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Stellen kreiert, sich auch fragen: wird der jetzige Mangel und die jetzige Ueberlastung fortdauern? Da möochte ich Herrn Struckmann darauf hinweisen, daß ein erheblicher Theil der Gründe, warum die Katasterämter stark überlastet waren und sind, vorübergehender Natur sind. Ich erinnere nur an die erste Veranlagung der Ergänzungs⸗ steuer, welche außerordentliche Arbeit den Katasterämtern gemacht hat; ich erinnere an die Revision der Gebäudesteuer, bei welcher in hervorragendem, ja fast ausschließlichem Maße die Kataster⸗ ämter herangezogen wurden; sie kommt in zwölf Jahren nicht wieder; ich erinnere an die Durchführung der Grundbuchordnung am Rhein, die eine große Anzahl von Katasterbeamten in Anspruch genommen hat. Wenn nun Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann irgendwo gelesen hat, daß davor gewarnt wurde, diese Carrière in zu großer Zahl zu ergreifen, so kann das richtig sein. Ich weiß nicht, ob es direkt offiziell ausgesprochen ist, aber wir sind der Meinung, daß durch die Eleven, die jetzt auf der Hochschule sind, und diese Carrisre ergreifen, in einigen Jahren eine ganz außerordent⸗
liche Ueberfüllung dieses Fachs eintreten wird. Durch das Personal,
welches sich diesem Beruf schon jetzt gewidmet hat, wird der Bedarf, wie wir genau berechnen können, auf so und so lange gedeckt, und daher besteht allerdings im Finanz⸗Ministerium die Meinung, daß man das Ergreifen dieses Berufs gegenwärtig im Interesse der Betheiligten nicht begünstigen dürfe; das wird nicht ausschließen, daß wir noch eine große Anzahl anderer Katasterämter nach Maßgabe des Bedürfnisses in der nächsten Zeit kreieren können. Eine Gefahr, daß hierzu das nöthige Personal fehlt, ist in keiner Weise vorhanden.
Bei dem Etat der indirekten Steuern e1XAA“ Herr von Klitzing den Finanz⸗Minister, die von den Haupt⸗ Steuerämtern für den Abfertigungsdienst vorgeschriebenen Schutzhäuser für die Steuerbeamten wieder zu beseitigen; ferner bittet er, daran festzuhalten, daß der Brennspiritus mindestens 80 % stark sein müsse.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich werde möglichst kurz auf die verschiedenen Fragen antworten. Zunächft die Frage wegen des Schutzes der Be⸗ amten bei der Abnahme des Spiritus auf den Bahnstationen. Die Sache liegt so. Es waren von den Beamten sehr viele Klagen ein⸗ gegangen und Beschwerden, daß sie bei Wind und Wetter, im Winter bei starker Kälte und bei Schnee, ziemlich auf einem Fleck ohne erheb⸗ liche Bewegung sich auf den Bahnstationen, wo obendrein ja oft ziemlich starker Zug berrscht, sich aufhalten müßten und sich da Krank⸗ heiten zuzögen. Da wurde von den Provinzial⸗Steuer⸗Direktionen die Frage erwogen, ob und in welcher Weise diesem Uebelstand abzu⸗ helfen sei. Nun ist man vielleicht in den ersten Maßnahmen zu weit gegangen. Man hat hier und da, vielleicht wo nach der Größe des Quantums, das abzufertigen ist, und nach der Zeitdauer, die darauf verwendet werden muß, kein dringendes Bedürfniß dafür war, doch vorgeschrieben, Schutzhäuser zu errichten, wenn keine andere Gelegen⸗ heit zur Unterkunft dort vorhanden war. Darüber kamen nun wieder starke Beschwerden von seiten der Brennereibesitzer, nnd ich habe diesen oft Recht geben müssen. Infolgedessen habe ich dieses generelle Vorgehen sistiert und angeordnet, da, wo Bedenken vorliegen, wo Beschwerden entgegengesetzt werden, wo behauptet werde, jene Schutz⸗ häuser seien nicht nothwendig, direkt an mich zu berichten. Wenn also im vorliegenden Falle Herr von Klitzing sich mit Recht beschweren kann, was ich nach seinen Ausführungen ja annehmen muß, so bitte ich ihn, sich direkt an den Finanz⸗Minister zu wenden; ich werde die Sache dann weiter verfolgen. Ich bin nicht der Meinung, daß man nöthig hat, es generell durchzuführen. Wo die Kosten und Weiterungen, die den Brennereibesitzern dadurch entsteben, in gar keinem Verhältniß mit der Abstellung von Klagen einzelner Beamten stehen, da werde ich einen Zwang nicht üben. Damit wird Herr von Klitzing wohl zufrieden sein; wenn sich aber die Beamten, als noch kein Schutzdach vorhanden war, weigerten, den Spiritus ab⸗ zunehmen, so würde ich das mißbilligen und würde eine Beschwerde in dieser Beziehung abstellen. Ich kann mir aber das kaum anders erklären, als daß es auf einem Mißverständniß beruhen muß, und ich werde eventuell Sorge tragen, daß es in Zukunft nicht vorkommt.
