ist am 23. April Morgens in New⸗York angekommen. Der Reichs⸗ Postdampfer „Prinz Heinrich“ ist am 23. April Vormittags in Antwerpen angekommen. Der Postdampfer „Dresden“ ist am 23. April Nachmittags auf der Weser angekommen.
London, 23. April. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Athenian“ ist auf der Heimreise gestern von Madeira aesgen. Der Union⸗Dampfer „Mexican“ ist auf der Heimreise gestern von Kapstadt abgegangen. 1“
Theater und Mufik.
Königliches Opernhaus.
Gestern Abend ging Meyerbeer's große Oper „Robert der Teufel“ neu einstudiert mit schönem Gelingen im Einzelnen wie Ganzen in Scene. Das Tonwerk, welches für die Ent⸗ wickelung der künstlerischen Persönlichkeit des Komponisten von entscheidender Bedeutung war und bei seinem ersten Erscheinen vor mehr als sechzig Jahren auf allen großen Bühnen mit Erfolg zur Aufführung gelangte, hat sich nicht die dauernde Be⸗ liebtheit in dem Maße erringen können, wie des Komponisten spätere
pern „Die Hugenotten“ und „Der Prophet“. In unserer Zeit des „Musikdramas“, in der verlangt wird, daß die Musik der Oper die Vorgänge auf der Bühne dramatisch charakterisierend durch⸗ dringe, nicht nur sie äußerlich begleite, wird ein Werk wie „Robert der Teufel“ den Eindruck des Veralteten hinterlassen müssen, wenn auch die Sorgfalt, die Meyerbeer auf die Ausgestaltung der Melodie verwendet hat, immer noch einzelne große Wirkungen vermitteln kann. Die foßen Arien, Lieder und Chöre sicherten denn auch der geftrigen dgfs rung den Fefolg. err Sylva, der den Herzog obert von der Normandie gab, beherrschte den großen Raum urch die Kraft und Fülle seiner Stimme und verdient auch Aner⸗ ennung für den klaren Vortrag und seine musikalische Sicherheit. Herr Mödlinger als Bertram brachte die düstere Gestalt des euflischen Verführers markig zur Geltung und gewann Beifall durch die edle und geschmackvolle Behandlung seines vollen, tiefen Organs. Mit ihm gemeinsam errang Herr Philipp, der die Partie des jungen Landmanns Raimbaut ansprechend, mit warmquellender Empfindung ausführte, in dem Duett des zweiten Akts einen be⸗ deutenden Erfolg. Frau Herzog bewährte als Isabella die be⸗ kannten Vorzüge ihrer schönen Stimme und sang besonders die Gnadenarie mit lobenswerther Sauberkeit und Feinheit. Auch Fräulein iedler gewann als Landmädchen Alice mit Recht lebhafte Anerkennung ür die seelenvolle Wiedergabe ihrer Arien und Lieder. Der kriegerische Klang der Ritterchöre wurde temperamentvoll zu Gehör gebracht. Im Ballet des vierten Akts rief die anmuthige Kunst des Fräulein dell⸗Era lebhafte Bewunderung hervor.
Deutsches Theater.
Max Halbe'’s Liebesdrama „Jugend“ ist nach Uebersiedelung seiner ehemaligen Hauptdarsteller Rittner, Jarno und Biensfeldt und des Regisseurs Lessing an das Deutsche Theater an dieser Stätte gestern zur “ gelangt. Da die drei Erstgenannten dieselben Rollen innehatten, in welchen sie ihren sowie des Stückes Ruf begründeten, so ist über diese Aufführung wenig Neues zu berichten. Sie wies im Ganzen die gleichen charakteristischen Merkmale auf, wie früher, und übte denselben tiefen Eindruck aus, der in dem Stoff begründet ist. Nur die Rollen des Pfarrers Hoppe und seiner Nichte Annchen waren in anderen Händen. Das gemüthvolle Wesen des Pfarrers brachte Herr Reicher trefflich zum Ausdruck; Ton, Haltung und Geberde waren, wie immer bei diesem Darsteller, ungekünstelt und natürlich. Fräulein Helene Staglé, welche das Annchen spielte, wirkte nicht ganz so über⸗ zeugend wie ihre Vorgängerinnen, war aber mit Erfolg bemüht, die Schwierigkeiten, welche die Rolle bietet, zu überwinden; ihr Spiel zeugte im Ganzen von künstlerischem Instinkt und richtigem Empfinden. Das Publikum spendete am Schluß lebhaften Beifall, sodaß Direktor Brahm im Namen des abwesenden Dichters danken konnte.
Konzerte.
Der gestrige populäre Kammermusik⸗Abend der Herren Professoren Barth, Wirth und Hausmann in der Philharmonie hatte wegen der Mitwirkung des Herrn Professors Joachim eine besondere Anziehungskraft ausgeübt. Das Programm bot zunächst das Quartett für Klavier, Violine, Bratsche und Violoncello von Schumann (op. 47) und ein Quintett für Klavier, zwei Violinen, Bratsche und Violoncello von Dvorak (op. 81). Dann folgte als Glanzpunkt des Abends das herr⸗ liche Septett für Violine, Bratsche, Horn, Klarinette, Fagott, Violoncello
und Contrabaß von Beethoven. Außer dem Professor Joachim unter⸗
stützten auch die Königlichen Kammermusiker Schubert, Gütter, Littmann und Clam die Konzertgeber auf das wirksamste, sodaß die Ausführung aller drei Werke eine in jeder Beziehung vollendete genannt werden durfte. Der Beifall des zahlreichen Publikums, der jedem 818 folgte, steigerte sich am Schluß des Konzerts zu mehr⸗ maligem ervorruf der Künstler.
Das vorgestrige Abschieds⸗Konzert des Philharmonischen Orchesters, welches ausschließlich Werke von Beethoven darbot, an deren Ausführung sich Professor Mannstaedt auch als Solist be⸗ theiligte, nahm einen glänzenden Verlauf. Nach der Ouvertüre zu „Coriolan“ bethätigte sich der Dirigent in seiner Eigenschaft als Pianist, indem er das Es-dur⸗Konzert für Klavier und Orchester mit großer technischer Sicherheit und Tiefe der Auffassung vortrug. Gleiches Lob verdient die Ausführung eines wenig bekannten Rondos für Klavier und Orchester, einer Jugendarbeit des Meisters, die sich in der Kompositionsweise noch ganz dem Vorbilde Havydn's anschließt. Nachdem der unermüdliche Künstler noch das Adagio aus der „Sonate
Lathétique“ hinzugefügt hatte, ergriff er wieder den Dirigentenstab, um die ritte Ouvertüre zu „Leondre“ zu leiten. Den Beschluß des Abends machte die siebente Symphonie (A-dur), die von dem Orchester in vollendeter Weise gespielt wurde. Durch rauschenden Beifall drückte das Publi⸗ kum zum Schluß für die genußreichen Abende, die ihm sowohl in den populären Konzerten wie in den größeren Abonnements⸗Konzerten der verflossenen Saison dargeboten wurden, dem Orchester und dessen treff⸗ lichem Leiter seinen Dank aus.
