-en
1u1e“
8 11u“ 8 S
doch gewissermaßen ein Mißtrauensvotum gegen die Gewissenhaftigkeit des Deklaranten. Die Herren werden sich erinnern, daß bei der Be⸗ rathung des Einkommensteuergesetzes diese Frage im Vordergrund stand. Es waren damals eine ganze Menge Mitglieder, die wollten, daß wir uns einfach an die Deklaration halten sollten, wie das früher in Bremen der Fall war, daß jemand eine Summe Geld nahm und unter ein Tuch legte und sagte: das ist die Steuer, die ich zahle. Ich habe damals erklärt, wenn das Recht der Beanstandung der Dekla⸗ ration dem Staate nicht zugestanden würde, würde ich die ganze Steuervorlage zurückziehen, und die Erfahrungen, die wir in dieser Beziehung gemacht haben, haben mich nur in dieser Ueberzeugung vollständig bestärkt. (Sehr richtig!) Meine Herren, es ist durchaus unrichtig — und ich habe neuerdings ein anderes Formular der Be⸗ anstandung vorgeschrieben, um in dieser Beziehung jeden Irrthum und jede unrichtige und peinliche Auffassung der Beanstandung einer Deklaration auch in der äußeren Form noch mehr auszuschließen — es ist durchaus unrichtig, wenn in der Beanstandung einer Deklaration irgend ein Mißtrauensvotum gegen die Gewissenhaftigkeit der be⸗ treffenden Deklaranten gefunden wird.
Die Rechtsfragen, die bei der Deklaration in Betracht kommen, sind so zahlreich und so schwierig, es stellt sich bei der Beanstandung so häufig heraus, daß der Deklarant in der besten Absicht und in der größten Ehrlichkeit seine Deklaration hat aufstellen wollen, daß er sich aber vollständig über die Grundlage bei der Berechnung seines Ein⸗ kommens geirrt hat.
Es liegt also in der Beanstandung einer Deklaration nicht ent⸗ fernt ein Mißtrauensvotum gegen die Gewissenhaftigkeit und den guten Glauben des Deklaranten. Meine Herren, ich habe hier eine Liste, woraus ich Ihnen Einzelheiten aufführen könnte, die das be⸗ weisen. Ich will nur darauf hinweisen, daß hier z. B. in Berlin im Jahre 1893/94 von 10 533 Steuerdeklarationen 4181 beanstandet wurden und daß davon 70 % begründet waren. (Hört! hört!) Ja, meine Herren, wenn wir uns einfach bei der Deklaration beruhigten, würden wir dann nicht durch das System der Deklaration noch eine viel größere Ungleichheit der Steuerveranlagung bekommen (sehr richtig!), als wenn die Veranlagung rein auf Schätzung beruhte, wie früher? Welche kolossalen Klagen waren früher über die ungleiche Einschätzung zur Einkommensteuer? Es hat sich herausgestellt, daß nach Einführung der Deklaration und dieses vorliegenden Verfahrens 40 Millionen Mark in einem Jahre mehr aufkamen. Wenn wir aber jetzt, wo der Staat allein auf diese direkten Steuern angewiesen ist, wo wir die einfach zu veranlagenden und zum theil unveränderlichen Realsteuern preisgegeben haben, wenn wir da lax werden und die Behörden in einer gewissen Gleichgültigkeit unterstützen wollten, so würden wir bald wieder in dasselbe System der Ungleichheit der Steuer hineingerathen, in dem wir früher steckten. (Sehr richtig!) In anderen Bezirken ist das Verhältniß noch ungünstiger. Ich kann Ihnen Regierungsbezirke nennen, wo es auch zwischen 60 und 70 % mit Erfolg beanstandete Deklarationen giebt. Also darauf könnte ich mich nicht einlassen, den Behörden den Rath zu ertheilen, mit der Sache etwas gleichgültig zu verfahren, und um so weniger da, wo es sich um große Vermögen handelt. Darin bin ich allerdings voll⸗ ständig der Meinung des Herrn Grafen von Kleist, daß es sehr wünschenswerth ist, wenn jeder einzelne Beamte im stande wäre, richtig nach der Belegenheit des einzelnen Falls zu unterscheiden, um Kleinigkeiten keine großen Weiterungen zu machen und über Lappalien hin⸗ wegzugehen. Aber die Grenze ist da schwer zu halten, namentlich bei der doch unzweifelhaft großen Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue unserer Beamten. Wo ist nun die Grenze? Wo fängt die Kleinigkeit an und wo beginnt
8 das Wichtige? Daß man nicht jedem Beamten den Takt, der auch
hier erforderlich ist, gewissermaßen eintrichtern kann, liegt doch ganz klar auf der Hand; Sie können dafür jedenfalls die Regierung nicht verantwortlich machen; ich habe es nicht im Sinn, die Dinge klein⸗ lich aufzufassen und unnöthige Belästigungen zu machen. Auf die materiellen Entscheidungen der Veranlagungs⸗ und der Berufungs⸗ kommission aber kann ich überhaupt nicht einwirken; nach dem Ver⸗ fahren hat in dieser Beziehung der Finanz⸗Minister gar keine Kom⸗ petenz. Werden mir begründete Beschwerden vorgebracht, die sich auf das Verfahren selbst beziehen, auf die Art und Weise, wie die Sache namentlich von den in Betracht kommenden Staatsbeamten gehand⸗ habt ist, so bin ich immer bereit und habe es in sehr zahlreichen Fällen gethan, Remedur zu schaffen. Sie müssen doch auch erwägen, daß wir es hier mit verhältnißmäßig neuen Gesetzen zu thun haben, die sich erst allmählich sowohl bei den Zensiten wie bei den Beamten einleben müssen. Wenn wir in Preußen einen Schritt gethan haben, den jetzt, allerdings zögernd, einige deutsche Staaten uns nachmachen, für welchen aber kein Vorbild in der ganzen Welt war, wenn wir diesen Schritt, die gesammten Realsteuern aufzugeben und die ge⸗ sammten direkten Steuern des Staats auf das Reineinkommen und die Leistungsfähigkeit zu basieren, mit Zustimmung beider Häuser des Landtags gethan haben auf Grund langjähriger Klagen wegen der Ueberlastung des Grund und Bodens und der Beseitigung der Doppel⸗ besteuerung, so ist ganz klar, daß, nachdem der Staat einmal auf diese Steuern allein angewiesen ist, auch mit fester Hand und konse⸗ quenter Korrektheit verfahren werden muß.
