dazu noch die Anträge auf Zula ung⸗ welche abgelehnt worden sind. e besitzen wir nähere Statistiken nicht, indessen wird mit der Zahl derselben immerhin auch einigermaßen zu rechnen sein. So wird also der Ausschuß in der Lage sich befinden, faft unausgesetzt zusammen zu treten; er wird wöchentlich ein oder mehrere Mal in Berlin tagen müssen, und es ist kaum anzunehmen, daß die aus⸗ wärtigen Mitglieder dieses Ausschusses fortgesetzt im stande sein wer⸗ den, sich einer derartigen Mühewaltung und so häufigen Entfernung von ihren Wohnorten zu unterziehen. Demgemäß wird unzweifel⸗ haft die Folge die sein, daß der Schwerpunkt des gesammten Ein⸗ Fene⸗ nach Berlin hinfällt, und daß die Thätigkeit, die früher in rankfurt, Hamburg und München ausgeübt worden ist, mehr oder weniger unterbunden wird. Diese Folge, meine Herren, ist doch nicht zu unterschätzen. Ich möchte doch darauf noch hinweisen, daß es zweifelhaft erscheinen kann, auf welches Gebiet der Zentralausschuß im Einzelfalle seine ZelssangseSrtazi erstrecken soll. Bisher war in meines Erachtens dem Bedürfniß völlig entsprechender Weise die Zulassung nur für die Börse in Aussscht genommen, von welcher aus der Handel nach Absicht des Emittenten stat.inden sollte. Soll das künftig auch der Fall sein, oder soll der ausschuß jedesmal ohne weiteres eine Zulassung für das ganze Deutsche Reich aussprechen? Spricht er eine Zulassung für das ganze Deutsche Reich aus, so geht er damit häufig weit über das Be⸗ dürfniß hinaus, und es werden hieraus auch praktische Schwierig⸗ keiten erwachsen können.
Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) hält die praktischen Bedenken nicht für erheblich, betont aber die Nothwendigkeit einer Fürsorge dafür, daß nicht soviel deutsches Geld ins Ausland gehe, namentlich nicht zu solchen Zwecken, welche für Deutschland nachtheilig seien. Die nöthigen Informationen darüber würde aber wohl nur eine Zentral⸗ stelle sich verschaffen können, während die Lokalstellen auf die lokalen Verhältnisse zu große Rücksicht nehmen würden. Bezüglich des Verbots der Lombardierung russischer Werthe sei Fürst Bismarck zu hart beurtheilt worden. Die damals erlittenen Verluste könne man als eine Versicherung betrachten; denn dadurch, daß man Rußland finanzielle Schwierigkeiten bereitete, sei die Gefahr eines Krieges hinaus⸗ geschoben worden. Man hätte auch damals nicht voraussehen können, daß Rußland sich so günstig entwickeln würde, wozu mit dem deutsch⸗ russischen Handelsvertrag nicht deng, beigetragen worden sei. Nur eine Zentralstelle könne einheitliche Gesichtspunkte für die Emission zur Geltung bringen; darin liege auch ein nationaler Gesichtspunkt, der Beachtung verdiene.
Abg. Graf von Kanitz weist — entgegen der Behauptung des Reichsbank⸗Präsidenten Koch, daß die Gewinne bei ausländischen An⸗ leihen die Verluste überwögen — darauf hin, daß man in Se kreisen entgegengesetzter Meinung sei. Die „Norddeutsche A ne Zeitung“ habe dies im Anfang Januar ausgeführt. Die Verluste träfen gewöhnlich die kleinen Kapitalisten, die Gewinne würden von den großen Financiers eingestrichen. Das behaupte auch Herr Bam⸗ berger in dem vorhin angezogenen Artikel der „Nation“. Redner weist darauf hin, daß in Frankreich ausländische Papiere nur mit Ge⸗ nehmigung des Finanz⸗Ministers zugelassen werden könnten. 1
Prs dent des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Nur noch ganz wenige Worte der Fntgeguung auf die eben gehörten Worte des Herrn Grafen Kanitz. Er nahm Bezu auf die betreffenden Einrichtungen in Frankreich und Belgien. Na⸗ den in der Enquste⸗Kommission eingezogenen Nachrichten hat der Finanz⸗Minister in Frankreich nur ein einziges Mal von der Be⸗ fugniß Gebrauch gemacht, die Zulassung einer fremden Anleihe in Frankreich zu verbieten. Daß eine große Menge ausländischer Papiere nichtsdestoweniger in gehandelt wird, habe ich vorhin schon bemerkt. Derselbe Aufsatz, auf den ich mich vorhin bezog, von Leroy⸗ Beaulieu, hat die großen Verluste, welche das französische Kapital an auswärtigen Emissionen erlitten hat, berechnet; er macht daraus den Banquiers einen gewissen Vorwurf; trotzdem kommt er aber, wie schon vorhin angeführt, zu dem Resultat, daß der v ausländischer
apiere den Franzosen weit überwiegend große Vortheile biete. Was elgien anlangt, so habe ich nicht einen Fall in Süe. bringen können, in welchem von Regierungswegen die Zulassung eines aus⸗ ländischen Paviers verhindert ist. Mag auch eine solche Einrichtung bestehen, so hat sie doch ihre großen Bedenken nach den ver⸗ Seen Richtungen hin. Ich habe diese Bedenken vorhin chon am Schluß meiner Ausführungen genügend angedeutet. Nun hat Herr Abg. Graf Kanitz noch darauf aufmerksam gemacht, daß X. früheren Gelegenheiten den Punkt der Unausführbarkeit seines Vorschlags nicht hervorgehoben hätte; indessen, meine Herren, es 28 hier unter den Kommissaren des Bundesraths doch eine gewisse Arbeitstheilung; der Eine betont den einen, der Andere den anderen Gesichtspunkt. Ich glaube übrigens, ich habe schon in Ihrer Kom⸗ mission geltend gemacht, daß es bei der regen deutschen Emissions⸗ thätigkeit außerordentlich schwer sein würde, 20 oder mehr Herren aus allen Theilen Deutschlands häufig nach Berlin zusammen⸗ FBes. um hier zu entscheiden über die Zulaßung einer österreichischen hbieraktie, einer nordischen Stadt⸗ Obligation und dergleichen.
Abg. Dr. Hammacher (nl.) verwahrt sich dagegen, daß der Antrag Kanitz und die Vorlage dahin ausgelegt werde, daß deutsches Kapital im Ausland nicht angelegt werden dürfe, wenn es Deutsch⸗ land Konkurrenz machen könnte. Dann dürfte also die Deutsche Bank das Geld für die anatolische Eisenbahn nicht hergeben. Durch das Börsengesetz solle den unsauberen Elementen an der Börse das
andwerk gelegt werden; aber wenn das Publikum nicht auch seiner⸗ eits die Augen aufmache, dann würde es vor Verlusten nicht geschützt.
Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Dr. Hahn chließt die Debatte über den Antrag Kanitz. . kommen nun jie üͤbrigen Bestimmungen des 18 36 bezüglich der Zu⸗ lassungsstelle zur Verhandlung.
Abg. Fischbeck wendet sich gegen die Beschlüsse der Kommission, namentlich gegen die Nummer c, die unklar und unbestimmt sei. Unternehmungen, die den Staatsbetrieben, ausländische Unternehmungen, welche den inländischen Konkurrenz machten, würden gegen das allge⸗ meine Interesse verstoßen; ihre Aktien würden also nicht zu elassen werden.
Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirkl cher Geheimer Rath Dr. Koch: Ich bitte, mir einige Worte zu dem Antrag des Herrn Abg. Fischbeck zu gestatten. Der Antrag zerfällt hinsichtlich des § 36 in drei Theile. Er will zunächst bei dem Abs. 1 die Re⸗ gierungsvorlage insofern wiederherstellen, als nur der dritte Theil aus Personen bestehen soll, die, wie der Entwurf sich ausdrückt, nicht gewerbsmäßig sich mit dem Handel von Werthpapieren beschäftigen, während nach der Kommissionsfassung jenes Merkmal durch ein anderes ersetzt ist, nämlich „Personen, welche nicht in das Börsenregister für Werthpapiere eingetragen sind“. Ich will gegen diese Fassung nichts erinnern. Es ist immerhin darin ein festes Kennzeichen enthalten. Die Kommission ging davon aus, daß Personen, die überhaupt
ewerbsmäßig an dem Börsenverkehr in Papieren theilnehmen, auch 8 in das Börsenregister eintragen lassen. Schon die Enquste⸗Kommission tte vorgeschlagen, es sollten in das Kollegium der Zulassungsstelle auch lche Personen eintreten, welche die Interessen der Gesammtheit vertreten. un haben wir uns schon damals nicht verhehlt, daß es recht schwer sein würde, eine genügende Anzahl von Personen, die dem Börsen⸗ Feschafte fernstehen, zu finden. Es ist daher den Verfassern des eegierungsentwurfs angemessen erschienen, daß man nicht mehr als ein Drittel aus dieser Kategorie verlange. Ich meine, daß ein Drittel auch vollständig genügt, um eine Wahrung der Interessen der Gesammt⸗ heit bei der Zulassung zu sichern. In der Hauptsache müssen in r Salasfangestel doch immerhin Personen sitzen, die einen großen Theil ihres Lebens sich mit diesen Dingen beschäftigt haben, e in den einschlagenden zum tbeil schwierigen Dingen technisch genau Bescheid wissen, nicht eine Mehrheit oder auch nur die Hälfte 2 draußenstehender unkundiger Personen. Ich möchte mich in dieser Beziehung deshalb für den ee aussprechen. Der zweite Punkt des Antrags enthält eine Ergänzung der Beschlüsse der Kom⸗ mission. Die Kommission hat bekanntlich eine Art von Instruktion für
die Zulassungsstelle aufgenommen, gegen die wir Regierungsvertreter uns bereits da ä „
mals erklärt haben. Uns erschien es
des Ge⸗
etzes, eine Instruktion von nothwendig sehr allgemeinem, unbe⸗ stimmtem Inhalt zu ertheilen, die durch ihre Fa ung zu einer sehr verschiedenen und häufig unrichtigen Handhabung bei der Zulassung führen kann, 8 führen wird. Nun will in der Nr. 2
eor Abg. Fischbeck einschalten, daß die Zulassung zu ver⸗ agen sei nicht bloß, wie die Kommission will, bei „Un⸗ vollständigkeit“ sondern auch bei „offenbarer Unrichtigkeit oder Unklarheit“ des Prospekts. Soweit das nicht selbstverständlich ist, verläßt der Antrag den Standpunkt der Prospekttheorie, wonach die “ nicht die Richtigkeit der “ Angaben gewähr⸗ eistet, sondern daß alle Unterlagen zur Selbstprüfung für das Publikum vorhanden sind. Wenn man verlangt, daß die Zulassungsstelle auch bei offenbarer Unrichtigkeit die Zulassung versagen soll, so glaube ich, wird der Schein erweckt, daß die angegebenen Ver⸗ hältnisse nsdfogt richtig sind. Anders verhält es sich mit der Unvollständigkeit. Findet die Zulassungsstelle die gemachten maßgebenden ngaben unvollständig, so wird sie allerdings die Zulassung nicht aussprechen, wie dies auch der Praxis entspricht. Das ist etwas, was ich für selbstverständlich halte, obschon eine un⸗ bedingte Gewähr für die Vollständigkeit nicht zu erzielen ist. Der dritte Punkt des Antrags des Herrn Abg. Fischbeck geht dahin, die Nr. c. zu streichen, wonach Emissionen nicht zuzulassen sind, durch welche erhebliche allgemeine Interessen geschädigt werden oder welche offenbar zu einer Uebervortheilung des Publikums führten. Gegen diesen Theil der Kommissionsvorschläge haben wir uns in der Kommission speziell gewendet, weil danach unter Umständen eine Zulassungsstelle leicht zu weit gehen könnte. Es erschien uns bedenklich, die Würdigung einer Schädigung allgemeiner Interessen den Zulassungsstellen zu überlassen, weil uns gerade dieser Ausdruck viel zu vage erschien. Was aber die offenbare Uebervor⸗ theilung anbelangt, so ist die Aufnahme dieses Begriffs meines Erachtens wiederum und noch mehr unvereinbar mit der Prospekttheorie der Vorlage. Nach ist es nicht Auf⸗ gabe der Zulassungsstelle, zu prüfen, ob eine Uebervortheilung des Publikums in der Emission enthalten sein könnte, sondern das Publikum soll nur gehörig informiert werden, damit es nicht getäuscht wird, et muß alle Unterlagen vollständig vor sich haben, um eine gründliche Prüfung selbst vorzunehmen. Aber die Frage, ob es übervortheilt werden soll, kann die Zulassungsstelle zu dieser Zeit noch nicht entscheiden. Ich fürchte, daß, wenn eine solche Bestimmung aufgenommen wird, wie die Kommission sie beantragt, das Publikum sagen wird: die Zulassungsstelle hat alles eingesehen; sie hat an⸗ enommen, wir werden nicht übervortheilt werden; wir önnen daher ohne Bedenken ein solches Papier erwerben. Darum glaube ich, daß der Herr Abg. Fischbeck in dieser G das Richtige getroffen hat, und ich würde mich diesem seinem Vorschlag, den Passus Litt. C. in § 36 Abs. 3 zu streichen, entschließen. Ebenso verhält es sich mit dem § 38a, der sich gleichfalls nicht in der