Meine Herren, wenn les ein anderes Mittel gäbe, den großen Andrang von Aspiranten, unter dem die Justizverwaltung zu leiden hat, zu beseitigen, dann würde ja die Staatsregierung von der Vorlage möglicherweise haben Abstand nehmen können. Ein solches durch⸗ greifendes Mittel ist aber von keiner Seite vorgeschlagen worden, insbesondere nicht von seiten der grundsätzlichen Opposition des Hauses. Im wesentlichen kommt hier alles hinaus auf eine Negation, und viel mehr als diese Bedeutung kann ich auch nicht dem Antrag Schmieding zuerkennen, der in seiner Isolierung scheinbar einer Verstümmelung des nun zurückgegangenen Antrags Hofmann seine Entstehung verdankt, der aber der Regierung das nicht bietet, was sie nothwendig haben zu müssen glaubt. In Verbindung mit dem Antrag Busch würde der Antrag voraussichtlich der Staats⸗ regierung annehmbar sein. (Heiterkeit links.) Obgleich ich nicht in der Lage bin, mich über die heute gestellten Anträge namens der Staats⸗ regierung aussprechen zu können, so glaube ich doch wiederholen zu können, was ich schon in der Kommission gesagt habe, daß die Regierung keineswegs Werth darauf legt, daß § 8 in der vorgeschlagenen Fassung Gesetz wird, daß sie aber glaubt, den Gedanken der Vorlage in anderer Form, Spitzen vermeidet, verkörpert zu sehen müssen, wenn die Vorlage an⸗ nehmbar sein soll. Eine solche andere Gestaltung des Gedankens würde sie, wie ich glaube, in dem von jener (der rechten) Seite ge⸗ stellten Antrag zu erblicken in der Lage sein.
Die Justizverwaltung ist auch fernerhin, wie bisher, bereit, sich
der Ausbildung aller derjenigen Herren, welche das Bedürfniß haben, sich mit Hilfe der Justizbehörden eine abgeschlossen praktisch⸗juristische Bildung zu verschaffen, zu unterziehen. Wenn aber daraus die Ver⸗ pflichtung der Justizverwaltung erwachsen soll, daß sie alle diese Herren, die vielleicht zu Anfang garnicht in der Justiz das Endziel ihrer Laufbahn erblickt, sondern an alle möglichen anderen Verwendungen im Staatsdienst, im Gemeindedienst oder sonst im öffentlichen Leben gedacht haben, — wenn aus dieser Erziehung, durch die sie den jungen Herren eine Wohlthat zu erweisen glaubt, für die Justizverwaltung die Verpflichtung hergeleitet werden soll, die Fürsorge für alle diese Herren zu übernehmen, die anderswo nicht übernommen werden, dann geht das über das hinaus, was sie zu leisten vermag; einer solchen Verpflichtung wird sie sich dauernd nicht unterziehen können. (Lebhafter Beifall rechts. Zischen links.) Abg. von Tiedemann⸗Bomst polemisiert gegen den Abg. Reeren, bleibt aber bei der großen Unruhe des Hauses im einzelnen 1“ er empfiehlt schließlich die Annahme des Antrags ause. Abg. Dr. Dziorobek (Pole) erklärt sich gegen die Vorlage, bleibt aber im einzelnen infolge der übergroßen Unruhe im Hause unverständlich; er scheint zu bedauern, daß der Minister nichts auf die Angriffe aus dem Anwaltsstande erwidert hat. Justiz⸗Minister Schönstedt: 6
Meine Herren! Ich habe nur die Schlußworte des Herrn Vor⸗ redners verstanden in dem großen Geräusch und daraus entnommen, daß mir der Vorwurf gemacht wird, mich nicht geäußert zu haben
ber die Bedenken, die aus den Kreisen der Anwalte gegen den § 8
vorgebracht werden. Ich erkenne diesen Vorwurf als begründet an; ich habe versäumt, darüber mich zu äußern, und will das nachholen. 1 Ich begreife an sich die Bewegung, die in den Kreisen der An⸗ walte gegen den § 8 entstanden ist. Es ließ sich aus dem Wortlaut desselben und aus der Begründung immerhin in gewissem Grade die Befürchtung herleiten, daß minderwerthige Assessoren in nicht er⸗ wünschter Zahl dem Anwaltsstande zuströmen würden. Aber, meine Herren, diese Befürchtung ist doch, wie ich glaube, stark übertrieben, insoweit, als immer nur von der Minderwerthigkeit die Rede ist (sehr richtig! rechts), während das Gesetz davon ausgegangen ist, daß die entbehrlichen und darunter auch die minderwerthigen Assessoren von der Verwendung als Richter ausgeschlossen werden sollen. Hier⸗ bei würde voraussichtlich der Durchschnitt der zur Anwaltschaft über⸗ tretenden Assessoren nicht viel unter dem Durchschnitte derjenigen stehen, die in dem höheren Justizdienst bleiben. Aber ich halte überhaupt die Befürchtung für unbegründet, wenn, wie ich hoffe, das Gesetz seinen eigentlichen Zweck auf indirektem Wege erreicht, und das ist der, daß die bloße Existenz einer solchen Bestimmung den Andrang zum höheren Justiz⸗ dienst dergestalt mindern wird, daß auch der Anwaltsstand sogar in eine bessere Situation kommt als jetzt. Es wird eine strengere Selbst⸗ prüfung bei der Wahl des Berufes bei jedem Einzelnen eintreten, ob er in der That glaubt, die Eigenschaften in sich zu vereinigen, die ihm die Anwartschaft geben können, in den Justizdienst aufgenommen zu werden, und voraussichtlich wird eine solche Prüfung manchen abhalten, sich dem höheren Justizdienste zuzuwenden, der jetzt meint, er werde das gewünschte Ziel ohne Schwierigkeit erreichen. Das würde auch der Rechtsanwaltschaft nach meiner Meinung zu gute kommen.
