des unlauteren Wettbewerbes, und der Novelle zum Genossen⸗ esetz, zweite Berathun
des Gesetzes, betr Kaiser Wilhelm⸗Kanal.)
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten 64. Sitzung vom 6. Mai 1896. Ueber den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet
Haus setzt die zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Sekundär⸗ und Kleinbahn⸗ bauten und die Errichtung von landwirthschaft⸗ lichen Getreidelagerhäusern, fort.
Zur Errichtung von landwirthschaftlichen Getreide⸗ lagerhäusern werden drei Millionen Mark gefordert.
Abg. Graf von Hoensbroech (Zentr.) stimmt der Errichtung von Kornhäusern, als einem Versuch, zu. g kammern könnten nicht Träger der Kornhäuser sein, aber sie hätten doch um ihre Meinung über diese Vorlage befragt werden sollen, und er bitte um eine Erklärung, warum dies nicht geschehen sei. Den Landwirthschaftskammern müsse ein Einfluß auf die Einrichtung in den Kornhäusern und den Geschäftsbetrieb eingeräumt werden. Bedenklich werde es sein, wenn neben diesen Kornhäusern für die heimische Landwirthschaft von den Kapitalisten Konkurrenz⸗Lagerhäuser zur Spekulation errichtet würden; diese Folge werde bald eintreten, und dann werde der Import des ausländischen Getreides vielleicht Die Gefahr der Spekulations⸗Lagerhäuser lasse ch nur beseitigen dadurch, daß man die Errichtung eines Lagerhauses Landwirthschaftskammern
Die Landwirths⸗
ch. noch stei der Konzessionspflicht unterwirft. — müssen die Konzession gewähren oder verweigern können. verweigert werden, Ueberschwemmung mit ausländischem Getreide zu erwarten sei. ilfe der 3 Millionen gemachte erste bald zu einer allgemeinen Einführung von Getreide⸗Lagerhäusern Man sage, der Westen bedürfe keiner er kein Getreide exportiere.
Konzession lich werde dieser mit
olchen Lagerhäuser, weil Das sei ein Irrthum; wenn der West auch kein Getreide exportiere, so verkaufe er doch Getreide und bedürfe Hoffentlich würden diese wenigstens als ein
kleines Mittel auch günstig auf die Preisbildung einwirken. Abg. von Tiedemann⸗Bomst (fr. kons.): Nachdem der Reichs⸗ tag die Abschaffung des Getreide⸗Terminhandels beschlossen hat, ist die Errichtung landwirthschaftlicher Kornhäuser um so nothwendige 8 Angebots ein zeitweiser Wir stehen deshalb seit jenem der Kornhäuser sympathischer gegenüber als früher. Zu betonen ist aber das Beiwort „landwirthschaftlich“, denn wir erwarten, daß die Kornhäuser nicht etwa an großen Börsenstapel⸗ lätzen errichtet werden. Der Vorredner will die ganze Einrichtung Die Landwirthschaftskammern können mit Rath und That helfen, aber man kann ihnen nicht die nordnung der ganzen Einrichtung übertragen. Vorlage an in dem Sinne, wie sie die Regierung gemacht hat.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Da der Herr Landwirthschafts⸗Minister in diesem Augenblick im Reichstage anwesend sein muß, so will ich mir gestatten, namentlich auf einige Fragen, die hier in der Diskussion gestellt sind, soweit mir das möglich ist, zu antworten.
Zuerst ist gefragt bezw. geklagt worden, daß man nicht die Land⸗ wirthschaftskammern über diese Vorlage gehört hätte. über möchte ich darauf hinweisen, daß, als der Plan aufgestellt, die Denkschrift geschrieben wurde und die Beschlußfassung über die einzelnen Etats stattfand, die Landwirthschaftskammern noch garnicht existierten, noch nicht organisiert waren, es also gänzlich unmöglich war, sie über diese Vorlage zu befragen. meine unmaßgebliche Meinung, kann ich nur sagen —, daß das nicht ausschließt, über etwa demnächst auszuführende Einzelprojekte die betreffenden Landwirthschaftskammern zu hören. Das würde mir in manchen Fällen persönlich Ich habe keinen Grund,
deshalb der Lagerhäuser.
eine Organisation paralysiert werden kann. der Errichtun
n eine Zwangsjacke spannen. Nehmen wir die
Meine Herren!
Dem gegen⸗
Ich glaube aber — das ist
Das ist eine ganz
ganz zweckmäßig und nützlich erscheinen. anzunehmen, daß der Herr Landwirthschafts⸗Minister anders ver⸗ fahren wird.
Die Regierung wird sich, ehe sie zur Herstellung eines einzelnen Lagerhauses schreitet, sehr genau die ganzen Verhältnisse ansehen, unter denen ein solcher Bau stattfinden kann. wer übernimmt die Verwaltung, wie ist die Genossenschaft oder die Korporation, wer es nun ist, beschaffen, welche die Pachtung eines solchen Hauses übernehmen will, welche Garantie bietet der Träger der Ver⸗ waltung, wie sind die gesammten Verhältnisse, ist Aussicht auf Erfolg zu erwarten nach Maßgabe der Verkehrsmittel, nach Maßgabe der Geneigtheit der umliegenden Landwirthe, sich bei der Sache zu be⸗ Alle diese Fragen werden natürlich in jedem Einzelfall zu denken, und sagen: moöchte aus diesen 3 Millionen einen Zuschuß haben, ich habe die
Absicht, im Interesse der Landwirthschaft ein Kornhaus zu bauen. So kann die Sache natürlich nicht gehandhabt werden.
Aber ich glaube, es wird von vornherein nicht möglich sein, schon jetzt einen bestimmten Träger dieser Verwaltung und des damit verbun⸗ denen Risikos gewissermaßen festzulegen. Das wird von den Umständen ab⸗ hängen. Ich glaube kaum, daß sehr vieleLandwirthschaftskammern sich bereit erklären würden, ihrerseits die Verwaltung und Erpachtung eines solchen
Ich glaube auch nicht einmal, daß sie die Aufsicht in vielen Fällen zu übernehmen geneigt wären, wenn selbst diejenigen, die z. B. als genossenschaftliche Verbände zusammentreten, geneigt sind, sich einer solchen Aufsicht zu unterwerfen. es ja sein, daß es im einzelnen Fall ganz geeignet wäre, daß die Land⸗ wirthschaftskammern eine gewisse Betheiligung wenigstens in der Aber das sind Fragen, welche ganz von der Be⸗ schaffenheit des einzelnen Falles abhängen.
