1896 / 115 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 May 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Arnim aus; in Westfalen habe sich das Anerbenrecht ohne jeden ean frei entwickelt, und jeder Bauer könne davon Gebrauch machen.

r sei kein Gegner des Anerbenrechts, wolle aber keine Schablo⸗ nisierung desselben. Er stimme dem Antrag Rickert auf Kommissions⸗

berathung zu. Abge Kircher (Zentr.) will das Anerbenrecht nur da gesetzlich

eingeführt wissen, wo es sich schon bisher historisch entwickelt habe. Er empfehle die Annahme der Anträge Herold und von Huene.

Abz. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.) bemerkt, daß der Punkt a der Resolurion zwei durchaus nicht mit einander in nothwendigem Zusammenhang stehende Dinge enthalte, und er⸗ klärt sich für den Fall der Annahme der Resolution von Arnim für die Abänderung nach dem Antrage von Huene. In Bezug auf die Umwandlung der Hypotheken in Rentenschulden lasse sich das

gewollte Ziel schon mit Hilfe der Landschaften erreichen. Die all⸗ emeine Faffung des Punktes b könne er nicht annehmen. Was Päunt⸗ c betreffe, so habe die Form des Fideikommisses für kleine äuerliche Besitzungen viele Bedenken gegen sich. Er werde eventuell

für die Anträge Herold und von Huene stimmen und ziehe seinen An⸗ trag auf Einfügung der Worte „zur Erwägung“ in den Antrag

Arendt zurück. 8 Nach einigen Bemerkungen des Abg. Herold (Zentr.)

hs seinen Antrag wird die Diskussion geschlossen und dem ntrage Rickert gemäß, gegen welchen die konservative Partei und ein Theil des Zentrums stimmen, die Resolution Arnim mit sämmtlichen Anträgen an eine Kommission von 21 Mit⸗

gliedern überwiesen.

Es folgt sodann die erste Berathung des Nachtrags⸗ Etats für 1896/97, in welchem 200 000 als erste Rate zum Bau eines Sammlungsgebäudes für das pathologische Vnstitut des Charité⸗Krankenhauses in Berlin gefordert werden.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) will gegen die Forderung selbst nicht Widerstruch ri findet sie aber sehr hoch im Verhältniß zu der Knappheit der Aufwendungen, welche für Provinzial⸗Universitäten erst nach Jahre langen Verhandlungen von der Finanzverwaltung bewilligt werden. Wenn die Zustände bei dem anatomisch⸗pathologischen Institut schon seit langer Zeit unhaltbar seien, warum werde nicht gleich ein neues anatomisch⸗pathologisches Institut gebaut? Und wohin solle das Koch'sche Institut verlegt werden, wenn es seinen Platz in der Charité räumen müsse? Das Koch'sche Institut müsse der Stadt Berlin erhalten bleiben und diese die erforderlichen Opfer bringen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Der Herr Vorredner hat richtig vermuthet, daß der Einnahme⸗ posten, der gegenüber dem gleichen Ausgabeposten im Nachtrags⸗Etat enthalten ist, lediglich formaler Natur ist. Wir wollten vermeiden, wie das auch früher schon geschehen ist, daß durch den Nachtrags Etat die allgemeinen Zahlen des Gesammt⸗Etats sich ändern, und wir haben deswegen diese Form gewählt bei einem Titel, der ja über⸗ schreitbar ist und so materielle Nachtheile nicht herbeiführt.

Was die Sache selbst betrifft, so hat selbstredend die Finanz⸗ verwaltung sich nur ungern entschlossen, in diesem Stadium einen Nachtrags⸗Etat vorzulegen. Die allgemeinen Bedenken gegen solche Nachtrags⸗Etats lehrt uns die Erfahrung im Hause, sodaß es wohl gerechtfertigt erscheint, an dem alten Grundsatz festzuhalten, Nach⸗ trags⸗Etats nur vorzulegen, wo es nicht anders geht, wenn dringende Bedürfnisse plötzlich herantreten, die zu einer solchen Maßnahme noth⸗ wendig führen.

Nun, meine Herrren, glaube ich, ist die Sachlage in der Be⸗ gründung und der Erläuterung der Position genügend dargelegt. Aus derselben geht hervor, daß es sehr unverantwortlich gewesen wäre, den Beginn der Herstellung dieses Gebäudes für die pathologische Sammlung noch um ein Jahr hinauszuschieben. Zu unserem großen Bedauern sind durch die dem hohen Hause bekannten Vorgänge, die sich namentlich auf die schwierige Verhandlung mit dem Kreise Teltow beziehen, Verzögerungen in der Durchführung des Gesammtplans des Umbaues beziehungsweise Neubaues der Charité eingetreten, sodaß wir nicht mehr in der Lage waren, wie wir gehofft haben, dem hohen Hause eine so wichtige und eine gründliche Durch⸗ berathung erfordernde Vorlage über die Durchführung des Ge⸗ sammtplans zu machen. Nun ist gerade auch durch die neuere Darstellung der Techniker die außerordentliche Dringlichkeit der Herstellung eines neuen Gebäudes für diese hochwichtige, fast einzig in der Welt dastehende Sammlung, die wir ja wesentlich den verdienst⸗ vollen Arbeiten und jahrzehntelangen Bemühungen unseres hoch⸗ verehrten Mitgliedes hier im Landtage, den ich nicht näher zu nennen brauche, verdanken, ich sage, die Dringlichkeit eines solchen Neu⸗ baues ist so stark hervorgetreten, daß wir uns in der Finanzverwaltung entschließen mußten, über die erwähnten allgemeinen Be⸗ denken hinwegzugehen. Meine Herren, wir haben in der Kommission neben den Erläuterungen, die dem Hause vorliegen, noch weiteres Material für die Dringlichkeit der Sache vorzulegen, und ich bin überzeugt, daß die Budgetkommission wie das hohe Haus unser Vorgehen in vollem Maße billigen wird.

