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gabe des Vertragsrechts, friedlich durch die moralische Wirkung unserer Flagge, wenn es aber hart auf hart kommt, wenn uns Unbill und Gewalt entgegentreten, dann auch auf andere Weise, und dann muß das deutsche Schwert auch zu Wasser ein scharfes sein. (Lebhafter Beifall.) Zur Erfüllung dieser Pflicht ist eine gute und starke Kreuzerflotte ein unentbehrliches Werkzeug. Dieses Werkzeug müssen wir im stande halten, denn wenn wir es verrosten lassen, so werden wir wirthschaftlich zurück⸗ gehen, und der politische Rückgang wird auch nicht ausbleiben. Im Laufe der letzten 25 Jahre haben sich unsere überseeischen Interessen in gewaltiger Weise entwickelt, wir haben an friedlicher Expansion Alles geleistet, was eine junge aufstrebende Nation leisten kann, Vieles bleibt uns noch zu leisten. Wir müssen schützen die Deutschen im Auslande mit der Beschränkung, die der geehrte Herr Vorredner ganz richtig angedeutet hat. Auch ich schwärme nicht für das civis Romanus sum, namentlich dann nicht, wenn es von Leuten ausgeht, die sich vielleicht Jahrzehnte lang gar nicht um die Heimath gekümmert haben (sehr richtig!), aber in dem Augenblick, wo es ihnen schlecht geht, meinen, es müsse ein Kriegsschiff kommen und ihnen helfen. (Sehr richtig!) Die Grundsätze über den Schutz der Deut⸗ schen habe ich im vorigen Jahre auseinandergesetzt und damit die Billigung des Reichstags gefunden. Ich habe nichts hinzuzusetzen. Wir müssen immer in den Grenzen, daß es sich nur um legitime Interessen handeln kann, unseren ausgedehnten Handel, unsere Schiff⸗ fahrt schützen; wir müssen eingedenk sein, wie große Kapitalien in überseeischen Gebieten angelegt sind, und wir haben die Pflicht, auch jener frommen Männer zu gedenken, die als Missionare hin⸗ übergehen, um dort inmitten schwerer Gefahren das Christenthum und die Kultur zu verbreiten. (Lebhafter Beifall in der Mitte.) Zu diesem Behufe müssen wir Stationen anlegen überall da, wo in weitem Umfange deutsche Interessen vorhanden sind; wir müssen unsere Flagge hissen, wir müssen gewappnet sein, bei außerordentlichen Ereignissen auch mit Gewalt einzutreten in den Fällen von Bürgerkrieg, Anarchie, Kriegen zwischen anderen Staaten. Wollten wir draußen Konflikte suchen, so würden wir denjenigen den allerschlechtesten Gefallen erweisen, die wir in erster Reihe schützen sollen: unsere Rheder, unsere Kaufleute, alle diejenigen, deren Erwerb nur gedeihen kann in friedlichen, normalen Zuständen. (Sehr richtig Wollten wir umgekehrt Konflikte um jeden Preis vermeiden, weil wir zu schwach sind, sie durchzu⸗ führen, dann würden unsere Interessen in den Augen fremder Macht⸗ haber bald zu solchen zweiter und dritter Gattung herabsinken und darnach behandelt werden. Es hat jüngst ein Abgeordneter der Linken, ich glaube, es war ein Herr aus Württemberg, dem Gedanken Ausdruck gegeben: je mehr Schiffe wir brauchten, um so weniger staats⸗ männisches Geschick bewiesen wir. (Heiterkeit.) Das heißt vom Dratorischen ins Deutsche übersetzt (Heiterkeit): macht eure überseeische Politik nicht mit Kreuzern, sondern mit Tinte und Feder. Ich fürchte, auf diese Politik würde das geflügelte Wort passen: Billig, aber schlecht. (Heiterkeit.) Wenn wir in solchen Ge⸗ bieten, wo unsere Konkurrenten mit Kreuzern argumentieren, mit schön gedrechselten Noten zu Felde ziehen, so würden wir sehr bald ins Hintertreffen kommen, wir würden am eignen Leibe den Schaden verspüren und ganz gewiß für den Spott nicht zu sorgen haben. Unsere überseeischen Interessen sind gewaltig gewachsen, aber unsere Kreuzerflotte ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Die Schutz⸗ bedürfnisse sind gestiegen, aber die Schutzmittel haben sich verringert. Wir haben vor 11 Jahren 27 Kreuzer gehabt, jetzt haben wir nur noch 20 (hört! hört! rechts), und die Unhaltbarkeit dieses Zustands wird an keiner Stelle tiefer empfunden, als beim Auswärtigen Amt, und so gern ich anerkenne, daß die Marine alles thut, was in ihren Kräöften steht, um unseren Forderungen nachzukommen, schließlich muß sie Halt machen vor der ultima ratio: es ist kein Schiff da. Als vor wenigen Monaten die Frage der zweiten Stationäre vor Konstantinopel aufgeworfen wurde, und man uns den Wunsch ausdrückte, daß wir, um politische Mißsverständnisse zu vermeiden, auch einen zweiten Stationär dorthin schicken möchten, so fiel uns die Entscheidung darüber außerordentlich leicht, weil ein geeignetes Schiff dazu nicht vorhanden war. Als von den Hafenplätzen Kleinasiens Hilferuf auf Hilferruf nach einem Schiff an uns erging seitens der Reichsangehörigen angesichts der Metzeleien, die damals stattfanden, war es uns lange unmöglich, diesem Wunsche stattzugeben; wir mußten schließlich ein Schulschiff hinschicken, das an sich zu politischen Missionen nicht geeignet ist. Und als im Anfang dieses Jahres jene bekannten Unruhen ausbrachen in der Süd⸗ afrikanischen Republik, da mußten wir das einzige Schiff, welches an der 700 km langen afrikanischen Küste zum Schutz unserer Kolonien stationiert war, nach der Delagoabai senden, um dort unsere Streitkräfte einigermaßen zu vermehren. Ich könnte diese Beispiele beliebig vermehren. Weit schlimmer ist es aber, daß wir die Stationen, die wir früher ge⸗ habt haben, wegen Mangels an Schiffen aufgeben mußten, so in Süd⸗ und Zentral⸗Amerika. Das ist jener Theil der Erde, in dem im größten Umfange deutsche Interessen vertreten sind; ich glaube, an die Hunderttausend Reichsbürger, nicht nur Reichsgebürtige, wohnen
in jenen Gegenden. Wir treiben in ausgedehntestem Maße Handel mit jenen Ländern, ich weise auf die zunehmende Schiffahrt hin, auf unsere Küstenschiff ahrt, wir haben viele Millionen in Unternehmungen dort angelegt, und von der Westküste herab bis zur Magelhaensstraße und auf der Ostküste bis hinaus ist kein deutsches Schiff mehr vor⸗ handen seit Jahren; und das sind gerade jene Länder, in denen nach gemachten Erfahrungen sehr häufig innere Unruhen, Kriege, Revo⸗ lutionen u. s. w. ausbrechen. In früheren Zeiten, zum Beispiel in dem Kriege zwischen Peru und Chile, Ende der siebziger Jahre, war es unsere deutsche Flotte, mit dem Panzerkreuzer „Hansa“, die damals auch die fremden Interessen mit vertreten konnte. Wir würden heute in einem ähnlichen Falle gezwungen sein, unsere Interessen einem anderen Staat anzuvertrauen, und ich meine, das ist von dem Stand⸗ punkt unserer Interessen und unserer Würde ein höchst unerfreulicher Zustand. (Sehr wahr! sehr richtig! rechts, in der Mitte und bei den
Nationalliberalen.)
