1896 / 107 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 May 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Bayern.

Seine Königliche Hoheit der Fürst Ferdinand von Bulgarien ist heute früh von Coburg in München ein⸗ getroffen. Ein offizieller Empfang fand nicht statt. Morgen wird sich der Fürst anläßlich des Todestages seiner Schwester, der am 6. Mai 1894 verstorbenen Herzogin Max Emanuel in Bayern, nach Tegernsee begeben.

Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe hat, der „Augsb. Abdztg.“ zufolge, am 30. April an den Präsidenten der Kammer der Reichsräthe Grafen Lerchenfeld folgendes Telegramm gerichtet:

Eurer Excellenz danke ich für das freundliche Telegramm vom 28. April und bitte, der hohen Kammer der Reichsräthe meinen tief⸗ efühlten Dank für das gütige Gedenken meiner vor 50 Jahren er⸗ olgten Einführung in die hohe Kammer aussprechen zu wollen. Die hohe Kammer, der anzugehören ich stolz bin, hat mir durch ihren Beschluß eine Ehre erwiesen, durch die ich nicht allein herzlich erfreut sondern auch aufs neue in dem Bewußtsein gestärkt worden bin, da ein unauflösliches Band treuer Anhänglichkeit mich mit meiner bayerischen Heimath verbindet und, so Gott will, bis zu meinem Ende verbinden wird. Fürst zu Hohenlohe.

Bladen.

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin beabsichtigt, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, morgen nach Berlin zu reisen, um an der Feier des 25 jährigen Jubiläums der Kriegsthätig⸗ keit des Rothen Kreuzes theilzunehmen. vA1“

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Seine Königliche Hoheit der Fürst Ferdinand von Bulgarien traf gestern Vormittag 10 ¼ Uhr in Coburg ein und wurde von Seiner Königlichen Hoheit dem Herzog, Seiner Königlichen Hoheit dem Ferdinand von Rumänien und Seiner Durchlaucht dem Erbprinzen von EEE1“ am Bahnhof empfangen. Der Fürst wurde odann von dem Fhrzng nach dem Palais Edinburg geleitet, wo Höchstderselbe Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Fers gimn begrüßte. Abends 7 Uhr fand im Thronsaale des esidenzschlosses ein Diner statt, nach welchem die Höchsten errschaften das Hoftheater besuchten. Heute frü um 2 Uh etzte der Fürst die Reise nach München fort. X“ Lübeck. An Stelle des zum hanseatischen Gesandten in Berlin

ernannten Dr. Klügmann ist Dr. Fehling zum Senator gewählt worden.

1 Oesterreich⸗Ungarn.

Der König empfing gestern Vormittag in Budapest das esammte diplomatische Korps. Vorher hatte Allerhöchstderselbe en Fürstprimas Kardinal⸗Erzbischof Vaszäry empfangen,

welcher im Auftrage des Papstes dessen Glückwünsche zur Millenniumsfeier überbrachte. Der König sprach dem Papst telegraphisch seinen Dank für die übersandten Glückwünsche aus.

Das Regierungsblatt „Nemzet“ äußert seine warme

Anerkennung über die Theilnahme des Auslandes an der Millenniumsfeier. Es steigere den Muth Ungarns und hebe Ungarns Kraft, wenn es sehe, daß Europa die Nationalfeier mit Sympathie begleite und die Freude Ungarns an diesem 8 die ungarische Geschichte denkwürdigen Tage theile. Als erster Herrscher sei der König von Rumänien auf der ungarischen usstellung erschienen und habe seine Anerkennung geäußert. Der „Nemzet“ lobt die segensreiche Thätigkeit König Carl's und sagt, Ungarn dürfe auf die anerkennenden Worte des Könicg stolz sein. 8 ie Beschlüsse der beiderseitigen Quoten⸗Depu⸗ tationen sind gestern veröffentlicht worden. Beide stimmen, dem „W. T. B.“ zufolge, in der zehnjährigen Dauer der neuen Vereinbarungen und in der Gemeinsamkeit des Zoll⸗ gefälles überein. Die Differenzen bestehen darin, daß die ungarische Deputation die Vorwegnahme von zwei Prozent der Gesammtauslagen für die Militärgrenze zu Lasten Ungarns ablehnt und verlangt, daß die Beitragsbestimmung in einer Gesammtziffer Ausdruck finde; ferner darin, daß die öster⸗ reichische Deputation die Beitragsquote mit 58 zu 42, nach Abzug des zweiprozentigen Präzipuums zu Lasten Ungarns, beantragt, wobei die Bevölkerungsziffer sowie die beiderseitigen Brutto⸗Einnahmen und Brutto⸗Ausgaben als Grundlage der Berechnung dienen, während die ungarische Deputation diesen Vorschlag nicht acceptiert, sondern, an der bisherigen Be⸗ rechnungsmethode auf Grundlage der Brutto⸗Einnahmen aus den direkten und indirekten Steuern festhaltend, die Quote mit 31,4 zu 68,6 beantragt. em österreichischen Abgeordnetenhause ist der

Bericht des Gebührenausschusses über die Börsen⸗ steuervorlage zugegangen. Der Ausschuß hat mehrere Abänderungen an der Vorlage vorgenommen; er hat die im § 2 normierten Befreiungen gewisser Kategorien von Geschäften auch auf folgende Fsfate ausgedehnt: auf die im Verkehr zwischen Effektenhändlern (Wechselstubenbesitzern) als reine Gefälligkeitsakte häufig vorkommenden Leih⸗ eschäfte deren steuerfreie Behandlung schon die ei der Enquéête beschäftigten Sachverständigen angeregt hatten —, auf die nicht durch das offizielle Arrangementsbureau abzuwickelnde Rücklieferung von Effekten aus einem Kostgeschäft an den Kostgeber, ferner anf den bei ursprünglichen Emissionen sowie anläßlich von Konversionen stattfindenden Umtausch von Stücken, endlich auf die Rückzahlung von in Pfandbriefen ge⸗ vehathn Darlehen von Hypothekeninstituten in Pfandbriefen derselben Gattung. In § 30 werden als Minimalbetrag, unter welchen einzuhebende Steuererhöhungen nicht ermäßigt werden dürfen, 15 Gulden statt 25 Gulden vorgeschlagen.

