1896 / 97 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Apr 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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macht von dem guten Willen ihrer Arbeiter.

besser als der Landwirth. Unter solchen Verhältnissen muß man doppelt vorsichtig sein, ehe man eine Verordnung erläßt, wel⸗ schwere Lasten auf die Gewerbetreibenden lögt und sie abhängig

ir haben die Inter⸗ pellation nicht eingebracht aus Lust am Skandal, das überlassen wir anderen Leuten. Wir wollen eine Erklärung haben, und es würde mich freuen, wenn die verbündeten Regierungen Aufklärung und Be⸗ ruhigung bringen könnten.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von

Boetticher:

Ich glaube, meine Herren, dieser letzten Verwahrung des Herrn Interpellanten, der Verwahrung nämlich, daß die Interpellation nicht aus Lust am Skandal eingebracht sei, hätte es kaum bedurft. Die Namen, die unter dieser Interpellation stehen, bürgen dafür, daß es in der That nicht Lust am Skandal gewesen ist, welche Sie zu dem Entschluß geführt hat, die Anfrage an die Regierung zu stellen, sondern daß es Ihnen um ein wirklich sachliches Interesse zu thun ist. Nun will ich mich auf den sozialpolitischen Exkurs, den der Herr

Vorredner am Schluß seiner Rede unternommen hat, nicht einlassen, und ich glaube, damit in Ihrer Aller Sinne zu handeln; denn, wenn wir uns an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit über die Hand⸗

werkerorganisation und Fortführung der sozialpolitischen Gesetzgebung

unterhalten wollten, dann würde die Debatte einen außerordentlich breiten Rahmen einnehmen, und vor allen Dingen würde sie schwer wieder zurückzuführen sein auf den Gegenstand, den die Interpellation behandelt zu sehen wünscht. Ich beschränke mich also auf die Ver⸗

ordnung des Bundesraths vom 4. März d. J. bezüglich der Regelung

des Betriebes in den Bäckereien und Konditoreien.

Der Herr Vorredner hat nicht bezweifelt, daß auf Grund des § 120 e der Bundesrath befugt sei, für solche Gewerbe, in denen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet werde, Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen zu erlassen, und er hat mit Recht betont, daß für eine solche Aktion des Bundes⸗ aths auf Grund des § 120 e der Gewerbeordnung die folgenden eiden Voraussetzungen vorliegen müßten: einmal müsse nachgewiesen

werden, daß eine übermäßig lange Dauer der Arbeitszeit in dem be⸗

treffenden Gewerbe vorkomme, und zweitens müsse dargethan sein, daß urch diese übermäßige Dauer der Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter efährdet werde. Bevor ich zu dem Nachweise übergehe, daß in der hat in dem vorliegenden Falle die beiden Voraussetzungen vorliegen, öchte ich zunächst die Frage berühren, weshalb die Materie nicht m Wege der Gesetzgebung geregelt worden ist. Meine Herren, ie wissen, die Beschlüsse des Bundesraths beruhen auf einem reußischen Antrag; dieser Antrag ist nicht aus der Initiative der Reichsverwaltung hervorgegangen, sondern er ist gestellt worden auf Be⸗ schluß der Königlich preußischen Regierung. Im Königlich preußischen Staats⸗Ministerium ist nun auch die Frage ventiliert worden, ob man im vorliegenden Fall den Weg der Gesetzgebung oder den Weg der Bun⸗ esrathsverordnung vorzuziehen habe, für deren Erlaß ganz unzweifel⸗ haft, sofern sie sich in den Grenzen des § 120 e hält, gerade in diesem § 120 e die Unterlage gegeben ist. Dabei sind auch alle die Gründe, die der Herr Vorredner aus den Ausführungen des da⸗ aligen Herrn Vorsitzenden der Kommission für Arbeiterstatistik Ihnen heute vorgeführt hat, eingehend erwogen worden; man hat sich aber gesagt, daß es, weil es sich hier um den ersten Fall der

Festsetzung einer Maximalarbeitszeit für männliche Arbeiter auf Grund des § 120 e handle, den Vorzug verdiene, diese Vorschriften nicht

durch ein Gesetz zu erlassen. Sollte es sich nämlich herausstellen, daß man das Richtige im einzelnen nicht getroffen hätte, so würde ein Gesetz sehr viel schwerer einer Korrektur zu unterziehen sein, als eine bundesräthliche Verordnung, deren Mängel man toto die zu berichtigen im stande ist. Meine Herren, Sie mögen diesen Stand⸗ punkt theilen oder nicht, Sie mögen insbesondere der Meinung sein, es wäre bei einer so wichtigen Frage vielleicht richtiger ge⸗ wesen, zunächst einmal zu hören, was der Reichstag in seiner Majo⸗ rität will aber die Berechtigung der Motive, die für die König⸗ lich preußische Regierung maßgebend gewesen sind, um den Antrag an den Bundesrath auf Erlaß bundesräthlicher Vorschriften zu richten, werden Sie unmöglich bezweifeln können.

Nun, meine Herren, folge ich dem Herrn Vorredner zu den beiden Voraussetzungen, von denen die Beschlußfassung des Bundesraths nach den Vorschriften des § 120 e abhängig ist. Der Herr Vorredner hat gemeint, daß in Bezug auf die Arbeitszeit in den Bäckereien und auf diese kommt es hauptsächlich an, denn die Konditoreien sind in die Verordnung überhaupt nur in so weit einbezogen, als sie sich mit der Herstellung von Backwaaren, und zwar zur Nachtzeit, befassen —, daß der Nachweis nicht geführt sei, es bestehe in den Bäckereien eine übermäßig lang dauernde Arbeitszeit. Er hat Ihnen Zahlen vor⸗ geführt, und wenn Sie, meine Herren, diese Zahlen richtig würdigen, so werden Sie, glaube ich, mit mir, mit der preußischen Regierung

und mit dem Bundesrath zu dem Schluß kommen, daß in der That,

wenn auch nicht regelmäßig und wenn auch nicht überall, doch eine außerordentlich große Ausdehnung der Arbeitszeit in den Bäckereien besteht. Wenn beispielsweise in 28,6 % sämmtlicher Bäckereien die Arbeitszeit 12 bis 14 Stunden beträgt, wenn sie in 13,2 % 14 bis 16 Stunden beträgt (Hört, hört! links), wenn 3 % sämmt⸗ licher Bäckereien in die Statistik mit 16 bis 18 Stunden Ar⸗ beitszeit eingestellt sind (Hört, hört! links und aus der Mitte), und wenn darüber hinaus auch noch 0,7 % Bäckereien bestehen, in denen über 18 Stunden gearbeitet wird (Hört, hört!), dann, glaube ich, wird niemand zu behaupten im stande sein, es mag nun das Uebel einen größeren oder geringeren Umfang haben, daß das Moment nicht gegeben sei, welches der § 120 als erste Voraussetzung für das Ein⸗ schreiten des Bundesraths hinstellt.

