bauung eines Donau⸗Oder⸗Weichsel⸗Kanals thun⸗ lichst rasch durchgeführt werde, oder, falls ein Privat⸗ unternehmen nicht genehm sein sollte, diese als dringlich anerkannte Angelegenheit selbst in die Hand u nehmen und ein großes Anlehen zum Bau folgender Wasserstraßen aufzunehmen: für einen Donau⸗March⸗Oder⸗ Kanal mit Stichkanälen nach Brünn und Olmütz, für einen Donau⸗March⸗Elbe⸗Kanal via Olmütz, für einen Donau⸗
11“*“ für einen Donau⸗Moldau⸗Elbe⸗
Kanal und endlich für die Förderung der Schiffahrt auf dem Dniestr von Halicz bis zur russischen Grenze.
In der gestrigen Sitzung des ungarischen Ober⸗ hauses beschuldigte bei den Verhandlungen über das Budget Graf Ferdinand Zichy die Regierung, daß sie die ver⸗ fassungsmäßigen Rechte des Volkes beschränke, und verlangte, indem er erklärte, zu der liberalen Richtung dieser Regierun kein Vertrauen zu haben, eine Reform des Wahlsystems un finanzielle Maßnahmen im Interesse der Landwirthschaft. Redner stimmte für den Voranschlag. Der Minister⸗ Präsident Baron Banffy wies die Beschuldigungen des Vorredners als unbegründet zurück. Das olk
enieße seine Freiheiten und Rechte im Sinne der Ver⸗ assung; man könne allerdings einer Richtung kein Uebergewicht estatten, welche nach der Ueberzeugung der Minister mit dem Wohle des Volkes unvereinbar sei. Der Minister⸗Präsident schloß mit der Bitte, der Regierung das bisherige Vertrauen zu bewahren. Nachdem sodann der Kultus⸗Minister Wlassics die Königliche Resolution über die Autonomie der Katholiken verlesen hatte, wurde das Budget im allgemeinen und im ein⸗ zelnen angenommen.
Großbritannien und Irland. 8
Die „London Gazette“ von gestern veröffentlicht die Ver⸗ leihung des Großkreuzes des neuen Victoria⸗Ordens an den Prinzen von Wales und den Herzog von Connaught.
Ein gestern veröffentlichtes Blaubuch über die Vorgänge in Transvaal enthält hauptsächlich die Depeschen des Staatssekretärs Chamberlain an Sir Herkules Robinson vom 26. März und die Antwort des Präsidenten .“ an Sir Herkules Robinson vom 24. April, außerdem die bereits bekannte Korrespondenz aus der Zeit vom 23. Januar bis 27. April 1896. Es ergiebt sich aus diesen Veröffentlichungen, daß die Anregung, den Präsidenten Krüger nach London einzuladen, von den Ministern der Kapkolonie ausgegangen ist. Der Hauptpunkt, über den das Blaubuch Klarheit giebt, ist der: daß der Präsident Krüger darauf be⸗ standen habe, daß die Iöö Londoner Konvention er⸗ örtert werde, sowie daß er den Wunsch nach endgültiger Rege⸗ lung der Swasilandfrage und Widerrufung des der Chartered Company ertheilten Charte ausgesprochen habe. Das Tele⸗ gramm des Staatssekretärs Chamberlain vom 27. April, worin die Einladung an den Präsidenten Krüger zurückgezogen wird, besagt: die Regierung müsse mit Bedauern zu dem Schlusse kommen, daß ihre und des Präsidenten Krüger Anschauungen so beträchtlich von einander abwichen, daß eine Besprechung in London zu keinem nützlichen Ende führen würde. 8
Im Oberhause brachte gestern der Kriegs⸗Minister Lord Lansdowne einen Gesetzentwurf zur Erleichte⸗ rung der Einberufung der Reserven ein, wonach jeder Reservist noch ein Jahr hindurch nach Verlassen des aktiven Dienstes , obligatorischen Dienste verpflichtet sein soll. Der Zweck des Gesetzes ist, die Einberufung der Reservisten besonders dann zu erleichtern, wenn durch die Entsendung von Truppen in das Ausland die Verstärkung der zurückbleibenden Bataillone nothwendig wird. Diese Maßregel soll aber nur auf diejenigen Rekruten Anwendung finden, welche nach der Annahme des Gesetzes ausgehoben werden. Der Entwurf ge⸗ langte zur ersten Lesung. .
Im Unterhause kamen gestern die Verhältnisse in Süd⸗Afrika 8. Besprechung. Ueber den Verlauf der Sitzung liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ vor:
Sir W. Harcourt wies im Hinblick auf den Einfall Jameson's in Transvaal darauf hin, daß die ursprüngliche Ansicht Chamberlain's, die Chartered Company und Cecil Rhodes seien der Betheiligung an dem Zuge Jameson's in keiner Weise schuldig, sich durch die chiffrierten Telegramme als falsch erwiesen habe. Letztere hätten vielmehr ge⸗ zeigt, daß die ganze Angelegenheit in Johannesburg und Kapstadt durch die Leute zusammengebraut sei, welche die ersten und verantwortlichen Direktoren der Chartered Company seien und zugleich die wirklichen Urheber und Leiter des Anschlags ge⸗ wesen seien. Dr. Jameson sei nur ein untergeordneter Agent ge⸗ wesen, man habe es deshalb in dieser Sache mit den Direktoren der Chartered Company zu thun. Die Echtheit der chiffrierten Tele⸗ gramme stehe außer Zweifel, und was die Stellung der Chartered Company betreffe, so könne die britische Regierung, wie sie die Autorität derselben geschaffen, ihr dieselbe entziehen, wenn die Hand⸗ lungsweise der Company unehrenhaft sei; wenn die Regie⸗ rung einwillige, sich zur Mitschuldigen zu machen, werde sie ebenso entehrt sein. Die niedrige Moral und der gemeine Ton der chiffrierten Telegramme sei empörend, ein schmutziges, unsauberes Bild einer Jobber⸗Reichspolitik (Stock jobbing imperialism). Die Uit⸗ landers seien der Verrätherei geziehen worden, aber es sei nur gezeigt worden, daß sie nicht hätten dazu bestochen werden können, sich gegen eine Regierung zu erheben, deren Niederwerfung die Mehrzahl derselben nicht gewünscht habe. Pflicht der Regierung und des Hauses sei es, zu erklären, was unter diesen Umständen gethan werden Föall- Bis jetzt habe Chamberlain eine Raschheit des Entsch g. und einen Muth sezeigt der seiner Stellung würdig sei. Die Lage sei eine schreckliche. Der Einfall Jameson'’'s und der