Im Königlichen Opernhause geht morgen zum hundertsten Male Richard Wagner’'s „Walküre“ („Ring des Nibelungen“, erster Abend) unter Kapellmeister Sucher's Leitung in Scene. Die Besetzung ist nachstehende: Siegmund: Herr Sylva; Hunding: Herr Mödlinger; Wotan: Herr Betz; Sieglinde: Frau Pierson; Brünnhilde: Frau Sucher; Fricka: Fräulein Rothauser; Walküren: die Damen Hiedler, Deppe, Weitz, Krainz, Pohl, Kopka und Varena.
Im Königlichen Schauspielhause findet morgen eine Aufführung von Friedrich Hebbel's „Judith“ mit Fräulein Poppe in der Titelrolle und Herrn Molenar als Holofernes statt.
ür die Musikfeste der Königlichen Akademie der Künste am 5., 7. und 8. Mai (s. Nr. 96 d. Bl. unter „Kunst und Wissenschaft“) werden Vornotierungen zu Billets im Bureau der Akademie nicht mehr angenommen. Der Billetverkauf ist der Hof⸗ .“ von Bote u. Bock hierselbst, Leipzigerstraße 37, ertragen. “ 8E 1114“
Mannigfaltiges.
Aus der gestrigen Stadtverordnetensitzung seien folgende Beschlüsse mitgetheilt: Zur Berliner Gewerbe⸗Ausstellung beabsichtigt die Gemeinde Treptow, die Verlängerung des Dammweges von der Neuen Krug⸗Allee bis zur Kienwerder⸗Allee in Treptow, nach der Spree zu, chausseemäßig herzustellen und die Park⸗Allee von der Neuen Krug⸗Allee nach der Ablage an der Spree zu pflastern und demnächst zu unterhalten, falls die Stadtgemeinde zu diesen Arbeiten 1200 chm alter Pflastersteine hergebe. Der Magistrat befürwortete den Antrag, der ohne Debatte angenommen wurde. — Seitens des Ortsausschusses der F des Verbandes deutscher Architekten und Ingenieur⸗Vereine ist der Magistrat ersucht worden, gelegentlich der auf der Internationalen Kunstausstellung zu Berlin beabsichtigten Architektur⸗Ausstellung dem genannten Ausschusse die Entwürfe zu dem Polizei⸗Dienstgebäude und zur Oberbaumbrücke zur Verfügung stellen zu wollen. Der Magistrat hat diesem Gesuch entsprochen und beantragte die Zustimmung der Versammlung sowie die Gewährung von 300 ℳ für die Ausstellung der Entwürfe. Die Versammlung ertheilte auch hierzu ihre Zustim⸗ mung. — Ebenfalls ohne Debatte nahm die Versammlung ferner Kennt⸗ niß von einigen unwichtigeren Mittheilungen des Rechnungsausschusses und des Magistrats und genehmigte die Vorlage des letztern, betreffend die Ausführung verschiedener Bauten, Familienhäuser ꝛc. auf den städtischen Rieselfeldern. — Es folgte sodann der Antrag des Stadt⸗ verordneten Kyllmann u. Gen.: den Magistrat zu ersuchen, sich mit der Einsetzung einer gemischten Deputation behufs Vertretung der städtischen Behörden bei den im Laufe dieses Jahres zu erwartenden Kongressen und Generalversammlungen von Vereinen u. s. w. ein⸗ verstanden zu erklären und die etwa dadurch erwachsenden Kosten auf den betreffenden Spezial⸗Etat zu verrechnen. Der Antrag gelangte nach Befürwortung desselben durch den Antragsteller und den Stadt⸗
“
verordneten Dr. Schwalbe ohne weitere Diskussion zur Annahme. — Danach folgte die Vorlage des Magistrats, betr. Bewilligung von Ehrenpreisen 829 die hier am 2. Mai d. J. abzuhaltende zwei⸗ hundertjährige Jubiläums⸗Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste. Der Antrag des Magistrats ging dahin, für diese Ausstellung vier städtische Ehrenpreise von zusammen 12 000 ℳ zu bewilligen, und ferner, darin willigen zu wollen, daß die Einzelheiten bezüglich der Vertheilung der Ehrenpreise der gemischten Deputation für Kunst⸗ zwecke überlassen werden. Die Vorlage des Magistrats wurde ange⸗ nommen. — Der Antrag des Stadtverordneten Schmeißer: den Magistrat zu ersuchen, die schon lange mit den betreffenden Behörden schwebenden Verhandlungen behufs Verlegung der den Gasanstalten in der Gitschinerstraße die Kohlen zuführenden Eisenbahn aus der Eisenbahn⸗ straße nach dem Görlitzer Bahnhof möglichst bald zum Abschluß zu bringen und der E1“X“ dahin gehende Vorlage zugehen lassen zu wollen, wurde einem Ausschuß überwiesen. — Ohne Wider⸗ spruch wurde die Vorlage des Magistrats, der Königlichen Akademie der Künste zu ihrer Jubiläums⸗Ausstellung eine Anzahl Kunst⸗ egenstände der Stadt Berlin leihweise zu überlassen, angenommen. —
s folgte die Magistratsvorlage, betr. Besteigung des Rathhaus⸗ thurmes, die hiernach von jetzt ab nur Sonntags, Montags und Donnerstags unentgeltlich, an den anderen Tagen aber nur gegen 20 ₰ Eintrittsgeld pro Person gestattet werden soll. Die Versamm⸗ lung stimmte nach längerer lebhafter Debatte einem Antrage der Stadtverordneten Dr. Schwalbe und Dr. Preuß zu, an sämmt⸗ lichen Tagen der Woche Eintrittsgeld zu erheben. — Der weitere Antrag des Magistrats, den Festsaal des Rath⸗ hauses zur hundertjährigen Gedenkfeier der Schutzpocken⸗ impfung am Freitag, den 15. Mai d. J., an ein Comité, welches diese Feier veranstaltet, kostenlos zu überlassen, wurde genehmigt und durch den Stadtverordneten Sanitäts⸗Rath Dr. Ruge noch dahin er⸗ weitert, daß der Festsaal des Rathhaufes zu dieser Gedenkfeier, zu welcher außer den Aerzten Berlins auch die höchsten Reichs⸗, Staats⸗ und städtischen Behörden eingeladen werden sollen, auf Kosten der Stadt in würdiger Weise ausgeschmückt werde. — Auf die öffentliche folgte eine geheime Sitzung.