Nun hat uns zwar der Herr Vorredner gesagt, von dieser Arbeits⸗ zeit gehen die Pausen ab. Die Pausen im Bäckereibetriebe sind ziemlich zahlreich, sie betragen in einzelnen Fällen eine Stunde; aber, meine Herren, dabei darf man nicht außer Acht lassen, daß diese Pausen zwar zusammengerechnet vielleicht eine ausreichende Ruhe ge⸗ währen, in ihrer Vereinzelung jedoch den betreffenden Lehrling oder Gehilfen ganz außer stand setzen, die Ruhe und die Kräftigung für die Wiederaufnahme der Arbeit zu gewinnen. (Sehr richtig! links und in der Mitte.)

Meine Herren, soll ich nun aus den Aussagen, die vor der Enquête abgegeben sind, einige Beispiele vorlesen? Ich thue es ungern; aber Sie werden, wenn ich es thue, mit mir den Eindruck

haben, daß Gott sei Dank! nicht überall, sondern nur vereinzelt aber doch hier und da geradezu haarsträubende Zustände herrschen. (Bewegung.) Ich werde mir erlauben, hier die Aussage einer der vernomme⸗ nen Personen zu verlesen, welche Folgendes sagt: Es ist ein Lehrling zu mir gekommen, der ist bei dem Bäcker ich nenne ihn N. N. —, beschäftigt, der arbeitet von 10 Uhr Abends die Nacht hindurch, muß dann am Vormittag austragen, alsdann ißt er Mittagbrot, geht von 2 bis 5 Uhr zu Bett, schläft also 3 ½ Stunden, dann wird er wieder benutzt zum Austragen von

Waaren resp. zum Einholen der Kundenbücher bis Abends 8 Uhr

und hat alsdann eine weitere Ruhe von 2 Stunden. Da wäre es eigentlich Pflicht der Innung gewesen, gegen eine solche Ausbeutung einzuschreiten.

Nun, meine Herren, darüber kann doch kein Zweifel sein, daß ein Lehrling, ein junger Mensch, der also noch ruhebedürftiger ist im Hinblick auf seine körperliche Entwicklung als ein Erwachsener, mit 3 ½ Stunden Schlaf nicht auskommen kann, wenn seine Gesundheit erhalten werden soll. Ferner habe ich Ihnen mitzutheilen, daß hier auf Seite 51 von einer Auskunftsperson gesagt wird:

Die Lehrlinge werden besonders durch das Brotaustragen bis Nachmittags 1 und 2 so überaus angestrengt, daß man, wenn man mit diesen jungen Leuten Nachts arbeitet, sie wirklich bedauert. Dazu kommt, daß die Knaben unter 16 Jahren wöchentlich zweimal in der freien Zeit die Fortbildungsschule besuchen müssen. An einem solchen Tage haben sie nur ein paar Stunden Schlafzeit, und da ist es noch härter für sie, die Nacht durch zu arbeiten.

Eine dritte Aussage, die sich auf Seite 62 befindet, lautet dahin: Der Junge hat gearbeitet von 12 Uhr Nachts bis 5 Uhr Nach⸗ mittags. Das sind also 17 Stunden, und dann kommt noch die Stunde für das Austragen hinzu, also zusammen 18 Stunden.

Meine Herren, ich bin wirklich nicht geneigt, aus Klagen über zu lange Arbeitsdauer der Lehrlinge und Gehilfen eine Haupt⸗ und Staatsaktion zu machen. Eine harte Jugend verbürgt mehr, wie eine weichliche Jugend, den Heranwuchs eines kräftigen Geschlechts, und aus einer strengen Behandlung in der Jugend wird in der Regel eine bessere Erziehung abgeleitet als aus einer schlaffen. Wenn aber diese Thatsachen richtig sind, dann bin ich allerdings der Ueberzeugung, hier muß Wandel geschaffen werden, hier ist die Verwaltung voll⸗ ständig in ihrem Recht, wenn sie darauf hinwirkt, daß eine kürzere Arbeitsdauer den Angestellten im Bäckergewerbe gewährleistet wird, welche ihnen auch die für ihr körperliches Wohlbefinden nothwendige Ruhe verschafft.

Nun aber weiter. Der Herr Vorredner hat gemeint, daß die Unterlagen, wie sie sich aus dem Berichte der Kommission für Arbeiter⸗ statistik ergeben, nicht ausreichten, um die Behauptung außzustellen, daß wirklich im Bäckerbetrieb die Arbeitsdauer, wie sie hier und da vorkommt, der Gesundheit schädlich wäre; es ergäbe sich vielmehr aus diesen Unterlagen, daß die Erkrankungsstatistik und Sterblichkeits⸗ statistik viel geringere Zahlen für das Bäckergewerbe aufweist, als dies für die übrigen in ähnlicher Lage befindlichen Erwerbsthätigen der Fall sei. Das ist richtig, die absoluten Zahlen sprechen zu Gunsten einer größeren Gesundheit der Angehörigen des Bäckergewerbes (Hört, hört! rechts); denn wenn beispielsweise im Jahre 1892 auf 100 Bäcker nur 28 Erkrankungen mit 5,4 Krankentagen auf den Kopf gekommen sind, und wenn diese Ziffern für 1891 33 Erkrankungen und 5,7 Kranken⸗ tage für das Bäckergewerbe aufweisen, so überschreiten diese Zahlen im allgemeinen nicht, ja sie sind theilweise noch günstiger als die Erkrankungs⸗ und Sterblichkeitsziffern der Gesammtheit der arbeitenden Klassen, soweit sie den Krankenkassen angehören; für diese ergeben sich nämlich für das Jahr 1891 auf 100 Kassenmitglieder 31. Erkrankungs⸗ fälle und 6 Krankheitstage. Allein, meine Herren, diese Statistik ist nicht beweisend gegenüber den Wahrnehmungen, die man an an⸗ derer Stelle gemacht hat, und das liegt in den Besonderheiten des Bäckergewerbes.