Meine Herren, ich kann mich hier auf Einzelheiten und einzelne Klagen in dieser Beziehung eigentlich garnicht einlassen. Wie sollte ich auch im stande sein, alle die Tausende und Hunderttausende von einzelnen Klagen und Fällen, die da vorkommen können, zu untersuchen! Wo ich es in einzelnen Fällen gethan habe, habe ich meistens ge⸗ funden, daß die Zensiten im Unrecht waren, und sie haben es schließlich auch selbst oft gern anerkannt. (Große Heiterkeit.) — Ja, insofern sage ich: gern anerkannt, weil sie sich selbst überzeugt hatten, daß sie gänzlich im Irrthum waren.
Meine Herren, Herr Graf von Kleist hat- von seinem eigenen Fall gesprochen. Ich möchte darauf nicht eingehen, halte mich dazu auch nicht für berechtigt. Aber wenn dieser Fall in allen Einzelheiten hier vorgelegt würde, so glaube ich doch nicht, daß die Klagen, die von ihm angedeutet sind, sich dem hohen Hause gegenüber als begründet herausstellen würden. (Seiterkeit.)
Meine Herren, ich habe früher ein etwas größeres Vertrauen in die allgemeine Redlichkeit der Zensiten gehabt; aber ich muß doch sagen, daß, nachdem vom 1. Oktober 1893 bis zum 30. September 1894 allein 2500 Untersuchungen wegen wissentlich unrichtiger An⸗ gaben (hört, hört!) über das steuerpflichtige Einkommen vorgekommen sind, ich mein Vertrauen doch etwas herabsetze. Ich glaube, es ist auch eine Aufgabe der Veranlagungsbehörden, nach den Persönlich⸗
keiten in dieser Richtung zu unterscheiden. Bei Personen, von denen
“
vX“
man zweifellos von vornherein annehmen kann, daß sie im besten guten Glauben handeln, wird man namentlich in der Form möglichst entgegenkommend zu verfahren haben. Das sind aber Sachen, die sie nicht in Paragraphen fassen können. Das ist eben das Taktgefühl, die richtige Beurtheilung des einzelnen Falles durch die betreffenden Beamten. Wenn man sieht, daß 1906 Steuerpflichtige sich einfach der Strafverfügung unterwarfen, eine gerichtliche Entscheidung gar⸗ nicht wünschten und vielleicht zufrieden waren, daß sie so billig davonkamen (Heiterkeit), so deutet das alles darauf hin, daß die hohen Häuser des Landtags die Staatsregierung im Interesse des Staats nicht zu sehr drängen dürfen, in dieser Beziehung die Zügel allzu schlaff hängen zu lassen. Daß da auch in einzelnen Fällen von den Behörden einmal fehl ge⸗ griffen wird, kann ich ja nicht bestreiten. Ich habe eine Menge der⸗ artiger Fälle selbst gesehen und, soweit ich kompetent war, Korrektur eintreten lassen. Aber im großen Ganzen, glaube ich, kann man sagen, daß diese kolossal schwierige Aufgabe, das Reineinkommen auf Grund der Deklarationen und Einschätzungen richtig festzustellen, das Gesammtvermögen des Landes, soweit es produktive Kraft hat, richtig einzuschätzen, im großen Ganzen über alle Erwartung gelungen ist. Wenn Sie einmal Vertreter anderer Länder hörten, die jetzt in großer Zahl hierherkommen, um unser System zu studieren und die Ergebnisse unserer Steuergesetzgebung und Steuerveranlagung zu betrachten, und die Urtheile, die sie darüber fällen, dann würden Sie wahrscheinlich doch nicht zu dem alten, leider eingewurzelten deutschen Satz zurück⸗ kommen, daß es überall anders gut ist und bei uns in Preußen schlecht ist. (Bravo.)
Herr von Wiede bach bemängelt die Veranlagung der Vermögens s
steuer, die vielfach zu schablonenmäßig erfolge.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: 8 1
Meine Herren! Wie wenig wir bei der ersten Veranlagung der Ergänzungssteuer fiskalisch verfahren sind, können Sie daraus ersehen, daß wir ja vom rein fiskalischen Standpunkt aus ein Interesse daran hatten, daß die Steuer möglichst niedrig wurde. Denn wenn die 35 Millionen abzüglich der 3 ½ Millionen Zinsen, die damals in Abzug gebracht waren, nicht erreicht würden, würde ja nach dem Gesetz ein Zuschlag zu dem ½ %n gemacht, und wir hätten also dauernd, wenn in der ersten Einschätzung der Betrag nicht erreicht war, eine höhere Steuer bekommen. Aber auch wenn das Gegentheil der Fall gewesen wäre, würden wir nicht anders verfahren und nicht entfernt darauf gedrängt haben, hohe Einschätzungen zu erzielen. Das hat sich auch im großen Ganzen in der Monarchie ergeben.