Der Herr Vorredner hat sich gewundert über die Höhe der Summe und gemeint, sie stände nicht in Einklang mit der sonstigen Sparsamkeit, die ich gegen die Universitäten beobachte. Wahrscheinlich hat der Herr Vorredner irgend einen Schmerz in Halle, der nicht befriedigt ist (ohy! oh! links. Heiterkeit), und er wundert sich nun, daß hier eine so hohe Summe gefordert wird. Diese hohe Summe ist allerdings sehr bedauerlich (Heiterkeit), aber sie entsteht durch den schwierigen Untergrund. Es giebt nur einen Platz, den man für dieses Gebäude wählen kann, ohne den Gesammtdispositionen für die neuen großen Bauten auf dem Charitégrundstück zu präjudizieren. Es hat ein anderer trotz jahrelanger Berathungen, Besprechungen und Verhand⸗ lungen mit den Technikern nicht gefunden werden können, aber dieser Platz erfordert eine sehr kostspielige Fundamentierung. Es ist ein alter Stadtgraben; das ganze Gebäude muß auf Pfählen er⸗ baut werden, und diese Fundamentierung kostet allein fast ein Drittel des ganzen Gebäudes. Es hat sich, wie gesagt, nicht anders ermög⸗ lichen lassen, und ich besonders habe mich überzeugt, nach allen Aus⸗ führungen, die hier gemacht sind, daß der Bau dieses Gebäudes vorab, ehe das hohe Haus den gesammten Plan vor sich hat, deswegen un⸗ bedenklich ist, weil an dieser Stelle das fragliche Gebäude stehen muß, einerlei, ob der große Plan der Umgestaltung der Charité zu stande kommt oder nicht. Sonst würde ich auch nicht gewagt haben, dem hohen Hause die Vorlage zu machen; denn die erste Frage, die die Budgetkommission und das hohe Haus mit Recht stellen werden, ist die: greifen wir durch diese Vorabbewilligung für ein einzelnes Gebäude nicht in unsere eigene demnächstige freie Disposition in Bezug auf die Durchführung des Gesammtplans ein? Ich glaube, wir werden die Herren in der Budgetkommission überzeugen können, daß das nicht der Fall ist. Mag dieser im übrigen ja durchaus feststehende Gesammtplan für die Umgestaltung der Charité durch⸗ geführt werden oder nicht in beiden Fällen muß das fragliche Ge⸗

vorauszusetzen.

bäude an derselben Stelle stehen, und es wird ja allerdings Aufgabe der Budgetkommission sein, durch nähere Prüfung hiervon sich zu überzeugen.

Meine Herren, weil die Fundamentierung so schwierig ist, weil dadurch die definitive Fertigstellung des Gebäudes an und für sich sehr erschwert wird, gerade deshalb ist es wünschenswerth, nicht noch ein ganzes Jahr zu verlieren, sondern wenigstens die Fundamentierungs⸗ frage ohne Verzug thatsächlich zu lösen. Meine Herren, ich darf wohl sagen: wenn es gelingt, dies Gebäude frühzeitiger herzustellen, wenn eine richtige Aufstellung dieser eminent werthvollen, wissenschaftlich hochbedeutsamen Sammlung ermöglicht wird, sodaß sie geordnet, bestimmt und katalogisiert werden kann, und wenn der ich kann den Ausdruck wohl gebrauchen Siifter dieser großen Sammlung dann noch Kraft haben wird, dies schwere Werk noch selbst zu übernehmen, so wird das ein Vortheil für die Bedeutung dieser Sammlung sein, für den uns unsere Nachkommen

danken werden. Ich bitte also das hohe Haus, diese Vorlage mit Wohlwollen

aufzunehmen und nach Berathung durch die Budgetkommission definitiv

in möglichster Kürze genehmigen zu wollen.

Abg. Hermes (fr. Volksp.) bemerkt dem Abg. Friedberg, daß nach seinen Informationen die städtischen Behörden Berlins mit der betreffenden Stelle in Verhandlungen getreten seien, um das Koch'sche Institut dem neu zu erbauenden Berliner Krankenhaus an⸗ zugliedern. B 8

Der Nachtrags⸗Etat wird der Budgetkommission über⸗ wiesen.

Hierauf folgt die Verlesung der Interpellation der Abgg. von Tzschoppe, Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. be und Genossen:

as gedenkt die Königliche Staatsregierung zu thun, um nach der Ablehnung des Lehrerbesoldungsgesetzes durch das Herrenhaus den beabsichtigten Ausbau des Alterszulagesystems zu Gunsten der Lehrer sobald als möglich herbeizuführen und die Mißstände zu beseitigen, die sich aus dem Mangel einer gesetzlichen Neuregelung der Lehrergehälter ergeben?