Zunächst liegt mir hier vor ein Rechenschaftsbericht der „Olga, Heilanstalt für kranke Kinder, Lehrlinge und jugendliche Arbeiter“ in Stuttgart; aus diesem Bericht ergiebt sich, daß unter den Verpflegten und in dieser Anstalt Behandelten während des Jahres 1894 sich 733 Lehrlinge befunden haben, und unter diesen Lehrlingen waren in erster Linie die Bäckerlehrlinge mit 85 Köpfen vertreten, das sind etwa 12 % der Gesammtzahl, einer Gesammtzahl, die sich zusammensetzt aus An⸗ gehörigen von 47 verschiedenen Berufszweigen.

Weiter aber darf es nicht auffallen, daß diese Erkrankungsziffern für das Bäckergewerbe im allgemeinen relativ niedrig sind. Einmal umfassen diese Zahlen ja auch alle Angehörigen derjenigen Bäckerei⸗ betriebe und es ist das, Gott sei Dank, die Mehrzahl der Betriebe —, in denen eine kürzere Arbeitszeit die Regel ist. Das sind 53 %. Zweitens ist der Andrang zum Bäckergewerbe ein ganz außer⸗ ordentlich großer; es besteht eine Ueberfüllung des Bäckergewerbes. Infolge dessen werden leichte Erkrankungen von den Gesellen und Lehrlingen gar nicht gemeldet, weil sie fürchten, ihre Stelle zu ver⸗ lieren. Drittens und das ist ein großer Vorzug, den das Bäcker⸗ gewerbe aufweist leben nach den Erhebungen der Kommission für Arbeiterstatistk bis jetzt noch 95,6 % aller Bäckergesellen in der Familie des Meisters: daher die geringe Simulation im Bäckergewerbe und die geringere Inanspruchnahme der öffentlichen Hilfe der Kranken⸗ kassen.

Weiter aber, meine Herren, tritt im Bäckergewerbe auch die Er⸗ scheinung hervor, daß verhältnißmäßig ein sehr großer Theil junger Personen thätig ist, und daß in verhältnißmäßig jungen Jahren die Bäckergesellen schon ihren Beruf aufgeben und zu anderen Be⸗ rufsarten übergehen. Nach der Berufsstatistik und das ist wirklich eine sehr interessante Ziffer, die ich die Herren doch auch zu berücksichtigen bitte nach der Berufsstatistik vom Jahre 1882 waren im Bäckergewerbe 87 % aller Hilfspersonen jünger als 30 Jahre, während, alle Lohnarbeiter zusammengerechnet, nur 58 %, gezählt wurden, die jünger als 30 Jahre waren. (Hört, hört! links.) Ermessen Sie diesen kolossalen Unterschied, dann müssen Sie nothwendig zu dem Schluß kommen, daß der Bäckergeselle in der Regel nicht lange in seinem Beruf aushält. (Sehr richtig! links. Zurufe rechts.) Und das ist auch sehr erklärlich, weil eben im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner behauptet werden kann, daß die Arbeit des Bäckers eine außerordentlich schwere ist. Wenn Sie ermessen, daß diese Arbeit Nacht für Nacht, stehend, geleistet werden muß, an das Teigkneten, das Bedienen der Oefen, das Schleppen der

sein, daß die Arbeit des Bäckers einen ungünstigen Einfluß anf seinen Körper ausüben muß.

Nun, meine Herren, werden uns die Herren Bäckermeister ing Gefecht geführt, und es wird uns gesagt, die Bäckermeister er⸗ freuten sich im Allgemeinen einer sehr guten Gesundheit. Ja, meine Herren, auch das ist leicht erklärlich; denn in dem Augenblick, wo der Bäcker Meister wird, ändern sich die Arbeitsbedingungen und Lebensbedingungen ganz außerordentlich (sehr richtig! links), und da ist allerdings von der Arbeit Nacht für Nacht nur in den wenigsten Fällen die Rede, wenigstens nicht auf diesem Gebiet. Auch eine andere Ziffer kann ich Ihnen nennen, die durch diese Enqudte fest⸗ gestellt ist: im Bäckergewerbe wechseln durchschnittlich die Hilfspersonen alle vier Jahre, der Durchschnitt des Wechsels ist ein vierjähriger, und das weist darauf hin, daß der Bäcker nicht allzu lange in seinem Gewerbe thätig bleibt.

Nun, meine Herren, werden Sie hiernach wohl mit Recht nicht daran zweifeln können, daß das Gewerbe des Bäckers, wenn es über⸗ mäßig betrieben wird und um diese Fälle allein handelt es sich auch nur —, auf die Gesundheit einen schädlichen Einfluß ausübt. Die 53 % oder nach dem Herrn Vorredner sogar 59 % derjenigen Bäckermeister, welche ihr Geschäft mit einer Betriebsdauer von nur 12 Stunden und weniger betreiben, werden von den Bestimmungen über die Arbeitsdauer nicht betroffen, für diese kann die Verordnung durchaus nichts Schädliches haben; für uns und für die Entschließun⸗ gen, die wir zu fassen hatten, kamen allein diejenigen Fälle in Be⸗ tracht, in denen die Arbeitszeit ein erträgliches Maß überschreitet und deshalb für die Gesundheit schädlich ist.

Meine Herren, ich will den Punkt der Reinlichkeit, der auch in der Enquõte behandelt ist, nicht berühren. Auch die Reinlichkeit wird beeinflußt durch die Dauer der Betriebszeit, und diese Reinlichkeit hat auch für den Konsumenten eine außerordentliche Bedeutung. (Sehr richtig!) Aber ich will auf diese Frage nicht weiter eingehen, sondern ich will mich nur noch darauf beschränken, eine Bemerkung des Herrn Vorredners zu behandeln, welche gerichtet war gegen die Nr. 5 der Verordnung vom 4. März d. J. Der Herr Vorredner hat aus⸗ geführt, daß der Bundesrath ihm nicht kompetent zu sein scheine, auf Grund des § 120 e diese Bestimmung zu erlassen, welche lautet:

An Sonn⸗ und Festtagen darf die Beschäftigung von Gehilfen und Lehrlingen auf Grund des § 105 c der Gewerbeordnung und der in den §§ 105 e und 105 f a. a. O. vorgesehenen Ausnahme⸗ bewilligungen nur in so weit erfolgen, als dies mit den Bestim⸗ mungen unter den Ziff. 1 bis 3 vereinbar ist.