Wir haben Kreise, wo die Schätzungsausschüsse und die Ver⸗ anlagungskommissionen, die doch aus der freien Wahl der Selbstver⸗ waltungskörper hervorgehen, über die Vorschläge der Katasterbeamten, die das Material liefern, erheblich hinausgegangen sind; wir haben aber auch andere Kreise, wo sie durchweg heruntergegangen sind. Die Auffassungen sind natürlich verschieden. Aber im allgemeinen kann man sagen, daß das Material, das in dieser Beziehung vorgelegt ist, von den Einschätzungskommissionen und Veranlagungskommissionen als richtig betrachtet wurde. Wir haben hier in Berlin sogar Fälle ge⸗ habt, wo, nachdem den Kommissionen die Grundsätze der Einschätzung der Gebäude klar gemacht worden waren und sie das Exempel gezogen hatten, bei einzelnen Gebäuden ganze Bezirke en bloc angenommen wurden. Aehnlich ist es aber auch selbst in verschiedenen Bezirken auf dem Lande gegangen. Aber daß ein Unternehmen, den Werth des Grund und Bodens und des Vermögens an Kapital und gewerblichem Anlagekapital in der ganzen Monarchie einzuschätzen, das erste Mal kein vollkommenes Resultat liefern kann, darüber kann doch wohl niemand von Ihnen zweifelhaft sein, ich wenigstens nicht. Gerade deswegen baben wir angeordnet, daß diese Einschätzungen in diesem Jahr wiederholt werden können, sodaß eben Ge⸗ legenheit gegeben ist, offenbar hervorgetretenen Irrthümern und Verkehrtheiten abhelfen zu können. In Zukunft wird es ja nicht erforderlich sein, alle Jahre diese Veranlagung der Ergänzungssteuer zu wiederholen, man wird da längere Perioden wählen. Aber wir haben gerade im Interesse der Zensiten, um Irrthümer und Miß⸗ griffe, die da stattgefunden haben, heilen zu können, veranlaßt, daß in diesem Jahre die ganze Veranlagung der Ergänzungssteuer noch einmal vorgenommen wird. Mir sind auch Fälle bekannt, wo auch nach meiner Auffassung einzelne Einschätzungen zu hoch sind, die ich zufällig genau habe prüfen können. Ich selbst bin in der Lage, als Hausbesitzer nach meiner Ueberzeugung zu hoch eingeschätzt zu sein (Heiterkeit), es geht mir gerade so, wie Herrn von Wiedebach, ich kann auch nichts dagegen machen; denn beweisen, daß das Grandstück nicht so viel werth ist, kann ich nicht. Ich würde es wahrscheinlich viel billiger verkaufen, als es eingeschätzt ist. Doch das muß man sich gefallen lassen, das schlägt aber bei der Ergänzungssteuer doch nicht so sehr zu Buche. Dieses ½ % ist doch nicht so entscheidend, als wenn solche Irr⸗ thümer bei der Einkommensteuer vorkommen. Also Herr von Wiede⸗ bach wird ja bei der jetzigen Veranlagung Gelegenheit haben, nochmals der Kommission alles vorzustellen und den Nachweis zu führen, daß sie sich das erste Mal geirrt hat.
Graf von Mirbach stellt zunächst fest, daß er gestern in Bezug auf die „vernichteten Existenzen“, wie der stenographische Be⸗ richt ergebe, genau so gesprochen habe, wie er es nachher richtig ge⸗ stellt; der Minister⸗Präsident habe ihn also falsch verstanden. Redner bemängelt die Veranlagung der Vermögenesteuer; die Behauptung des Grafen Kanitz, daß die Städte nur 47, das Land aber 63 % der Ergänzungssteuer zahlten, sei richtig. Der Gewährsmann des Redners behaupte, daß das daher rühre, daß der Finanz⸗Minister sein Ernennungsrecht für die Veranlagungs⸗ und Berufungskommissionen mißbrauche und dadurch das Land mehr belastet werde. In Königsberg seien in der Berufungskommission 9 bis 10 Städte und 5 bis 6 Grundbesitzer. Die Städte zahlten 0,47 % des Einkommens, das Land 0,63 % des Einkommens als Ergänzungssteuer. Ein Guts⸗ bezirk sei aber mit 1,95 % des Einkommens eingeschätzt, und andere Gutsbezirke zahlten mehr, als ihre Einkommensteuer betrage, an Ver⸗ eeetee In den Städten würden meist nicht mehr als 150 % des Grundsteuer⸗Reinertrogs gezahlt, auf dem platten Lande aber 500 bis 800 %. Der Finanz⸗Minister spreche von dem Segen der Steuer⸗ reform. Aber er theile das Gefühl durchaus nicht. Es werde eine verschärfte Einkommensteuer und die Ergänzungssteuer erhoben; dazu trete die Last der Invaliditätsversicherung und die Kommunal⸗ besteuerung. Man zahle jetzt schon in den Kreisen 100 % Ein⸗ kommen⸗, Gewerbe⸗ und Grundsteuer. Dazu träten noch die Na⸗
turalleistungen für die kleineren Kommunalverbände. Diese Ver⸗
hältnisse solle die Regierung einer sehr ernsten Prüfung unterziehen. —* Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
MWas die letzten Bemerkungen betrifft, daß die Königliche Staats⸗ regierung die Sache nicht leicht nehmen möchte, so glaube ich, war dieser Wunsch durchaus unnöthig; denn die Königliche Staatsregierung nimmt derartige Fragen nicht leicht, sondern thut nach allen Rich⸗
114“ “ “ v“
I tungen ihre Pflicht und Schuldigkeit. Im übrigen habe ich folgende
Bemerkungen zu machen: Der Herr Berichterstatter des Grafen M aus Ostpreußen hätte sich die publizierte Statistik genau ansehen können, dann würde er nicht so verkehrte Behauptungen aufgefteft haben. (Unruhe.) .
Wir haben die Statistik dem Landtage mitgetheilt; sie ist auch sonst genug publiziert; also wenn der Mann so gründlich sich instruiert so hätte er diese Dokumente sich ansehen sollen. Der Unterschied, 8— sich ergiebt im Verhältniß der Einkommensteuer zur Ergänzungssteuer in Stadt und Land, erklärt sich allerdings, wie der Mann mit Unrecht bestreitet, dadurch, daß der Betrag der Einkommensteuer aus gewinn⸗ bringender Beschäftigung in den Städten ein ganz anderer ist als auf dem Lande. Wir haben hier diese Zahlen; ich werde sie dem Grafen Mirbach zur Disposition stellen. Es heißt da: aus gewinnbringender Beschäftigung ergiebt sich ein Einkommen in den Städten von 554 Millionen — ich will die Tausende nicht nennen — und auf dem platten Lande von 105 Millionen. Daraus folgt von selbst, daß das Verhältniß der Einkommensteuer zur Ergänzungssteuer auf dem platten Lande ein ganz anderes sein muß wie in den Städten.
