Konzerte.
Die seit vielen Jahren in Berlin nicht mehr see Violin⸗ Virtuosin Fräulein Gabriele Wietrowetz erschien am Sonn⸗ abend zum ersten Mal wieder in einem Konzert mit dem lcbarmn se en Orchester in der Sing⸗Akademie. Die ochbegabte Künstlerin spielte zunächst das D-moll-Konzert für zwei Violinen von J. S. Bach in Gemeinschaft mit Herrn Professor Dr. Josef Joachim und fesselte sowohl in diesem wie auch in den weiter dargebotenen großen Violinwerken: dem D-dur-⸗Konzert op, 77) von J. Brahms und dem E-moll-Konzert (op. 64) vonF. Mendelssohn durch ihre unübertreffliche Beherrschung aller technischen Schwierig⸗ keiten und tiefempfindende Ausdrucksweise. Zwischen den beiden Violinkonzerten ließ sich Miß Else Hall mit dem E-moll-Konzert von Chopin hören. Die Ausführung war korrekt und lobenswerth, doch wäre ein etwas v Vortrag zu wünschen gewesen. Das Philharmonische Orchester, das im ersten Konzert unter Hers Pro⸗ fessor Mannstaedt's Leitung stand, während die folgenden Werke von Herrn Professor Dr. Joachim selbst dirigiert wurden, bewährte auch an diesem Abend seine anerkannte Tüchtigkeit. Reicher, wohl⸗ verdienter Beifall lohnte allen Mitwirkenden.
Gestern veranstaltete im Saale der Philharmonie Herr Edouard Colonne, der bekannte und in Paris sehr beliebte Dirigent der dortigen populären Orchester⸗Konzerte, ein „französisches Konzert“. In den unter seiner Leitung von dem Philharmonischen Orchester ausgeführten Werken rantasischer Komponisten trat eine große Ge⸗ wandtheit in der Kunst, fein und effektvoll zu instrumentieren, neh. Ge⸗ hervor. Diesen Vorzug zeigte besonders die erste Nummer des Programms: die Ouvertüre zu „Phoͤdre⸗ von Massenet. Die auch bei uns viel gespielte, inhaltlich freilich ziemlich triviale symphonische Dichtung „Le rouet d'Omphale“ von St. Saëns hätte leiser und zarter gespielt werden dürfen. Als Novität schloß sich hieran ein aus drei Sätzen bestehendes Werk
Contes d'Avril“, das, bald den Holzblaseinstrumenten, bald der Violine dankbare Stellen zuertheilend, einen großen Reichthum schöner und gefälliger Melodien darbietet. Der Kompponist desselben, Ch. M. Widor, ist hier noch wenig bekannt. Drei aus der hier öfter und erst vor kurzem wieder
Damnation de Faust“ von Hector „Gylphen⸗Ballet⸗ und der ungarische Marsch nach stürmischem Applaus wiederholt wurden, sowie Eduard Lalo's stets gern gehörte „Rhapsodie Norvégienne“ und die gleichfalls hier öfter mit großem Erfolge ausgeführte Symphonie „Roma“ von Georges Bizet bildeten den Beschluß dieses interessanten Konzertes. Das zahlreich erschienene Publikum spendete der künstlerischen Wiedergabe dieser Werke durch das Phil⸗ ö Orchester unter dem energischen Dirigenten die lebhaftesten
Beifallsbezeugungen.
Im Königlichen Opernhause geht morgen Richard Wagner’s „Lohengrin“ unter Kapellmeister Dr. Muck's Leitung in Scene. Der Königlich bayerische Kammersänger Herr Heinrich Vogl gastiert in der Titelrolle. Im übrigen lautet die Be⸗ setzung: Elsa: Frau Pierson; Ortrud: Frau Götze; Telramund: 83 Bulß; König: Herr Stammer; acer. Herr Fränkel. —
n der heutigen Aufführung von Donizetti's „Lucia von Lammer⸗ moor’ singt Fräulein Mary Howe aus New⸗York die Titelrolle; das ursprünglich angekündigte Auftreten der Signorina Prevosti als Lucia ist verschoben worden.
Im Königlichen Schauspielhause findet morgen eine Aufführung von Otto von der Pfordten’'s „1812“ in folgender Be⸗ setzung statt: Napoleon: Herr Kahle, General York: Herr Molenar, Johanna: Frau Seebach, Luise: Frau von Hochenburger, Reichs⸗ freiherr vom Stein: Herr Grube, Rittmeister Hertling: Herr Purschian.
Im Theater Unter den Linden spielt Anne Judic morgen die „Niniche“; am Donnerstag gelangt „La Femme à Pepa- zur Darstellung, am Freitag geht wieder „Niniche“ in Scene. An allen Abenden singt Madame Judic zum Schluß ihre Chansonnettes. Für Frvasge ist die Erstaufführung des Vaudevilles „La Cigale“ angesetzt. 1
Im Konzerthause veranstaltet Kapellmeister Meyder morgen, Mittwoch, den letzten „Komponisten⸗Abend“ dieser Saison. Die Herren Fink, Kleefeld, Schulz⸗Schwerin, Wagner und Ziegler werden mehrere eigene Kompositionen unter persönlicher Leitung zur Auf⸗ führung bringen. Außerdem wird der Tenorist Herr von Humalda eine Arie aus dem Oratorium „Elias“ von Mendelssohn und Herr Lichtenstein Lieder von Kleefeld singen.
Fragmente 1 Aufführung gebrachten erlioz, von denen das
11
Die Besetzung der Rollen für die diesjährigen Bayreuther estspiele ist nunmehr bis auf diejenigen für den Siegmund und
den Siegfried erfolgt. Dieselbe weist nachstehende Namen auf: Brünn⸗ hilde: Frau Lehmann⸗Kalisch (Berlin), Frau Gulbrandson (Christiania), Sieglinde: Frau Rosa Sucher (Berlin), Fricka: Frau Brema (Lon⸗ don), Erda und Waltraute: Frau Schumann⸗Heink (Hamburg), Gutrune: Frau Reuß⸗Belce (Karlsruhe), Freya: Fräulein Weed (Berlin), Rheintöchter: Fräulein von Artner (Hamburg), Fräulein remdstad (Köln), Mime: Herr Breuer (Bayreuth), Wotan: Herr erron (Dresden), Loge Herr Vogel (München), Alberich: Herr riedrichs (Bayreuth), Hagen: Herr Grengg (Wien), Fafner: Herr Imblad (Breslau), Fasolt: Herr Wachter (Dresden), Gunther: 8 Groß (Straßburg), Donner: Herr Bachmann (Nürnberg), unding: Herr Elmblad (Breslau), Herr Wachter (Dresden).