Ich bedaure, der Rechtsauffassung des Herrn Vorredners nicht beitreten zu können, daß in dieser Verordnung ein Verstoß gegen die Vorschriften der Gewerbeordnung, die darin angezogen sind, und ein unzulässiger Eingriff in die Befugnisse, die darin gewissen Be⸗ hörden beigelegt sind, enthalten ist. Wenn der Bundesrath befugt ist, allgemein über die Dauer der Arbeitszeit Bestimmungen zu erlassen und das ist er nach § 120 e —, dann bezieht sich diese Befugniß, mangels einer Einschränkung, auch auf die Befugniß zum Erlaß von Vorschriften über die Arbeitsdauer am Sonntag.

Der Herr Vorredner und das möchte ich zum Schluß an⸗ führen hat ferner gesagt: warum hat man gerade dieses einzelne Gewerbe herausgegriffen? Ja, meine Herren, daß die Bäcker bet einem Vorgehen auf Grund des § 120 e mit zuerst in Betracht kommen würden, darüber ist seit dem Jahre 1891 kein Zweifel, das hat bei der Berathung der Arbeiterschutznovelle mein Königlich preußischer Kollege, der Herr Handels⸗Minister, mit klaren Worten ausgesprochen, indem er ausführte, daß die Bäcker zu denjenigen Ge⸗ werben gehören, bei denen Mißstände wahrgenommen werden, die eine nothwendige Abhilfe erheischen.

Wenn ich nun noch am Ende meiner Ausführungen darauf hin⸗ weise, daß eigentlich die Presse aller Parteien, einschließlich der konser⸗ vativen, mit dieser Maßregel, wie sie durch die Bundesrathsverordnung eingeführt ist, sich einverstanden erklärt hat, daß die „Kreuzzeitung“ noch im März d. J. einen Artikel gebracht hat, der ausdrücklich sowohl die Kompetenzfrage bejahte, als auch sich materiell mit den Vorschriften einverstanden erklärte, daß aus der freikonservativen Parteipresse die „Post“ lebhaft für die Sache eingetreten ist, dann kann man nur sagen, alle Parteien von rechts nach links haben sich für die Abstellung dieser Mißstände erklärt. Dann sollte man sich dabei beruhigen und sollte darauf vertrauen, daß, wenn wirklich diese Verordnung eine gefährliche Wirkung für den Gewerbebetrieb der Bäcker äußern sollte, daß dann auch der Bundesrath so verständig sein wird, diejenigen Bestimmungen, die ohne Schädigung der Interessenten nicht durch⸗ geführt werden können, wieder aufzuheben. Und mit diesem Trost, glaube ich, kann ich die Beantwortung der Interpellation schließen⸗ (Bravo!)

Abg. Siegle (nl.): Die Verordnung schädigt die berechtigten Interessen des Bäckergewerbes Kaum ein Gewerbe erscheint so un⸗ eeignet für die Durchführung einer Maximalarbeitszeit, wie das Ferssemeibe, welches von den Gährungs⸗, Witterungs⸗ und sonstigen unvorhergesehenen Verhältnissen abhängig ist. Der Versuch, die Arbeitszeit gleichmäßig zu fixieren, wird entweder zu großen Ungleich⸗ heiten in der Wirkung führen, oder diese einzelne Verordnung muß schon von Hause aus so viele Einschränkungen enthalten, daß sie als eine Art Ausnahmegesetz für gewisse Betriebsformen innerhalb des betreffenden Gewerbes erscheinen muß. Im vorliegenden Falle trifft das Letztere zu. Die sogenannten Alleinbetriebe, welche nur mit Meistern arbeiten, bilden in der Bäckerei, und namentlich in den kleinen Städten, einen beträchtlichen Prozentsatz, circa ein Drittel. Sie werden vom Gesetz nicht berührt; ebenso follen alle Bäckereien befreit bleiben, welche nicht mehr als dreimal in der Woche Nachts backen. Nun giebt es aber, z. B. in Stuttgart, 27 Bäckereien, in welchen Söhne mitarbeiten, bezw. das Geschäft für die Mutter als Besitzerin führen. Das sind 10 % der Bäckereien. Will man diesen Söhnen verbieten, in dem Betrieb des Vaters und so fort länger als 12 oder 13 Stunden zu arbeiten? Kann nicht in solchen Betrieben eine zeit⸗ weise, außerordentliche Anstrengung aller Familienglieder geradezu zur Pflicht werden, um das Geschäft der Familie zu erhalten? In tausend ähnlichen Fällen können kleine Geschäfte nur durch die Energie und größere Anspannung der Arbeitskraft und Zeit über Wasser ge⸗ halten und konkurrenzfähig erhalten werden. Die Lehrlinge möchte auch ich mit dem Bundesrath gegen eine allzu große Ueber⸗ anstrengung schützen: insofern stimme ich der Verordnung vollständig zu, und da eine Reihe von Bäckereien nur mit Lehrlingen arbeitet, so wäre für diese schon ein großer Uebelstand erledigt. Die Maximal⸗ arbeitszeit eignet sich für das Bäckergewerbe um so weniger, als hier die Arbeit keine eigentlich maschinenmäßige ist, die Gesundheits⸗ verhältnisse sind in diesem Beruf nach der Statistik verhälinizmäßi günstiger als im Durchschnitt der anderen Berufe. Allerdings hat auch er gewisse Fährlichkeiten, aber kaum solche, welche das Ein⸗ greifen des Gesetzgebers nothwendig machen. Anders liegt die Frage,

ob nicht gegenüber dem besonders zahlreichen Auftreten von ekelhaften

Berechtigung der Verordnung bestritten, aber ihre praktische gung zugegeben. 8 Pnnße die Bäckerei.

utkrankheiten vom Standpunkte der Nahrungsmittelbygiene ein Hentcranten gerechtfertigt oder gar nothwendig erscheinen möchte. Diese Frage möchte zu bejahen sein. Oldenberg führt in seinem Buch an, daß nach einem Bericht der Wiener Innungskasse pro 1891 im kranken Zustande 268 Backer fortarbeiteten, von denen 18 an