Meine Herren, was die Richtigkeit der Einschätzung des Bodens auf dem Lande betrifft, so kann ich nur das Vorgesagte wiederholen. Wir hatten absolut kein Interesse, die Einschätzung möglichst hoch zu machen, wir haben auch keinen Schritt nach dieser Richtung gethan, die Einschätzung ist doch zu einem großen Theil von Sachkundigen gewählten Männern der Landwirthschaft selbst geschehen; wenn der Herr Graf von Mirbach und sein Berichterstatter sich über die Zusammensetzung der Kommission beklagt und namentlich die Be⸗ hauptung wiederholt, daß der Minister das Ernennungsrecht miß⸗ braucht habe, so kann ich ihm darauf erwidern, daß der Minister überhaupt die Ernennung nicht vornimmt, sondern die Regierung. Also auch in dieser Beziehung ist der Mann falsch unterrichtet. Wenn übrigens die Ernennung in einem Kreise wie Königsberg auch zum erheblichen Theil auf Mitglieder, die in der Stadt Königsberg wohnen fällt, so ist das einigermaßen doch auch berechtigt, insofern der Haupt⸗ steuerzahler in diesem Bezirk doch die Stadt Königsberg ist. (Oho Ganz gewiß!
Nun sagt Herr Graf von Mirbach, die Schwärmerei für diese Einkommensteuer sei doch ganz unberechtigt. Der Herr Graf Mirbach hat aber seit Jahren als Führer der Wirthschaftsreformer die Doppel⸗ besteuerung des Grund und Bodens durch die Grund⸗ und Bodern⸗ steuer auf das heftigste angegriffen; er ist es gewesen, der fortwährend verlangt hat die Beseitigung dieser Doppelbesteuerung, die Einführung der Einkommensteuer auf Deklarationen. (Graf von Mirbach: Nie, nie Dann hat es wenigstens der Verein gethan (Zuruf: auch nicht das glaube ich doch beweisen zu können. Jedenfalls war der allge meine Ruf im Lande, daß die Einkommensteuer auf das ungleichste veranlagt werde, und die Erfahrung hat diese Klagen als vollständig berechtigt erwiesen. Wenn ich hervorhebe, daß 40 Millionen, wie ich schon vorhin sagte, im ersten Jahre der Einkommensteuer mehr delle⸗ riert wurden, wenn Sie vergleichen, welche Beträge da auf die Städte, auf die Kapitalisten, das mobile Kapital und das Einkommen aus mobilem Kapital überhaupt gekommen sind, so werden Sie sich nicht beklagen können, daß der Grund und Boden dabei be⸗ sonders schlecht weggekommen sei. Herr Graf von Mirbach wird sich doch darüber nicht beklagen, daß er nach seinem Einkommen jetzt richtig steuert, ebenso wenig wie irgend ein Anderer, der in der Stadt wohnt. der Industrie oder Handel treibt oder Kapitalien besitzt, sich darüber beklagen kann. Gewiß sind eine Reihe von Personen auch auf dem Lande in der Einkommensteuer höher gekommen, ebenso gut wie in den Städten. Das war der Zweck dieser neuen Gesetzgebung, daß gleichmäßig und gerecht jeder nach seinem Einkommen besteuert werde das ist kein Fehler, sondern ein Vorzug. Ich gebe auch zu, daß die unverschuldeten Grundbesitzer durch die Aufhebung der Grund⸗ und Gebäudesteuer weniger Vortheil gehabt haben als die verschuldeten denn die Ungerechtigkeit der Grund⸗ und Gebäudesteuer als Staats⸗ steuer liegt wesentlich darin, daß auf die Verschuldung gar keine Rücksicht genommen ist, daß hochverschuldete Grundeigenthümer genan so viel bezahlen müssen wie schuldenfreie. Das war der Zweck des Gesetzes, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, und wenn Sie die hoch⸗ verschuldeten Grundeigenthümer fragen, wie sie vor und nach der Steuerreform stehen, diejenigen die ein geringes Einkommt⸗ haben, ihre hohen Schulden von dem Werth des Grund und Bodens abziehen bei der Einkommensteuer und dabe von der Grund⸗ und Gebändesteuer befreit sind, so werder wir ganz andere Urtheile hören. Die Statistik schreitet n in diese Richtung fort, und wir werden auch darüber einmal Materialien bringen können, die unwiderleglich sind. Die Leistungs⸗ unfähigen sind gerade die hochverschuldeten Grundbesitzer, und da leider Gottes ein großer Theil des Grundbesitzes nur zu schwer verschulde ist, so ist gerade nach dieser Richtung hin die ganze Art der Be⸗ steuerung nach wirklichen Reinerträgen und nicht nach Bruttoerträge⸗ dem Grund und Boden besonders zu gute gekommen. Das wird mn kein Mensch bestreiten können. Gestern ist schon darauf hingewiesen worden, wie für einen Kreis, den Kreis Harburg in Hannover, de durchaus nicht zu den schlechteren gehört, wo die Verschuldung weser⸗ lich durch das bestehende Anerbenrecht, durch die alte Sitte in Bauernstand noch ein niedriger ist, wie da doch, wenn man die Zen vor der Steuerreform mit der Zeit nach der Reform vergleicht, nac. gewiesen ist, daß, während vor der Steuerreform der Kreis, wenn die Zahlen richtig im Kopfe habe, 51 000 ℳ mehr an den Stack zahlte, als er vom Staat in Form von Zuschüssen srf Schulen und Gendarmerien empfing, nach der Steutr reform umgekehrt in diesen Kreis der Staat 15 000 4 mehr hineinzahlt, als er empfängt. Ich führe dieses Beispiel mn⸗ drücklich an, um den Einwand, die Deduktion, die an diese Statice die man ja noch fortsetzen kann und, wenn sie richtig ist, in noch 8— höherem Maße im Osten zutrifft, knüpft, den Einwand gegen N Steuerreform, daß sie einen lediglich agrarischen Charakter hätte, n ich in der Presse viel gelesen habe, gleich zu widerlegen. Denn dir selbe Rechnung könnten wir für eine große Zahl namentlich Städte auch machen, und sie würde ebenso gut zutreffen. Ein Ergebniß ist nur verständlich, wenn Sie erwägen, daß in Prevße fast ⅛ aller Staatsausgaben aus dem Staatsvermögen und ans d. Betriebsverwaltungen bezahlt werden und nur zwischen ¼ durch Steuern. Wenn wir sehen, daß unsere Steuern im v;. etwa 6 ℳ pro Kopf betragen, so kann man wirklich, wenn nüii mit allen anderen Ländern der Welt vergleichen, sich nur gla
schätzen, in einem solchen Lande zu wohnen. (Sehr richtig!)