Im Großen und Ganzen bin ich noch immer der Meinung, daß die meiste Aussicht, zum Ziele zu kommen, dann vorhanden ist, wenn ein genossenschaftlicher ländlicher Verband diese Sache in die Hand nimmt, und es sind solche Anträge auch schon vorhanden. die Raiffeisen’schen Genossenschaften der Provinz Westpreußen geneigt, wie sie auch bisher schon um den Vertrieb des Getreides sich beküm⸗ mert haben, in dieser Beziehung vorzugehen. Sache in der Provinz Sachsen. Ich glaube, daß die ganze Stellung der ländlichen Genossenschaften in ihren doch immerhin kräftigen und Garantien bietenden Verbänden zu der ganzen Landwirthschaft, zu den Produktivgenossenschaften und zu den Kreditgenossenschaften, sie vor⸗ zugsweise geeignet macht, ein solches Unternehmen auszuführen.
Daß eine Gefahr vorhanden nach ihrem bisherigen Verhalten, Geschäftsbetriebes
Sie wird prüfen:
Beliebiger
Kornhauses zu übernehmen.
Möglich kann
Kontrole hätten.
Namentlich sind
Aehnlich liegt die
daß diese Genossenschaften Art und Weise ationen in Ge⸗
leichtsinnige
treide ganfangen würden, — ich glaube, meine Herren, eine solche Befürchtung brauche ich wirklich nicht zu widerlegen; sie liegt nach meiner Meinung in keiner Weise vor. Der Herr Graf Hoensbroech hat selbst anerkannt, daß eine gewisse Art von Spekulation, wenn man die Wahl des geeigneten Augenblicks zum Verkauf so nennen soll, nicht ausgeschlossen werden könnte. Aber daß sie wesentlich darauf ausgehen sollten, Gewinne zu machen durch Spekulieren, davon kann nach meiner Meinung bei solchen Ge⸗ nossenschaftsverbänden gar keine Rede sein.
Die Staatsregierung hat sich in der Denkschrift reichlich vor⸗ sichtig ausgedrückt, sie hat die Sache doch nur als einen Versuch be⸗ zeichnet, und ich habe von vornherein bei der ersten Berathung gesagt: Meine Herren, es handelt sich hier um 3 Millionen, da ist am Ende kein großes Risiko für den Staat; gelingen die an den Eisenbahn⸗ stationen errichteten Kornhäuser als solche nicht, so wird man die Loka⸗ litäten anderweitig verwerthen können, und da stelle ich den Satz in den Vordergrund: probieren geht über studieren; wir wollen sehen, was aus der Sache wird, es kann etwas sehr Bedeutendes aus der Sache werden, es kann auch nichts daraus werden, es kann an einigen Stellen gelingen, an anderen nicht gelingen, jedenfalls schaden kann es nicht, meine Herren.
Nun hat der Herr Vorredner gesprochen von dem angeblichen Plan, ein großes mächtiges Lagerhaus hier in Berlin zu errichten, und hat gemeint, daß dieses Lagerhaus auf Staatskosten vom Staat gebaut werden soll. Nein, meine Herren, so liegt die Sache nicht. Allerdings hat sich die hiesige Kaufmannschaft an die Staatsregierung gewandt mit dem Ersuchen, daß der Staat in Gemeinschaft mit der Kaufmannschaft und der Stadtgemeinde ein großes Lagerhaus errichten mag mit direktem Umschlag von Wasser auf Eisenbahn und von Eisenbahn aufs Wasser. Darüber schweben die Verhandlungen, und es ist beschlossen, in den kommissarischen Be⸗ rathungen der einzelnen Ministerien zuvörderst klar zu stellen, wie zu diesem Plan die Vertreter der Landwirthschaft sich stellen. Denn wir würden kein Interesse haben, irgend welche staatliche Kosten aufzu⸗ wenden, wenn es sich bloß um ein lokales Handelsinteresse handelt. Hat die Sache aber die Bedeutung eines größeren allgemeinen Interesses für die Landwirthschaft, dann allerdings bekommt die Sache ein anderes Gesicht. Derartige Lagerhäuser sind sonst überall, beispielsweise in den rhei⸗ nischen Städten, in Frankfurt und an anderen Orten, auf Kosten von Korporationen oder der Kommunen errichtet, und an und für sich ist es nicht Aufgabe des Staats, hierbei wesentliche Opfer zu bringen. Insofern eine Verbindung mit den Eisenbahnen in Frage kommt, kann ja ähnlich, wie in anderen Städten, etwas entgegengekommen werden; aber die Hauptaufgabe wird doch immer auf der Stadt und beziehungsweise der hiesigen Kaufmannschaft hängen bleiben.
Nun sind die Ansichten, wie ich zugebe, in Bezug auf die Rathsamkeit eines solchen großen Lagerhauses anscheinend unter den Landwirthen verschieden; manche fürchten dadurch eine Er⸗ leichterung des Imports und der Spekulation mit Getreide. In dieser Beziehung hat schon Herr von Tiedemann auf die Beschlüsse des Reichstags, die vielleicht der Sache ein anderes Gesicht geben, vorausgesetzt, daß sie schließlich acceptiert werden sollten, hingewiesen.
Aber, meine Herren, die Sache hat doch auch eine andere Seite. Darüber kann doch wohl kein Zweifel sein, daß hier in Berlin, dem Zentralpunkt des deutschen Getreidehandels, dem Universalmarkt, möchte ich sagen, für Roggen, es doch ein großer Mißstand ist, daß so mangelhafte Lagerverhältnisse bestehen. Wenn hier in Berlin nur private Speicher sind, Speicher von Bedeutung, die unter öffentlicher Verwaltung stehen, garnicht existieren; wenn hier noch das Rollfuhr⸗ werk in Frage kommen muß, um das Getreide von der Eisenbahn in den Speicher zu bringen, bezw. nachher von dem Speicher auf die Kähne; wenn in Zeiten, wo viel Getreide angefahren wird — und das braucht ja keineswegs ausländisches Getreide zu sein, sondern auch in⸗ ländisches —; wenn es da an Speichern mangelt und die Lagerung auf den Kähnen nothwendig wird; wenn solche primitiven Einrichtungen hier in Berlin noch bestehen, welche sich für die Tonne als Mehr⸗ spesen, wie z. B. in Mannheim von 3,4 ℳ ausdrücken (hört! hört! rechts); wenn diese Mehrkosten naturgemäß auf die Börsennotiz Wund den Preis einwirken, d. h. den Landwirthen entzogen werden; wenn diese Börsennotiz dominierend wird, auch für den Preis in fast der ganzen Monarchie: so möchte ich doch darauf hinweisen, daß diese Seite der Sache auch nicht vergessen werden darf. (Sehr richtig! rechts.) Ich will über diese Sache garnicht urtheilen, bin auch zu wenig Sachverständiger auf diesem Gebiet; aber ich möchte nur sagen, die Sache hat jedenfalls ihre zwei Seiten, und wenn die Landwirthschaftskammern über die Frage gehört werden, müssen sie sehr wohl diese beiden Seiten der Sache ins Auge fassen, ehe sie die Entscheidung in dieser Sache treffen. Würde die Land⸗ wirthschaft im großen Ganzen gegen einen solchen Plan sich erklären, ja, meine Herren, dann glaube ich allerdings kaum, daß die Staatsregierung Veranlassung hätte, sie ihrerseits noch weiter zu unterstützen, dann würde diese Frage ausschließlich gelöst werden müssen durch das Zusammenwirken der hiesigen Kaufmannschaft und der Stadt. Nur die große Bedeutung des hiesigen Getreidemarkts und des Platzes Berlin für die Bestimmung des Getreidepreises könnte die Staats⸗ regierung veranlassen, in dieser Beziehung mitzuwirken. Die Sache liegt aber noch in den ersten Stadien.