Der zweite Punkt wäre wohl die Frage, ob eine Aenderung in den Bestimmungen wegen der Gradhaltigkeit des denaturierten Spiritus beabsichtigt werde. Diese von Herrn von Klitzing angedeuteten Be⸗ strebungen der Händler sind mir noch gar nicht zur Kenntniß gekommen. (Graf von Mirbach: Im Reichstag!) Im Reichstag, aber beim Finanz⸗Minister ist eine Vorstellung darüber noch nicht eingegangen. Wir haben durch die Erklärung, daß der Verkauf von denaturiertem Spiritus nicht konzessionspflichtig sei, gerade eine stärkere Benutzung des Spiritus zu gewerblichen und zu sonstigen Brenn⸗ — und Licht⸗ zwecken kann man ja jetzt hinzufügen — begünstigen wollen, und wir werden nichts thun, was den Zweck der Besteuerung verhindern könnte. Ich würde mich namentlich freuen, wenn durch diese Maßnahme die Spirituslampe eine größere Verbreitung findet, und wie ich mich per⸗ sönlich seit langer Zeit bemüht habe, dafür Reklame zu machen (Heiterkeit), würde ich es ebenso den Landwirthen und landwirthschaftlichen Organisationen anheimgeben, sich der Verbreitung dieses ausgezeichneten Lichts im Lande nach Kräften anzunehmen. (Bravo!)
Dann ist die letzte Frage gewesen, ob diese Händler unter die Betriebssteuern fallen. Darüber möchte ich mich heute nicht bestimmt aussprechen. Belanntlich ist die Betriebssteuer eine Kommunalsteuer, und es wird eine Rechtsfrage sein, ob der Verkauf von denaturiertem Spiritus unter den Begriff der Betriebssteuer fällt. Die Frage schwebt noch, und ich möchte der Rechtsauffassung, die hier Platz greifen kann, in diesem Augenblick nicht präjudizieren.
Beim Etat der Münzverwaltung weist
Graf von Mirbach darauf hin, daß dieser Etat 348 000 ℳ Ueberschüsse ergebe; der Ueberschuß würde noch größer sein, wenn beide Metalle zur Ausprägung gelangten. Redner erklärt, daß er eine internationale Währungsvereinbarung zwischen Deutschland, Amerika und Frankreich für möglich halte. Da aber alle Staats⸗ männer eine andere Ansicht hätten, habe er auf diese Anschauung verzichtet. Daß die Verhältnisse in England die Aussichten auf die Doppelwährung vollständig zerstört hätten, wie gestern Herr Westerburg
emeint, sei nicht richtig. Wenn ein preußischer Minister wie Bal⸗ four für die Doppelwährung eintreten würde, dann wären seine Tage wohl gezählt.
Beim Etat der Eisenbahnverwaltung empfiehlt
Graf von Mirbach der Verwaltung, die „gelben“ Wagen weiter zu bauen, da dieselben sich für die Nachtfahrten besser eigneten als die Wagen der D⸗Züge. Redner befürwortet ferner den Bau der Bahn von Neidenburg nach Ortelsburg.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Daß der Herr Graf Mirbach ein guter Freund des sogenannten
System dieses Wagens ist verlassen worden, weil der Wagen den gegenwärtigen Ansprüchen auf ruhigen Gang nicht mehr gerecht wurde. Es war ein zweiachsiger Wagen, der für große Geschwindigkeiten, die jetzt verlangt werden, nicht mehr geeignet ist. Es sind darum haupt⸗ sächlich aus Rücksicht auf eine sichere und bequeme Fahrt die vier⸗ achsigen Wagen eingeführt worden, die in den D⸗Zügen laufen. Ich glaube auch, daß Herr Graf von Mirbach vorzugsweise seine Sym⸗ pathie für den gelben Wagen herleitet aus der inneren Eintheilung und Ausstattung desselben (sehr richtig!), und da kann ich dem Herrn Grafen von Mirbach die Beruhigung geben, daß wir auch in Bezug auf die Ausstattung unserer D⸗Wagen in der letzten Zeit erhebliche Fortschritte gemacht haben. Namentlich ist die Be⸗ nutzung der D⸗Wagen als Schlafwagen bei der neueren Ausstattung, glaube ich, eine bequeme und zweckmäßige.
Was nun den zweiten Punkt anbetrifft, die Fortsetzung der Linie Schönsee — Neidenburg bis Ortelsburg, so muß ich zunächst meinem Bedauern Ausdruck geben, daß eine Aufnahme der Linie in die jetzt in Aussicht stehende Sekundärbahnvorlage ausgeschlossen ist, weil die dazu nöthigen Vorarbeiten in der kurzen Frist natur⸗ gemäß nicht ausgeführt werden können. Dagegen bin ich allerdings der Auffassung, daß ein Zusammenschluß der bestehenden Linien in der angedeuteten Richtung demnächst wohl wird ins Auge gefaßt werden können.
Herr von Pfuel bittet dringend um endliche Fertigstellung der Bahn Berlin⸗Wriezen. 8 Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:;: Meine Herren! Die Verträge mit dem Kreise Niederbarnim und der Stadt Berlin liegen mir auch heutzutage noch nicht vor; wie ich aber gehört habe, sollen dem Abschluß derselben erhebliche Schwierig⸗ keiten nicht mehr entgegenstehen. Vor Abschluß der Verträge bin ich durch gesetzliche Bestimmungen verhindert, in die Ausführung der Bahn einzutreten. Ich habe inzwischen die Zeit benutzt und die Direktion Berlin mit der Anfertigung der Vorarbeiten beauftragt, und ich hoffe, daß diese langwierige, im Interesse der Staatsregierung ebenso wie im Interesse der Verkehrsinteressenten zu beklagende Ver⸗ zögerung endlich einen befriedigenden Abschluß findet.