38 b
1“
t kein Bedenken dabei, daß die höheren Vermögen etwas schärfer
ngezogen sind als früher. Das ist ja gar keine Frage; aber das buht namentlich auf den Beschlüssen des Landtags. Der Landtag st in Bezug auf die Degression und die Steigerung nach oben weiter agangen als die Staatsregierung, und ich halte das auch nicht für ih Unglück, wie die Sache sich jetzt herausgestellt hat. Ich bin über⸗ vugt, wenn Sie nach Oestereich, nach Italien, nach England sich ver⸗ „zen und sich einmal klar machen, was Sie dann zu zahlen hätten nenüber den Leistungen, die Sie an den Staat in Preußen prästieren nssen, so würden Sie sagen müssen: in Preußen sind wir in dieser Zeziehung noch ganz außerordentlich gut situiert. Ich balte es sogar, wie ich oft genug ausgesprochen habe, auf die Dauer für den Staat fir eine gewisse Gefahr, in dem Maße auf die Betriebsverwaltungen mngewiesen zu sein, wie wir es sind.
Wenn bei der Aufrechnung der Zustände vor und nach der Steuer⸗ eform Herr Graf Mirbach die Beiträge zu der Invaliditäts⸗Ver⸗ sicherung erwähnte, so wird er mir zugeben, daß diese hätten gezahlt werden müssen, ob Steuerreform kam oder nicht. Es ist freilich Herr Graf Mirbach einer derjenigen gewesen, die damals schon mit Recht hervorgehoben haben, daß darin gewissermaßen eine neue Grundsteuer dem Erfolg nach läge. Aber diese Reichsgesetzgebung hat mit unserer Steuerreform nichts zu thun. Die Kommunallasten kann man auch nicht aufrechnen. Sie hängen mit der Steuerreform nur so weit zusammen, als jttzt die Kreissteuern höher werden mußten durch die Beseitigung der lex Huene. Ich habe aber schon früher nachgewiesen, daß, wenn Sie den Ertrag der lex Huene im dauernden Durchschnitt zu 30 Millionen annehmen, jeder Kreis etwa 2 ℳ pro Kopf in Ostpreußen gewonnen bot. Ich habe diese Zahl noch genau im Kopfe. Wie unsicher aber die lex Huene war, weil sie von den Kornzöllen abhing, das haben vir bei den Handelsverträgen gesehen, als auf einmal die Getreidezölle von 5 auf 3 ½ ℳ herabgesetzt wurden, während jetzt das, was den gemeinden an Grund⸗, Gebäude⸗ und Gewerbesteuer überwiesen vorden ist, definitiver Besitz dieser Verbände geworden ist.
Meine Herren, das war ja vorauszusehen, und darauf mußte sch der Minister, der in der Hauptsache die Verantwortung dafür rägt, gefaßt machen, daß eine so radikale Umwälzung des gesammten Steuersystems in Staat und Gemeinde an einzelnen Stellen hart mpfunden wird, und daß sich da Klagen und Beschwerden in der presse, in Versammlungen und Eingaben aller Art geltend machen würden. Ich habe mich aber immer damit getröstet, und ich glaube, die beiden Häuser des Landtags, die diese Gesetze doch mit votiert haben, können sich auch damit trösten, daß die größere Zahl aller derer, die bei dieser Reform besser weggekommen sind, schweigen, und daß diejenigen, die mehr zahlen, wenn auch nicht mit Unrecht, klagen. So ist das aber überhaupt im menschlichen Leben immer. Bei jeder Reform werden wir solche Folgen sehen.
Meine Herren, nun komme ich zu einem dritten Punkt, wo der Berichterstatter des Herrn Grafen Mirbach sich irrt. Er klagt über die verschiedene Behandlung, die das fiskalische Eigenthum in der Besteuerung erführe. Der Berichterstatter des Herrn Grafen Mirbach bat nun den § 44 des Kommunalabgabengesetzes nicht gekannt, wo es heißt:
„Das Reineinkommen aus fiskalischen Domänen und Forsten ist für die einzelnen Liegenschaften aus dem Grundsteuerreintrage nach dem Verhältniß zu berechnen, in welchem der in der betreffenden Provinz aus den Domänen und Forstgrundstücken erzielte etatsmäßige Ueber⸗ schuß der Einnahmen über die Ausgaben unter Berücksichtigung der auf denselben ruhenden Verbindlichkeiten und Verwaltungskosten zum Grundsteuerreinertrage steht.“
Die Herren, die. das Kommunalabgabengesetz hiermit votiert haben, werden wissen, daß unter dieser Voraussetzung die Domänen sich der Kommunalbesteuerung unterworfen haben, und daß die Domänen, die ein großes Ganze bilden, wo man die Generalunkosten nur auf das Ganze verrechnen kann, anders auch gar nicht zu veranlagen waren. Wenn nach diesem § 44 so verfahren worden ist, so kann weder der 8 Graf Mirbach noch sein Berichterstatter sich beklagen. (Sehr richtig!)