Regierungsvorlage befunden hat, sondern in der Kommission beschlossen worden ist. Danach darf die Zulassung von Aktien eines zur Aktiengesellschaft oder Kommandit⸗ gesellschaft auf Aktien kinh hes Unternehmens zum Börsenhandel vor Ablauf eines Jahres nach Eintra ung der Gesellschaft in das Handelsregister und vor der Veröffentli ung der ersten Jahresbilanz nebst Gewinn⸗ und Verlustrechnung nicht er⸗ ve. Nun ist diese Bestimmung des zweiten Absatzes „In esonderen Fällen kann diese Frist ganz oder theilweise erlassen werden“ sehr erheblich gemildert. Trotzdem glaube ich nicht, daß die ganze Bestimmung von einem richtigen und praktischen Gedanken ausgeht. Ich befürchte, das Publikum wird von einer solchen Vorschrift keinen Vortheil haben, eher Nachtheil. Wird die Zulassung der Aktien umgewandelter Unternehmungen auf ein Jahr hinausgeschoben, so wird die Gründung vertheuert; die Gründer werden darauf halten, daß sie gleichfalls für das Risiko eines Jahres entschädigt werden. Ist die Gründung unsolide, so wird es doch nicht gelingen ein Jahr lang das Unternehmen über Wasser zu halten. Die bisherigen Geschäftsinhaber werden so lange im Vor⸗ stand bleiben. Die erste Bilanz wird leicht günstig gefärbt werden können. Erst wenn das Jahr vorüber ist, wird das Publikum merken, welche Mängel der Gründung anhaften. Ich glaube also, daß der Nutzen des Publikums an einer solchen Frist ganz außerordentlich gering sein würde. Ich halte es auch nicht für richtig, durch eine Bestimmung, wie sie hier beabsichtigt ist, jedes Unternehmen gewissermaßen zu stigmatisieren, welches in der Umwandelung eines Geschäfts in die Aktienform besteht. Diese Form ist sehr häufig für eine ganze Reihe von nützlichen Unter⸗ nehmungen gewählt worden, auf welchen der Volkswohlstand zum theil mit beruht. In zahlreichen Fällen, z. B. bei Erbfällen u. s. w., auch bei Zahlungsschwierigkeiten behufs Zutritts neuen Kapitals, bei Aenderung der Produktionsweise, bei der Erweiterung eines vor⸗ handenen Werks u. s. w., hat es sich als nützlich erwiesen, die Aktien⸗ form anzunehmen, um die Unternehmung weiter zu führen. Warum sollen diese Prozeduren nachtheilig ausgezeichnet werden? Es giebt auf der anderen Seite trotz der Schutzvorschriften des Aktienrechts manche Aktiengesellschaften, die faul sind von Entstehung an, ohne daß sie aus einem umgewandelten Unternehmen hervorgegangen sind. Unsolide Gründer würden die Bestimmung des § 38a auch überall ungemein leicht umgehen können. Es wird zunächst eine Aktiengesell⸗ chaft neu begründet und vielleicht ein viertel Jahr nachher erfolgt dann die Uebernahme eines Geschäfts, auf welches von vornherein die Absicht allein gerichtet war in der Form der sogenannten Nach⸗ gründung. Dann liegt keine Umwandelung im Sinne des § 38a vor. Die Preenn⸗ ist also weder innerlich recht haltbar, noch ist sie praktisch; sie wird dem Publikum nichts nützen. Trotz der Milderung, die im Abs. 2 enthalten ist und wahrscheinlich sehr oft angewendet werden würde, geht doch meine Bitte dahin, diesen Paragraphen ganz zu streichen.
Der 5 des Abg. Grafen von Kanitz wird ab⸗ gelehnt, ebenso die Anträge des Abg. Fischbeck; § 36 wird unverändert angenommen. 8
§ 37, der von dem Verhältniß der verschiedenen Zu⸗ lassungsstellen zu einander spricht, wird ohne Debatte an⸗ genommen.
8 38 8. unter den vexanasegun en zur Zulassung auch auf, daß die Fulaffung von Antheilscheinen oder Obligationen ausländischer erbsgesellschaften davon abhängig sein soll, daß die Emittenten 9” verpflichten, die Bilanz, sowie die Gewinn⸗ und Verlustrechnung jährlich zu veröffentlichen.
Abg. Dr. Hammacher beantragt, die Obligationen zu
streichen.
Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Ich halte den Antrag des Herrn Dr. Hammacher für vollkommen gerechtfertigt. Nur geht er mir noch nicht weit venug. Meiner Ansicht na würde es sich empfehlen, den ganzen
bsatz 4, welchen Ihre Kommission aufgenommen hat, zu streichen. Die Obligationen, von denen der 8 Abg. Dr. Hammacher ge⸗ sprochen, gehören vielfach zu den besten ausländischen Papieren, die
ingang in Deutschland gefunden haben. sch erinnere nur an die Obligationen der ersten russischen Eisenbahngesellschaften, welche meist noch mit Staatsgarantie versehen sind. Um die Lage solcher Unternehmungen ganz zu beurtheilen, müßte man auch die Budgets der betreffenden Staaten alle Jahre prüfen. Aber ist das wirklich nöthig? Ist es überhaupt ein richtiger Gedanke, abgesehen von der Haftbarkeit des § 41, an die Emission Verpflichtungen zu knüpfen, die sich auf eine unbestimmte Reihe von Jabren erstrecken Ge Man kann aus Abs. 4 nicht ersehen: wie lange sollen denn die Bilanzen jährlich bekannt gemacht werden, wie lange sollen die Emittenten dafür haften, daß die auswärtige Erwerbs⸗ gesellschaft jährli ihre Bilanz veröffentlicht, und was tritt ein, wenn es unterbleibt? Ich Lomme hierauf noch zurück. Der Vorschlag der Kommission geht anscheinend von der Vorstellung aus, daß auch in allen anderen Ländern von den Erwerbsgesellschaften g8 Aktien solche Bilanzen veröffentlicht werden, wie es gesetzlich in Deutschland ge⸗ schehen muß Das ist aber nicht durchweg der Fall. Was soll denn