Was nun die zweite Frage betrifft, so haben die Erwägungen, die insbesondere zwischen dem Finanz⸗Minister und mir über die grund⸗ sätzliche Heranziehung der Betheiligten zu den Kosten derartiger Neben⸗ bahnen geführt worden sind, zu dem Ergebniß geführt, daß in Zukunft den betreffenden Kreisen oder den anderen Korporationen oder Inter⸗ essenten freigestellt werden soll, ob sie nach dem alten System den Grund und Boden in natura geben, beziehungsweise die sich ergebenden Kosten des Grunderwerbs tragen wollen, oder ob sie sich mit einer Pauschalsumme, die auf Schätzung der ungefähren Grunderwerbskosten beruht, von vornherein abfinden wollen. Nach diesem Grundsatz wird schon bei der Nebenbahnvorlage, die hoffentlich bald nach Ostern dem Landtag der Monarchie vorgelegt werden kann, verfahren werden. von empfiehlt die direkte Durchführung der Züge von Kammin und ollin nach Stettin und den Weiterbau der Bahn von Wollin nach Ostswine. “
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich bedauere, daß diese Anregung auf eine Aenderung des Fahr⸗ plans der hinterpommerschen Bahnen erst jetzt an mich herangetreten, nun wir eben den Sommerfahrplan festgestellt haben, der jetzt schwerlich noch geändert werden kann. Es sind bisher Anträge nach dieser Richtung an das Ministerium nicht gestellt, sie wären sonst in früherer Zeit schon geprüft worden. Ich sage aber Herrn von Ploetz recht gern zu, daß die Prüfung nachträglich noch stattfinden soll, ebenso daß eine Prüfung stattfinden soll in Bezug auf die weiteren Wünsche, daß einzelne Züge über Altdamm hinaus nach Stettin durchgeführt werden. Ich möchte mir aber gestatten, gleich von vornherein zu be⸗ merken, daß in der gegenwärtigen Periode die Erfüllung dieser Wünsche ganz besonderen — vorübergehenden — Schwierigkeiten be⸗ gegnet, weil wir bekanntlich den Stettiner Bahnhof zur Zeit um⸗ bauen und infolge dessen die Aufnahmefähigkeit von neuen Zügen in den Berliner Bahnhof zur Zeit sehr beschränkt ist. Indessen soll versucht werden, ob wir den einen oder andern Zug von Altdamm noch hineinbringen können.
Unser Einfluß auf die Kolberger Bahn wird von Herrn von Ploetz vielleicht doch etwas überschätzt, namentlich in Bezug auf das Geldausgeben. Wenn da nicht durchschlagende Verkehrsinteressen oder die Sicherheit des Verkehrs auf dem Spiel stehen, so ist das Auf⸗ sichtsrecht des Staats doch nicht durchgreifend. Es kann ja aber mit der Altdamm⸗Kolberger Bahn durch den Direktions⸗ Präsidenten in Stettin in weitere Verhandlung getreten werden.
Nun komme ich an den schlimmsten Fall, das ist der Weiterbau der Bahn von Wollin nach Ostswine. Es ist richtig, daß die Freiburg⸗Breslauer Bahn seiner Zeit das Projekt aufgestellt hat, auf diesem Wege einen Zugang nach Stettin zu bekommen, daß man aber, auch auf Seiten der Königlichen Staatsregierung, von diesem Projekt Abstand genommen hat, weil das Projekt außerordentlich kostspielig ist, weil eine neue Oderbrücke gebaut werden muß. Es sind deshalb im Laufe der Zeit eine Reihe anderer Projekte aufgestellt, um einen besseren Aufschluß des betreffenden Landestheils berbeizuführen, und finden auch gegenwärtig Ermittelungen in dieser Richtung statt.
Auf eine Anregung des Grafen von Hohenthal erklärt der
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: 1
Meine Herren! Die Bahnhofsverhältnisse in Leipzig sind mir aus eigener Kenntniß hinlänglich vertraut, und ich kann aus dieser Kenntniß heraus nur bestätigen, daß diese Verhältnisse durchaus nicht erfreulicher Natur sind und in absehbarer Zeit eine Aenderung er⸗ fahren müssen. Aber aus dieser Kenntniß heraus kann ich nur weiter mittheilen, daß eine Beseitigung der bestehenden und eine Herbeiführung besserer Verhältnisse überaus großen Schwierigkeiten
nach den verschiedensten Richtungen hin begegnet und jedenfalls sehr kostspielig ist, und daß ferner die Verhandlungen über die Aufstellung des Projekts, die dieserhalb nöthig sind, eine geraume Zeit in Anspruch nehmen werden. Die Angabe des Herrn Grafen von Hohenthal, daß zwischen der preußischen und der sächsischen Regierung Differenzen oder Meinungsverschiedenheiten über den Umbau der Bahnhöfe und die künftige Betriebsleitung auf denselben hervorgetreten seien, ist in⸗ dessen irrig. Wir sind noch garnicht so weit, daß wir uns darüber unterhalten könnten, wer künftig den Zentralbahnhof in Leipzig in Verwaltung nehme. Wir wissen zur Zeit noch garnicht, ob ein Zentralbahnhof hergestellt werden soll und wie sich die Verhältnisse dort gestalten werden. Ueber die ersten einleitenden Schritte zur