Die offiziellen Erinnerungs⸗Medaillen der Berliner
Gewerbe⸗Ausstellung sind nur auf dem Ausstellungsplatz er⸗ hältlich, wo dieselben vor den Augen des Publikums geprägt werden. Es ist zu diesem Zweck eigens ein großes Prägewerk in einem Pavillon aufgestellt worden, welcher sich an der Haupt⸗Allee und zugleich an dem Wege zum Fischerei⸗Ausstellungsgebäude befindet. Die Fundament⸗ arbeiten zu dem Prägewerk sind vollendet, sodaß dasselbe rechtzeitig zum 1. Mai in Betrieb gesetzt wird.
Budapest, 23. April. In den Tagen vom 15. bis 17. Juni findet hierselbst der diesjährige internationale Journalisten⸗ Rvnsee statt. Am letzten Tage wird, wie „W. T. B.“ meldet, der inister⸗Präsident Baron Banffy zu Ehren der auswärtigen Journalisten eine Soirée veranstalten.
Paris, 23. April. Die Leichenfeier für Léon Say hat heute Vormittag in dem Pemple de l'oratoire in großer Einfachheit stattgefunden. gast alle Minister, viele Senatoren, Deputirte, zahl⸗ reiche der Akademie und viele andere Personen wohnten der Feier bei. Auf Wunsch des Verstorbenen waren weder Blumen noch Kränze auf den Sarg gelegt worden. Die Beisetzung fand auf dem Kirchhof Pore Lachaise statt.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene
Depeschen. 1
Paris, 24. April. (W. T. B) Nach hier vorliegenden
Meldungen aus Athen hat bei Episkopi auf Kreta zwischen Christen und Türken ein Kampf stattgefunden, welcher zwei Tage dauerte. Etwa fünfzig Personen seien getödtet oder verwundet worden. Die Kretenser hätten Griechenland um Hilfe angerufen.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und
Drritten Beilage.)
Wetterbericht vom 24. April, Morgens 8 Uhr.
8
Wetter.
Temperatur in ° Celsius 5 °C. = 40 R.
Bar. auf 0Gr u. d. Meeressp red. in Millim
7 Uhr.
Belmullet.. bedeckt Aberdeen 769 3 heiter
— 8 — —
Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗
Erster Abend. Zum 100. Male: Die Walküre in 3 Akten. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang
Schauspielhaus. Eine Tragödie in 5 Aufzügen von Friedrich Hebbel. Herr Kapellmeister Winné. An
Theater.
111. Vorstellung.
Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25 — 26. Sonnabend: Mit großartiger Ausstattung an Ensembles vom Münchener Gärtnerplatz⸗Theater. haus. 105. Vorstellung. Der Ning des Nibe⸗ Kostümen, Dekorationen und Requisiten: Der Conrad Dreher a. G. Auf viecfeah. erlangen: lungen. Bühnenfestspiel von Richard Wagner. Hungerleider. Ausstattungs⸗Komödie mit Gesang Der Schwiegervater. Posse mit und Ballet in 10 Bildern von Julius Keller und 3 Akten. Anfang 7 ½ Ubr. Louis Herrmann, mit theilweiser Benutzung einer des Mark Twain. Musik von Louis Roth. Indith. In Scene gesetzt von Julius fetssge. ““ ang 7 ½ Uhr. Der Hunger⸗
ZBentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Sonnabend: Gastspiel des Conrad Dreher⸗
Gesang in
Sonntag: Der Schwiegervater.
Konzerte. 1
Christiansund 762 6 wolkig Kopenhagen. 763 2 wolkenlos Stockholm. 760 wolkenlos paranda . 754 wolkenlos t. Petersbg. 751 Regen Moskau 676 bedeckt
Cork, Queens⸗ towu 769 heiter Cherbourg. 769 W wolkig 168 halb bed. T11161““ wolkenlos mburg. 764 NNW halb bed. ¹) winemünde 762 N. halb bed. /2) Neufahrwasser 759 NNO halb bed. /³) Memel 757 N heiter
Peri⸗ ö..1s1769 NNW bedeckt ünster.. 764 W bedeckt Karlsruhe. 765 NO bedeckt Wiesbaden 765 NW wolkig München 763 NW wolkig Chemnitz. 762 N Schnee Berlin... 761 N wolkig ⁴) Wien.. 757 WNW A halb bed. Breslau 758 NW bedeckt Ile d'Aixr. 769 ONO halb bed. Iaa .. 8557 still wolkenlos 11 EIi 657 still bedeckt 11
¹) Nachts Regen, früh Reif. ²) Früh Hagelschauer. 2) Naaas Schnee. ⁴) Nachts Regen. Uebersicht der Witterung.
Das Hochdruckgebiet im Westen hat sich weiter ostwärts ausgebreitet und scheint sich nach und nach nach Osten hin über Zentral⸗Europa zu verlegen. Eine breite Zone niedrigen Luftdrucks erstreckt sich von Sess. südwärts nach der Balkan⸗Halbinsel
PEPbboHSeene’s
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hin, sodaß über Deutschland nördliche Winde vor⸗ herrschend sind, welche frisch auftreten und unter deren Einfluß die Temperatur herabgegangen ist. In Deutschland, wo Regen oder Schnee gefallen ist, ist das Wetter kalt und veränderlich; an der Küste liegt die Temperatur 1 bis 4 ½, im Binnenlande 3 ½ bis 7 Grad unter dem Mittelwerth. Ruhiges, heiteres Wetter mit steigender Temperatur demnächst
wahrscheinlich. brsch Deutsche Seewarte.
In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Anfang 7 ½¼ Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 106. Vorstellung. Don Juan. Oper in 2 Akten mit Tanz von Wolfgang Amadeus Mozart. Text von Lorenzo Daponte. (Don Juan: Herr Frances o d'Andrade, Königlich bayerischer Kammersänger, als Gast.) Anfang 7 ½ Uhr. Erhöhte Preise.
Schauspielhaus. 112. Vorstellung. Der Sturm. Zauber⸗Komödie in 5 Aufzügen von William Shake⸗ speare. Nach Augusft Wilhelm von Schlegel's Ueber⸗ setzung. Musik von Wilhelm Taubert. Tanz von Emil Graeb. Anfang 7 ½ Uhr.