Im übrigen werden, wenn die Interessen des eigentlichen Justiz⸗ dienstes mit denen der Rechtsanwaltschaft konkurrieren, für die Rechts⸗ anwaltschaft auf anderem Wege Schutzmittel gesucht werden müssen. Es könnte in Frage kommen, ob etwa im Wege der Reichsgesetzgebung die Befugniß der Organe des Anwaltsstandes zur Zurückweisung un⸗ geeigneter Elemente zu erweitern oder der Zulassung zur Anwaltschaft gewisse Schranken zu ziehen wären. Es ist ja schon ein Versuch vor⸗ bereitet gewesen nach dieser Richtung hin, und er ist hauptsächlich ge⸗ scheitert an dem Widerstande der überwiegenden Mehrheit des An⸗ waltstandes, die bis dahin jeder Beschränkung der Freiheit der An⸗ waltschaft entgegentrat. Es scheint, als wenn die Stimmung in den Kreisen der Anwalte nach dieser Richtung hin im Laufe der Zeit sich einigermaßen geändert hätte; ich jhabe wenigstens Aeußerungen in diesem Sinne von ver⸗ schiedenen Seiten gehört. Es würde aber, wie ich glaube, jetzt zu⸗ nächst Aufgabe der Vertreter der Anwaltschaft sein, gesetzgeberische Aenderungen in der angedeuteten Richtung in Anregung zu bringen. Im übrigen würde, worauf schon Herr Dr. Oswalt hingewiesen hat, auch eine strengere Handhabung der Befugnisse der Ehrengerichte dahin wirken können, daß unlautere Elemente unter allen Umständen vom Anwaltsstande ferngehalten würden; daß hieran auch die Justiz⸗ verwaltung das allergrößte Interesse hat, darüber ist kein Zweifel, und daß sie ihrerseits alles thun wird, was dazu beitragen kann, das Eindringen unlauterer Elemente in den Anwaltsstand zu verhindern, das, meine Herren, brauche ich wohl kaum ausdrücklich zu versichern.
Die Diskussion wird geschlossen.
Es findet nunmehr eine namentliche Abstimmun den Antrag Krause statt, der von dem oben erwähnten
über ntrag
die nach jeder Richtung hin alles Kränkende, alle
Schmieding die letzte Bestimmung: „Die naͤheren Ausführungs⸗ bestimmungen werden vom Justiz⸗Minister im Wege des Regulativs erlassen“ streichen und durch den ebenfalls oben erwähnten Antrag Busch ersetzen will.
erselbe wird mit 179 gegen 166 Stimmen abgelehnt. Drei Abgeordnete haben sich der Abstimmung enthalten.
Abgelehnt wird ebenfalls der Antrag Schmieding, für welchen allein die Nationalliberalen stimmen; ebenso der Antrag Busch, für welchen die Konservativen und Fer konservativen stimmen, und schließlich auch gegen dieselbe Minorität der § 8 der Regierungsvorlage.
Der Rest des Gesetzes wird ohne Debatte angenommen, mit Ausnahme des § 11, dessen Streichung die Kommission beantragt 8 und der nach der Ablehnung des § 8 hinfällig geworden ist.
Es folgt die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes, betreffend die Errich⸗ tung einer Zentralanstalt zur öö des ge⸗ nossenschaftlichen Personalkredits. Derselbe wird ohne Debatte angenommen.
Schluß gegen 4 Uhr ächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr. (Sekundärbahnvorlage.)
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 5. d. M. gestellt 11 681, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
In Oberschlesien sind am 4. d. M. gestellt 4280, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 4. und 5. Mai die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Quitzowstraße 116, dem Bauunternehmer August Kunow ge⸗ hörig; Fläche 3,27 a; mit dem Gebot von 72 000 ℳ blieb der Rentier Ed. Rickmann, Siemensstraße 4, Meistbietender. — Lieben⸗ walderstraße 39, dem Tischlermeister Jul. Grunow gehörig; läche 12,25 a; Nutzungswerth 14 550 ℳ; Meistbietender blieb der Rentier Carl Lippelt, Marienburgerstraße 1, mit dem Gebot von 152 900 ℳ — Soldinerstraße, Parzelle 16, dem Maurermeister Ferdinand Gräbendorff gehörig; .85 10,20 a; Nutzungs⸗ werth 11 990 ℳ; Meistbietender blieb der Kaufmann Max Mühlen⸗ thal, Schiffbauerdamm 29, mit dem Gebot von 172 400 ℳ Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin ist das Ver⸗ fahren der Zwangsversteigerung des im Grundbuche von Tegel, Band 9 Blatt Nr. 280, auf den Namen des Architekten Witt zu Berlin eingetragenen, zu Tegel angeblich an der Brunowstraße 22 belegenen Grundstücks aufgehoben worden. Der auf den 15. Mai d. J. anberaumte Versteigerungstermin sowie der auf den 20. Mai d. J. anberaumte Termin zur Ertheilung des Zuschlags sind auf⸗ gehoben. — Das Verfahren der Zwangsversteigerung des im Grund⸗ buche von Friedenau, Band 8 Blatt Nr. 714, auf den Namen des Gastwirths Wilhelm Grube eingetragenen, zu Friedenau, Stubenrauchstraße 20, belegenen Grundstücks ist aufg Poben. Die Termine am 5. Mai und 9. Mai d. J. fallen fort.
— In der heutigen ordentlichen Generalversammlung der Aktien⸗ gesellschaft für Montanindustrie wurden die Anträge der Verwaltung genehmigt, die Dividende auf 8 % festgesetzt und die Mitglieder des Aufsichtsraths wiedergewählt.
— Die gestern in Dortmund abgehaltene Generalversammlung der Aplerbecker Bergbau⸗Gesellschaft (Zeche Margaretha) setzte, wie die „B. B.⸗Z.“ berichtet, die sofort zahlbare Dividende auf 5 % fest und wählte die ausscheidenden Mitglieder des Verwal⸗ tungsraths wieder.
— Das 4. (April⸗) Heft der „Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes 1896“, welche unter der Redaktion des Professors Dr. A. Slaby im Verlage von Leonhard Simion in Berlin erscheinen, bringt folgende Abhandluug: Die Unfall⸗ versicherung des Deutschen Reichs in ihrer Einwirkung auf die deutsche Industrie. Von Professor Konrad Hartmann, Regierungs⸗Rath im Reichs⸗Versicherunggamt. — Dem Heft beigelegt ist der Sitzungs⸗ bericht vom 13. April 1896 mit b . Inhalt: Vereinsnachrichten. — Ueber Brände im preußischen Staat, ihre Ursachen und Abwehr. — Nachtrag zum Bericht über die Sitzung vom 2. März 1896.
— Das „Gewerbeblatt aus Württemberg“', welches von der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart herausgegeben wird, hat in der Nr. 18 vom 2. Mai d. J. folgenden Inhalt: Dienstnachricht. — Bestellung eines neuen Verwalters der Steinbeis⸗Stiftung. — Ergebnisse der Verwaltung der Steinbeis⸗ Stiftung. — Ergebnisse der Verwaltung des gewerblichen Stiftungs⸗ fonds. — Verlegung des Zeichenunterrichts auf Werktage. — Ueber enge⸗ Handel und Verkehr im Jahre 1895. — Verschiedene
ittheilungen. — Gewerbliche ꝛc. Rezepte. — Ausstellungswesen. — Mittheilungen aus dem Vereinsleben. — Neues im Lesezimmer. — Gebrauchsmuster. — Neue Erwerbungen für die Bibliothek der Kgl. entralstelle für Gewerbe und Handel. — Aus dem Lesezimmer der
gl. Zentralstelle.
