschaft wurden die Bilanz und die Gewinn⸗ und Verlustrechnung für das verflossene Geschäftsjahr vorgelegt. Der auf den 8. April einberufenen Generalversammlung der Aktionäre soll die