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auf das Wort und behält sich vor, bei der zweiten
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land die größten Ziffern für Pockentodesfälle zeigen, und daß auch andere Länder, wie Italien, England, Oesterreich, die Balkanländer weit hinter uns zurückstehen.
Wenn man nun die interessante Thatsache aus allen diesen
statistischen Aufnahmen sich ergeben sieht, daß ein kolossaler Um⸗
schwung in Bezug auf die Pockenerkrankungen und Pockentodesfälle seit 1874 bei uns eingetreten ist, so bedeutend, daß man sagen kann: die Erkrankungen und Todesfälle an Pocken sind auf ein Minimum seit jener Zeit reduziert, — dann frage ich: wer will die Ver⸗
antwortung übernehmen, jetzt ein Gesetz aufzuheben, welches diese
Schutzwehr gegen die Pocken aufgerichtet hat, welches zum Segen der Bevölkerung bisher bestanden hat und welches, wenn es aufgehoben wird, die Bevölkerung zum großen Theil wieder dem Elend und der Gefahr preisgiebt? (Bravo!)
Abg. Reißhaus verliest eine Reihe von Namen der Aerzte,
welche mit Namensunterschrift sich gegen den Impfzwang erklärt haben, und führt aus, daß wenn alle Kinder die öffentlichen Impf⸗
termine aufsuchen müßten, dann die Zahl der Gegner größer sein
würde. Damit schließt die Diskussion; in einem Schlußwort
verlangt u.“ Abg. Dr. Förster⸗Neustettin, daß die durch den Impfzwang
Geschädigten mindestens entschädigt werden sollten.
Abg. Schmidt⸗Frankfurt (Soz.) als eeehene verzichtet esung näher auf
die Schrift des Gesundheitsamtes einzugehen. Der Antrag auf Ueberweisung des Antrags an eine Kom⸗
mission wird verworfen. Schluß 5 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Etat des Auswärtigen Amts und der V6“
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 41. Sitzung vom 12. März 1896.
Eingegangen sind der Gesetzentwurf, betreffend die shefcung der Richtergehälter und die Ernennung der Gerichts⸗Asse oren; der Antrag Wallbrecht, betreffend die Einführung von Orts⸗ statuten zur Sicherstellung 6Zä für Lieferungen und Arbeiten bei Bauten; der Antrag von Mendel⸗Steinfels, betreffend die Abwässerungsverhältnisse in der Stadt Leipzig. Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Berathung des Etats der Ansiedelungskommission für West⸗ preußen und Posen. ö Ueber den ersten Theil der Debatte ist gestern berichtet
worden.
Abg. Im Walle (Zentr.): Wir halten das Ansiedelungsgesetz nach wie vor für ungerecht und verfassungswidrig und stimmen für die Aufhebung desselben; es ist ein Kampfgesetz, das nur durch die Autorität eines übergewaltigen Ministers zu stande zekommen ist. Zu einem Frieden hat es nicht geführt, die polnische Bevölkerung steht uns feindlicher gegenüber als früher. Mit milden und geringen Mitteln würden wir weiter kommen.
Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Dr. Mizerski
schließt die Debatte. Persönlich bemerkt 1
Abg. Dr. Sattler: Ich will mich nicht immer wieder auf eine Diskussion mit den Herren der Minorität einlassen und will deshalb nur eins bemerken. Der Abg. Glebocki hat an meine Worte erinnert: Angesichts der wirthschaftlichen Fortschritte der polnischen Landes⸗ theile müßten deren Bewohner der preußischen Regierung und Gott dankbar sein, daß sie es so weit gebracht haben. Der Abg. Glebocki schloß daraus, daß ich die preuz sche Regierung über den lieben Gott stelle. Die Antwort darauf hat das Haus bereits gegeben, sie hieß: „Allgemeine Heiterkeit“.
Darauf wird der Antrag Motty gegen die Stimmen der Polen, des Zentrums und der Freisinnigen abgelehnt, der Etat der Ansiedelungskommission bewilligt und die Denkschrift durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. M
Sodann wird der Etat der Staatsschuldenver⸗ waltung ohne Debatte bewilligt und der Rechenschaftsbericht über die weitere Ausführung des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsolidation preußischer Staats⸗Anleihen, durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Es folgt der Etat der Allgemeinen Finanzverwal⸗ tung. Hierzu liegen vor die Denkschrift, betreffend die Aus⸗ führung der gesetzlichen Vorschriften über die Rückerstattung der Grundsteuerentschädigungen, und der Antrag der Abgg. von Dobeneck (kons.) u. Gen.: die Regierung zu er⸗ suchen, die Beschlüsse beider Häuser des Landtags vom Juni 1885 — über die Annahme des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der 8§ 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 — Allerhöchsten Orts zur Bestätigung vorzulegen.
Abg. Jürgensen (nl.): Zu meinem Bedauern hat der vor⸗ rrige Beschluß des Landtags eine Bestätigung nicht gefunden, ich offe aber, daß die Regierung endlich do einmal die Bestätigung
nachsuchen wird. Die Verrflichtang zur Rückzahlung der Grundsteuer⸗ entschädigung ist ein Unrecht. Die Verpflichteten sollen eine Summe an die Staatskasse zurückzahlen, welche ihnen unbedingt und rück⸗ altlos ausgezahlt ist, und die vielleicht längst verbraucht ist, und jmwar zurückzablen nur aus dem Grunde, weil die Grundsteuer staat⸗ g gesetzt ist, damit die Kommunen sie benutzen geradezu eine Konfiskation. Der Finanz⸗Minister ist ermächtiat, in allen Fällen, in denen die zur Rückerstattung fest⸗ zustellenden Beträge die Summe von 5 ℳ nicht übersteigen, dieselben miereriuschlagen, weil die durch die Feststellung und Einziehung ent⸗ stehenden Kosten au Verbältniß stehen; es ist doch gleichgültig, ob die Beträge gr oder kleine sind. Wir werden dem Antrag Dobeneck zustimmen.
Der Vize⸗Präsident Freiherr von Heereman theilt mit, daß bg von Dobeneck inzwischen seinen Antrag zurückgezogen hat.