Richt viel besser liegt die Sache in der Südsee, wo zwei Kreuzer vierter Klasse, jeder mit einem Landungskorps von 40 bis 50 Mann, unsere Interessen in Samoa, Tonga, den Marschallinseln und Neu⸗ Guinea zu vertreten und zu schützen haben, und von denen einer stets in Samoa bleiben muß, häufig auch alle beide wegen der bekannten unerquicklichen Verhältnisse, die dort bestehen.
Ich komme nun zu jenem Gebiete, wo seit zwei Jahren eine größere deutsche Flottenmacht versammelt ist: zu den ostasiatischen Gewässern, und komme hier dem Wunsche, der mir in der Budget⸗
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sachliche Erm
kommission ausgesprochen wurde, einigen Aufschluß über unsere politische Aktion des vorigen Jahres zu geben, um so lieber nach, weil man ja uns Vorwürfe in dieser Beziehung auch hier im Hause gemacht hat, als stände unsere Intervention im vorigen Jahre entgegen der Zusage, die ich hier gegeben, als hätten wir einen ganz unvermuthet plötzlichen Frontwechsel vorgenommen. Beide Vorwürfe sind durchaus unbegründet. Ich habe im vorigen Jahre hier erklärt: wir wollen während des Krieges zwischen China und Japan neutral bleiben. Getreu dieser Haltung, haben wir, so lange der Krieg andauerte, jeden Gedanken der Ein⸗ mischung zurückgewiesen, weil wir der Ansicht waren, daß, so lange es keinen Sieger und keinen Besiegten gab, eine Intervention nutzlos, ja sogar schädlich sei. Als dann aber die Wagschale definitiv zu Gunsten Japans sich gesenkt hatte und die ersten Nachrichten der voraussichtlichen Friedensbedingungen nach Europa kamen, haben wir schon in den ersten Tagen des März vorigen Jahres, also 6 Wochen vor dem Friedensschluß, die japanische Regierung in freundschaftlicher Weise darauf aufmerksam gemacht, daß eine Annektion von chine⸗ sischem Festlandsgebiet voraussichtlich zu Interventionen europäischer Staaten führen würde. Wir sind dabei von der Ansicht ausge⸗ gangen, daß eine Annektion der Halbinsel Liao⸗Tong mit Port Arthur, gleichzeitig mit der Annektion von Formosa und den Pescadores⸗ Inseln eine vollkommene Umwälzung in den Machtverhältnissen Ost⸗ Asiens herbeiführen würde, daß die Besitznahme dieser Punkte seitens Japans eine beständige Bedrohung Chinas enthalten würde, an seinen verwundbarsten Stellen, und daß dadurch China in eine politische, zkonomische und militärische Gefolgschaft von Japan kommen müsse, die für europäische und speziell für deutsche Interessen nachtheilig sein und den Anlaß bieten würde zu neuen kriegerischen Konflikten in der Zukunft. Die japanische Regierung hat diesen Rath nicht befolgt. Ich nehme an, aus zwingenden Gründen. Als daher nach dem Friedensschluß von Schimonoseki die russische Regierung mit uns in Benehmen trat, und bezüglich des Friedensvertrages, insbesondere der Annektion von Liao⸗Tong, Uebereinstimmung der Anschauungen sich ergab, als Rußland entschlossen war, dies nicht zu dulden, so kam es zu jener friedlichen Intervention, deren Ausgang allgemein bekannt ist. Die Thätigkeit, die wir bei den Verhandlungen mit Japan ent⸗ wickelt, haben wir vor niemandem zu rerheimlichen, am allerwenigsten vor der japanischen Regierung, und es ist nicht nur Vermuthung, wenn ich es hier ausspreche, daß man in den Kreisen der japanischen Regierung heute unsere ganze Haltung würdigt. (Bravo!) Wir haben Neutralität während des Krieges geübt, aber Neutralität während des Krieges ist nicht identisch mit dem Entschluß, nach beendigtem Kriege die Ordnung der Dinge zu acceptieren, die der Sieger dem Be⸗ siegten auferlegt. Ich erinnere Sie an den Vorgang nach dem letzten russisch⸗türkischen Kriege (sehr richtig!), und wenn man uns vorhält, wir hätten durch diese Intervention die Geschäfte Ruß⸗ lands und Frankreichs geführt, so sage ich umgekehrt: nur dadurch, daß wir an dieser Intervention theilnahmen, waren wir in der Lage, die deutschen Interessen wirksam zu vertreten. (Sehr wahr!) Wir haben jene politische Haltung eingenommen nicht China zu Liebe, nicht Japan zu Leide, sondern lediglich in Wahrung unserer Inter⸗ essen. Ich wüßte nicht, was uns veranlassen sollte, dem befreundeten Japan gegenüber einen feindseligen Akt zu begehen. Eine kräftig aufblühende Nation wie die japanische, die in kurzer Zeit durch unermüdliche Arbeit auf allen Gebieten erstaunenswerthe Fort⸗ schritte gemacht und gezeigt hat, daß sie ein scharfes Schwert zu Wasser und zu Lande besitzt, darf immer auf die Sympathie der deutschen Nation rechnen (Bravo!), und ich glaube, der Hoffnung Ausdruck geben zu sollen, daß es demnächst gelingen wird, auch unsere kommerziellen Verhältnisse mit Japan auf eine feste und sichere Basis zu stellen. (Bravo!) Freilich, die Wogen, die jener Krieg in Ost⸗Asien aufgeregt hat, sie werden sich so bald nicht glätten; und wer wollte heute die Entwickelung voraussehen, welche die ostastatischen Verhältnisse in der nächsten Zukunft nehmen werden? Wir haben so große Interessen dort, daß wir auf der Wacht sein müssen, einmal die Interessen, die wir heute schon haben, zu schützen: die Handelsinteressen, die Schiffahrtsinteressen, die Interessen unserer Missionare; sodann aber müssen wir entschlossen sein, an der zukünftigen Entwickelung der dortigen kommerziellen Verhältnisse pari passu mit anderen Nationen theilzunehmen; und zu dieser Aufgabe bedürfen wir einer starken Kreuzerflotte. Wenn Sie sich erinnern, welche ernsten Befürchtungen bei dem Ausbruch des japanisch⸗chinesischen Krieges geknüpft wurden bezüglich des Schicksals der deutschen Interessen, und wenn Sie sehen, wie wenig diese Befürchtungen sich verwirklicht haben, so danken wir das in erster Reihe unserer Flotte, die auch dort, wie überall, in unermüdlichem Eifer trotz aller Strapazen für die deutschen Interessen eingetreten ist und die, wie ich glaube, auch dort sich den Dank der Nation in vollem Maße erworben hat. (Bravo!)