Ich glaube den Herren soviel gezeigt zu haben, daß wir keines⸗ wegs leichten Sinnes in diese Sache hineingehen, sondern die Sache nach allen Richtungen hin prüfen.
Meine Herren, auf die weitere hier angeregte Frage über die Grundsteuerentschädigung und was da sonst alles gesagt ist kann ich doch bei dieser Gelegenheit nicht eingehen. Ich glaube, die Herren werden mir auch dankbar sein, wenn ich das nicht thue. Aber wenn hier das Wort gefallen ist, daß die Staatsregierung gewisser maßen indirekt die Verbreitung der Viehseuchen begünstige oder fördere, muß ich das doch mit großer Entschiedenheit ablehnen. Ich glaube, die Debatten, die hier über die Seuchenfrage statt⸗ gefunden haben, haben zur Genüge bewiesen, daß die Staatsregierung auf diesem Gebiet alles thut, was sie überhaupt thun kann (Wider⸗ spruch im Zentrum), und daß, wenn nicht hier und da alle Wünsche befriedigt werden können, dabei auch die Interessen bezw. die Rechte anderer Staaten mit in Betracht zu ziehen sind. So leicht, als wenn wir hier volle Freiheit hätten, auf diesem Gebiete thun und lassen können, was wir wollen, liegt die Sache auch nicht. Man kann sich häufig nicht öffentlich darüber aus⸗ sprechen und thut auch gut, darüber sich nicht öffentlich auszusprechen. Im Großen und Ganzen können die Herren überzeugt sein, daß die
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Staatsregierung auf diesem Gebiet, was sie irgend thun kann zu Gunsten der Verhinderung der Einschleppung von Seuchen, auch zu thun in jeder Weise entschlossen und bemüht ist. (Bravo!l rechts.)
Abg. Jäckel (fr. Volksp.); Ich kann als früherer Landwirt eine wirkliche Fenrgkeg⸗ der Landwirthschaft nicht zugeben. 8n5 kapitalkräftigen Güter und Domänen werfen guch heute noch recht erkleckliche Erträge ab, was auch von agrarischer Seite nicht geleugnet wird. Herr Kennemann in Posen hat da aus der Schule geplaudert. Die Kornhäuser können mit der Zeit sehr leicht zu Spekulations⸗ häusern werden und die Preise drücken. Wir lassen uns hier auf uferlose Pläne ein: principiis obsta! Es kann sehr leicht so kommen, daß der Staat die Verwaltung der Kornhäuser in die Hand nehmen . Die kleinen Besitzer werden von den Lagerhäusern nicht den geringsten Vortheil haben, noch weniger die Arbeiter. Woher rühre denn der Arbeitermangel? Daher, daß die Besitzer nicht kapitalkräftig genug sind und die Arbeiter monatelang auf ihren Lohn warten müssen. Im Herbst und Winter, nachdem das Getreide ausgedroschen ist, bekommen die Arbeiter überhaupt nichts. Der Drescherlohn ent⸗ eeht ihnen erst recht, wenn diese Lagerhäuser errichtet werden. Vom sozlalpolitischen Standpunkte aus ist also diese Vorlage ein zwei⸗ schneidiges Schwert.
Abg. von Mendel⸗Steinfels Eenfe. Es fragt sich, ob die Siloeinrichtung für unser deutsches Getreide überhaupt anwendbar, ob unser Getreide dort lagerfähig ist. Darüber muß die Erfahrung entscheiden. Die Ermäßigung der Frachten und die bequemere Zufuhr des Getreides in besonderen Wagen ist eine fernere Frage. Auf die Zufuhr und die Preiserhöhung des Getreides dürfte das Verbot des Terminhandels keinen Einfluß haben. Da es sich um einen Versuch handelt, so sollten die Kornhäuser nicht zu groß erbaut werden, um sie nicht der Spekulation zugänglich zu machen. Herr Jäckel meinte, er wäre Landwirth gewesen, das muß aber schon 30, 40 Jahre her sein, denn sonst hätte er nicht die Noth der Landwirthschaft leugnen können. Noth ist nicht, daß jemand keinen Bissen Brot mehr hat, sondern daß die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken, und das ist heute bei den Landwirthen der Fall. Auch die Vertreter des Freihandels erkennen die Noth der Landwirthe an, aber sie glauben, es sei ihr nicht mehr zu helfen. Durchaus falsch ist, daß die Landwirthe ihre Arbeiter nicht bezahlen. Herr Jäckel hätte Namen nennen sollen. Jeder Landwirth, der überhaupt noch zahlen kann, zahlt seine Arbeiter zuerst, und dafür danken ihm die Arbeiter bei den Wahlen. Es wird Ihnen nicht gelingen, einen Keil zwischen die Landwirthe und ihre Arbeiter zu treiben. Die großen Städte und die Industrie verschulden die Unzufriedenheit der Arbeiter, nicht die Landwirthschaft. Die Löhne der Landarbeiter sind um 20 bis 30 % in den letzten 20 Jahren gestiegen, trotzdem die Getreidepreise gefallen Die Silos sind ein Versuch; gelingt er, so werden wir ihre
ermehrung fordern; mißlingt er, so trägt der Staat zum kleinen, die Landwirthschaft zum größeren Theile das Risiko. ““
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Der Herr Abg. von Mendel hat an mich die Frage gerichtet, wie die Staatsregierung sich dazu stellen würde, die Getreidetransporte von und nach den Kornhäusern in losen Schüttungen zuzulassen. Meine Herren, wir lassen schon jetzt Getreide⸗ transporte in loser Schüttung zu, es sind auch besondere Bestimmungen darüber ergangen; bis jetzt ist aber, man kann sagen, kaum von dieser Zulassung Gebrauch gemacht worden, und zwar, wie mir scheint, aus dem naheliegenden Grunde: die Leute können ihr Getreide nicht in loser Schüttung nach den Stationen bringen, sondern müssen es versacken, und wenn sie die Säcke auf der Station haben, verladen sie sie auch und schütten sie nicht erst in den Wagen aus. Nichtsdestoweniger kann ich mir wohl denken, daß unter gewissen Umständen der Transport von den Silos zu den großen Konsumenten zweckmäßig in loser Schüttung aus⸗ geführt werden könnte, wenn z. B. das Kornhaus in regelmäßigem Verkehr mit großen Mühlenetablissements steht oder regelmäßig Ver⸗ sendungen zum Wasserumschlag ausführt. In solchen Fällen wird es vielleicht zweckmäßig sein, sich der losen Schüttung zu bedienen, und die Staatseisenbahn ist gern bereit, hierzu die Hand zu bieten, überhaupt die Hand zu bieten dazu, daß derartige regelmäßige Be⸗ förderungsverhältnisse zwischen Kornhaus und Konsum oder Kornhaus und Umschlagsplatz sich möglichst bequem und vortheilhaft vollziehen (Bravo!l rechts.)