Ibg. Grorb (zl.): Bei der Entschäbigung handelt es sich um veuir privatrechtliche Frage. Als die Regierung in Ausführung Zn. 101 der Verfassung die Abschaffung der Grundsteuerbefreiun⸗ begantragte, bat der Staat ein einfaches Kaufgeschäft abgeschlossen den Beftpern der Grundstücke, und dabei bildet die Entschädigung Rarfpreit für die Aufgabe des bisberigen Privilegs. Das ist im — vpꝛn Prof. Dernburg eingehend dargelegt, und der Käufer ann voch unmöglich beliebig den Preis für Lie Waare zurückfordern. Garz Wen so ist es bier. Das materie Unrecht, welches der Staat vurch seinen einsettigen Rücktantt vom Vertrage begangen hat, wird bei vnt in Schlesvwig vadumch noch erheblich verstärkt, daß die Lasten, die vor Fuhrhunberten überrcnmen worden sind, noch unverändert forꝛbenteden, z. B. die Deich⸗ und Wegebaulasten. Man sagt, es habe sich 1893 vm rin Kompromis gebandelt, für die Regierung sowohl als für das Hanz war die Frage die comdötio sine qua non. Nun bat der Finanz Minister im Herrenhause erflärt, daß, wenn die beiden Hänser damals den Gesepentmuef in dieser Weise —25 hätten, für die Regiernag eine Verxualafsnng nicht vorgelegen die Steuerreform fallen Lass Bei seinem Einfluß diese persöaliche 8 fb maßgebend sein. Gerechtigkeit jetzt
lich außer Hebun künnen. Das ist
hebt, dann werden wir doch auch die Beseitigung dieses Unrechts ver⸗ langen können. Von dem Wohlwollen für die Pflichtigen, das in der Denkschrift versprochen ist, ist nichts zu merken. Sehr zweifelhaft ist die Frage des Gerichtsstandes für die Klagen wegen der Rückzahlungs⸗ pflicht. Findet der persönliche Gerichtsstand oder der der belegenen Sache Anwendung? Kommt ein Prozeß gleichzeitig vor zwei Gerichten zur Verhandlung, so kann die Einrede der Unzuständigkeit oder der Litispendenz erhoben, also aus rein formalen Gründen die Klage ab⸗ üaf- werden, und doch sollen etwaige Klagen innerhalb von drei
onaten anhängig gemacht werden. Bis zum 1. Januar d. J. sollen im Ganzen nur 140 Prozesse entschieden worden sein, die meisten, — 40 — in Schleswig, von denen 20 zu Gunsten des Fiskus ent⸗ schieden sind; nach einer mir vorliegenden Nachweisung sind allein beim Ober⸗Landesgericht in Kiel 13 Pronse mit einem Gesammt⸗ streitobjekt von 38 000 ℳ anhängig. er Minister möge selbständig, nicht durch die Provinzialinstanz, die Fälle prüfen, wo besondere Härten vorliegen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat selbst anerkannt, was diesen letzten Punkt betrifft, daß die Gerichte nach strenger Auslegung des Gesetzes gegen die Wünsche, die der Herr Vorredner geltend gemacht hat, erkannt haben. Er kann also den Grad der Berücksichtigung der Billigkeit in der ganzen Durchführung dieser Maßnahme daraus erkennen, daß trotzdem der Minister die Regierung angewiesen hat, im entgegengesetzten Sinne zu verfahren, d. h. zu Gunsten der Be⸗ theiligten. Meine Herren, ich habe hier ein Schreiben an die Köͤnig⸗ liche Regierung zu Schleswig vom 11. Mai 1895, wo ich ausdrücklich ausspreche, daß ich damit einverstanden sei, daß ein derartig erhobener Einwand, wie der Herr Vorredner ihn gestellt, Berücksichtigung finde, und in solchen Fällen seitens der Staatskasse auf die Rückforderung der Entschädigung Verzicht geleistet werden muß. Ja, meine Herren, ich bin noch weiter gegangen, ich habe gesagt, die Königliche Regierung wolle in Zukunft hiernach verfahren. Für diejenigen Stellen, von denen dem vorstehenden Grundsatz widersprechende Feststellungen bereits getroffen sein sollten, wird die Königliche Regierung in weiterer Ausdehnung der durch die Verfügung vom 2. d. M. ihr bereits ertheilten Befugniß ferner er⸗ mäch tigt, diefe Feststellungen selbständig wieder aufzuheben.
Meine Herren, ich bin nun noch weiter gegangen! Auf Grund einzelner Beschwerden habe ich die Königliche Regierung in Schleswig aufgefordert, alle diese Fälle an uns direkt einzuschicken, damit wir in der Sache selbst Entscheidung treffen können. Also hier ist doch gewiß nicht der geringste Grund, sich zu beschweren. Wenn man die Sache auf die rechtliche Spitze treibt, so könnte man mir vielleicht bestreiten, ob ich befugt gewesen wäre, aus Billigkeitsrücksichten so weit zu gehen Wenn also die Beschwerden der Schleswig⸗Holsteiner keinen anderen Boden haben auch im übrigen — ich werde darauf gleich noch zurück⸗ kommen —, so sind die Beschwerden überhaupt nicht brauchbar.
Meine Herren, dann hat der Herr Vorredner sich darüber be⸗ schwert, daß bei dem Zweifel, ob der Gerichtsstand der belegenen Sache oder der persönliche Gerichtsstand hier in dem Prozesse über die Rückforderung der empfangenen Entschädigungen Platz greift, die Einrede der Inkompetenz gestellt war in dem einen Fall und in anderem Falle die Einrede der rechtshängigen Sache. Ich habe aus⸗ drücklich vorgeschrieben und allen Regierungen zu erkennen gegeben, daß die Einrede der Inkompetenz überhaupt nicht erhoben werden soll; also auch in dieser Beziehung kann gegen den Minister in keiner Weise eine Klage erhoben werden, und soviel ich weiß, ist auch überall danach verfahren. Die Gerichte prüfen aber bei der Frage, ob der Gerichtsstand der belegenen Sache vorliegt ex officio ihrer Kompetenz, das kann ich garnicht verhindern; jedenfalls haben wir zu einer solchen Prüfung nicht aufgefordert, indem wir die Einrede der Inkompetenz nicht gestellt haben.