Der Wiener Bürgerklub hat gestern seine Kandidaten für

die Bürgermeisterwahl aufgestellt, und zwar: Strohbach für den Posten des Bürgermessters, Dr. Lueger für den Posten des Ersten und Neumayr für den des Zweiten Vize⸗Bürg meisters.

GSroßbritannien und Irland.

8 Im Unterhause erklärte gestern der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain: im Koloniglamt befänden sich Aufzeichnungen über Unterredungen zwischen Sir Henry B. Loch und gewissen Persönlichkeiten aus Johannesburg; in diesen Aufzeichnungen seien jedoch die Kriegsrüstungen nicht 2 Er werde die au diese Vorfälle bezüglichen Schriftstücke einschließlich des Berichts über die Unter⸗ x22n. Sir Henry B. Loch's auf den Tisch des Hauses niederlegen. Der Staatssekretär führte weiter aus, er habe in den daß zwischen ihm und dem Prä⸗

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lättern erklärt

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sidenten Krüger thatsächlich niemals ein Meinungsaustausch über ein mögliches Vorgehen der britischen Regierung zum Schutze der Uitlanders im Falle der Gefahr kaer ehe ee habe. Seine Aufmerksamkeit sei auf ein vom 26. Dezember datiertes Telegramm aus Johannesburg an Jameson gelenkt worden, in welchem es heiße, es sei absolut nöthig, die „Flotation“ zu verschieben, bis das unbedingte Versprechen Cecil Rhodes' dafür vorhanden sei, daß auf der Autorität der Reichsregierung nicht bestanden werde. Der Staatssekretär u aus, die Regierung habe keine Nachricht, daß Cecil

hodes wirklich ein solches Versprechen gegeben habe. Die Re⸗ gierung habe vor dem Einfall Jameson's keinerlei Mittheilungen weder von Cecil Rhodes, noch von Anderen bezüglich der In⸗ anspruchnahme oder Nichtinanspruchnahme der Autorität der Reichsregierung im Fall eines solchen Einfalls erhalten, und Cecil Rhodes selbst sei nicht ermächtigt gewesen, ein Ver⸗ sprechen über die Anwendung der Autorität der Reichs⸗ regierung abzugeben. Bezüglich einer weiteren Erörterung über das erwähnte Telegramm möchte er sich auf einen in der „Times“ veröffentlichten Brief des Dr. Wolff beziehen, in welchem letzterer, als Mitglied des Reformcomités, aus⸗ einandersetze, daß, als Jameson aufgefordert worden sei, nach Johannesburg zu kommen, man in einigen Kreisen an⸗ gedeutet habe, die Thatsache einer solchen Unterstützung könne um Vorwand für eine direkte Proklamation der Reichs⸗ 1 uprematie in Transvaal gemacht werden, daß aber das Bestreben des Reformcomités zwar darauf hingezielt habe, die Abstellung der Beschwerden zu erlangen, die Unabhängigkeit der Republik jedoch aufrecht zu erhalten. Chamberlain erklärte ferner, er habe von Sir Herkules Robinson ein Telegramm erhalten, in welchem dieser mittheile, daß unter den veröffentlichten Telegrammen sich eines des Obersten Rhodes an die Char⸗ tered Company vom 21. Dezember und die Antwort herete vom 23 Dezember befänden; in beiden Telegrammen sei von einem „Vorsitzenden (chairman)“ und von einem „Einladungs⸗ brief (letter of invitation)“ die Rede. In dem Telegramm Sir Herkules Robinson's heiße es dann: „Ich meine, daß unter dem „Wersißenaene Jameson und unter dem „Einladungs⸗ brief“ der von fünf Mitgliedern des Reform⸗Comités an vnmfon gerichtete Brief zu verstehen ist. Ich kann nicht ausdrücklich genug erklären, daß ich niemals von irgend jemand in irgend einer Form auch nur eine Andeutung darüber erhalten habe, was bevorstand. Ich wurde so vollständig in Unwissen⸗ heit gehalten, daß ich nicht die leiseste Ahnung hatte von dem, was vorging oder beabsichtigt war, und daß die Nachricht vom 30. Dezember, Jameson sei am Abend vorher in Transvaal eingedrungen, mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel überraschte. Wenn irgendwie das Gegentheil behauptet werden sollte, so verlasse ich mich auf Sie, daß Sie mich während meiner Abwesenheit in Schutz nehmen.“ Chamberlain fügte hinzu: „Ich setze unbegrenztes Ver⸗ trauen in Sir Herkules Robinson und habe nie auch nur einen Augenblick den einen Argwohn gegen ihn enthaltenden Gerüchten die leiseste Bedeutung beigemessen.“ Der Erste Lord des Schatzamts Balfour erklärte, da die Schriftstücke nicht vor Freitag in den Händen der Mitglieder des Hauses sein könnten, habe er die Absicht Phabt⸗ die Debatte über die Kolonial⸗Angelegenheiten auf Dienstag nächster Woche zu verschieben, er füge sich aber dem Wunsche Sir W. Harcourt's, diese Debatte duß Freitag festzusetzen. Schließlich nahm das Haus die zweite Lesung der Finanzbill an.

Der „Standard“ meldet, der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain beabsichtige sich mit Cecil Rhodes wegen der Chiffredepeschen in Ver tnbnh zu setzen, um von ihm eine bestimmte Angabe über sein Verhältniß zu diesen Depeschen zu erhalten.

Frankreich.