in der Bilanz stehen? Bei uns ist allerdings durch die Vorschriften der Aktiennovelle dafür gesorgt, daß die Bilanz nach jeder Richtun Auskunft geben muß über die Lage des Unternehmens. In der aus⸗ ländischen Feeeeebng fehlen aber vielfach ähnliche Vorschriften Die Gesetzbücher, z. B. der französische Code de commerce und dessen Nachbildungen enthalten nicht solche Bestimmungen über die Bilanzaufstellung, wie das deutsche und das schwei⸗ zerische Gesetzbuch. Wenn nun übersichtliche Bilanzen in dem ausländischen Staate nicht veröffentlicht werden; wi wollen Sie die Befolgung des § 38 Abs. 4 durchsetzen? Was sollen Bilanzen, die vielleicht die Verhältnisse der Gesellschaft unwa oder verschleiert in einer dem Publikum kaum verständlichen Art dar⸗ stellen, überhaupt dem deutschen nutzen? Herr Dr. Ham⸗ macher hat schon darauf hingewiesen, wie wenige Personen im Lande die ausländischen Bilanzen lesen würden, wenn sie im „Staats⸗An⸗ zeiger“ veröffentlicht werden. Was Sie einführen wollen, würde dann nicht viel mehr sein als eine unnütze Belastung der Emittenten, die, wie ich fürchte, gerade potente Erwerbsgesellschaften abschrecken könnte, Papiere auf den deutschen Markt zu bringen, sie werden sie lieber auf einen anderen Markt bringen, und uns würden Papiere zufließen von minder vertrauenswerthen Gesellschaften, die den Emittenten gegen⸗ über auf solche Verpflichtungen eingehen, weil ihre Papiere einen kleineren Markt und schlechtere Aussichten haben. u⸗ nächst ging der Antrag in der Kommission dahin, den ausländischen Gesellschaften unmittelbar diese Veröffentlichung der Bilanzen auf⸗ zuerlegen. Nach der jetzigen Fassuns sollen die Emittenten die Verpflichtung eingehen. Ich weiß nun wirklich nicht, wie die Emittenten diese Verpflichtung erfüllen wollen, wenn die Erwerbs⸗ gesellschaften sich nicht fügen und vielleicht nach einem Jahre die Ver⸗ öffentlichung v Sollen sie von vornherein auf einer Kon⸗ ventionalstrafe, auf Hinterlegung einer Kaution bestehen? Das würde die Emission in Deutschland sehr erschweren. Und wenn die Bilanz nicht weiter veröffentlicht wird, was soll dann geschehen? Soll dann vielleicht die Zulassung des Papiers widerrufen, soll damit zahlreichen Deutschen, die das Papier erworben haben, die Gelegenheit entzogen werden, täglich aus dem Kursblatt zu ersehen, wie der Werth ihrer Papiere steht? Das ist doch sehr ernstlich zu bedenken. Es würde sich meiner Meinung nach schwer 88 lassen, z. B. alsdann einem Papier, für welches die Bilanz der Gesellschaft überhaupt nicht von Bedeutung ist, sondern wo auf der Staatsgarantie das Haupt⸗ gewicht ruht, die Verkäuflichkeit und die Kursnotiz zu entziehen, z. B. bei den 3 % igen italienischen Eisenbahn⸗Prioritäts⸗Obligationen, bei welchen der für die Verzinsung erforderliche Betrag in das Staats⸗ Budget eingestellt wird. Kurz, ich halte die Bestimmung für schwer ausführbar und für ziemlich werthlos. Ich möchte deshalb rathen, den Abs. 1 ganz zu streichen. Jedenfalls aber bitte ich Sie, den Antrag Hammacher anzunehmen. 1
Abg. Dr. Hahn widerspricht dem Antrage, weil allein durch die Veröffentlichungen dem Publikum die Möglichkeit der Information gegeben werde. t
Nachdem noch die Abgg. von Strombeck (Zentr.) und
Graf Arnim (Rp.) sich gegen den Antrag Hammacher aus⸗ gesprochen, wird unter Ablehnung desselben § 38 unverändert
angenommen.
Nach dem von der Kommission neu beantragten § 38a sollen Aktien einer in eine Aktiengesellschaft verwandelten Unternehmung erst nach Jahresfrist und nach Veröffentlichung der Jahresbilanz zum Handel an der Börse zugelassen werden.
Abg. Fischbeck beantragt die Streichung.
Abg. Traeger (fr. Volksp.) empfiehlt diesen Antrag. Wenn, führt Redner aus, bei irgendwelchen Unternehmungen eine Information möglich ist, so ist es bei solchen Unternehmungen der Fall, die in eine ööö verwandelt sind; denn bei der Gründung müssen alle Materialien dem Registerrichter unterbreitet werden. Wenn die Aktien erst nach Veröffentlichung einer Bilanz gehandelt werden dürfen, dann wird man die Bilanz auf künstliche Weise günstig gestalten. Erreicht wird durch § 38a nichts, denn es kann die Sache so gemacht werden, daß eine Aktiengesellschaft gegründet wird, und wenn die Aktien an 1 b zugelassen sind, wird das betreffende Unternehmen an⸗
ekauft. 8 Abg. Dr. Hahn beruft sich auf die Erfahrungen der siebziger Jahre; die Ausführungen des Abg. Traeger könnten höchstens dahin führen, daß man eine Frist von mehreren Jahren einführte, damit die Verhältnisse der Aktiengesellschaften sich erst klärten. 38a wird angenommen, ebenso ohne Debatte § 38 b, betreffend den Handel auf Erscheinen, und die übrigen Be⸗ stimmungen dieses Abschnitts. .
Es folgt der Abschnitt IV: Börsenterminhandel. Die §§ 45, 46 und die ersten beiden absäh⸗ des § 47, welche handeln vom Begriff des Börsentermingeschäfts, von der Zu⸗ lassung von Waaren und Werthpapieren zum Terminhandel und von der Untersagung des Terminhandels, werden ohne
Debatte angenommen. 1 Nach § 47 Abs. 3 sind die Lieferungsbedingungen für Ge⸗ treide, insbesondere die Lieferungsqualität, vom Bundesrath festzustellen, und zwar so, daß das zu liefernde Getreide für die Zwecke des einheimischen Gebrauchs geeignet ist. 8 d a soll bei Getreide und Mühlenfabrikaten die Feststellung der Lieferfähigkeit vor der Ankündigung der Waare erfolgen. Entgegenstehende Verabredungen sind nichtig. Hierzu beantragen die Abgg. Fuchs und Schwarze (Zentr.), den dritten Absatz des § 47 zu fassen: „Der börsenmäßige Terminhandel in Getreide und Mühlen⸗ fabrikaten ist untersagt.“ 1 Abg. Schwarze (Zentr.): Die meisten Termingeschäfte in Getreide sind reine Spielgeschäfte. Effektive Lieferung findet nur statt, wenn einer einmal nicht rechtzeitig an der Börse realisieren konnte. Angebot und Nach⸗ frage bilden hier nicht mehr allein den Preis. Jeder Händler und Zwischen⸗ händler ist gezwungen, Haussier zu werden, wenn er etwas verdienen will. Der börsenmäßige Verkäufer verdient, wenn Ultimo das Ge⸗ treide niedriger steht als er es verkauft hat. Redner weist darauf hin, daß durch fingierte Verkaufsangebote bei knappen Vorräthen der Schein erweckt werde, als wenn Fohe Borräthe vorhanden wären, um den Preis zu drücken zum Nachtheil für die Landwirthschaft. Durch die Börsenmanipulationen habe das Publikum keinen Vortheil; der Kleinhandel könne von diesen billigen Preisen wenig Gebrauch machen.