Graf von Pückler⸗Burghauß tadelt es, daß die Kataster⸗ beamten bei der Veranlagung der Vermögenssteuer betheiligt sind, und führt einzelne Fälle zu hoher Einschätzung des Grundbesitzes an, ramentlich aus Oberschlesien. Die Landwirthschaft kranke an der Ver⸗ besserung der Kommunikationsmittel, die seit 50 Jahren entstanden
seien. Lediglich Zölle könnten helfen, alle anderen vorgeschlagenen Mittel würden nichts helfen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich kann nur wiederholen, der Herr Graf von Pückler irrt sich. Das Material, welches die Katasterbeamten ge⸗ sammelt haben und den Kommissionen vorlegen, ist weiter nichts als dieses; die Kommissionen sind absolut nicht daran gebunden; sie können ganz frei einschätzen, aber wenn sie so gutes Material haben, so werden ja die Kommissionen in der Regel auf dieses Material, wenn sie es nicht als unrichtig ansehen, Gewicht legen. Es ist dies ausdrücklich ausgesprochen in allen meinen Anschriften. Es heißt in den Erläuterungen zu den allgemeinen Schätzungsmerkmalen:
„Vorauszuschicken ist, daß alle Schätzungsmerkmale grundsätzlich nur die in dem betreffenden Bezirk obwaltenden mittleren gemein⸗ gewöhnlichen Verhältnisse zur Anschauung bringen können und sollen. Mit ihrer Anwendung auf den einzelnen Fall wird der
Werth des Grundstücks oder Inventars geändert, nur in ganz roher Annäherung gefunden, und es bleibt jederzeit noch zu prüfen, ob
und inwieweit die besonderen Umstände des Falles eine Abänderung
bedingen, die der Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse über⸗ lassen bleiben muß. In diesem Sinne sind die Merkmale lediglich als Hilfsmittel der Schätzung aufzufassen, die den Zweck haben, die gleichmäßige Schätzung je nach dem Werthe der Grundstücke sowohl
im Ganzen für die verschiedenen Landestheile als auch im Einzelnen
von Besitzung zu Besitzung gegen grobe Mißgriffe zu sichern.“
Also weiter bedeuten diese „Merkmale“ nichts, es ist bloß 1 l. welches wir der Kommission zur Disposition stellen. Die 8fen selbst hat aber ein freies Ermessen in Bezug auf die
98 des Werths, wir sind niemals weiter gegangen, wir haben
cß sie Instruktionen, ertheilt auch nicht an unsere eigenen Beamten, jolen sich an diese Merkmale binden sollten. Ich kann nur wieder⸗ grfffe n 18gs ja von mir nicht bestritten werden kann —, daß Miß⸗ boffe unrichtige Schätzungen mit untergelaufen sein mögen, und
; daß sie sich noch wesentlich vermindern werden, wenigstens elen 8een Veranlagung. Aber das kann ich nicht in Aussicht aug 88 8. überall das Ideal erreicht wird. — Die Herren kennen ja
raxis, wie schwer es ist, den Werth von Grund und Boden
zu taxieren — das Ideal, daß wirklich jedes einzelne Grundstück richtig gemäß seinem Werth eingeschätzt wird, das ist nach meiner Meinung garnicht zu erwarten. Jedenfalls kann Herr Graf von Pückler sich versichert halten, daß ich nur ein Ziel verfolge, sowohl die Einkommen⸗ steuer als auch die Ergänzungssteuer gleichmäßig und gerecht zu ver⸗ anlagen. Daß dies Ziel nicht vollkommen erreicht wird, habe ich schon zugegeben. Das liegt in der Natur der menschlichen Verhältnisse. Darüber wird kein Minister und kein Gesetz hinweghelfen können. Aber der Finanz⸗Minister hat die vornehmliche Aufgabe, nicht möglichst viel aus der Steuer herauszuschlagen, sondern nach Maßgabe des Gesetzes gleichmäßig und gerecht zu handeln. Das ist auch mein ehr⸗ liches Bestreben, und Sie werden keinen Fall nennen können, wo vom Minister aus Verfügungen ergangen sind, die irgend ein anderes Ziel verfolgen.
Aber zu den allgemeinen Bemerkungen will ich noch eins hinzufügen. Wie lag denn vor der Steuerreform die Vertheilung unserer Staatslaste? Im Jahre 1820, von wo an doch im wesentlichen die preußischen direkten Steuern datieren, war das mobile Eigenthum und das Einkommen aus demselben minimal gegen das Einkommen aus Grund und Boden, und infolgedessen war unser Steuersystem, nachdem sich das mobile Eigenthum weit über den Ge⸗ sammtwerth des Grund und Bodens erhoben hatte, namentlich des ländlichen Grund und Bodens, ein ungerechtes geworden, weil die Last vorzugsweise auf dem ländlichen Grund und Boden liegen geblieben und man der modernen Entwickelung nicht gefolgt war. Das Ziel, welches die Steuerreform verfolgt hat, ist erreicht: hier Wandel zu schaffen und das mobile Eigenthum und auch das in eminentem Maße gestiegene Einkommen aus persönlichen Dienstleistungen entsprechend der heutigen Entwickelung heranzuziehen und demgemäß den Grund und Boden zu entlasten.
Meine Herren, dies Ziel ist nicht bloß auf diesem Gebiete, sondern auch auf dem Gebiete der Verkehrssteuer erstrebt. Es ist gewiß eine Ungerechtigkeit gewesen, daß die verhältnißmäßig hohen Stempel auf dem Umsatze von Grund und Boden allein hafteten und die Umsätze im mobilen Kapital davon freiblieben. Auch in dieser Beziehung ist Wandel geschaffen. Sehen Sie sich die Stempelsteuer für Wechsel und aus dem Umsatz von Werthpapieren an, so finden Sie, daß die⸗ selbe heute schon über die Beträge der Stempel für Umsätze von Grund und Boden hinausgeht. Nun wird die Regierung von beiden Seiten angegriffen. Der Grund und Boden ist nicht zufrieden, und das mobile Kapital ist erst recht nicht zufrieden. (Sehr richtig!)
Aus dieser Thatsache schöpfe ich, meine Herren, daß die beiden Häuser des Landtags und die Regierung nicht nach einseitigen Auf⸗ fassungen der Interessenten und nach deren Interessen, sondern nach der Gerechtigkeit die Gesetze gemacht haben.
Herr von Woyrsch bemängelt ebenfalls die Veranlagung zur Vermögenssteuer, und zwar bezüglich eines ihm gehörigen Grundstücks in Breslau, welches als Bauland eingeschätzt sei. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich kann ja den einzelnen Fall, den Herr von Woyrsch angeführt hat, nicht beurtheilen. Aber wenn es ihm angenehm ist, will ich ihm erklären, daß ich persönlich eine Wiese, die in einer städtischen Gemarkung liegt, aber keine Zugänge hat, über welche Baulinien nicht führen, nicht als Bauplatz ansehen würde, und ebenso wenig würde ich glauben, daß es zulässig ist, daß die Berufungs⸗ kommission in peius reformiert, wenn nicht der Vorsitzende selbst seinerseits Berufung eingelegt hat. (von Woyrsch: die hat er nicht! Heiterkeit.) Ja, dann würde die Berufungskommission nach meiner Meinung zu weit gegangen sein. Dann darf sie nicht in peius reformieren.