Aus La Turbie erfährt „W. T. B.“, daß der Zustand des Großfürsten⸗Thronfolgers von Rußland nach dem Gutachten der behandelnden Aerzte sehr zufriedenstellend sei; der Großfürst werde in einigen Tagen eine einmonatige Seereise antreten.

Bis gestern Nachmittag waren 295 Ergebnisse von 359 Munizipalrathswahlen in den Hauptorten der Arron⸗ dissements bekannt. In 152 Hauptorten fiel die Majorität den Republikanern zu, in 37 den radikalen Republikanern, in 11 den sozialistischen Radikalen, in einem den Ralliierten, in 10 der Rechten. In den anderen Hauptorten, aus denen die Ergebnisse bekannt sind, haben Stichwahlen stattzufinden. ie Republikaner haben der Rechten bis⸗

er 4 Hauptorte abgenommen. In einzelnen kleinen rtschaften des Departements Aube fanden Handgemenge statt, bei welchen die Urnen nebst den Stimmzetteln fort⸗ genommen oder zertrümmert wurden. Die ministeriellen Kreise äußern sich über das bisher festgestellte Ergebniß der Gemeinderathswahlen befriedigt. Die Gemäßigten hätten den Extremen gegenüber ihren behauptet. Die Agi⸗ tation der Liga für das allgemeine Stimmrecht sei vergeblich gewesen. Nirgends erscheine das Mandat der Senatoren, welche das Ministerium Bourgeois zu Falle gebracht haben, gefährdet. 2 .

8 Rußland. 8

Li⸗Hung⸗Tschang begab sich, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern mit den Mitgliedern der Botschaft von St. Petersburg nach Zarskoje⸗Sselo Lur Audienz bei dem Kaiser und der Kaiserin. Der pfang war ein überaus feierlicher. Li⸗Hung⸗Tschang fuhr in einem mit sechs Pferden bespannten Wagen vom Bahnhof nach dem Palais. In der Audienz uͤberreichte er dem Kaiser den mit großen Diamanten ver⸗ zierten doppelten Drachen⸗Orden der höchsten Klasse sowie sein Beglaubigungsschreiben. Darauf wurden die Mitglieder der Botschaft dem Kaiser und der Kaiserin vorgestellt. Abends 6 Uhr erfolgte die Rückkehr nach St. Petersburg.

Schweiz.

Der Bundesrath hat die Bundesversammlung um die Ermächtigung ersucht, mit dem Deutschen Reich auf der Grundlage der zwischen den Vertretern des Kantons Basel⸗ Stadt und Elsaß⸗Lothringens zu stande gekommenen Verein⸗ barungen bezüglich der Weiterführung des Üazügr Kanals bis Basel einen Staatsvertrag abzuschließen und für dieses Werk eine Bundessubvention von 1 Million Francs zu be⸗ willigen. b

Türkei.

Der „Times“ wird aus Konstantinopel berichtet, daß durch Beschluß des Ministerraths die Dienstzeit in der ganzen türkischen Armee von uf 3 Jahre herabgesetzt worden sei.

8 .

Robinson, dem Staatssekretär der Südafrikanischen

Serbien.

Aus Belgrad wird offiziös gemeldet: Die am Sonn⸗ abend durch die Gegner der Regierung ins Werk gesetzten Demonstrationen von Studenten hiüätten bezweckt, der Re⸗ gierung Unannehmlichkeiten zu bereiten. Einige Schüler der Theologie und des Lehrer⸗Seminars hätten fich gegen Mittag auf dem Theaterplatz versammelt und in Eile vor dem Denk⸗ mal des Fürsten Michael eine angeblich ungarische, in Wirk⸗ lichkeit jedoch nicht ungarische Fahne, weil die Farben falsch geordnet gewesen seien, verbrannt. Bald darauf hätten sich die Demonstranten zerstreut, um nach kurzer Zeit sich vor der russischen Gesandtschaft zur Begrüßung des Gesandten zu versammeln. Da letzterer jedoch seit geraumer Zeit die Wohnung gewechselt hatte, seien die Demonstranten, ohne ihre Absicht ausgeführt zu haben, auseinandergegangen. Die schnell herbeigeeilte Polizei habe am Thatorte nur eine neugierige Menge vorgefunden, Am späteren Nach⸗ mittag hätten sich einzelne Trupps gebildet, um dem König und dem russischen Gesandten Ovationen darzubringen, was aber von der Gendarmerie verhindert worden sei. Noch an demselben Mittag sei die Untersuchung eingeleitet, und fünf Theilnehmer an der Kundgebung, unter ihnen ein Mönch, seien verhaftet worden. Der Stadtpräfekt und der Kommandant der Gendarmerie seien abgesetzt und ein Professor der Theologie pensioniert worden. Auswärtige Agents provocateurs hätten unter der Menge verschiedene sinnlose Ge⸗ rüchte über Demonstrationen und Provokationen in Budapest und Wien gegen Serbien verbreitet. Die Regierung habe sofort Gegenmaßregeln vorgenommen, um die Absichten dieser Agenten zu vereiteln. Es seien alle Maßregeln getroffen, um eventuellen weiteren Kundgebungen vorzubeugen. Der I 2 ungarische Gesandte von Schießl habe am Sonntag Nach⸗

mittag die serbische Regierung um Aufklärung ersucht, na 8

dem diese bereits Maßregeln vorgenommen hatte, um den Demonstrationen zu steuern.