Geheimer Regierungs⸗Rath Conrad: Die Entscheidung, ob Silos oder Schüttböden, wird am Besten den Betheiligten zu über⸗ lassen sein; für das inländische Getreide scheint das Svpeichersystem, für das ausländische das Silosystem den Vorzug zu verdienen. Die Staatsregierung wird mit den betreffenden Interessenten in Verbin⸗ dung treten und Ihnen das Material zur Verfügung stellen.
Abg. Schroeder (Pole): Die Noth der Landwirthschaft ist eine allgemeine; sie ist eine Folge der großen Verschuldung. Die Rente ist gefallen und kann nur besser werden, wenn der Landwirthschaft ein
rößerer geschaffen wird. Wir besitzen in Deutschland bereits
90 bsatzgenossenschaften; was an ihnen mustergültig ist, sollte die Regierung den Landwirthen mittheilen. Bei den Kornhäusern handelt es sich ja nur um einen Versuch, warten wir die Resultate ab. Wir werden für die Vorlage stimmen. .
Abg. Jäckel: Was man Nothstand in der Landwirthschaft nennen Fönnte, ist nicht vorhanden. Manche Landwirthe erzielen nicht sblch⸗ Erträge, die sie nöthig zu haben Panten und ziehen es vor, hr Gut zu verkaufen, nach Berlin zu ziehen und hier von Fänger bequemer und leichter zu leben. (Redner zitiert verschiedene solcher Beispiele.) Verschuldeten Besitzern wird auch diese Liebesgabe nicht ö58. Es sollen nur den Großgrundbesitzern die Taschen gefüllt werden.
Abg. Freiherr von Erffa (kons.): Die verkehrten Ausführungen des Vorredners erklären sich aus dem eer. e. g. über das Verbot des Terminhandels. Nicht der Großgrundbesitzer will opulent leben, auch der kleine Besitzer kann nicht 28' seine Kosten kommen. Wenn der Landwirth des Vorredners so gut situiert war, warum verkaufte er denn sein Gut? Er hätte dann doch lieber weitere Schätze auf⸗ gehäuft. ben unsere Arbeiter im Winter keine Arbeit, so bezahlen wir sie doch oder halten sie über Wasser, während Berlin die Arbeiter zurückschreckt. Si tacuisses, Herr Jäckel, dann wären Sie noch lange kein Wefch⸗ gewesen.
Abg. Seer (nl.) tritt ebenfalls den Ausführungen des Abg. Jäckel entgegen. Er lebe auch im Posenschen und habe niemals Arbeitermangel gehabt, allerdings habe er sie immer baar bezahlt.
Abg. Sieg (nl.) protestiert dagegen, daß der Osten die Arbeiter schlecht bezahle und sie in die großen Städte treibe. Wir sorgen, führt er aus, für unsere Arbeiter mehr als jeder Andere; die Ver⸗ gnügungssucht treibt die Landarbeiter in die Städte. Unsere Sorge ist, daß wir in guten Jahren nichts erübrigen, also pro nihilo arbeiten. Die Silos sind ein Korrelat des von uns mit Freuden begrüßten Verbots des Terminhandels. Dem legitimen Getreide⸗ geschäft wird die Beseitigung des Schwindelgeschäfts freie Bahn schaffen.
Abg. Jäckel: Ich habe nicht im Namen des Ostens gesprochen, sondern aus meiner persönlichen Erhasrung im Osten heraus. Am Getreideterminhandel habe ich kein per a. Interesse. Ich muß gegen die Insinuation des Abg. von Erffa Verwahrung einlegen.
Die Fardexung wird hierauf bewilligt und der Rest des Gesetzes ohne Debatte genehmigt. Eine große Reihe von Petitionen um den Bau neuer
Eisenbahnlinien wird der Regierung als Material .. Ueber die Petition des Kreistags des Kreises Uelzen um den
Bau einer Bahn von Uelzen über Bodenteich und Wittingen
ordnung über. ecetgg. Zentral⸗Genossenschaftskasse;
Armer’) verkörpert, als unumstößliche Untersuchungen über die „Lage der arbeitenden Klassen“ haben dieses
nach Oebisfelde be
uß nach 4 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. „Gesetzentwurf über E iche Holzungen; Antrag Erat eglih. betreffend die Lage der Angestellten in offenen Ladengeschäften.)
tatistik und Volkswirthschaft. 1
Zur Geschichte der gewerblichen Arbeit in Englan während der letzten 50 Jahre.
(Nach den Erhebungen der Royal Commission on Labour.) Im ersten Heft des sechsten Bandes der von Professor Dr. Elster
herass 1 s 8 gegebenen „Staatswissenschaftlichen Studien“ v - Carl Alfred Schmid „Beiträge ser Seb
te der gewerb⸗ rend der letzten 50 Jahre. Royal Commission on
ichen Arbeit in England wä Nach den Erhebungen der abour.“
Es ist noch nicht lange her, so beginnt der Verfasser die Ein⸗
leitung zu seiner Arbeit, daß die Ansicht, die sich in den Worten
the rich richer, the poor poorer“ („der Reiche reicher, der Arme ahrheit sält. Die neueren
ogma zerstört. Bis vor wenigen Jahren, meint er, sei die Frage ür eine Lösung noch nicht reif gewesen. Seitdem aber sei 18, ne
Erhebungen der engriscen Royal Commission on Labour ein so
zuverlässiges und reiches Material geschaffen worden, daß man endgültig die Antwort geben könne. Um zu einer solchen endgültigen Antwort zu gelangen, hat der Verfasser die in den Protokollen der genannten Kommission niedergelegten thatsächlichen Feststellungen über die Arbeitslöhne, die Arbeitszeit, Arbeitsleistung ec., wie sie namentlich in den so „Digests“ — den eigens für den Gebrauch der Kommission hergestellten Auszügen aus den Urprotokollen — enthalten sind, herangezogen.