Meine Herren, im Herrenhause war ja die allgemeine Meinung in Beziehung auf die Berechtigung der Hauptfrage der Rückforderungen der ursprünglich gegebenen Entschädigungen gewiß ziemlich einig dahin gerichtet, daß diese Rückforderungen unberechtigte seien. Trotzdem hat der Herr Berichterstatter im Gegensatz gegen die beiden Vorredner aus Schleswig⸗Holstein ausdrücklich anerkannt, daß das, was an Milde und Wohlwollen zur Beseitigung von Beschwerden und Härten die Staatsregierung überhaupt thun konnte, bei der Durchführung des Ge⸗ setzes in vollem Maße geschehen sei. Das kann auch nach meiner Meinung, wenn man die Denkschrift durchliest und die vielen zweifel⸗ haften Fragen, die stets zu Gunsten der Pflichtigen entschieden worden sind, sich vorlegt, gar nicht bestritten werden.
Meine Herren, was die Hauptsache betrifft, so haben die Herren hervorgehoben, das Haus habe noch keine offizielle Erklärung über die Stellung der Staatsregierung zu der Hauptfrage erhalten. Das ist in so fern richtig, als hier im Plenum die Sache ja jetzt zum ersten Mal zur Sprache kommt, und ich erst jetzt Gelegenheit habe, in diesen Beziehung mich zu äußern. In der Kommission ist bereits von meiner Kommissarien das Erforderliche gesagt worden, und im Herren⸗ hause, wovon die Herren ja doch wahrscheinlich Kenntniß genommen haben, ist die Stellung der Staatsregierung in der bestimmtesten Weise gekennzeichnet.
Meine Herren, ich habe allerdings im Herrenhause gesagt, daß ich persönlich glaube, daß an dieser einen Frage, wenn das Haus oder beide Häuser des Landtags bei der Berathung des Gesetzes wegen Außerhebungsetzung der Realsteuern die vorliegende Frage in anderem Sinne entschieden hätten, wenn das Haus der Meinung gewesen wäre, es solle die Rückforderung der Gxundsteuerentschädigung nicht statt⸗ finden, — die Staatsregierung nach’ meiner persönlichen Auffassung an dieser einen Frage die ganze große Steuerreform nicht würde haben scheitern lassen. (Hört! hört!) Was das aber mit der jetzt vorliegenden Frage zu thun hat, das ist mir vollständig unverständlich.
Ich bin damals bei der Berathung des Gesetzes selbst ja noch viel weiter gegangen; ich habe deutlich zu erkennen gegeben, daß meiner persönlichen Ansicht nach vom privatrechtlichen Standpunkt eine solche Rückforderung nicht gerechtfertigt werden könnte (hört! hört!), und ich habe also in dieser Beziehung dem Hause die Entscheidung durch⸗ aus nicht schwer gemacht, weder nach der einen, noch nach der anderen Seite hin. Aber darüber kann doch an sich kein Zweifel sein, daß diese Frage nicht, wie der Herr Vorredner behauptet, eine privatrecht⸗ liche Frage sei. Ebensowenig, meine Herren, wie die Gewährung der Entschärdigungen bei Einführung der neuen Grundsteuer eine privat⸗ rechtliche Frage war, sondern eine entschiedene staatsrechtliche und sinanzpolitische, ebensowenig ist diese Frage eine rein privatrechtliche; darüber kann kein Zweifel sein.
Meine Herren, der Urquell aller Meinungsverschiedenheiten, das Gefühl des Unmrechts, was ja gewiß in den Kreisen der Betheiligten vielfach vorhanden ist, kommt ursprünglich zurück auf die unrichtige
uffaffung, Gewährung der Entschädigung vielfach zu Grunde gelegt wurde, nämlich, daß es sich — um privatrechtliche Fragen handele, daß die Grundftene nichts weiter sei, wie eine privatrechtliche Reate. Das ist 8 Urquell aller dieser Meinungsverschiedenheiten und Differenzen, und 8 wenigen Herren, die damals noch theilgenommen haben — ich sch Herrn von Benda hier vor mir sitzen —, werden wissen, daß gerade um diese Hauptfrage damals bei Einführung der Grundsteuer de großen Debatten stattfanden. Nach der Art und Weise, wie diese Rückforderung der Grundsteuerentschädigung durchgeführt ist, kam man jetzt behaupten, daß niemand zur Rückzahlung angehalten with der nicht durch diese Entschädigung selbst bereichert war. Denn di Milderungen, die hier dieses Abgeordnetenhaus eingeführt hat, da namentlich die Erben nur herangezogen werden follten nach Maßgas des Quotenerbtheils, das auf sie gelangt war, haben eben in der 2 und Weise, wie diese Bestimmungen durchgeführt sind, selbst in da Fällen, wo zweifellos ein einzelner Erbe thatsächlich einen wei größeren Theil von der Erbschaft bekommen hatte, als er als Gleich⸗ erbberechtigter zu bekommen berechtigt war, eben dahin geführt, deß nur von solchen Personen thatsächlich die Entschädigung zurückgeforden wird, die durch den Empfang dieser Entschädigung und soweit se durch denselben bereichert sind.
Ich will im übrigen auf die Frage, ob die Staatz⸗ regierung und die beiden Häuser des Landtags ursprünglic wohlgethan haben, diese Rückforderung der empfangenen Entschädigung vorzusehen, garnicht eingehen; denn nach meiner Meinung kommt es darauf gegenwärtig nicht mehr an. Ich habe das schon in vorigen Jahre ausgeführt, und ich kann es hier nur wiederholen; Wenn eine Frage dieser Art, so bestritten, so verschiedener Auffassung fähig, durch die übereinstimmende Entscheidung von Regierung und Landtag einmal entschieden ist, wenn diese Frage integrierender Theil einer großen zusammenhängenden Gesetzgehung ist, wenn ma vielleicht sagen kann, daß sie für manche Mitglieder des Abgeordneten⸗ hauses, vielleicht auch des Herrenhauses, für die Zustimmung zu dieser großen Gesetzgebung präjudizierlich war, so kann man verständigerweise, ohne die größten Gefahren zu laufen, eine solche vor zwei Jahren getroffene Entscheidung nur dann wieder aufheben, wenn wesentlich neue Gesichtspunkte, Thatsachen und Erfahrungen hervorgetreten sind, die von einer solchen Bedeutung erscheinen, daß man sagen nuf: wären diese Thatsachen damals bekannt gewesen, so würde die Ent⸗ scheidung des Hauses eine andere gewesen sein.