Königsberg, 5. Mai. (W. T. B.) Getreidemarkt. Weizen träge. Roggen unverändert, pr. 2000 Pfd. Zollgewicht 105 — 106. Gerste ruhig. Hafer behauptet, do. loko pr. 2000 Pfd. Zeggewicht 112. Weiße Erbsen pr. 2000 Pfd. Zollgewicht 108,00. piritus pr. “ 100 % loko 32,10, do. pr. Mai 32,40, do. pr. Herbst
Danzig, 5. Mai. (W. T. B.) Getreidemarkt. Weizen loko unverändert, Umsatz 150 t, do. inländ. hochbunt und weiß 151, do. inländ. hellbunt 149, do. Transit hochbunt und weiß 115, do. hellbunt 113, do. Termin zu freiem Verkehr pr. Mai⸗Juni 144,50, do. Transit pr. Mai⸗Juni 110,50, Regulierungspreis zu freiem Verkehr 151. Roggen loko schwächer, inländischer 107 do. russischer und polnischer zum Transit 72, do. Termin pr. Mai⸗Jun 110,50, do. Termin Transit pr. Mai⸗Juni 76,50, do. Regu⸗ lierungspreis zum freien Verkehr 108. Gerste, große (660 — 700 Gramm) 114. Gerste, kleine (625 — 660 Gramm) 105,00. fer, inländischer 104,00. Erbsen, inländische 108,00. Spiritus loko kontingentiert. 52,00, nicht kontingentiert 32,50.
Breslau, 5. Mai. (W. T. B.) Getreide⸗ und Produktenmarkt. Spiritus pr. 100 1 100 % exkl. 50 ℳ Ver⸗ brauchsabgaben pr. April 51,30, do. do. 70 ℳ Verbrauchsabgaben pr. April 31,50.
vn 5. Mai (W. T. B.) Zuckerbericht. Korn⸗ zucker exkl., von 92 % —,—, Kornzucker exkl. 88 % Rendement —,—, Nachprodukte exkl., 75,0 % Rendement 10,00 — 10,70. Ruhig. Brotraffinade I 25,25. Brotraffinade II 25,00. Gem. Raffinade mit Faß 24,75 — 25,25. Melis I mit Faß 24,50. Ruhig. Rohzucker I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. Mai 12,45 Gd., 12,47 ½ Br., pr. Juni 12,62 ½ bez. und Br., pr. Juli 12,72 ½ Gd., 12,75 Br., pr August 12,82 ⅜ Gd., 12,85 Br., pr. Oktober⸗Dezember 11,85 Gd., 11,87 ½ Br. Rphig ettc
Leipzig, 5. Mai. A. c. Fe Kammzug⸗Terminbandel. La Plata. Grundmuster B. pr. Mai 3,22 ½ ℳ, pr. Juni 3,27 ½ ℳ, pr. Juli 3,27 ½ ℳ, pr. August 3,30 ℳ, pr. September 3,30 ℳ, pr. Oktober 3,30 ℳ, pr. November 3,32 ½ ℳ, pr. Dezember 3,32 ½ ℳ, pr. Januar 3,35 ℳ, pr. Februar 3,35 ℳ, pr. März 3,37 ½ ℳ, pr. April 3,37 ½ ℳ Umsatz: 40 000 kg. Ruhig.
Bremen, 5. Mai. (W. T. B.) Börsen⸗Schluß⸗Bericht. Raffiniertes Petroleu m. (Offizielle Nottegun., der Bremer
1 Ruhig. Loko 5,70 Br. Russisches Petroleum. oko 5,50 Br. chmalz. Fest. Wilcox 27 ¼ ₰, Armour shield
Der Schnelldampfer „
86 % ₰, Cudahy 27 ½ 4, Choice Grocery 27 ½ ₰, White label 27 ½ 3, 5 rbanks 25 . Speck. . Short clear middling loko 24 ₰. Reis. Abgeber zurückhaltend. Kaffee fest. Baumwolle anziehend. Upland middl. loko 41 ¼ 4. Wolle. Umsatz 189 Ballen. Taback. 206 Seronen Carmen, 540 Packen Sumatra.
Hamburg, 5. Mai. (W. T. B.) Getreidemarkr. Weizen loko ruhig, holsteinischer loko neuer 153 — 154. Roggen loko ruhis⸗ hiesiger —, mecklenburger loko neuer 127 — 130, russischer loko ruhig, 80 — 82. Hafer ruhig. Gerste ruhig. Rüböl (unverzollt) fest, loko 47 ½. Spiritus sehr still, pr. Mai⸗Juni 16 ¾ Br., pr. Juni⸗Juli 16 ⅞ Br., per August⸗September 17 ½¼ Br., per September⸗ Oktober 17 ¾ Br. Kaffee fest. Umsatz 4000 Sack. Petroleum still, Standard white loko 5,70.
Kaffee. (Nachmittagsbericht) Good average Santos pr. Mai 68ꝛ ¾, pr. September 64 ¼, pr. Dezember 60, pr. März 59 ½. Behauptet. — Zuckermarkt. (Schlußbericht.) Rüben⸗Rohzucker I. Produkt Basis 88 % Rendement neue Usance, frei an Bord Hamburg pr. Mai 12,42 ½, pr. Juni 12,55, pr. August 12,75, pr. Oktober 11,92 ½, pr. Dezember 11,87 ½, pr. März 12,05. Matt.
London, 5. Mai. (W. T. B.) Wollauktion. Preise un⸗ verändert.
96 % Javazucker 14 ruhig, Rüben⸗Rohzucker loko 12 7⁄16 ruhig. — Chile⸗Kupfer 45 ⅜, pr. 3 Monat 451116.
London, 5. Mai. (W. T. B.) Nach einer Depesche des „R. B.“ aus Shanghai wird sich Fi.Hunetöng nach der Moskauer Krönungs⸗ feier an die Höfe der Vertragsmächte begeben, um die Regierungen zu veranlassen, in eine fünf bis achtprozentige Erhöhung der ad valorem⸗Zölle in den Vertragshäfen Chinas zu willigen.
— 6. Mai. (W. T. B.) Wie die „Times“ meldet, werden Freitag ungefähr vier Millionen Pfund Sterling von der chinesischen Regierung auf das Konto Japans bei der Bank von England eingezahlt.