Ueber die Frage der Werthschätzung der Musik will ich mich mit Herrn von Wovyrsch nicht in einen Streit einlassen; denn ich bin dazu zu unmusikalisch. (Heiterkeit.)
Graf von Kleist⸗Schmenzin hält lseine Klage über die zu weitgehende Berücksichtigung des iskus seitens der Einschätzungs⸗ behörden aufrecht und bittet den Kinister, die Behoͤrden zur Milde zu ermahnen. 1 8
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ja, meine Herren, wenn Herr von Kleist Zeit und Lust hätte, meine Akten einzusehen, meine Korrespondenz mit den Veranlagungs⸗ behörden, so würde er diesen Wunsch nicht bloß in seiner Rede aus⸗ gesprochen und ihn mir für die Zukunft ans Herz gelegt haben, sondern er würde anerkennen, daß dieser Wunsch in der Vergangenheit schon längst erfüllt ist. Aber ich bitte ihn, auch die außerordentlichen Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die auf diesem Gebiete vorliegen, sowohl für die eigentlich leitenden Behörden als auch für das ge⸗ sammte Beamtenpersonal, das bei der Veranlagung thätig ist, um zu begreifen, daß da einige Mißgriffe garnicht verhindert werden können.
Wenn ich vorhin von einer harten Hand (Zuruf: festen!) — festen Hand gesprochen habe, so habe ich natürlich damit die Behörde durchaus nicht auffordern wollen, in rücksichtsloser Weise vorzugehen, sondern ich habe nur gesagt: durch die Klagen und durch die Miß⸗ griffe, die in einzelnen Fällen vorgekommen sind, darf der Minister sich nicht bewegen lassen, den Behörden eine gewisse Gleichgültigkeit bei der Veranlagung im Uebersehen vorhandener Verkehrtheiten an die Hand zu geben; denn sonst würden wir bald wieder auf ein solch laxes Veranlagungssystem zurückkommen, daß von einer Gleichmäßigkeit der Veranlagung garnicht mehr die Rede sein kann.
Wenn Herr Graf von Kleist⸗Schmenzin geglaubt hat, meine Zahlen bedeuteten nicht viel, denn es wäre doch nur ein geringer Pro⸗ zentsatz von der gesammten mit über 3000 ℳ Einkommen veranlagten Zahl der Zensiten, so hat er dabei doch übersehen, daß es sich hier um Fälle handelt, nicht wo unrichtig deklariert ist, sondern wo wissent⸗ lich unrichtig deklariert ist. Ich habe nicht geglaubt, daß der Prozent⸗ satz so hoch sein würde, und ich hoffe, daß er sich nach und nach herabmindern wird. Aber daß zur Verminderung wissentlich falscher Deklarationen doch auch ein festes, geordnetes Verfahren beitragen wird und die Ueberzeugung der Zensiten, die etwa dazu geneigt sein sollten, daß die Behörden genau zusehen und doch nicht einfach leicht über die Dinge weggehen, das werden mir doch die Herren auch
ugeben. 88 Graf von Mirbach hält seine Behauptungen aufrecht und erklärt sich noch heute für die Beseitigung der Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer, aber er erachtet die Beseitigung der lex Huene für eine Ungerechtigkeit. Er habe die Steuerreform sich anders gedacht, und dabei habe er sich in der Gesellschaft des Fürsten Bismarck befunden. Er müsse dabei bleiben, daß die stärkste Fiskalität herrscht, vielleicht egen den Willen des Finanz⸗Ministers, seitens der Veranlagungs⸗ ommissionen. b Ober⸗Bürgermeister Struckmann⸗Hildesheim protestiert gegen den Vorwurf, den Graf Mirbach gegen die Veranlagungskommissionen
nes. hat; er sei seit langen Jahren Vorsitzender einer solchen ommission gewesen.
Graf von Mirbach: Ich habe von ländlichen Verhältnissen gesprochen; da heißt es: Ja, Bauer, das ist ganz was Anderes.