Meine Herren, solche Thatsachen liegen nicht allein nicht vor, sondern im Gegentheil, die Befürchtungen, die damals geknüpft waren an die Maßnahmen selbst, sind durch die Art der Ausführung des Gesetzes beseitigt worden, und insbesondere gehört gerade die Frag⸗ die die Herren aus Schleswig⸗Holstein hier soeben berührt haben: wie es zu halten sei, wenn jemand verkauft, aber der Verkäufer sich das Recht auf die Grundsteuer⸗Entschädigung vorbehalte, — gerade diese Frage gehört zu den Befürchtungen, die damals geltend gemagt worden sind und die sich nun in der That und Wahrheit al nicht vorhanden erwiesen haben. Wo einzelne Fälle früher vor meine Entscheidung von der Regierung in Schleswig in entgegengesetzten Sinne entschieden sind, so habe ich ja schon gesagt, daß man auf de Frage zurückkommen wird in der Zentralinstanz.
Ich habe schon damals darauf hingewiesen, daß allerdings aud diese Frage nach der Art und Weise, wie sie im Landtage behandet ist, als eine Kompromißfrage zwischen dem Landtage und der Regierung erscheint. Eine Reihe von sehr entscheidenden Milderungen, die n einer bedeutenden Reduktion der zurückzuzahlenden Entschädigunge summe geführt haben, sind hier im Landtage beschlossen. Die Staute⸗ regierung hat diesen Milderungen zugestimmt. Daraufhin haben ie Parteien sich selbst geeinigt, nunmehr das Prinzip zu acceptieren, un zwar nicht nur einseitig Parteien der Linken, sondern ebenso wobl de Parteien der Rechten. Eine große Zahl und überwiegende Mehrull
der rechten Seite des Hauses hat nach diesen eingetretenen Milderunga
für dies Gesetz votiert.
Ganz in gleicher Weise, meine Herren, ist verfahren mit andene Hauptfragen, die sich bei der Steuerreform geltend machten. 3 erinnere nur an die uns auch nächstens beschäftigende Frage der We⸗ theilung der Kommunallasten in den Kommunen mit Bezug arf die verschiedenen Steuerarten. Der § 54 des Kommunalabgabengesehes ü auch ein Kompromiß; weiter gehende Ansprüche wurden zurückgeftelt man einigte sich auf einer mittleren Linie. Jetzt kommen scen Hunderte von Petitionen städtischer Grundbesitzer und verlangen emn Aenderung des Gesetzes, eine andere Art der Ausführung desselbe Ganz ebenso liegt es mit der Frage der Doppelbesteuerung der Aktien⸗ gesellschaften, und ich könnte Ihnen noch eine ganze Reihe andem Fragen vorführen.
Müssen nun die Herren nicht selbst anerkennen, auch auf der rechten Seite des Hauses, daß es höchst bedenklich ist, hier, wo 6 sich nicht um Gesammtinteressen handelt, sondern doch immer nur di Interessen Einzelner in Frage stehen, wo nicht eine allgemeine Frce der Landeswohlfahrt in Betracht kommt, sondern nur das Interefe einzelner betroffener Personen, gerade hier einen Einbruch in di Steuerreform zu machen und gerade an diesem Punkte allein a.n zusetzen? Wie will man sich denn wehren gegen gleichartige Anträgt also auch von Interessierten, die auf anderen Gebieten eine Aenderumn der Gesetzgebung wollen? Wir kämen alsdann zu einer allmäͤblicha Aufrollung dieser ganzen großen Gesetzgebung, die naturgemäß ar großes zusammenhängendes Ganzes bildet und die doch gewiß — de kann man behaupten — gerade denjenigen Klassen, welche durch des Verlangen nach Rückforderung der Grundsteuerentschädigung troffen werden, in erheblichem Maße große Erleichterungen 1 schafft hat. .
Wenn man bei denjenigen Gütern in Schleswig⸗Holstein, n. darauf wieder zurückzukommen, deren Besitzer mehr als 1000 ℳ Grar. steuerentschädigung jetzt zurückzuerstatten haben, vergleicht das hältniß zwischen der erlassenen Grundsteuer einerseits und 2 von diesen Gütern jetzt zu entrichtenden Grundsteuer⸗Entschädigres, rente andererseits, so ergiebt sich, daß an Stelle von je 5 ℳ 60 2 außer Hebung gesetzter Grundsteuer nur 1 ℳ Entschädigungsrern tritt. Während wir allerdings eine Verpflichtung zur Rück der Entschädigung auflegen, haben wir gleichzeitig den Betreffana so erhebliche andere Vortheile zugewendet, daß man von einem sonderen Druck in keinem Falle reden kann. 8 8
Für den gesammten Grundbesitz im Regierungsbezirk Gags unter Miteinrechnung desfenigen, welcher zu einer Rückerstattung nicht verpflichtet ist, stellt sich die Sache sogar so, daß an Stell
1 41 ℳ außer Hebung gesetzter Grundsteuer nur je 1 ℳ Tilgungs⸗
xente tritt.
Ich glaube daher wirklich, daß, nachdem das Prinzip einmal ent⸗ schieden ist, nachdem nun eine milde und entgegenkommende Art der Durchführung stattgefunden hat, nachdem klar vorliegt durch die Statistik, daß ein schwerer Druck jedenfalls die betheiligten In⸗ teressenten nicht trifft, das hohe Haus diesmal um so mehr den früͤheren Beschluß nicht wiederholen sollte, als ich doch in keinem Falle eine Zustimmung der Königlichen Staatsregierung in Aussicht stellen kann. (Bravol links.)