1““ 5. Mai. (W. T. B.) Baumwolle. nasa 10 000 B., davon für Spekulation und Export 500 B. Fest. Amerikaner ⁄2 höher, Egypter brown good fair 61 ¼16. Middl. amerikanische Lieferungen: Sehr stetig. Mai⸗Juni 411/32 — 4 2 ⁄64 Verkäuferpreis, Juni⸗Juli 4 ⁄16 — 42 ⅛6 4 do., Juli⸗August 41 4 Käuferpreis, August⸗September 4 ¼ do., September⸗Oktober 42⁄64 Ver⸗ käuferpreis, Oktober⸗November 4 3»84 do., November⸗Dezember 4 ⁄24 do., Dezember⸗Januar 4 ⁄64 do., Januar⸗Februar 41⁄64 — 4 2 do., Februar⸗ März 411 2— 4 %4 d. do.
Manchester, 5. Mai. (W. T. B.) 12r Water Taylor 5 ½, 30r Water Taylor 7 ¼, 20r Water Leigh 6 ¼, 30r Water Clayton 7 , 32r Mock Brooke 7, 40r Mayoll 7 ½⅞, 40r Medio Wilkinson 8, 32r Warpcops Lees 6 ¾, 36r Warpcops Rowland 7 ⅛, 36 Warpcorps Wellington 7 ⅛⅝, 40r Double Weston 8 ⅝, 60r Double courante Qualität 11 ⅝, 32“ 116 vards 16 % 16 grey Printers aus 321/461 159. Stramm.
Paris, 5. Mai. (W. T. B.) (Schluß.) Rohzucker ruhig, 88 % loko 32 ½ à 32 ½. Weißer Zucker ruhig, Nr. 3, pr. 100 kg, pr. Mai 32 ⅜, pr. Juni 32 ⅞, pr. Juli⸗August 33 ¼, pr. Oktober⸗Januar 32 ¼.
St. Petersburg, 5. Mai. (W. T. B.) Von der General⸗ versammlung der Aktionäre der Wolga⸗Kamg⸗Kommerzbank wurde die Abrechnung für 1895 genehmigt. Der Reingewinn beträgt 4 009 474 Rbl. Nach statutenmäßiger Vertheilung der Tantioöͤmen verbleiben zu Gunsten der Aktionäre 3 052 192 Rbl. Hiervon kommen zur Vertheilung 2 720 000 Rbl., d. h. 68 Rbl. Dividende 2 die Aktien. 332 192 Rbl. werden der Reserve⸗Dividende zugeschlagen. Die Gründerantheile nehmen am Gewinn mit 83 056 Rbl. theil. Hiernach erreicht das Reservekapital den Betrag von 3 947 508, die
eserve⸗Dividende von 2 007 095, das Amortisationskapital der Im⸗ mobilien von 584 093, die Gesammtsumme der Reserven von 6 538 696 Rbl. b
Amsterdam, 5. Mai. (W. T. B.) Java⸗Kaffee good ordinary 51 ½. — Bancazinn 36 ½. .
Brüssel, 5. Mai. (W. T. B.) Die Einnahmen der Prinz Heinrich⸗Bahn betrugen in der dritten April⸗Dekade: aus dem Bahnbetriebe 93 991 Fr., aus den Minen 10 915 Fr., Ge⸗ sammteinnahmen 104 906 Fr., Mindereinnahme gegen die vor⸗ Iö1ö“ im entsprechenden Zeitraum des vorigen Jahres
258
New⸗York, 5. Mai. (W. T. B.) Die Börse eröffnete träge und schloß nach Beibehaltung der trägen Stimmung ruhig. Der Umsatz in Aktien betrug 102 000 Stück.
Zur Ausfuhr am Donnerstag, den 7. d. M., sind 1 500 000 Dollars Gold bestellt. 1
Weizen setzte zwar bei Beginn des Markts mit gestrigen Schlußkursen ein, gab aber bald infolge günstiger Ernteberichte und Verkäufe für auswärtige Rechnung im Preise nach. Die Veröffent⸗ lichung der Broadstreetsberichte brachte jedoch eine allgemeine Besserung, und man neigte der Ansicht zu, daß die Aufwärtsbewegung sich nun⸗ mehr stetig fortentwickeln werde. Von der Richtigkeit dieser An⸗ nahme, die in umfangreichen Deckungskäufen lebhaft zum Ausdruck kam, waren auch die Baissiers überzeugt. Infolge der vermehrten Nachfrage zogen die Preise weiter an, um so mehr als mit diesen Käufen Meldungen über ungünstige Ernten Hand in Hand gingen. Gegen Schluß wurde jedoch die Preissteigerung durch Gewinn⸗ realisierungen ausgenutzt, durch welche wieder eine Abschwächung herbeigeführt wurde. — Mais anfangs steigend; später trat Reaktion ein. Der Markt wurde durch die Bewegungen des Weizens beherrscht.
Waäarenbericht. Baumwolle⸗Preis in New⸗York 8 ¾, do. do. in New⸗Orleans 7 ¼¾, Petroleum Stand. white in g, 6,95, do. do. in Pünade shs 6,90, do. rohes (in Cases) 7,85, do. 145 line Certif. pr. Mai 122 ½, Schmalz Western steam 5,05, do. Rohe & Brothers 5,30, Mais pr. Mai 34 ¼¾, do. pr. Juni —, do. pr. Juli 35 ¾, Rother Winterweizen 74, Weizen pr. Mai 69, do. pr. Juni 69, do. pr. Juli 69, do. pr. September 69 ½8, Getreide⸗ fracht nach Liverpool 2 ½, Kaffee fair Rio Nr. 7 13 ⅛, do. Rio Nr. 7 pr. Juni 12,75, do. do. pr. August 12,10, Mehl, Spring⸗Wheat clears 2,50, Zucker 3 ¾, Zinn 13,40, Kupfer 10,80.
Der Werth der in der vergangenen Woche ausgeführten Kaenaete betrug 7 045 439 Doll. gegen 7 785 331 Doll. in der
orwoche.
Weizen⸗Verschiffungen der letzten W von den atlanti⸗ schen Häfen der Vereinigten Staaten nach Großbritannien 37 000, do. nach Frankreich —, do. nach anderen Häfen des Kontinents 12 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 17 000, do. nach anderen Häfen des Kontinents — Qrts.
hicago, 5. Mai. (W. T. B.) Günstiges Wetter und leb⸗ hafte Verkäufe sowie die Zunahme der Eingänge wurden die Veran⸗ lassung, daß Weizen anfangs eine wesentliche Einbuße erlitt. Nur den Käufen der großen Spekulanten, die sich den niedrigen Preisstand zu Nutze machten, war es zu danken, daß gegen Schluß wieder eine Erholung eintrat. — Mais eröffnete stetig und schloß, da keine be⸗ sondere Anregung vorlag, fest.