Deutsches Theater. Sonnabend: Der Meister von Palmyra. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: König Richard der Dritte. — Abends 7 ½ Uhr: Ingend. Montag: Die Jüdin von Toledo.
Berliner Theater. Sonnabend: König
Heinrich. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag, Mittags 12 Uhr: Wohlthätigkeits⸗ Matinée zum Besten der Pensionsanstalt deutscher Journalisten und Schriftsteller. — Abends 7 ½ Uhr: König Heinrich.
Montag: König Heinrich.
Lessing-Theater. Sonnabend: Gastspiel von seeech Mitterwurzer. Das Glück im Winkel.
nfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: eer von Friedrich Mitterwurzer. Das Glück im Winkel.
Montag: Gastspiel von Friedrich Mitterwurzer. Das Glück im Winkel. ö“
Residenz⸗Theater. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Hotel zum Freihafen. (L'Hôtel du Libre Echange.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, übersetzt und bearbeitet von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Ubr.
Sonntag und folgende Tage: Hotel zum Frei⸗
Sonntag und folgende Tage: leider.
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5.
Sonnabend: Vorletztes Ensemble⸗Gastspiel des Berliner Theaters. Der Pfarrer von Kirchfeld. Volksstück mit Gesang in 4 Akten von L. Anzen⸗ gruber. In Scene gesetzt von Arthur Wehrlin. (Otto Sommerstorff — Max Pohl — Carl Schön⸗ feld.) Anfang 7 ½ Uhr. .
Sonntag: Letztes Ensemble⸗Gastspiel des Berliner Theaters. Fedora. Schauspiel in 4 Akten von Victorien Sardou. In Scene gesetzt von Carl Schönfeld. (Marie Pospischil — Carl Schoöͤnfeld.)
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu halben Preisen: Der Hüttenbesitzer.
Montag (Abonnements⸗Vorstellung): Die Wild⸗ ente.
Voranzeige. Freitag, den 1. Mai: Tata⸗
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Theater Unter den Linden. Direktion: Julius Fritzsche. Gastspiel Anne Judic mit Gesell⸗ schaft. Direktion: Theodore de Glaser.
Sonnabend: Zum ersten Male: La Cigale. Comédie-opérette en 3 actes de M. M. Meilhac et Ludovic Halévy. Musique nouvelle de M. Rosensteel. — Chansonnettes, gesungen von Anne Judic. Chef d'Orchestre: Mr. F. C. Rosensteel. Régisseur général: M. E. Chambly. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen: Der Bettelstudent. — Abends 7 ½ Uhr: Gast⸗ vorstellung von Anne Judic. La Cigale. — Chansonnettes.
Adolph Ernst-Thenter. Sonnabend: Das flotte Berlin. Große Ausstattungs⸗Gesangsposse in 3 Akten von Leon Treptow und Ed. Jacobson. Kuplets und Quodlibets von Gustav Görß. Musik von Gustan Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. 2. Akt: Alt⸗Berlin. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Das flotte Berlin.
Konzert-Haus. Karl Meyder⸗Konzert.
Sonnabend: Letzter Operetten⸗ und Walzer⸗ Abend.
Sonntag, den 26. April, Abends 6 ½ Uhr: Letztes Sonntags⸗Konzert.
8 Familien 2 Nachrichten. “
Verlobt: Fl Josefine Faelligen mit Hrn. Li Otto von Wiese und Kaiserswaldau (Mohsau b. Züllichau — Osterode, Ostpr.). — Freiin Edith von Heee mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Hans von Reppert⸗ Bismarck (Straßburg i. Els.). — Frl. Anna von Sydow mit Hrn. Regierungs⸗Referendar und Sec.⸗Lieut. d. R. Hans Joachim von Brockhusen (Berlin — Potsdam). — Frl. Charlotte Schwartz mit Hrn. Hauptmann Stephan Wiesand (Berlin — Hamdurg). — Frl. Else Jaeger mit Hrn. Stabs⸗ arzt Dr. Esselbrügge (Kalk— Köln).
Verehelicht: Hr. Pastor Alfred Zobel mit Frl. Fer Hahn (Breslau). — Hr. Ingenieur M.
onrad mit Frl. Anna Tschirner (Lüneburg).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem⸗ Lieut. Frhrn. von dem Bussche⸗Haddenhausen (Oldenburg i. Gr.). — Hrn. Major von Larisch Fhes Hrn. Rittmeister z. D. und Bezirks⸗Offizier Egon von Dücker (Lennep). 1
Gestorben: Hrn. von Frantzius Sohn Elimar (Podollen). — Hr. General⸗Major z. D. Carl von Bauer (Berlin). — Hr. Prem. Lieut. a. D. Alfred Kern (Breslau). — Frl. Minna von Büttner (Konstadt).
Verantwortlicher Redakteur: Siemenro th in Berlin.
Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
1 der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlacs⸗ b
t Berlin SW., Wil elmstraße N 32.
Statistik und Volkswirthschaft
Die englische Getreidehandelspolitik des 16. bis 18. Jahrhunderts.
Die Kommission der Koniglichen Akademie der Wissenschaften für Herausgabe der Acta Borussica hat eine Darstellung der Getreide⸗ handelspolitik der europäischen Staaten vom 13. bis zum 18. Jahrhundert unternommen, deren ersten Band, aus der Feder von Dr. W. Naudé, sie jetzt der Oeffentlichkeit darbietet.*) Unter den Staaten, deren Getreidehandelspolitik durch die Naudé'schen Untersuchungen in ihren Grundzügen als festgestellt gelten darf, steht im Vordergrund des allgemeinen Interesses das britische Inselreich, das Land, das in Bezug auf die Landwirthschaft einen besonders eigenartigen Ent⸗ wickelungsgang genommen hat. Die nachstehenden, der Darstellung Naudé'˙8 “ Fnnafgbrunges mögen daher einen Ueberblick über die Geschichte der englischen Getreidehandelspolitik in ihren wichtigsten und interessantesten Epochen geben.