Abg. Freiherr von Dobeneck (konf.): Der Minister hat mich nicht überzeugt, ich kann von meinem früheren Standpunkt nicht zurücktreten. Neue Gründe für die Aufhebung der Rückzahlungspflicht haben wir im vorigen Jahre schon vorgebracht. Die Beträge werden streng eingezogen. Die Denkschrift meint, es seien bei der Einziehung der Beträge keine Schwierigkeiten entstanden; aber die Schwierigkeiten nd nur nicht zu Tage getreten, weil die Leute schließlich bezahlt
ben, um Weiterungen aus dem Wege zu gehen. Der jetzige Besitzer erfährt durch die Rückzahlung eine direkte Vermögens⸗ schädigung, er soll zurückzahlen, was die Vorfahren erhalten haben. Auf den Beschluß des Landtags muß es doch ankommen, denn er ver⸗ tritt die Stimmung im Lande. Ich begreife nicht, weshalb die Regierung sich unseren Wünschen verschließt; der finanzielle Effekt für die Staatskasse ist doch sehr gering, es sind im Ganzen 11 Millionen, die sich auf sechzig Jahre vertheilen. Meinen Antrag habe ich als entschieden zu weitgehend zurückgezogen, aber wir bleiben bei unserem Standpunkt vom vorigen Jahre. Durch die Befolgung unseres Beschlusses würde die Regierung sich die Dankbarkeit weiter Kreise erwerben. 8 v11“
Finanz⸗Minister Dr. Miqhuel G
Der Herr Abg. Freiherr von Dobeneck hat die Behauptung der Denkschrift, daß mit thunlichster Milde unter Vermeidung aller unnöthigen Härten das Gesetz zur Ausführung gekommen wäre, nicht zugeben wollen, und um den Beweis dafür zu führen, hat er auch einen kleinen Fall angeführt, bei dem er von dem Finanz⸗Minister verlangt, daß er geradezu gegen das Gesetz handeln soll. Meine Herren, soweit kann ich nicht gehen, soweit werde ich auch in Zukunft nicht gehen. Der Minister muß das Gesetz ausführen, solange es be⸗ steht, und kann mit der Ausführung erst aufhören, wenn es wieder aufgehoben ist. Aber ich habe in allen Fällen, wo man sagen könnte, die Sache ist rechtlich zweifelhaft, mich berechtigt gehalten, zu Gunsten der Verpflichteten und nicht nach dem Grundsatz zu verfahren: in dubio pro fisco. Ich habe niemals diese ganze Frage als eine wesentlich fiskalische Frage aufgefaßt, und ich ersuche Herrn von Dobeneck, wenn er mir Fälle dieser Art, wo ich berechtigt gewesen wäre, Milde walten zu lassen und es nicht gethan habe, noch nachträglich bezeichnen kann, dies zu thun. Ich werde ihm sehr dankbar sein und sofort ver⸗ suchen, ob noch zu helfen ist.
Wenn er nun aber einen Fall anführt, wo mehrere Erben zwei Güter theilen, 6 Kinder im Ganzen vorhanden waren — ja, meine Herren, was ist denn da Anderes zu machen, als daß jeder von den Erben als seinem Erbtheil entsprechend zurückzahlt? Ob das zwei Güter sind oder zehn Güter oder ein Gut, das kann dabei garnicht in Frage kommen; ich war also nicht in der Lage, hier anders zu entscheiden. Die Gutsübernehmer können doch sehr zufrieden sein, wenn sie faktisch durch die Annahme des Gutes einen sehr erheblichen Vorzug vor den übrigen Erben haben (Widerspruch rechts!); ja einen Vorzug. Solche Fälle haben wir gehabt, meine Herren, wo der Gutsannehmer mir selber das zugestand: Der Werth des Gutes war viel höher, als mein Antheil an der Erbschaft nach der Zahl der Erben. Wenn da der Gutsannehmer lediglich nach dem Quotenerbtheil behandelt worden ist, so ist das soweit gegangen, wie man überhaupt gehen kann; weiter konnte man doch nicht gehen. Wenn 4 Erben vorhanden sind, einer übernimmt das Gut, hat einen sehr bedeutenden Vorzug, und ich befehle den Behörden, von der Ermittelung dieses Vorzugs abzusehen, sondern ihn einfach so zu behandeln, als wenn er nicht mehr bekommen hätte als die übrigen Miterben, — weiter kann ich doch nicht gehen.
Nun sagt der Herr Vorredner und auch die Herren aus Holstein, die Niederschlagung der Beträge von 5 ℳ sei nichts Bedeutendes. Dessen könne man sich nicht besonders berühmen. Das ist vollständig zutreffend. Die Denkschrift hat sich dessen auch garnicht besonders berühmt. Ich gebe zu, daß dabei auch eine Rücksicht auf Vermeidung von Weiterungen, von unnöthigen Aktenschreiben und von sonstigen Kosten, die mehr be⸗ trugen wie diese ganzen kleinen Beträge, in Betracht gekommen ist. Für diejenigen aber, die von diesen Rückzahlungen ganz freigekommen find — meistens kleine Leute —, war das jedenfalls kein unangenehmes Geschenk!
Was nun die Petitionen anbetrifft, die Herr von Dobeneck an⸗ geführt hat — ich habe sie nicht selbst gelesen —, so haben die dar⸗ über Klage geführt, daß diese Rückzahlung der empfangenen Ent⸗ schädigungen zu Schuldentilgungen verwandt werde. Ja, das beruht sehr einfach auf dem Gesetz und auf einem sehr vernünftigen Gesetz. Die Entschädigungen sind ursprünglich geleistet worden durch Ausgabe von Staatsschuldverschreibungen. Wenn also die Entschädigungen zurückgezahlt werden, so findet eine Kapitalrückzahlung statt, der ein entsprechender Schuldenposten des Staats gegenübersteht. Daß hier also die rückzuzahlenden Entschädigungen auf die Staatsschulden zur Anrechnung kommen müssen, liegt klar auf der Hand. Ich sehe nicht ein, wie diejenigen, die die Entschädigung zurückzahlen, dadurch ge⸗ schädigt werden können. Es kann ihnen doch ganz gleichgültig sein, zu welchen Zwecken der Staat diese Beträge verwendet. Daß darin eine besondere Schädigung liegt, kann ich nicht verstehen.