Matabeleaufstand hätten die Zukunft jenes Landes schwer ge⸗ schädigt. Ueberall in Süd⸗Afrika sei ein Gefühl des Mißtrauens in die Treue und die Ehrlichkeit derer erzeugt worden, welche bis jetzt die britische Herrschaft verwaltet hätten. Der Ruf des britischen Namens sei der ganzen Welt gegenüber gröblich bloßgestellt worden. Sir W. Harcourt fragte, was die Regierung nunmehr thun werde; er erhebe jetzt nicht die Frage ob die Chartered Company weiterbestehen olle, sondern, ob sie in den Händen derjenigen Männer weiterbestehen olle, welche das Vertrauen so stark mißbraucht hätten. In dem Direktorium der Gesellschaft scheine eine Reihe von Männern ehrlich zu sein, eine andere Gruppe scheine aus wohl fähigen, aber nicht ehrlichen Männern zu bestehen. Wenn die Chartered Company von diesen Männern weitergeführt werde, wie könne die Regierung eine freundschaftliche Einigung mit Transvaal erhoffen? Wenn die Leute, welche Transvaal angegriffen hätten, durch den Suzerän Trans⸗ vaals in ihrer Autorität weitererhalten würden, wie könne man über⸗ rascht sein, wenn der Präsident Krüger sich anderswo nach Hilfe um⸗ ehe? Machenschaften dieser Art hätten das Schimpfwort vom „per⸗
den Albion“ geschaffen. Alsdann ergriff der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain das Wort zur Erwiderung und führte aus: Die jüngsten Ereignisse haben die ganze südafrikanische Frage wieder eröffnet, die schon das Grab manchen guten Namens gewesen ist. Sir W. Harcourt's ganze Rede handelte von der Lage, wie sie durch den in den chiffrierten Telegrammen klargestellten Jameson'’schen Ueberfall geschaffen ist, aber die Frage ist viel um⸗ Pcfezper. Ich werde daher die Gesammtlage auseinandersetzen. Sir .Harcourt'’s Rede war eine Rede für die Strafverfolgun 16 888 8 8 Eef. 11““
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Chartered Company und die Verfolgung von Gefangenen, die zur Zeit in Prätoria abgeurtheilt werden, zugleich eine Rede egen einen Mann, gegen den in England ein Strafverfahren schwebt. Die chiffrierten Telegramme und der ganze Charakter der⸗ selben werden allgemein verurtheilt, aber es ist ein Mipgrißh jene Vorfälle, die freilich bedeutend sind, als solche von der allerhöchsten Bedeutung zu behandeln. Es ist eine Frage, die man nicht ganz ohne Reserve zu behandeln hat. Es giebt viele Zuhörer außerhalb dieses Hauses; die Entwicklung der Lage wird sorgfältig von den auswärkigen Nationen beobachtet. Später ließe sich noch manches sagen, aber es ist nicht wünschenswerth, dies jetzt zu erwähnen; i wuüͤnsche es nicht wegen der gegenwärtig vorhandenen Gereiztheit, auch nicht wegen der etwaigen Bee “ einer günstigen Lösung der Frage. Das Hauptziel jeder britischen Regierung in Süd⸗Afrika ist, unsere Stellung a’s vorherrschender Staat (paramount state) zu er⸗ halten. Es macht nichts aus, ob wir uns Suzerän oder Paramount nennen, aber der wesentliche Charakter unserer Politik ist, daß der Einfluß Englands in Süd⸗Afrika vorherrschend sein soll. Das zweite Ziel ist, einen besseren Stand der Dinge bezüglich einer Cöö und der Eintracht zwischen den beiden großen Stämmen in Süd⸗Afrika herbeizu⸗ führen. Die beklagenswertheste Folge der letzten Ereignisse war, daß das erste dieser Ziele in Gefahr gebracht und die Z1“ des zweiten verzögert wurde; aber sie bleiben die Ziele der britischen olitik. Wir haben unsere Stellung in Süd⸗Afrika durch ver⸗ chwenderische Hingabe von Blut und Gut gewonnen. Ohne unsere Anstrengungen könnte es kaum ein Süd⸗Afrika im gewöhnlichen Sinn des Worts geben. Transvaal selbst verdankt viel von seiner gegenwärtigen Sicherheit dem Vorgehen Englands im Zulu⸗ kriege. Indessen England ist völlig eines Sinnes, was die Aufrecht⸗ erhaltung unserer Vorherrschaft in Süd⸗Afrika betrifft. Das zweite unserer großen Ziele, deren Erreichung zum dauernden Gedeihen von Süd⸗Afrika unentbehrlich ist, ist die Herstellung desselben Zustandes, der in Canada erfolgreich durchgeführt ist. In Canada stehen zwei Stämme, die weniger eng verbunden sind als der englische und hollän⸗ dische, zur Arbeit und zum Kampf Seite an Seite in vollkommenem Frieden, in Harmonie und Wohlwollen. Warum sollte man zu dem gleichen Ergebniß nicht in Süd⸗Afrika gelangen? In der Kapkolonie gehört die bolländische Afrikaander⸗Bevölkerung zu den loyalsten Unter⸗ thanen. Mit dem Oranje⸗Freistaat haben wir die freundschaftlichsten und herzlichsten Beziehungen, obgleich die Burghers dieser Republik an Majuba⸗Hill und bei Langs Neck gegen uns gekämpft haben. Eben jetzt kämpfen holländische und englische Afrikaander gemein⸗ schaftlich gegen die Wilden in der Umgebung von Buluwayo. In Transvaal allein ist uns die Sicherheit dieses wünschens⸗ werthen Ereignisses nicht gelungen. Und warum? Es sind auf beiden Seiten Fehler gemacht worden, aber solange wir diese Fehler nicht festgestellt haben, können wir nicht hoffen, ihnen erfolgreich abzu⸗ helfen. Der Regierung, welche nach der Niederlage am Majuba⸗ ill der Wiederabtretung von Transvaal zustimmte, habe ich ange⸗ ört. Sir Evelyn Wood theilte in einem Telegramme mit, er habe die Armee der Boeren gänzlich in seiner Hand; wir haben jedoch den Abschluß eines Waffenstillstandes angeordnet, der dann auch zu stande kam. Die Konvention von 1881 war ein Akt großherziger olitik, für den kein Beispiel seitens einer anderen Nation unter ähnlichen Umständen vorhanden ist. Ich wünschte, daß die ausländi⸗ 98 Kritiker, welche uns unwandelbarer Selbstsucht und Angriffslust eschuldigen, unparteiisch die Geschichte dieser Vorgänge betrachten und sich die Frage vorlegen möchten, ob