gelben Wagens der Ostbahn ist, hat er wiederholt kundgegeben. Das
1 Erörterung dieser Angelegenheit ist man noch nicht hinausgekommen.
DOdber⸗Bürgermeister Möllmann⸗Osnabrück bringt zur Spu daß in der Nähe des Bahnhofes über eine Straße, über welche früde ein Schienenstrang ging, jetzt 7 Stränge gehen, und daß durch „. Rangierdienst der Verkehr erheblich gestört werde. den
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Der neue Bahnhof ist, wie der Herr Oher⸗ Bürgermeister schon mitgetheilt hat, erst seit ganz kurzer Zeit 8
in Bezug auf den Betrieb endgültig geworden. Durch diese Drdnm werden unzweifelhaft auch die beiden Straßen, die hier in Betracht kommen, wesentlich in ihrer Belastung durch den Eisenbahnverkeh erleichtert werden, und es möchte daher zunächst abzuwarten san welche Konsequenzen sich aus dieser anderweitigen Betriebseinrichtung ergeben. Meine Herren, es ist ja zuzugeben, daß die Nivean⸗ überschreitungen der Eisenbahn, und namentlich einer so frequenten Strecke wie die, welche durch Osnabrück geht vielfach den Landverkehr hindern und Schwierigkeiten, 88* und da auch Gefahren mit sich bringen. Aber anderer⸗ seits ist dabei doch auch zu berücksichtigen, daß nicht allein das An. wachsen des Eisenbahnverkehrs, sondern vielleicht in noch höherem Maße das Anwachsen des Landverkehrs diese Schwierigkeit hewor⸗ gerufen hat. Es ist daher von diesem Grundsatz aus von der Eisen⸗ bahnbehörde wie von der Finanzverwaltung stets das Verlangen an die betreffenden Städte gerichtet worden, sich an der Beseitigung 88 artiger Niveauüberschreitungen mit einem angemessenen Betrage n betheiligen. Wenn der Herr Ober⸗Bürgermeister Möllmann als Ver⸗ treter der Stadt Osnabrück in der Lage ist, uns einen solchen ang⸗ messenen Beitrag in Aussicht zu stellen, so wird sich über die Sache reden lassen.
Freiherr von Solemacher bemängelt die schlechten Verhältniße des mit großen Kosten erbauten Kölner Zentralbahnhofes, namentlich daß die Schnellzüge de der verdeckten Halle halten.
Ober⸗Bürgermeister Becker bittet ebenfalls um Vergrößerung der Halle.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich bin dem Herrn von Solemacher ebenfalls dankbar, indem a mir Gelegenheit gegeben hat, hier mitzutheilen, daß die Fortführung der Halle bereits in die Wege geleitet ist. Der Auftrag zur Anz. arbeitung der Projekte ist bereits gegeben; die Ausarbeitung der Pra⸗ jekte hat aber in Köln ihre besonderen Schwierigkeiten, weil wit immer mit dem Dom rechnen müssen, und in der Beziehung seiten der Kölner und auch von anderer Seite einer sehr scharfen Kritt gewärtig sein müssen. Ich hoffe aber, daß wir mit diesen ästhetischen Schwierigkeiten sehr bald fertig sein werden und dann die Halle über den bisher unbedeckten Theil des Bahnsteiges fortgeführt werden kann
“ Etat der allgemeinen Finanzverwaltung weist
Herr von Pfuel darauf hin, daß die Beschlüsse des Reichstags die Zahlen des preußischen Etats beeinflußt haben. 8
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: “
Meine Herren! Wir können in dieser Sache garnichts ändem Der Etat im Reichstag ist noch nicht abgeschlossen gewesen, als unse Etat im Abgeordnetenhause definitiv zum Abschluß kam, und hier das hohe Haus kann ja nach der Verfassung an den einzelnen Positiocne des Etats nichts ändern. Die betreffenden Zahlen in unserem Etat sind jetzt unrichtig, wie sie auch schon im vorigen Jahre, eben wei der preußische Etat auch damals eher zu stande kam als der Reiche⸗ Etat, unrichtig waren. Wer die Geschichte der preußischen Finanze studieren will, wird sich klar machen müssen, daß die Schlußtiffen unseres Etats nicht zutreffen, weil sie mit dem schließliche Ergebniß der Berathung und der Beschlußfassung im Reichstag nicht übereinstimmen. Wir können ja unseren Etat nur acf stellen in Beziehung auf die Ueberweisungen und Matriküler⸗ umlagen nach Maßgabe des Entwurfs des Reichs⸗Etats. Wer⸗ daher der Entwurf in den Berathungen des Reichstags geändert und demgemäß anders festgestellt, können wir das in unseren Etat nicht mehr berücksichtigen, so ist das Schlußergebniß unsers Etats formell unrichtig.
Das ist eine der nachtheiligen Folgen, die sich aus der Var⸗ quickung der Reichs⸗ und der Finanz⸗Verwaltung der Einzelstann ergiebt. So lange nicht das Reich auf eigenen Füßen steht, für sem eigenen Einnahmen sorgt und für seine eigenen Ausgaben verantwen lich ist, sondern den Einzelstaaten von seinen Einnahmen ũberve und bei Fehlbeträgen auf die Einzelstaaten zurückgreift — ein Zustm der in der Welt nach meiner Kenntniß weiter nicht erister (sehr richtig!) — so lange sind solche Folgen unvermeidlis Es ist ja allerdings überraschend gewesen für die Eirr staaten, daß im letzten Augenblick die Frankenstein'sche Klau⸗ zum theil suspendiert wurde und der Reichstag eine Schabde tilgung für das Reich, die ja an und für sich sehr wünschenswertb th einleitet, unter Verminderung der Ueberweisungen, die n Franckenstein'schen Klausel den Einzelstaaten zustehen. Dadorch t allerdings unsere Lage wesentlich geändert. Bisher hatten die F staaten nur das an und für sich schon bedenkliche Risiko, für n Matrikularumlagen, die im Reich schwankend festgesetzt werden, AI. zukommen, und eine geordnete und planmäßige Finan wurde in den einzelnen Staaten dadurch recht erschwert. Wenn auch die Ueberweisungen, welche nach der Franckenstein’schen Alais den Einzelstaaten zustehen, alteriert werden, dann ist die 2
sicherheit in den Finanzzuständen der Einzelstaaten — größer. Das brauche ich hier nicht weiter auszuführen. Wir 2 nichts weiter thun, solange wir eine gesetzliche Finanzreform. 9 nur auf eine vollständige, reinliche Scheidung der Finanzen des Rr und der Einzelstaaten hinauslaufen kann, nicht erreichen oder errers können, als daß wir, wenigstens in Preußen selbst, diejenigen Uchace welche aus inneren preußischen Verhältnissen zu den großen kungen in unseren Etatsverhältnissen führen, möglichst beseitiger
k. 182
Betrieb. Die Ordnung der Verhältnisse ist erst in allerletzter Zeit
N.h 277.