Nun sagt Herr von Dobeneck — und das ist in meinen Augen das Wichtigste, was er gesagt hat — es liege doch etwas Neues vor. Es handle sich nicht darum, ein Gesetz wieder aufzuheben, ohne daß etwas Neues dazwischengetreten wäre, sondern das, was dazwischen⸗ getreten wäre, wäre der Beschluß beider Häuser des Landtags. Ja, bei allem Respekt, den die Staatsregierung und ich insbesondere (Heiterkeit) vor den Entscheidungen der beiden Häuser des Landtags haben, bitte ich, mir doch zu sagen, vor welcher Entscheidung, vor der ersten oder der zweiten, ich nunmehr Respekt haben soll. (Heiterkeit.) Das ist doch eine schwierige Frage. Ich kann mir doch nicht erlauben, den Werth der Entscheidungen meinerseits zu kritisieren. Da würde ich ja den Respekt, den ich vor diesem hohen Hause habe (oh! oh! rechts), ver⸗ letzen. Ich will damit nur sagen, daß in der bloßen Entscheidung des Hauses in diesem Fall neue Erfahrungen, neue Thatsachen, die das Haus hätten überzeugen können, daß es das erste Mal eine falsche Entscheidung getroffen hat, an sich nicht vorliegen. Der Herr Vor⸗ redner sagt: ja, das Haus hat offenkundig sich zu einem Irrthum be⸗
*
*
kannt, es hat gesagt: wir haben uns das erste Mal geirrt. Alle die Fragen, die jetzt wieder hier erörtert werden, sind damals auch diskutiert worden. Dann hat das Haus jedenfalls im vollen Bewußtsein der ganzen Sachlage geirrt. (Wider⸗ spruch rechts.) Ich muß sagen, es ist nichts Neues in dieser Beziehung hervorgetreten, selbst die Zahl der eventuell Ver⸗ pflichteten ist hier deutlich genug in den Regierungsmotiven mitgetheilt worden. Nein, das einzig Neue, was wirklich vorliegen kann, ist, daß in der Zwischenzeit die Grundsteuer aufgehoben worden ist, während sie damals erst aufgehoben werden sollte. Das kann nach meiner Meinung für die Staatsregierung ebensowenig wie für das hohe Haus ein Grund sein, hinterher anders zu entscheiden als vorher.
Ich glaube, Sie werden mir zugeben, daß neue, früher unbekannte Verhältnisse nicht hervorgetreten sind, sodaß es daher immerhin sehr bedenklich ist, in diesem einzelnen Falle eine große Gesetzgebung zu zerstückeln (oh! ohl rechts), während in vielen anderen Fragen doch auch die Herren selbst das für höchst bedenklich halten.
Ich bitte nochmals, das hohe Haus wolle unter Anerkennung der Thatsache, daß soweit, wie das irgend möglich war, in der Ausführung des Gesetzes in dieser allerdings schwierigen Sachlage, wo ich ver⸗ schiedene Meinungen als vollkommen berechtigt anerkenne, mit der größten Milde und Rücksicht verfahren ist, weiter diesen Gegenstand nicht verfolgen. (Bravo!)
Abg. Engelbrecht (fr. kons.) meint, daß die Ausführungen des Finanz⸗Ministers nichts beweisen, und führt eine Reihe 89— ällen an, in welchen besondere Härten durch die Rückerstattung herbei⸗ geführt worden seien. Wie schwer die Rückerstattung auf die Be⸗ theiligten drücke, ersehe man aus den Tabellen der Denkschrift. Die Beschlußfassung vor drei Jahren ging von Voraussetzungen aus, die sich 1. gr zwieseg haben. 6
Abg. Dr. Krause (nl.): Gegen die Stellungnahme des Finanz⸗ Ministers sind sieben Redner, für dieselbe nur zwei Redner . 8 erfordert es schon die Ritterlichkeit, dem Finanz⸗Minister beizustehen. Was man an Milde bei der Ausführung des Gesetzes verlangen kann, hat der Minister gethan. Wo ein Fall vor ein falsches Gericht ge⸗ bracht wird, muß das Gericht ihn zurückweisen, und daraus kann man doch keinen Grund gegen das Gesetz selbst herleiten. Wenn die Schleswig „Holsteiner besonders benachtheiligt sind, sollten sie doch ein Spezialgesetz zur Abstellung der Härten einbringen. Im Gesetz selbst liegt keine Unbilligkeii. Im Jahre 1893 haben die Verhältnisse schon ebenso gelegen wie jetzt und sind ebenso bekannt gewesen. Es ist nicht berechtigt, daß jemand die Entschädigung für eine neue Steuer behält, nachdem die Steuer wieder aufgehoben ist. Die Steuerreform wäre nicht zu stande ge⸗ kommen, wenn nicht die Rückzahlung der Grundsteuerentschädigungen geregelt worden wäre. Es ist doch dig nthümlich, daß man nun die Vortheile der Steuerreform behalten will, aber die Nachtheile beseitigen will, die man bewußt auf sich genommen hat, um die Reform zu stande zu bringen. Ich vertrete hier die Konservativen von 1893 gegen die Konservativen von heute.
„Abg. Hansen (fr. kons.) führt mehrere Fälle an, in welchen die Rückzahlung der Grundsteuerentschädigung einen schweren und unge⸗ rechten Druck auf die Betroffenen ausübe. Besonders ungerecht wirke die Rückzahlung da, wo ein Besitzwechsel eingetreten sei. er Minister frage, vor welchem Beschluß er mehr Respekt haben solle; vor dem letzten natürlich nach dem Grundsatz: „lex posterior derogat priori“. Hoffentlich werde sich der Minister trotz des Geschreies der Presse noch zu einer anderen Ansicht bekehren.
Ein Schlußantrag wird angenommen und darauf die Denkschrift durch Kenntnißnahme s. erledigt erklärt.
Bei dem Zuschuß für das Theater in Cassel bittet „Abg. Dr. Sattler den Finanz⸗Minister, eine strengere Durch⸗ führung der Sonntagsruhe an diesem Theater anzuregen; er wolle damit nicht gegen die Vorstellung am Sonntag sprechen, sondern nur den Theaterarbeitern, die des Sonntags Vormittags arbeiten müssen, mehr Sonntagsruhe verschaffen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Mit der Verwaltung der Theater hat das Finanz⸗ Mihisterium glücklicherweise nichts zu thun (Heiterkeit); aber nichts⸗ destoweniger will ich gern dem Wunsch des Herrn Vorredners ent⸗ sprechen, diese Klage an die geeignete Stelle zu übermitteln.