Die Kommission bestand aus 27 Mitgliedern und tagte vom 1. Mai 1891 bis Ende Mai 1894. Sie bediente sich zur Lösung ihrer Aufgabe — der Klarstellung der Gründe des modernen Streits zwischen Unternehmern und Arbeitern — der Erhebung zmündlicher Zeugnisse“, der Erhebung „schriftlicher Zeugnisse“, der en 89g des „bereits vorhandenen Materials“ und der Einsetzung von „Hilfsmitgliedern“. Die Kommission arbeitete zunächst in drei Sektionen, denen verschiedene Gewerbegruppen zugewiesen wurden, um dann noch im Plenum an 17 Tagen 28 Zeugen, worunter die be⸗ kanntesten Vertreter der Arbeiter wie der Unternehmer sich befanden, über allgemeine Fragen zu vernehmen. Im Ganzen wurden 583 Zeugen in 151 Sitzungen vernommen. Etwa 3150 Frage⸗ bogen wurden an Gewerkvereine, Unternehmerverbände, Gewerbe⸗ kammern, Handelskammern versandt, 2000 Zirkulare an Staats⸗ und Gemeindeunternehmungen. Im Ganzen erreichten die durch die Post bei der Kommission einlaufenden Briefe, Berichte ꝛc. die Stückzahl von 48 800. Insgesammt bilden — sagt der Verfasser — die Zu⸗ sammenstellungen, welche die Labour⸗Kommission erhalten hat, und die Forschungen der ilfsmitglieder ein so reiches Material, wie solches zu keiner Zeit früher über den Gegenstand geboten worden ist. Deshalb glaubt die Kommission selbst, daß ihr Werk allen denen, die in privater oder amtlicher Eigenschaft mit den industriellen Fragen sich zu befassen haben, große Dienste werde leisten können.
Der Verfasser theilt in dem ersten und bei weitem umfang⸗ reicheren Haupttheil seiner Arbeit zunächst für die einzelnen B erufs⸗ gruppen die Angaben der Zeugen in der Kommission (Sektionen), sowohl der Arbeiter wie der Unternehmer, unter den beiden Rubriken Arbeitslohn und Arbeitszeit sowie die Urtheile der Kommission in kurzen Auszügen mit und sodann für die Arbeiter im allgemeinen die Zeugenaussagen (vor dem Plenum) und das Kommissionsurtheil. Im zweiten, sehr kurzen Haupttheil giebt er eine „Zusammenstellung und Beleuchtung der Ergebnisse der Untersuchung.“
Aus diesem zweiten Haupttheil sei hier lediglich das Endurtheil, zu welchem der Verfasser gelangt, kurz mitgetheilt. Er giebt das⸗ selbe dahin ab: „Verglichen mit derjenigen von 1842, ist die Lage des arbeitenden Volkes in England im Jahre 1891 im Ganzen unbe⸗ streitbar bedeutend besser geworden — auch abgesehen davon, daß 1842 die Zeiten besonders schlechte waren. Diese Besserung besteht:
„1. in den fast allgemein um 50 — 100 % höheren Löhnen bei im Ganzen kaum gesunkener Kaufkraft dieser i 28 Leben ö (und für ie des Komforts) — was jedoch ni ür die Hausmiethe, besonders in großen Städten, gilt; 6 1 II. in einer ziemlich allgemeinen, durchschnittlich 20 % igen Verkürzung der täglichen oder wöchent⸗ lichen Arbeitszeit, worauf die Arbeiter selbst mit Recht mehr Gewicht legen, als auf hohe Löhne, da ja in kürzerer
Arbeitszeit der Keim zu ihrem höheren geistig⸗sittlichen
„Standard“ liegt. Wenden wir uns nunmehr zu dem dieses Urtheil begründenden ersten Haupttheil, so ist vor allem wichtig das Gutachten der Kom⸗ mission selbst. Dasselbe ist fast einstimmig abgegeben worden, gegen eine Minorität von nur 4 Stimmen, welche ihr Sonderurtheil gleichfalls zu Protokoll gegeben hat. Der wesentliche Inhalt des Gutachtens ist folgender:
Die Erhebungen der Labour⸗Kommission haben zu dem all⸗ gemeinen Eindruck geführt, 9 der Lohn während der letzten 50 Jahre bedeutend gestiegen ist, sowohl in Bezug auf den Nominal⸗ betrag, als auch hinsichtlich der Kaufkraft gegenüber dem Bedarf. Auch in sanitärer Beziehung sind die Arbeiterzustände besser ge⸗ worden. Es ist mithin im Ganzen die Lage der arbeitenden Klassen während der letzten 50 Jahre beträchtlich fort⸗ e chritten. Viele Arbeiter beziehen nicht nur Arbeitseinkommen, ondern auch Einkommen von erspartem und investiertem Kapital. Es erscheint sicher, daß vor 50 Jahren die Zahl 8 die sehr geringe Löhne erhielten, in Hinsicht auf die Gesammtbevölkerung weit soͤher war als heute. Der Gesammtfortschritt hinsichtlich der Arbeits⸗ öhne scheint darin zu bestehen, daß — während sowohl in Bezug auf die besonderen Arbeitsgelegenheiten innerhalb der letzten 50 Jahre eine bedeutende Lohnzunahme als auch in der allgemeinen Vergütung der qualifizierten Arbeit eine Besserung stattgefunden hat, — eine gradweise Ersetzung der schlechter bezahlten durch besser bezahlte Arbeitsgelegenheit sich voll⸗ zogen hat, wodurch die Prozentziffer der zu den nie⸗ drigsten Lohnraten arbeitenden Leute ganz erheblich herabgegangen ist. Zugleich darf man nicht vergessen, daß die Kaufkraft des Geldes heute mindestens so groß ist als vor 50 Jahren, besonders in Hinsicht auf die Hauptkonsumartikel der ärmeren Klassen, und viel größer als vor 20 Jahren.
Der allgemeine Eindruck ist ferner der, daß die angesessene und stabile „gelernte“ Arbeiterbevölkerung während des letzten halben Jahrhunderts eine beträchtliche und fortgesetzte
erbesserung ihrer Lebensverhältnisse erfahren hat. Dieser Fort⸗ chritt geht Hand in Hand mit dem der modernen Industrie⸗ ntwicklung angepaßten fortschreitenden Gewerberecht. Diese Arbeitergruppe — die „gelernten“ Arbeiter — besitzt in hohem Grade die Kraft und das Geschick der Organisation, Selbst⸗ bemweltung und Selbsthilfe. Durch Association als Konsumenten nd . selbst Gewerbeunternehmer geworden. Die „ungelernten“ rbeiter haben, als Ganzes genommen, wohl nicht weniger als die gelernten Arbeiter von der ge teigerten Produktionsergiebigkeit, von den SHöexs tannoe der Gesetzgebung, von dem Billiger⸗ werden von ahrung und Kleidung und von der Erschließung neuer Betriebsfelder für Kapital und Arbeit prositiert. Für sie offenbart sich die Be erung in höherem Lohn und günstigeren Arbeits⸗ dingungen, hauptsächlich aber darin, daß die höheren Arbeiter⸗ grade die ungelernten Arbeiter zum theil absorbiert
b E haben,
während die rein vom Arbeit seinko lebende Arbeiterbevölkerung zurückge angen ist. 8
Es ist dabei nicht zu übersehen, daß die früher den Lohnkampf be⸗ gleitende und charakterisierende Eifersucht und Feindseligkeit einer freien und offenen Behandlung der streitigen Fragen und Punkte gewichen sind. Ein mehr „kordiales“ Verhältniß, ein besseres erständniß, au einer genaueren Kenntniß der Beziehungen zwischen Unter⸗ nehmer und Arbeiter, macht sich geltend. Die öffentliche Meinung ver⸗ langt eine friedliche Lösung der Streitigkeiten. Eine Tendenz zum industriellen Frieden ist allgemein.