Berlin, Sonnabend, den 28. März
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Meine Herren, unsere Schuldentilgung ist jetzt — da ich durch diesen Etat einmal darauf geführt werde — eine sehr unsichere. Wir verwenden etwa 8 Millionen Mark für die ordentliche Schulden⸗ tilgung; sie beruht auf den Bestimmungen der betreffenden Anleihen. Diese Schuldentilgung wird aber im nessentlichen im Jahre 1900 wegfallen, weil dann die meisten Anleihen, um die es sich hier handelt, insbesondere die 3 ½ %igen preußischen Staatsschuldscheine, getilgt sein werden. Sie finden in diesem Jahre schon, daß, wie uns auch der Herr Berichterstatter dargelegt hat, die gesammten kurhessischen Schulden getilgt sind, die kurhessischen prämienanleihen und außerdem die preußischen Prämienanleihen. Dadurch ist unsere ordinäre Schuldentilgung schon um rund 5 Millionen Mark verringert. Die sogenannte extraordinäre Schulden⸗ filgung hat gar keine gesetzmäßige Grundlage, sondern beruht auf Ftatsbeschlüssen; sie kann durch irgend ein Abgeordnetenhaus, welches zaz geneigt ist, einfach gestrichen werden. Sie beträgt jetzt etwa 4ℳ Millionen — ich habe die Summen nur als runde Zahlen im Kopf. b
Meine Herren, es muß daher nach meiner Meinung unser Be⸗ steben dahin gehen — und vielleicht wird dem hohen Hause in dieser Beziehung noch eine Vorlage gemacht werden —, die jetzige Schulden⸗ iilgung, die wir thatsächlich oder auf Grund der Etats⸗ beschlsse oder nur zeitweilig haben, aus den vorher ungegebenen Gründen zu einer dauernden, auf Gesetz beruhenden Schuldentilgung zu machen. Wir tilgen jetzt im Ganzen, wenn ich die ordinäre und die extraordinäre Schuldentilgung zusammenrechne, ttwa eine Kleinigkeit mehr als ein halbes Prozent unserer 6 Milliarden und ungefähr 600 Millionen betragenden Staatsschulden. Es wäre sehr erwünscht, diese Schuldentilgung zu verstärken, aus mehreren Gründen, die wir vielleicht noch näher erörtern werden. Aber, da auch das Reich angefangen hat, die Schuldentilgung zu beginnen — was an und für sich durchaus wünschenswerth und bei der wachsenden Reichsschuld für unproduktive Zwecke eigentlich durchaus nothwendig ist —, so wird es wohl gerathen sein, daß wir uns in Preußen mit Rücksicht auf die Unsicherheit unserer Einnahmen auf den gegen⸗ wärtigen Satz als einen Minimalsatz beschränken. Haben wir Mehr⸗ überschüsse, so werden diese auch zur Reichsschuldentilgung zu verwenden sein; aber uns obligatorisch zu verpflichten, mehr als ein halbes Prozent zu tilgen, scheint mir, namentlich mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Reich, wie gesagt, bedenklich zu sein.
Damit allein werden wir unsere Verhältnisse in Preußen aber noch nicht konsolidieren. Unsere Betriebsverwaltungen, von denen ich schon vorher sagte, daß sie fast vier Fünftel aller Ausgaben decken, — nach der einen Seite in schwierigen Zeiten bedenklich, nach der underen Seite eine ungeheure Wohlthat für das Land, weil dadurch eine übermäßige Heranziehung der Steuerkraft verhütet wird — sind in ihren Ueberschüssen sehr schwankend. Sie brauchen sich nur anzusehen, wie wir in den letzten zehn Jahren von Defizits in Ueberfluß und von Ueberfluß in Defizits gekommen sind, wesentlich auf Grund der großen Schwankungen der Betriebsverwaltungen. Da kann man sich nicht mit dem Satz trösten, mit dem manche Finanzpolitiker, die in der Presse ihre Grundsätze entwickeln, sich abfinden, daß, wenn man Deftzits hat, man Anleihen macht, um das Defizit zu tilgen, und wenn man Ueberschuß hat, man die Anleihen, die man vorher kontrahiert hat, wieder aus den Ueberschüssen tilgt. Nein, meine Herren, ein solches Schwanken in den Staatsfinanzen zwischen Fehl⸗ beträgen und Ueberschüssen ist gefährlich für die ganzen Staatsfinanzen und für die Erfüllung der Staatsaufgaben in beiden Fällen, bedenk⸗ lch in Zeiten des Defizits, wo alles zurückgestellt wird, wo man dringende Aufgaben nicht erfüllen kann, wo man die Bedürfnisse ver⸗ trösten muß auf die Zukunft, wo eine Stockung in die ganze Staats⸗ verwaltung hineingeführt wird; bedenklich vielleicht noch mehr in Zeiten des Ueberschusses, weil die Illusionen, welche dann entstehen über die dauernde Lage der Staatsfinanzen, zu einer ungemessenen Ver⸗ nehrung dauernder Ausgaben gar zu leicht führen, wie wir das in das in den letzten 20 Jahren vor uns gehabt haben, wo dann die Aus⸗ gaben nachher kommenden schlechten Zeiten bleiben, aber die Ein⸗ nahmen verschwunden sind, und das Deftzit unerbittlich eintritt.