Damit, meine Herren, glaube ich, mit meinen Ausführungen zu Ende zu sein. Sie sehen, es handelt sich hier um feste, bestimmte Ziele, die wir verfolgen, und doch bin ich ehrlich genug zuzugeben: in dem Worte „uferlos“, ausgesprochen mit Bezug auf unsere Kreuzer⸗ flotte, ist ein Körnchen Wahrheit, wenn auch in einem anderen Sinne als dem landläufigen. Jede staatliche, man kann sagen: jede menschliche Aufgabe ist „uferlos“ insoweit, als wir nie einen Punkt erreichen werden, wo wir sagen können: Hier ist Land, hier steigen wir aus, hier wollen wir der Ruhe pflegen. Dieser Punkt existiert in unserer werdenden und werbenden Welt nicht, nicht auf sittlichem, nicht auf sozialpolitischem, am wenigsten auf materiellem Gebiet. Ueberall da gilt der Satz, daß Stillstand Rückschritt ist (sehr wahr!) und darum sage ich: solange deutscher Unter⸗ nehmungsgeist und deutscher Schaffenstrieb täglich neue Verbin⸗ dungen anknüpfen in fernen Ländern, solange wir den Ueberschuß an menschlicher Kraft und an unseren Produkten hinübergeben in jene Gebiete, so lange darf auch an unseren Werften der Kreuzer nicht verschwinden, dessen Flagge bestimmt ist, jene Interessen nach Völkerrecht und Vertragsrecht zu schützen, und wenn jemand die Frage an uns richtet: quousque tandem, wie lange wollt ihr denn die deutschen Steuerzahler noch belasten mit diesen Schiffsbauten? — so werde ich ihm die Gegenfrage stellen: wo ist denn die Grenze, an der die Entwickelung unserer überseeischen Interessen ein Ende nehmen wird? — und ich glaube, wir Alle wünschen, daß auf diese Gegen⸗ frage noch recht lange eine Antwort nicht gegeben werden kann. Dessen dürfen Sie sicher sein: wir werden so wenig wie heute, so wenig auch in der Zukunft an die Phantasie, an Schwärmerei und Chauvinismus appellieren. Wir werden nur appellieren an ruhige ägung auf dem Boden nachweisbarer Bedürfnisse und
an jenen gesunden nationalen Sinn, der sorgfältig prüft aber auch freudig die Opfer bringt, die er als nützlich und als wendig für die Gesammtheit erkennt.
Und, meine Herren, der Schutz der überseeischen Interessen hat doch auch eine ideale Seite. Gewiß giebt es, wie der redner ausgeführt, unter den Deutschen draußen über dem Men⸗ manche Elemente, die weder unsere Theilnahme, noch unseren S 8 verdienen; aber es giebt gar viele draußen, die wir dem Deutschtzun erhalten können, wenn wir durch den Schutz, den wir ibne gewähren, zu ihrem Herzen sprechen und sie ermahnen, daß sie allezeit getreu bleiben ihrer alten Heimath, und das ist auch eine Aufgabe 8 wir zu fördern und zu lösen haben. b“
Alles in allem, meine Herren, auch bei dem Schutz überseeische Interessen in dem Sinn, wie ich ihn dargelegt habe, handelt es sch um gute deutsche Politik, und ich meine: für eine solche Politik wird der Reichstag jederzeit die nöthigen Mittel gewähren. (Lebhafter Beifall.) Abg. Bebel (Soz.): Das Wort von den ‚uferlosen Plänen⸗ ist doch nicht vom Himmel gefallen, es entstand aus den Bestrebungen die gerade in den Parteien, welche sonst die Marine unterstü ten Beunruhigung erregten. Würden diese Pläne in bedeutungefäge Kreisen entstanden sein, so wäre es lächerlich gewesen, ihnen eine Bedeutung beizulegen. Aber das Gegentheil ist der Fall. Man sollte doch hier in diesen wichtigen Fragen nicht Verstecken spielen.