Ein um 4 ³¾ Uhr von den Abgg. Singer, Dr. Barth
fr. Vg.) und Dr. Paasche (nl.) gestellter Vertagungsantrag ndet nicht die genügende Unterstützung.
Abg. Dr. Barth (frs. Vgg.): Als Hauptbedenken Feeen den Ge⸗ treide⸗Terminhandel bleibt schließlich nur das übrig, daß derselbe die Preise drückt. Daß es sich um Spielgeschäfte u. s. w. handelt und alle sonstigen Bedenken würden nicht beachtet werden, wenn der Terminhandel den Preis nicht drückte, sondern erhöhen würde. Dann würden die Agrarier den Terminhandel ebenso hoch schätzen wie den fesen Fahnleg 8 aüeg nie 88 eine Arbeit des errn rofessor n über den Terminhandel zugegangen. Ich bler an derselben trotz heißen Bemühens nichts Wissens stliches entdecken können. Das Eigenthümliche ist, daß zu gleicher Zeit auch eine andere wissenschaftliche Arbeit von Professor Conrad veröffentlicht wurde, welche nachweist, wie oberflächlich Professor Kühn ge⸗ urtheilt hat. Professor Conrad führt aus, daß, wenn man glaubte, daß die Berliner Börse einseitig à la baisse zu Ungunsten der Landwirthschaft spekuliere, man die Macht einzelner Börsenleute in
eeradezu kindlicher Weise dber hüe In der Zeit, wo es keine Verke rsmittel gab, war es begreiflich, 8 der Kaufmann, der Ge⸗ treide exportieren wollte, sich die Waare selber bes⸗ 8* und auf Lager hielt. Jetzt aber, wo durch die Entwickelung der Verkehrswege
dieses alte System des Handels über den Haufen geworfen, ist es für
st den Händler, wenn er die Konkurrenz aushalten will, absolut noth·
wendig, von den Verkehrsmitteln soweit Gebra machen, daß er die Waare womöglich schon verkauft, bevor er sie Die Hauptsache für den Terminhandel ist die Festsetzung einer Liefe⸗ rungs qualität, welche einen gewissen leicht erkennbaren Durchschnitts⸗ charakter haben muß. Beim Terminhandel handelt es sich, ebenso wie bei jedem Handel, um ein Kaufgeschäft, bei dem ein Käufer und ein Verkäufer vorhanden ist. Es giebt kein Kaufgeschäft, wo nicht dem Käufer ein Verkäufer gegenübersteht. Wenn Sie (rechts) etwas Anderes annehmen, dann erklärt es sich, daß Sie ein solches Gesetz zu stande gebracht haben. Der Nutzen der Börse ist, daß jeder Verkäufer einen Käufer findet. 6 des Abg. von Kardorff (dkons.): Reelle Käufer!) Ob wirkli spekulative Kauf und Verkauf abgeschlossen werden, ist vollständig gleichgültig. Je mehr Käufer und Verkäufer an einem Platze ver⸗ einigt sind, desto schwieriger ist es, willkürliche Preise herbeizuführen. Wird der Terminhandel in Berlin beseitigt, so würde die Zahl der Verkäufer geringer; es würde einer kapitalkräftigen Hand um so leichter werden, die Preise künstlich zu gestalten. Dadurch würden die kleinen Händler geschädigt. Das sind die Früchte Ihrer Mittel⸗ standspolitik. Die großen Banken haben ja ganz kühl erklärt, daß sie von dem Verbot des Terminhandels die Beseitigung der kleinen Konkurrenten erwarten. Die Mehrheit des Reichstags wird den Terminhandel verbieten; davon wird die deutsche Landwirthschaft nicht sterben; aber ich glaube, daß die Zeit bald kommen wird, wo sie wieder nach dem Terminhandel verlangen wird.
gekauft hat.
se Waare verkauft wird oder ob der
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von
Berlepsch:
Meine Herren! Mit den Ausführungen des Herrn Vorredners
stimmen die verbündeten Regierungen nicht überein. (Hört! hört! rechts.) Das geht aus der Thatsache hervor, daß Ihnen die Vorlage gemacht worden ist und daß diese Vorlage in § 46 dem Bundesrath
die Befugniß ertheilt, den Börsenterminhandel in Waaren, also auch in Getreide, von Bedingungen abhängig zu machen oder ihn ganz zu verbieten; aus der Thatsache, daß solche Bedingungen im Gesetz selbst auf⸗ gestellt sind. Das geht ferner aus dem § 50 hervor, der bestimmt, daß der Verkäufer in Erfüllungsverzug geräth, wenn er nach erfolgter Kündigung eine unkontraktliche Wahl liefert, auch wenn die Lieferungs⸗ frist noch nicht abgelaufen war. Aus diesen Bestimmungen, meine Heerren, werden Sie ersehen müssen, daß die verbündeten Regierungen sich den Satz angeeignet haben, der im Bericht der Börsen⸗Enqubte⸗ Kommission enthalten ist, und den ich mir gestattet habe bereits bei der ersten Lesung anzuführen, daß nämlich
die Formen, in denen der Handel sich vollzieht, nur insoweit be⸗ rechtigt sind, als sie mit dem Bedürfnisse der Produktion und Kon⸗ sumtion nicht in Widerspruch stehen. Bereitet der Terminhandel in bestimmten Waaren den bezeichneten Interessen in der That die schweren Beeinträchtigungen, welche dem Terminhandel zugeschrieben werden, so ist er von Bedingungen abhängig zu machen, und wo solche Bedingungen nicht als hinreichend anzusehen sind, ist er zu verbieten.
Meine Herren, die verbündeten Regierungen stehen auf dem
Standpunkte, daß der Terminhandel, wie er sich jetzt an der Börse zeigt, ein solcher ist, welcher mit den Bedürfnissen der Produktion und Konsumtion in Widerspruch steht. (Bravo! rechts.) Die verbündeten Regierungen sind aber der Meinung, daß es angängig ist, Bedingungen für den Terminhandel in Getreide aufzustellen, welche diese Bedenken so weit beseitigen, daß er im übrigen weiter bestehen bleiben kann. Aus diesen Gründen sind, wie gesagt, die von mir genannten Vorschriften in das Gesetz aufgenommen worden; die wesentlichste Vorschrift ist diejenige daß der Bundesrath befugt sein soll, den Terminhandel von Be⸗ ingungen abhängig zu machen, eventuell auch ganz zu untersagen.