Der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse erklärt sich bereit, die Interpellation zu beantworten. Abg. von Tzͤschoppe (fr. kons.): Nach der Ablehnung des Lehrerbesoldungsgesetzes im Herrenhause ist eine Erklärung der Regie⸗ rung wünschenswerth, wie sie die Lücke auszufüllen gedenkt. Das Abgeordnetenhaus hat drei Monate mühseliger Arbeit auf das Gesetz verwandt, alle Parteien haben Konzessionen gemacht, das Herrenhaus hat ohne Kommissionsberathung, ohne einen Versuch der Verständi⸗ gung das Gesetz abgelehnt. Unsere Hoffnung auf eine Regelung der ehrerbesoldung hat sich als eine trügerische Fata Morgana erwiesen. In der Generaldebatte im Herrenhause hofften alle Redner noch auf eine Abänderung des Gesetzes dahin, daß es angenommen werden könnte, und erst nach Schluß der Generaldebatte tauchte der Vor⸗ schlag auf, das Gesetz garnicht an eine Kommission zu geben, und wurde nur mit 52 gegen 48 Stimmen angenommen. (Der Redner verliest die bezüglichen Reden im Herrenhause, der Präsident von Köller bittet ihn jedoch, die Reden im Herrenhause als bekannt Der Redner fährt fort, die Verhandlungen im Herren⸗ hause zu schildern. Präsident von Köller: Herr Abg. von Tzschoppe, Sie haben mir selbst gesagt, Sie wollten die Verhandlungen des Herrenhauses nicht reproduzieren. Nun bitte ich aber, das auch nicht zu thun) Als eine perfide Insinuation muß ich die Behauptung der Presse zurückweisen, 8 sich die konservativen Parteien hier und im Herrenhaus verabredet hätten, das Gesetz zu Falle zu bringen. Das Ignorieren der langwierigen Verhandlungen des Abgeordnetenhauses durch das Herrenhaus läßt doch die Rücksichtnahme vermissen, die jedes der beiden Häuser des Landtags dem anderen schuldig ist. (Präsident von Köller: Es ist nicht zulässig, daß das eine Haus das andere in Weise kritisiert, und ich muß bitten, diese Kritik zu unter⸗ lassen.) Ich hielt mich dazu für berechtigt, denn wir stehen vor einem ganz ungewöhnlichen Fall. Ich bitte die Regierung, uns baldmöglichst ein neues Gesetz vorzulegen, gleich im Anfang der nächsten Session, damit wir es bis zum 1. April 1897 zu stande kommen lassen können. Erhalten Sie den Lehrern durch ein gesichertes Einkommen ihre Arbeits⸗ und Berufsfreudigkeit!

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! In Beantwortung der Interpellation habe ich

namens der Königlichen Staatsregierung das Folgende zu erklären:

Die Königliche Staatsregierung hatte den Entwurf eines Lehrer⸗ besoldungsgesetzes dem Landtag zur Beschlußfassung unterbreitet, um auf dem Wege gesetzlicher Bestimmungen den Volksschullehrern ein festes und den örtlichen Verhältnissen angemessenes Einkommen zu gewährleisten.

Wenn dieser Entwurf nach sorgfältiger Berathung dieses hohen Hauses in dieser Session gescheitert ist, so kann die Staatsregierung diesen Ausgang im Interesse des Lehrerstandes und der Schule nur tief beklagen. Sie hält an dem Ziel fest, den Volksschullehrern zu einem, wenn auch bescheidenen, so doch auskömmlichen und gesicherten, nach Maßgabe des Dienstalters entsprechend sich steigernden Dienst⸗ einkommen zu verhelfen, und wird dem Landtag bei seinem nächsten Zusammentritt sofort eine entsprechende Vorlage machen. (Bravo!)

Auf Antrag des Abg. von Eynern (nl.) findet die Be⸗ sprechung der Interpellation statt.

Abg. von Eynern: Diese Erklärung ist auf allen Seiten des Hesss mit Freuden begrüßt worden, und man könnte sich damit egnügen, wenn nicht aus der Fassung der Erklärung und der Be⸗ gründung der Interpellation entnommen werden könnte, daß andere Faktoren bei dem Scheitern dieses Gesetzes thätig gewesen wären, als sie von unserer Seite vorausgesetzt werden. Deshalb nehme ich namens meiner Freunde das Wort. Der Gesetzentwurf wollte wegen der Besserstellung der Städte durch die Steuerreform denselben die bisherigen Zuschüsse theilweise entziehen; der Kultus⸗Minister sagte mit harten Worten, sie hätten dieselben zu Unrecht be⸗ kommen. Erst nach langem Drängen gewährte die Regierung 1, 250 000 an Zuwendungen über das Gesetz hinaus, aber dieses Auskunftsmittel konnte uns nicht befriedigen. Nach der Ab⸗ lehnung des Antrags Sattler ist die Vorlage an das Herrenhaus hetanct. Es ist mit uns gleichberechtigt, und ich kann die Kritik es Herrn v. Tzschoppe über das Herrenhaus nicht billigen. Nicht die sseecs Linke hat dort die Vorlage zu Falle gebracht, sondern eben 0 8 die Rechte, und unter den Bürgermeistern sitzen mehr Frei⸗ konservative als Nationalliberale. Das Scheitern des Gesetzes wird auch von denjenigen bedauert, welche die Enteignung der großen Städte nicht billigen konnten. Aber nicht die Gegner sind verant⸗ wortlich zu machen, sondern die Regierung, welche die Annahme uns unmöglich machte. Möge sie in der nächsten Session uns eine Vor⸗ lage machen, welche den früheren Boden verläßt, und sich das Schicksal der Vorlage im Herrenhause zur Warnung dienen lassen.

Fiinanz⸗Minister Dr. Miquel: Neine Herren! Es liegt mir selbstverständlich als Mitglied der

Regierung doppelt fern aber ich bin der Meinung, daß auch jedes

Mitglied dieses hohen Hauses dieselbe Stellung entsprechend den Wünschen des Herrn Präsidenten einnimmt —, das Vorgehen des Herrenhauses in irgend einer Weise zu kritisieren, und ich hätte gar keine Veranlassung gehabt, mich in diese Diskussion zu mischen namens der Regierung, wenn nicht Herr Abg. von Eynern den Versuch ge⸗

macht hätte, das Scheitern des Gesetzes lediglich der Staatsregierung

in die Schuhe zu schieben und das Vorgehen des Herrenhauses in jeder Weise für berechtigt zu erklären. Er sagt: die Bevölkerung, welche hinter diesen städtischen Vertretungen steht wird das Vorgehen vollständig billigen. Wäre das der Fall, so würde jedenfalls eine große Anzahl Mitglieder der nationalliberalen Partei ihre Bevölkerung nicht richtig vertreten haben; denn eine überwiegende Anzahl Mitglieder der nationalliberalen Partei, darunter auch städtische Vertreter, haben es trotz der Ablehnung des Antrags Sattler durch dieses hohe Haus ihrer patriotischen Pflicht für durchaus entsprechend gehalten, für diesen Gesetzentwurf zu stimmen. (Heiterkeit. Sehr richtig! rechts.) Das kann schon einige Zweifel an dieser Behauptung erwecken, und ich glaube, auch die damalige Gesammtlage in diesem Hause ist für diejenigen, die die Sache kennen, durchaus nicht zweifelhaft.