Tuberkulose, 92 an Geschlechtskrankheiten, 58 an nässender Flechte,

g an Krätze und 50 an Verletzungen litten. Es ist Sache des Arztes, zu beurtheilen, ob ein mit Hautkrankheiten behafteter Arbeiter vom Backen und Hantieren mit Backwaaren auszuschließen ist, oder nur dann, wenn Hände und Arme von der Krankheit befallen sind. Was nützen alle Verordnungen, welche dem Publikum die üble Gewohnheit des Betastens der Backwaaren verbieten, wenn die letzteren von vorn⸗ herein Infektionsstoffe in sich tragen! Auch die Backräume selbst be⸗ dürfen einer hygienischen Kontrole. In England besteht für Bäckereien in Städten von über 5000 Einwohnern durch Gesetz vom 6. Juli 1895 die Vorschrift, daß Wände, Decken, Flure, Treppenräume etüncht, lackiert oder mit Oelfarbe gestrichen werden; Del und Lack st dreifach aufzutragen, zweimal im Jahre mit heißem Wasser und

Seife zu waschen, alle 7 Jahre zu erneuern, die Tünche zweimal im Jahre. Ein zur Bäckerei gehöriger Raum in demselben Stockwerk darf nur dann als Schlafraum benutzt werden, wenn er durch eine vollständige Wand abgetrennt ist, ein Fenster nach außen hat und den vorgeschriebenen Größenverhältnissen entspricht. In Berlin kommt es sogar vor, daß die Gesellen sich auf dem Tisch, auf dem gebacken wird, zum Schlafen niederlegen. Es ist nun wohl möglich, daß die Befugnisse der Polizei vielfach weitgehend genug sind, um ohne besonderes Gesetz ein Einschreiten zu ermöglichen. Aber da doch eine einheitliche Regelung im Reiche wünschenswerth ist, so dürfte hier ein gesetzliches Eingreifen angezeigt erscheinen. Ich hoffe, daß die gegebene Anregung den Bundesrath veranlassen wird, auf anderem

Wege, als auf dem in der Verordnung beschrittenen, für eine Besse⸗

rrung der Verhältnisse in den Bäckereien Sorge zu tragen.

Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Der Vorredner hat die Plebliche Berechti⸗ Kein Gewerbe bedarf so sehr der Regelung, wie Deshalb sind wir dazu gekommen, beim Bäckereigewerbe anzufangen, weil dieses Handwerk das einzige mit Nachtarbeit ist. In Fabriken haben wir Nachtarbeit, aber mit Wechsel der Schichten. Allerdings treffen die Bestimmungen den kleinen Be⸗ trieb stärker als den Großbetrieb. Das ist überall bei Arbeiter⸗ schutzbestimmungen so; aber die kleinen Bäckereien haben meist eine kürzere Arbeitszeit als die großen. Die letzteren werden also entweder mehr Gesellen einstellen oder einen Theil ihrer Arbeit auf die kleineren Betriebe abgeben müssen. Die Interpellation ist ja an sich harmlos; sie ver⸗ langt nur Aufklärung. Ich nehme aber an, daß alle Parteien die visse tsewreber hs Arbeitszeit billigen; denn sie haben dem hygienischen Maximalarbeitstag, wie er in § 120 e niedergelegt ist, zu⸗ gestimmt. Diejenigen, die für den Meister einen Schutz verlangen durch den Befähigungsnachweis, sollen sich nicht wundern, daß wir auch einen Schutz für die Lehrlinge und Gesellen verlangen. Gerade die Konservativen sollten erkennen, daß wir die nicht organisierten Gesellen ebenso schützen müssen, wie die organisierten Meister. Die beste Regelung wäre die durch die Betheiligten selbst; die Organisation der Handwerker wird dahin führen, daß die Ordnung der Arbeitszeit den Innungen übertragen wird. Es ist bedauerlich, daß die be⸗ treffende Vorlage noch nicht eingebracht ist. Ich bitte die egierung, 8 möglichst bald vorzulegen. „Die Bäckermeister haben in ihrer ufregung sogar mit einem Strike gedroht. Sie sollten sich lieber einigen zur Abschaffung der Nachtarbeit: damit werden sie die Anerkennung des Publikums und der Gesellen erreichen. Im Ganzen und Großen muß ich meine Freude aussprechen über die Verordnung. Ob sie im Einzelnen richtig ist, wird die Erfahrung lehren.

Abg. Merbach (Rp.): Die Bäcker werden erst dann die Nacht⸗ arbeit abschaffen können, wenn die deutsche Nation sich gewöhnt hat, altbackene Semmeln zum ersten Frühstück zu essen. Darauf werden wir lange warten können; vorläufig werden die Gewerbetreibenden sich nach den Wünschen des Publikums richten müssen. Daß die Bäckerwerkstätten vielfach ungenügend sind, daß die Lehrlinge vielfach übermäßig ausgenützt werden, dagegen hilft diese Verordnung nichts. Die lange Arbeitszeit kommt auch in anderen Gewerben vor; aber der Nachweis ist von der Kommission für Arbeiterstatistik nicht erbracht worden, daß s die lange Arbeitszeit der Bäcker die Gesundheit geschädigt wird. Deshalb war die Einführung des Maximalarbeits⸗ tages für erwachsene Arbeiter nicht berechtigt. Kinder und Frauen wollen wir schützen, auf diesem Wege aber können wir der Regierung nicht folgen. Als die zu schützenden Schwachen betrachten wir nicht diejenigen, welche für den Weltfeiertag schwärmen und bei jedem Aufschwung der Industrie Strikes organisieren, wir rechnen dazu in erster Linie die kleinen Arbeitgeber. Die Beunruhigung, welche das ganze Deutsche Reich ergriffen hat wegen des Ladenschlusses am Abend, geht weit Fncs über die Aufregung der Baͤcker. Von diesem Ladenschluß werden auch die kleinen Gewerbetreibenden besonders betroffen. Diese Regelung hat unseren Beifall nicht. Wäre ein Gesetz an den Reichstag ge⸗ kommen, so hätten die Bäcker ihre Wünsche in einer Petition geltend machen können. Besser wäre es jedenfalls gewesen, eine bestimmte Arbeitszeit für die Woche festzusetzen, weil die Bäckerei sich nach den Gewohnheiten des Publikums richten muß. Die Schablone erregt daher überall Unzufriedenheit. Der Großbetrieb wird 18 auf die Ver⸗ ordnung einrichten können; er wird entschädigt dadurch, daß die Klein⸗ betriebe zu seinen Gunsten zu Grunde gerichtet werden. Ob die Arbeiter dadurch befriedigt werden, danach richten wir unsere Ent⸗ scheidung nicht. Die kleinen Unternehmer werden unzufrieden gemacht. Dieser Vorgang zeigt wieder, wie nothwendig die Or⸗ anisation der Handwerker ist, damit sie in solchen Fällen ihre