Mannigfaltiges.
Sogleich in die ersten Tage nach Eröffnung der Berliner Gewerbe⸗ Ausstellung 1896 fällt das große Fest der Kunstakademiker zur Feier des 200 jährigen Bestehens der Berliner Akademie der Künste, das, wie schon früher mitgetheilt, durch einen großen Festzug, welcher einem Festspiel im Theater und Volksbelustigungen in „Alt⸗ Berlin“ vorausgehen wird, auf dem Ausstellungsgelände selbst ver⸗ herrlicht werden soll. Vertreter aller Schwester⸗Institute in Deutschland und der befreundeten Hochschulen, von denen zahlreiche Deputationen be⸗ reits angemeldet sind, werden in einer Art Blumenkorso den imposanten Zug eröffnen, dem sich dann zunächst Herolde, Musikkapellen, Fahnen⸗ träger u. s. w. anschließen werden. Der eigentliche Festzug zerfällt in sieben Gruppen; jede Gruppe hat einen großen al gneischen Fest⸗ wagen, auf welchem Künstlerinnen der ersten hiesigen Bühnen bei der Verkörperung der Idealgestalten mitwirken werden. Die Maler eröffnen den Za und bringen in ihm von Apelles bis auf den -e Tag die großen Meister der Palette und des Pinsels aus allen zur Darstellung. Die Bildhauer folgen in ähnlicher Weise und
üpfen bei Pefitenes an. Die dritte Gruppe bringt mit Modellen der größten Bauwerke aller Zeiten die Architektur zur Darstellung. Den Mittelpunkt der darauf folgenden vierten Abtheilung, eines großartigen Wagenzuges, des „Königszuges“, wird die Gestalt des Kurfürsten Friedrich III., des ersten preußischen Königs, mit seinem Gefolge bilden, der von den schönen Künsten, denen er in Preußen neue Wege geebnet, nach Berlin hinein geleitet wird. Volk aller Art schließt sich diesem Zug als fünfte Gruppe an, welcher dann als sechste die „Phantasie“ folgt; in dieser Gruppe ist, ihrem Titel entsprechend, dem Gennnaseeich dam unserer jungen Künstler voller Spielraum ewährt. Die siebente Gruppe endlich ist dem Humor überlassen.
n dem Festzug sind mehr als tausend Personen betheiligt; nur ein Theil von ihnen wird in dem Festspiel im Theater mitwirken können, alle aber sind dann bei dem großen Volksfest in „Alt⸗Berlin“ betheiligt. Einen glücklicheren Rahmen für ein Spiel, dessen Zeit 200 Jahre zurückliegt, kann man sich schwerlich wünschen; denn man hat hier als Hintergrund den gewissermaßen wiedererstandenen wirklichen Schauplatz jener Vorgänge. Von dem großen Interesse welches man dem Fest entgegenbringt, zeugt übrigens die Thatsache, da von Kunstfreunden schon mehr als 8000 ℳ zur Verfügung gestellt worden sind und daß ein einziger Berliner Förderer der schönen ris 300 Karten bestellt hat, obwohl der der Karte auf 20 ℳ fest⸗ gesetzt ist. Allerdings weist der Kostenvoranschlag für das Fest auch bereits die stattliche Summe von 40 000 ℳ auf. „Alt⸗Berlin“ ist an diesem Tage für das Publikum vollständig geschlossen und während des ganzen Tages den Kunstakademikern überlassen. Anmel⸗ dungen zum Eintritt an diesem Tage nimmt der Portier der Kunst⸗ Akademie, sowie der Direktor von „Alt⸗Berlin“, Herr Kaufmann,
Thiergartenstraße 8 b, entgegen.
Der „Berliner Fröbel⸗Verein“ hielt gestern unter dem Vorsitz des Professors Pappenheim in Keller'’s Festsälen seine General⸗ versammlung ab. Der Verein hat, dem erstatteten Bericht zufolge, fortgesetzt im Sinne Fröbel's für die Jugend zu wirken gesucht. In den 6 Kindergärten wurden im letzten Jahre .353 Kinder vereinigt, 254 davon allein in den 3 Volkskindergärten, deren Unterhaltung dem Verein 9000 ℳ kostete. Die Stadt Berlin gewährte 4500 ℳ, der Staat 900 ℳ Zuschuß. Sehr bewährt hat sich die neue Einrichtung, die Volkskindergarten auch während der Ferien geöffnet zu halten. Um den Lehrerinnen Urlaub gewähren zu können, wurden Vertreterinnen ein⸗ gestellt. Insgesammt waren in den Kindergärten 9 Kindergärt⸗ nerinnen und 3 bis 5 Hilfskräfte thätig. Am stärksten besucht waren die Gärten im Mai und im November. Das Kindergärtnerinnen⸗ Seminar ist von 50 Schülerinnen besucht worden, von denen 38 ihr Se abgelegt haben. Am diesjährigen Ostertermin haben 2 weitere Schülerinnen das Examen bestanden. Die Kindergärtnerinnenschule konnte 37. chülerinnen ent⸗ lassen, welche meist sofort bei 50 bis 60 Thaler Lohn Stellung ge⸗
funden haben. An der Berliner “ wird sich der Verein durch Vorführung Fröbel'scher Arbeiten, der Lehrmethode, der Literatur u. s. w. betheiligen. In den Tagen vom 6. bis 8. September wird im Chemiesaale des Ausstellungsgebäudes der Deutsche Fröbel⸗ verband, welcher 16 Vereine umfaßt, ge Kongreß abhalten, au dem u. a. auch das Verhältniß des Kindergartens zur Schule erörtert werden soll. — Schul⸗Inspektor Stier hielt zum Schluß einen Vor⸗ trag über Goethe’s Mutter.