Nun, ich will darüber gegenwärtig nicht streiten, ob die Stellung der Staatsregierung in Bezug auf die Finanzlage eine berechtigte ge⸗ wesen ist oder nicht. Jedenfalls ist klar, daß die Staatsregierung noch heute auf dem Standpunkt steht, daß die Vorlage, die eine anderweite Vertheilung der Zuwendungen des Staats für die Unter⸗ haltung der Schule vorsah, infolge des inzwischen eingetretenen Ereignisses der Finanzreform, die eine Modifikation der Vertheilung nach Maßgabe der Gesetze von 1887/88 an sich schon durchaus be⸗ gründet erscheinen ließ, sodann infolge der Thatsache, daß ganz neue Aufwendungen auch seitens des Staats in der ursprüng⸗ lichen Vorlage vorhanden waren, in jeder Weise herechtigt war. Trotzdem aber hat die Staatsregierung in der Kommission, um möglichst Härten auszugleichen, und gerade denjenigen Städten, von denen der Herr Abgeordnete gesprochen hat, zu Hilfe zu kommen, nicht bloß zugestimmt, sondern gewissermaßen fördernd dahin gewirkt, daß eine Summe von 1 250 000 noch eingestellt wurde, um solche Härten auszugleichen. Aber, meine Herren, die Staats⸗ regierung ist noch weiter gegangen.

In der hiesigen Berathung habe ich kein Wort davon gesagt, daß für die Staatsregierung selbst der Antrag Sattler unannehmbar sein würde. (Hört! hört! links.) Ich konnte mich für den Antrag Sattler um so weniger erklären, als die große Mehrheit des Hauses diesen Antrag Sattler für unberechtigt hielt (Widerspruch links) jawohl, das ist ein Faktum, und gerade vielleicht dann die ganze Vorlage gescheitert wäre. (Sehr richtig! rechts.) Das war eine ganz ähnliche Situation wie im Herrenhause, wo ich den beiden Parteien, die da wenigstens zum theil zusammen⸗ gewirkt haben, ohne widerlegt zu werden, gesagt habe: sie seien wohl im stande, ein Gesetz abzulehnen, aber nicht im stande, mit ihren divergierenden Auffassungen ein Gesetz zu machen. Die Herren Ober⸗ Bürgermeister haben schließlich doch nichts Anderes vorschlagen können, als: man möchte die Dispositionsfonds erhöhen. Es wird auch noch das nächste Mal, wie schon diesmal, dieses Gesetz eine große Reserve aller Parteien erfordern, um das große und wichtige Ziel zu erreichen. Das nächste Mal wird das in gleicher Weise, wenn wir Erfolg haben wollen, unbedingt nothwendig sein. Die Staatsregierung hofft, daß die Klärung, die öffentliche Diskussion, die wachsende Einsicht in die Unaufschiebbarkeit und das dringende Bedürfniß der Lösung dieser Frage das hohe Haus nicht bloß hier, sondern auch im Herrenhause von der Ueberzeugung durch⸗ dringen lassen wird, daß ohne großes Maßhalten und Zurückstellen von Bedenken und Gegensätzen dieses Gesetz überhaupt nicht zu stande zu bringen ist.

Meine Herren, wenn ich im Herrenhause diesen Beschluß beklagt habe, so habe ich ihn besonders beklagt, weil die Mehrheit des Herren⸗ hauses nicht mal den Versuch machen wollte, um womöglich zu einer Einigung zu kommen (sehr richtig! bei den Freikonservativen), sondern a limine das Gesetz ablehnte ohne eine kommissarische Prüfung.

Meine Herren, die Gegensätze beruhten dort aber keineswegs allein auf der Geldfrage; das ist eine vollständige Verkennung der Sachlage, sondern die Herren Vertreter der Städte hatten auch noch andere, sehr erhebliche Bedenken. Andererseits hatten einige Mitglieder der Rechten im Herrenhause grundsätzliche Bedenken gegen ein vereinzeltes Vorgehen in dieser großen Schulfrage, der Ordnung unseres Schulwesens. Die Geldfrage ist keineswegs allein dabei in Betracht gekommen, vielleicht nur sekundär gewesen. Ich habe den Herren im Herrenhause gesagt: wenn man eine Kommission beschlossen hätte, so hätte man über diese Meinungsverschiedenheiten, die sich eigentlich nur auf zwei Hauptfragen bezogen, sich vielleicht sehr wohl verständigen können. Ich habe das Entgegenkommen der Staatsregierung dabei geradezu in Aussicht gestellt (Abg. Rickert: hört! hört!), nicht weil ich das an sich für berechtigt hielt, sondern weil ich im politischen und parlamentarischen Leben Erfahrung genug habe, um zu wissen, daß auch die Staatsregierung, um ein großes, wichtiges Ziel zu erreichen, sich oft veganlaßt sehen muß, Konzessionen zu machen, die sie an und für sich durchaus nicht für begründet hält, und ich kann nur mein Be⸗ dauern deswegen aussprechen über die Aeußerungen des Abg. von Eynern, welche nach meiner Meinung eher geeignet sind, eine zukünftige Einigung zu erschweren. Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß der Geist, der hier im Hause geherrscht hat, der Geist des gegenseitigen Nach⸗ gebens und Entgegenkommens, wobei die Regierung nicht fehlen wird, der Geist, der geleitet ist, meine Herren, von der Nothwendigkeit, ein großes Bedürfniß zu befriedigen, von dem allgemeinen Wunsch, den Lehrern in ihrer schwierigen Lage so weit wie möglich zu helfen, daß dieser Geist bei einer nächsten Berathung nicht bloß hier obwaltet, sondern im gesammten Landtag, und wir so etwas Ersprießliches zu stande bringen.

