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möglicherweise abzuleitenden Vorwürfen zu begegnen, gegen die ich in
allem Ernst die Kanalverwaltung in Schutz zu nehmen habe, müssen Sie
mir schon gestatten, Ihnen mit wenigen Worten den Hergang klarzulegen.
Die Initiative zur Anschüttung beruht auf einem ausdrücklichen Antrag des Reichs⸗Marineamts. Dasselbe wendete sich an das Reichs⸗ amt des Innern mit dem Antrag: es möge der Boden, der bei Projensdorf zur Herstellung des Kanalbettes ausgehoben werde, an der
Ihnen bekannten Stelle der Kieler Bucht abgelagert werden, um der Marine auf diese Weise Strandgrundstücke zu verschaffen, auf deren
Besitz sie aus mancherlei Rücksichten der Verwaltung Werth zu legen 5
habe. Als dieser Antrag bei uns einging, habe ich mir sagen müssen,
aß sdie Kanalverwaltung keine Veranlassung habe, der Marine⸗ verwaltung für ihre Zwecke aus dem Kanalbau nicht sich recht⸗ fertigende Opfer zu bringen, daß also die Marineverwaltung, wenn auf ihren Antrag eingegangen werden solle, zunächst die Verpflichtung übernehmen müsse, die Mehrkosten, welche durch die Fortschaffung des Bodens nach der Stelle, an der die Anschüttung erfolgen sollte, entstehen würden, zu ersetzen. Sodann aber kam der Gesichtspunkt dabei in Betracht, daß es nicht allein nicht kollegialisch, sondern auch den Reichsinteressen direkt zuwider gewesen sein würde, wenn man der Marineverwaltung nicht hilfreiche Hand geleistet hätte bei der Erfüllung ihres Wunsches, in den Besitz von Grundstücken zu gelangen, die sie für ihre Zwecke dringend zu gebrauchen angab. Diese Erwägungen führten zu einer Korrespondenz, deren Ausgang der war, daß ich mich bereit erklärte, die Anschüttung vorzunehmen mit dem auszuhebenden Boden, und daß die Marineverwaltung sich bereit er⸗ klärte, die Mehrkosten zu ersetzen, sobald der Reichstag die Bewilligung der entsprechenden Summe ausgesprochen haben werde. Nun hätte man ja als vorsichtiger Hausvater mit der Aushebung und Fortschaffung des Bodens so lange warten müssen, bis der Reichstag die Bewilligung ausgesprochen haben würde, dann wäre aber der Kanalbau an der betreffenden Stelle ins Stocken gerathen, und die Marineverwaltung wäre nicht so früh in den Besitz der Grundstücke gelangt, wie sie es zu kommen wünschte. Außerdem aber kam dabei in Betracht, daß, nachdem die Marine mir eingehend dargelegt hatte, aus welchen guten Gründen und Rücksichten sie den Besitz der Grundstücke wünsche, ich gar keinen Zweifel darüber haben konnte, daß auch der Reichstag diesen guten Gründen sich demnächst nicht verschließen werde.
Nun liegt die Sache meines Erachtens so: es sind Grundstücke genommen, die für die Marineverwaltung nutzbar sind, auf deren Besitz sie Werth legt, und diese Grundstücke sind hergestellt auf Kosten der Kanalverwaltung, die thatsächlich und rechnungsmäßig nicht die Verpflichtung hat, die Kosten der Herstellung zu tragen. Der Reichssiskus ist ja freilich ein und derselbe, und ob der Reichs⸗ siskus qua Kanalverwaltung oder der Reichsfiskus qua Marine⸗ verwaltung die Kosten trägt, ist materiell ziemlich gleichgültig. Aber einmal würde der Rechnungshof es nicht billigen, daß wir aus einem
zuständigen Etat die Kosten verrechnen, die zu Lasten eines eren geschrieben werden müssen; sodann aber habe ich allerdins egen, daß in r Kanalbaurechnung keine
welche nicht unmittelbar durch den Kanalbau
mit positiver Bestimmtheit sagen. Wir sind beschäftigt, einige Nachbeschaffungen, einige Nach⸗ es schweben auch noch einige Rechtsstreite in zal, deren Ausgang nicht mit Sicherheit vorherzu⸗ fehen ist. Ich hoffe aber, daß die Summe, die ich im vorigen Jahre als diejenige bezeichnete, mit der die Kanalkosten hinter dem Anschlag urückbleiben würden, nicht wesentlich verändern wird, so aß wir also Ersparnisse bei dem Kanalbau machen
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immer noch besserungen zu m Bezug auf den K
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werden. Freilich werden diese Ersparnisse um 165 000 ℳ geringer werden, wenn der Reichstag demnächst, wenn ich im nächsten Jahre wiederkomme, auch dann diese Forderung ablehnen sollte. Ich glaube der Reichstag wird sie nicht ablehnen; denn, wie gesagt, der Fiskus wird auf jede Weise gleich belastet, man mag das Geld aus er anderen T en, und rechnungsmäßig richtig ist
er Marine entnimmt. Ich hoffe,
diese Bewilligung aussprechen
„und was ich dazu m die Ueberzeugung beizubringen, That diese 8 ie Mehrkosten gegenüber einer
darstellen, das soll geschehen. schon jetzt, daß wir garnicht nöthig
ain zu Zwecken der Ablagerung
Boden abzulagern; dazu hatten
unserm Rittergut Projensdorf, das
ushub bedenken, und wir würden damit vie
ir uns nicht so entgegenkommend gegen
Jahr den Antrag der Budget⸗
kommission anzune auf ein gnädiges und geneigtes zr, wenn ich im nächsten Jahre wiederkomme. (Heiterkeit.)
Die Position wird abgelehnt.
Gestrichen werden soll nach dem Antrage der Budget⸗ kommission die erste Baurate für ein Trockendock in Kiel in llion Mark.