diese Großmuth irgend eine befriedigende Erwiderung gefunden hat. Dankbarkeit ist vielleicht zwischen Völkern nicht zu verlangen, aber mindestens könnte Eng⸗ land loyale Beobachtung der festgesetzten Bedingungen ver⸗ langen, statt daß von 1881 bis fast zum jetzigen Zeitpunkte fortwährend Einfälle oder Drohungen mit solchen in Gebietsstrecken außerhalb Transvaals und auf britisches Gebiet Heeht worden sind, welche alle eine Verletzung des Geistes und des Buchstabens des Ver⸗ trages bedeuten. Die Frage hat dabei zwei Seiten, und wenn auf der einen Seite Rassenhaß und Rassenmißtrauen vorhanden sind, so ist auch Grund zum Rassenmißtrauen auf der anderen Seite. Ich übernehme nicht die Verantwortung für alle Klagen der Uitlanders, aber sie haben berechtigte Beschwerden, die von der öffentlichen Meinung, von Holländern sowohl als Engländern, in Süd⸗Afrika und von der öffentlichen Meinung in Europa als berechtigt anerkannt sind; diese Beschwerden sind eine Folge der Gesetze welche nach dem Vertrage von 1881 erlassen sind. Der höchste Wunsch Cecil Rhodes' war es, in friedlicher Weise eine Verbindung aller südafrikanischen Staaten zu einem gemeinsamen Ziele unter dem Schutze der britischen Flagge herzustellen. Leider hat er seine Absicht nicht durchgeführt, aber sein Ziel muß das Ziel jeder britischen Regierung bleiben. Daher habe ich den Besuch des Präsidenten Krüger ge⸗ wünscht. Krüger selbst wünschte die Einladung, aber hinterher, als er sie erhalten hatte, gab er die Grundlage für die Erörterung an. Er weigerte sich, die Beschwerden der Uitlanders zu besprechen, und wünschte, die Frage der Abschaffung des Artikels IV der Konvention zu erörtern, Punkte, welchen die Regierung nicht zustimmen konnte. Die Einladung ist dann auf Krüger's eigenen Wunsch zurück⸗ gezogen worden. Wenn an Krüger ein Ultimatum gesandt worden wäre, so würde dasselbe abgelehnt worden sein, und dies hätte zum Krieg führen müssen; es würde dies ein Krieg vom Charakter eines Bürgerkrieges geworden sein, der, lang, bitter und kostspielig, Gründe zu ewigem Kampfe zurück⸗ gelassen haben würde. Wir haben niemals ein Recht beansprucht, uns in die Angelegenheiten von Transvaal einzumischen, aber wir be⸗ anspruchen das Recht zu freundschaftlichen Vorstellungen und freund⸗ schaftlichen Rathschlägen an den Präsidenten Krüger. Die Politik der Zukunft erfordert Geduld. Wir brauchen Zeit zum Athemholen. Wenn Zeit gegeben wird, die großen Wunden zu heilen, so zweifle ich nicht, daß die öffentliche Meinung ein Arrangement unter⸗ stützen wird, welches das ganze Land in den Stand setzt, von seinen reichen Hilfsquellen Nutzen zu ziehen und die Bahn des Friedens und Gedeihens zu betreten. Jacobus de Wet steht in vorgerücktem Alter und hat den Wunsch ausgesprochen, sich ins Privatleben zurückzuziehen. Er hat seine Ruhe verdient. Die Gerüchte von Meinungsverschiedenheiten zwischen mir und dem Gouverneur Sir Herkules Robinson sind gänzlich unbegründet; es be⸗ steht nicht die geringste Absicht, Sir Herkules Robinson abzuberufen. Sir Herkules Robinson kommt nach England, damit das Kolonial⸗ amt sich seine Kenntniß und Erfahrung bei der Feststellung eines Aktionsplans für die Zukunft zu nutze machen kann, durch den er im stande sein wird, sein wohlbegonnenes Werk CSee 8 Cecil Rhodes' jüngste Aktion wird allgemein verurtheilt, aber das darf nicht seine Vergangenheit ver⸗ gessen machen. Wenn es nicht Engländer wie Rhodes gegeben hätte, würde die englische Geschichte viel ärmer, der britische Besitz viel kleiner sein. Sowohl die Engländer. wie die Afrikaner am Kap sehen in Cecil Rhodes den größten Wohlthäter, den die Kapkolonie je gehabt hat, und sie sind nicht geneigt, ihn mit Härte zu behandeln. Aber infolge der von der britischen Regierung getroffenen Maß⸗ regeln ist Cecil Rhodes außer stande, künftig Unheil zu stiften. Nicht ein Soldat kann ohne Zustimmung der Offiziere des Reichs⸗ heeres in Bewegung gesetzt werden, und wir sind bereit, dem Prä⸗ sidenten Krüger jede Bürgschaft zu geben, die er billiger Weise ver⸗ langen kann, eine Bürgschaft, die jede Spur von Verdacht beseitigen würde. Ich habe es abgelehnt, den Direktoren der Chartered Com⸗ 57. über Dinge Rath zu ertheilen, die sie auf ihre eigene Verantwort⸗ lichkeit hin entscheiden müssen; doch halte ich es für billig, daß ihnen bei den gegenwärtigen Unruhen in dem Gebiete der Gesell⸗ schaft und bei der Unmöglichkeit, sich über die Ansicht der dortigen Bewohner zu vergewissern, mehr Zeit gelassen wird, um über Cecil Rhodes' Entlassungsgesuch zu berathen. Cecil Rhodes“' Platz, ob als Direktor oder als einfacher Aktionär, ist in Süd⸗Afrika; dort kann er am besten sein Verhalten in der letzten Zeit wieder gut machen. Sobald die jetzigen gerichtlichen Verhandlungen durchgeführt sein werden, wird die Regierung auf Grund der dadurch erlangten Kenntniß die Lage aufs neue prüfen. Die Regierung glaubt, ein geeignetes Verfahren würde die Ernennung eines gemeinsamen Aueschusses beider
des Parlaments sein, um den ganzen Gegevstand einschließlich der erwaltung der Chartered Company zu untersuchen. Die Politik der Regierung ist darauf gerichtet, eine Wiederholung der jüngsten bedauerlichen Vorfälle durchaus zu verhindern, sowie durch alle legitimen Mittel. besonders auch durch ihren Einfluß auf die öffentliche Meinung in Süd⸗Afrika, die Bestrebungen fortzusetzen, deren Ziel die Sicherung billiger und gleicher Behandlung der britischen Unterthanen in Transvaal und die Herstellung eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen den zwei großen, dort lebenden Stämmen ist.