Meine Herren, der Herr Vorredner hat die nützliche Seite des Termin⸗
handels hervorgehoben, die seiner Meinung nach wesentlich darin besteht, daß er die großen Preisschwankungen beseitigt, ein stabiles gleich⸗ mäßiges, nur geringen Schwankungen unterworfenes Preisniveau herstellt. Ob diese nützliche Seite des Terminhandels immer hervor⸗ tritt, erscheint mir doch zweifelhaft. Der Terminhandel, wie er jetzt an der Börse geübt wird, hat doch auch zu Preisschwankungen geführt, die recht auffallend sind. Ich erinnere an den viel genannten Fall Cohn⸗Rosenberg. Meine Herren, der Fall Cohn⸗Rosenberg spielte in einer Zeit, wo offenbar Tendenz zur Hausse an der Börse vorhanden war. Man nimmt im allgemeinen an, daß der Termin⸗ handel in der Lage ist, eine vorhandene Baisse zu verschärfen, eine verhandene Hausse noch höher zu treiben, und das ist ganz gewiß richtig. Hier aber im Falle Cohn⸗Rosenberg gelang es einer Firma, trotz vorhandener Stimmung für Haufse, unter Anwendung von großem Geschick — Geschick ist vielleicht nicht der ganz richtige Ausdruck (Heiterkeit) — eine Baisse herbeizuführen, die den Preisstand des Roggens an der Berliner Börse gegenüber dem Weltmarktpreis plus Zoll unverhältnißmäßig herunterdrückte. (Zuruf links.) — Sie fragen: wie lange? Meine Herren, es ist sehr schwer, diesem Geschäft Cohn⸗ Rosenberg bis auf die letzten Details auf den Grund zu gehen, sehr schwer sich klar zu werden über die Summen, um die die deutsche Landwirthschaft dabei geschädigt worden ist. (Sehr richtig!) Nach meiner Meinung liegt der Fall so, daß es der Firma gelungen ist, etwa 3 Wochen lang den Preis in der geschilderten Weise herunter⸗ zudrücken.
Es ist auch ungeheuer schwer zu sagen, auf wie hoch dieser Preis⸗
druck zu veranschlagen ist. Die monatlich von den Aeltesten der hiesigen Kaufmannschaft vorgelegten Nachweisungen über Roggen⸗ und Weizen⸗ preise auf in⸗ und ausländischen Märkten, Berlin, London, Paris und Amsterdam geben keine zuverlässige Unterlage für ein Urtheil, weil der Pariser Markt für Roggen überhaupt nicht in Betracht kommt, der Amsterdamer Markt nach meiner Ueberzeugung ganz oder wesent⸗ lich von Berlin abhängig ist, und weil die Sorten und Typen, die in London gehandelt werden, nicht mit den hier gehandelten durchaus in Uebereinstimmung zu bringen sind. Deshalb ist es ungeheuer schwer zu sagen, auf wie hoch der ausgeübte Preisdruck sich berechnet⸗ Immerhin hat der Roggenpreis von Amsterdam, der Ende Juli 1895 noch über 40 unter dem Berliner Preise stand, dies Verhältniß erst im September wieder erreicht. Es ist also zu konstatieren, daß etwa drei Wochen lang ein solcher nicht unerheblicher Preisdruck ausgeübt worden ist.
Meine Herren, es ist auch über die Summen gesprocher worden,
über den Schaden, der durch das erwähnte Geschäft der deutschen Landwirthschaft zugefügt worden sei; man hat von 150 bis 200 Millionen gesprochen. Ich glaube, daß das sehr stark übertrieben ist. Auch hier gebe ich ohne weiteres zu: es sind unzuverlässige und nicht sichere Angaben, die ich mache. Aber ich habe mich bemüht, der Sache auf den Grund zu kommen, und ich nehme an, daß der Schaden im höchsten Fall sich auf 3 bis 4 Millionen beziffert. Aber, meine Herren, selbst wenn die Summe nur so groß ist, so liegt die That⸗ sache vor, daß es einer Firma gelungen ist, gegen die Haussestimmung
eine Baisse zu erzeugen und unzweifelhaft der heimischen Produktion in der Zeit, wo die Landwirthschaft mit ihren⸗
Produkten auf den Markt kommen muß, unmittelbar nach der Ernte, einen empfindlichen Schaden zuzufügen.
Meine Herren, diesen Vorgängen ähnlich haben sich andere Vorgänge in früheren Zeiten abgespielt; es sind die eklatantesten, die besprochen und erörtert sind. Ich glaube nicht zweifelhaft sein zu dürfen, daß sich noch eine ganze Reihe weniger besprochener, mehr im Verborgenen ge⸗ bliebener Geschäfte auffinden ließen, aus denen man mit Recht
folgern kann, daß die Art, wie der Terminhandel in Getreide ausge⸗
übt worden ist, namentlich an der Berliner Börse, eine solche ist, welche mit den Interessen der Konsumtion und Produktion sich in Widerspruch setzt.
Nun, die Regierungen waren der Meinung, wie die Börsen⸗ Enquste⸗Kommission: Der Terminhandel kann nur unter Bedingungen gestattet werden, die, wie wir hoffen, die Schäden beseitigen oder wenigstens mildern, die sich jetzt zeigen. Die Regierungen waren der Meinung, daß das Festsetzen dieser Bedingungen in die Hand des Bundesraths zu legen sei, wie auch die Börsen⸗Enquste⸗Kommission es vorschlug.
Ihre Kommission hat in zweiter Lesung sich in einigen Punkten auf einen anderen Standpunkt gestellt, indem sie gewisse Bedingungen, die wir dem Bundesrath überlassen wollten, in das Gesetz aufnahm. Ich nehme an, daß die Beschlüsse der Kommission bei den verbündeten Regierungen Annahme finden werden. Die wesentlichste ist, daß das Getreide vor der Ankündigung auf seine Lieferbarkeit untersucht werden soll. Ob diese Bestimmung in Verbindung mit denjenigen, die sonst noch in das Gesetz aufgenommen worden sind, namentlich der Be⸗ stimmung bezüglich der Mitwirkung der Interessenkreise bei Fest⸗ setzung der Lieferbarkeit, dazu führen wird, die jetzigen Schäden absolut zu beseitigen, dafür kann ich allerdings die Verantwortung auch nicht übernehmen. (Hört! hört!) Aber ich habe die Ueberzeugung, daß daneben dem Bundesrath wirksame Waffen in die Hand gegeben sind, um die geschilderten Nachtheile in Zukunft zu verbessern.
Natürlich ist außer Zweifel, daß, wenn man den Terminhandel ganz verbietet, er keinen Schaden mehr bringen kann. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Auf der anderen Seite aber hat man sich doch die Frage vorzulegen: wird das Verbot des Terminhandels in Getreide nicht auch Nachtheile, nicht auch recht empfindliche Nachtheile bringen? Ich kann namens der verbündeten Regierungen im gegenwärtigen Augenblick nicht sprechen, weil sie sich zu dem Antrag Schwarze noch nicht schlüssig gemacht haben. Ich kann nur meiner Ueberzeugung dahin Ausdruck geben, und ich glaube, daß die preußische Staatsregierung diese meine Auffassung theilt —, daß es im höchsten Grade zweifelhaft ist, ob das absolute Verbot des Terminhandels im Gesetz nicht der Landwirthschaft den erheblichsten Schaden zufügen wird. (Hört! hört! und Bewegung.) Ich bezeichne diese Frage als zweifelhaft; aber die Verantwortung dafür, daß durch das Verbot im Gesetz nicht der Landwirthschaft in der That ein erheb⸗ licher, unberechenbarer Schaden zugefügt wird, diese Verantwortung kann meiner Ueberzeugung nach niemand übernehmen.