Am 18. Januar wurde eine Rede gehalten, in welcher es hieß, daß Deutschland ein Weltreich geworden sei und eine Weltpolitik a⸗ trieben werden müsse. Banach tauchten die uferlosen Pläne mit einen Schlage auf; die Agitation stützte sich auf diese Rede. Zur Ve⸗ wirklichung dieser Pläne reicht das bei weitem nicht aus, was setzt als nothwendig bezeichnet wird; da müßte man weit darüber hinaus⸗ gehen. In der Kolonialgesellschaft traten bekannte Herren dafür ein, in der Presse Graf Dürkheim, und Männer, die in der Marine eine gewisse Bedeutung haben, steckten hinter dieser Agitation. Wenn der Berichterstatter davon gesprochen hat, daß es eine Unverschämtheit sei, einen hohen Offizier der Marine mit diesen Dingen in Ver⸗ bindung zu bringen, so hatte der Staatssekretär des Marineamtze das wohl nur in Bezug auf sein Ressort gesagt; aber der Chef des Marinekabinets, Herr von Senden⸗Bibran, ist in der Presse damit in Verbindung gebracht worden, und bisher wurde dagegen ein Wider⸗ spruch nicht erhoben. Was ist das für ein Zustand, daß solche Bestrebungen auftreten können im Gegensatz zu den verantwortlichen Personen? Die uferlosen Pläne haben das Zentrum so beeinflußt, daß es die Penairhas. Forderungen erfüllen will, und damtt ist ja die Mehrheit dafür gesichert. Wenn es jetzt an Kreuzern fehlt, so muß eine seltsame Wirthschaft in der Marinever⸗ waltung herrschen, denn die laufenden Ausgaben derselben haben sich in den letzten 10 Jahren um mehr als 50 % vermehrt; sie be⸗ tragen in den 10 Jahren 693 Millionen Mark. Die Auswanderer 25 meistens in Gegenden, wo Deutschland ihnen mit Schiffen nicht elfen kann. Sind die Kreuzer vernachlässigt, so ist daran der über⸗ triebene Bau von Panzerschiffen schuld. Deutschland ist eine Land⸗ macht und muß auf das Landheer den größten Werth legen, für das ja auch in den letzten 10 Jahren 5 Milliarden ausgegeben worden sind. Heute sind 48 Jahre verflossen seit dem Kampf, der haupt⸗ sächlich dem Militarismus galt, und seitdem hat sich der Mil⸗ tarismus übermächtig entfaltet, sodaß der Widerstand dagegen sich e⸗ hebt, und es wird keine 48 Jahre mehr dauern, dann werden die Harlamente sich nicht mehr mit diesen Dingen zu befassen haben. In
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st⸗Asien hat man die deutschen Interessen nicht richtig vertreten denn jede Steigerung des russischen Einflusses schädigt alle übrigen Staaten. Man hat dabei nur die Interessen des Augenblicks, aber nirgends die der fernen Zukunft im Auge behalten.
Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Vize⸗Admiral Hollmann:
Der Herr Abg. Bebel hat, wie in der Sitzung der Budgetkom⸗ mission, so auch heute hier im Reichstage den Chef des Marine⸗ kabinets in die Debatte gezogen. Der Herr Abg. Bebel hat ke⸗ hauptet, daß dieser Herr in einem Zusammenhange stehe mit de Preßtreibereien, die auf die uferlosen Pläne abzielen. Er hat auch, wenn ich ihn recht verstanden habe, auf ihn hingewiesen als auf denjenigen Offizier, der möglicherweise dem Regierungs⸗Rath oder Regierungs⸗Assessor, von dem vorhin die Rede war, die treffenden gegen die Regierung gerichteten Mittheilungen gemacht hätte. Meine Herren, ich habe schon in der Kommission mich selbst⸗ verständlich ganz entschieden gegen eine solche Annahme ausge⸗ sprochen. Sie ist meiner Ansicht nach nicht haltbar. Es ist vol⸗ kommen ausgeschlossen, meine Herren, daß ein Offizier sich mit der Presse in Verbindung setzt, um gegen die Regierung zu arbeiten. Vor allem ist es aber ausgeschlossen bei einem Offizier, der sich in einer dienstlichen Stellung befindet, wie der Herr Chef des Narinekabinets. Ich muß das also ganz entschieden zurückweisen. F. ist auch durch nichts erwiesen.
Meine Herren, der Herr Abg. Bebel hat fernerhin die Fragk gestellt, er wüßte nicht, in welchem Subordinations⸗ oder ander⸗ weitem Verhältniß dieses Kabinet zur Marineverwaltung stebt. 8e, meine Herren, ausgesprochen ist dieses Verhältniß durch den Titel und durch die Funktion. Der Chef des Marinekabinets steht der Aller⸗ höchsten Person als Bureau⸗Chef zur Seite, er hat die Allerhöchsten Befehle weiter zu geben. Meine Herren, daß ich auf einen solchen Offizier keinen Einfluß und keine Kontrole habe, ist klar; es ist abe auch vollkommen ausgeschlossen, meine Herren, daß ich zu ihm in einen Widerspruch gerathe oder mich zu ihm in eine Stellung versebe⸗ die Reibungen zur Folge hat. Das ist deswegen ausgeschlossen, well ich von allem, was der Chef des Marinekabinets thut, ohne weitercs voraussetze, daß es den Allerhöchsten Intentionen entspricht; und diesen Intentionen gegenüber stelle ich mich nicht in Widerspruch. Soweit, meine Herren, das was den Chef des Marinekabinets be⸗ trifft.