Abg. Dr. Lieber erklärt, daß die Kommission die
s anerkenne, aber die diesmalige große
84 rineverwaltung verhindere es, daß die Bewilligung ssekretär des Reichs⸗Marineamts, Vize⸗Admiral
die Forderung noch einmal be die Jahre vorher, udgetkommission schon Ich freue mich, daß das Be⸗ die Herren mit mir über⸗ men, wenn ich Ihnen sage: im nächsten Jahre muß diese z wieder erscheinen. (Heiterkeit.)
Dr. Hasse (nl.) erklärt sich gegen die Streichung weil seit der Berathung der Budgetkommission sich Lage des Reichs erbeblich verbesserr habe und schließt
er die Bewilligung der Forderung empfehle.
Der Titel wird gegen die Stimme des Abg. Dr. Hasse abgelehnt.
Damit ist der Marine⸗Etat erledigt.
Es folgt der Etat des allgemeinen Pensionsfonds, wozu ein Antrag der Abgg. Augst und Genossen (fr. Volksp.) vorliegt:
die Reichsregierung das Ersuchen zu stellen, auf eine Ab⸗
der die
der Offiziers⸗Pensionierungen hinzuwirken und
insbesondere Pensionierungen von Offizieren nicht aus dem Grunde eintreten zu lassen, daß ein Offizier, welcher sich für seine bisherige Dienststellung als genügend befähigt erweise, für die nächst höhere Dienststellung nicht geeignet erscheine,
Abg. Haußmann (fr. Volksp.): Der Pensionsfonds wächst mit rapider Schnelligkeit an; er ist in wenigen Jabren von 48 auf 84 Millionen Mark gestiegen, und die Zahl der pensionierten Offiziere hat sich nahezu um 100 % vermehrt. Die Vermehrung der Pen⸗ sionierungen ist eine Folge der Vermebrung der Offizierstellen infolge der Heeresvermehrung, ferner eine Folge der Besserstellung der Pensionäre, weil bei der Anstellung der im Kommunal⸗ und Privatdienst eine Kürzung der Pension nicht mehr eintritt. Es verletzt das Rechtsgefühl des Volks, wenn die Pensionäre neben ihrer Pension ein auskömmliches Gehalt beziehen. Es besteht auch Klage darüber, daß die Pensionierung der Militärpersonen aus unzureichenden Gründen erfolge, während die Offiziere noch vollkommen dienstfähig seien. Ein aktiver Offizier hat mir mit⸗ getheilt, daß auch in der Armee der große Umfang der Pen⸗ sionierungen Unwillen erregt hat. In der bayerischen Abgeordneten⸗ kammer ist festgestellt worden, daß den Offizieren vielfach eröffnet wurde, sie würden in die nächsthöhere Stelle nicht mehr aufrücken, was einen Rath zur Einreichung des Hensecesgefnch bedeute. Es sind sogar Offiziere für den Felddienst unfähig erklärt worden, die nicht nur nichts davon wußten, sondern sogar schon für ihr erwartetes Avancement eine Gesellschaft zur Feier eingeladen hatten. Die Kriegs⸗ verwaltung fragt diese für Felddienst unfähig erklärten Leute, z. B. die an der „Majorsecke“ gescheiterten, ob sie für den Fall eines Krieges bereit seien, als Major einzutreten. Früher erhielten die Offiziere von ihrer Qualifikation Kenntniß, das ist jetzt nicht mehr der Fall. Und welche Gründe werden als maßgebend betrachtet dafür, daß ein Offizier nicht mehr haltbar ist in der Truppe! Dadurch werden die Offiziere veranlaßt, geschmeidig nach oben zu sein, und die charaktervollen Offiziere verschwinden immer mehr. Das Beschwerderecht der Offiziere ist schlechter gestellt als das der gemeinen Ssldaten. Sie sind voll⸗ ständig rechtlos ihren Vorgesetzten preisgegeben in Bezug auf ihre Qualifikation. Woran liegt es, daß die Offiziere sich in immer füngeren Jahren pensionieren lassen müssen? Man will Platz schaffen für ein besseres Avancement für die viel zu große Jaht der Offiziere der anderen Klassen. Man sollte an die Stelle der Lieutenants mehr die Unteroffiziere stellen, welche doch im Kriege vielfach Offiziersdienste verrichten; warum läßt man nicht die Unter⸗ offiziere ihre Carrière mit der Lieutenantsstellung abschließen? Ferner müßten zur Entlastung des Pensionsfonds die jungen Offiziere, welche sich offenkundig nicht eignen für die militärische Carrière ohne Pensio⸗ nierung abgeschoben werden, damit sie sich bei Zeiten einem anderen Beruf zuwenden können. Die jetzige Abschließung des Offizierkorps nicht nur von der bürgerlichen Bevölkerung, sondern auch von den Unteroffizieren würde dann aufhören. Diese Abschließung ist ein Widerspruch mit der Vorstellung, daß unsere Armee ein Volk in Waffen ist. Die Kriegsverwaltung freilich wird sich mit einem solchen Gedanken ebenso wenig befreunden wollen, wie sie sich mit der zwei⸗ jährigen Dienstzeit befreunden konnte. Aber eine solche Reform würde gleichzeitig den Interessen der Armee und des Volkes entsprechen.
Abg. von Schöning (dkons.): Ich bin immer unter dem Bei⸗
fall des Hauses dafür eingetreten, daß den Pensionären ihre Pension nicht gekürzt werden möge, und Herr Haußmann verlangt das Gegen⸗ theil. Dafür fehlt mir das rechte Verständniß⸗ Die Abschiebung junger Offiziere empfiehlt der Vorredner. Ziethen wurde zweimal entlassen und ist später ein großer General geworden.