Ober⸗Bürgermeister Bender verwahrt sich dagegen, daß hier ein Gegensatz zwischen Stadt und Land konstruiert werde. Herr von Woyrsch bes wert sich, führt Redner aus, über die Einschätzung eines in Breslau belegenen Grundstücks. Aber in Breslau wird alles Land gleich hoch geschätzt, freilich etwas höher als auf dem Lande. Wenn man behauptet, daß eine verschiedenartige Einschätzung flattgefunden hat, dann sollte man doch die Entscheidung des Vöbers Verwaltungsgerichts anrufen, welches doch keine Ursache hat, mit zweierlei 19682 zu messen. Die Mehrbelastung des platten Landes ist doch wirklich nur eine fable convenue. Die Städte haben von der Steuerreform keinen Vortheil gehabt, das Land fast überall. Warum also die Vorwürfe gegen die Kommissionen? Graf Mirbach sollte sich wirklich etwas Zuügel anlegen, wenn er mit solchen Vor⸗ würfen fortfahren will. ö“
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ich bin dem Grafen Mirbach dankbar, wenn er mich ausnimmt und sagt, der Finanz⸗Minister will das nicht; aber ich protestiere dagegen, daß er generell die gesammten Veranlagungsbehörden des Landes be⸗ schuldigt, rücksichtslos lediglich fiskalische Interessen zu vertreten. Der Herr Graf Mirbach sollte bedenken, was er damit den Landräthen sagt. (Zuruf des Grafen Mirbach: Ich sprach nur von der Ergänzungs⸗ steuer.) Da sind auch Landräthe die Vorsitzenden. Was soll es bedeuten, solche Vorwürfe gegen die Königlichen Beamten zu machen? Man kann darauf kaum antworten; es sind unerwiesene Behauptungen, daß man ganz wehrlos dagegen ist, man kann bloß dagegen Ver⸗ wahrung einlegen. Bisher haben die Landräthe, die das Leben auf dem Lande und die Verhältnisse auf dem Lande ganz genau kennen, doch nicht in dem Rufe gestanden, übermäßig fiskalisch zu sein. Ich könnte Ihnen manche Beispiele anführen, wo das Gegentheil der Fall ist, aber ich will darauf nicht kommen, es sind das immer ein⸗ zelne Fälle. Nun meint Herr Graf von Mirbach, die Ergänzungs⸗ steuer wäre auf dem Lande verhältnißmäßig viel höher wie in den Städten. Wenn der Herr Graf die Güte gehabt hätte, die veröffent⸗ lichte Statistik anzusehen, so würde er das ganz natürlich finden, denn die Schuldenzinsen, die in den Städten zum Abzug gekommen sind, betragen 263 Millionen und die Schuldenzinsen, die auf dem platten Lande zum Abzug gekommen sind, 133 Millionen; da nun die Ergänzungssteuer eine Steuer auf das Reinvermögen ist, so müßten natürlich die Gebäude in den Städten, weil sie stärker verschuldet sind, verhältnißmäßig geringer eingeschätzt werden zur Ergänzungssteuer. Diese Dinge beruhen wirklich auf Mißverständniß. Da greift einer eine Zahl heraus, die ihm auffällt, er kennt den ganzen Zusammen⸗ hang nicht und kommt dann zu ganz falschen Schlüssen. Es ist eine Thatsache, jeder, der die Sache studiert hat, weiß das, daß die Ver⸗ schuldung der Gebäude in den Städten im Verhältniß zu dem Werth der Gebäude überwiegend weit höher ist wie auf dem Lande. Nach denselben Prinzipien ist in den Städten verfahren wie auf dem Lande, dieselben Instruktionen sind für die Städte gegeben wie für das Land, auf dem Lande sind die Landräthe die Vorsitzenden, die die Verhält⸗ nisse doch gewiß genau kennen, denn wir haben doch beinahe gar keine besonderen Kommissare auf dem Lande ernannt; (oho!), das sind nur ganz wenige in besonderen Fällen und wesentlich in den Industrie⸗ bezirken, im übrigen ist der Landrath der Vorsitzende geblieben, von dem man doch nicht erwarten kann, daß er die Interessen seiner Kreis⸗ eingesessenen absichtlich rücksichtslos behandelt im Interesse der Staats⸗ finanzen. Also ich kann diese Behauptung in keiner Weise als be⸗ gründet anerkennen.
Meine Herren, erwägen Sie nur, daß die Städte jetzt heran⸗ gezogen werden aus Kapitalvermögen mit 726 Millionen Steuer⸗ einkommen, das platte Land mit 177 Millionen, aus Grundvermögen ein Einkommen in den Städten von 408 Millionen, auf dem platten Lande von 330 Millionen, daß aus Handel und Gewerbe in den Städten 846 Millionen Einkommen veranlagt sind, auf dem platten Lande 118 Millionen, aus gewinnbringender Beschäftigung in den Städten 554 Millionen, auf dem platten Lande 105 Millionen, werden Sie, glaube ich, doch das Gefühl haben, daß die Städte genau nach denselben Grundsätzen und Prinzipien zur Besteuerung herangezogen sind nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit wie das Land. Ja, meine Herren, wo die Werthverhältnisse so schwierig zu ermitteln sind, wird man die Erfahrung machen, daß durch⸗ schnittlich unterschätzt wird; dunkle, unklare Verhältnisse führen in der Regel, von Ausnahmen abgesehen, zur Unterschätzung. Aber es ist sehr schwierig, den Reinertrag und das Reineinkommen von Grund und Boden zu schätzen und ebenso den Werth desselben, und ich glaube daher, im Großen und Ganzen wird man nicht sagen können, daß es überschätzt ist. Allerdings gebe ich zu, daß auf der anderen Seite das Kapitalvermögen nicht überall richtig gefunden wird, aber das ist auf dem Lande ebenso der Fall wie in den Städten. Nur eins kann man wohl annehmen, und das hat Herr Graf von Mirbach gerade nicht behauptet, daß das gewerbliche Anlage⸗ und Betriebskapital wohl bei der Ergänzungssteuer nicht überall ge⸗ nügend herangezogen ist. Das ist wenigstens unsere Ueberzeugung, und das ist eine Folge davon, daß man die Deklaration ge⸗ strichen hat. Der Grund und Boden, ob bebaut oder nicht, liegt klar vor Augen, kann nicht verheimlicht werden er wird also leicht einzuschätzen sein, wenigstens kann seine Existenz nicht verheimlicht werden. Bei dem gewerblichen Anlage⸗ und Be⸗ triebskapital, das man nicht sieht, invisible property ist, glauben wir, daß bei der ersten Veranlagung die Gewerbetreibenden im Großen und Ganzen zu niedrig veranlagt sind, und es wird Aufgabe der Zukunft sein, allmählich der Wahrheit näher zu kommen. Aber aus der ganzen Entwicklung, die sowohl die Gesetze, und die Durchführung derselben als die Ergebnisse der Einschätzung und Veranlagung in Stadt und Land gezeitigt haben, kann nach meiner Meinung niemand, der die Verhältnisse wirklich kennt und zu beurtheilen im stande ist, her⸗ leiten, daß das platte Land prägraviert sei. (Bravo!)
Graf von Mirbach: Die Zusammensetzung der Berufungs⸗
kommission in Königsberg läßt vermuthen, daß die Herren von den ländlichen Verhältnissen nicht viel verstehen.
Bei den Ausgaben des Etats der direkten Steuern tritt
Ober⸗Bürgermeister Struckmann für eine Vermehrung der Katasterämter ein.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich habe hier ja anerkannt, daß allerdings eine Reihe von Katasterämtern überlastet war und daß ein Mangel an Feldmessern längere Zeit vorhanden gewesen ist. Wir haben demge⸗ mäß in jedem Etat die Zahl der Katasterämter vermehrt; man musß
aber doch, wenn man solche Positionen einstellt und etatsmäßige
3—
vFmN .“
E1.““
Lien