Ich will auf die ganze Frage des Nutzens und Schadens des
Terminhandels nicht noch einmal eingehen, sie ist soviel erörtert in
der Enquête⸗Kommission, in der Presse, in Versammlungen, daß man wirklich etwas Neues nicht mehr beibringen kann. Aber ich glaube, das ist doch unbestritten, daß die werth⸗ vollste Seite des Terminhandels die Frage der Versicherung gegen das Risiko ist. Fällt diese Versicherungsmöglichkeit weg, so können die Befürchtungen eines bekannten Landwirths, des Herrn von Graß⸗ Clanin, eintreffen, daß der Handel nicht mehr mit derselben Bereit⸗ willigkeit gerade in der Zeit eintritt, wo die Landwirthschaft am allernothwendigsten den Verkauf ihrer Waaren braucht (sehr richtig! links), — mindestens zweifelhaft (Bewegung) — ich glaube, das wird niemand bestreiten können — mindestens zweifelhaft ist die Frage. Es handelt sich um sehr erheb⸗ liche Summen; 300 bis 400 Millionen Mark sind angegeben worden. Wird der Handel, wenn der Terminhandel untersagt ist, bereit sein, wie jetzt, gerade in der Zeit, wo die Landwirthschaft der Abnahme des Getreides am nothwendigsten bedarf, ihr diese Summen zu liefern? Unbedingt muß man sagen: es ist im höchsten Grade zweifelhaft. Und deshalb ist es auch im höchsten Grade bedenklich, im Ge⸗ setze selbst das Verbot des Terminhandels in Getreide auszusprechen.
Meine Herren, der Bundesrath steht, soweit ich sehe, nicht auf dem Standpunkt, daß die Frage des Verbots des Terminhandels nie⸗ mals aufgeworfen werden kann. Ich habe die Ueberzeugung, daß, wenn die Bedingungen, die jetzt ins Gesetz aufgenommen sind, die der Bundesrath kraft der ihm übertragenen Befugniß für den Termin⸗ handel weiter stellen wird, nicht die gehofften Wirkungen haben, und wenn es ganz klar gestellt ist — was meines Erachtens zur Zeit noch nicht der Fall ist —, daß das Verbot des Terminhandels nicht der Landwirthschaft mehr Schaden als Nutzen bringt, — daß dann der Bundesrath auch seinerseits nicht Anstand nehmen wird, das Verbot des Terminhandels auszu⸗ sprechen. Aber im Gesetz das zu thun, das halte ich im höchsten Grade für bedenklich; und diejenigen, auf denen schließlich die Ver⸗ antwortung für das Gesetz ruhen wird, nämlich die Regierungen, müssen deshalb an Sie die dringende Bitte richten, den Antrag des Herrn Abg. Schwarze nicht anzunehmen.
Darauf wird die weitere Berathung vertagt.
Präsident Freiherr von Buol theilt mit, daß von den Abgg. Auer und Gen. (Soz.) eine Interpellation, betreffend die Verhaftun
des Abg. Bueb, eingegangen sei. Schluß 5 ¾ Uhr. Nächste Situng Freitag 2 Uhr. (Börsen⸗ gesetz:; Interpellationen Meyer und Auer.) 8 “
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Preußischer Landtag. .
8 “] Herrenhaus. 11.“ 12. Sitzung vom 30. April 1896.
Durch Vermittlung des Auswärtigen Amts ist von der grisen Regierung eine Einladung zur Millenniumsfeier in Budapest eingegangen. Das Präsidium wird der ungari⸗ schen en Dank des Hauses für die Einladung über⸗ mitteln.
Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung des Lehrerbesoldungsgesetzes.
Ober⸗Bürgermeister Zweigert⸗Essen Emist in 5 der Vorlage die sonst stets wahrzunehmende Sorgfalt der Regierung
Ausarbeitung von Gesetzentwürfen und verweist auf einige Irrthümer in
den Angaben über die Anzahl der Lehrer und die rozentsätze der Schullaften in den Motiven. Da bestehe die Besorgniß, daß der auf 270 ℳ bemessene Staatsbeitrag für die Alterszulagen für jede Schul⸗ stelle 89 berechnet sei zu r. der Gemeinden. Neben diesen mehr formalen Bedenken habe er auch das materielle Bedenken, daß die Städte wahrscheinlich mehr für die Alterszulagen zu bezahlen haben würden, wenn sie dafür Beiträge an die Alterszulagenkasse erlegen müßten, als wenn sie die Alterszulagen direkt an ihre Lehrer zahlten. Dieselbe Erfahrung habe man mit den Ruhegehalts⸗ kassen gemacht. Gebranntes Kind scheue das Feuer, timeo Danaos et dona ferentes. Wenn man die Alterszulagen auf die breiteren Schultern einer Provinz lege, müsse man auch die sächlichen Schullasten auf diese breiteren Schultern legen. Auf die Ver⸗ fassungsbedenken gegen die Vorlage gehe er nicht ein. Die Konstruktion der Alterszulagenkassen sei eine rein staatliche, aber keine Gemeindeeinrichtung mehr, diese Vorlage mache damit einen Schritt auf dem Wege zur reinen Staatsschule. Man begründe dieses System damit, daß die Gemeinden die alten Lehrer zu lange im Amt behielten. Das gebe er zu, es sei aber in erziehlicher Hinsicht durch. aus nicht zu beklagen. Jeder entsinne sich wohl aus seiner Schul⸗ zeit eines alten Lehrers, von dem man zwar nicht zuviel gelernt habe, zu dem man sich aber doch besonders hingezogen gefühlt habe. Das Gesetz regle die Alterszulagen rein mechanisch und löse die Lehrpersonen ganz von den Gemeindeorganen los. Man habe die Alterszulagen als die Grundpfeiler dieses Gesetzes bezeichnet, sie seien aber auch die Grundfehler desselben. Wenn die Alterszulagekassen aus⸗ geschieden werden könnten, sei er bereit, für das 88 zu stimmen. Der Finanz⸗Minister könne ja, wenn dadurch die Lehrer etwas schlechter wegkämen, dieselbe Summe, die für dieses Gesetz bestimmt sei, dem Ku tus⸗Minister überweisen zur Verwendung an die Lehrer. „Erhalten Sie uns die Freude an unserer Volksschule!“
Graf von Zieten⸗Schwerin: Das allgemeine Verlangen geht nach einem allgemeinen Schulgesetz, mit der Flickarbeit muß einmal ein Ende gemacht werden. Material zu einem Schulgesetz ist genug vorhanden. Mir ist der Gesetzentwurf unannehmbar, weil er die Lasten der Schulunterhaltungspflichtigen erhöht und in den ver⸗ schiedenen Theilen der Monarchie ganz verschieden wirkt. Das 1 Fudhehalt von 900 ℳ für einen Feete. Lehrer von vielleicht 24 Jahren geht weit über das Bedürfniß hinaus. Wer garantiert uns dafür, daß dann nicht die jungen Lehrer kommen und sagen: nun wollen wir heirathen, gebt uns dazu noch eine Zulage. Die Benachtheiligung der Städte ist bedauerlich, aber kein Unrecht ; bisher sind die Städte vom Staat bevorzugt worden, ohne daß sich jemand dadurch beschwert gefühlt hat. Ich beantrage die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission von 15 Mitgliedern.