Daher haben wir den Plan, meine Herren, diese Uebelstände wenigstens einigermaßen dadurch auszugleichen, daß wir uns einen Ausgleichsfonds bilden, in welchem bis zu einer bestimmten böhe in guten Jahren, wie wir sie ja augenblicklich in den Staatsfinanzen haben, angesammelt wird, um in Zeiten des Rückgangs, der Fehlbeträge, daraus Deckung zu nehmen. Das wird dahin führen, daß man in solchen ungünstigen Zeiten, wo man oft jahrelang mit Defizits zu kämpfen hat — wir haben jetzt fünf Defizitsjahre hinter uns —, etwas larger und gleich⸗ mäßiger sein kann in der weiteren Zulassung staatlicher Verwendungen und Ausgaben, weil man für den Fall, daß die Rechnung mit dem Etat nicht übereinstimmt, sich damit trösten kann, daß wir diesen Fonds angesammelt haben, um solche Schwankungen und Fehlbeträge zu decken. Das thut jeder Privatmann auch. Ein verständiger Privatmann wird vh in einzelnen besonders guten Jahren alles verzehren, sondern sich Gheen machen. Jede große Gesellschaft wird in glänzenden Jahren 8l hr abschreiben, sich Reservefonds bilden, weil man sich sagt, das
eibt nicht immer so, und wir müssen auch für schlechte Zeiten sorgen.
1n der Staat einmal so große Betriebsverwaltungen hat, wie wir
ee und diese Betriebsverwaltungen eine solche entscheidende
verah ung für die ganzen Staatsfinanzen haben, so müssen wir ebenso 7 und wir werden vielleicht Gelegenheit haben, dem hohen 1 Vorlage in dieser Beziehung zu unterbreiten, und ich
vitd. ir daß dieselbe nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte behandelt Vorgän sscctspunkte, die noch eine stärkere Bedeutung durch die letzten 8 Marriüm Reichstag erhalten haben, wo nicht bloß das Schwanken
ulmas agen aufrechterhalten, sondern die Unsicherheit für
vergriß snen Staaten auch in Bezug auf die Höhe der Ueberweisungen ert ist. Wenn durch Budgetbeschluß im Reichstage dem
einzelnen Staat die Ueberweisungen ganz oder zum theil entzogen werden können, so haben wir noch mehr Veranlassung, uns selbst, so⸗ weit es in unferer Krast liegt, gegen solche Schwankungen zu sichern. (Sehr gut!)
Zu demselben Gegenstande nimmt der Finanz⸗Minister Dr. Miquel noch einmal das Wort und erklärt:
Die Zahlen, um die es sich handelt, sind folgende: Für 1895/96 sind die Beträge, welche aus den Zöllen, Stempeln u. s. w. bisher nach der Franckenstein'schen Klausel für das Reich zurückbehalten wurden, von 130 auf 143 Millionen erhöht, also insgesammt werden die Ueberweisungen um 13 Millionen verringert, und wenn Sie an⸗ nehmen, daß es sich für Preußen um rund ⁄ dieser Summe handelt, so werden wir in dieser Beziehung auf etwa 9 Millionen kommen.
Für das Jahr 1896/97 ist die Hälfte des Ueberschusses der Ueber⸗ weisungen über die Matrikularbeiträge vom Reich zurückbehalten. Es läßt sich noch nicht übersehen, wie sich die Ueberschüsse zu den Matri⸗ kularumlagen in diesem Jahre stellen werden; da kann ich also noch keine bestimmten Zahlen angeben. Daß es sich aber für Preußen um erhebliche Summen handeln kann, ist wahrscheinlich. In diesem Jahre hatten wir in der letzten Zeit nach sorg⸗ fältiger Erwägung aller inzwischen eingetretener Umstände, allerdings nur schätzungsweise, angenommen, daß wir einen Ueberschuß in unserer preußischen Finanzgebahrung von etwa 28 bis 30 Millionen haben würden. Dieser Ueberschuß würde hiernach etwa auf 21 Mil⸗ lionen zurückgehen. Nun, die Herren im Reichstag berücksichtigen das wohl nicht immer so, welche Rückwirkung solche Maßnahmen auf die Finanzgebahrung der Einzelstaaten habe; der ursprüngliche Antrag der Budgetkommission im Reichstag ging sogar dahin, daß auch aus dem Jahre 1894/95 die Ueberweisungen um etwa 12 Millionen gekürzt werden sollten. Im Jahre 1894/95 hatten wir unser Defizit auf 56 Millionen veranschlagt; aus den verschiedensten Gründen ist das⸗ selbe nachher auf etwa 8 ½ Millionen in der Rechnung reduziert worden. Nun haben wir von den Krediten, die wir vom Landtag forderten, um das veranschlagte Defizit zu decken, die Mehrüber⸗ weisungen des Reichs bereits abgeschrieben, und hinterher sollten nun, nachdem die Rechnung schon abgeschlossen war, durch uns diese Beträge wieder verkürzt werden. Das ist indeß durch das Entgegenkommen des Reichstags abgewandt worden. Ich führe dies nur an, damit diejenigen Mitglieder des Herrenhauses, welche im Reichstag sitzen, doch auch nicht aus den Augen verlieren, daß das Reich ein Föderativstaat ist, und daß dieser Föderativstaat in un⸗ mittelbarer, finanzieller Verbindung mit den Einzelstaaten steht, daß jede Maßregel, die in dieser Beziehung im Reich getroffen wird, zurückwirkt auf die ganzen Verhältnisse in den Einzelstaaten. Meine Herren, daß, wenn das Reich auf seinen eigenen Finanzen stände, für seine