Wie das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, haben verschiedene Direktoren der Chartered Company der Annahme der Entlassungsgesuche Cecil Rhodes; und Beit’s nur bedingt zugestimmt; sie betrachteten indessen den Rücktritt Beider als unvermeidlich und würden, wenn Rhodes und Beit nicht demissionieren sollten, selbst zurücktreten.
Die „Times“ von heute veröffentlicht weitere Schrift⸗ stücke und Telegramme bezüglich des Vorgehens des Reformcomités und des Jameson'schen Einfalles; dieselben bringen jedoch wenig Neues.
8 Frankreich.
Der Unterrichts⸗Minister Rambaud erklärte gestern, wie „W. T. B.“ aus Paris berichtet, in einer Rede bei dem Bankett der „Association Franche-Comtoise“: die Regierung sei eine Regierung des Fortschritts und der Reformen und unterscheide sich von dem Kabinet Bourgeois nur durch die Art der Anwendung der Grundsätze.
Rußland.
Said⸗mir⸗Alim, der älteste Sohn des Emirs von Buchara, welcher seine Studien im Nikolaus⸗Kadettenkorps beendet hat, ist, nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus St. Petersburg, zum Kosaken⸗Fähnrich befördert und bei den Terek⸗Kosaken eingestellt worden, deren Chef sein Vater ist. Li⸗Hung⸗Tschang besuchte gesemn das deutsche Alexander⸗Hospital in St. Petersburg, dessen Einrichtung und vortrefflicher Leitung er die wärmste Anerkennung zollte.
Italien.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer machte der raͤfibent zunächst Mittheilung von einem Schreiben der Useree ehe. Botschaft, worin die Mitglieder des italienischen Parlaments im Namen des ungarischen Minister⸗Präsidenten Baron Banffy eingeladen werden, an der Millenniumsfeier theilzunehmen. Der Präsident fügte unter lebhaftem Beifall hinzu, er glaube, die Gefühle des Hauses zu verdolmetschen, wenn er der ungarischen Nation anläßlich der Feier die Glückwünsche der Vertreter des italienischen Volks übersende. Sodann setzte die Kammer die Besprechung der afrikanischen Angelegen⸗ heiten fort. Der Minister des Aeußern, Herzog von Sermoneta, ergriff, wie „W. T. B.“ berichtet, unker all⸗ gemeiner Aufmerksamkeit das Wort und erklärte in Erwiderung auf die gestrige Rede des Abg. Sonnino:
Die veröffentlichten Schriftstücke hätten nichts kompromittiert; sie hätten nur die treue Freundschaft einer Großmacht gegenüber Italien und die Absicht des letzten Kabinets, immer neue Ausbrei⸗ tungen zu unternehmen, bewiesen. Man könne gewiß nicht daran denken, die Kolonien aufzugeben, weil die Räumung Massowahs im jetzigen Kugenblick keine geringere Leichtfertigkeit sein würde, als jene, die an dem Tage der Besetzung begangen worden sei. Trotz der unglücklicher⸗ weise für die Kolonien zu befürchtenden Plackereien durch böse Nachbarn werde die Regierung mit diplomatischer Klugheit die Gesahr jeglichen Konflikts vermeiden können. Sobald sie gewußt habe, daß England zum Schutz Egyptens und, um Italien zu Hilfe zu kommen, eine Expedition gegen den oberen Nil unternommen, habe sich die Nothwendigkeit gezeigt, Kassala zu halten, dessen Räumung der General Baldissera aus militärischen Rücksichten vorgeschlagen gehabt habe. Man dürfe sich indessen nicht verhehlen, daß der Besitz dieses Platzes bedeute de Kosten verursachen werde, weil der Feldzug Eng⸗ lands, so gewiß auch sein Ausgang sein möge, langwierig und schwierig sein werde. „Wir müssen die Frage bezüglich Kassalas in rein italienischem Interesse lösen, ohne die freundschaftlichen Beziehungen, die uns seit langer Zeit mit England verbinden, zu vergessen. Während der fünf Jahre, die seit dem Vertrage von Uccialli verflossen sind, ist Abessyniens Macht ein militärischer Faktor geworden. Es ist natür⸗ lich, daß dieses Reich an der Grenze unserer Kolonie immer miß⸗ trauisch bleibt und uns voraussichtlich an einem Tage anfallen wird, an dem wir in einen europäischen Krieg verwickelt sind. So könnte der Tag kommen, an dem Abessynien ein gewichtiges Wort in einem europäischen Kriege zu sprechen hätte. Trotzdem ist es unsere Pflicht, eine Politik der Sammlung zu verfolgen.“”
Der Kriegs⸗Minister General Ricotti vertheidigte den Entschluß der S. Tigre aufzugeben und auf das Pro⸗ tektorat zu verzichten. Er führte dann weiter aus:
Die Grenzbesetzung solle bis zu der Linie Mareb⸗Belesa reichen. Wenn der Feind Italien in diesem Gebiet angreifen sollte, so sei der Chef⸗General ermächtigt, die Linie zu überschreiten, um denselben zu verfolgen, dann aber hinter diese Linie zurückzukehren. Um einen Vernichtungskrieg zu führen, würde man zweier Jahre, 150 000 Mann und einer Milliarde an Geld bedürfen, und immer würde der Erfolg noch nicht gewiß sein. Wenn man mit der Eroberung Abessyniens schrittweise vorgehe, so würden dazu fünf Jahre und 1 ½ Milliarden nöthig sein. Der Minister wies auch die Ansicht derjenigen zurück, welche der Occupation die Grenze Adigrat⸗Adua geben möchten, die er für weniger stark halte als die Linie Mareb⸗Belesa. Die Friedensverhand⸗ lungen seien abgebrochen worden, als der Negus Menelik übertriebene Ansprüche gestellt habe. Die Regierung werde alle Anstrengungen machen, um die ö“ der Gefangenen zu erreichen. Das Ministerium beabsichtige, weder jetzt noch in Zukunft Erythräa auf⸗ zugeben; es beabsichtige, die Linie Mareb⸗Belesa als Grenze anzu⸗ nehmen. Aus der Annahme dieser Grenze werde sich vielleicht eine der Waffenruhe und ein modus vivendi mit Abessynien ergeben. Außer Asmara sei es noch nothwendig, Senafe zu befestigen, um eine gesicherte Verbindung zwischen diesen beiden Orten und Massowah herzustellen. Auf diese Weise werde man jeden Angriff zurückwerfen können. Die festgesetzte Summe von 150 Millionen werde ausreichen; denn man werde alsbald mit der Rückberufung der weißen Truppen den Anfang machen können. Die Regierung habe dem General Baldissera die In⸗ struktionen des früheren Kabinets, wonach er event. Adigrat räumen könne, erneuert. Was Kassala betreffe, so schließe er sich den Erklärungen des Ministers des Aeußern an. Der Minister verlas eine Depesche des Generals Bal⸗ dissera, worin dieser die Zurückberufung mehrerer Bataillone nach Italien mit dem Vorbehalt, sie im Oktober wieder nach Erythräa zu senden, empfiehlt, und sagte schließlich mit Beziehung 92 die Tages⸗ ordnung Sonnino's, die Ehre der italienischen Waffen sei unversehrt. Um die Gefangenen gewaltsam zu befreien, würde es eines Ver⸗ nichtungskrieges bedürfen! 1 1