Bereits in der älteren Zeit war in England angesichts der furcht⸗ baren Verheerungen, die Theuerung und Hungersnoth leichthin an⸗ richteten, für die Regierung der Alles beherrschende Gesichtspunkt in der Getreidehandelspolitik: Schutz des Konsumenten. Daher kamen Verbote des Aufkaufs und Vorkaufs, Maßnahmen gegen den das Brotkorn vertheuernden Zwischenhandel, Beschränkungen, die man den Kornverkäufern, den Händlern und den Bäckern auferlegte, und andere Eingriffe des Staats in das wirthschaftliche Getriebe sehr häufig in Anwendung. In Hungersnöthen wurde die Zufuhr fremden Getreides zur See begünstigt, und es fanden sich, gelockt durch die hohen Preise, in der Regel dann auch Kaufleute selbst aus weiter
S Ländern auf der Insel ein, 1258 aus Deutschland und Po and, 1315 aus Frankreich, Sizilien und Spanien. Als Haupt⸗ mittel endlich, die Theuerung im Lande zu verhüten, galt das Aus⸗ fuhrverbot; nur mit Erlaubniß des Königs durfte Getreide verschifft werden. Diese Theuerungspolitik, welche danach strebte, der Masse des Volks möglichst wohlfeil Brotkorn zu verschaffen, wurde zwar im 15. Jahrhundert beseitigt durch eine die Ausfuhr begünstigende Getreide⸗ handelspolitik des Parlaments, deren Losung war: Schutz des Produ⸗ zenten, die darauf abzielte, dem Landmann einen gewissen Minimalpreis seiner Produkte zu sichern, und in dem jede Einfuhr von Getreide nach England verbietenden Gesetze Eduard's IV. vom Jahre 1463 ihren Höhepunkt erreichte. Allein schon unter den beiden ersten Tudors, Heinrich VII. und S VIII., trat ein Rückschlag ein; die vom Parlament ausgehende agrarische Wirthschaftspolitik des 15. Jahrhunderts wurde preisgegeben und an ihre Stelle eine Ge⸗ treidehandelspolitik gesetzt, die halb Königliche Fiskalpolitik, halb Theuerungspolitik im Interesse des armen Volks war. Als Folge derselben kam in “ eine Bewegung in Fluß, die dem Getreide⸗ bau, dem ländlichen Kleinbesitz und dem ECö“ äußerst ver⸗ derblich wurde. Der Körnerbau und die Dreifelderwirthschaft räumten der Schafzucht, der Feldgras⸗ und der Weidewirthschaft mehr und mehr den Platz. Der Grund und Boden ging zu einem guten Theil den kleinen Freisassen verloren. Der größere Grundbesitzer schied aus der ööö aus; er rundete sein Eigenthum ab, und es wurden roßbetriebe geschaffen. Kaufleute und Spekulanten legten ihr Geld in Rittergütern an. Diese neue Klasse von Land⸗ besitzern suchte aus dem Boden möglichst viel mühelos herauszu⸗ schlagen, und weil sie von der Ackerbestellung wenig verstand, ging sie auf eine andere Ausnutzung des Grund und Bodens aus. Da der Wollhandel und die Tuchindustrie von den Tudors sich mächtig gefördert sah, dagegen die englische Getreidehandelspolitik unter
Heinrich VII. und Heinrich VIII. zu den Grundsätzen des Mittel⸗ alters zurückgekehrt war, die Ausfuhr der Zerealien erschwerte, die Einfuhr erleichterte, so fand man in der Schafzucht mehr seine Rech⸗ nung als in dem unrentablen Getreidebau. Weite Strecken des Landes wurden der Ackerbestellung der Bauern entzogen und eingehegt. In technischer Beziehung war der Uebergang von der Dorf⸗ und Dreifelderwirthschaft zur Verkoppelung, Separation und zur Feldgras⸗ wirthschaft ein Fortschritt; aber diese agrarische Umwälzung vollzog sich unter sozialpolitisch äußerst bedenklichen Erscheinungen: die englische Bauernschaft ging zu Grunde.
Schon der erste Tudor erkannte bald, 97 dieses Austreiben der Freisassen und Pächter England seiner besten oldaten beraube. 1488 erließ er daher ein bauernfreundliches Gesetz. Heinrich VIII. suchte dann 1533 und 1534 die immer weiter fortschreitende Verwandlung von Ackerland in Schaftriften zu hemmen; er drohte mit Konfiskation,
ordnete die gewaltsame Rückverwandlung in Ackerland und den Wieder⸗
aufbau der zerstörten Häuser an. Diese Maßregeln blieben indeß ohne rechten Erfolg; denn nach wie vor gestaltete sich der Getreidebau weniger gewinnbringend, als die Schafzucht. Um die Mitte des 16. Jahr⸗ hunderts, unter der Regierung Eduard's VI., erreichte die Erbitterung über die Einhegungen ihren Höhepunkt. Ein furchtbarer Bauernaufstand durchtobte im Sommer 1549 das Land und mußte mit Waffen⸗ gewalt niedergeschlagen werden. Trotzdem trat noch kein Umschwung ein. Erst unter der Regierung der Königin Elisabeth bemerkt man einen Stillstand in der dem Ackerbau verderblichen Verwüstung des
urbaren Bodens durch die Schafheerden. Dieser war die Folge
davon, daß Elisabeth die Getreideausfuhr wieder planmäßig förderte. Im Jahr 1562 erließ sie ein grundlegendes Gesetz zu Gunsten der englischen Seefahrt. Es wurde den englischen Schiffern zugestanden, Korn ohne Lizenz, gegen Entrichtung eines niedrigen 928 auszuführen, allerdings nur wenn der Export in Schiffen geschehe, deren Eigen⸗ thümer englischer Unterthan sei, und wenn am Einschiffungsort die Getreidepreise nicht so hohe seien, daß durch den Export Theuerung entstehen könne. Weitere Gesetze „zur Hebung des Acker⸗ baues und zur Erhaltung und zum Wachsthum der See⸗ und der Schiffahrt“ folgten 1571, 1593 und 1624.