Nach einer Meldung des „Ungarischen Korrespondenz⸗ Bureaus“ hat der serbische Minister⸗Präsident Nowakowic dem österreichisch⸗ungarischen Gesandten von Schießl durch eine Note mitgetheilt, daß die strengste Untersuchung eingeleitet sei. Die Regierung bedauere die Demonstrationen vom 2. Mai tief und verdamme sie auf das schärfste; die serbische Regierung sei sich ihrer Pflichten einem Staate gegenüber, auf dessen Feeundschaft sie den größten Werth legen müsse, vollkommen bewußt. Der serbische Minister⸗Präsident habe dem österreichisch⸗ungarischen Gesandten ferner angezeigt, daß der Polizeichef und der Gendarmerie⸗Kommandant von Belgrad abgesetzt seien, und gleichzeitig die Feststellung und Bestrafung sFüne gicher Schul⸗ igen in Aussicht gestellt. Das „Ungarische Korrespondenz⸗ Bureau“ fücg hinzu, man messe nach dieser spontanen Erklä⸗ rung der deutung mehr bei. 1

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Schweden und Norwegen.

Der Minister des Aeußern Graf Douglas und der

japanische Gesandte Nissi Tokuyiro sbe gestern in Stock⸗ holm den neuen Handels⸗ und Seefahrtsvertrag zwischen Schweden und Norwegen und Japan unterzeichnet.

Asien.

Ueber den Mörder des Schahs berichtet „W. T. B.“ nachstehende Einzelheiten: Der Mörder Mirza Muhamed Reza stehe im mittleren Alter und sei ein eifriger An⸗ hänger eines Aufwieglers Djemal Ed⸗din, welcher 1891 wegen seiner verrätherischen Lehren aus Persien ver⸗ bannt worden sei. Nach Djemal's Verbannung sei Reza ins Gefängniß geworfen, später jedoch aus demselben entlassen worden; darauf sei er wegen feortgesetzter Umtriebe abermals verhaftet und schließlich wieder freigelassen worden. Reza sei bereits mehrere Male verhört worden und habe gestanden, er sei auserwählt gewesen, den Schah zu tödten; zwei Monate habe er auf eine günstige Gelegen⸗ heit gewartet, habe sich öfter dem Schah genähert, jedoch demselben nicht nahe genug kommen können. Am

reitag hätten ihn zwei wübliche Verwandte, welche im arem des Schahs bedienstet seien, ee. der Schah werde den Wallfahrtsort besuchen; er habe die Absicht gehabt, nach der Ausführung des Verbrechens sich selbst zu tödten, sei aber durch die schnelle Verhaftung daran gehindert worden. Reza soll acht angeblich Mitschuldige namhaft gemacht haben.

Die „Times“ erfährt aus Teheran von gestern: nach einem Telegramm aus Schiras seien vorgestern Abend dort Ruhestörungen vorgekommen. Die Bazare seien geschlossen. Die Bank sei gestern Vormittag offen gewesen und werde be⸗ wacht. Große Waarenvorräthe seien geplündert worden. In der Nähe von Schiras sei vorgestern Abend der Versuch ge⸗ macht worden, das Juden⸗Quartier zu plündern; die Juden seien aber auf der Hut gewesen und hätten die Räuber mit Steinwürfen von den Dächern vertrieben.

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ berichtet aus Massowah, in einem Vorposten⸗Gefecht, welches am 2. d. M. statt⸗ efunden habe, hätten zwei Ein HeeenchBataällone f der sehr starken, von dem rechten Gipfel des Gunaguna gebildeten Position bemächtigt. Am 3. d. M. habe das Expeditions⸗ korps sich längs des Gebirgsbaches Sceceta, gegenüber dem Berge Dongollo befunden. Ras Sebat halte den De⸗ bramatzo und die Hügel ostnordöstlich des Dongollo besetzt. Nach einer späteren Meldung hätten 5 Bataillone die Position Dongollo am 3. d. M. um 4 Uhr Nachmittags genommen. Der Feind habe nur wenig Widerstand geleistet. scheine, daß Ras Mangascha sich noch nicht in Bewegung gesetzt habe. Ras Alula sei in Bezet, Ras Sebat und Ras Agosta⸗ fari befänden sich rüleh des Dongollo.

Betreffs des Vorposten⸗Gefechts am 2. d. M. heißt es in einem Telegramm der „Tribuna“ aus Barachit: die italienischen Vorposten, unter dem Befehle des Oberst Stevani, seien in dem Engpaß von Gunaguna von 500 Mann Ras Sebats angegriffen worden, welche den Engpaß besetzt gehabt hätten. Die Angreifer seien zurückgedrängt, aus ihren Stellungen vertrieben und 4 km weit 5 worden. Am Nachmittag desselben Tages seien zwei Bataillone Alpentruppen zur Verstärkung der Truppen Stevani'’s vorgerückt. In dem erwähnten Vorposten⸗ Gefecht hätten die Italiener einen Todten und sechs Verwundete und der Feind sechs Todte und eine größere Anzahl Ver⸗ wundeter verloren.

Das „Reuter’'sche Bureau“ erfährt aus Kapstadt vom Sonntag, es gehe aus dem in der Zeit vom 20. April bis 2. Mai gepflogenen Depeschenwechsel zwischen Sir Fruße epu

erbischen Regierung dem Vorfall keine politische Be⸗

8 Dr. Lends und dem britischen diplomatischen Agenten in

rätoria de Wet hervor, daß die Regierung von Transvaal Pehar niß wegen der Gerüchte von Truppenansammlungen in Mafeling behufs eines Einfalls in Transvaal ausge⸗ drückt habe. De Wet habe die Einsetzung einer gemischten Untersuchungs⸗Kommission zur Beruhigung von Transvaal vor⸗ geschlagen, Sir Herkules jedoch den Vorschlag ab⸗ elehnt und nachgewiesen, daß die Gerüchte unbegründet und ie Truppen lediglich für das Matabeleland bestimmt seien.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in zee Ersten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (84.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein bei⸗ wohnten, stand die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln. .

§ 1, welcher die Begriffsbestimmung für Margarine, Margarinekäse und Kunstspeisefett enthält und die Bestimmung trifft, daß diese Waaren nur in besonderen Verkaufsräumen feilgehalten werden dürfen, wurde ohne Debatte genehmigt.