General⸗Lieutenant von Spitz: Herr Haußmann hat sich als ein so tiefer Kenner dessen, was für die Armee nöthig ist, dargethan, daß ich ihm nicht folgen kann. Er tadelt die Wiedereinberufung invalider und halbinvalider Offiziere im Kriegsfall, wo doch schließlich Alles heran muß. Er verlangt die Einführung des Troupiersystems, um welches wir andere Armeen nicht beneiden. Der Vorredner wird für seine Ideen keine Anhänger finden bei denen, die Kenner dessen sind, was für eine schlagfertige Armee nöthig ist. Der Vorredner wirft die Offiziere und die Militärbeamten zu⸗ sammen; die Statistik ergiebt aber, daß die Vermehrung der Pensionierungen bei den Beamten der Zivilverwaltung sowohl wie bei den Militärbeamten sehr viel stärker ist, als bei den Offizieren. Bei der Post namentlich war die Steigerung zu erklären daraus, daß die Unterbeamten schon meist ältere Leute, Militäranwärter sind. Aber bei den anderen Zivilverwaltungen sind die Beamten meist böhere Beamten, und troßdem sind die Pensionierungen größer als bei den Offizieren. Die Behauptung, daß sogar Lieutenants entlassen würden, um für die Avantageure Platz zu schaffen, wird in der Armee großes Staunen erregen. Man vergißt ganz, daß von Mannschaften zahl⸗ reiche junge Leute entlassen werden müssen, weil sie nicht dienst⸗ fähig sind. Bei den Lieutenants stellt sich oft heraus, daß sie nicht ganz dienstfähig sind. Namentlich treten vielfach Herzleiden, Brüche, Kehlkopfleiden u. s. w. hervor bei Leuten, die sonst ganz gesund er⸗ scheinen. Die Einführung des Troupiersystems würde ein Nachtheil für die Schlagfertigkeit der Armee sein, sie würde aber den Pensions⸗ fonds nicht entlasten.
Abg. Haußmann: Herr von Schöning hat mich absolut mißverstanden; ich wollte keinem Invaliden die Pension verkürzen. Herr von Spitz hat die Hauptfrage umgangen und sich von oben herab über mich unerfahrenen Laien ausgesprochen. Ich bin kein Kenner, aber das, was ich vorgetragen, habe ich von aktiven Offizieren, die es ernst mit dem Wohl der Armee meinen. Die Hauptsache ist die: Nimmt in der Regel der Offizier seinen Abschied dann, wenn er sich für eine höhere Stellung nicht qualifiziert? Man sollte das Prinzip offen einführen, aber nicht einen Umweg machen, indem man die Offiziere durch ärztliche Atteste für felddienstunfähig erklärt. Für die Armee von 1870 galt noch nicht das System der Verjüngung, welches gegenwärtig durchgeführt wird. Der Hinweis auf die Zivilverwaltung paßt nicht, weil man nicht die Altersverhältnisse der Beamten bei der Pensionierung berücksichtigt hat. Es giebt viele Unteroffiziere, die intelligenter sind als die Offiziere, die man jetzt ab⸗ stoßen muß.
habe auch jetzt meiner
In der ganzen preußischen
2 Offizierkorps sehr ver⸗
gut geschlagen, und
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General⸗Lieutenant von Spitz: Ich Antwort von vorhin nichts hinzuzufügen. In Armee ist es bekannt, daß 1866 das preußisch jüngt worden war; deshalb hat sich die Armee so 1870 war dasselbe der Fall.
Gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozial⸗ demokraten wird der Antrag Augst abgelehnt; der Etat des Pensionsfonds wird genehmigt; ebenso der Etat des Reichs⸗ Schatzamts.
Beim Etat der Reichsschuld weift
Abg Singer (Soz.) darauf hin, daß im vorigen Jahre die Kon⸗ vertierung angeregt worden sei, und fährt dann fort: Die verbündeten Regierungen haben sich damals freie Hand vorbehalten, aber bis jetzt die günstige Lage des Geldmarkts nicht benutzt, trotzdem es sich um eine Zinsenersparniß von 8 ½ Millionen Mark handelt. Man führt die armen Wittwen und Waisen, die Stiftungen, ja überhaupt den ganzen Mittelstand an, der durch die Konvertierung geschädigt würde. Der Mittelstand hat wohl andere Sorgen, als die Anlage von Kapitalien in Staatspapieren. Die Zinsen werden gezahlt aus den Steuern der breiten Massen des Volkes; die Armen bezahlen die Zinsen für die Reichen. Wenn die Einzelstaaten die Konvertierung ecbenfalls vornehmen, so werden keine erheblichen Ersparnisse erzielt werden. Ich will hoffen, daß die Regierung sich nach dieser Anregung nicht mehr ablehnend verhalten wird.
Abg. Meyver⸗Danzig (Rp.): Nachdem die Regierung gegen den Antrag Kanitz hauptsächlich geltend gemacht hat, daß die Ursache der Nothlage der Landwirthschaft die Verschuldung sei, hoffe ich, daß sie der Konvertierung geneigt sein wird. Ich werde nach Ostern die Konvertierung der Reichsanleihe auf 3 % beantragen.
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Ich habe nicht den Muth, meine Herren, bei der vorgerückten
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Zeit Sie noch mit einer langen Rede zu belästigen, um so weni als, wie es scheint, ich nach der Vertagung dieses hohen 8 Gelegenheit haben werde, mich über die Konverti vs 8 8989 b 4 lvertierungsfrage in Anknüpfung an den von dem Herrn Abg. Meyer (Danzig) uns in Aussicht gestellten Antrag noch näher zu äußern. Ich will xs meinen ganz formalen Standpunkt kurz berühren. Es sst 8 zweifelhaft, daß zu einer Konvertierung der Reichsanleihen 8 Gesetz nöthig ist. Zu einem derartigen Gesetz müssen wir n die Zustimmung der verbündeten Regierungen haben, und es ist nahe⸗ liegend, daß diejenigen Regierungen, die sich selbst noch nicht haben entschließen können, mit der Konvertierung vorzugehen, auch n Bundesrath ihre Zustimmung nicht ertheilen werden 8 einer Konvertierung der Reichsanleihen. Denn sie werden sich natürlich sagen, daß, sobald die Reichsanleihen kon⸗ vertiert würden, selbstverständlich die Konvertierung ihrer eigenen Anleihen eine zwingende Nothwendigkeit sein würde Ich glaube also, meine Herren, der Schwerpunkt für eine Konvertierung liegt vielmehr in den Einzelstaaten wie im Reich (sehr richtig!) — um so mehr, meine Herren, als Preußen den siebenfachen Betrag an 4 prozentigen, Bayern den dreifachen Betrag und Preußen den 2 ⅞ fachen Betrag an 3 ⅞ꝙprozentigen Schuld⸗ titeln wie das Reich besitzt. Meine Herren, die Frage ist ja vor kurzem in einem Einzellandtage behandelt worden; man hat dort zwar eine Resolution gefaßt, welche die Regierung auffordert, möglichst bald, sobald der Geldmarkt es gestattet, mit der Konvertierung der hochverzinslichen Staatsschuldscheine vorzugehen. Aber man hat dabei ganz ausdrücklich betont, daß das ein so verantwortlicher Schritt wäre, daß für ihn der geeignete Augenblick nur von der Regierung selbst nach Maßgabe der momentanen Konjunkturen gewählt werden könne. (Sehr richtig!) Meine Herren, das wäre auch ein richtiger Standpunkt, wenn das hohe Haus ihn annehmen wollte.