Posen, 21. April. Nach einer der „Posener Zeitung“ aug Filehne zugegangenen amtlichen Mittheilung ist gestern Vormittag 8 ½ Uhr auf der im Bau begriffenen Strecke Rogasen — Dratzi ein Arbeiterzug entgleist, wodurch drei Arbeiter getödtet und drc Arbeiter verletzt wurden. Die „Posener Zeitung“ fügt hinzu, das Unglück sei infolge falscher Weichenstellung von unberufener Hand erfolgt.
Stuttgart. Die 37. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure findet in der Zeit vom 8. bis 10. Juni d. J. in Stuttgart statt. Außer den laufenden Vereinsgeschaͤften stehen a. a. auf der Tagesordnung des ersten und zweiten Tages: Er⸗ örterungen über das metrische Gewinde, über die Unterrichtsdauer an Werkmeisterschulen, ein Antrag auf Aussetzung eines Preises von 3000 ℳ für die beste Arbeit „über die Frage der Gesundheitsschädlichkeit des Kohlenrauchs“, ferner ein Antrag zur Betheiligung des Vereins an der Klarstellung der Frage, woher es kommt, daß Flußeisen, besonders Thomas⸗Flußeisen, der Zerstörung durch Rost weit mehr unterliegt als Schweißeisen, und ob die Technik über Mittel verfügt, welche das Flußeisen auf die Dauer gegen das Rosten ebenso zuverlässig schützen, wie sich das Schweißeisen durch seine ihm eigenthümliche Zusammensetzung dem Roste gegenüber erhält. Der dritte Tag ist für Vorträge bestimmt.
Hamburg, 20. April. Heute Abend fand im hiesigen Hafen ein Zusammenstoß zwischen dem Dampfer „California“ der Hamburg⸗Amerika⸗Linie und dem englischen Kohlendampfer „Tyne⸗ mouth’ statt. Ersterer wurde am Bug, letzterer am Heck schwer beschädigt. Der auf der Ausreise begriffene Dampfer „California“ mußte docken, der „Tynemouth“ wurde auf den Strand gesetzt.
Triest, 20. April. „W. T. B.“ meldet: Im Laderaum des Freihafens geriethen Baumwollballen in Brand. Die Lösch⸗ arbeiten sind im Gange.
„London, 20. April. Nach einer bei Lloyds eingetroffenen Nach⸗
richt aus Greenock ist der Dampfer „Marsden“ mit ein⸗ gestoßenem Bug dort angekommen. Derselbe kollidierte gestern unterwegs mit der Bark „Firth of Solray“, welche am 16. April nach Dunedin absegelte. Die Bark ging unter; 13 Mann, die Frau des Kapitäns und deren Kind ertranken; der Kapitän und acht Mann wurden gerettet.
Paris, 20. April. Der Gemeinderath von Paris genehmigte im Prinzip eine Schmalspurbahn durch die Hauptstadt und erheilte ferner die Konzession zum Bau einer unterirdischen Tunnelbahn zwischen dem Bois de Vincennes und dem Bois de Boulogne nach dem System Berlier.
Moskau, 21. April. Als sich der dem Großfürsten Sergius attachierte General Stepanow heute auf einer Ausfahrt befand, gingen die Pferde des Wagens durch. Der General wurde aus dem Wahern eschleudert und am Kopf erheblich verletzt; sein Zustand ist ge “] 11114141X1X“X“X“ 2 8 8 1 888
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Anmnsterdam, 21. April. (W. T. B.) Dem „Handels⸗ blad“ wird aus Batavia telegraphiert: Die drei wichtigsten Posten Toenkoeb, Tjotrang und Gloempang in der östlichen Befestigungslinie von Atjin sind entsetzt worden. Dabei wurden vier Soldaten getödtet, ein Offizier und 43 Soldaten verwundet.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Werterbericht vom 21. April, 8 Uhr Morgens.
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Freitag
*) Nachts Regen. 8. Mitterwurzer. nfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Gastspiel von Friedrich Mitterwurzer. Das Glück im Wi Gastspiel von Friedrich Mitterwurzer. Das Glück im Winkel.
Residenz⸗Theater. Mittwoch: Hotel zum Freihafen. (L'Hôtel du Libre Echange.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, übersetzt und bearbeitet von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.
Uebersicht der Witterung.
Ganz Europa wird von einem Hochdruckgebiet über⸗ deckt, dessen Kern über dem südlichen Nordseegebiet liegt. Die Luftbewegung ist überall schwach, nur über der Alpengegend wehen frische nordöstliche Winde. In Deutschland ist das Wetter theils heiter, theils neblig und kalt; in den südlichen Gebiets⸗ theilen ist allenthalben Regen gefallen, am meisten, 13 mm, zu Chemnitz; an der Küste liegt die Tem⸗ peratur bis zu 5, im Binnenlande bis zu 7 Grad
unter dem Mittelwerth. Deutsche Seewarte.
Freitag:
Lautenburg.
Königliche Schauspiele. Mittwoch: Opern⸗ haus. 102. Vorstellung. Lohengrin. Oper in 3 Akten von Richard Plegt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Königlich bayerischer Kammersänger aus München, als Gast.) Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 108. Vorstellung. 1812. Schau⸗ spiel in 5 Aufzügen von Otto von der Pfordten. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Opernhaus. 103. Vorstellung. Robert leider. Große Oper in 5 Akten von Meyer⸗ Nach dem Französischen von Scribe und Delavigne, übertragen von von Paul Taglioni. Schauspielhaus. 109. Vorstellung. Mohr von Venedig. Trauerspiel in 5 Aufzügen von William Fhatchenm Graf Baudissin (Schlegel⸗Tieck). Anfang 7 ½ Uhr.