Der Herr Abg. Bebel hat, bezugnehmend auf die Aeußerungen meines Amtskollegen vom Auswärtigen Amt, darauf hingewiesen, dcß der Marineverwaltung im Laufe der letzten 10 Jahre eine erkleckliche Summe zur Verfügung stand, um die Marine zu wickeln auf allen Gebieten. Die Summe, die gezogen war, war zweifellos richtig, und wenn man die Summe im Ganzen betrachtet, so muß ich sagen, hat sie einen hübschen Klang. Ich gestebe 8 ohne weiteres zu, meine Herren, daß die Forderungen der Marint in den letzten 10 Jahren gewachsen sind. Nun schließt der Her Abg. Bebel daraus, es können doch unmöglich die Versicherungen meines Herrn Amtskollegen richtig sein, daß der Marine nicht das⸗ jenige Kreuzermaterial zur Verfügung steht, welches für den aur⸗ wärtigen Dienst benöthigt wird. Ja, meine Herren, dem ist doch so; denn die Summe, die der Herr Abg.⸗ Bebel hier genannt bat, ist doc nur zu einem sehr kleinen Theil für den Schiffsbau verwendet worden und zu einem außersrdentlich kleinen Theil zum Schiffsbau für Kreußer. Sie ist in der Hauptsache bewilligt worden für die stetige Entwickelung der Marine, die sich natürlich anschließt den dürfnifsen, in allererster Reihe den Bedürfnifsen der Küstenvertheidigens
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diesem Gebiete haben wir diejenigen Fortschritte gemacht, die im Einklang stehen mit den erhöhten Bewilligungen. Wir haben en der That höhere Forderungen für die Küstenvertheidigung wie für die Kreuzerthätigkeit sestellt. Das liegt sehr nahe, meine Herren, das Hemd ist einem ja näher als der Rock! Wir werden zunächst vafür sorgen müssen, daß das Reich gesichert ist, und demnächst da⸗ für, daß die auswärtigen Bedürfnisse des Reichs befriedigt werden. Sie haben das Alle mit mir in den letzten sechs Jahren erlebt, was uuf dem Gebiete des Kreuzerbaues geschehen ist. Solange ich die Ehre habe, die Marine vor dem hohen Hause zu vertreten, haben wir die Flotte nur um 2 Kreuzer ver⸗ mehrt, der eine 2. und der andere 3. Klasse. Wir haben sie soner um 4 Kreuzer 4. Klasse vermehrt, die aber in der Hauptsache für den stationären Dienst im Auslande verwendet werden. Vor meiner Zeit ist auch sehr wenig auf dem Gebiete geschehen. Es sind 2 Kreuzer 2. Klasse gebaut, sodaß also in Summa in den letzten Jahren eine Zunahme von 4 Kreuzern 2. Klasse und ¹Kreuzern 4. Klasse zu verzeichnen ist. Das ist immerhin eine hübsche Anzahl von Schiffen; sie bedeutet aber nichts gegen die Zahl, die wir als abgängig bei den Kreuzern betrachten müssen. Innerhalb der letzten 10 Jahre haben die Kreuzer, die damals im Jahre 1885/86 neu waren, sehr wesentlich eingebüßt an Gefechtseigenschaft und an ihrer Verwendungsfähigkeit. Meine Herren, es bringt mich dies auf den Standpunkt, den ich dem hohen Hause gegenüber in der Vertretung der hier vorliegenden Marineforderungen einzunehmen habe. Es ist, wie mein Herr Amtskollege schon erwähnt hat, für mich außerordentlich schwierig, Ihnen Rede und Antwort auf diejenigen Fragen zu stehen, die die Zukunft betreffken, und zwar aus dem sehr einfachen Grunde, weil über diese Fragen in keiner Weise Entscheidung getroffen ist und es sich augenblicklich lediglich um Vorarbeiten innerhalb des Marineressorts handelt. Meine Herren, aus den Erklärungen, die in der Kommissionssitzung abgegeben sind und die durch den Herrn Referenten in sehr dankenswerther Weise bier so ausführlich wiedergegeben wurden, werden sich die Herren in Bild von den Verhandlungen machen können; und durch die Er⸗ llärungen, die mein Herr Amtskollege vom Auswärtigen Amt hier abgegeben hat, ist hier wohl zur Genüge dargethan, daß es sich bier in der That nicht um „uferlose Pläne“ handelt. Meine Herren, 8 ist bei den Erörterungen, die hier gepflogen worden sind, „Marine⸗ liebhabereien“, „Treibereien“ u. s. w. positiv kein Raum zugebilligt worden. Es heißt wirklich, wenn ich mich eines Ausdrucks bedienen darf, der in früheren Jahren hier einmal gebraucht worden ist, sich melancholischen Betrachtungen hingeben, wenn man das annimmt. Andererseits, meine Herren, ist ja auch kein Zweifel, daß das Material der Marine im heutigen Stande nicht voll den Anforderungen mehr entspricht, die gestellt werden müssen. Meine Herren, man würde sich wirklich jeder Erkenntniß verschließen, wenn man das nicht zugäbe! (Sehr richtig!)
Wenn wir einmal das prozentuale Verhältniß betrachten, welches in der Marine zwischen dem alten Schiffsmaterial und dem neuen besteht, so fällt dieser Vergleich sehr zu Ungunsten des neuen aus — das alte ist weit überwiegend. Also, meine Herren, wenn dieses alte überwiegend ist, so liegt es doch nahe, daß die Marineverwaltung scch beschäftigen muß mit der Frage des Ersatzes des alten abgehenden — und weiteres thun wir nicht. Wir fragen uns: wie soll der Ab⸗ gang, der in den allernächsten Jahren an allen Stellen zu erwarten ist, ersett werden und wie soll das abgehende ersetzt werden in den kommenden Etats. Dies ist die ganze Frage, mit der wir uns beschäftigen können. Bei der ganz zweifellos und unleugbar vor⸗ handenen Minderzahl der Schiffe für unsere Bedürfnisse ist gar kein Zweifel vorhanden, daß, wenn es eines Tages einmal zu einer Aktion kommt, wir alles heranziehen werden, was wir haben, alles, was auf der Flottenliste steht. Aber imter diesen Schiffen aller Gattungen sind doch sehr viele, die in der That nicht in die erste Kampflinie hineingehören, die gar keinen Anspruch darauf erheben könnten, diese ehrenvolle Aufgabe auf sich zu nehmen. Also, meine Herren, wir müssen bedacht darauf sein, daß wir dieses alte Material durch neues ersetzen, um nicht im Falle eines Krieges mit alten Schiffen kämpfen zu müssen. Daß die Marine den Kampf aufnimmt, der ihr zweifellos angeboten werden wird, darüber darf wohl kein Zweifel bestehen, und ich bin überzeugt, daß auch niemand im hohen Reichstag daran zweifeln wird. Wir werden den Kampf aufnehmen, der uns angeboten wird, und zwar ganz abgesehen davon, ob das heutige Material geeignet sein mag, den Kampf mit Erfolg aufzunehmen oder nicht. Also, meine Herren, ich meine: wenn die Marineverwaltung, beziehentlich die verbündeten Regierungen an den hohen Reichstag herantreten werden mit dem Wunsche der gemeinsamen Arbeit zur Auffrischung des Schiffsmaterials, ist das in keiner Weise verwunderlich.