Nun möchte ich hier noch die Gelegenheit ergreifen, zum eine allgemeine Bemerkung anzuknüpfen. Wir haben eine Zeit gebabt, wo es Manchem schien, als ob aus England ein Theil unserer Schuld⸗ titel nach Deutschland zurückströmen wollte, und ängstliche Gemüther sahen darin eine Gefahr für den Kurs unserer Anleihen. Meine Herren, zunächst, glaube ich, wird der Betrag, der im Auslande an Schuldtiteln des Reichs in Umlauf ist, ganz außerordentlich über⸗ schätzt. Ferner war die Befürchtung aber auch unbegründet. End⸗ lich glaube ich, könnten wir solchen finanziellen Krebsen mit größter Ruhe entgegensehen. Wir sind wohlhabend genug, um sie zu be⸗ zahlen, unsere Konstitution ist stark genug, um sie auch zu verdauen und wir können es nur freudig begrüßen, wenn unsere Reichsanleihen möglichst ihren Markt im Vaterland selbft finden (Bravo!)
Um 6 Uhr wird darauf die weitere Berathung bis Freitag 1 Uhr vertagt. 8
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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 46. Sitzung vom 19. März 1896
Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des
Gesetzentwurfs, betreffend die Regelung der Richter⸗ gehälter und die Ernennung der Gerichts⸗Assessoren
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Der Gesetzentwurf, dessen erste Lesung un beschäftigen soll, bezweckt die Ausdehnung des Dienstaltersstufensvstems auf die höheren Justizbeamten. Nachdem die Königliche Staats regierung in Uebereinstimmung mit beiden Häusern des Landtags sich für die Einführung dieses Systems in allen anderen Verwaltungs⸗ zweigen entschieden hat, und zwar in Anerkennung der Vorzüge, die dasselbe sowohl für den Staat wie für die einzelnen Beamten bietet — für die letzteren insonderheit im Hinblick auf die Sicherheit in finanzieller Beziehung und auf den Ausgleich der etwa vorhandenen Verschiedenheiten zwischen den Bezügen gleichaltriger Beamten — hat es eigentlich nur eine Frage der Zeit sein können, wann dies Gesetz auch auf die Beamten des höheren Justizdienstes auszudehnen sein würde, und es würde an sich nicht der Rechtfertigung bedürfen, daß diese Vor⸗ lage an den Landtag gebracht wird, sondern nur, weshalb sie nicht schon früher gebracht worden ist. Meine Herren, die Hinder⸗ nisse, die einer früheren Einbringung des Entwurfs entgegengestander haben, sind Ihnen ja nicht unbekannt. Sie beruhen darin, daß für die richterlichen Beamten die Sachlage eine andere war wie für di Verwaltungsbeamten, daß für sie ein neues Gehaltssystem nicht ander eingeführt werden konnte als mittelst eines Spezialgesetzes, und nicht bloß im Wege der jährlichen Etatsfeststellung, daß ferner für die Staatsanwalte, die mitbetheiligt sind, eine Aenderung nicht wohl vor⸗ genommen werden konnte, weil dieselben bisher im übrigen mit der Richtern vollkommen gleichgestellt waren und ein lebhafter Wechsel zwischen Staatsanwaltschaft und Richtern stattfindet, der es absolnt ausgeschlossen erscheinen läßt, eine ungleichmäßige Behandlung in Bezug auf die Gehaltsfrage bei diesen beiden Kategorien eintreten zn lassen.
Meine Herren, die gesetzlichen Hindernisse, welche einer Aenderun des bestehenden Rechtszustandes im Wege der Etatsfeststellung it entgegenstellen, sind Ihnen bekannt. Sie beruhen darin, daß dur den § 9 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz und durch die in Erledigung dieses Paragraphen erlassene, mit Gesetzes⸗ kraft ausgestattete Verordnung vom 16. April 1879 die Grundsöße nach denen die Gehälter im Justizdienst sich bestimmen, festgelegt sind sodaß eine gesetzgeberische Thätigkeit nothwendig ist, um an diesen Grundsätzen etwas zu ändern. .
Hinzu kam die Schwierigkeit, die sich aus der außerordentlich verschiedenartigen Gestaltung, die die Gehaltsverhältnisse in den rer schiedenen Provinzen genommen haben, für die Staatsregierung von finanziellen Gesichtspunkt aus ergab. Sie wissen, meine Herren, daß, während für die höheren Justizbeamten, für die & überhaupt eine aufsteigende Gehaltsskala giebt, also f die Landgerichts⸗Präsidenten, die Ober⸗Staatsanwalte, die Senats⸗ Präsidenten, die Ober⸗Landesgerichts „Räthe und Landgerichts⸗ Direktoren, ebenso für die Ersten Staatsanwalte und Staatsanwalte es einheitliche Gesammtverbände giebt, die die gesammte Monarchit umfassen, für die Mitglieder der Landgerichte und Amtsgerichte aber diese Verbände sich anschließen an die Bezirke der Ober⸗Landes gerichte. 8 .