Meine Herren, wenn der Herr Kultus⸗Minister ich weiß nicht, ob er den Ausdruck gebraucht hat gesagt hat, es sei den Städten dieses Geld mit Unrecht gegeben, so hat er damit nichts weiter aus⸗ drücken wollen, als daß bei der gegenwärtigen Lage, nachdem den Städten unter Berücksichtigung der Mehrleistungen der Ergänzungs⸗ steuer und nach Abzug des dreijährigen Durchschnitts der Ueber⸗ weisungen aus der lex Huene, ein Betrag an Grund⸗, Gebäude⸗ und Gewerbesteuer von etwa 20 Millionen Mark überwiesen worden ist, daß da das Beibehalten der alten Art der Vertheilung nicht mehr berechtigt sei. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, in dieser Beziehung hat der Herr Kultus⸗Minister nur die Meinung der Staatsregierung ausgesprochen. ;

Meine Herren, die allgemeine Zustimmung, die bis jetzt die Herren Redner ausgesprochen haben, und auch das Haus den Erklä⸗ rungen des Staats⸗Ministeriums ausgedrückt hat, bestärkt uns um so

mehr in der Hoffnung, daß wir das nächste Mal zum Ziel kommen wer⸗ den, und es würde mich freuen, wenn etwa worüber allerdings noch kein Beschluß gefaßt ist das hohe Haus bereits im Herbst berufen werden sollte (sehr wahr!), daß dann alle Parteien entschlossen sein würden, rasch und entschieden an das neue Gesetz heranzutreten und so schnell zu arbeiten, daß den Lehrern überhaupt aus dem jetzigen Scheitern der Vorlage noch gar kein Verlust erwüchse (sehr gut! Bravo!), sodaß wir das Gesetz am 1. April 1897 bereits in Kraft treten lassen könnten. Was die Staatsregierung betrifft, so werden wir alles thun, um dieses höchst wünschenswerthe Ziel zu fördern. (Lebhaftes

Bravo.)

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.): Meine Partei hätte lieber ein Gesetz gewünscht, welches das Volksschulwesen im Ganzen regelt und nicht die Materie der Lehrerbesoldung herausgreift. Nach⸗ dem aber die Staatsregierung ein Gesetz im letzteren Sinne vor⸗ gelegt hatte, hielt es die konservative Partei für ihre ernste Pflicht, an seinem Zustandekommen mit allen Kräften mitzuwirken, um da⸗ mit einerseits den berechtigten Klagen der Lehrer abzuhelfen und eine gerechtere Vertheilung der Staatszuschüsse herbeizufuüͤhren. Wir be⸗ dauern, daß das Herrenhaus in Ausübung seines verfassungsmäßigen Rechts das Gesetz abgelehnt hat. Wir meinen, daß die Frage der Lehrerbesoldung und der Schulunterhaltungspflicht angesichts der auf diesem Gebiete herrschenden Mißstände gelöst werden muß, und wir richten deshalb an die Staatsregierung die Aufforderung, trotz des jetzigen Mißerfolges mit dem Lehrerbesoldungsgesetz, die Frage der Schulgesetzreform nicht ruhen zu lassen. Wir erwarten zwar von einem Volksschulgesetz die beste und geeignetste Lösung aller ein⸗ schlägigen Fragen, werden aber, wie in dieser Session, unsere

itwirkung nicht versagen, wenn uns erneut ein Lehrerbesoldungs⸗ feles. auf Grund der jetzt abgelehnten Vorlage, vorgelegt werden

ollte.

Abg. Rickert: Nachdem wir heute gewissermaßen ein Ver⸗ söhnungsfest gefeiert haben, will ich am Herrenhause und am keine Kritik üben. Die Lehrer werden ja nun 8 Schaden haben, wenn wir im Herbst diese Vorlage verab⸗

ieden. Abg. Dittrich (Zentr.) erklärt, daß auch seine Freunde an der neuen Vorlage gern mitarbeiten werden; den Wunsch nach einem allgemeinen Volksschulgesetz gäben sie nicht auf.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Der Zweck der Interpellation ist durch die Erklärung der Staatsregierung und die heutige Debatte erreicht. Das Land und die Lehrerschaft

können beiden Theilen, namentlich auch der konservativen Partei für ihr Entgegenkommen nur dankbar sein. Sonderinteressen und Wünsche müssen in dieser Frage hinter das Gemeinwohl zurücktreten, hier und im Herrenhause.

Abg. Bartels (kons.) bestreitet, daß die abgelehnte evah die

Gemeinden mit Schulen, welche mehr als 25 Lehrer haben, geschädigt

haben würde. Um etwaige Härten zu beseitigen, habe man sich zur Bereitstellung eines Fonds bereit erklärt. Man habe niemand schädigen, sondern den Gemeinden und Lehrern helfen wollen. An dem Fall des Gesetzes im Herrenhause seien die Ober⸗Bürgermeister allein nicht schuld. 3 1

Abg. Knörcke (fr. Vgg.) spricht seine Genugthuung aus über die Erklärungen der beiden Minister und knüpft daran die Hoffnung, daß in der nächsten Session eine Vorlage zu stande komme, welche die berechtigten Wünsche der Lehrer befriedigt.

Abg. von Eynern: Ich habe nicht behauptet, daß die Kom⸗ mission bewußt die großen Städte habe schädigen wollen. Daß diese aber sich bedroht fühlten, ist nicht zu bestreiten. Wäre seiner Zeit die heutige Erklärung des Finanz⸗Ministers abgegeben worden, daß der Antrag Sattler nicht unannehmbar wäre, so wäre das Schicksal viel⸗ leicht ein anderes gewesen.

Damit ist die Besprechung der Interpellation beendet.

Schluß 3 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr. (Dritte Berathung der Vorlage wegen des Anerbenrechts, zweite Berathung des betreffend die Gewährung von Umzugskosten an die Regierungs⸗Baumeister; Petitionen.)