Wir werden hoffentlich im nächsten Jahre dem hohen Reichstage einen Plan vorlegen können, der ihm eine Uebersicht gewährt über das, was wir in Aussicht nehmen. Wir nehmen nichts in Aussicht, was Sie erschrecken wird, es sind keine sensationellen Maßnahmen irgend welcher Art; ich habe das auch in der Kommission ganz deutlich ausgesprochen, und der Herr Referent ist so gütig gewesen, das hier wiederzugeben. Die Marine, wie sie heute ist, ist ein Produkt ver⸗ schiedentlicher Programme, die theils ganz, theils halb, theils gar nicht zur Ausführung gekommen sind. Wir haben im Jahre 1874 das erste Programm vorgelegt, welches mit großer Mehrheit des Reichstags bewilligt ist; wir haben dann im Laufe der 80 er Jahre drei Programme vorgelegt und dann noch eins in den neunzigern. Die Kombination aller dieser Programme, Pläne und Denkschriften hat die Sache etwas verwickelt gemacht; es ist außerordentlich schwer, heute zu sagen: was ist eigentlich von dem alten in das neue Programm übergegangen, was ist von dem neuen Programm auf Rechnung des alten zu stellen? Kurz und gut, die Fragen sind so kompliziert, daß kaum jemand im stande sein würde, sie erschöpfend zu beantworten. Wir haben deshalb in Aussicht genommen, alles das zusammenzufassen und die Bedürfnisse, wie sie bisher aufgetreten sind, zu vergleichen mit denen, welche sich neu einstelen. Und der hohe Reichstag wird sehen, daß im allgemeinen das Programm, wie es im Jahre 1874 aufgestellt worden ist, auch heute noch zur Geltung kommen kann.
Meine Herren, wir haben quantitativ eine für unsere Bedürfnisse weifellos sehr bescheidene Flotte, wir haben eine qualitativ noch beschedenere. Wenn man, wie wir, quantitativ bescheiden sein soll, dann ist die allererste Pflicht, daß man qualitativ voll befriedigt
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muß das Wenige sein. 1
Wenn wir eine große Flotte haben, laufen auch minderwerthige Fahr⸗
zeuge mit unter; haben wir eine kleine Flotte, so muß jedes Schiff seinen Mann stehen, und wir können keines entbehren, wie ich vorhin schon gesagt habe.
Also, meine Herren, wenn ich alles das zusammenfasse, so gereicht es der Marineverwaltung zur großen Genugthuung, daß ihre Forde⸗ rungen in der Kommission fast einstimmig bewilligt worden sind, und sie giebt sich der Hoffnung hin, daß sich dieselbe gute Stimmung auch hier auf den hoben Reichstag übertragen wird. Meine Herren, ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß Sie mit vollem Vertrauen in die Zukunft sehen dürfen. Sie brauchen sich durch nichts schrecken zu lassen; es ist gar nichts in Aussicht, was Sie erstaunen, was Sie überraschen wird.
Ich bitte um die volle Bewilligung der hier angeforderten Schiffe. (Bravo!)
Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Wenn Herr Bebel die Verant⸗ wortung hätte, würde er dann abrüsten? Er würde vielleicht auf die Schaffung eines Volksheeres verweisen, welches noch mehr kostet. Die von ihm erwähnte 1848er Bewegung hat die Flotte geschaffen, welche sich ruhig entwickelt hat, zunächst zum Zwecke der Küsten⸗ vertheidigung. Mit England und Frankreich können wir nicht wett⸗ eifern, bei uns liegt die Entscheidung beim Landheer. Wir sind von einer Vertrauensseligkeit weit entfernt, aber wir warten auch ab, bis aus Projekten Etatsforderungen geworden sind. Wer hegt denn solche Pläne? Herr Peters ist ein todter Mann! Die Kolonialkreise reichen nicht weit hinaus; der Reichskanzler hat den Traum von einer großen glänzenden Flotte aufgegeben wegen ihrer finanziellen Konsequenzen. Sobald man auf die Kostenfrage kommt, wird man die Pläne sofort einschränken müssen. Neue Steuerquellen fließen nicht, es wird also bald an die Stelle der Schwärmerei die ruhige Ueberlegung treten. Namentlich bezüglich der Schlachtschiffe sind Erklärungen abgegeben, welche diejenigen binden, die sie ausgesprochen haben. Ueber die zwei Dutzend Schlachtschiffe will man nicht hinausgehen. In Bezug auf die Kreuzerflotte hat man freilich nicht erklärt, daß man eine Erweiterung nicht wünscht. Man will sie erweitern entsprechend der Erweiterung der überseeischen Interessen. Es ist allerdings richtig, daß eine gute Politik und gute Handelsverträge besser sind als Kreuzer; aber unsere Handelsbeziehungen dehnen sich aus, und es können Verwicklungen entstehen, die mit der Feder allein nicht gelöst werden können. Auf die ostasiatische Frage will ich nicht eingehen, weil sich über die noch werdenden Dinge schwer ein Bild gewinnen läßt. Wir können nur wünschen, daß wir zu den ostasialischen Mächten in freundliche Beziehungen treten und daß endlich der Handelsvertrag mit Japan zu stande kommt. Wir wollen in den bisherigen Bahnen bleiben, wir verlangen, daß die Finanzkraft des Landes nicht außer Acht gelassen wird, daß eine gleichmäßige Beschäftigung der Werften herbeigeführt und jede Ueberstürzung vermieden wird. Unbekannten, noch garnicht fest umrissenen Plänen der Zukunft können wir jedenfalls keinen Ein⸗ fluß einräumen auf die gegenwärtigen Forderungen, die lediglich einen
Ersatz schaffen wollen für das abgehende Material. Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Die Forderungen sind in
der Budgetkommission mit einer großen Mehrheit bewilligt worden; es ist wohl nicht zweifelhaft, daß eine ähnliche Mehrheit im Hause die Bewilligung aussprechen wird. Die Erläuterungen und näheren Be⸗ ründungen der Vorlage haben die Nothwendigkeit der geforderten auten vollständig nachgewiesen. Es ist hier bereits darauf hin⸗ gewiesen, daß es sich nicht um Abweichungen handelt von den des Jahres 1889/90 weder hinsichtlich der Panzer noch der euzer. Bei den Kreuzern bleibt nach Ausführung der Bauten immer noch ein Rückstand. Bedeutende Interessen legen eine größere Verstärkung unserer Flotte nahe; das ist in der Kommission * ein⸗ ehend nachgewiesen, daß ich nicht begreife, wie Herr Bebel hat be⸗ aupten können, daß das Zentrum durch die Agitation für die „uferlosen Pläne“ zur Bewilligung bewogen worden sei. Es ist um so ungerechter, einen solchen Vorwurf dem Zentrum zu machen, weil Herr Bebel ganz genau weiß, daß schon im vorigen Jahre die geforderten Bauten von der großen Mehrheit des Zentrums bewilligt worden sind. Also deswegen rauchte die Agitation für die uferlosen Pläne nicht herangezogen zu werden. Es ist anzuerkennen, daß eine Unterbrechung, eine geringere Stetigkeit in der Unterhaltung und in dem Neubau der Flotte eingetreten ist; wir brauchen eine stetige Thätigkeit, um die Etablissements regelmäßig zu beschäftigen. Verschiedene Umstände haben darauf eingewirkt, namentlich die wieder⸗ holte Veränderung in den Programmen der Marine und die