Die Eründe, die zu einer solchen Regelung der Gehaltsfestsekuns
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baben, waren doppelter Art. Einmal sagte man, es würde großen geschäftlichen Schwierigkeiten verbunden sein, die Ge⸗ er Land⸗ und Amtsrichter der Monarchie, die beinahe die Zahl *n 4900 erreichen, in einem großen Etat zusammenzuwerfen. Sodann S man durch eine Scheidung nach Bezirken zu erreichen, daß ein buffe Ausgleich stattfinde bezüglich der mit äußeren Vorzügen und graehmlichkeiten weniger günstig ausgestatteten Bezirke im Ver⸗ bälniß zu den günstiger gelegenen, und zwar dahin, daß in vesen weniger bevorzugten Bezirken ein rascheres Aufsteigen z„ Gehälter stattfinden, eine frühere Anstellung sich ermöglichen lassen vde, sodaß in diesen Bezirken die Herren günstiger gestellt sein würden, ze in den schöneren und deshalb gesuchteren Bezirken. Diese Er⸗ antung ist nicht eingetreten; sie hat sich sogar zum theil in das Fzegentheil verkehrt, und, wie Sie aus der Begründung des Entwurfs ben, stehen jetzt oben an in Bezug auf die Gestaltung der Gehalts⸗ anbältnisse die auch im übrigen bevorzugten Bezirke des Ober⸗ endesgerichts Köln und des Kammergerichts, während andere, wie B. Stettin und Hamm, in Hinsicht der Gehälter ganz erheblich urgen zurückstehen, obgleich sie sich sonst mit jenen anderen Bezirken üt wohl vergleichen können. Es hat das zu ganz auffälligen Ver⸗ zedenheiten geführt, die zum theil jeder inneren Berechtigung ent⸗ zren. Ich brauche in der Beziehung nur aufmerksam zu machen jdie Unterschiede, die zeitweise hervorgetreten sind in den Bezirken Filn und Frankfurt am Main, wo vielfach der Rhein die Grenze der iderseitigen Bezirke bildet. Es ist hier soweit gekommen, daß auf em linken Rheinufer der Amtsrichter in einer gewissen Altersstufe in Mehrgehalt von 900 ℳ hat im Vergleich mit dem gegenüber wohnenden, gleichaltrigen Amtsrichter auf der rechten Seite. So kann e Amtsrichter in St. Goar 900 ℳ mehr haben wie der in 3t. Goarshausen, derjenige in Koblenz 900 ℳ mehr wie der in Förenbreitstein oder Neuwied, derjenige in Andernach 900 ℳ mehr ee der in Linz, obgleich von einer Verschiedenheit in den Verhält⸗ iFm und in den Ansprüchen der Lebenshaltung absolut nicht ge⸗ rrochen werden kann.
So ist also der Zweck, den man bei dieser Regelung im Auge gtte, nicht erzielt worden; es sind viele Verschiedenheiten hervor⸗ ztreten, die einen Grund zu lebhafter Klage gebildet haben, aller⸗ ings selbstverständlich nicht aus denjenigen Bezirken, die durch eise Regelung bevorzugt worden, wohl aber aus schlechteren Bezirken, zbbesondere dem Ober⸗Landesgerichtsbezirk Kiel, und ich meine, daß z diesen Bezirken wiederholt hier im Hause das Verlangen laut zworden ist, mit diesem System aufzuräumen und die Gleichstellung er Richter in allen Bezirken und Provinzen herbeizuführen.
So, meine Herren, hat sich für die Justizverwaltung aus diesen Pabhältnissen ein besonderer Anlaß ergeben, nicht länger mit der Ein⸗ üöwung des Dienstaltersstufensystems auf diese Kategorie von Beamten warten.
Meine Herren, es ist ja unverkennbar, daß die Einführung ins solchen neuen Systems mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich ningt, daß diejenigen, die dadurch in eine bessere Situation hinein⸗ ummen, ihr anders gegenüberstehen als diejenigen, die sich ver⸗ shlechtern wenigstens in ihren Hoffnungen, nicht in ihren augen⸗ llcklichen Bezügen, — denn von einer solchen Verschlechterung kann rricht die Rede sein —, sodaß an dem Entwurf auch schon vom in finanziellen Standpunkt aus eine sehr schwierige Aufgabe zmmntritt. Die Staatsregierung hat sich nach Kräften bemüht, den üetwurf in Verbindung mit dem Ihnen vorgelegten Besoldungsplan, n. ja in untrennbarem Zusammenhange mit dem Entwurf selbst heit, so zu gestalten, daß die möglichen Beschwerden vom finanziellen Lundpunkt aus auf ein Minimum reduziert werden können.
Ich selbst, meine Herren, war zu Anfang davon ausgegangen, h es eine nothwendige Vorbedingung der Einbringung eines solchen ürwurfs sei, das Minimalgehalt der Richter erster Instanz, dessen mulänglichkeit ja allseitig anerkannt wird, zu erhöhen. Ich habe mich vr im Laufe der Verhandlungen überzeugen müssen, daß zi dieser Gelegenbeit eine solche Erhöhung nicht nur niht durchzusetzen war, sondern auch billiger Weise nicht ver⸗ ürgt werden konnte, weil dadurch berechtigte Klagen in allen erigen Verwaltungszweigen hervorgerufen sein würden, bei denen un⸗ mückt an dem Standpunkt festgehalten worden ist, daß eine Er⸗ sizung der Gehälter bei der Einführung dieses Systems absolut aus⸗ gihlossen sei, daß sowohl das Minimal⸗ wie das Maximalgehalt mrerändert bleiben müssen, daß der Gesammtaufwand ebenfalls im rrjentlichen festgehalten werden müsse und nicht erhöht werden dürfe.
Tootzdem, meine Herren, ist es mir gelungen, in dem vor⸗ legenden Entwurf die Zustimmung des Herrn Finanz⸗Ministers dazu gerlangen, daß eine allerdings nicht sehr erhebliche, aber doch nicht
Fübrh An ür d
1b anz wegzuwerfende Erhöhung des Gesammtaufwandes für die be⸗
theiligten Beamten erzielt worden ist. Die Finanzverwaltung hat mer zugestimmt, recht erhebliche Opfer zu bringen durch Uebergangs⸗ stimmungen, welche den Zweck haben, den bereits jetzt im Dienst indlichen, schon angestellten, unter anderen Voraussetzungen in den Lästisdienst eingetretenen Richtern sowie den bereits ernannten ghessoren diesen Uebergang zu erleichtern. Ich will mich auf die Zahlen ncht einlassen, sie liegen Ihnen ja alle vor.