nteressen geltend machen können. Dadurch würde es gelingen, den immer mehr anwachsenden Strom der Unzufriedenheit ein⸗ zudämmen; das ist für die Leute, für welche der Grund⸗ satz gilt „Deutschland, Deutschland über Alles!“ die Hauptsache.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Durch die Schaffung von Hand⸗ werkerkammern wird die Unzufriedenheit, welche aus wirthschaftlichen Gründen entstanden ist, nicht beseitigt werden. Ueberrascht sind die Bäckermeister durch die Verordnung nicht, denn sie lag lange in der Luft. Aber bedeutsam ist sie, weil sie der erste Schritt zum Maximal⸗ arbeitstag für erwachsene Arbeiter ist. Ein Fehler ist insofern gemacht worden, weil dieses Gewerbe sich nicht besonders für den Maximalarbeits⸗ tag eignet. Die Hefe ist noch nicht so gehorsam, daß sie auf die Stunde funktioniert, der Ofen brennt einmal schneller oder langsamer, die persönlichen Qualitäten der Gesellen sind ebenfalls verschieden u. s. w. Das Hauptbedenken ist, daß die kleinen Betriebe in Nachtheil gesetzt werden gegenüber dem Großbetriebe, der sich jetzt auf genossenschaft⸗ lichem Wege herausbildet. Eine wöchentliche Arbeitszeit würde es möglich machen, den Betrieb den örtlichen Verhältnissen anzupassen. Dagegen hätten sich die betheiligten Handwerksmeister in ihrer Mehrheit nicht aufgelehnt. Die Gesellen sollten bedenken, daß sie leicht Meister werden können, und dann würden sie die Polizei⸗ beschränkungen treffen. Sie (die Sozialdemokraten) vertreten lediglich die Interessen der Arbeiter, wir wollen auch die der Unternehmer vertreten und beide Interessen möglichst zu versöhnen suchen. Es ist leicht, den Maximalarbeitstag in ein Programm aufzunehmen; schon beim ersten Schritt stößt man aber auf Schwierigkeiten. Wie schwierig würde erst der achtstündige Normalarbeitstag sein. Die Diskussion soll wohl nur den Zweck deben. die Regierung abzuhalten, für andere Gewerbe ähnlich vorzugehen.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch: 8

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat, wie auch andere der Herren, die sich über den vorliegenden Gegenstand geäußert haben, sich dahin ausgesprochen, daß das Bedenkliche der Verordnung, die der Bundesrath betreffs des Bäckergewerbes erlassen hat, darin zu finden

sei, daß es sich hier um den ersten Schritt zur Einführung des all⸗

gemeinen Maximalarbeitstages auch für männliche erwachsene Arbeiter handele. Der Herr Abg. Merbach kleidete diese

Bemerkung so ein, daß er sagte: wenn man den § 120 c nicht für

anwendbar hält, so bedeutet diese Vorschrift die Einführung des all⸗ gemeinen Maximalarbeitstags, und das können wir nicht mitmachen. Ja, meine Herren, darin hat ergia ganz Recht: wenn die Voraus⸗ setzung richtig ist, daß der § 120 e nicht zutrifft, dann allerdings wird man sagen können: hier handelt es sich um den ersten Schritt zur Einführung des allgemeinen Maximalarbeitstazs. Er hätte aber mit noch viel größerem Recht sagen können: wenn § 120 e hier nicht zutrifft, dann hat der Bundesrath eine gegen das Gesetz verstoßende Handlung be⸗ gangen. Das wäre die richtige Folgerung aus seinen Ausführungen. (Sehr richtig! links.) Der Bundesrath steht auf einem völlig andern Standpunkt, wle auch heute ausgeführt worden ist; er nimmt an, daß die Voraussetzungen des § 120 e im vorliegenden Fall zutreffen, und wenn diese Voraussetzungen zutreffken hat der Bundesrath sich gesagt so bin ich verpflichtet den § 120 e zur Anwendung zu bringen. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, ich möchte Sie doch an die Geschichte der Entstehung dieses Paragraphen erinnern. Ich kann mich nicht eines einzigen Redners aus dem ganzen Hause ent⸗ sinnen, der sich gegen diesen Paragraphen ausgesprochen hätte; im Gegentheil, letzterer hat meines Erinnerns bei den Rednern aller Parteien Zustimmung gefunden (sehr richtig! rechts), auch bei dem Redner der freikonservativen Partei. (Zuruf von seiten der Frreikonservativen und der Scozialdemokraten). Wenn ich die Herren in ihren Zwischenrufen nicht störe, darf ich wohl fortfahren? (Große Heiterkeit.) Also, meine Herren, ein⸗ gehende Erörterung hat dieser § 120 e gefunden, als vom allgemeinen Maximalarbeitstag die Rede war; da stellte sich die Regiernng und die Mehrheit des Hauses auf den Standpunkt: den al⸗ gemeinen Arbeitstag wollen wir nicht, dahingegen er⸗ kennen wir an, daß in einer Reihe von Gewerben durch übermäßige Ausnutzung der Arbeitskraft Schädigungen der Ge⸗ fundheit der Arbeiter entstehen, und in diesem Falle muß eine Hilfe gegeben werden. Meine Herren, nicht alle Redner stellten sich auf diesen Standpunkt. Es waren ja eine Reihe von Parteien und von einzelnen Rednern aus den Parteien damals für den allgemeinen Maximalarbeitstag. Das Zentrum nahm denselben Standpunkt zu der Frage ein, den es heute einnimmt, und der Redner der konservativen Partei, der sich in der Frage äußerte, hat sich auch, wie die konservative Partei in früheren Jahren überhaupt, für den allgemeinen Maximalarbeitstag ausgesprochen. (Hört! hört!) Der Kom⸗ missionsbericht, der schließlich dem Hause vorgelegt wurde und sich darüber ausspricht, sagt ausdrücklich, daß die Majorität der Kommission, die sich sowohl aus Freunden wie aus Gegnern des Maximalarbeitages zusammensetzte, glaubte, den all⸗ gemeinen Maximalarbeitstag nicht annehmen, sondern sich an den Rahmen der Vorlage halten zu sollen. Dieselbe nämlich dieser § 120e bedeute einen höchst erfreulichen Fortschritt.