Der Papst empfing gestern den Nuntius Agliardi und die Mitglieder der Missibn, welche sich in der nächsten Woche über Wien zu den Krönungsfeierli Moskau begeben wird. ““
Der Bundesrath wird der Bundesversammlung einen KPeeen betreffend die Neuordnung der Land⸗ wehr⸗Infanterie, die Verstärkung “ J““
wird, haben
11“
Kavallerie, die Neuordnung der 16“ der Artillerie und die des Unterrichts der andwehr, unterbreiten. Nach dem Entwurf wird der Stand der Landwehr⸗Infanterie von 104 Bataillonen auf 74 herabgesetzt; dieselben setzen sich zusammen aus 37 Reserve⸗ bataillonen der sieben jüngeren Jahrgänge und aus der Landwehr 2. Aufgebots mit 37 Bataillonen der älteren Jahr⸗ gänge. Aus der Reserve erhält jedes der vier Armee⸗ Korps eine mobile Brigade zu 2 Regimentern mit 2 bis 4 Bataillonen; die überzähligen Bataillone werden zu Festungs⸗ besatzungen verwandt. Die Landwehr 2. Aufgebots soll den Kern und den Halt für den Landsturm bilden. Der Stand der Guiden⸗Kompagnien wird von 43 auf 120 gebracht. Die Feldbatterien werden von 48 auf 56, die Gebirgsbatterien von 2 auf 4 vermehrt. Der Stand der Positions⸗Kompagnien wird auf 170 Mann gebracht. Die Feuerwerker⸗Kompagnien und Parkkolonnen werden aufgehoben. 8 6 8 u 8
Nachdem die Repräsentantenkammer bereits mehrere Tage die Gesetzentwürfe, betreffend die Bürgschaft des belgischen Staats für die Obligationen im Betrage von 10 Millionen Francs, die von der Congo⸗Eisenbahn⸗ gesellschaft emittiert werden sollen, berathen hatte, trat der
inanz⸗Minister gestern lebhaft für die Vorlagen ein, ndem er erklärte, im Falle der Ablehnung werde er von seinem Posten zurücktreten. 1.“
I1X“
Der Fürst von Bulgarien besuchte gestern Vormittag
nit dem König Alexander den Metropoliten und wohnte
ierauf dem Tedeum in der Kathedrale bei. Zu Ehren des
ürsten fand dann bei dem türkischen Gesandten ein
rühstück statt, an dem auch der König, der Minister⸗
räsident und der Kriegs⸗Minister theilnahmen. Nach⸗
nittags empfing der ürst Ferdinand den Besuch
der Minister und des etropoliten und stattete dann en fremden Gesandten einen Besuch ab. Um 4 ½ Uhr
besuchte der Fürst mit dem König die Militär⸗Akademie, später allein den Minister⸗Präsidenten Nowakowic, sowie den Präsidenten des Staatsraths Christic und begab sich sodann it dem König nach dem Offizierkasino. Bei dem Souper
daselbst brachte der Oberst Petrowic einen Trink⸗ sius auf den Fürsten von Bulgarien und die Kamerad⸗ schaft zwischen den serbischen und bulgarischen Offizieren aus. Der Fürst erwiderte in sevche Sprache mit inem Hoch auf den König, als den Chef der serbischen Armee.
Schließlich brachte der König einen Toast auf den Fürsten und die bulgarische Armee aus. Alle Toaste wurden mit leb⸗ haftem Beifall aufgenommen, während die Musikkorps die betreffenden Nationalhymnen intonierten. Um Mitternacht erfolgte sodann die Abreise des Fürsten Ferdinand nach Sofia.
Dänemark.
Der Prinz und die Prinzessin Friedrich zu Schaumburg⸗Lippe reisen heute Nachmittag an Bord der Königlichen Nacht „Danebrog“ von Kopenhagen ab, wahr⸗
cheinlich nach Lübeck. Der Rürs und die Fürstin zu Schaumburg⸗Lippe haben sich bereits heute Vormittag nach Bückeburg begeben, um den hohen Neuvermählten dort einen feierlichen Empfang zu bereiten. — Der Herzog und die Herzogin von York reisten, begleitet von dem Prinzen Karl von Dänemark, heute früh über Hamburg nach
Paris ab.
Der dänische Richter bei dem gemischten Gerichtshof in Egypten Dr. jur. Karl Ussing ist vorgestern in Egypten Harben.
Amerika.
Aus Havanna wird ein bedeutender Waffenerfolg der Spanier über Maceo gemeldet, welcher dabei sehr große Verluste gehabt habe. 40 Spanier seien verwundet worden.
Asien.
Wie der „Times“ aus Teheran von gestern berichtet in Schiras neue Unruhen stattgefunden. Am Dienstag Nachmittag seien Ld. Personen hingerichtet worden. Am Mittwoch seien die Lebensmittel dort sehr knapp und die Bazare geschlossen gewesen.
Eine Depesche der „Nieuws van den Dag“ aus Batavia meldet, daß das Zusammenströmen feindlicher Banden in Atschin zunehme. Die Umgebungen der holländischen befestigten Linien seien durch starke Regenfälle überschwemmt und daher Bewegungen der Holländer unmöglichh.
Afrika.
Das ‚„Reuter'sche Bureau“ berichtet aus Kairo von gestern, der Khalif habe 1600 Mann nach der Landschaft Kordofan abgesandt, um den Aufstand einiger dortigen Stämme niederzuwerfen. Von Omdurman seien Ver⸗ stärkungen zu dem Korps, das gegen Kassala operiere, abge⸗ gangen. Gegenwärtig nehme der Khalif eine Zwangs⸗ aushebung vor.
8 * . 8
Parlamentarische Nachrichten. 1 Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des nn 1
tags und des Hauses der Abgeordneten befinden in der Ersten Beilage.
— Das Haus der Abgeordneten ertheilte in der heutigen (67.) Sitzung bezüglich der Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer ig das Jahr 1894/95 Entlastung und trat sodann in die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung des Gesetzes über gemein⸗ schaftliche Holzungen vom 14. März 1881, ein.