§ 2 verbietet die Vermischung der Butter mit Margarine oder anderen Speisefetten und die Vermischung von mehr als 100 Gewichtstheilen Milch mit ebensoviel Margarine. Die Kommission hatte beschlossen, nur die Verwendung von Magermilch mit einem vom Bundesrath zu bestimmenden Fettgehalt zu dieser Mischung zu gestatten.

Die Sozialdemokraten beantragten die Wiederherstellung der Vorlage.

An der sich an diesen Antrag anschließenden Debatte be⸗ theiligten sich bis zum Schlusse des Blattes die Abgg. Fus⸗ angel (Zentr.), Dr. Clemm (nl.), Weiß (fr. Volksp.), Iskraut (Reform⸗P.) und Herbert (Soz.) sowie der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein.

Das Haus der Abgeordneten begann in der heutigen (63.) Sitzung, in welcher der Justiz⸗Minister Schönstedt zugegen war, die zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Regelung der Richter⸗ gehälter. G

Auf Antrag des Abg. Im Walle (Zentr.) beschloß das Haus mit Rücksicht darauf, daß nach Ablehnung des § 8 (Assessoren⸗Paragraph) die Regierung auf das ganze Gesetz keinen Werth mehr lege, zuerst über § 8 zu diskutieren.

*ꝗ Präsident von Köller verlas einen neuen, vom 89 Hofmann (nl.) handschriftlich eingebrachten langen Ab⸗ änderungsantrag zu § 8.

Die Abgg. von Tiedemann⸗Bomst (fr. kons.) und Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.) beantragten, die Diskussion über § 8 auszusetzen, bis dieser Antrag gedruckt vorliegt, und mit der Debatte über § 1 zu beginnen.

Abg. Im Walle (Zentr.) widersprach der Abänderung des ersten Beschlusses.

Präsident von Köller theilte mit, daß soeben noch ein neuer Abänderungsantrag eingegangen sei, und empfahl hunmehr, zunächst über § 1 zu debattieren.

Das Haus stimmte dem zu.

85 1 bestimmt: Die Gehälter der Richter werden nach Dienstaltersstufen geregelt.

Abg. Im Walle (Zentr.) erklärte, daß er es lieber gesehen hätte, wenn die Vorlage von der Regierung verschoben worden wäre. Nach allgemeiner Auffassung stehe doch in der nächsten Zeit eine all⸗ gemeine Aufbesserung der Beamtengehälter in Aussicht. Es liege in der Luft, daß in den nächsten Jahren die Konversion der Staats⸗ Anleihen erfolgen werde, und der hierbei erzielte Gewinn müsse für die Iebaktaan teserung der Beamten Verwendung finden.

Abg. von Tiede mann⸗Bomst (fr. kons.) war der entgegen⸗ gesetzten Ansicht. Mit der Einführung des Dienstaltersstufensystems werde erst die Grundlage zur Beurtheilung einer gleichmäßigen Er⸗ höhung der Gehälter gewonnen.

1 wurde angenommen; ebenso ohne Debatte § 2.

3 lautet: Tritt ein Beamter des höheren Justizdienstes infolge einer Beförderung oder einer nicht im Wege des Disziplinarverfahrens geschehenen Versetzung in ein zu einer anderen Gehaltsklasse gehörendes Richteramt über, so wird das Besoldungsdienstalter in der neuen Gehaltsklasse dergestalt festgesetzt, daß sich die folgende Gehaltsregelung ergiebt: 1) Der Beamte tritt in die dem Normalgehalt der früheren Stelle entsprechende Stufe der neuen Klasse oder, wenn in dieser eine solche Stufe nicht vorhanden ist, in die nächsthöhere Stufe über. 2) Ist das nach Ziffer 1 be⸗ messene Gehalt dem bisherigen Normalgehalt gleich oder ist sein ehrbetrag geringer als die nächste Zu⸗ lage, die dem Beamten in der früheren Klasse zu verleihen gewesen wäre, so erfolgt die Verleihung der ersten Zulage in der neuen Klasse von demselben Tage ab, von dem ab in der früheren Klasse die nächste Zulage verliehen worden wäre.

Durch die vorstehenden Bestimmungen wird der einstweilige Fortbezug eines etwa in der früheren Stelle über das Normal⸗ gehalt bezogenen Mehrbetrages nicht berührt.

Abg. von Tiedemann⸗Bomst tadelte den unverständlichen fanffti sen Stil dieses Paragraphen. Selbst höhere Justizbeamte ätten ihm versichert, daß sie ihn nicht verstanden hätten. Er bitte deshalb den Justiz⸗Minister, doch in Zukunft dafür Sorge zu tragen, xn 9 Juristen ein besseres Deutsch schreiben, als es jetzt der

a ei. er § 3 wurde angenommen.

Nach § 4 kann die Zeit, welche der Anzustellende außer⸗ 2. des Justizdienstes in einem unmittelbaren oder mittel⸗ 8s Amt des Staatsdienstes zugebracht hat, angerechnet werden.

Abg. Zim mermann (fr. kons.): Jetzt wird die Militärzeit bereits denjenigen Assessoren angerechnet, welche nach dem 1. Januar 1891. das Examen gemacht haben. In der Kommission wurde erklärt, daß die Regierung Erwägungen anstelle, ob diese Vergünstigung nicht allen Beamten in allen Kessortes zu theil werden könnte. Ich bitte den Minister, diese Erklärung zu wiederholen.

Abg. Böttinger (nl.) bat gleichfalls den Minister, eine bezüg⸗ liche Erklärung hier n wiederholen.

Justiz⸗Minister Schönstedt wiederholte die Erklärung, daß die Regierung die eeumg der Militärdienstzeit bereits in Erwaaung gezogen habe; dieselbe könne indeß nur für alle Ressorts gleichmäßig geregelt werden. 18

4 wurde angenommen. 8 G

88 Schluß des Blattes.)

F Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung von Amtsgerichtsbezirken, zugegangen.