Weizen pr. Mai 61, do. pr. Juni 61 %l. Mais pr. Mai 28 ½. Schmalz pr. Mai 4,77, do. pr. Juni 4,8 elear 4,25. Pork pr. Mai 7,92.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 6. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. ulda“ hat am 4. Mai Abends die Reise von Gibraltar nach Neapel fortgesetzt. Der Dampfer „Löwen⸗ burg“ hat am 4. Mai Nachmittags die Reise von Oporto nach “ fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm II.“ at am 5. Mai Vormittags Punta Delgada passiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz Heinrich“ hat am 5. Mai Verutgog. die Reise von Genua nach Neapel fortgesett. Der Reichs⸗Post⸗ dampfer „Preußen“ ist am 5. Mai Morgens in angekommen. 86 “
7. Sp eck short
Antwerpen
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Mittwoch, den 6. Mai
Statistik und Volkswirthschaft.
v Zur Arbeiterbewegung. v“ Aus Reichenbach (Schlesien) wird der „Köln. Ztg.“ gemeldet: Der Vermittelung des Gewerbe⸗Inspektors Töpert ist es gelungen, den Ausstand der Weber beizulegen. (Vgl. Nr. 105 d. Bl.) 1200 Arbeiter nahmen am Montag nach erfolgter Lohnzulage die Arbeit wieder auf.
In Leipzig wurde, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, in einer Ver⸗ sammlung der Tischler am Montag die Zahl der ausständigen Berufsgenossen auf 400 angegeben. — In einer Versammlung der Schmiedegehilfen wurde am Dienstag mitgetheilt, daß 207 Schmiede ausständig waren.
In Mülhausen i. E. traten am Montag etwa 100 Bau⸗ handwerker in den Ausstand ein. Inzwischen hat die Bewegung zugenommen, sodaß in der „Frkf. Ztg.“ die Zahl der ausständigen Maurer und Zimmerleute für den gestrigen Tag mit 300 an⸗ geführt wird.
Hier in Berlin sind am Montag die Former und Gießer aus fünfzehn Berliner Werkstätten in den Ausstand eingetreten, weil sie am wegen unberechtigten Fernbleibens von der Arbeit am Freitag entlassen worden waren (vgl. Nr. 106 d. Bl.). Die Fabrikanten zeigten sich, der „Voss. Ztg.“ zufolge, geneigt, die Ent⸗ lassenen nach drei Tagen, also am Dienstag, wieder einzustellen. In einer Versammlung der Entlassenen wurde jedoch beschlossen, die Arbeit am 6. Mai nur dann wieder aufzunehmen, wenn für die Arbeitsruhe volle Entschädigung gezahlt und der 1. Mai 1897 als Feiertag von den C anerkannt würde. — In der Luxuspapierfabrik von E. Wunsch haben, wie im „Vorwärts“ mitgetheilt wird, die Präger und Prägerinnen die Arbeit niedergelegt. 1
In Mastricht brach, wie der „Köln. Ztg.“ unter dem 4. Mai geschrieben wird, unter den Glasarbeitern ein Ausstand aus, wobei Ruhestörungen vorkamen.
In Verviers haben die Fabrikbesitzer ein Anschreiben an die Arbeitskommission der ausständigen Weber gerichtet, in dem sie zwar das Zweistuhlsystem unbedingt aufrechthalten, aber den Arbeitern gewisse Zugeständnisse nicht versagen. Sie ersuchen, wie der „Voss. Ztg.“ mitgetheilt wird, die Ausständigen, nochmals die Sachlage zu prüfen, da die Lage der Arbeiter durch das neue System nur verbessert werde. — Die Ausständigen haben, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, am Montag beschlossen, den Ausstand fortzusetzen, da die Vor⸗ schläge der vereinigten Fabrikanten ihnen nicht genügen. Literatur. 8
Aeta Borussica. Denkmäler der preußischen Staats⸗ verwaltung im 18. Jahrhundert, herausgegeben von der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Die einzelnen Gebiete der Verwaltung. Getreidehandelspolitik. Erster Band: Die Getreide⸗ handelspolitik der europäischen Staaten vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, als Einleitung in die preußische Getreide⸗ handelspolitik. Darstellung von Dr. W. Naudé. Berlin, Verlags⸗ buchhandlung Paul Parey. Preis 11 ℳ 8
Die Literatur der Geschichte der Getreidehandelspolitik bot bisher nur vereinzelte Anfänge, monographische Untersuchungen über wenige Staaten und Epochen, jeder Ueberblick über das Ganze aber fehlte. Jetzt, wo die Königliche Akademie der Wissenschaften die Herausgabe der Akten der preußischen Getreidehandelspolitik im 18. Jahrhundert in Aus⸗ s genommen und den Dr. Naudé mit dem hierfür erforderlichen Vor⸗
ereitungen beauftragt hat, erschien ein solcher Ueberblick, eine ein⸗ leitende Darstellung über die Getreidehandelspolitik der europäischen Staaten vom 13. bis zum 18. Jahrhundert um so wünschenswerther, als nur auf diesem Hintergrunde und im Vergleich mit den Nachbar⸗ staaten die preußische Getreidehandelspolitik im 18. Jahrhundert und die Bestrebungen Friedrich's des Großen ganz verstanden und gewürdigt werden können. So hat es denn Dr. Naudé unternommen, das in Archivalien, Akten⸗ und Quellenpublikationen, Urkundenbüchern, Ge⸗ schichtswerken, handels⸗ und wirthschaftspolitischen Schriften weit zer⸗ streute Material kritisch zu sichten und zusammenzufassen, und bietet auf Grund desselben zum ersten Mal eine eingehende, den großen Zusammenhang und die großen Verschiedenheiten in der
Geschichte der Getreidehandelspolitik der europäischen Staaten auf⸗
deckende, die ganze Entwickelung von der städtischen zur territorialen
und staatlichen Politik, den Unterschied zwischen einem Staat wie
G mit seinem mächtigen Zwischenhandel, einem großen industriellen Binnenlande wie Frankreich und einem Getreide exportierenden Seestaat, wie es England von 1689 bis 1760 war,
scharf kennzeichnende und klar darlegende Darstellung der Ge⸗ treidehandelspolitik der europäischen Staaten von bedeutendem