eigenen Ausgaben verantwortlich wäre, keine Ueberweisungen von seinen Einnahmen an die Einzelstaaten lieferte, daß es dann durchaus rationell wäre, die Ueberschüsse im Reich ausschließlich für Schuldentilgung zu verwenden, das wird kein Mensch bestreiten, und wenn dieser Gesichtspunkt allein maßgebend sein könnte, so würde ja niemand das geringste Bedenken dagegen haben, sondern es mit Freuden begrüßen, wenn das Reich anfinge, seine Schulden mit seinen Ueberschüssen stark zu tilgen bezw. die Ueberschüsse auf neu aufzunehmende Anleihen abzurechnen. Aber so liegt die Sache doch nicht ganz, das Reich steht in einem bestimmten verfassungsmäßigen, finanziellen Verhältniß zu den Einzelstaaten; diese Ueberschüsse konnten bisher verwandt worden zur Ausgleichung für etwaige Fehlbeträge, die die Einzelstaaten eventuell decken müssen, wenn die Matrikular⸗ umlagen die Ueberschüsse übersteigen, und daher meine ich, der Reichstag wird auch immerhin einige Rücksicht nehmen müssen auf die Rück⸗ wirkung der Beschlüsse, auf die Finanzen der Einzelstaaten. Für uns macht ja das Vorgehen des Reichstags in diesem Jahre keine Ver⸗ legenheit und wir konnten entgegenkommen. Die großen Zoll⸗ einnahmen des Reichs sind ja entstanden aus dem Aufschwung der allgemeinen Wirthschaft und bei der auch mangelhaften Ernte; hätten wir eine glänzende Ernte gehabt, so würde ein großer Theil der Zolleinnahmen des Reichs nicht eingekommen sein. Diese Mehr⸗ einnahmen fallen nun mit den starken Einnahmen der Eisenbahnen zusammen. Wir können in Preußen daher derartige Verände⸗ rungen vertragen, und ich persönlich habe, wie die Dinge sich nun einmal im Reichstag entwickelt hatten, daher ohne Bedenken für die preußischen Finanzen dem diesmaligen Vor⸗ gehen im Reich gern zustimmen können. Allerdings die kleineren deutschen Staaten, die keine Eisenbahnen haben, die nur über ge⸗ ringeres Vermögen verfügen und auf feste Einnahmen aus den Steuern wesentlich angewiesen sind, die wir doch auch gewissermaßen zu vertreten das nobile officium haben, können leichter in Verlegen⸗ heit kommen, und wir haben gewiß kein Interesse, gerade die kleineren Staaten in ihrer finanziellen Lage zu schädigen. (Bravo!)
Beim Etat der Preußischen Zentral⸗Genossen⸗ schaftsbank spricht
Freiherr von Durant seine Befriedigung aus über die Gründung dieses Instituts zur Förderung des Personalkredits und bittet den Minister, die Einrichtungen zu fördern, welche es ermöglichen, daß die einzelnen Personen und Genossenschaften mit dem Institut in Ver⸗ bindung treten können.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: 8 8
Meine Herren! Wir werden ja Gelegenheit haben, wahrschein⸗ lich uns über die Fragen, die sich auf die Zentral⸗Genossenschaftsbank beziehen, demnächst noch näher zu unterhalten, weil wohl schon in dieser Session noch dem hohen Hause ein Gesetzentwurf vorgelegt werden wird zur Vergrößerung des Grundkapitals der Zentral⸗Genossenschafts⸗ bank. Ich möchte aber den Herrn Vorredner doch darauf hinweisen, daß es mir bedenklich erscheint, allzu schnell die Aufgaben der Zentral⸗ Genossenschaftsbank zu erweitern.
Wir haben mit der Forderung des eigentlichen Genossenschaftswesens noch unendlich viel zu thun, wir sind in dieser Beziehung ja noch längst nicht an dem Punkt angelangt, den wir erreichen wollen. Aller⸗ dings hat die Zentral⸗Genossenschaftsbank schon bisher die Ent⸗
96. wickelung des Genossenschaftswesens außerordentlich gefördert, es entstehen allenthalben, in allen Provinzen und namentlich zu meiner Freude in den östlichen Provinzen, besonders auf dem Gebiet der Landwirthschaft eine Genossenschaft nach der anderen, die Zahl derselben vermehrt sich ganz außerordentlich, sie schließen sich zu Verbänden zusammen und treten dann mit der Zentral⸗Genossenschafts⸗ bank in Verbindung. Die Zahlen werden wir Ihnen genau geben; Sie werden sehen, in welchem hohen Maße dieses staatliche Institut das Genossenschaftswesen, und man kann sagen damit den Kredit der Mittelklassen, namentlich aber der ländlichen Mittelklassen gefördert hat.
Nun bleibt uns aber neben der Förderung der Kreditgenossen⸗ schaften noch die große Aufgabe der Förderung und Entwickelung der ländlichen Produktivgenossenschaften übrig, der Einkauf⸗ und Verkaufgenossenschaften, der Molkereigenossenschaften u. . Ihre Entwickelung ist auch erst im Anfang und nach meiner Meinung eine dringende Nothwendigkeit für die Landwirthschaft.
Das sind sehr große Aufgaben, die wir noch zu erfüllen haben, sodaß ich prima facie mich scheuen würde, an ein ganz neues Gebiet heranzutreten. Ich kann die Anregung daher nur zur Erwägung nehmen, möchte aber nicht von vornherein in Aussicht stellen, daß jetzt schon die Zeit gekommen ist.