Ober⸗Bürgermeister Zelle⸗Berlin: Auf die Verfassungsbedenken gehe ich nicht ein. Ich kann nicht für das Gesetz stimmen, nicht nur aus den Gründen des Herrn Zweigert, sondern auch aus anderen Bedenken. Auf ein morsches Fundament soll hier ein neues Stock⸗ werk gesetzt werden, das doch bald wieder ins Schwanken kommen kann. Kaum hat man sich auf ein neues Gesetz eingerichtet, so wird es wieder abgeändert, die Lehrer werden durch das Gesetz den Lokal⸗ schulbehörden entfremdet. Mein Hauptbedenken richtet sich gegen den § 27 (Staatsbeitrag). Der Entwurf ändert in einschneidender Weise die Verhältnisse, welche durch die Gesetze von 1888 und 1889 ge⸗ schaffen sind. Berlin hat auf Grund dieser n die Gehälter erhöht und darf damit jetzt nicht mehr zurück, der § 27 nimmt ihr aber die Mittel dazu. Die Stadt Berlin hat nicht nur die gesammten 900 000 ℳ, die ihr durch die Gesetze von 1888/89 zufielen, zur Auf⸗ besserung der Lehrer verwandt, sondern selbst noch 500 000 ℳ aus eigenen Mitteln dazu gegeben, und nun nimmt ihr der Staat die Zuschüsse. Die Regierung hat sich auf die Zustimmung einiger rheini⸗ scher Bürgermeister berufen, aber die „Kölnische Zeitung“ schreibt, daß die Städte sich beraubt fühlen könnten und das Gefabt des Unrechts haben müßten. Dieses Gefühl wird in den Städten wach bleiben. Man weist auf die Ueberweisung der Realsteuern an die Ge⸗ meinden hin, die Steuerreform hat Berlin 14 Millionen Ueberwei⸗ sungen gebracht, aber 18 Millionen Ausfall. Die Sozialdemokratie sagt: Wir leben von Euren Fehlern. Dieses Gesetz wird auch zu den Gesetzen der Neuzeit gehören, welche Hunderte befriedigen und Tausende zu unzufriedenen Staatsbürgern machen. 8
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Ich bin dem Herrn Grafen von Zieten⸗Schwerin sehr dankbar, daß er beantragt hat, die Vorlage über die wir uns jetzt unterhalten, an eine Kommission zu überweisen. Ich kann diesen Antrag ebenso namens der Regierung wie persönlich als Mitglied dieses hohen Hauses nur auf das wärmste empfehlen. Meine Herren, ich müßte ja meine Ohren künstlich verschließen, wenn ich nicht aus den Worten des Herrn Grafen von Zieten⸗Schwerin und noch mehr aus denen der beiden anderen Herren Vorredner hätte heraushören wollen, daß der Gesetzentwurf, um den es sich hier handelt, auf recht große, schwere und ernste Bedenken bei einem großen Theil der Mitglieder dieses hohen Hauses gestoßen ist. Ich glaube, daß es schwer sein wird, heute bei der generellen Besprechung die einzelnen Punkte, um die es sich dabei handelt, erschöpfend zu behandeln. Ich glaube, das wird Zeit sein, wenn wir in der Kommission in die Tiefen der Sache hineinfteigen. Dann wird es unsere Aufgabe sein, soweit es in unseren Kräften steht, diese und jene Bedenken zu wider⸗ legen. Ich will deshalb nur auf einzelne hervorragende Punkte, die mir aufgefallen sind, hier eingehen.
Herr Graf Zieten⸗Schwerin hatte gemeint, bei der Auseinander⸗ setzung zwischen dem kirchlichen und dem Schulvermögen, wie sie § 4 der Vorlage vorsieht, müßten doch die kirchlichen Behörden ganz gleichmäßig mitzusprechen haben. Ich unterschreibe das vollständig, und wenn Herr Graf Zieten⸗Schwerin die Güte haben will, und sich die ursprüngliche Regierungsvorlage ansehen, so wird er finden, daß dort jede Auseinandersetzung, jede Entscheidung auch von einer Verständigung mit den kirchlichen Behörden abhängig gemacht war. Die konservative Partei des Abgeordneten⸗ hauses hat es aber für richtiger gehalten, diese Auseinander⸗ setzung überhaupt aus diesem Gesetz herauszunehmen. Wenn Sie sich die jetzige Fassung des § 4 ansehen, die das Abgeordnetenhaus an⸗ genommen hat, so werden Sie finden, daß über die Frage, was kirch⸗ liches Vermögen und was Schulvermögen ist, in diesem Gesetz kein Wort gesagt ist. Das bleibt im vollen Maße beim Alten, und des⸗ halb war eine Zuziehung der Kirchenbehörden hier gar nicht anzu⸗ bringen, selbst wenn man es gewollt hätte. Ich würde der Letzte gewesen sein, der widersprochen hätte, wenn irgendwie hier die Möglich⸗ keit gegeben wäre, kirchliche Rechte zu verletzen.
Der Herr Graf von Zieten⸗Schwerin hat gesagt, die Wirkung des Gesetzes in Bezug auf einzelne Schullasten würde wohl in ver⸗ schiedenen Gemeinden eine recht verschiedene sein, je nach dem pro⸗ vinziellen Rechte, das in den einzelnen Distrikten unseres Vaterlandes gilt. Ich will nicht leugnen, daß die Möglichkeit besteht, daß hier und da auch einmal eine verschiedene Wirkung eintreten könnte, wie⸗ wohl ich mir einen einzelnen Fall nicht konstruieren kann an der Hand der Bestimmungen der Vorlage, wie sie aus dem Abgeordnetenhause hervorgegangen ist. Aber, meine Herren,
dessen bin ich ganz gewiß, daß in einem Punkte das Gesetz ganz gleich.
mäßig wirken wird, nämlich es wird die drückendste Noth der Lehrer, die dieses Gesetz zu einem „Nothgesetz“ gemacht hat — diesen Aus