1 Einen Vorzug, eine Verbesserung enthält der Entwurf im wesent⸗ ichen für die älteren Richter, und eine Zahl befindet sich im Entwurf, veraus sich ergiebt, daß 376 ältere Richter sofort in das Höchstgehalt enrücken, worauf sie sonst noch Jahre zu warten hätten.
b Für die unteren Stufen, in denen bisher, namentlich in einzelnen Sezirken, ein überaus rasches Aufsteigen stattfand, ist dadurch ein Aus⸗ weg gesucht und, wie wir glauben, gefunden worden, daß die höheren Gehaltszulagen in die unteren Stufen gelegt worden sind, daß also tumentlich bei den Landrichtern und Amtsrichtern die ersten Zulagen arf 600 ℳ erhöht worden sind, während sie jetzt 300 ℳ betragen. Es werden daher, glaube ich, kaum Beschwerden über eine schlechte
Behandlung der Richter irgendwo erhoben werden.
Die mittleren Klassen sind vielleicht weniger gut weggekommen.
1Ich habe einmal den Gedanken gehabt, ob es nicht möglich sei, au
vr. Festhaltung des bisherigen Gesammtaufwandes eine Erhöhung Mindestgehalts auf 3000 ℳ zu erreichen. Abgesehen von dem Finerspruch der auch in dieser Richtung mir prinzipiell bei der msaterwaltung entgegengesetzt wurde, habe ich mich schließlich über⸗ t⸗ nachdem die Sache eingehend geprüft war, daß das weitgehende Schlechterstellung der älteren Richter zur dbgefeh gehabt haben würde, daß davon nothwendigerweis die Inte werden mußte; denn wir werden doch gerade
teressen der älteren Richter, die sich in vorgerückteren Jahren
befinden, eine große Familie, erwachsene Kinder zu versorgen haben, sehen, daß sie möglichst früh ein auskömmliches Gehalt erlangen.
Die Vorschläge des Entwurfs richten sich nun dahin — und ich
bitte alles das, was ich sage, im wesentlichen nur auf die Richter erster Instanz zu beziehen, denn für die übrigen höheren Beamten⸗ kategorien erledigt sich die Frage sehr viel einfacher —, daß das Höchstgehalt erreicht wird in einem Zeitraum von 24 Jahren, von der ersten etatsmäßigen Anstellung an. Meine Herren, darin liegt nun eine wesentliche Abweichung von dem geltenden Recht. Die den Verhält⸗ nissen Näherstehenden wissen, daß bisher sich die Höhe des Gehaltsbezugs richtete nach dem sogenannten richterlichen Dienstalter, welches sich bestimmt Tag der Ernennung zum Gerichts⸗Assessor, nach dem “ das nach abgelegter großer Prüfung den eigelegt wurde. Infolge dessen war es möglich, daß ein Assessor eine lange Reihe von Jahren hindurch auf seine Anstellung wartete, bis sich ihm eine besonders erwünschte Stelle bot. Er war dann nicht dauernd in seinen Bezügen geschädigt, denn er sprang mit seinem älteren Dienstalter in die Reihe der schon vor ihm angestellten Richter ein, übersprang die unterste Gehaltsklasse vielfach gleich und rückte in die zweite oder dritte höhere Gehaltsstufe ein, und dadurch war die spätere Anstellung für die Zukunft ausgeglichen. Meine Herren, die Beibehaltung dieses Standpunktes bei Ein⸗ führung des Dienstalterszulagensystems erscheint unmöglich schon des⸗ halb, weil der Grundsatz festgelegt ist für alle übrigen Verwaltungs⸗ ressorts, daß der Tag des Eintritts in ein etatsmäßiges Amt auch den Anfangspunkt abgeben müsse für den Eintritt in die niedrigste Gehaltsstufe, und weil ohne ganz zwingende Gründe von diesem Grundsatz für die Justiz nicht abgewichen werden kann. Sodann aber auch noch aus einem anderweitigen Grunde. Meine Herren, der ganze Entwurf beruht in seiner finanziellen Unterlage auf der Voraus⸗ setzung, daß im großen Ganzen sowohl das Anfangsgehalt wie das Höchstgehalt auch in Zukunft in demselben Zeitraum und theilweise früher zu erreichen sein werde wie nach dem bisherigen System.
Läßt sich dieses Ergebniß nicht erreichen, dann enthält der Ent⸗ wurf eine so wesentliche Schlechterstellung der betheiligten Richter, daß er nach meiner Ueberzeugung unannehmbar sein würde und ich die Verantwortung für seine Vorlegung nicht übernommen haben würde. Das ganze Gesetz beruht darauf, daß es möglich sein werde, in Zukunft nach einer Durchschnittswartezeit von vier Jahren seit Ernennung zum Gerichts⸗Assessor auch zur ersten etats⸗ mäßigen Anstellung zu gelangen, womit es zugleich erzielt würde, daß nach 28 Jahren das Höchstgehalt erreicht sein würde, was bis jetzt im Durchschnitt erst in 32, 33 Jahren zu erreichen ist.
Meine Herren, dazu ist es absolut erforderlich, daß die Zahl der Anwärter für das Richteramt eine Einschränkung erleidet, die eine solche frühzeitige Anstellung ermöglicht. Wäre das nicht der Fall, würden die Verhältnisse so fortdauern, wie wir sie gegenwärtig haben, und wie sie sich jetzt schon seit einer Reihe von Jahren von Jahr zu Jahr ungünstiger gestalten und gestalten werden, dann, meine Herren, kämen wir dahin, daß die erste Anstellung nicht mehr wie jetzt nach einem Zeitraum von 5 ½ Jahren, sondern daß sie erst nach 7, 8, 9, 10 Jahren zu erreichen sein würde. Und wenn dann erst in so vorgerücktem Lebensalter einem Land⸗ oder Amts⸗ richter zugemuthet werden sollte, mit einem Minimal⸗ gehalt von 2400 ℳ zu existieren, dann würde das eine so gerechte Eatrüstung im ganzen Lande hervorrufen, daß jeder Minister der⸗ selben sofort weichen und seinen Platz räumen müßte.