Abg. von Pappenheim (kons.) erklärte, daß seine Freunde für jetzt darauf verzichteten, dem Gesetzentwurf einen weiteren Geltungsbereich zu geben, als in zweiter 1aang beschlossen sei.
Ober⸗Landforstmeister Donner entschuldigte den durch eine Dienstreise verhinderten Minister für Landwirthschaft und erklärte, daß der Minister der Resolution, welche in zweiter Lesung angenommen sei, nur widersprochen habe, weil dieselbe überflüssig sei und den bereits getroffenen Anordnungen des Ministers entspreche.
Die Abgg. Schreiber (fr. kons.) und Knebel (nl.) meinten, daß dann der Minister sich anders hätte ausdrücken müssen.
Der in zweiter Lesung angenommene Gesetzentwurf wurde unverändert endgültig genehmigt.
Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Gewährung von Umzugskosten an Re⸗ gierungs⸗Baumeister. 88
Abg. Lohmann (nl.): Die Vorlage entspricht einer Zusage des Ministers, die er bei der “ gemacht 8 Es Galag aber ein Zweifel darüber, welche Baumeister getroffen werden sollen. Nach dem Gesetz von 1877 erhalten die außeretatsmäßigen Assessoren und Räthe die Umzugskosten, wenn sie dauernd gegen eine fixierte Re⸗ muneration beschäftigt waren. Warum heirt es bezüglich der Regierungs⸗Baumeister nur: soweit ihnen die Aussicht auf dauernde Verwendung ausdrücklich eröffnet ist?
Ein Vertreter der Regierung erklärte, daß bei der Eisen⸗ bahnverwaltungralle Regierungs⸗Baumeister gegen fixierte Remuneration beschäftigt werden, es müsse daher eine Scheidung gemacht werden zwischen denen, deren Anstellung im Staatsdienst in Aussicht ge⸗ nommen war, und denen, die nur vorübergehend beschäftigt werden. Die Eröffnung der Aussicht auf eine dauernde Verwendung finde bis “ statt; sie solle eingeführt werden, wenn die Vorlage Gesetz
erde.
Abg. Wallbrecht (nl.): Nach dieser Erklärung bringt die Vor⸗ lage für die Baumeister kaum eine Verbesserung.
Geheimer Finanz⸗Rath Lehmann: Die Umzugskosten werden den Assessoren bewilligt, erst wenn sie dauernd mit firterter Remune⸗ ration beschäftigt sind; das geschieht erst nach längerer Zeit ander⸗ weitiger Beschäftigung. Die Baumeister sind günstiger gestellt, sie erhalten von vornherein eine fixierte Remuneration.
Abg. Lohmann erklärte, daß die Sache noch nicht klar gestellt sei, und behielt sich die Formulierung eines Abänderungsantrags vor.
Abg. von Eynern (nl.) erachtete eine Vorberathung in der Budgetkommission für nothwendig.
Geheimer Finanz⸗Rath Lehmann führte aus, daß eine Aende⸗ rung nicht nothwendig sei, weil dadurch für die Baumeister eine Ausnahmestellung geschaffen würde.
Abg. von Kardorff (fr. kons.) schloß sich dem Abg. von Eynern an.
S Vorlage wurde hierauf der Budgetkommission über⸗ wiesen. 8 8 (Schluß des Blattes.) V e“
. Kunst und Wissenschaft.
Für den Neubau des Kunstgewerbe⸗Museums in Köln
der auf Grund einer die hochherzige Schenkung des Kommerzien⸗Raths Otto Andreae begleitenden Bedingung binnen Jahresfrist begonnen werden muß, hat sich erfreulicher Weise ein zweiter, noch ungenannter Stifter gefunden. Derselbe hat sich erboten, auf eigene Kosten die würdige Ausschmückung und vollständige Einrichtung eines Lokals zu übernehmen, durch dessen Dekorationsweise die Leistungen der Kunstgewerbe⸗ treibenden der verschiedensten Gebiete zur Anschauung gebracht werden sollen. Als Bauplatz für das neue Muscum ist der Hansaplatz von der Stadtverordneten⸗Versammlung bestimmt worden. — Wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg gemeldet wird, ist auf Kaiserlichen Befehl die hundertjährige Erinnerungs⸗ feier der Erfindung der Schutzpocken⸗Impfung durch Jenner und die darauf bezügliche Ausstellung auf den November d. J. verschoben worden.
— Ein neuer Hacksilberfund aus dem 10. Jahrhundert ist kürzlich im Sternberger Kreise beim Stubbenroden gemacht und dem Märkischen als Geschenk überwiesen worden. Der Fund besteht aus ca. 3 Pfund Silber, meist einstigen Schmuckgegenständen. Die damaligen Wenden kannten keine Münzvaluta, sondern nur Ge⸗ wichtsilber, wie die heutigen Chinesen, und zerhackten, um kleine Werthe im Unsaß sn bekommen, alles Silber, was ihnen in die Hände kam. Auch die Münzen des obigen Fundes, darunter byzanti⸗ nische, sind in Stücke zerschnitten; gleichwohl ist derselbe für die Kultur unserer Vorzeit von Wichtigkeit. 8 88
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Nach der im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeiteten Statistik über die Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen Reich während des 4. Vierteljahrs 1895 hat die Maul⸗ und Klauenseuche erheblich zugenommen. Neue Ausbrüche sind ge⸗ meldet aus 23 Staaten (gegen 17 im 3. Vierteljahr 1895), 72 Re⸗ gierungs⸗ ꝛc. Bezirken (gegen 58), 438 Kreisen ꝛc. (gegen 215), 2172 Ge⸗ meinden und Gutsbezirken (gegen 498) und 8849 Gehöften (gegen 3258). Es sind mithin 6 Staaten, 14 Regierungs⸗ ꝛc. Bezirke, 223 Kreise ꝛc., 1674 Gemeinden zc. und 5591 Gehöfte mehr ergriffen worden als im 3. Vierteljahr 1895. Die größte Verbreitung erlangte die Seuche in den Provinzen Sachsen und Hessen⸗Nassau, in dem Regierungsbezirk Hildesheim, in Franken, Württemberg, Hessen, in den thüringischen Staaten, in Braunschweig, Anhalt, Waldeck und Elsaß Lothringen. Stark betroffen waren ferner die Regierungs⸗ ꝛc. Bezirke Marienwerder, Potsdam, Bromberg, Lüneburg, Arnsberg, Trier, Mannheim.