Beim Etat der Bauverwaltung empfiehlt Landgraf Alexis von Hessen, nachdem die Fulda kanalisiert ist, eine bessere Ueberwachung der Wasserverhältnisse der Oberweser.
Herr von Levetzow fragt, ob der Staffeltarif von Königsberg nach Berlin noch fortbesteht oder mit den Staffeltarifen Provinz Brandenburg nach dem Westen aufgehoben ist.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich habe leider den Anfang der Rede des Herrn von Levetzow nicht gehört, aber aus dem Schlusse gefolgert, daß er sich darüber beschwert, daß mit Aufhebung der allgemeinen Getreidestaffeltarife im vorigen Jahre nicht auch die sogenannten Ostbahnstaffeltarife auf⸗ gehoben worden, diese vielmehr bestehen geblieben sind. Diese alten Ostbahnstaffeltarife haben bestanden weit vor den neu eingeführten all⸗ gemeinen Getreidestaffeltarifen und haben bestanden neben diesen Staffeltarifen und sind bei der Aufhebung der allgemeinen Staffel⸗ tarife, die ja damals und auch heute noch von einem großen Theile unseres Landes auf das allerlebhafteste beklagt wird, aufrecht erhalten worden, weil mit Recht geltend gemacht wurde, daß für die Landestheile, die sich bisher im Genuß der Ostbahn⸗ staffeltarife befanden, es absolut nothwendig sein würde, diese Staffeltarife zu konservieren, da mit diesen Staffeltarifen ihnen
die Möglichkeit gegeben wäre, wenigstens die früheren Absatzgebiete zu behaupten. Ich befinde mich daher nicht in der Lage, dem Wunsch des Herrn von Levetzow eine Aussicht eröffnen zu können. Ich bin fest überzeugt, daß, wenn wir mit diesem Antrag in die Bezirks⸗Eisenbahn⸗ räthe hineinkommen, die östlichen elf Bezirks⸗Eisenbahnräthe ziemlich einstimmig einem derartigen Antrag sich entgegenstellen würden, und, meine Herren, in einer Zeit, in der die Nothlage der Landwirthschaft gerade im Osten am schärfsten hervortritt, scheint es mir doch auch nicht gerechtfertigt zu sein, ihr seit alten Zeiten gewährte Erleichte⸗ rungen zu entziehen.
. Herr von Levetzow: Wenn nicht allgemeine W“ einge
ührt werden, dann sollte man die alten Staffeltarife au beseitigen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Deen letzteren Wunsch kann ich nur anerkennen. Ich hoffe, es wird eine Zeit kommen — ich werde es ja schwerlich erleben, wenigstens nicht in meinem jetzigen Amt — wo die jetzt noch bestehenden Be⸗ denken gegen die Staffeltarife werden beseitigt und dieselben allgemein werden wieder eingeführt werden können. (Lebhaftes Bravo!)
„Herr von Wedel⸗Piesdorf empfiehlt ebenfalls die Be⸗ sehüigung aller Staffeltarife oder die allgemeine Einführung der⸗ elben.
Graf zu Eulenburg⸗Prassen: Die Interessen der Land⸗ wirthschaft, des andels und der Industrie Ostpreußens haben sich einstimmig für die Staffeltarife ausgesprochen; ohne solche Tarife würde die ostpreußische Landwirthschaft wehrlos den Getreidehändlern der Seestädte überliefert sein.
Graf von Klinckowström: Die Bedeutung des Staffeltarifs von Königsberg nach Berlin wird überschätzt; der Tarif kann nur in Ausnahmefällen einen Nutzen gewähren. 2 ie allgemeine Einführung der Staffeltarife ist das einzige Vernünftige, was geschehen kann.
Ober⸗Bürgermeister Westerburg⸗Cassel tritt ebenfalls für eine Verbesserung des oberen Laufes der Weser ein. eim Etat des Ministeriums für Handel und Ge⸗ werbe bringt Ober⸗Buͤrgermeister Struckmann⸗Hildesheim zur Sprache, daß die Gewerkschaft Hereynia, welche ein Kaliwerk bei Vienenburg einrichten wollte, ihre Abwässer erst in die Oker und dann in die Innerste ableiten wollte. Hildesheim und die Bezirksregierung prote⸗ stierten gegen beide Pläne. Da zeigte es sich, daß eine Quelle auf dem halben Wege zwischen Hildesheim und Gandersheim ganz und gar verlaugt war. Die Nachforschungen ergaben, daß die Ge⸗ werkschaft seitens des Bezirksamts Gandersheim ohne 5 Ausschreiben auf Grund eines beschafften Gutachtens ihre Abwässer in den zerklüfteten Felsboden leitete, wodurch die Quelle und auch die Innerste verunreinigt wurden. Seit 1891. sei die Sache trotz aller Anregungen noch nicht worden. Der Fall sei eine Illustration dafct, daß wir unbedingt zu einem deutschen Wasserrecht kommen müßten.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:
Meine Herren! Die vorliegende Frage wird von mehreren preußischen Ressorts behandelt, und wenn auch das Handels⸗Ministe⸗ rium nicht dasjenige ist, welches in dieser Sache die Feder führt, so glaube ich doch, wird es zur Abkürzung der Verhandlung führen, wenn ich mir gestatte, einige Worte auf das zu erwidern, was der Herr Vorredner angeführt hat. Die Details des Herrn Vor⸗ redners sind ja im allgemeinen zutreffend. Nur in einem Punkte gestatte ich mir, ihn zu korrigieren. Es ist nicht zutreffend, daß das Gutachten des Reichs⸗Gesundheitsamts zwei Jahre in den Ministerien gelegen hat und nicht weiter behandelt worden
ist. Das letzte Gutachten des Reichs⸗Gesundheitsamts in diefer “;
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