In den meisten Gewerben sind während der letzten fünfzig Jahre die Arbeitszeit en nach und nach verkürzt worden, ohne daß die Löhne deswegen geringer geworden sind. Gleichzeitig ist der Ertrag der Produktion derselbe geblieben oder gewachsen. Die Löhne sind gestiegen. Es besteht aber kein Konnex zwischen Kürzung der Arbeits⸗ zeit und Steigerung des Lohns. Diese F2e.e haben gemeinsame, weiter zurückliegende Ursachen: die Vervollkommnung der Maschinen, des Produktionsprozesses, die Verminderung der rofitrate — was wiederum das Resultat der wachsenden Kapitalfülle, der wachsenden u“.“ und endlich der Ausdehnung des bsatz⸗
e 1
Es ist von besonderem Interesse, diesem Majoritätsvotum gegen⸗ über auch einen Blick auf das Gutachten der Minorität I wie erwähnt, aus 4 Mitgliedern bestand — zu werfen. Auch von diesem, aus esprochen von stark „staats⸗ oder kommunal⸗sozialistischen“ Tendenzen eeinflußten Standpunkt aus muß zugegeben werden, daß die durchschnittliche Lage der Lohnarbeiter Gesetzgebung und andere Reformen während der letzten 60 Jahre konstant gebessert worden sei. Diese Verbesserung sei aber nur eine theilweise gewesen, da beträchtliche Gruppen der Bevölkerung noch in Zuständen lebten, die nicht weit entfernt seien von denen, 7. die die älteren Fabrik⸗ gesetze mit Erfolg Anwendung gefunden hätten. Die Minorität glaubt, daß ein ernster Versuch jetzt gemacht werden solle, um den „Standard“ der Lohnarbeiter, und besonders derjenigen Gruppen, die vom Einfluß früherer Reformen unberührt geblieben seien, dauernd zu steigern. Daß die Minorität zur Bekräftigung ihrer Ansicht die „jämmerliche Lage“, in der zahlreiche Arbeiter sich auch heute noch befänden, stark betont, kann dabei nicht auffallen. Alles in allem ist das Minoritätsgutachten entschieden geeignet, den Eindruck des Majo⸗ ritätsvotums ganz erheblich zu verstärken.
Es verbietet sich, hier auf die Einzelheiten der Fürae aasse en in den verschiedenen ndustriegruppen einzugehen. Daß durch die Arbeiten der Labour⸗Kommission Fein für die richtige Beurtheilung der Arbeiter⸗ frage außerordentlich wichtiges Material geschaffen worden ist, bringt die Schmid'sche Arbeit jedem zum Verständniß, und es ist von hohem Werth, daß durch ‚diese Arbeit auch den deutschen Interessenten ein weiterer Einblick in dieses Material ermöglicht worden ist, um so mehr, als die Originalveröffentlichungen der Labour⸗Kommission durch die erdrückende Fülle der Mittheilungen selbst für den Fachmann eine sehr schwer auszunutzende Quelle sidd. 1.“
8 e-“]
Von dem Werke „Kriegs⸗Erinnerungen: Wie wir unser Eisern Kreuz erwarben“, nach persönlichen Berichten bearbeitet von Friedrich Freiherrn von Dincklage⸗Campe, General⸗Lieutenant z. D., Selbsterlebnisse, illustriert von 8 deutschen Künstlern (Berlin, Leipzig, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co.) ist eine neue Suͤbskription aufgelegt worden. Der billige Preis derselben ermöglicht es auch dem minder Bemittelten, dieses von patriotischem Geist erfüllte Prachtwerk, welches die eigenen Be⸗ richte der Ritter des Eisernen Kreuzes über ihre im Feldzug 1870/71 vollbrachten Thaten enthält und mit den Bildnissen der Helden, sowie mit zahlreichen Schlachten⸗ und Gefechtsbildern im Text und mit großen farbigen Kunstbeilagen geschmückt ist, zu erwerben. Was die Vaterlandsliebe, der Muth, die Disziplin unserer Tapferen geleistet haben, dessen wird man sich beim Lesen dieser kriegerischen Thaten und Abenteuer erst recht bewußt. Mit höchster Anschaulichkeit spielen sich die Schlachten und Gefechte vor den Augen des Lesers ab. Jede Erzählung ist ein kleines Epos voll “ und Feeeg, Seenn welches mitten in die Aktion hineinversetzt. Bisher
nd 5 Lieferungen erschienen. Unter den ihnen beigegebenen aus⸗ ezeichneten farbigen Kunstbeilagen verdienen Georg Bleibtreu's „An⸗ unft der Bayern vor Paris“, R. Knötel’'s „Die Sachsen bei St. rivat; Tod des Generals von Craushaar“ und desselben Künstlers Bild „Die Württemberger bei Villiers⸗Champigny“ Hervorhebung. Das gonze Werk ist auf 20 Lieferungen berechnet. Der Preis jeder Lieferung beträgt nur 50 ₰.
— Zum Beginn der Reisezeit sei auf die soeben erschienene zweite Auflage der von dem Unter⸗Staatssekretär im Reichs⸗Postamt Dr. jur. P. D. Fischer verfaßten „Betrachtungen eines in Deuis land reisenden Deutschen⸗ hingewiesen (Berlin, Julius Springer; r. 85 geb. 3 ℳ). Die Schrift wurde bereits früher an dieser Stelle besprochen und empfohlen; der Umstand, daß die erste Auflage innerhalb Jahresfrist vergriffen war, beweist den Beifall, den sie auch bei den Lesern gefunden hat. Einen besonderen Reiz giebt dem Buche die anziehende Frische der Darstellung, mit der der vielgereiste Herr Verfasser die Eigenart der deutschen Landschaften und ihrer Bewohner sbörhb. nicht wie ein oberflächlich plaudernder Tourist, sondern als
9
charf beobachtender Freund seines Heimathlandes. Die mannigfachen
inke, die derselbe vermöge seiner esbren⸗ eben kann, machen die
1 c Die zweite Auflage
ist um ein neues anziehendes Kapitel mit dem Titel „Hafenbilder“ vermehrt und auch sonst nicht unwesentlich erweitert worden.