Parlamentarische Nachrichten. Der dem Reichstag zugegangene Handels⸗ und Schiff⸗

ahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Japan

nebst Protokoll, Tarif und zwei Noten lautet: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, im Namen des Deutschen Reichs, und Seine Majestät der Kaiser von Japan, von dem gleichen Wunsche geleitet, das gute Einvernehmen, welches erfreulicherweise zwischen ihnen besteht, durch Ausdehnung und Hebung des Verkehrs zwischen Deutschland und Japan zu erhalten, und überzeugt, daß diese Aufgabe nicht besser als durch die Revision des zur Zeit zwischen den beiden Ländern bestehenden Vertrags erfüllt werden kann, haben beschlossen, eine solche Revision auf Grundlage der Billigkeit und des gegenseitigen Vortheils vorzunehmen, und zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen: 1 88 Allerhöchstihren Staats⸗Minister, Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Herrn Adolf Freiherrn Marschall Bieberstein, 88

Seine Majestät der Kaiser von Japan:

Allerhöchstihren außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, König von Preußen, Herrn Vicomte Siuzo Aoki,

welche nach gegenseitiger Mittheilung ihrer in guter und gehöriger sihen befundenen Vollmachten den nachstehenden Handels⸗ und Schiff⸗ ahrtsvertrag vereinbart und festgestellt haben:

Ddie Angehörigen eines jeden der beiden vertragschließenden Theile

sollen volle Freiheit genießen, überall die Gebiete des anderen ver⸗ tragschließenden Theils zu betreten, zu bereisen oder sich daselbst nieder⸗ zulassen, und sollen vollen und uneingeschränkten Schutz für ihre Person und ihr Eigenthum genießen.

Sie sollen freien und ungehinderten Zutritt zu den Gerichten haben zur Verfolgung und Vertheidigung ihrer Rechte; sie sollen in gleicher Weise wie die Inländer das Recht haben, Anwalte, Advokaten und Vertreter zur Verfolgung und Vertheidigung ihrer Rechte vor diesen Gerichten zu wählen und zu verwenden, und in allen anderen auf die Rechtspflege bezüglichen Angelegenheiten alle Rechte und Be⸗ gtrftig,mgen der Inlärder genießen.

b ie Angehörigen eines jeden der vertragschließenden Theile sollen in den Gebieten des anderen in Bezug auf die Niederlassung und das Reisen, auf den Besitz von Waaren und beweglichen Sachen aller Art, auf den, sei es kraft letzten Willens oder in anderer Weise er⸗ folgenden Erwerb von Todeswegen bei solchem Vermögen aller Art, welches sie unter Lebenden erwerben dürfen, und in Bezug auf alle wie immer beschaffenen Verfügungen über Vermögen jeder Art, welches in gesetzmäßiger Weise erworben ist, die Uäm ichen Be⸗ günstigungen, Freiheiten und Rechte genießen und in diesen Be⸗ ziehungen keinen höheren Abgaben und Lasten unterworfen sein, als die Inländer oder die Angehörigen der meistbegünstigten Nation.

„Die Angehörigen eines jeden der vertragschließenden Theile follen in den Gebieten des anderen vollkommene Gewissensfreiheit, sowie in Gemäßheit der Gesetze, Verordnungen und Reglements das Recht privater oder öffentlicher Abhaltung ihres Gottesdienstes und auch das Recht genießen, ihre betreffenden Landsleute nach ihren religiösen Gebräuchen auf den geeigneten und passend befundenen, zu diesem Zweck angelegten und unterhaltenen Plätzen zu bestatten.

von

Sie sollen unter keinem Vorwande gezwungen werden, andere oder höhere Abgaben oder Steuern zu bezahlen als diejenigen, welche etzt oder künftig von Inländern oder Angehörigen der meistbegünstigten

ation gezahlt werden. Artikel II.

Die Angehörigen eines jeden der vertragschließenden Theile, welche in den Gebieten des anderen wohnen, sollen von jedem zwangsweisen Militärdienst irgend welcher Art, sei es im Heer, in der Flotte, der Bürgerwehr oder der Miliz, von allen an Stelle persönlicher Dienst⸗ leistung auferlegten Abgaben und von allen Zwangsanleihen oder militärischen Leistungen oder Abgaben befreit sein.

Artikel III.

Es soll gegenseitige Freiheit des Handels und der Schiffahrt zwischen den Gebieten der beiden vertragschließenden Theile bestehen. „Die Angehörigen eines jeden der vertragschließenden Theile dürfen überall in den Gebieten des anderen Groß⸗ oder Kleinhandel mit allen Arten von Erzeugnissen des Bodens und des Gewerbefleißes und von Waaren, soweit sie in den Verkehr gebracht werden dürfen, sei es perfönlich oder durch Beauftragte, einzeln oder in Vereinigung mit Fremden oder Inländern betreiben, sie dürfen Wohnhäuser, gebäude, Waarenhäuser, Läden und sonstige Räumlichkeiten besitzen oder miethen und bewohnen, auch dürfen sie für Nieperlassungs., In⸗ dustrie⸗ und Handelszwecke Ländereien pachten, wobei sie wi⸗ die In⸗ länder den Gesetzen, den Polizei⸗ und Zollvorschriften des Landes unterworfen sind.

Sie sollen besugt sein, frei und sicher mit ihren Schiffen und deren Ladungen alle die Plätze, Häfen und Flüsse in den Gebieten des anderen Theils zu besuchen, welche für die Einfuhr oder Ausfuhr von Waaren füffüc sind oder künftighin geöffnet sein werden, und sollen gegenseitig in Angelegenheiten des Handels, der Industrie und der Schiffahrt dieselbe Behandlung wie die Inländer oder die An⸗ gehörigen der meistbegünstigten Nation genießen, ohne andere oder höhere Steuern, Auflagen oder Zölle irgend welcher Art oder Be⸗ zeichnung, mögen dieselben im Namen oder zum Vortheil der Re⸗ gierung, öffentlicher Beamter, Privater oder irgend welcher Korpora⸗ tionen oder Anstalten erhoben werden, zu entrichten, als diejenigen, welche von Inländern oder Angehörigen der meistbegünstigten Nation Ferahlt werden, immer in Gemäßheit der 8 Reglements des betreffenden Landes. 1

1 Artikel IV. 8 ““

„Die Wohngebäude, Fabriken, Waarenhäuser und Läden der gehörigen eines jeden der vertragschließenden Theile in den Gebieten des anderen, sowie alle dazu gehörigen Räumlichkeiten, welche zu Niederlassungs⸗, Industrie⸗ und Handelszwecken bestimmt sind, sollen unverletzlich sein.