Meine Herren, schon aus diesem Grunde konnte nicht festgehalten werden an dem früheren Spstem; denn es ist ganz augenscheinlich, daß, wenn auch in Zukunft das Dienstaltersstufensystem seinen rechnungsmäßigen Ausgangspunkt von dem Afsessor⸗Dienst⸗ alter nähme, daß wir dann eben in dem von mir vorausgesetzten Fall einer starken Vermehrung der Aspiranten in Zukunft mit der untersten Stufe überhaupt garnicht mehr zu rechnen haben würden, sodaß dadurch zugleich eine finanzielle Mehrbelastung entstehen würde, die seitens der Finanzverwaltung einem ganz erheblichen einem unüberwindlichen und, wie ich glaube, gerechten Widerstand begegnen würde. Wir müssen deshalb dahin streben, die Zahl der Anwärter auf das Maß des wirklichen Bedürfnisses zurückzuführen.
Meine Herren, wir kommen hierzu zugleich aus einem anderen Gesichtspunkt, der schon seit einer Reihe von Jahren den Gegenstand der lebhaftesten Beschwerden gebildet hat, der in allen General berichten der Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten wiederkehrt, der in der Presse laut geworden ist und der auch in den hohen Häusern des Landtags seinen Ausdruck gefunden hat. Das ist die ungünstige Lage, in der sich die Justizverwaltung dadurch befindet, daß sie nach den bestehenden Gesetzen genöthigt ist, in den Vorbereitungsdienst aufzunehmen nicht nur diejenigen Anwärter, welche sie selbst zu verwenden gedenkt und zu verwenden nöthig hat, sondern daß sie auch die Vorbildungsstufe ist für eine ganze Reihe anderer Verwaltungszweige, deren Bedürfnisse nicht befriedigt werden können, ohne daß die dort eintretenden Herren auch ein gewisses Maß, wenn nicht die volle juristische Vorbildung, sich angeeignet haben. Das hat in der Praxis dahin geführt, daß von den Herren, welche die große Staatsprüfung bestanden haben, zunächst sämmtliche andere Ressorts, die ja nach der bestehenden Lage der Verhältnisse meiner Ueberzeugung nach viel günstigere pekuniäre und soziale Bedingungen zu bieten im stande sind, aus dem reichlich vor⸗ handenen Material an Gerichts⸗Assessoren diejenigen Herren sich aus⸗ suchen, die ihnen durch ihre Tüchtigkeit und ihre soziale Stellung, durch ihren Familienzusammenhang, durch ihre ganze innere und äußere Bildung die größten Garantien gewähren. Das hat dahin geführt, daß seit einer Reihe von Jahren von denjenigen Herren, die die Prüfung mit Auszeichnung oder wenigstens mit dem Prädikat „gut“ bestanden haben, ein unverhältnißmäßig starker Prozentsatz der Justiz entzogen worden ist, und daß so eine Minder⸗ heit von solchen Herren dort zurückblieb (Rufe: Lauter!) — lauter? (Redner mit erhobener Stimme fortfahrend): Was aber die Justiz (Heiterkeit) unter allen Umständen behielt, meine Herren, das waren diejenigen Herren, denen solche Vorzüge nicht nachgerühmt werden können, und das hat dahin geführt, daß der Durchschnittstypus — möoͤchte ich sagen — bei dem Nachwuchs, der zur Verfügung der Justizverwaltung bleibt, nicht auf derselben Höhe steht wie der Durch⸗ schnitt in den übrigen Verwaltungen, welche das beste Material vorweg aussuchen. (Widerspruch links.) Ich glaube, daß die Herren aus der Justiz selbst diese Thatsache a und für sich nicht bestreiten werden, weil sie
eine nothwendige, unabweisbare Folgerung ist aus der von mir vor⸗ getragenen Thatsache, daß das beste Material zu einem erheblichen Theil zu anderen Verwaltungen, zu anderen Verwendungen übergeht, während das weniger hervorragende Material der Justiz verbleibt. (Widerspruch links; Ruf: Wird auch so bleiben!) Nein, meine Herren, das soll nicht so bleiben, wenn die Vorschläge der Regierung durch⸗ gehen. Denn die Justizverwaltung hat die ernstliche Absicht, wenn dieses Gesetz durchgeht, sich in Zukunft so einzu⸗ richten, daß sie selbst die erste Wahl hat, daß sie garnicht mehr in der Lage ist, überzählige Kräfte abzugeben an andere Verwaltungen — von besonderen Ausnahmefällen abgesehen —, sondern daß die übrigen Verwaltungen sich in anderer Weise aus den Kreisen ihr Material suchen müssen, für deren Vor⸗ bildung die Justizverwaltung soweit möglich auch fernerhin zu sorgen bereit ist, ohne daß sie aber wie bisher eine unbeschränkte Wahl den anderen Ressorts gestattet.
Meine Herren, wenn anerkannt wird, daß eine Beschränkung in der Zulassung zum höheren Richteramte, zum höheren Justizdienst überhaupt nöthig ist, dann fragt es sich, wie der Sache beizukommen ist. Es kann da zweierlei Wege geben: man kann die Be⸗ schränkung in den Anfang des Vorbereitungsdienstes legen, und man kann sie an den Schluß legen; beides hat seine Vertreter. Ich selbst habe feüher auf dem Standpunkt gestanden, daß es vorzuziehen sein würde, die Beschränkung schon in dem Beginn der Laufbahn zu suchen, schon da lediglich nach Maßgabe des zu übersehenden Bedarfs die Herren zuzulassen; ich habe mich aber nach weiteren eingehen⸗ den Erwägungen überzeugt, daß dieser Weg aus ver⸗ schiedenen Gründen ungangbar ist; einmal deshalb, weil es ganz unmöglich ist, in diesem Stadium schon den künftigen Bedarf, der ja erst nach etwa zehn Jahren vielleicht seine Befriedigung finden würde, zu übersehen, und zwar nicht nur den Bedarf der Justizverwaltung, sondern noch viel weniger den aller übrigen dabei in Betracht kommenden Verwaltungen; zweitens daß noch jedes zuverlässige Material fehlt zur Beurtheilung der jungen Leute, die bisher lediglich auf den Schulen und Universitäten, auf unseren glücklicherweise noch sich frei bewegenden Universitäten ihre wissenschaftliche und Charakterbildung zu entwickeln Gelegenheit ge⸗ habt haben.