Der Krone blieb freilich immer noch das Recht vorbehalten, ederzeit die Kornausfuhr durch Plakate zu verbieten. Im Gegensatz
u Elisabeth und ihrem Nachfolger Jakob I., unter welchem übri ens
mehr das Parlament der Träger einer der Ausfuhr günstigen Politik war, suchte Karl I. in der Getreidepolitik wieder jene fiskalischen Grundsätze zur Geltung zu bringen, die die ersten Tudors angewandt Hatten. Als jedoch Cromwell die Zügel der Regierung ergriffen hatte,
ührte dieser die Gedanken der Elisabeth'schen Handelspolitik plan⸗
mäßig weiter. 1651 erließ er die Navigationsakte, welche die englische Schiffahrt von der Bevormundung der Holländer befreien sollte. 656 wurden die Ausfuhrzölle neu geordnet und für den Quarter
damals gleich 281 1) Weizen auf 1 Sch., für Roggen, Erbsen, Bohnen,
Gerste und Malz auf ½ Sch., für Hafer auf 4¼ Sch. festgesetzt. Fremde Kaufleute, die Getreide aus England exportierten, hatten drei⸗ mal so hohe Ausfuhrzölle zu entrichten. 1660 kehrten die Stuarts auf den englischen Thron zurück. Karl II. behielt indessen die -. e⸗
wirthschaftlichen Gesetze des Commonwealth bei und führte das
*) Acta Borussica. Denkmäler der preußischen Staats⸗ Afadaltung im 18. Jahrhundert, herausgegeben von der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Die einzelnen Gebiete der Verwaltung. Getreidehandelspolitik. Erster Band: Die Getreidehandels⸗
politik der europäischen Staaten vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, als Einleitung in die preußische Getreidehandelspolitik. Darstellung
on Dr. W. Naudé. Berlin, Verlagsbuchhandlung Paul Parey. Preis 11 ℳ
Berlin, Freitag, den 24. April
treidegesetz von 1656 noch weiter aus. Später wurden auch die fremden Kaufleute bei der Ausfuhr den Engländern gleichgestellt. Die Hauptneuerung unter Karl II. aber war der 1660 geschaffene Getreideeinfuhrzoll, dessen Höhe sich nach dem jeweiligen Stand der Getreidepreise im Einfuhrhafen richtete, also ein, wenn auch vahe Schutzzoll nach einer gleitenden Skala zu Gunsten der einheimischen Landwirthschaft. is dahin waren ferner die Ver⸗ ordnungen gegen Aufkauf und Aufspeicherung von Getreide über⸗ trieben streng, der Haß des Volks gegen „Kornwucherei“ noch fast eben so blind wie in früheren Zeiten. Von großem Werth für die Kornhändler war daher eine Gesetzesbestimmung, nach welcher es jedem erlaubt sein sollte, Cerealien aufzukaufen und zu magazinieren, solange nicht Theuerung herrsche. 1663 sprachen sich Regierung und Parlament offen dahin aus, der einheimische Getreidebau müsse noch in ganz anderer Weise als bisher durch freie Ausfuhr seiner Erzeugnisse gefördert und gewinnbringend gemacht werden; noch lägen große Strecken Landes im Königreich wüst oder hätten nur geringen Ertrag. Es wurde daher der Getreide⸗ einfuhrzeoll bedeutend erhöht; und ein noch weiter in dem Grundsatze der Fernhaltung fremder Einfuhr gehendes Gesetz von 1670 verschärfte schließlich die Einfuhrzölle in einer Weise, daß sie beinahe einem Einfuhrverbot gleichgekommen zu sein scheinen. Die Ausfuhr von Getreide dagegen wurde in demselben Jahr unbeschränkt freigegeben, ohne die bis dahin üblich gewesene Festlegung einer Preis⸗ grenze, bei der die Sperre wegen Theuerung platzgreifen durfte. Man sollte meinen, daß mit dieser Begünstigung der englische Kornexport einen glänzenden Aufschwung gegen früher genommen hätte. Die Zeugnisse, die uns erhalten sind, bestätigen indessen diese Vermuthung nicht; sie zeigen, daß nach wie vor ein Export nur in einzelnen Jahren, nur bei Mißernten im Auslande stattfand, ja, daß Getreide im 17. Jahrhundert noch immer nicht zu den eigentlichen Ausfuhr⸗ artikeln Englands gehörte. Das ganze Binnenland produ⸗ zierte eben Getreide nur für den eigenen Bedarf, nicht zum Export. In London wohnten zwar 1688 schon 530 000 Ein⸗ wohner — das will sagen, jeder zehnte Engländer —, in den demnächst größten Städten, Bristol, Norwich, York und Exeter, aber nur je 29 000 bis 10 000 Einwohner. Alle anderen Städte zählten 8000 Einwohner und darunter: Manchester 6000, Liverpool, Birmingham, Sheffield je 4000. Die meisten dieser kleineren Städte, zumal wenn es Binnenstädte waren, die nicht an der See, auch nicht einmal an einem schiffbaren Strom lagen, be⸗ zogen ihren Kornbedarf nur aus der nächsten Umgebung. Ob in England Getreideausfuhr oder fremde Getreideeinfuhr stattfand, kümmerte sie wenig; ihre ganze Gesetzgebung hatte sich aus⸗ schließlich gegen den Vorkauf und Aufkauf des in ihrer unmittelbaren Nähe wachsenden Korns gerichtet. Die Landstraßen waren im 17. Jahr⸗ hundert noch so bodenlos verwahrlost, die Verschickung eines volumi⸗ nösen Produkts, wie es Getreide ist, zu Lande so kostspielig, daß sie sich nur bei den allergrößten Preisdifferenzen lohnen konnte. Aller⸗ dings stand es mit der planmäßigen Förderung der Getreideausfuhr durch Cromwell und Karl II. auch nicht im Einklang, daß in allen Gesetzen des 17. Jahrhunderts ein Ausfuhrzoll beibehalten worden war. Zwar war er nicht hoch, aber in reichen Erntejahren konnte er doch, in Verbindung mit anderen Ursachen, den Femmschug bilden für einen blühenden Export. 1677 kam es daher im Unterhaus zu einer Debatte über den Ausfuhrzoll; doch siegten die fiskalischen Interessen der Stuarts über die volks⸗ wirthschaftlichen Interessen des Landes. Allein die Anschauung, daß der Ausfuhrzoll mit dem Wohl des Landes im Wider⸗ streit sei, gewann mehr und mehr an Boden. 1683 wurde in einer Flugschrift dahin argumentiert: es liege im Interesse des Königs, den usfuhrzoll nicht nur abzuschaffen, sondern sogar eine Prämie bei der Ausfuhr von Korn zu zahlen. Solange die Stuarts auf Englands Thron saßen, blieben freilich diese Gedanken unverwirklicht. Jakob II. verbot während seiner kurzen Regierung im Jahre 1686 sogar alle Ausfuhr englischen und alle Einfuhr fremden Korns. Nach⸗ dem aber Wilhelm III. die Krone Englands sich aufs Haupt gesetzt hatte, wurde am 5. Mai 1689 jenes berühmte Ausfuhrprämiengesetz erlassen, das das sechs Jahre vorher theoretisch formulierte Programm in die Wirklichkeit umsetzte.