hiftoilchen und staatswissenschaftlichen Werthe. Behandelt sind ins⸗ besondere die Getreidehandelspolitik Athens und Roms, die Karl's des Großen, die der deutschen Städte im Mittelalter, die französische, englische, italienische (in Florenz, Mailand, im Kirchenstaat, in Neapel, Sizilien, Venedig, Genua, Piemont und Toscana), die spanische, portugiesische, die der Hansa und des Deutschen Ordens, die holländische, dänische, schwedische und russische Getreidehandelspolitik. Es soll hier nicht im Auszuge wiedergegeben werden, was in vollem Umfange ge⸗ lesen zu werden verdient. Niemand, der sich für die wirth⸗ schaftliche Entwickelung Deutschlands interessiert, wird dieses Buch ohne reiche Belehrung aus der Hand legen. Nach⸗ dem in Nr. 98 des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“, Erste Beilage, bereits ein Ueberblick über die Geschichte der englischen Getreide⸗ handelspolitik gegeben und namentlich das Budnheha. Wilhelm's III. von 1689, welches einen Markstein in der Geschichte der Volkswirthschaft und Getreidehandelspolitik der europäischen Völker bildet, gewürdigt worden ist, sollen hier nur einige Kernfragen der französischen und holländischen Getreidehandelspolitik kurz be⸗ sprochen werden. 3 In Frankreich, wo, wie in Deutschland und anderen Ländern, im ganzen Mittelalter der Getreidehandel rein städtisch organisiert war, wo noch im 16. Jahrhundert Provinz gegen Provinz in territorialer Engbherzigkeit sich die Kornzufuhr absperrte und die Frei⸗ heit des interprovinzialen Getreidehandels, die Voraussetzung einer staatlichen Getreidehandelspolitik, erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts für einen Theil des heutigen Frankreich proklamiert wurde, begann mit der E eee IV. (1589) und in noch höherem Maße, nachdem Sully Minister und Rathgeber des Königs geworden war, eine planmäßige Begünstigung des Ackerbaues und Förderung der Getreideausfuhr. Auf zwei Reisen, die er 1596 und 1598 durch anz Frankreich unternommen, hatte Sully die Meinung bei sich be⸗ düege daß der Reichthum Frankreichs ganz und gar auf seiner Land⸗ wirthschaft beruhe, und daß der Ackerbau nur blühen könne, wenn man ihm genügenden Absatz für seine Erzeugnisse eröffne. In einem be⸗ kannten Worte erklärte er den Ackerbau zusammen mit der Viehzucht für die beiden Brüste, von denen Frankreich sich nähre. Demgemä wurde die Freiheit der Getreideausfuhr proklamiert und auf ganz Frank⸗ reich ausgedehnt, zugleich unter Aufhebung gewisser Zollaufschläge, die außer den althergebrachten Zöllen bisher noch auf der Ausfuhr lasteten. Zur Zeit Heinrich's IV. war infolgedessen das Getreide eines der wichtigsten, vielleicht das mr Fetgste Ausfuhrprodukt Frankreichs; es wird bei der Ausfuhr an erster Stelle genannt, und nach ihm erst folgen Wein, Salz, Safran, Seide, Holz, Papier, Vieh u. s. w. Die fünfzig Jahre vom Tode Heinrich's IV. bis zum Eingreifen Colbert's
(1610 — 1661) waren eine Zeit, in der die Ideen Sully'’s noch fort⸗ wirkten und die Wirthschaftspolitik des Staats beeinflußten. Freilich unterlag die Einheitlichkeit des Systems nunmehr häufigeren Er⸗ schütterungen und Angriffen, als es unter der Regierung König Heinrich's der Fall gewesen war. Namentlich mit der Staatsverwaltung Richelieu's (1624 — 1642) und noch mehr mit der Mazarin’'s (1642 — 1661) begg schon der Verfall der französischen Agrikultur. Die haupt⸗ sächlich auf der Landwirthschaft lastenden Steuern wurden immer mehr emporgeschraubt und machten beim Tode Richelieu's bereits 1⅛ aller Staatseinkünfte aus. Noch schlimmer gestalteten sich die Zu⸗ stände, als die Steuern von Staatswegen verpachtet wurden und das Volk den Steuerpächtern ausgeliefert war. Die ungünstigsten Folgen dieser Finanzpolitik lagen beim Tode Mazarin's allerwärts zu Tage. Die französische Landwirthschaft war ruiniert. Ganze Provinzen lagen verödet da, ihre Landbevölkerung war in Massen in die großen Städte eströmt. Die Getreideproduktion hatte abgenommen; der kleine andmann hatte, überschuldet, dem Großgrundbesitzer weichen und zu Schleuderpreifen seinen Besitz veräußern müssen. Das war der Zustand, in dem Colbert die französische Landwirthschaft und den französischen Getreidehandel vorfand, und es legt hohes Zeugniß ab für den staatsmännischen Geist dieses Mannes, daß er den Nationalreichthum und die wirthschaftliche Kraft “ nicht mehr in dem verfallenen und verwahrlosten Acker⸗ au, sondern in der einer hohen Blüthe fähigen Industrie und in der Ausbreitung des Exports französischer Manufakturwaaren erblickte. Die Colbert'sche Getreidehandelspolitik hat bisher viel Miß⸗ deutung und falsche Beurtheilung erfahren, auch seitens der französischen Histertrer und Nationalökonomen, die neben manchem Lob, das sie ihr spenden, doch am Ende zu einem recht abfälligen Urtheil kommen. Naudé giebt in dem vorliegenden Werk zum ersten Mal ein anschau⸗ liches und getreues Bild der Colbert'schen Maßnahmen, legt die Tendenzen und Ziele des großen Staatsmannes klar und richtig dar und wird seiner Getreidehandelspolitik zum ersten Mal in allen Stücken gerecht. In dem rastlosen Kampfe, den Colbert führte, um der französischen Industrie vor der englischen und vor der holländischen den Weltmarkt zu erobern, war es für die französische Industrie von Wichtigkeit, mit billigen Löhnen arbeiten zu können; die erste Voraussetzung niedriger Löhne aber war, daß sich der Arbeiter sein auptnahrungsmittel, das Getreide, zu wohlfeilen Preisen im In⸗ ande kaufen konnte. Daher das Bestreben Colbert's, auf die Getreidepreise einen Druck auszuüben, jedenfalls die Herrschaft über sie nicht zu verlieren. Von einer prinzipiellen Abneigung Colbert's egen den Ackerbau ist keine Rede: der Minister hat ihn in mannig⸗ 85. Weise zu heben versucht, vor allem durch Herabsetzung der auf der Landwirthschaft lastenden Steuern. Ebensowenig kann davon die Rede sein, daß Colbert unter allen Umständen und zu jeder Zeit die Getreideausfuhr gehindert hat: in Jahren des Ueberflusses hat er sie zu Gunsten des Landmanns willig und gern erlaubt; ja, zeitlich Emeßfen. überragt die zollfreie Getreideausfuhr die Sperre um ein rhebliches. Wohl aber hat der Minister die Ausfuhr beständig reguliert