Dann aber, meine Herren, kommt durchschlagend der Gesichts⸗ unkt hinzu, daß nach reichsgesetzlicher und deshalb durch die landes⸗ esetzliche Gesetzgebung nicht abzuändernder Vorschrift die Richter⸗ nalität Vorbedingung ist für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Meine Herren, die Rechtsanwaltsordnung bestimmt bekanntlich, daß für die Zulassung zur Anwaltschaft die Befähigung zum Richteramt nachgewiesen werden muß, daß aber jedem, der diese Befähigung besitzt, die Zulassung nicht versagt werden kann, daß sie ihm gewährt werden muß, wenn nicht besondere, speziell hervorgehobene und sehr eng begrenzte Gründe vor⸗ liegen. Nun, meine Herren, braucht man ja vielleicht nicht so weit zu gehen, zu sagen, daß aus dieser reichsgesetzlichen Bestimmung sich die unbedingte, uneingeschränkte Nothwendigkeit für die Justizverwal⸗ tung ergebe, jeden Studierenden, der seine Semester hinter sich hat, zum Referendariat zugelassen, nur deshalb, um nicht die Frei⸗ heit der Rechtsanwaltschaft einzuschränken. Aber, meine Herren, es ist doch die Rechtsanwaltschaft nach der jetzigen Gesetzeslage nicht mehr ein Amt, sie ist ein freies Gewerbe, und wenn für den, der ein solches freies Gewerbe ergreifen will, die maßgebende Gesetzgebung eine gewisse Voraussetzung hinstellt, die nur dadurch erreicht werden kann, daß der Betreffende in dem Staatsdienst zum Vorbereitungs⸗ dienst zugelassen wird, so würde es doch ein landesgesetzlicher Eingriff sein in diese Freiheit, der nach meiner Meinung recht schwer zu recht⸗ fertigen sein würde, und von dem man vielleicht sagen würde, daß er im Widerspruch stehe mit den Vorschriften des Reichsgesetzes.
Andererseits, meine Herren, stehe ich auch heute, wie im vorigen Jahre, auf dem Standpunkt, daß niemand im preußischen Staat nach preußischem Verfassungsrecht ein Recht hat, in den Staatsdienst auf⸗ genommen zu werden, und daß niemand, der im preußischen Staats⸗ dienst eine gewisse Befähigung sich erworben hat, dadurch auch ein Anrecht auf Uebertragung eines Staatsamts gewinnt. (Zuruf links.) — Er hat es auch jetzt nicht, gewiß,; — Die Seaats⸗ regierung würde, wie mir mit Recht entgegengehalten wird, auch jetzt in der Lage sein, namentlich am Ende der Laufbahn, jeden zurückzuweisen, der ihr nicht paßt. Aber die Sache hat doch nach der bestehenden Gesetzgebung gewisse Schwierigkeiten. Wenn, wie Sie aus meinen vorigen Bemerkungen schon entnommen haben werden, ich und mit mir die Staatsregierung zu der Ueberzeugung gekommen sind, daß die Beschränkung am Ende des Vorbereitungsdienstes gesucht werden muß, dann bringt uns die bestehende Gesetzgebung bei der Ausführung eines solchen Gedankens in ernste und schwere Ver⸗ legenheit.
Meine Herren, das Gesetz über die juristischen Prüfungen vom Jahre 1869 bestimmt, ich glaube, in seinem § 11 — ein nicht sehr schöner Wortlaut —:
„Die in der großen Staatsprüfung bestandenen Referendare werden von dem Justiz⸗Minister zu Gerichts⸗Assessoren ernannt.“ Wenn man das so glatt liest, sollte man glauben, daraus ergebe sich die gesetzliche Verpflichtung für die Justizverwaltung, jeden, der das Examen bestanden hat, auch zum Gerichts⸗Assessor zu ernennen. Ich theile den Standpunkt nicht; ich glaube, auch das hohe Haus theilt ihn nicht; denn dieser Standpunkt würde im Widerspruch stehen mit der verfassungsrechtlichen Bestimmung, daß die Verleihung der Aemter auch im Zivildienst eine Prärogative des Königs ist, und dieser Grundsatz findet auch da Anwendung, wo das An⸗ stellungsrecht von Seiner Maäjestät gesetzlich delegiert ist auf andere Behörden, wie im vorliegenden Falle. Auch für diese Be⸗ hörden besteht die Freiheit, aus den Befähigten eine Auswahl zu treffen; sie dürfen selbstverständlich nicht ganze Kategorien zurücksetzen, aber unter den Einzelnen, die die Befähigung zu einem gewissen Amte sich erworben haben, steht an und für sich nach Staats⸗ und Verfassungsrecht der zuständigen Behörde — bezw. Seiner Majestät in den der Allerhöchsten Entschließung vorbehaltenen Fäller
— das freie Wahlrecht zu. Ich glaube, daß dieser Satz von
keinem Staatsrechtslehrer in Zweifel gezegen wird. Roenne spricht ihn unumwunden und klar aus ohne jeden Vorbehalt und erwähnt auch meines Wissens keine widersprechende Ansicht.
Nun, meine Herren, ist schon das Assessoramt nach unseren gesetz⸗ lichen Vorschriften ein richterliches Amt; denn das preußische Aus⸗ führungsgesetz zum deutschen Gerichtsverfassungsgesetz — ich glaube,
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