Der Etat der Allgemeinen Finanzverwaltung wird bewilligt.
Schluß 3 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11. Uhr. (Rest d; Interpellation Ring wegen Maßregeln gegen ieh⸗ euchen.
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Hause der Abgeordneten ist nachstehender Ent⸗ wurf eines Gesetzes, betreffend die Regelung der Richter⸗ gehälter und die Ernennung der Gerichts⸗Assessoren, zugegangen:
§ 1. Die Gehälter der Richter e nach Dienstaltersstufen geregelt.
Das für die Bemessung des Gehalts Paspebende. Dienstalter (Besoldungsdienstalter) beginnt in jeder Gehaltsklasse mit dem Tage der ersten etatsmäßigen Anstellung in einem zu derselben gehörenden Amte des höheren Justizdienstes.
Als Tag der Anstellung im Sinne dieses Gesetzes gilt der Tag, von dem ab der Angestellte das Diensteinkommen der telle zu be⸗ ziehen hat.
Die Verleihung von Zulagen erfolgt von dem ersten Tage eines jeden Kalenderquartals ab an diejenigen Richter, welche an diesem Tage das magebenbe Besoldungsdienstalter erreichen oder es im vorhergehenden Kalenderquartal erreicht haben. 1
Das Besoldungsdienstalter hat auf die Bestimmung des in anderen Beziehungen maßgebenden u keinen Einfluß.
Tritt ein Beamter des höheren Justizdienstes infolge einer Be⸗ förderung oder einer im dienstlichen Interesse geschehenen in ein zu einer anderen Gehaltsklasse gehörendes Richteramt über, so wird das Besoldungsdienstalter in der neuen Gehaltsklasse dergestalt festgesetzt, daß sich die folgende Gehaltsregelung ergiebt:
1) Der Beamte tritt in die dem Normalge alt der früheren Stelle entsprechende Stufe der neuen Klasse oder, wenn in dieser eine solche Stufe nicht vorhanden ist, in die nächsthöhere Stufe über.
2) Ist das nach Ziff. 1 bemessene Gehalt dem bisherigen Normal⸗ gehalt gleich oder ist sein Mehrbetrag geringer, als die nächste Zulage, die dem Beamten in der früheren Klasse zu verleihen gewesen wäre, so erfolgt die Verleihung der ersten Zulage in der neuen Klasse von demselben Tage ab, von dem ab in der früheren Klasse die nächste Zulage verliehen worden wäre. 1
Durch die vorstehenden Bestimmungen wird der einstweilige
ortbezug eines etwa in der früheren Stelle über das Normalgehalt
ezogenen Mehrbetrags nicht .
Bei der Anstellung in einem Richteramte kann die Zeit, welche der Anzustellende außerhalb des höheren Justizdienstes in einem un⸗ mittelbaren oder mittelbaren Amte des preußischen Staatsdienstes, im Reichsdienst oder im Dienst eines deutschen Bundesstaats zugebracht hat, ingleichen die Dienstzeit als Rechtsanwalt oder Notar mit König⸗ licher Genehmigung ganz oder theilweise auf das Besoldungsdienst⸗
alter in Anrechnung gebracht werden.
“
Das Besoldungsdienstalter der bereits angestellten Landrichter und Amtsrichter wird auf den Tag ihrer ersten etatsmäßigen Anstel⸗ lung (§ 2 Abs. 2) als Richter oder Staatsanwalte (Staatsanwalts⸗ Gehilfen, Staatsprokuratoren) oder, falls diese Anstellung später als vier Jahre nach dem Tage erfolgt ist, auf den ihr richterliches Dienst⸗ alter Fmc der Verordnung vom 16. April 1879 (Gesetz⸗Samml. S. 318) festgesetzt ist, auf den vier Jahre nach diesem Tage liegenden Tag bestimmt. 2.
Für die übrigen bereits angestellten richterlichen Beamten bildet das ihnen gemäß der §§ 1 bis 4 der angeführten Verordnung inner⸗ halb der bisherigen Besoldun setats beigelegte Dienstalter das Be⸗ soldungsdienstalter. Bei Heegung des letzteren ist außerdem die
eit zu berücksichtigen, welche gemäß § 3 dieses Gesetzes zu berück⸗ schtigen sein würde, wenn der Beamte unter der schaft des gegenwärtigen Gesetzes in seine Stellung befördert oder versetzt worden wäre.
Soweit einem Richter nach den bisherigen Vorschriften ein Dienstalter von einem bestimmten Kalendertage nicht angewiesen ist (§ 3 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 6 der angeführten Verordnung), wird das Besoldungsdienstalter den Justiz⸗Minister bestimmt.
Den beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits ernannten Gerichts⸗ Assessoren wird auf das Besoldungsdienstalter als Landrichter oder Amtsrichter der vier Jahre übersteigende Theil desjenigen Zeitraumes angerechnet, der zwischen dem Tage ihres richterlichen Dienstalters und 5 ersten etatsmäßigen Anstellung im höheren Justizdienste liegt.
ei der Berechnung dieses Zeitraums bleibt die Zeit außer Be⸗ tracht, während deren ein Gerichts⸗Assessor außerhalb des preußischen eenen r “ 2*— welche seine ng dadurch verzögert worden ist, daß er die Verlei Richteramts abgelehnt hat. aes § 7
Die Richter erlangen mit dem Eintritt des für die Verleihung einer Dienstalterszulage maßgebenden Zeitpunktes (§ 2 Abs. 3) einen Rechtsanspruch auf die Zulage.
Der Anspruch ruht, so lange ein Disziplinarverfahren oder wegen eines Verbrechens oder Vergehens ein Hauptverfahren oder eine Vor⸗ untersuchung schwebt. Führt das Verfahren zum Verlust des Amtes, so findet eine Nachzahlung des zurückbehaltenen Mehrgehalts nicht statt.
Die Ernennung der Gerichts⸗Assessoren erfolgt nach Maßgabe des für den höheren Justizdienst bestehenden Bevarfe⸗ 4 8
Die Referendare, welche die große Staatsprüfung bestanden haben, aber nicht zu Gerichts⸗Assessoren ernannt werden, erhalten ein Zeugniß über das Bestehen der Prüfung und scheiden mit der Zustellung dieses Zeugnisses aus dem Justizdienst aus; sie sind befugt, die Bezeichnung als Assessor zu führen. 8
§ 9.