Deutsches Theater. Mittwoch: Hamlet. ch 18
von Theater Unter den Linden. Direktion: 8 Gastspiel Anne Judie mit Gesell⸗ Direktion: Theodore de Glaser. Mittwoch: Niniche. Vaudeville Opérette en de M. Hennequin et A. Millaud. Musique de M. A. Boublard. — Chansonnettes, Chef d'Orchestre: Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Gastspiel Anne Judic mit Gesell⸗ schaft. La Femme à Papa. — Chansonnettes.
Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Zum ersten Male:
Freitag: Jugend.
Berliner Theater. Mittwoch: König Hein⸗ rich. Anfang 7 Donnersta 3 Journalisten.
Lessing-Theater. Mittwoch: Gastspiel von
Theater.
hafen.
Romantische Tagner. In Scene Mit
Mittwoch: Dekorationen und
Kostümen,
(Lohengrin: Herr Heinrich Hungerleider.
Idee des Mark Twain. In Scene gesetzt von Julius Herr Kapellmeister Winné.
heodor Hell. Ballet
Anfang 7 Uhr. ) Othello, der Nachruhm.
Theaters. feld.
Donnerstag: Theaters. Nachruhm.
Uebersetzt von Wolf Anfang 7 ½ Uhr.
Zweck.
Jugend “
sne. Fritzsche.
E“ “ 3 actes
Ueh. . önig Heinrich. Abonnements⸗Vorftellung):
gesungen von Anne Judic.
Die Mr. F. C. Rosensteel.
Adolph Ernst⸗Theater. flotte Berlin.
Das Glück im Winkel.
nkel. von Gustan Steffens. Ernst. 2. Akt: Alt⸗Berlin.
Direktion: Sigmund —
Mittwoch: Gastspiel des Ensembles vom
Donnerstag und folgende Tage: Hotel zum Frei⸗
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25 — 26.
großartiger Ausstattung an Requisiten: Der Ausstattungs⸗Komödie mit Gesang und Ballet in 10 Bildern von Julius Keller und Louis Herrmann, mit theilweiser Benutzung einer Musik von Louis Roth. ritzsche. Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag und folgende Tage: Der Hunger⸗
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5.
Mittwoch: Ensemble⸗Gastspiel des Berliner Lustspiel in 4 Akten von
Robert Misch. In Scene gesetzt von Carl Schön⸗ Ensemble⸗Gastspiel des Berliner Freitag: Privat⸗Vorstellung zu wohlthätigem
Mittwoch: Das Große Ausstattungs⸗Gesangsposse in 3 Akten von Leon Treptow und Ed. Kuplets und Quodlibets von Gustav Görß. Musik In Scene gesetzt von Adolph Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Das flotte Berlin.
Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Conrad Dreher⸗ Münchener Gärtnerplatz⸗Theater. Conrad Dreher a. G. Zum dritten Male: Schloß
Montbeliard. — Hierauf: Zum dritten Male: Die beiden Afrikaner. Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.
Konzerte.
Konzert-Haus. Karl Mender⸗Konzert. Mittwoch: Letzter Berliner Komponisten⸗ Abend, unter freundlicher Mitwirkung der Kom⸗ ponisten Herren: Fink, Kleefeld, Schulz⸗ Schwerin, Wagner, Ziegler und der Konzert⸗ sänger Herren v. Humalda und Lichteustein. 11121212 Familien⸗Nachrichten. Verlobt: Frl. Vera von Gonzenbach mit Hrn. Lieut. Ewald Frhrn. von Kleist (Schloß Buonas, Schweiz — Berlin). — Frl. Helene Krause mit Hrn. Rittergutsbesitzer Friedrich Schöler (Heyers⸗ dorf — Hinzendorf). — Verehelicht: Hr. Pastor Christian Brodersen mit Frl. Helene Walbaum (Arrild). Geboren: Ein Sohn: Hrn. Carl von Hackewitz (Weilburg). — Hrn. Prem.⸗Lieut. von Pressentin (Gumbinnen). — Hrn. Fae Friedrich Hartte (Eggenstert). — Eine Tochter: Hrn. Regie⸗ rungs⸗Assessor Theodor Lucke (Posen). — Hrn. Regierungs⸗Assessor Biesenberger (Stuttgart). — Hrn. Benno von Loefen (Brooklyn, Amerika). — Hrn. Regierungs⸗Baumeister Brosche (Ratibor). Gestorben: Hr. Assessor Erich von Lucke (Kap Palmas). — Frl. Meta von Heydebreck (Berlin). Hr. Fabrikbesitzer Carl Ruthenberg ; — Hr. Geheimer Rechnungs⸗Rath Tassilo von Mach (Berlin). — Hr. Ingenieur Balduin von Heyde⸗ brand u. d. Lasa (Berlin).
Dirigent:
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.
Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagk⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Neun Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent,
lichen ⸗ (Kommanditgesellschaften
Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche vom 13. bis 18. April 1896.
Jacobson.
8
zum 1
Deutscher Reichstag. 72. Sitzung vom 20. April 1896, 1 Uhr.
UMeber den Anfang der Sitzung wurde in de Nummer d. Bl. benaa. Bei der Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften sprechen sich noch die Abgg. Dr. Hammacher (nl.), Freiherr von Stumm (Rp.), Fuchs (3.) und Dr. Osann (nl.) gegen den (gestern bereits mitgetheilten) Antrag Schneider, betreffend Feiisehung einer Strafe in Höhe von höchstens 30 ℳ, aus.
45a wird unverändert unter Ablehnung des Antrags
Schneider angenommen. Gegen § 145b erklärt sich der Abg. von Podbielski (dkons.),
der Vorlage hinausgegangen werde. Man könne den Konsumvereinen
verbieten, in ihrem Laden an Nichtmitglieder zu verkaufen. Aber warum sollten die verkauften Waaren nicht weiter verkauft werden?
Solle ein Konsumverein nicht unmodern gewordene Waaren, die er
8 seine Mitglieder nicht mehr absetzen könne, anderweitig verkaufen
nnen?
Abg. Fuchs (Zentr.): Es soll doch derjenige bestraft werden,
der das gewohnheits⸗ oder gewerbsmäßig thut; ohne eine solche Be⸗
stimmung würde die Vorlage gar keinen Werth haben.