Erfahrung mit den Bauten, die Veränderung in der Auffassung über die beste Form. Darüber ist jetzt eine Vereinbarung gefunden, und länger zu warten wäre falsch. Die Möglichkeit, noch bessere Formen zu finden, ist nicht ausgeschlossen, aber eine Verzögerung würde unsere Rüstung ge⸗ fährden. Herr Bebel hat es als unerträglich bezeichnet, derartige kolossale Summen auszugeben für die Marine und das Landheer. Er hat seine Studien vorgetragen, und die angeführten Milliarden machen aller⸗ dings einen erschreckenden Eindruck. Aber in diesen Summen steckt eine viel größere Leistung als bei anderen Ländern. Wir verdanken die Nothwendigkeit dieser Last nicht dem Kriegsbedürfniß Deutsch⸗ lands, nicht dem Bedürfniß, unsere Grenzen auszudehnen und andere Nationen zu vergewaltigen. Wir leben nun einmal unter der Herr⸗ schaft des bewaffneten Friedens, und ich kann Herrn Bebel darin nicht folgen, daß wir nach einem Menschenalter uns nicht mehr damit zu beschäftigen haben. Ich fürchte das Gegentheil. Wenn seit 1870 ein Krieg abgewehrt worden ist, wenn wir auf die Erhaltung des Friedens für längere Zeit hoffen dürfen, so verdanken wir es dem friedlichen Sinne des deutschen Volkes und der deutschen Regierungen. Aber wodurch ist es dem Volke und der Regierung möglich, das Schwergewicht seiner Gesinnung zu Gunsten des Friedens in die Wagschale zu legen? Lediglich durch die großen, gewaltigen Rüstungen, welche uns tüchtige und zuverlässige Bundesgenossen er⸗ worben und erhalten haben. Herr Bebel meint, wir haben das Landheer, wozu brauchen wir noch die Flotte? Auf dem Kontinent von Europa liegen unsere größten Interessen. Aber glauben denn die ren ernsthaft, daß es unbedeutend ist, ob wir neben einem starken andheer noch eine Flotte nicht ersten, aber doch zweiten, mittleren Ranges haben? Wir haben ohnehin schon eine lange Küstenstrecke ge⸗ habt; durch die Erwerbung von Schleswig⸗Holstein ist sie noch ver⸗ größert worden. Wenn wir keine Flotte haben, sind die Küsten ge⸗ fährdet, ich spreche garnicht vom Handel und Verkehr. Zum Schutz der Küsten müßten wir ohne Flotte einen bedeutenden Theil des Heeres abgeben. Jemand, der von der Bedeutung der Flotte so gering denkt, der follte doch nicht vergessen — das ist . n der Erinnerung der älteren rren —, welche erbärmliche Rolle der Deutsche Bund gespielt hat gegenüber Dänemark, weil wir keine Schiffe besaßen und Dänemart nicht da angreifen konnten, wo es verwundbar ist, in Seeland und Kopenhagen; der sollte sich lediglich vom militärischen Standpunkt aus überzeugen, daß eine leistungsfähige Flotte für uns auch vom militärischen Standpunkt aus von der größten S. ist. Die Hansestädte haben das eingesehen; sie haben sich gesogt, da e nicht mit der Diplomatie allein auskommen können; sie haben einen starken Schutz zur See gehabt. Eine einzige dieser Städte hat die Möglichkeit besessen, mit einem nordischen Königreich allein Krieg zu führen. Das Gefühl dafür wird auch bei uns immer mächtiger werden, und ich denke, wir werden uns nicht immer bloß auf unser Landheer verlassen. Was die lotte, wenn P- nicht die großen Panzer, die in den heimischen ewässern bleiben ollen, be⸗ deutet für unsere auswärtige Politik, für unsere wirthschaftlichen Inter⸗ sen, für das ganze Gefubl, welches die Angehörigen einer großen ation im Verhältniß zum Ausland haben müssen, ist uns von dem Vertreter des Auswärtigen Amts nachgewiesen, sodaß es kaum nöthig ist, darüber viel Worte zu verlieren. Es bandelt sich nicht allein um die Leute, die im Ausland als Abenteurer 18 umher⸗ treiben; es giebt auch Angesiedelte mit berechtigten wirthschaftlichen
Interessen, welche den Schutz der Heimath verlangen können. Aber
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ist ni Wesentliche. Unsere B“ beruhen auf der Heimath. Die roßen Handelshäuser, welche die Schiffe aus⸗ rüsten, sind in Deutschland etabliert. Unsere Interessen erstrecken sich auf alle Gebiete, auf halb⸗ und unzivilisierte Gegenden. Dafür müssen wir unter Umständen auch den Schutz der Kreuzer haben. Es hat eine Zeit gegeben, wo unser Handel ein recht erheblicher war, und wo dieser Schutz nicht vorhanden war; fragen Sie die Kaus⸗ leute, welche Zustände damals herrschten. Im allerbesten Falle mußten die deutschen Interessen unterkriechen bei irgend einem anderen euro⸗ päischen Lande, welches in jenen Gegenden Schiffe besaß und dadurch einen starken Einfluß ausübte. Es st einer großen Nation unwürdig, auf die Dauer angewiesen zu sein für Lebensinteressen auf den guten Willen und den Schutz einer anderen Nation. Wenn unsere Schiffe sich nicht haben senden lassen, wenn wir uns dann an eine fremde Macht wenden, so können leicht Verstimmungen maßgebend sein. Ich wünsche, . wir mit England in guten und freundschaftlichen Ver⸗ hältnissen bleiben. Aber neben diesen guten politischen Verhältnissen kann sehr wohl nebenhergehen, daß man die Entwickelung unserer Industrie mit scheelen Augen ansieht. Deutschland ist ein so bedeutender Kon kurrent Englands geworden, daß wir es begreiflich finden werden, wenn wir bei den Engländern eine besondere Neigung, uns Hilfe zu leisten, nicht mehr finden. In England hat man das „made in Germany- erfunden, um unsere Industrie zu schädigen, und die Folge ist gewesen, daß diese Parole sich als gegen England gerichtet erwiesen hat. Das beweist, wie Recht England hat, eifersüchtig zu sein auf die schnell sich vollziehende Entwicklung unseres Handels und unserer Industrie. Eine große Nation muß die Kraft haben, ihre Interessen selbst zu schützen zu Hause und draußen, und wenn wir dazu eine Flotte gebrauchen bei den unruhigen und wechselnden Verhältnissen über dem Meere, dann werden wir uns die Flotte bewahren und schaffen müssen, die dazu erforderlich ist, innerhalb der Leistungsfähigkeit unserer Finanzen. Wir werden also im nächsten Jahr an die Er⸗ örterung herantreten bei der angekündigten Vorlage wegen Vermehrun der Kreuzerflotte. Jetzt eingehend mi darüber zu äußern, wäre doch unrichtig. Den Plan kennt niemand, auch die Regierung nicht; wir kennen nicht die erforderlichen Geldmittel, wir wissen nicht, in welcher Zeit der Plan durchgeführt werden soll. Das bedarf Alles noch der gründlichen Erwägung. Unter diesen Umständen kann ich namens meiner Freunde weiter nichts erklären, als daß, wenn solche Vorlagen gebracht werden, wir sie sorgfältig und unbefangen prüfen und das bewilligen werden, was erforderlich ist und die Leistungsfähigkeit unserer Finanzen nicht übersteigt. Ich hoffe auch vom Reichstag, daß, soweit ein solcher Nachweis geführt ist, der Reichstag sich den ver⸗ bündeten Regierungen nicht versagen wird.