Am Schlusse des 4. Vierteljahrs 1895 herrschte die Seuche in 22 Staaten (gegen 16 bei Beginn), 64 Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken (gegen 39), 292 Kreisen ꝛc. (gegen 101), 996 Gemeinden ꝛc. (gegen 265) und 3287 Gehöften (gegen 1714). Am stärksten verbreitet war die Sench. um diese Zeit in den Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken Marien⸗ werder, Magdeburg, Merseburg, Hildesheim, Lüneburg, Cassel, Wies⸗ baden, Trier, Ober⸗, Mittel⸗ und Unterfranken, Neckarkreis, Jagst⸗ kreis, Oberhessen, ferner in Braunschweig, Anhalt, Waldeck und in Elsaß⸗Lothringen.
1““
Mannigfaltiges.
Dem Bericht ůber die gestrige Gedenkfeier der Deutschen
freiwilligen Kriegs⸗Krankenpflege 1870/71 im Weißen Saale des Königlichen Schlosses ist noch Folgendes nachzutragen:
Seine Majestät der Kaiser und König waren durch die General⸗Adjutanten, General der Kavallerie von Albedyll und General⸗Lieutenant Grafen Wedel vertreten. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin hatte vor dem Beginn der Feier das Mansoleum in Charlottenburg besucht. — Das Zentral Comits, dessen Vorsitzender Fürst Otto zu Stolberg⸗Wernigerode durch Krankheit am Erscheinen verhindert war, war im übrigen fast vollzählig anwesend. Anwesend bei der Feier war ferner der General⸗Stabsarzt der Armee, Professor Dr. von Coler. — Die meisten Theilnehmer an der Gedenkfeier batten sich bereits am Donnerstag in den länzenden Festsälen des „Kaiserhofs“ zu einem Begrüßungs⸗ Lbee⸗A bend vereinigt. Von 385 Landes⸗ und Provinzial⸗Vereinen waren Delegirte erschienen, geschaart um die Vorsitzende, Gräfin Itzenplitz. Auch die Gemahlin des Reichskanzlers, Fürstin zu Hoben⸗ lohe⸗Schillingsfürst, war mit der Pe Elisabeth zugegen, ferner mehrere Staats⸗Minister, ber⸗Präsidenten und eine Anzahl anderer höherer Beamten und Offiziere. Auf, eine kurze, herzliche Beh uneeaxec. des Staats⸗Ministers von Hofmann folgte eine Reihe von musikalischen Vorträgen, welche von dem Königlichen Sänger Herrn Mödlinger, der Opernsängerin Frau Seebold und der Violin⸗Virtuosin Frau Anna von Pilgrim ausgeführt wurden. — Nach der Festvorstellung im Königlichen Opern⸗ 2 sein gestern ein geselliger Herren⸗Abend im „Kaiserhof“ die
eihe der festlichen Veranstaltungen ab.
Die Schlußsteinlegung an dem Postament des Denkmals des Großen Kurfürsten auf der neuen „Kurfürstenbrücke“ hat heute Vormittag in feierlicher Weise stattgefunden. Zur Theil⸗ nahme an dem Akt, der zugleich der Vollendung des neuen Schiffahrtsweges Pn 16 Berlin gelten sollte, hatten sich der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse mit dem Ge⸗ heimen Regierungs⸗- Raͤth von Moltke, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen mit
chröder, den Geheimen Ober⸗Baurꝛäthen
Adler, Lange
dem Ministerial⸗Direktor 9 nardo da Vinci, Tizian, Correggio, Lucas Cranach,
und Keller und dem Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Francke, der Dirigent der Ministerial⸗Baukommission Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Kayser mit dem Geheimen Baurath Emmerich und dem Regierungs⸗Rath Küster und der Polizei⸗Präsident von Windheim mit dem Geheimen Regierungs⸗Rath Friedheim ein⸗ gefunden. Die Stadt Berlin wurde durch die beiden Bürgermeister ehe und Kirschner und die beiden Stadtverordneten⸗Vorsteher Dr. angerhans und Michelet vertreten, denen sich zahlreiche Stadt⸗ räthe und Stadtverordnete angeschlossen hatten. Auf Befehl des Staats⸗Ministers Dr. Bosse fiel die mit dem preußischen und dem brandenburgischen Adler geschmückte Hülle, und das reich mit Guirlanden und Kränzen gezierte Denkmal wurde sichtbar. Staats⸗ Minister Dr. Bosse erstieg nunmehr die Stufen des Sockels, um mit lauter Stimme die von Seiner Majestät dem Kaiser und König vollzogene Urkunde zu verlesen, welche in den Schlußstein eingefügt werden sollte. In der Urkunde giebt Seine Majestät kund und zu wissen, daß, nachdem unter der ruhmgekrönten Führung des Kaisers Wilhelm I. in opferreichem Kampf der Frieden erstritten und unter dem milden und weisen Regiment des Heldenkaisers und seines schmerzlich beklagten Sohnes sowie unter Seiner Majestät eigener Regierung dieser Friede bis heute ungestört erhalten worden, die Industrie und der Handel unseres Volks unter Gottes reichstem Segen sich zu so reicher Blüthe entfaltet habe, daß eine Erweiterung der vorhandenen Verkehrswege habe eintreten müssen. Da dabei auch der bisher noch nicht schiffbare Theil des Berlin durch⸗ fließenden Spreelaufs in den Verkehr hineingezogen worden sei, so habe sich ein Umbau der Brücke und eine Wiederherstellung des Denkmals nothwendig gemacht. „Am heutigen Tage“, so schließt die Urkunde, „wurde die umhüllende Rüstung entfernt und damit nicht nur die Vollendung eines neuen Brückenbaues, sondern auch das bedeutsame Werk der neuen Wasserstraße, welche zwei mächtige deutsche Ströme verbindet, dem Handel und Verkehr neue Wege öffnet und den Wohlstand zu fördern bestimmt ist, zum Abschluß gebracht“. Nach der Verlesung der Urkunde nahm der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen das Wort und sprach etwa Folgendes: In seiner alten Herrlichkeit und Schöne steht das mächtige Erzbild des Großen Kurfürsten auf neuem würdigen Sockel wieder mitten unter uns. Darüber freut sich jeder Berliner Bürger. Es wird hiermit das gemeinsame Werk von Stadt und Staat gekrönt, dessen Bedeutung für die Verkehrsstraße zu Wasser und zu Lande es wohl verdient, daß dieser Schlußakt aus dem alltäglichen Lauf der Zeiten hervorgehoben und feierlich begangen wird. Eine neue prächtige Brücke, die sich würdig ihren Schwestern anreiht Wund die durch die Gnade Seiner Majestät des Kaisers heute ausdrücklich den Namen empfängt, den e im Munde des Volks schon lange getragen, die „Kurfürstenbrücke“, ver⸗ bindet die Ufer der Spree an der verkehrsreichsten Stelle der Stadt. Unter ihren Bogen zieht eine neue Schiffahrtsstraße dahin, welche die Elbe und die Oder verbindet. Möge alle Zeit das Denkmal des großen Hohenzollern diejenigen, die dahinziehen auf dieser Straße zu Wasser und zu Lande, daran mahnen, daß die Stadt Berlin und der preußische Staat groß, mächtig und blühend geworden sind durch ein⸗ müthiges Zusammenstehen von Herrscher und Volk, dadurch, daß das preußische Volk seinem Hohenzollernhause alle Zeit die Treue bewahrt hat in guten und bösen Tagen. Möge es alle Zeit so bleiben, dann wird auch in den künftigen Jahrhunderten der Große Kurfürst von diesem Denkmal auf eine blühende Stadt, einen mächtigen Staat herabsehen, dann wird eines Feindes Fuß diese Brücke nimmermehr betreten. So walte es Gott! Wir aber wollen unsern Schlußakt weihen, indem wir uns vereinen in dem Ruf: seine Majestät der Kaiser lebe hoch! Dreimal stimmten die Geladenen und die versammelten Zuschauer in den Ruf ein. Die Urkunde war inzwischen in den kupfernen Kasten gelegt, dieser verlöthet und der Schlußstein durch den Hof⸗Steinmetz⸗ geesster Rasche eingefügt worden. Alsdann wurde die den Schlußstein überdeckende Rückplatte des Denkmalssockels mit der Jnschrift: „Er⸗ richtet unter König Friedrich I. im Jahre 1703, der Sockel erneuert unter Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1896“ angeschraubt, womit der Akt der Einfügung beendet war.