und sie in der Regel nur den getreidexeichen Provinzen er⸗ laubt. Bestärkt wurde Colbert in seiner vorsichtigen, den freien Handel zügelnden Politik durch den schnellen Wechsel übervoller Ernten und starker Mißwachsjahre, die er erlebte. Die Politik Col⸗ bert's muß aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet und gewürdigt werden. Die vielen Kriege, die Ludwig XIV. führte, die großen Truppenmengen, die im Lande garnisonierten, die Magazin⸗ verpflegung im selhe sie forderten gebieterisch ein Zurückhalten der Getreideüberschüsse im Inland, und dies um so mehr, als Colbert nicht dazu gekommen ist, in der Art, wie es im 18. Jahrhundert Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große für Preußen thaten, ständig große Kornmagazine in allen Provinzen zu unterhalten, aus denen nicht nur das stehende en verpflegt, sondern auch den Städten und dem platten Lande in Nothzeiten geholfen werden konnte. Ebenso unbefangen und erhaben, wie über die im Getreidehandelsverkehr an⸗ gewandten Prohibitivmaßregeln, dachte der weitblickende Staatsmann übrigens auch über seine industriellen Schutzzölle. Bekannt ist das Wort, das der Minister einmal der Stadt Lyon schrieb: Die Fabri⸗ kanten der Stadt thäten gut daran, die Begünstigungen, die er ihrer Industrie gewähre, nur als Krücke zu betrachten, mittels deren sie lernen sollten, später allein zu marschieren. — Kaum war Colbert, der die wirthschaftliche Einigung Frankreichs an⸗ gestrebt hatte, ins Grab gesunken, so tauchten auch schon die provinziellen Gesichtspunkte wieder auf. Sperren von einem Landes⸗ theil gegen den andern wurden im 18. Jahrhundert wieder gang und äbe. Die Industrie wurde nunmehr für Frankreich als das schlechthin Bessere proklamiert gegenüber der Landwirthschaft und ihr jetzt jene grenzenlose Bevorzugung auf Kosten des andern Produktionszweiges eingeräumt, die man gemeinhin fälschlich schon dem großen Minister Ludwig's XIV. zuschiebt. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts fanden zwar die Ideen, die die englische Getreidehandels⸗ politik beherrschten, mehr und mehr auch in die maßgebenden Kreise Frankreichs Eingang. Die Schule der Phvysiokraten forderte Freiheit des Getreidehandels im Innern und nach außen; eine Deklaration von 1763 gestattete den freien Transport des Ge⸗ treides von einer Provinz in die andere, und 1764 wurde auch die Getreide⸗Aus⸗ und Einfuhr gegen Erstattung des geringfügigen Zolles von 1 % des geltenden Werths für frei erklärt. Aber zum Unglück für die Vertheidiger der freien Ausfuhr folgten sich von 1766 an mehrere schlechte Ernten nacheinander, und 1770 hielt das Prohibhitiv⸗ system von neuem seinen Einzug in Frankreich. Es nützte auch nichts, daß die Berufung Turgot's zum General⸗Kontroleur der Finanzen (1774) einen Umschwung in der Getreidehandels⸗ politik Frankreichs herbeiführte, daß dieser, ein Anhänger der physiokratischen Ideen, alsbald einen Beschluß des Staatsraths bewirkte, der die Deklaration von 1763 wieder in Kraft setzte, und während der kurzen Dauer seines Ministeriums (bis 1776) die Freiheit des interprovinzialen Getreidehandels aufrecht erhielt. — Erst die Natten he telen es französis Revolution sprach in der Angelegenheit das letzte Wort und erklärte durch Beschluß vom 29. August 1789 den Handel mit Getreide im Innern Frankreichs für frei, und 1791 verwirklichten sich auch die großen Entwürfe Colbert's: Alle Zölle wurden aus dem Innera Frankreichs an die Grenzen ver⸗ legt. So behurit⸗ es Jahrhunderte langer Kämpfe, um Frankreich aus den Fesseln städtischer und territorialer Getreidehandelspolitik in eine staatliche Handelspolitik überzulenken. 1 Weit freier, als die franzoösische und die englische Getreide⸗Handels⸗ politik, war die der Holländer, der Träger und Vermittler eines in großem Maßstabe betriebenen Austausches landwirthschaftlicher Er⸗ eugnisse im 17. und 18. Jahrhundert, der hauptsächlich zwischen dem Rordosten Europas und den Ländern des Mittelmeeres hin⸗ und her⸗ ging, und der in einzelnen Jahren ungeheure Massen von Getreide in Bewegung setzte. Amsterdam als Zwischenhandelsplatz, Danzig als Hauptexporthafen des polnischen Getreides waren die Brenn⸗ punkte dieses Handels; ihre Preise und Usancen waren fi- alle Be⸗ theiligten maßgebend. In Amsterdam wurde 1617 eine Getreidehörse errichtet, wo sich die Kornhändler von halb Europa zusammenfanden, um ihre Unternehmungen zu berathschlagen und ihre Geschäftsabschlüsse zu machen. In so starken Massen strömte das billige Getreide Deutschlands, Polens, Dänemarks und Rußlands nach den sieben Pro⸗ vinzen der vereinigten Niederlande, daß sich in diesen der einheimische Körnerbau nicht mehr lohnte. Weite Strecken verwandelten 2 in Grasflächen und Weide. Zwar wurde die Landwirthschaft hier sehr
“
intensiv betrieben, aber sie richtete sich nicht auf Getreide⸗, sondern auf Gartenbau einerseits, auf Viehzucht andererseits. Die Blumenpr der Gärten von Haarlem bildete das Entzücken aller Fremden, die Holland besuchten, und zu III Zeit erlangten die holländische Milchwirthschaft, die holländische Butter⸗ und Käsebereitung und das holländische Mastvieh einen Ruf durch ganz Europa. Die Anschauung der freihändlerischen Schriftsteller geht nun dahin, daß im 17. und 18. Jahrhundert in Holland absolute wirthschaftliche Freiheit geherrscht habe und dieser die Machtstellun und der Reichthum Hollands zu verdanken gewesen seien. Naudé wei indessen nach, daß dies nicht zutrifft. Wohl kann man sagen, daß in Holland der Großhandel, die Ein⸗ und die Ausfuhr freier als im übrigen Europa gestaltet gewesen, daß die Volkswirthschaftspolitik weniger durch das fiskalische als durch das kaufmännische Interesse be⸗ stimmt gewesen sei. Von einer Handels⸗ und Verkehrsfreiheit im Sinne des Manchesterthums, von