Der § 9 des Ausführungsgesetzes vom 24. April 1878 zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetze (Ges.⸗Samml. S. 230) und die Verordnung vom 16. April 1879 (Ges.⸗Samml. S. 318) werden aufgehoben. 8
§ 10. Dieses Gesetz tritt am 1. Pens 1897 in Kraft.
Auf diejenigen Referendare, welche die große Staatsprüfung vor dem 1. April 1899 bestehen, findet § 8 keine Anwendung. Haben die Referendare während ihres Vorbereitun sdienstes ihre aktive Dienst. Flich im stehenden Heer oder in der Marine erfüllt, so verlängert 8 ich die Frist um einen der Dienstzeit entsprechenden Zeitraum. 8
Sind die in Abs. 1 bezeichneten Referendare zu Gerichts⸗ Assessoren ernannt, so wird bei ihrer Anstellung als Landrichter bver cn,eeaüis das Besoldungsdienstalter nach Maßgabe des § 6 estimmt.
„Die dem Entwurf beigefügte Begründung lautet in ihrem allgemeinen Theil wie 8 gt:
Als die Regelung der Gehälter nach Dienstaltersstufen vom 1. April 1894 ab auf die etatsmäßigen höheren Beamten ausgedehnt wurde, sind die richterlichen Beamten und die höheren Beamten der Staatsanwaltschaft in die neue Regelung vorläufig nicht mit ein⸗ bezogen worden. Die Denkschrift, betreffend jene S (Beilage B zum Spezial⸗Etat der Finanzverwaltung für 1894/95, Kap. 57 Tit. 3), bemerkt in dieser Hinsicht:
„Bezüglich der richterlichen Beamten bedarf es zur Abänderung der das Dienstalter derselben betreffenden Allerhöchsten Verordnung vom 16. April 1879 (Ges.⸗Samml. S. 318) gemäß 1 9 des Ausführungsgesetzes zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. April 1878 (Ges.⸗Samml. S. 230) eines Aktes der Gesetz⸗ ebung. und die Erwägungen nach dieser Richtung hin, sowie über n dabei in Betracht kommende Fragen sind noch nicht zum Abschluß gelangt. Bleibt es aber für die Richter einstweilen noch bei der bisherigen Gehälterordnung, so erscheint dadurch ein Gleiches auch hinsichtlich der höheren Beamten der Staatsanwaltschaft, wegen des häufigen Uebertritts aus dieser in die richterliche Stellung oder umgekehrt, geboten.“
Der vorliegende Entwurf bezweckt, die nach den angeführten Ge⸗ setzesbestimmungen nothwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu treffen, auf Grund deren — und zwar nach der Absicht der König⸗ lichen Staatsregierung vom 1. April 1897 ab — die neue Gehälter⸗ 2nn; für die richterlichen Beamten durchgeführt werden kann.
Die Vorzüge der Gehaltsregelung nach Dienstaltersstufen, wie sie auch für die mittleren und unteren Beamten der Justizverwaltung in den verflossenen Jahren sich ergeben haben, sind so bedeutsam, daß es als ungerechtfertigt erscheinen würde, die Richter von ihnen noch länger auszuschließen. Abgesehen hiervon, machen aber besondere Umstände die Regelung gerade der Richtergehälter nach Dienstalters-⸗ stufen dringend wünschenswerth, wo nicht nothwendig. 8
Das Spystem der provinziellen Etatsverbände für die Land⸗ und Amtsrichter (§ 5 der Verordnung vom 16. April 1879) hat eine weit Ungleichheit zwischen den Gehaltsverhältnissen gleichaltriger
ichter in verschiedenen Ober⸗Landesgerichtsbezirken zur olge gehabt, die nicht nur mit Grund als unbillig empfunden wird, sondern au für die Justizverwaltung oft ein Hinderniß bildet, eine dem dienst
lichen Interesse entsprechende und dem betheiligten Richter an sich er- 1b
wünschte Versetzung aus einem Bezirk in den anderen zur Ausführung zu bringen. Die der Bildung provinzieller Etatsverbände zu Grunde liegende Erwartung, es werde durch die günstigere Gestaltung der Ge⸗ haltsverhältnisse in den klimatisch, landschaftlich oder nach ihren Ver⸗ kehrsverhältnissen weniger bevorzugten Bezirken ein Anreiz für die Richter geschaffen werden, die Anstellung in solchen Bezirken zu suchen und in ihnen zu verbleiben, hat sich nur theilweise verwirklicht. Gerade ein Bezirk, der auch an den kleineren Gerichtsorten die verhältniß⸗ mäßig günstigsten Lebensbedingungen bietet, der des Sher ana geies in Köln, zeigt eine den Richtern besonders vortheilhafte Gestaltung der Gehaltsscala, während unbherehßt der Bezirk des Ober⸗Landes⸗ gerichts in Stettin, in dem zah reiche Amtsgerichte in unbedeutenden Iülecenen WTW“ ihren Sitz haben, ungünstige Gehaltsverhält⸗ nisse aufweist.
Die aus der bestehenden, an sich sachgemäßen Fehalten vnesug sich ergebende Folge, daß ein älterer Land⸗ oder Amtsgeri ts⸗Rat ei der Beförderung in eine höhere Stelle des Justizdienstes eine Gehaltseinbuße erleidet, läßt sich ferner nur bei Durchführung des neuen Gehaltssystems ohne Beeinträchtigung des Dienstaltersprinzips im übrigen dettpe⸗ . 1
Endlich hat die starke Vermehrung der etatsmäßigen Richter⸗ stellen (vom 1. April 1889 ab einschließlich der im Etat für 1896/97 vorgesehenen Stellen um 437) ein rasches Aufrücken innerhalb einzelner der bisherigen Etatsverbände zur Folgs gehabt, dem natur⸗ gemäß später ein Rückschlag folgen muß; die Aussichten der in den mittleren und unteren Klassen stehenden Beamten würden daher in manchen Bezirken empfindli beeinträchtigt werden, wenn es bei der
alten Gehaltsregelung verblie