Ents cheidungen des Reichsgerichts.

Die Bestimmung des § 2 des Patentgesetzes vom 7. April 1891, daß eine Erfindung nicht als neu gilt, wenn sie zur Zeit der auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Anmeldung in öffentlichen Druckschriften aus den letzten 100 Jahren bereits derart beschrieben ist, daß danach die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint, findet, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Zivil⸗ senats, vom 4. Januar 1896, auch auf öffentliche Zeichnungen der Erfindung Anwendung, wenn nach ihnen die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint. (148/95.)

Die Ausübung des Selbsthilfeverkaufs dem säumigen Käufer gegenüber ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Zivil⸗ senats, vom 24. März 1896, im allgemeinen nicht an eine be⸗ stimmte Zeitfrist gebunden, jedoch braucht der Käufer ein arg⸗ listiges Hinausschieben des Selbsthilfeverkaufs, um einen dem säumigen Käufer ungünstigen Erlös herbeizuführen, nicht gegen sich gelten zu lassen. Im Februar 1891 kaufte Kaufmann P. in Halle a. S. von der Firma Sch. in Magdeburg 200 Doppelwaggons ““ zum Preise von 160 loko Zeche

annenbaum. Er nahm im Ganzen nur 28 Doppelwaggons ab, weshalb die Verkäuferin im März und April 1892 172 Doppel⸗ waggons im Wege des Selbsthilfeverkaufs versteigern ließ und auf Zahlung der Differenz 6587 gegen P. Klage erhob. Die Klage wurde in der Berufungsinstanz abgewiesen, weil die zum Selbst⸗ hilfeverkauf gestellte Waare noch nicht effektiv zur Verfügung der Klägerin gestanden hatte; denn die Klägerin hatte zwar vertragsmäßig den Koks von der Zeche Dannenbaum zu beziehen, aber sie hatte den⸗ selben noch nicht abgerufen. Durch reichsgerichtliches Urtheil vom 20. Februar 1894 wurde die Revision zurückgewiesen. Die Klägerin forderte nun im Juli 1894 den Beklagten von neuem zur Abnahme der rückständigen Mengen auf, indem sie gleichzeitig abermals Selbsthilfe⸗ verkauf androhte. Da die Aufforderung erfolglos blieb, wurde solcher Ver⸗ kauf im August 1894 an bereitstehender Waare vollzogen. Demnächst klagte die Firma Sch. gegen P. auf Zahlung der nunmehrigen Differenz von 8425 In beiden Instanzen wurde Beklagter nach dem Klage⸗ antrage verurtheilt, und die von ihm eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht zurückgewiesen, indem es begründend ausführte:.. Es ist davon auszugehen, daß die Ausübung des ö im allgemeinen nicht an eine bestimmte Zeitfrist gebunden ist, da es dem säumigen Käufer freisteht, seinen Verzug jederzeit durch Erbieten zur Annahme der Waare zu beseitigen und so einem Selbsthilfeverkauf zu ungünstiger Zeit vorzubeugen; andererseits wird anerkannt, daß der säumige Käufer doch auch ein arglistiges Hinausschieben des Selbst⸗ hilfeverkaufs nicht gegen sich gelten zu lassen braucht. Daß nun ein arglistiges Hinausschieben der Klägerin nicht zur Last falle, ist vom Berufungsrichter eingehend und ohne Gesetzesverletzung begründet. Ist auch zuzugeben, daß die Klägerin bei Vornahme der Selbsthilfe⸗ verkäufe vom März und April 1892 fahrlässig handelte, indem sie Koks zur Versteigerung stellte, den sie zwar vertragsmäßig von der Zeche Dannenbaum zu beziehen, aber noch nicht abgerufen hatte, und daß infolge der Te dieser Selbsthilfeverkäufe die Vor⸗ nahme gesetzlicher Verkäufe um mehr als zwei Jahre verzögert wor⸗ den ist, so folgt aus alledem doch keine arglistige g. Die Thatsache, daß bei den Verkäufen vom Jahre 1894 weniger erlöst worden ist als bei denen im Jahre 1892, ergiebt nur, daß der Beklagte gut gethan haben würde, entweder die letzteren gegen sich gten⸗ zu lassen oder sich zur Abnahme der Waare zu entschließen.

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Der Eigenthümer eines Grundstücks an einemöffent⸗ lichen Platze hat, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungs⸗ ee IV. Senats, vom 2. November 1895, keinen rechtlichen

nsp nnch auf Erhaltung des freien Platzes vor seinem Grundstück in der bisherigen 13.Iag; vielmehr muß er sich die Umwandlung des Platzes zu einer minder breiten Straße durch theilweise Bebauung des . gefallen lassen, wenn der Nachtheil, welcher dem Hause des Adjazenten durch die theilweise Bebauung des Platzes droht, nach der veheJ der Behörde nicht derartig ist, daß ihm gegen⸗ über das mit der theilweisen Einziehung des Platzes verknüpfte öffent⸗ liche Interesse zurückstehen müßte. „Der Gerichtshof hat nicht ver⸗ kannt, daß der Kläger H. in gewissem Umfange dafür ein begründetes Interesse haben kann, daß der einem Theile seines Hauses jetzt gegen⸗ überliegende freie Platz unbebaut bleibe; er hat aber andererseits nicht anzuerkennen vermocht, daß die Nachtheile, welche H. aus einer Bebauung des einzuziehenden Theils zu befürchten hat, erheblich genug seien, um seinen Einspruch gegen die Einziehung begründet erscheinen zu lassen. Dabei ist vorweg die Auffassung abzuweisen, als ob den Klägern ein rechtlicher Anspruch darauf zustände, in demjenigen Ver⸗ hältniß zu dem vor ihren Grundstücken liegenden freien Platze, belassen zu werden, welches bisher und namentlich duch zu der Zeit, als sie ihre Grundstücke erwarben, bestanden hat. Ein solcher Rechts⸗ anspruch der Anlieger besteht mit nichten. Sie würden es z. B. nicht

hindern können, wenn der Platz, soweit nicht die Vorschriften der Baupolizeiordnung oder anderweite polizeiliche Rücksichten entgegen.