einem unbedingten Laisser faire aber war in den vereinigten 18 keine Spur. andelsfreiheit bestand nur in so weit, wie sie dem holländischen Welthandel dienlich war. „Im Ausland und in den Kolonien brauchen wir das Monopol“, erklärte ein bedeutender holländischer Nationalökonom des 17. Jahr⸗ hunderts, und als es für Holland im 18. Jahrhundert galt, die Schließung der Schelde, die Knechtung der Handelsfreiheit Ant⸗ werpens, der Nebenbuhlerin von Amsterdam, aufrecht zu erhalten, erklärten die Regenten von Holland, die „unbegrenzte Handelsfreiheit“ sei ein Unding. Abgaben wurden bei der Ein, wie Ausfuhr der Cerealien in den Niederlanden während des 17. und 18. Jahrhunderts ständig erhoben, wenn sie auch zumeist nur von geringer Höhe, reine Finanz⸗, keine Schutzzölle waren. Ja, es la sogar auch Ein⸗ und Ausfuhrverbote in der Republik. Allerdings wurden solche Maßregeln nur sehr selten zur Anwendung gebracht. Der Ge⸗ fahr, daß die Spekulation der Amsterdamer Kaufleute — namentlich wenn das Ausland von Mißwachs heimgesucht wurde und dem seeh glänzende Profite in Aussicht stellte — einmal alles vor⸗ andene Korn in das Ausland dirigieren und also eine unerträgliche “ im Inlande hervorrufen könnte, suchten die General⸗ taaten dadurch zu begegnen, daß sie für die Zeiten der Noth und der aus⸗ schweifenden Spekulation bedeutende Kornvorräthe sammelten und in großen Getreidemagazinen aufspeicherten: Einrichtungen, welche neben den hamburgischen Magazinen auch das Vorbild waren für die Domänenämter⸗Magazine, die man unter König Friedrich I. von Preußen ins Leben rufen wollte. In Theuerungszeiten wurden i 8. auch Verbote des Branntweinbrennens aus Roggen erbote gegen den Verkauf des Getreides auf . gegen die Termingeschäfte, gegen Preisverabredungen und gegen den Kornwucher erlassen, und 1698 wurde der Theuerun halber sogar der Getreidetransport ohne Paß aus einer Stadt na der anderen in der Provinz gesperrt. Nicht sowohl der Freihandel, dem Holland nur in bedingtem Maßstabe huldigte, hatte die nieder⸗ ländische Weltstellung geschaffen: „auf der merkantilen Unfähigkei der europäischen Staaten vielmehr basierte einzig und allein Amfterdams Uebergewicht im Welthandel. — Bis zum Ausgang des 18. Jahr⸗ hunderts blieb Amsterdam in seiner beherrschenden Stellung, blieben die olländer die Zwischenhändler im europäischen Getreideverkehr. Jene eit kannte noch keine Zufuhren über den Ozean; kaum daß Rußland angefangen hatte, seinen Kornreichthum den Industriestaaten Europas mitzutheilen. Im 19. Jahrhundert rgog das russische Reich die un⸗ erschöpflichen Schätze seines Bodens über die Ostseehäfen, vor alem aber über das Schwarze Meer, über Odessa, nach dem Westen; es begann die Getreidekonkurrenz Nord⸗Amerikas, Indiens, Australiens, Argentiniens und anderer Produktionsgebiete jenseits des Ozeans auf den europäischen Märkten, in erheblicherem Maßstab seit 1850, in bedrohlicher Weise aber erst seit etwa 1878. Der patriarchalische Kornhandel, der sich um das Becken der Ostsee grupptert hatte, bür “ Verkehrsbeziehungen, Amsterdam wich London und ew⸗York.
annigfaltiges. .“
Die Zentesimal⸗Brückenwaage der Köllnischen Rathswaage am Petriplatz muß einer baulichen Veränderung wegen vom 11. bis einschließlich den 22. Mai außer Betrieb ggjet werden. Die De⸗
zimal⸗Schenkel⸗Gold⸗ und Silberwaagen daselbst können weiter benutzt 8
werden.
Ein Massengrab aus der Zeit der EIe Belagerung von Köpenick ist zwischen Bahnhof Köpenick und Hirschgarten beim Ausschachten eines neuen Bauterrains freigelegt worden. Man fand so viele Knochen, daß zwei Lowries damit gefüllt wurden, außerdem Ueberreste von Waffen und Geräthen.
Im Antilopenhause des Zoologischen Gartens fesseln den Besucher gegenwärtig einige neue, sehr interessante Ankömmlinge. Da ist zunächst in zwei Exemplaren aus dem südöstlichen Afrika ein⸗ getroffen das Zierböckchen (Pediotragus tragulus), eine kleine Anti⸗ lope, etwa von der Größe eines neugeborenen Zickleins mit einem aus kurzen flachen Haarbüscheln bestehenden Schwanz, langen und breiten Ohren, auffallend starken Augenwimpern und dicht über den Augen weit auseinanderstehenden spitzen Hörnchen. Die Färbung des Thieres ist hellockerbruaun mit einem Stich ins othe; das ganze Fell sieht aus, als ob es weiß bestäubt wäre. Auf der Nase und zwischen den Hörnern befindet sich je ein schwarzer Fleck. Im Nachbarkäfig ist ein anderer winziger Wieder⸗ käuer untergebracht, der an Smhetigtet der Erscheinung nicht hinter dem Zierböckchen zurücksteht, obgleich er an Grazie und Schönheit dieses Thierchen nicht erreicht. s ist der Pudu, der kleinste Hirsch, etwas größer als ein Hass, mit plumpem, graubraun behaartem Körper, den kurze dünne Beinchen von rother Farbe tragen. Der dicke Kaßf mit seiner verhältnißmäßig starken Behaarung, den ganz kleinen Augen und dem kurzen Spießergehörn verleiht dem Pudu einen sehr eigenthümlichen Ausdruck. Die Heimath dieses kleinen Thieres ist Chile. .
Prag, 5. Mai. Der Wasserstand ist unverändert; die Gefahr scheint beseitigt. Die Moldau und Maltsch fallen; der Regen hat aufgehört.
St. Petersburg, 5. Mai. Dem „Swfjet“ zufolge befinden sich unter den Geschenken des Kaisers von China, welche Li⸗hung⸗tschang dem Kaiser von Rußland überbracht hat⸗ zwei über 2000 Jahre alte Bronzevasen, eine kostbare Sammlung antiker Eloisonné⸗Vasen und ⸗Schüsseln, zwei riesige Kandelaber von künstlerischer Arbeit aus zwei Nephritblöcken, ein wundervoller rother mit bunter Seidenstickerei verzierter Teppich von außerordentlicher
Größe und Anderes mehr. b
Cincinnati, 5. Mai. Im Zentrum 8 Stadt wurde heut ein Haus durch eine Gasslin⸗ IFrplesiae zerstört; 6 Personen
wurden getödtet, 18 verwundet. an befürchtet, daß unter den rS-8.N⸗ des Hauses noch viele Personen verschüttet sind.
81“ 8