— Von der „illustrierten Wochenschrift für Kunst und Leben“,
Schrift für den Reisenden auch praktisch nütz
welche unter dem Titel „Jugend“ in Georg Hirth's Kunst⸗ verlag zu München erscheint (Preis vierteljährlich 3 ℳ), ist jetzt die erste Vierteljahrsserie abgeschlossen, und was das neue Unternehmen in künstlerischer und literarischer Hinsicht zu bieten vermag, liegt sonach nunmehr zum Ueberblick vor. Schon bei flüchtigem Durchblättern erkennt man in den Illustrationen den jugendfrischen, dem Titel ent⸗ sprechenden Zug, der sich zu der alten Kunst in kecksten Gegensatz stellt. Weit weniger ist dies bezüglich der dichterischen Beiträge der Fal die darum auch durchaus nicht so häu ben Widerspruch reizen.
er Herausgeber L. von Ostini ist selbst ein begabter Poet und versteht mit Besst und Geschmack die richtige Auswahl zu treffen. Bei den künstlerischen Gaben hat freilich die Oppositionslust gegen die „Alten“ manchmal zur Aufnahme allzu extrapaganter Einfälle ver⸗ führt, sodaß sie, im Ganzen genommen, sehr ungleichwerthig erscheinen; am wenigsten glücklich sind besonders die Beiträge der Symbolisten und Phantasten, die ganz ernsthaft Gemeintes, aber unfreiwillig Erheiterndes geliefert haben. Entschieden anregend jedoch wirkt gleichwohl das überall und selbst in diesen Auswüchsen hervortretende Streben nach einem neuen zeichnerischen Stil, der dem erweiterten, durchgeistigteren modernen Lebensinhalt zu erschöpfendem anschaulichem Ausdruck verhelfen soll. Vorläufig irrt der Griffel unserer „Jugend“ allerdings noch vielfach rathlos umher: bald sieht man ihn bei den Japanern zu Gaste gehen und mit erkünstelter Naivetät deren körperlose, auf alle Perspektive und Farbenschattierung verzichtende Darstellungsart nachahmen; bald nähert er sich der Auffassung der alten Florentiner Maler und ihrer von der griechisch⸗etruskischen Vasenmalerei beeinflußten Kunstweise, wie sie in Sandro Botticelli ihren Hauptvertreter hatte; oder aber er sucht beide Stilweisen zu verschmelzen und schließt sich so dem Schaffen Walter Crane's an, dem es gelungen ist, sich aus diesen Elementen und naturalistischen ve etabilischen otiven eine eigenartige w Beee. zu affen. Seine Art der Ornament.Erfindung für Bücher⸗Illustration und Kunstgewerbe hat, wie sich hier deutlich zeigt, bereits Schule gemacht. anches von dem Gebotenen ist jedoch entschieden geeignet, auch dem erbitterten Gegner der „Modernen“ die Waffe zu entwinden, wie z. B. das Titelbild der Nr. 14 ein anmuthiger, dicht umlockter Mädchen⸗ kopf, mit wilden, weißen Rosen im Haar, der aus einem Gebüsch rother Azaleen hervorschaut, oder in Nr. 13 die Illustration zu dem anziehenden, gedankenreichen Gedicht von Ostini „Das Glück“:
eine schwebende Schaar entzückender, Rosen streuender Jungfrauen⸗ “ “ . 8 Zu 1
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gestalten, nur zart umrissen, wie auf einer Botticelli'schen Zeichnung, und von dornenvollen Rosenzweigen schwungvoll und sinnreich um⸗ geben, oder die graziöse, silhouettierte Kindergruppe „Frühlingslust“ in derselben Nummer. Weit seltener sind bloße Nach⸗ ahmungen älterer deutscher Illustratoren, wie Holbein und Anderer, oder der erisaehes Künstler des Rococo⸗Zeitalters. Ein Theil der Bilder endlich dient der Erheiterung durch Humor oder politische Satire. Nimmt man dazu die mannigfaltigen Bei⸗ träge in Poesie und Prosa, so wird man jedenfalls zugestehen müssen, daß die neue Zeitschrift reichen Stoff für die vielseitigste Anregung und Unterhaltung darbietet. Und darum sollten auch die „Alten“ den Unmuth, den sie beim Anschauen dieser „Jugend“⸗Hefte empfinden mögen, dämpfen und sich mit Goethe's Wort beschwichtigen lassen: 28 der Most auch ganz absurd gebärdet, es giebt zuletzt doch
noch 'nen Wein!“* u“
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Sterblichkeits⸗ und Gesundheitsverhältnisse während des Monats März 1896.
Sen den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts sind im Monat März cr. von je 1000 Einwohnern, auf das Pes berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 18,8, in Breslau 26,2, in Altona 19,7, in Frankfurt a. M. 16,9, in Hannover 15,9, in Cassel 19,0, in Köln 23,8, in h 28,2, in Magdeburg 21,0, in Stettin 20,7, in Wiesbaden 14,2, in München 24,4, in Nürnber 21,7, in 1 31,7, in Dresden 20,7, in Leipzig 20,6, in Stutkgart 15,8, in Karlsruhe 18,7, in Braunschweig 21,4, in Hamburg 18,1, in Straß⸗ der 23,4, in Metz 21,5, in Amsterdam 20,4, in rüssel 24,4, in Budapest 30,0, in Christiania 17,1, in Dublin 25,4, in Edinburg 17,6, in Glasgow 20,0, in Kopenhagen 18,2, in Krakau 35,2, in Liverpool 23,2, in London 19,4, in Lyon 21,2, in Moskau 35,3, in Odessa 22,2, in Fer 21,0, in St. Petersburg 36,2, in Prag 27,3, in Rom (Februar) 24,4, in Stockholm 18,2, in Triest 29,7, in Turin (Februar) 19,2, in 37,3, in Warschau 22,7, in Wien 25,0, in New.Pork 33,4. (Für die nichtdeutschen Städte ist der Zeitraum von 5 Wochen, vom 1. März bis einschließlich 4. April, zusammen⸗ gezogen und berechnet worden.) . „Der Gesundheitsstand im Monat März blieb in der überwiegenden Mehrzahl der deutschen wie der nichtdeutschen Städte wohl ein günstiger, doch war er im allgemeinen kein so guter wie im vorangegangenen Februar, und auch die Sterblichkeit zeigte vielfach eine Steigerung. Die Zahl der deutschen Orte mit sehr geringer Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer von noch nicht 