Es ist unzulässig, in solchen Gebäuden und Räumlichkeiten Durchsuchungen oder Haussuchungen abzuhalten, oder Bücher, Papiere und Rechnungen einzusehen und zu prüfen, ausgenommen in denjenigen Fällen und in denjenigen Formen, in welchen derartige Maßnahmen nach den Gesetzen, Verordnungen und Reglements auch Inländern gegenüber anwendbar sind.

Artikel V.

Bei der Einfuhr in Deutschland sollen auf Gegenstände, welche in Japan erzeugt oder verfertigt sind, von welchem Platze sie auch kommen mögen, und bei der Einfuhr in Japan sollen auf Gegen⸗ stände, welche in Deutschland erzeugt oder verfertigt sind, von welchem Platze sie auch kommen mögen, keine anderen oder höheren Zölle ge⸗ legt werden, als auf die gleichartigen Gegenstände, welche in irgend einem fremden Lande erzeugt oder verfertigt sind.

Auch soll bezüglich eines in den Gebieten des einen vertrag⸗ schließenden Theils erzeugten oder verfertigten Gegenstands, von welchem Platze derselbe auch kommen möge, kein Verbot der Einfuhr in die Gebiete des anderen aufrecht erhalten oder erlassen werden, welches nicht ebenso die Einfuhr des gleichartigen Gegenstands aus irgend einem dritten Lande trifft. Diese letztere Vorschrift findet keine auf die sanitären und anderen Verbote, welche durch die Nothwendigkeit veranlaßt werden, die öffentliche Gesundheit, die Erhaltung des Viehs oder der der Landwirthschaft nützlichen Pflanzen

zu sichern. Artikel VI.

In den Gebieten eines jeden der vertragschließenden Theile sollen bei der Ausfuhr 9 den Gebieten des anderen auf keinen Gegenstand andere oder höhere Zölle oder Abgaben gelegt werden als diejenigen, welche bei der Ausfuhr der gleichartigen Gegenstände nach irgend einem anderen fremden Lande jetzt oder in Zukunft entrichtet werden; auch darf nicht die Ausfuhr eines Gegenstands aus den Ge⸗ bieten des einen der vertragschließenden Theile in die Gebiete des anderen mit einem Verbot belegt werden, welches sich nicht gleich⸗ mäßig auf die Ausfuhr der gleichartigen Gegenstände nach irgend einem anderen Lande erstreckt.

Artikel VII.

Die Angehörigen eines jeden der vertragschließenden Theile sollen in den Gebieten des anderen mit Bezug auf die FS; von Durch⸗ fuhrzöllen und in allem, was sich auf Zollniederlagen, Ausfuhrvergü⸗ tungen, Erleichterungen und Rückzölle bezieht, völlige Gleichstellung mit den Inländern genießen.

Artikel VIII.

Für zollpflichtige Gegenstände, welche als Muster von den die Gebiete des einen der vertragschließenden Theile besuchenden Kauf⸗ leuten, Gewerbetreibenden und I een des anderen Theils eingebracht werden, wird beiderseits Befreiung von Eingangs⸗ und Ausgangsabgaben zugestanden, unter der Voransscgang. daß diese Gegenstände binnen der durch die Landesgesetze bestimmten Frist un⸗ verkauft wieder ausgeführt werden, und vorbehaltlich der Erfüllung der für die Wiederausfuhr oder für die Zurücklieferung in die Nieder⸗ lage nothwendigen Zollförmlichkeiten. Die Wiederausfuhr der Muster muß in beiden Ländern unmittelbar am ersten Einfuhrort durch Niederlegung des Betrags der bezüglichen Zollgebühren oder durch Sicherheitsstellung gewährleistet werden.

Ferner werden Musterkarten und Muster in Abschnitten und

roben, sofern sie nur zum Gebrauch als solche geeignet sind, beider⸗ eits frei von Eingangsabgaben zugelassen, auch wenn ihre Einbringung auf anderem als dem im vorausgehenden Absatz bezeichneten Wege

erfolgt. Artikel IX.

Wird innerhalb der Gebiete eines der vertragschließenden Theile im ganzen Lande oder in einem beschränkten Umkreise, sei es für Rech⸗ nung des Staats oder für Rechnung einer Gemeinde oder Korporation, von der Hervorbringung, der Herstellung oder dem Verbrauch eines Artikels eine innere Abgabe erhoben, so darf der gleiche Artikel, wenn er aus den Gebieten des anderen Theils eingeführt wird, in diesem Lande oder diesem Umkreise nur mit einer gleichen und mit keiner höheren oder lästigeren Abgabe belegt werden.