Die Abgg. Freiherr von Stumm und Dr. Hammacher er⸗ klären sich für den Beschluß der Kommission, den
Abg. von Podbielski nochmals bekämpft, weil er die Mit⸗ glieder der Konsumvereine in der Verfügung über das vom Konsum⸗ verein erworbene Eigenthum behindere.
Abg. Dr. Schneider (fr. Volksp.): Wer gewerbs⸗ oder ge⸗ wohnheitsmäßig Waaren vom Konsumverein entnimmt und ver⸗ äußert, wird wegen Gewerbesteuerkontravention bestraft und soll hier nochmals bestraft werden. Es ist zu verwundern, daß die Regierungs⸗ vertreter dieser Bestimmung gegenüber sich so kühl verhalten.
§ 145 b wird gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten sowie einiger Konservativen angenommen. § 145 c wird ohne Debatte genehmigt.
Nach Art. 2 sollen die Bestimmungen auf die Konsum⸗ anstalten größerer Werke für ihre Beamten und Arbeiter, 82 auf Vereinigungen, welche ihren Mitgliedern beim
ezug von Waaren Vortheile verschaffen wollen, insbesondere auch auf Beamten⸗ und Offiziervereine sinngemäße Anwendung
nden.
Abg. Freiherr von Stumm beantragt hinzuzufügen: „Jedo ist es den Konsumanstalten und Vereinigungen der bhafcgene. Dt 8 stattet, in ihren Speiseanstalten Waaren zum alsbaldigen persönlichen Verbrauch auch an Dritte abzugeben.“
„Der Antragsteller empfiehlt den Artikel 2 mit seinem Antrage, weil es eine Ungerechtigkeit wäre, die anderen Vereinigungen, welche den Konsumvereinen gleichstehen, anders zu behandeln als diese, nur weil sie eine andere rechtliche Gestaltung hätten.
Artikel 2 wird mit dem Antrage des Abg. Freiherrn von Stumm angenommen.
Auf Antrag des Abg. Freiherrn von Stumm wird ferner der Ausführungstermin auf den 1. Januar 1897 fest⸗ gesetzt.
Die Kommission hat endlich folgende Resolution Fee agemn 8
en Reichskanzler zu ersuchen, Anordnungen dahin treffen zu wollen, daß die Ueberlassung von im Eigenthum des Reichs befind⸗ lichen Gebäuden oder Theilen derselben an Konsumvereine oder
Konsumanstalten und ebenso auch die Besorgung des Waarenverkaufs,
der Buch⸗ und Kassenführung in solchen Vereinen und Anstalten
durch im Dienst des Reichs stehende Beamte, künftighin im
wesentlichen auf Veranstaltungen zur Abgabe von Henünfaggela des
alebaldigen Verbrauchs an die in Betriebsanlagen des Reichs be⸗ schäftigten Arbeiter und Beamten beschränkt bleibe.
Diese Resolution wird angenommen. 1
Darauf folgt die Verlesung der folgenden Inter⸗ pellation der Abgg. Bachem (Zentr.) u. Gen.:
Hat der Herr Reichskanzler Kenntniß von den in letzter Zeit vorgekommenen Zweikämpfen, bei denen insbesondere Militär⸗ personen betheiligt waren? Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, ob und welche Maßregeln zur Verhütung dieser Zweikämpfe getroffen waren? Welche Maßregeln gedenkt der Herr Reichskanzler zu ergreifen, um in Zukunft den gesetzwidrigen und das allgemeine Rechtsbewußtsein schwer verletzenden Zweikämpfen wirksamer wie bisher entgegenzutreten?
Nachdem der Staatssekretär des hneg. Staats⸗Minister Dr. von Boetticher erklärt hat, daß er sofort nach der Be⸗ ründung die Interpellation beantworten werde, erhält das
ort zur Begründung derselben
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Seit langem haben Ereignisse nicht so sehr die öffentliche Meinung beschäftigt, erregt und er⸗ bittert wie diejenige Reihe von Duellen, deren Zeugen wir in der jüngsten Zeit gewesen sind. Zweikämpfe sind ja seit alter Zeit im deutschen Vaterlande bekannt. Die Vertreter von Recht und Sitte haben dagegen erklärt. Gegenüber den Zweikämpfen hat sich aber der Reichstag zurückgehalten, wahrscheinlich in der Hoffnung, die Macht der öffentlichen Meinung, daß die christliche Idee rascher zu dem Ziele führen würden, die Zweikämpfe auszurotten, als aufregende Debatten. Aber wenn das Uebel so groß geworden ist, dann hört die Rücksicht auf, dann müssen die Vertreter des deutschen Volkes, welche nicht bloß an der Gesetzgebung, sondern auch an der Sorge für die Durchführung derselben betheiligt sind, ihre Meinung kundgeben. Die Duelle beruhen auf einem Widerspruch gegen die christliche Religion und auf einem Widerspruch mit der positiven Gesetzgebung, weil gewisse Kreise das Recht zu haben glauben, ihre Standesvorurtheile durchzusetzen gegenüber den positiven Vorschriften der Religion und der Gesetze, weil sie glauben das Recht zu haben, diese Anschauungen auch anderen Kreisen aufzudrängen. agegen haben sich mehr und mehr die Stimmen ernster änner erhoben. Ich will nicht auf Das hinweisen, was aus den Reihen meiner Freunde geschehen ist; es mehren sich auch die Stimmen aus den Kreisen der protestantischen Geistlichen, welche Widerspruch erheben gegen die Duelle. Ich weise hin auf die zahl⸗ reichen ernsten Worte, welche an dem Grabe von Männern, die im Duell gefallen sind, gesprochen sind. Ich weise Sie hin auf die Stellungnahme einer Bfnesenschaft welche für den Kreis solcher Leute bestimmt ist, die sonst dem Duell huldigen, auf die Adels⸗ geno enschaft. Es soll eine Instanz geschaffen werden, welche ie Ehrenhändel schlichtet, eine Instanz, der sich jeder unterwerfen muß, und wer sich dieser Instanz nicht unterwirft, soll nicht beanspruchen dürfen, eine höhere Ehre zu haben als andere keute. Ein Mann, der augenscheinlich berufen ist, diese Absicht zu interpretieren, hat sich im „Deutschen Adelslatt“ dahin aus⸗