15,0 pro Mille und Jahr) ging von 29 im Februar auf 14 herab. Einer solch niedrigen Sterblichkeit erfreuten sich: Allenstein, Altendorf Schöneberg (bei Berlin), Bielefeld, Hanau, Inowrazlaw, Insterburg Kreuznach, Neumünster, Siegen, Wiesbaden, Wilhelmshaven Ludwigsburg und Jena. Eine hohe Sterblichkeit (übe 35,0 pro Mille) kam aus deutschen Städten nur Guben, aus nichtdeutschen Städten aus Krakau, St. Petersburg und Venedig zur Meldung. Das Sterblichkeits⸗ maximum für die deutschen Orte, das im Februar 36,4 betrug, erreichte im März Guben mit 39,0 per Mille. — Die Zahl der deutschen Orte mit günstiger Sterblichkeit (Sterblichkeits⸗ ziffer 15,0 bis 20,0 per Mille), die im Februar 111 betrug, sank im März auf 89; wir wollen aus der Zahl derselben hier nur Altona Barmen, Berlin (mit den Vororten Lichterfelde und Weißensee) Beuthen O.⸗S., Charlottenburg, Düsseldorf, Elberfeld, Erfurt, Essen, Frankfurt a. M., Göttingen, Hannover, Harburg, Hildesheim, Cassel Kiel, Koblenz, Krefeld, Minden, Münster, Nordhausen, Osnabrück Heeee Quedlinburg, Spandau, Trier, Erlangen, Kaiserslautern andshut, Crimmitschau, Meißen, Plauen, Zittau, Heilbronn, Reutlingen Stuttgart, Ulm, Karlsruhe, Pforzheim, Mainz, Offenbach, Güstrow Rostock, Eisenach, Weimar, Bremen, Dessau, Gotha, H Lübeck, Mülhausen i. E. und von nichtdeutschen Städten Christiania Edinburg, Kopenhagen, London, Stockholm, Turin (Februar) nennen Die Zahl der deutschen Orte mit a hoher Sterb⸗ lichkeit (Sterblichkeitsziffer 20,0 bis 23,0 pro iee stieg von 58 im Vormonat auf 67 im März; aus der Zahl derselben seien hier nur Aachen, die Vororte Berlins Rixdorf und Steglitz, ferner Branden⸗ burg, Celle, Danzig, Dortmund, Duisburg, Frankfurt a. O., Glei⸗ witz, Halberstadt, Halle, Hirschberg, Kottbus, Magdeburg, Mül⸗ heim a. Rh., Stettin, Stralsund, Thorn, Tilsit, Aschaffenburg, Bay⸗ reuth, Hof, Nürnberg, Annaberg, Bautzen, Dresden, Leipzig, Cann⸗ statt, Konstanz, Worms, Mannheim, Wismar, Apolda, Braunschweig, Greiz, Coburg, Oldenburg, Metz, Hagenau und von nichtdeutschen Städten Amsterdam, Glasgow, Lyon, Odessa, Paris und Warschau erwähnt. — Die Betheiligung des Säuglings⸗ alters an der Gesammtsterblichkeit blieb eine mäßig hohe, war jedoch eine etwas größere als im Vormonat. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 47, in Hamburg 55, in Stuttgart 56, in Dresden 74, in München 91 Säuglinge. „Die etwas größere Säuglingssterblichkeit beruhte zumeist auf dem häufigeren Vorkommen von akuten Darm⸗ krankheiten mit tödtlichen Ausgängen, die in zahlreichen Orten, wie in Barmen, Breslau, w2n * rankfurt a. M., Königsberg, Liegnitz, Magdeburg, Augsburg, München, Nürnberg, Glauchau, Dresden, Leipzig, lauen, Amsterdam, Budapest, Glasgow, London, Moskau, Odessa, Paris, St. Petersburg, Prag, Venedig, Warschau, Wien, New⸗York u. a. O., mehr und nur in wenigen Städten, wie in Berlin, Hamburg, Köln, Brüssel, weniger Opfer als im Vormonat forderten. Auch akute Entzündungen der Athmungsorgane kamen häufiger zum Vorschein und führten in vielen Orten in Pön.
den Vormonat gesteigerter Zahl zum Tode, so in Berlin, Bo um, Breslau, Bromberg, Charlottenburg, Guben, Halberstadt, Köln, Königsberg, Fegnis, Posen, Stettin, Augsburg, Bamberg, Fürth, Würzburg, Mannheim, Dresden, Leipzig, Mainz, Karlsruhe, Braunschweig, Hamburg, Straßburg i. E., Amsterdam, Budapest, Christiania, Kopenhagen, Krakau, London, Lyon, Moskau, Seessa Paris, St. Petersburg, Prag, Stockholm, Triest, Venedig, Warschau, Wien, New⸗York u. a., während in Aachen, Altona, Barmen, Danzig, Dortmund, Essen, Frankfurt a. M., Halle, Hannover, München, Nürnberg, Stuttgart, Bremen und Brüssel die Zahl der durch diese Krankheitsformen bedingten Sterbefälle geringer wurde oder doch nahezu die gleich Froße wie im Februar blieb. Erkrankungen an Grippe wurden gleichfalls mehr gemeldet und endeten auch häufiger tödtlich. Mehr als 2 Todesfälle an Grippe wurden aus Altona. Barmen, Bayreuth, Elberfeld, Erfurt, Guben, Halle, Karls⸗ ruhe, Qldenburg (ie 3), Halberstadt, Braunschweig (je 4), Hamburg, Köln (je 5), Leipzig (6), Nürnberg, Frankfurt a. M. (je 9 Moskau (10), Kopenhagen 811) Paris (14), New⸗York (24), Berlin (27) und London (69) berschtet. — Sterbefälle an Fungen⸗ I 8 85b 1 zeigten gegen den Vormonat keinen wesentlichen nterschied.
Die Nachrichten über das Vorkommen der Cholera lauteten sehr günstig. Aus Rußland sind seit dem 24. Februar weitere Cholerafälle nicht mehr zur Meldung gekommen. In Egypten wurden in Alexandrien Anfang März in je 2 Tagen je 1 Erkrankung festgestellt. Nur in Indien die Seuche noch in aus⸗ “ Weise. Aus Kalkutta wurden vom 26. Januar bis 29. Fe⸗ ruar 294 Sterbefälle an Cholera berichtet. — Das Gelbfieber hat auf Cuba im Februar abgenommen. In Sant Jago kamen vom 2. bis 29. Februar 29, in Habanna (vom 7. bis 27. Februar) 2, in Cienfuegos nur vereinzelte Fälle von Gelbfieber zur Meldung. Nur in Rio de Janeiro zeigte sich das Gelbsieber in großer Verbreitung; es wurden daselbst im Februar 723 Todesfälle an Gelbfieber gemeldet; g dem im dortigen Hafen liegenden italienischen Kriegsschiff „Lombardia“ erlagen der Seuche 117 Personen. Nach Argentinien wurde das Gelb⸗ fieber aus Rio de Janeiro eingeschleppt. Bis 1. März kamen daselbft 10 Erkrankungen mit 4 Todesfällen zur Kenntniß. — Aus Hongkong wurde gemfmhet. daß in gewissen Distrikten der Stadt Victoria die
Pest herrsc Von den anderen Infek kam