Dieses Ausfuhrprämiengesetz zielt ausgesprochenermaßen dahin, den Export von Getreide ins Ausland zu befördern. Wenn der Quarter (Winchester Maß) Malz oder Gerste nicht über 24, der Quarter Roggen nicht über 32, der Quarter Weizen nicht über 48 Sch. in irgend einem der englischen oder wallisischen Ausfuhrhäfen stehe, so solle jedem, der einlelcasch. Korn ins Ausland verschiffe, eine 8 gezahlt werden von 2 Sch. 6 P. für den Quarter Malz oder
erste, von 3 Sch. 6 P. für den Quarter Roggen und von 5 Sch. für den Quarter Weizen, jedoch unter der Voraussetzung, daß der Schiffseigenthümer und zum wenigsten zwei Drittel der Mannschaft des Getreideschiffs englische he seien. Dieser letztere Zusatz war von entscheidender Wirkung für die schnelle Zunahme der eng⸗ lischen Seeschiffahrt und Rhederei zugleich mit der Getreideausfubr. Nur bei einem höheren Getreidepreis als 24 bezw. 32 und 48 Sch. kam die Prämie in Wegfall, und es wurden dann auch die durch das Gesetz von 1660 festgesetzten Ausfuhrzölle erhoben, bis im Jahre 1700 jeder Getreideausfuhrzoll auch bei hohen Kornpreisen beseitigt wurde.
Um dieses Gesetz — das Angriffsziel der seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auftretenden ökonomischen Schule, deren Haupt Adam Smith war — gerecht und historisch zu würdigen, muß man sich zunächst vor Augen halten, daß England im Jahre 1689 noch ganz überwiegend aus der Landwirthschaft, nicht aus der Industrie seine Reichthümer zog. Den gesammten Ertrag Englands an Cerealien schätzte man in mittleren Jahren auf etwa 90 Millionen Bushels im Werth von über 10 ½ Millionen Pfund Sterling. Mehr als zwei Drittel der Familien wie der 5 ½ Millionen Personen, die England zu Ende des 17. Jahrhunders bewohnten und von denen 530 000 auf London, 870 000 auf die übrigen Städte und Markt⸗ flecken, 4 100 000 auf die Dörfer und Weiler entfielen, waren in ihrem Einkommen von dem Ertrage der Landwirthschaft abhängig, und die Kaufleute, Gewerbetreibenden und Handwerker stellten der Familienzahl nach weniger als ein Drittel, der Kopfzahl nach weniger als ein Viertel der von der Landwirthschaft Lebenden vor. England stand im 17. und 18. Jahrhundert in seiner industriellen Entwickelung hinter Frankreich und Holland noch weit zurück.
Die Wirkungen, die das Ausfuhrprämiengesetz Wilhelm's III. nach sich gezogen hat, sind sehr überschätzt worden. In dem Zeit⸗ raum von 1689 bis 1714 begegnen uns die größten Schwankungen in den Getreidepreisen: hohe Preise 1692 — 1699, niedrige 1700 bis 1708, unerhört hohe Preise 1709 und 1710. Die Schwankungen hatten ihre Hauptursa in den wechselnden Ernteergebnissen, sie können in keiner Weise aus einem Mehr oder Weniger der Ausfuhr, wie die Gegner der Praämiengesetzgebun sagten, erklärt werden. Es kann sein, daß die Ausfuhrprämie schon in dieser Zeit zu einer ausgedehnteren Beackerung ge⸗ eben hat. Ist diese Vermuthung rücdtig so wird diese ausgedehntere, satensivere Bestellung des Grund und Bodens dem Lande zu gute ge⸗ kommen sein, als die Jahre der Theuerung von 1699, 1709 und 1710 hereinbrachen und nicht nur die Zahlung von Prämien E sondern sogar die Ausfuhr verboten wurde. Aber erheblicher als in den 25 Jahren von 1689 bis 1714 war die Wirkung, die das Aus⸗ esg in den nächstfolgenden 50 Jahren ausgeübt hat. Die Zeit von 1715 bis 1765 war eine Periode, in der die Getreide⸗
preise fast andauernd auf niedrigem Fuße standen. In diesem langen Zeitraum können nur die Fahre 1727 bis 1729, 1740 und 1756 bis 1757 Mangeljahre genannt werden, und in diesen war die Theuerung durch gänzlich mißrathene Ernten verursacht. Auf dem Kontinent lagen die Verhältnisse ähnlich; auch hier herrschte in jener Periode mit kurzen Unterbrechungen eine geradezu beispiellose Wohlfeilheit des Getreides. Man weiß, daß in Italien damals viele Pächter ihre Höfe berliehen⸗ weil sich der Körnerbau nicht mehr lohnte, daß in den nördlichen Gegenden Deutschlands, so in Preußen, die Pächter in manchen Jahren die Pacht nicht zahlen konnten, weil ihr Getreide einen Absatz weder im Inlande noch im Auslande fand. In dieser Zeit von 1715 — 1765 hat das Ausfuhr⸗ prämiengesetz überaus segensreich gewirkt. Indem es auf die Ver⸗ schiffung der Cerealien eine Prämie setzte, gab es dem Landmann die Möglichkeit, seinen Ueberfluß auf den auswärtigen Märkten ab⸗ zusetzen. Ohne die große Ausfuhr, die sich unter dem Ein⸗ fluß der Ausfuhrprämien im 18. Jahrhundert in England entwickelte, würden die Getreidepreise ohne Zweifel in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch sehr viel tiefer gesunken sein, als es nun der Fall war. Der Ackerbau wäre eingeschränkt worden, da der Preis die Produktionskosten des Getreides nicht mehr gedeckt hätte; Schaftriften wären an die Stelle urbaren Bodens getreten, und die zeitweiligen Theuerungen hätten die Bevölkerung sehr viel härter getroffen. An diese Uebelstände wurden durch das Gesetz von 1689 verlinderl Durch die Zahlung der Prämie und durch die Beförderung der Ausfuhr hob sich der Ackerbau in England ungemein: es wurde mehr Getreide im
ande als bisher erzeugt, der Landmann verwandte große Summen auf Bewässerungen und Entwässerungen, auf Meliorationen, die eng⸗ lische Landwirthschaft machte eine Menge technischer Fortschritte,
e wurde das Vorbild für die Landwirthschaft des Kontinents.
ar sie im 17. Jahrhundert häufig auch nur den einheimischen Be⸗ darf zu decken außer stande gewesen, und hatte sie bis dahin nur in Jahren großen Erntereicht ums Getreide zum Export übrig ge⸗ habt, so wurde nunmehr Getreide einer der Hauptausfuhrartikel Englands. Nach den Zollregistern betrug die jährliche Ausfuhr in zehnjährigem Durchschnitt: 1711 bis 1720 449 193 Quarter, 1721 bis 1730 447 968 Quarter, 1731 bis 1740 549 447 Quarter, 1741 bis 1750 848 660 Quarter, 1751 bis 1760 582 837 Quarter; die jährliche Einfuhr in zehnjährigem Durchschnitt: 1711 bis 1720 nur 71 Quarter, 1721 bis 1730 73 262 Quarter, 1731 bis 1740 4690 Quarter, 1741 bis 1750 15 943 Quarter, 1751 bis 1760 37 397 Quarter. Die Ein⸗ fuhr bestand größtentheils in Hafer, die Ausfuhr in Weizen. Der ungewöhnlich starke Import des Jahrzehnts von 1721 bis 1730 erklärt sich aus der Theuerung der Jahre 1728 und 1729.