über das Ziel
“ Erste Beilage Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗An
Berlin, Dienstag, den 21. April
gesprochen, daß die prinzipielle Verwerfung des Duells als eine an berechtigte Handlung zu betrachten ist, durch welche die Ehre 8 Betreffenden in keiner Weise leidet. Selbst das „Militärwochenblatt“ hat Grundsätze entwickelt, welche in ihren Konsequenzen ebenfalls zu einer unbedingten Verwerfung des Duells führen und zur Anerkennung des christlichen Sittengesetzes führen müssen. Diese Entwickelung der öffentlichen Meinung ist um so erfreulicher, als Schwierigkeiten und Hindernisse dem entgegenstehen. Ich will darauf hinweisen, wie auf den Universitäten von den maßgebenden Behörden nicht diejenigen Korporationen in erster Linie geschützt werden, welche auf dem Boden des Rechts stehen. Es werden gerade die Korporationen bevorzugt, welche ohne das Duell nicht auskommen zu können glauben, welche sogar etwas mehr sein wollen, weil sie sich dem 1exeese unter⸗ werfen. Manchmal wird ernsthaft vorgegangen gegen die Duelle, aber bald kommen auch Rektoren, welche nicht so ernsthaft vorgehen, ja, es werden diejenigen Verbindungen offensichtlich zurückgestellt, welche das Duell verwerfen. Es ist erfreulich, wenn alle jungen Leute, welche dazu in der Lage sind, zu Reserve⸗Lieutenants befördert werden; aber aus dem Reserve⸗Offizierswesen darf nicht folgen, daß die gesunden Anschauungen des bürgerlichen Lebens durchsetzt werden mit ungesunden Anschauungen, welche aus dem Offiziers⸗ leben hergeleitet werden. Ich darf auf die Verhandlungen in Bayern hinweisen, wo es getadelt worden ist, daß jemand nicht zum Reserve⸗ Offizier befördert wird, weil er einer Verbindung angehört, welche die Duelle verwirft. Bei uns ist das nicht in zahlreichen Fällen beobachtet worden; wenn einzelne Regiments⸗Kommandeure anders verfahren sind, so entsprach das nicht den Absichten der Militär⸗ verwaltung. In dem jüngsten Duell glaubt man einen Rückschlag gegen diese Anschauung zu erblicken. Gegen einen solchen Rückschlag muß entschieden protestiert werden. Die Presse aller Parteien hat Anlaß genommen, sich gegen die Duelle auszusprechen. Leider hat ein kleiner Theil der Presse diese Dinge auf eine Weise behandelt, welche auf eine Glorifikation der Duelle hinausläuft. Aber dieser Theil der Presse steht nicht hoch in der Achtung der Oeffentlichkeit. Die Presse hat eine gewisse Mitschuld an den Duellen, weil sie die Privatverhältnisse, welche zu den Duellen führen, in einer Weise bespricht, welche nichts nützt, aber verwirrend auf das Volk wirken muß. Solche pikanten Dinge sollten vollständig aus der Presse verschwinden. Die Presse soll gegen die Duelle Stellung nehmen, aber nicht private Ver⸗ hältnisse aus Skandalsucht in die Oeffentlichkeit zerren. Der Wider⸗ spruch zwischen den Anschauungen gewisser Kreise und dem Christen⸗ thum muß aus der Welt geschafft werden. Das erste der Duelle war der e Ketelhodt⸗Zenker. Wenn die Ehre des Einen in dem zartesten Punkte verletzt ist, können dann nicht die Ehrengerichte so ein⸗ gerichtet sein, daß für diesen die Sühne erlangt wird, daß er nicht zur Waffe greift? Ich tadele es nicht, daß der Mann seine persönliche Ehre höher stellte als das Christenthum. Christus hat uns dieses Beispiel nicht gegeben. Die Pflichterfüllung, die wir verlangen müssen, wird durch die heutige Gestaltung der Ehrengerichte nicht genügend erleichtert. Und nun der Ausgang des Duells! Derjenige, dessen Ehre verletzt wurde, wird erschossen, und der Schluß ist nichts als eine ver⸗ hältnißmäßig geringe Strafe, die demjenigen zu theil wird, der an allem Unrecht Schuld hat. Das zweite Duell ist das Duell Kotze⸗ Schrader. Ich möchte nicht verletzend wirken; wir maüfffer dahin streben, daß nach gewisser Seite die Meinung erweckt wird, daß eine Aenderung eintreten muß. In dieses Duell haben die Staatsanwaltschaft, das Zivilgericht und verschiedene Ehren⸗ Frlchte eingegriffen, und trotzdem mußte die Sache durch die istole zum Austrag gebracht werden. Das Duell war schon Tage vorher bekannt, jeder wußte, daß die schwersten Bedingungen gestellt waren. Und was haben die Behörden gethan? Sind Sie sicher, daß Herr von Kotze bestraft wird? Jetzt heißt es, er sei verreist. Hätte die Staatsanwaltschaft nicht aufpassen können, daß dieser Mann nicht der Gerechtigkeit sich entzieht, wenn die Reise den Zweck hatte, ihn der Gerechtigkeit zu entziehen? Was soll geschehen, um derartigen Dingen vorzubeugen? In erster Linie haben wir die Organi⸗ sation und die Thätigkeit der Ehrengerichte ins Auge zu fassen. So, wie sie heute bestehen, sind sie nicht immer und unter allen ÜUmständen geeignet, Duelle zu verhindern. Dann müssen andere Einrichtungen geschafften und muß auf andere Maßregeln gesonnen werden. ie militärischen Ehrengerichte sprechen Recht, um die Standesehre des Einzelnen und des ganzen Standes zu wahren, aber sie sprechen nicht Recht unter den Parteien; sie sind kein Forum, vor welchem beide Theile sich zu verantworten und dem beide sich zu unterwerfen haben. Sie schützen unter Umständen die Standesehre nicht bloß dann, wenn das objektive Recht dem nicht entgegensteht, sondern auch im entgegen⸗ gesetzten Falle. Ein