„Wenn die verbündeten Regierungen die Aufnahme dieser Be⸗ fugniß vorgeschlagen hätten, so sei zu hoffen, daß von denselben auch namentlich bei solchen Betrieben, die außerordentliche Ansprüche an die physische Kraft der Arbeiter stellen, Gebrauch gemacht werde.“

Der Reichstag stellte sich auf den Standpunkt, daß man von dem allgemeinen Maximalarbeitstag in der Voraussetzung absehen könne, daß die Regierung von dieser ihr im § 120 e gegebenen Befugniß, auch für erwachsene Arbeiter einen Maximalarbeitstag unter gewissen Voraussetzungen einzuführen, auch den richtigen Gebrauch machen werde. Meine Herren, die Vertreter der freisinnigen Partei haben, soweit sie zu den Fragen gesprochen haben, durchgängig sich auf den Standpunkt gestellt, daß aus Rücksicht auf die Pflege und den Schutz der Gesundheit der Arbeiter ein Maximalarbeitstag sehr wohl acceptabel sei. Nun waren sie damals das muß ich anerkennen der An⸗ sicht, man solle das nicht auf dem Wege der bundesräthlichen Ver⸗ ordnung machen, sondern gleich im Wege der Gesetzgebung. Das war auch das, was der damalige Herr Abg. Schrader und vor allen Dingen auch Herr Gutfleisch, der sich lebhaft an den Arbeiten der Kommission nach allen Richtungen hin betheiligte, ausführten. Ich erwähne dies nur, um nachzuweisen, daß es sich hier gegenwärtig garnicht um eine große politische Frage handelt. Diese große politische Frage der Fest⸗ setzung eines Maximalarbeitstages in gewissen, aus Gesundheitsrück⸗ sichten gebotenen Fällen wird nicht jetzt entschieden durch die Verord⸗ nung des Bundesraths über den Betrieb von Bäckereien und Kon⸗ ditoreien, sondern sie ist bereits durch die Aufnahme des § 120 e in die Gewerbeordnungsnovelle von 1891 entschieden, und deshalb sind meines Erachtens alle Betrachtungen über die große politische Bedeutung jener Verordnung nicht zutreffend. Die einzige Frage kann gestellt werden: sind die Verhältnisse im Bäckereigewerbe so, daß die Voraussetzungen des § 120 c zutreffen? Damit steht und fällt die ganze Verordnung. Vom prinzipiellen Standpunkt ist sie meines Erachtens unanfechtbar deshalb, weil der Reichstag und der Bundesrath gemeinsam den Standpunkt des § 120 e gewählt haben. Nun sagt man: warum gerade zuerst das Bäckergewerbe, warum nicht andere? Es ist angeführt worden: es giebt eine ganze Reihe von Gewerbebetrieben, in denen auch lange Zeit hindurch ohne jede Pause gearbeitet wird. Der Herr Abg. Merbach hat bemerkt, bei den Schneidern und Schustern finde sich ganz gewiß zuweilen eine sehr lange Arbeitszeit, ebenso wie hier bei dem Bäckergewerbe. Ja, meine Herren, das will ich alles nicht bestreiten, aber der Grund, warum man zuerst mit dem Bäckergewerbe vorgegangen ist, ist der, daß hier in der Hälfte sämmtlicher Betriebe eine übermäßig lange Arbeits⸗ zeit mit der Arbeit in der Nacht zusammenfällt. (Sehr richtig!) Darin unterscheidet sich der hier vorliegende Fall von allen anderen Beispielen, die Sie überhaupt nennen können, da lag es doch auf der Hand, daß man diesem Gewerbe zu⸗ nächst bei der Ausführung des § 120 e zu Leibe ging. Ich möchte fragen, meine Herren, wann soll denn überhaupt der § 120 e angewendet werden (sehr richtig! links), wenn nicht in einem Fall, wo feststeht, daß in 50 % aller Betriebe über 12 Stunden, bis 14, bis 16, bis 18 Stunden und zwar zur Nachtzeit gearbeitet wird ohne irgend einen Ruhetag im ganzen Jahre —, in über⸗ heizten Räumen und in schlechter Luft? Ja, meine Herren, wann wollen Sie denn von dem § 120 e Gebrauch machen, wenn nicht in diesem Fall? Ich kann mir gar keinen schlimmeren Fall denken als denjenigen, der hier vorliegt, und nach meiner Ueberzeugung hätten die verbündeten Regierungen ihre Pflicht nicht erfüllt, wenn sie in diesem Falle nicht vorgegangen wären und von

der ihnen vom Re chstag zudiktierten Befugniß teinen Gebrauch ge⸗

macht hätten. (Sehr richtig! links.)

Nun, meine Herren, kann man bei der Ausführung einer solchen Verordnung sehr ungeschickt oder weniger ungeschickt vorgehen. Die Herren, die sich gegen die Verordnung ausgesprochen haben, sind zum theil der Meinung, daß sie recht wenig glücklich gefaßt wäre, sie bezeichnen sie als Schablone, und sehen darin ihren Hauptfehler. Ja, meine Herren, ich muß zugeben, wenn man für ein großes Reich gleichmäßige Bestimmungen über Arbeitszeit erläßt, so kann eine solche schablonenhafte Regelung allerdings recht unglücklich wirken, dies aber doch nur unter der Voraussetzung, daß die Schablone so gewählt ist, daß nicht alle Betriebe ganz unbedenklich damit auskommen können. Nach meiner Ueberzeugung und nach der Ueberzeugung der verbündeten Regierungen liegt es so, daß mit der Arbeitszeit, die in der vorliegenden Verordnung den Bäckern gegeben ist, alle Betriebe ganz unbedenklich auskommen

können, mit einigen Modifikationen, mit wenigen Veränderungen und

jedenfalls ohne eine bedenkliche Einwirkung auf ihre wirthschaftliche Existenz.