Abg. Rickert (fr. Vgg.): Ich habe schon früher den Wunsch ausgesprochen, daß unsere Werften möglichst gleichmäßig beschäftigt werden, daß keine Sprünge gemacht werden in den Herstellungen. Ich möchte den Herrn Staatssekretär bitten, uns heute oder morgen eine Uebersicht über den Stand der Arbeiten auf den einzelnen Werften zu geben, wie das in früheren Jahren geschehen ist. Wie gedenkt ferner die Marineverwaltung die Bauten zu vertheilen auf die Privat⸗ werften und die Kaiserlichen Werften? In Bezug auf den Flotten⸗ plan kann ich nur meine volle Zustimmung zu erkennen geben. Wir haben immer verlangt, daß wir nicht ins Blaue hinein arbeiten follen. Unter dem Regime Stosch wußten wir, woran wir waren, es bestand ein fester Plan. Dann kam eine Zeit lang alle Augen⸗ blicke eine Aenderung. Aenderungen der Technik müssen natürlich berücksichtigt werden; da sind die augenblicklichen Verhältnisse maß⸗ gebend. Der jetzige Staatssekretär des Marineamts war Mitarbeiter des Herrn von Stosch; er kennt die damals befolgten Grundsätze. Ich wünsche, daß es dem Staatssekretär gelingen möge, einen Plan nicht bloß aufzustellen, sondern auch durchzuführen innerhalb der engen Grenzen, welche Herr von Stosch innegehalten hat.
Staatsekretär des Reichs⸗Marineamts Vize⸗Admiral Hollmann:
Der Herr Abg. Rickert hat an mich die Frage gerichtet, wie viel Arbeiter auf den Kaiserlichen Werften Beschäftigung finden. Es sind insgesammt augenblicklich rund 11 900, wovon 5844 in Wilhelms⸗ haven, 4389 in Kiel und 1628 in Danzig Beschäftigung finden. Ich nenne die Zahlen wie ich sie hier in meinen Notizen finde; sie werden natürlich um einige differieren; in diesen kleinen Grenzen können wir uns natürlich nicht halten. Es ist also ein Arbeiterzuwachs gegen das Vorjahr zu verzeichnen. Wir haben — ich weiß nicht, ob Herr Rickert darauf Bezug nimmt — wir haben in den letzten Tagen einige Arbeiter von der Werft Kiel entlassen müssen, weil die Winterarbeiten abgeschlossen sind. Diese bestehen aus Repara⸗ turen, die an den Schiffen der Manöverflotte vorgenommen werden. Die Neubauten bieten uns noch nicht Gelegenheit zur An⸗ stellung von allen Arbeitern. Die Zahl der zu entlassenden Arbeiter ist nur verhältnißmäßig gering; es sind bis jetzt einige 40, und es werden sich vielleicht noch einige anschließen.
Wir haben ein Abkommen getroffen mit der „Germaniawerft“, die unsere Nachbarin in Kiel ist, und werden ihr 200 Arbeiter überlassen, die wir wieder zurücknehmen, sobald der Bau, der „Ersatz Leipzig“, soweit vorgeschritten ist, daß wir mehr Arbeiter einstellen können.
Was nun die Vertheilung der in Aussicht genommenen Schiffs⸗ bauten auf die Werften betrifft, so haben wir in Absicht, den „Ersatz Friedrich der Große“ auf der Kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven im Bau zu geben. Dort wird schon der „Ersatz Preußen“ gebaut, das gleiche Schiff wie „Friedrich der Große“. Wir erzielen dadurch eine Abkürzung der Bauzeit, weil es ja einfacher ist, einen Bau zu wiederholen als einen ganz neuen zu beginnen. Ferner erzielen wir auch hoffentlich dadurch eine Ersparniß, weil ja die vorhandenen Modelle aller Art in Gebrauch genommen werden können und die Vorbereitungen, die für „Preußen“ getroffen waren, auch „Friedrich dem Großen“ zu Gute kommen werden. Dann haben wir zwei Kreuzer zweiter Klasser in Antrag gebracht, die hoffentlich auch bewilligt werden, so wie die Sache verläuft, und wir werden den einen davon auf der Werft in Danzig in Bau geben, wo bereits ein Kreuzer zweiter Klasse in Bau ist, und den anderen einer Privatwerft übergeben, und zwar wahr⸗ scheinlich einer derjenigen Werften, die einen derartigen Kreuzer schon im Bau haben. Der Bau des Kreuzers vierter Klasse wird wahr⸗ scheinlich auch Privatwerften übergeben werden, ebenso wie der Bau der Torpedoboote.
Daß Herr Rickert unsere Absicht, den Plan vorzulegen, mit Freuden begrüßt, hat mich mit großer Genugthuung erfüllt und ich will ihm das Versprechen geben, daß, soweit mein Einfluß reicht, diejenigen Bausummen, die eingestellt werden müssen, nicht überschritten werden.
Darauf wird um 5 Uhr die weitere Berathung kauf Donnerstag 1 Uhr vertagt. “