Ehrengericht ertheilte Einem, der das Duell verweigerte, eine Verwarnung, also dafür, daß er den Vorschriften des Christenthums folgte. Ja, es heißt, daß der Spruch eines Ehren⸗ gerichts direkt das Duell Kotze⸗Schrader veranlaßt habe; dieses Ehren⸗ gericht ließ Herrn von Kotze als Ehrenmann bestehen, und dadurch wurde das Duell nothwendig. Das ist ein Widerspruch, unverständlich für jeden, der in der christlichen Anschauung aufgewachsen ist. Wir müssen eine andere Institution suchen; die jetzigen Ehrengerichte sind durch Kabinetsordre Seiner Majestät eingeführt worden; ich will in diese Prärogative nicht eingreifen. Aber es wird zu prüfen sein, ob eine andere Einrichtung geschaffen werden kann, welche diese Ehren⸗ gerichte ergänzt. Denn die Ehrengerichte sind nicht allein für die Offiziere des Landheeres und der Marine nothwendig, sondern auch für die Kreise der Studenten. Unser Strafgesetzbuch verweist das Duell in einen besonderen Abschnitt, es hält die Festungshaft als Strafe für nöthig. Aber diese Strafe hält durchaus nicht von den Duellen ab. Wenn das Aergerniß so groß geworden ist, wie es jetzt ist, dann muß das Strafgesetzbuch geändert werden, dann genügt nicht mehr eine custodia honesta, sondern eine strengere Strafe, ja es muß die Zuchthausstrafe eingeführt werden, wenn besonders häßliche Um⸗ stände vorliegen. Die Behandlung des Duells im Strafgesetzbuch ist eine Begünstigung, eine Privilegierung gewisser herrschenden Kreise. Wenn die Bestrafung erfolgt ist, so hat sich der Eindruck fühlbar gemacht in weiten Volkskreisen, als ob man das Duell garnicht als einen Rechtsbruch betrachtet. Man hat vorgeschlagen, daß der⸗ jenige, welcher sich ohne weiteres über das Gefetz stellt dadurch, daß er ein Duell annimmt, drei oder fünf Jahre keine obrigkeitliche Stellung einnehmen, nicht Offizier sein, auch nicht Parlamentarier sein darf. Freilich gehört zur Beseitigung der Duelle auch eine schwere Bestrafung für die Beieidigung, Die der Ge⸗ richte hat dahin geführt, daß für Beleidigungen Strafen ausgesprochen nd, welche feiner organisirte Naturen nicht befriedigen können. ch verstehe die Praxis der Gerichte nicht, daß sie in dieser Be⸗ ziehung nicht bis an die äußerste Grenze des Zulässigen geht. Selbst bei den schwersten Beleidigungen urtheilen die Gerichte ver⸗ hältnißmäßig milde. In England giebt es ja kolossale Strafen für Beleidigungen, daß auch die empfindlichsten Naturen damit zufrieden sein können. Wenn etwas erreicht werden soll, 8 wird der Anstoß von oben kommen müssen, wie der Se in England von oben gekommen ist. Ich will die englischen Vorgänge 88 eingehend erörtern, weil sie allen Theilen genügend bekannt sein sollten. Damals war in England die Situation dieselbe wie jetzt bei uns; die Duelle erregten durch ihre große Zahl den öffent⸗ lichen Unwillen. (Redner weist auf Martin’s Biographie des Prinz⸗ Gemahls hin.) Friedrich der Große, ein Mann, der doch auch auf die Mannhaftigkeit und Kriegstüͤchtigkeit seiner Offiziere hielt, hat scharfe Mandate gegen die Duelle erlassen. (Redner verliest einige
Stellen aus einer Kabinetsordre von 1757, wonach Duellanten 5 dingt aus der Armee entfernt werden sollten.) Eine spätere Fazunbe. orde von 1828 ist zu stande gekommen unter der Mitwirkung derjenigen Leute, welche in den Feldzügen von 1813 bis 1815 zum Ruhm des Vaterlandes bei etragen haben. Durch zweckmäßige Be⸗ handlung der Ehrensachen sollten die Ehrengerichte die Duelle verbannen. Auch die Kabinetsordre von 1841 bestellt die Ehrengerichte als Schieds⸗ richter, welche die Ehrenhändel vollständig erledigen sollten. Die heute geltenden Bestimmungen sind ganz anderer Art. Die Ehrengerichte fällen heute Urtheile, welche nicht erkennen lassen, daß es ihre Aufgabe ist, die Duelle zu verhindern. Wir müssen in Verbindung mit den verbündeten Regierungen eine Besserung herbeizuführen versuchen. Eine Besserung auf einem solchen Gebiet, wo lange eingewurzelte Standesvorurtheile mitsprechen, wo ein gewisser gesellschaftlicher Zwang mitwirkt, kann nur in einem günstigen Augenblick erfolgen. ollte der Augenblick nicht günstig sein, wo von einem Diener der protestantischen Kirche an einem Grabe so ernste Worte gesprochen find, denen ich mich als Katholik vollständig anschließen kann? (Redner verliest die Worte des Geist⸗ lichen am Grabe des Freiherrn von Schrader.) Die Worte haben auf die ganze Trauergesell chaft einen gewaltigen Eindruck gemacht: ein Beweis dafür, daß auch diese Kreise, die sonst für Duelle eintreten, ihr Gewissen schlagen fühlten. Sie haben gefühlt, daß ein Prinzip, welches erschütternden Ereignissen gegenüber nicht aufrecht erhalten werden kann, kein richtiges Prinzip sein kann. Da muß man eine Aenderung herbeiführen. Nicht der Staat hat zu verfügen, sondern der Höchste, der über uns steht, der schon auf Sinai das Puell ver⸗ boten hat durch das Wort: Du sollst nicht tödten! Ich hoffe, daß die Interpellation und die Verhandlungen, welche sich daran knüpfen werden, Veranlassung geben werden zur Beseitigung der Duelle. 8
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:
Ich habe zunächst dem Bedauern des Herrn Reichskanzlers darüber Ausdruck zu geben, daß er durch Unwohlsein verhindert is der heutigen Verhandlung beizuwohnen.