Wie liegt denn die Sache? 24 Stunden hat der Tag. Von diesen 24 Stunden sind in den Bestimmungen des Bundesraths für jeden Gehilfen 8 Stunden der Ruhe zugesprochen. Es bleiben also 16 Stunden übrig. Von diesen 16 Stunden können 13 ½ Stunden zu regelmäßigen Betriebsarbeiten verwendet werden, sobald wäͤhrend der Arbeitsschicht eine Stunde Pause gewährt wird, was in den Bäckereibetrieben, soviel ich weiß, überwiegend der Fall ist; dreizehn Stunden kann nämlich alsdann die Arbeitsschicht dauern und eine halbe Stunde ist für die Herstellung des Vorteigs vorgesehen. Da⸗ neben sind gelegentliche Nebenarbeiten unbeschränkt zulässig. Außer⸗ dem kann an 40 Tagen im Jahr Ueberarbeit stattfinden.

Meine Herren, abgesehen von den 8 Stunden absoluter Ruhe, kann also die Arbeitszeit unter Umständen 16 Stunden dauern. Mir scheint, als könnte man die Frage aufwerfen: ist hier nicht zu wenig gefordert, anstatt zu viel? (Sehr richtig! links.) Meine Herren, ich glaube nicht, daß jemand in der Lage ist, zu behaupten, daß in dieser Arbeitszeit von 13 ½ Stunden für Herstellung der Waare selbst und 2 ½ Stunden zur Verrichtung gelegentlicher Nebenarbeiten die Bäckereien nicht mit ihren Arbeiten fertig werden könnten. Auch sind solchen Betrieben besondere Vergünstigungen eingeräumt worden, die Sonntags gar⸗ nicht arbeiten; es ist zugelassen, daß sie die an den beiden vorher⸗ gehenden Wochentagen endigenden Schichten um 2 Stunden ver⸗ längern, also 15 ½ Stunden statt 13 ½ Stunden zur Herstellung der Waaren verwenden dürfen. Da wird nun behauptet, die Bäcker könnten damit nicht auskommen. Verzeihen Sie, meine Herren, das glaube ich nicht, und wenn Sie die Vernehmungen der Bäckermeister durch die Kommission lesen, wie verschieden und verworren kann man sagen lauten da die Aussagen! Einer hat er⸗ klärt, mit 12 Stunden kommt er unbedingt aus. Darauf hat er sich draußen mit einem Kollegen besprochen und sagt: 14 Stunden, und dann hat er wieder 40 Minuten von diesen 14 Stunden nachgelassen. Schließlich stellte es sich so, daß von den 50 % der Betriebe, die überhaupt in Frage kommen denn soviel arbeiten heute unter 12 Stunden wieder 40 % erklärt haben, sie könnten unbedenklich mit 12 Stunden Arbeitszeit auskommen. Heute haben wir durch die Verordnung eine 13 ⅞stündliche Arbeitszeit, und dazu kommen noch 40 Tage, an denen Ueberarbeit gegeben werden kann. Kurzum, ich kann mir nicht helfen, ich habe den Eindruck, es geht hier, wie bei allen Arbeiterschutzgesetzen, daß diejenigen, die davon betroffen werden, sich mit Händen und Füßen gegen jede Beschränkung ihrer Freiheit wehren, daß sie sich aber, wenn man den Dingen ihren Lauf läßt, hineinfinden, und ich habe die Ueberzeugung, es wird nicht lange dauern, daß die Bäckermeister zu der Ueber⸗ zeugung kommen, daß die Beschwerden, die sie vorbringen, nicht begründet sind, und daß sie mit der Verordnung sehr wohl aus⸗ kommen. Ja, meine Herren, wäre der Bundesrath so weit gegangen, daß den Bäckern die Möglichkeit, ihre Kunden zu bedienen, beschränkt würde, so kann man sich auf den Standpunkt stellen, daß die wirth⸗ schaftliche Existenz der Bäcker durch die Verordnung gefährdet werde; aber nach der Darstellung, die ich mir erlaubt habe zu geben, läßt sich an diesem Standpunkt nicht festhalten, und noch viel weniger kann man die Behauptung aufstellen, daß gerade die kleinen Betriebe durch diese Verordnung getroffen werden. Das Gegentheil ist der Fall. Es ist von der Kommission ganz unzweifelhaft festgestellt, daß in den kleinen Betrieben die nur 12 stündige Arbeitszeit weit häufiger ist als in den größeren Betrieben. Nach den Erhebungen stellt sich die Sache so, daß von den Betrieben mit rund 2 Personen heute schon 72 % 12 Stunden und weniger arbeiten, von den Betrieben mit 3 bis 5 Personen dagegen nur 42 %, und von solchen mit 6 bis 9 Personen nur 32 %. Sie sehen daraus, daß gerade in den kleinen Betrieben die kürzere Arbeitszeit die übliche ist, während in den größeren die längere und schwerere vorkommt. So hat es sich nach meiner Meinung auch bei den Ver⸗ handlungen herausgestellt, daß die Bäckermeister, die sich am meisten gegen die Frage gewehrt haben, in ihren Betrieben mehr als 3 Personen, 3 bis 6 und 6 bis 9 Personen be⸗ schäftigen. Die ganz großen Betriebe, das ist ja zutreffend, kommen wieder leichter mit der Maximalarbeitszeit aus, weil sie in der Lage sind, Schichtwechsel einzuführen, den die anderen Betriebe nicht haben.

Bezüglich der Frage, ob Gesetz oder Verordnung, ist für die Regelung durch Gesetz auch die Stimme des früheren Vorsitzenden der arbeiterstatistischen Kommission angeführt worden. Ich möͤchte mir nur gestatten, darauf aufmerksam zu machen, daß, als er sein Votum für Gesetz abgab, die Sache anders lag als heute. Damals stand in Frage, daß sämmtliche Konditoreien in diese Be⸗ stimmungen einbezogen werden sollten, auch die Tageskonditoreien. Weil nun das meines Erachtens gerechtfertigte Bedenken auftauchte, daß diese Betriebe nicht unter den § 120 e zu bringen wären, so sprach sich damals der Vorsitzende der Kommission für die Regelung durch Gesetz aus. Jetzt liegt die Sache anders. Es sind unter die Verordnung begriffen die Bäckereien und „gemischten“ Konditoreien, die des Nachts arbeiten und für die alle die Voraus setzungen zutreffen, von denen ich mir erlaubte zu sprechen.

Im übrigen scheint es mir doch außer Zweifel zu sein, daß der Bundesrath, wenn ihm der Reichstag eine Aufgabe stellt, wie sie ih im § 120e gestellt ist, und wenn er diese Aufgabe sich selber durch die

Vorlage des Gesetzes gewünscht hat daß es doch ein eigenthüm⸗

liches Verfahren wäre, wenn er nun im ersten Falle, wo er vor di

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