Der große Festzug, den die Studierenden der akademi⸗ schen Hochschule der bildenden Künste heute als Einleitung zu dem großen Künstlerfest in „Alt⸗Berlin’“ veranstaltet hatten, ordnete sich vor dem Kroll'schen Etablissement und passierte kurz nach 11 Uhr das Brandenburger Thor. Der Zug, der sich ebenso durch seine Aus⸗ dehnung wie durch die Pracht der Kostüme auszeichnete und ein überaus farbenreiches Bild zur Entfaltung brachte, wurde durch Reiter und Reiterinnen in der Tracht der Zeit vor 200 Jahren und ein Musikkorps zu Pferde angeführt. In reich ge⸗ chmückten Wagen folgten sodann die Deputationen der Kunst⸗ Akademien zu Dresden, Stuttgart und Wien, der Akademischen Hoch⸗ schule für Musik, der Körperschaften der hiesigen Universität, der Kaiser Wilhelms⸗Akademie, der Kunstschule, der Studierenden des Kunstgewerbe⸗ Museums, der Technischen Hochschule, der Berg⸗Akademie ꝛc. mit ins⸗ 19 Fahnen. Drei prächtige Blumenwagen schlossen sich an.
en eigentlichen Festzug eröffnete ein Herold, dem die Kapelle der Garde⸗Füsiliere in Landeknechttracht folgte. Dem hoch zu Roß er⸗ scheinenden Ausschuß der Akademie, dessen Mitglieder sich in der neuen Rubenstracht ungemein prächtig ausnahmen, wurde das Banner der eeal⸗ vorangetragen. Sehr wirkungsvoll war die von Koch und
eyer arrangierte Gruppe „Architektur“, in der alle Völker verkörpert wurden, die in der Baukunst besonders Hervorragen⸗ des geleistet haben. Drei griechischen Baumeistern folgten drei griechische Jünglinge mit dem Modell eines Tempels. Vitruvius, als Vertreter römischer Baukunst, erschien mit drei Begleitern, die das Modell eines Triumphbogens trugen. Auch die byzantinische Kunst wurde durch ein Modell repräsentiert, welches drei Baumeister in Begleitung eines Mönchs hielten. Ein Araber zu Pferde, neben ihm ein Baumeister zu Fuß mit zwei Dienern versinnbildlichten die maurische Kunst, der Mönch Eginhart, dem zwei Bau⸗ meister und ein Mönch mit dem Modell eines Kreuzgangs folgt den romanischen, Erwin von Steinbach mit dem Bischof Bernwa von Hildesheim und dem das Modell einer Kirche tragenden Pagen den gothischen Stil. Die italienische Renaissance fand in Brunellesco, Peruzzi, Sansovino, Alberti, Bramante, Palladio und Bernini würdige Vertreter. Auch ihnen wurde von Pagen ein Modell nach⸗ getragen. Die französische Renaissance vertraten und Mansard, die deutsche Renaissance Holl und Holzschuher. Auch die deutsche Renaissance wurde an einem Modell veranschaulicht. Der die Gruppe der Architektur beschließende Prunkwagen zeigte einen nischenartigen, von einem Baldachin überragten Aufbau, in dem die Idealgestalt der „Architektur“ saß, umgeben von allegorischen Figuren der Baustile;
Modelle und Embleme zierten im übrigen den Prunkwagen. Die
zweite, von Ohlert arrangierte Gruppe galt der Buͤdhauerkunst. Auch hier sah man die Meister der alten Kunstepochen, der Zeit vor Be⸗ rründung der Akademie, Ageladas und Polyklet, Myron und Alkamenes, Skopas und Praxiteles, Lysippos, Polydoros und Anti⸗ gonos, die beiden Pisano, Donatello, Michelangelo, Perugino und andere Vertreter italienischer Kunstblüthe, Jörg Syrlin. Adam Krafft, Veit 8 Michael Wohlgemuth, Brüggemann, Peter Vischer, Benedikt Wurzelbaum, Rafael Donner und Andere. Auf dem Prunkwagen der Gruppe sah man die Zeusbüste zur Seite der allego⸗ rischen Gestalt der Bildhauerkunst. Vor und binter dem Wagen schritten Damen mit Palmenwedeln; der ganzen Gruppe wurden Hammer und Meißel vorangetragen. — Ein Musikkorps zu Pferde leitete zu der Gruppe der „Malerei“ über, die ursprünglich den Beginn des Zuges bilden sollte. en ser ein Herold, Pagen mit Insignien und die neun Musen führten den Zug der alten Meister ein. Da sah man Apelles, von griechischen, und Fabius Pictor, von römischen Jünglingen begleitet. Vier Mönche verkörperten die kirchliche Kunst. Es folgten die beiden van Eyck, Albrecht Dürer, Palma Vecchio, die beiden Holbein, Raffael, Lio⸗ rueghel, Tinto⸗
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