Sodann habe ich in seinem Auftrage zur Beantwortung der Interpellation folgende Erklärung abzugeben: 8
Der Herr Reichskanzler hat von den in letzter Zeit wiederholt vorgekommenen Zweikämpfen, welche er mit dem Herrn Inter⸗ pellanten auf das lebhafteste bedauert, Kenntniß genommen. Dafür, daß die Organe der Staatsgewalt, denen es obliegt, strafbare Handlungen nach Möglichkeit zu verhüten, gegenüber diesen Zwei⸗ kämpfen ihre Schuldigkeit nicht gethan hätten, fehlt es an jedem Anhalt. (Große Heiterkeit links. Zurufe. Glocke des Präsidenten.) Wenn es auch in den Fällen, in welchen die Absicht, zum Zwei⸗ kampf zu schreiten, vor der Ausführung bekannt war, nicht gelungen ist, die Duelle zu verhindern, so kann daraus ein Vorwurf gegen jene Organe nicht abgeleitet werden. (Lebhafte Zurufe links.) Es liegt auf der Hand, daß diejenigen, welche zum Zweikampf schreiten wollen, stets Mittel und Wege finden werden, um ihr Vorhaben aus zuführen. (Zurufe und Heiterkeit links.) Daß auch auf dem Gebiete des Duellwesens dem Gesetze in allen Kreisen der Bevölkerung ohne Unterschied des Standes und Berufs Achtung und Befolgung zu sichern ist, hält der Herr Reichskanzler für eine selbstverständliche und unabweisliche Forderung des öffentlichen Rechtsbewußtseins. (Heiter⸗ keit links.) Er ist in ernstliche Erwägungen darüber eingetreten, welche Maßregeln zu ergreifen sein werden, um eine solche Sicherung wirksamer als bisher zu erreichen. (Hört! hört! rechts.) Das Ergebniß dieser Erwägungen mitzutheilen, ist, da dieselben noch nicht abgeschlossen sind, zur Zeit nicht thunlich. (Bewegung.) Auf Antrag des Abg. Rickert (fr. Vgg.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Rickert: Der Reichstag hat nicht bloß das Recht, sich mit dieser Frage zu befassen, sondern er muß auch ein Votum abgeben. Deshal genügt nach unserer Meinung eine Interpellation nicht; ein Votum des Rei Stags muß unmittelbar erfolgen. Ich hoffe daher, daß Sie bereits morgen unseren Antrag auf die Tages⸗ ordnung setzen werden. Wir haben privatim Zusicherungen erhalten, und damit wäre die Besprechung morgen gesichert. In der Erklärung des Reichskanzlers wird gesagt, es wäre nicht nach⸗ zuweisen, daß die Organe des Staats ihre Schuldigkeit nicht gethan hätten. Aber wo es sich um einen Sozialdemokraten sandelt. da wird dieser von früh bis spät beobachtet; die Polizei sollte doch auch einen Herrn von Kotze oder von Schrader beobachten können. Ich hoffe, wenn einmal eingeschritten wird, man die Sache bei der Wurzel anfaßt, nämlich beim Militär. In bürger⸗ lichen Kreisen wird ja den militärischen Anschauungen immer noch nachgegeben; es ist namentlich bedauerlich, daß Herr von Bennigsen sich über das Duell in einer sehr angreifbaren Weise aus⸗ espochen hat. Diejenigen, welche das Duell vertreten, sind Um⸗ seage welche Moral und Gesetz mißachten. Die Gegner des Duells ud konservativ, sind die Erhalter der Staats⸗ und Rechtsordnung. Solche Vorgänge müssen bei den Massen die Meinung hervorbringen, daß nicht gleiches Recht für Alle gelte. Herr von Bennigsen sprach davon, daß in gewissen Fällen das Duell nothwendig sel Ich be⸗ streite das; das Duell ist in jedem Fall Unrecht. Wann wird die Zeit kommen, daß man das Duell verurtheilt, wenn selbst Herr von Bennigsen das Duell vertheidigt? 882 von Bennigsen meinte, der gegenwärtige Zustand ist schwer zu ertragen; ich meine, er ist garnicht zu ertragen. Der Staat 8 dafür Sorge tragen, daß nicht jemand verpflichtet wird, sich zu duellieren, der es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Was den Duellanten Recht ist, das müßte auch dem Messerstecher eingeräumt werden. Der Messerstecher 2 auch keine Zeit, den Widerspruch abzuwarten. Gleichwohl werden die Messerstecher schwer bestraft. Wer in den letzten Wochen Gelegenheit gehabt hat, Männer aus dem Volk über diese Dinge sprechen zu hören, der wird erschreckt gewesen sein. Ueber solche Zustände kann sich nur die Sozialdemokratie freuen. Wir verlangen nicht, daß die Duellanten gehängt werden, wie zur Zeit des Großen Kurfürsten. Aber eine sehr hohe Geldstrafe von 1 bis 10 000 ℳ neben der Strafhaft würde die Duelle schon sehr beschränken. Aus den Verhandlungen im bayerischen Landtag entnehme ich, daß in Bayern ein Zwang zum Duell nicht besteht, während bei uns ein Offizier, der ein Duell verweigert, geschaäͤdigt wird. (Redner weist auf den Fall des Majors Hinze hin, der deswegen aus dem Offiziersstand entlassen worden sei.) Zu gleicher Fett wurde ein katholischer Offizier exkommuniziert, weil er das Duell angenommen hatte. Dieser Zustand ist unhaltbar. Die Verordnung über die Ehrengerichte muß einer Revision unterzogen werden; sie ist ohne Gegenzeichnung des Reichskanzlers erschienen, aber wenn die Bestimmungen dieser Verordnung nicht vereinbar sind mit unserem Rechtszustand, dann muß eine Aenderung
eintreten, mindestens bezüglich der nichtaktiven Offiziere. begnü mich heute hiermit. Ich habe die Hoffnung, d wir 82 enbcht haben, die Sache demnäͤchst eingehender zu bespre Rechts⸗