Bei aller Unvollkommenheit, die der Pramtengeseßzgebung — haftete, waren demnach die Wirkungen, die sie für die ganze Volks⸗ wirthschaft Englands in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeitigte, doch überaus bedeutend. In der Geschichte der Getreide⸗ handelspolitik der europäischen Völker bildet das Ausfuhrprämiengesetz von 1689 einen Markstein. In Frankreich, Spanien, Neapel, Sizilien, im Kirchenstaat, in den meisten nordeuropäischen Ländern war die Ausfuhr von Getreide im 17. und 18. Jahrhundert noch sehr häufig ganz gesperrt oder doch mit Zöllen belastet. Während in anderen Ländern die Unterthanen die Erlaubniß, Getreide auszuführen, mit Geld bezahlen mußen, geschah in England zum ersten Male das Um⸗ gekehrte: Man gab den Unterthanen Geld, damit sie das Getreide ausführten. In dem England mit seiner Korngesetzgebung seiner Zeit weit vorauseilte, gewann es anderen, von Natur mehr bevorzugten Staaten einen wirthschaftlichen Vorsprung ab, der dem Königreich im 18. Jahrhundert zum größten Vortheil gereichte.
Mit dem Jahre 1765 trat in der Geschichte der englischen Volks⸗ wirthschaft und Getreidehandelspolitik eine entscheidende Wendung ein. Die Kornpreise, die von 1715 — 1765, abgesehen von wenigen Theuerungsjahren, niedrig gestanden statten, stiegen beträchtlich und behaupteten sich während der nächsten zehn Jahre fast ununterbrochen auf einer hohen Stufe. Die regelmäßige Getreideausfuhr hörte auf; der Kornimport überstieg den Export. Zu dieser Wandlung haben eine Reihe von Ursachen mitgewirkt: in erster Linie schlechte Ernten, daneben eine zu starke Ausfuhr in den Jahren 1763 und 1764, endlich die rasche Zu⸗ nahme der Bevölkerung und das Anwachsen der Industrie und des Gewerbes. Die Bevölkerung, die sich in dem Zeitraum von 1720 bis 1755 in zufriedener Lage befunden hatte, war in den Jahren 1765 bis 1774 zu fortwährenden Unruhen und Tumulten geneigt. Die Farmer, die Exporteure, die Regierung wurden des Kornwuchers beschuldigt. Im
eptember 1765 setzte die Regierung eine längst überlebte Verord⸗ nung gegen Aufkäufer und Kornwucherer wieder in Kraft. Sie blieb wirkungslos. Es wurde eine Ordre erlassen, die die Kornausfuhr aus England hemmte, und dieser Sperre folgten bald noch weitere Maß⸗ regeln, die zu dem Geiste der Gesetzgebung von 1689 in starkem Gegensatz standen. Die Regierung wechselte mit den Grundsätzen, die für die Getreideaus⸗ und ⸗Einfuhr maßgebend sein sollten, so häufig, daß die Interessen des Handels und des Ackerbaues in gleicher Weise darunter litten. Erst 1773 setzte die „Akte zur besseren Regu⸗ lierung der Ein, und Ausfuhr“ an die Stelle der wechselnden, ein⸗ ander fuen aufhebenden Verordnungen wieder ein festes System. Diese suchte die Ausfuhr des einheimischen Getreides dauernd zu erschweren, die Einfuhr des fremden Getreides dagegen mehr, als es durch die bisher geltende Gesetzgebung geschehen war, zu erleichtern und verkündete gänzliche Zollfreiheit für die Einfuhr in Zeiten, in denen die Getreidepreise im Inlande eine gewisse Höhe erreichten. Auch schuf 18 für England die Grundlage eines internationalen Getreidezwischenhandels, indem sie durch eine weitere Bestimmung die Kaufleute in den Stand setzte, einen Kornhandel selbst zu einer Zeit zu treiben, in der die Preise so niedrig standen, daß die Einfuhr zur inländischen Konsumtion verboten werden mußte.
Die Wandlung, die seit dem Jahre 1765 eingetreten, drückte sich sehr deutlich in dem gänzlich veränderten Verhältniß des Imports zum Export aus. Die Ausfuhr fiel im Durchschnitt von 12 Jahren, von 1761 bis 1772, um 370 703 Quarter jährlich, die Einfuhr stieg um 251 279 Quarter. Im Jahre 1763 hatte die fremde Einfuhr noch -. in Hafer bestanden, 1765 wurde bereits sehr viel Weizen importiert. 1767 stieg der Import der Zerealien auf die bisber unerhörte Zahl von 907 420 Quarter. Innerhalb 2* Zeit zeigte sich ein Abstand zwischen einer Ausfuhr von 840 000 Quarter Weizen in den Jahren 1763 und 1764 und einer Einfuhr von 830 000 Quarter in den Jahren 1767 und 1768, bei einem jährlichen Konsum von noch nicht 4 000 000 Quarter. 1774 belief sich die Einfuhr auf 803 844 Quarter, 1775 auf 1 039 122 uarter, darunter 544 641 Quarter Weizen. In den 20 Jahren von 1773 bis 1792 — in diesem, 1792, wurde zum letzten Mal eng⸗ lisches Getreide auf fremde Märkte geführt — betrug die lährliche Ausfuhr im Durchschnitt 303 781 Quarter, die jährliche Einfuhr hin⸗ gegen 733 938 Quarter, also überflügelte der ⸗Import den Export um jährlich 430 157 Quarter. 1710 bis 1750 übertraf der jährliche Export den Import um 644 483 Quarter, 1773 bis 1792 der Import den Export um 430 157 Quarter, die Differenz bezifferte si demnach auf 1 074 516 Quarter jährlich. Wahrlich, ein -e * nterschied beider Perioden und ein Beweis dafür, daß die Evpoche, in der Englands Reichthum und Macht auf der Ausfuhr seines Weizens und seiner Gerste beruht hatte, für immer vorüber war! Das industrielle Zeitalter des Inselreichs brach an.
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