Behörden zur Errichtung einer

arkthalle oder zur Anlage einer öffentlichen Bedürfniß⸗ anstalt u. dgl. benutzt würde. Das, was für sie immer nur in Betracht kommen kann, ist eine billige und pflichtgemäße Berücksichtigung ihrer Interessen, soweit be mit einer etwa im öffentlichen ent ese wünschenswerthen Bebauung des Platzes in Widerspruch treten. un soll von diesem Standpunkt aus nicht geleugnet werden, daß es mehr im Interesse des Mitklägers H. liegen mag, wenn der Platz, der jeßt einem Theile seines Hauses gegen⸗ überliegt, in vollem Umfange unbebaut bleibt; aber andererseits ist, da immerhin vor diesem Hause die Straße reichlich 16 m breit bleibt, der Nachtheil, welcher dem Hause als Folge der Bebauung droht, nach der Ueberzeugung des Gerichtshofs bei weitem nicht 2 groß, wie ihn der Kläger H. darstellt, und namentlich worauf es allein ankommt nicht derartig, daß ihm gegenüber das öffentliche Interesse zurückstehen müßte.“ (IV. 1512.)

Die Polizeibehörde ist, nach einem Urtheil des Ober⸗ Verwaltungsgerichts, I. Senats, vom 12. November 1895, befugt, eine in einer Gastwirthschaft stattfindende Vereinsversamm⸗ lung, gleichviel ob der betreffende Verein ein politischer oder ein nichtpolitischer ist, wegen Eintritts der Polizeistunde zu schließen, sofern die Versammlung nicht als eine geschlossene und darum das Lokal während ihrer Dauer als ein nicht⸗öffentliches an⸗ Sege ist. „Die Eigenschaft des Vereins als eines politischen st an sich ohne Einfluß knf die Anwendung der Pecsgeiten über die Polizeistunde; ein politischer Verein unterliegt nicht lediglich wegen dieser Eigenschaft jenen Vorschriften. Deshalb kommt auf die Fefhervse der Parteien, daß und warum der F.'er Vor⸗ tragsverein ein politischer Verein sei oder nicht nichts an. Die Frage, ob die Vereinsversammlung eine öffentliche oder eine, auf einen individuell abgegrenzten Personenkreis beschränkte, eine ge⸗ schlossene war, ist nicht im Sinne der zweiten Alternative darum allein zu entscheiden, weil etwa das Lokal für diesen Abend vom Verein gemiethet war; denn auch in diesem Fall wurde das Lokal wieder zu einem öffentlichen, wenn es der Verein anderen Per⸗ sonen, als dem e das Statut abgegrenzten Personenkreise, zu⸗

änglich machte. Ob das Eine oder das Andere zutrifft, ist That⸗ rage. Der Inhalt der Statuten ist für sich allein nicht ent⸗ cheidend, es kommt darauf an, ob durch die thatsächliche Handhabung der⸗ elben die Oeffentlichkeit der an dem fraglichen Tage stattgehabten Vereinsversammlung ausgeschlossen gewesen ist. Diese Frage hat der beklagte Regierungs⸗Präsident ausdrücklich verneint; nach seinen An⸗ gaben hat es an 2— Kontrole über die Betheiligung an der Ver⸗ sammlung des Vereins, dessen Mitglieder auch dem Wirth des Lokals unbekannt waren, gefehlt; die Betheiligung anderer Wirthschafts⸗

ehe von den städtischen

.

1 besucher erachtet der Beklagte für um so wahrscheinlicher, als sie

im Interesse des Vereins lag. Diese Angaben hätte der Kläger ent⸗ kräften und nachweisen sollen, daß und warum die für den Verkehr in Gastwirthschaften allgemein geltenden Vorschriften im vorliegenden. Fall nicht Platz greifen.“ (I. 1428.)

Kunst und Wissenschaft.

Aus Budapest vom 4. Mai berichtet „W. T. B.“: Heute Nachmittag wohnte Seine Majestät der König der feierlichen Eröffnung des neuen Künstlerhauses bei. Der Unterrichts⸗ Minister Wlassics empfing den Monarchen, welcher von den Ver⸗ sammelten mit stürmischen Ovationen begrüßt wurde. Auf die Be⸗ grüßungsansprache des Unterrichts⸗Ministers erwiderte der König: Er sei mit Freuden zur Einweihung des neuen Kunstheims gekommen und wünsche aufrichtig, daß dasselbe den so schön fortschreitenden bildenden Künsten einen neuen Aufschwung zu weiterer Blüthe gebe. Der König besichtigte sodann eingehend die Kunstausstellung und sprach wiederholt seine Bewunderung und Anerkennung über die ausgestellten Gemälde aus.

Die internationale Urheberrechts⸗Konferenz hielt, wie „W. T. B.“ aus Paris meldet, gestern Nachmittag ihre sitzung ab, in welcher das Protokoll unterzeichnet wurde. Dasselbe wird erst im nächsten Monat durch das Berner Konventionsorgan publiziert werden. .

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Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 5. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II. hat am 2. Mai Abends die Reise von Gibraltar b8 fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Saale“ hat am 3. Mai Abends die Reise von Southampton nach New⸗Pork fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Ems' ist am 2. Mai Mittags von New⸗York nach Genua ab⸗ gegangen. Der Postdampfer „Pfalz“ ist am 2. Mai in Monte⸗ video angekommen. Der Postdampfer „Dresden“ hat am 3. Mai Vormittags Lizard pafsiert. Der Postdampfer „Mark“ ist am 3. Mai Abends in Antwerpen angekommen. Der Postdampfer „Wittekind“ hat am 3. Mai Vormittags Las Palmas peassiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Preußen“ hat am 3. Mai Abends Hurst Castle passiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Sachsen“ hat am 3. Mai Nachmittags die Reise von Singapore nach Colombo fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz Heinrich“' ist am 3. Mai Nachmittags in Genua angekommen. Der Dampfer „Löwenburg“' ist am 3. Mai Nachmittags in Oporto ange⸗

kommen. London, 4. Mai. (W. T. B.) Der Uniondampfer ist auf der Ausreise Sonnabend von Southampton

„Spartan“ abgegangen.

Rotterdam, 4. Mai. (W. T. B.) Niederländisch⸗ Amerikanische Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft. Die Dampfer „Veendam“ und „Zaandam“ sind Sonnabend Vor⸗ mittag von New⸗ düSr;

5. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer „Werkendam“ ist gestern Vormittag in New⸗York angekommen. Der Dampfer „Veendam“ hat gestern Nachmittag Lizard passieert.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause findet morgen eine Aufführun von Humperdinck's Märchenspiel „Hänsel und Gretel“ unter Kapell⸗ meister Weingartner's Leitung statt. Den Hänsel singt Fräulein Rothauser, das Gretel Fräulein Dietrich, die Knusperhexe Fräulein Reinl. Hieran schließt sich das Ballet „Phantasien im Bremer Rathskeller.

Im Königlichen Schauspielhause findet morgen Friedrich Febeer⸗ deutsches Trauerspiel „Die Nibelungen“ mit dem 2. Abend.

.Abtheilung: „Kriemhild's Rache“ seinen Abschluß. Die Besetzung ist folgende: König Etzel: Herr Ludwig; Dietrich von Bern: Herr Nesper; Hildebrant: Herr Kahle; Rüdiger: Herr Grube; Kriemhild: Fräulein Poppe; Ute: Frau Seebach; Hagen Tronje: Herr Molenar; Götelinde: Frau Stollberg; Gudrun: - von Mayburg; Volker: Herr Keßler; König Gunther: Herr 9u Herr Heine; Giselher: Herr Hertzer; Gerenot:

err Purschian. „Der Beifall, welchen die Aufführung von „Lumpacivagabundus“ in der Matinée des Deutschen Theaters gefunden hat, veranlaßt die Direktion, einige Wiederholungen dieses Stücks am Abend zu ver⸗ anstalten. Infolge dessen werden, unter Abänderung des Wochen⸗ veg Aufführungen von „Lumpacivagabundus“ morgen, Mittwoch, owie am Freitag und Sonntag Abend stattfinden.

Die Sopranistin eeen annenberg, der Baritonist Herr Harzen⸗Müller und der Organist Herr Jacobi werden morgen, Mitt⸗ woch, Mittags 12 Uhr, bei dem Orgelvortrag des Herrn Musik⸗ Direktors Otto Dienel in der Marienkirche mitwirken. er Eintritt ist frei.

Mannigfaltiges.

Die zehn Berliner Unfallstationen wurden im Monat April in 1244 Fe für erste Hilfe in Anspruch genommen, und zwar 1093 mal bei Unfällen und 151 mal bei plötzlichen Er⸗ krankungen. In den Stationen wurden 1143, außerhalb der⸗ selben 101 Personen behandelt.

Während der Monate Januar bis März befanden sich im städtischen Arbeitshause zu Rummelsburg durchschnittlich täglich an Korrigenden 1613 Personen, an Hospitaliten 393 Personen. Unter Hinzurechnung der durchschnittlichen Kopfstärke von 195 Zög⸗ lingen des Erziehungshauses wurden im Durchschnitt täglich 2201 Per⸗ von der Arbeitshaus⸗Verwaltung verpflegt. In der Schule des

rbeitshauses erhielten am 31. März d. J., an welchem Tage die F-vene des Hauses 2213 Personen betrug, 18 jugendliche Häuslinge ÜUnterricht.

Die Deutsche Gesellschaft für volksthümliche Natur⸗ kunde kündigt für Sonntag, den 10. Mai, wieder einen geologischen 8 unter F- des nen, Herrn Professor Dr. Wahnschaffe an. as Ziel der Exkursion, an der auch Damen theilnehmen können, ist das nahe gelegene Rüdersdorf mit seinem Muschelkalk und den dort vorkommenden Gletscher⸗Erscheinungen aus der Eiszeit. Ausführliche Programme sind durch den Schriftführer Herrn Dr. W. Greif, Engelufer 1, zu beziehen.

Die elektrische Beleuchtung der Gewerbe⸗Aus⸗ stellung macht, wie bereits in der Estrigen Nummer d. Bl. ge⸗ meldet, erfreuliche Fortschritte. Am Sonntag erhielten das „nasse Viereck“, das Hauptrestaurant und die nördliche Wandelhalle, sowie die Marineschauspiele Licht. Bis morgen, Mittwoch, Abend, soöll auch die südliche Wandelhalle, die Umgebung des „Neuen Sees“ und der plag vor dem ö mit dem Café Bauer erleuchtet sein. Die vollständige elektrische Beleuchtung der Ausstellung wird, nach Versicherungen der Elektrotechniker, bis zum 15. d. M. durch⸗ geführt werden.

Von „Kießling's Berliner Verkehr“, dem beliebten rothen Westentaschen⸗Kursbuch sämmtlicher Berliner Verkehrsmittel, erschien pünktlich die Sommer⸗Ausgabe (Preis 30 ₰). Die darin mit⸗ etheilte, übersichtlich nach den Bahnen geordneten Eisenbahn⸗ Febr läne sind derartig erweitert, daß sie für Touren in der

ark Brandenburg und den angrenzenden Gebieten vollkommen ausreichen; auf den Verkehr mit der Gewerbe⸗Ausstellung ist besondere Rücksicht genommen. Die Pferdebahn⸗Fahrpläne weisen