Keinerlei Abgaben dürfen erhoben werden, falls in diesem Lande oder in diesem Umkreise Artikel derselben Art nicht erzeugt oder her⸗ gestellt werden, oder, wenn sie auch daselbst erzeugt oder hergestellt werden, nicht von derselben Abgabe getroffen sind. 8 8

Artikel X. 858 8 Alle Gegenstände, welche in japanische Häfen auf japanischen Schiffen gesetzmäßig eingeführt werden oder eingeführt werden dürfen, können in diese Häfen auch auf deutschen Schiffen eingeführt werden, ohne anderen oder höheren oder Abgaben, gleichviel welcher Benennung, unterworfen zu sein, als wenn diese Gegenstände auf japanischen Schiffen eingeführt würden; und umgekehrt können alle Gegenstände, welche in deutsche Häfen auf deutschen Schiffen gesetzlich eingeführt werden oder eingeführt werden dürfen, in diese Hafen auch auf japanischen Schiffen eingeführt werden, ohne anderen oder höheren Zöllen oder Abgaben, gleichviel welcher Benennung, unterworfen zu sein, als wenn diese Gegenstände auf deutschen Schiffen eingeführt würden. Diese gegenseitige gleiche Behandlung erfolgt ohne Unter⸗ schied, ob die betreffenden Gegenstände unmittelbar von dem Ursprungs⸗ ort oder von einem anderen Platz kommen. Ebenso soll eine völlig gleiche Behandlung auch hinsichtlich der

Ausfuhr herrschen, sodaß in den Gebieten eines jeden der vertrag⸗

schließenden Theile bei der Ausfuhr eines Gegenstandes, welcher gesetz mäßig aus denselben ausgeführt wird, dieselben Ausfuhrzölle gezahl und dieselben Ausfuhrvergütungen und Rückzölle gewährt werden sollen, gleichviel, ob die Ausfuhr auf janischen oder auf deutsche Schiffen erfolgt, und ohne Rücksicht auf den Bestimmungsort, ma dieser ein Hafen der vertragschließenden Theile oder einer dritte

Macht sein. 8 Artikel XI.

Keine Tonnen⸗, Hafen⸗, Lootsen⸗, Leuchtthurm⸗, Quarantäne⸗ ode ähnlichen Gebühren irgend welcher Art oder Bezeichnung, die, sei e im Namen oder im Interesse des Staats, sei es in demjenigen von öffentlichen Beamten, von Privaten, von Korporationen oder von Instituten irgend einer Art erhoben werden, dürfen in den Gebiete des einen Landes den Schiffen des anderen Landes auferlegt werden sofern dieselben nicht in den gleichen Fällen ebenso und unter den selben Bedingungen den inländischen Schiffen und den Schiffen de meistbegünstigten Nation auferlegt werden. Diese Gleichförmigkeit i der Behandlung soll gegenseitig auf die beiderseitigen Schiffe A wendung finden, ohne Rücksicht darauf, von welchem Hafen oder Pla dieselben ankommen, und wohin sie bestimmt sind.

Artikel XII.

Rücksichtlich des Ankerplatzes, des Ladens und Löschens der Schiffe in den Häfen, Bassins, Docks, Rheden und Sg; der Ge. biete beider Länder soll den inländischen Schiffen kein Vorrecht ge währt werden, das nicht in gleicher Weise den Schiffen des andere Landes gewährt wird; die Absicht der vertragschließenden Theile geht dahin, daß auch in dieser Hinsicht die beiderseitigen Schiffe auf dem Fuße völliger Gleichheit behandelt werden sollen.

Artikel XIII. 1 „Der Küstenhandel der beiden vertragschließenden Theile wird durch die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags nicht berührt; derselbe soll den Gesetzen, Verordnungen und Reglements jedes der beiden Länder unterworfen sein. Es ist jedoch vereinbart, daß japanische Staatsangehörige in Deutschland und deutsche Reichsangehörige in Japan in dieser Beziehung die Rechte genießen sfollen, welche in Gemäßheit jener Gesetze, Verordnungen und Reglements den An⸗ gehörigen irgend eines anderen Landes bewilligt sind oder künftig bewilligt werden. G

Ein japanisches Schiff, welches in einem fremden Lande mit Gütern für zwei oder mehr deutsche Häfen befrachtet ist, und ein deutsches Schiff, welches in einem fremden Lande mit Gütern für zwei oder mehr japanische 8 befrachtet ist, darf einen Theil seiner Ladung in einem der Bestimmungshäfen löschen und seine Reise nach dem anderen oder nach den anderen Häfen, sofern daselbst die Einfuhr oder Ausfuhr von Waaren gestattet ist, behufs Löschung des Restes seiner ursprünglichen Ladung fortsetzen, in allen Fällen unter Beachtung der Gesetze und Zollordnungen der beiden Länder.

Die japanische Regierung willigt indessen darein, daß deutsche Schiffe nach wie vor für die Dauer des gegenwärtigen Vertrags Ladung zwischen den gegenwärtig geöffneten Häfen befördern dürfen, ausge⸗ nommen nach oder von den Häfen von Osaka, Niigata und Ebisu⸗

minato. 1 Artikel XIV.

Kriegs⸗ oder Kauffahrteischiffe eines jeden der vertragschließenden Theile, welche durch stürmisches Wetter oder durch irgend einen anderen Unfall genöthigt werden, in einem Hafen des anderen Theils Zuflucht zu suchen, sollen die Befugniß haben, daselbst Ausbesserungen vor⸗ zunehmen, sich alle nöthigen Vorräthe zu verschaffen und wieder in See zu gehen, ohne irgend andere Gebühren zu bezahlen als die⸗ jenigen, welche von inländischen Schiffen zu entrichten sein würden. Falls jedoch der Führer eines Kauffahrteischiffs sich genöthigt sehen sollte, über einen Theil seiner Ladung zu verfügen, um Ausgaben zu bestreiten, so soll er verpflichtet sein, sich nach den Verordnungen und Tarifen des Orts, wohin er gekommen ist, zu richten.

Wenn ein Kriegs⸗ oder Kauffahrteischiff des einen der vertrag⸗ ö Theile an den Küsten des anderen strandet oder Schiff⸗

ruch leidet, so sollen die Ortsbehörden den General⸗Konsul, Konsul, Vize⸗Konsul oder Konsularagenten des Bezirks, in welchem der Unfall stattgefunden hat, oder, wenn es derartige Konsularbeamte dort nicht giebt, den General⸗Konsul, Konsul, Vize⸗Konsul oder Konsularagenten des nächsten Bezirks benachrichtigen.

Alle Rettungsmaßregeln bezüglich japanischer, in den deutschen Küstengewässern verunglückter oder .v. Schiffe sollen nach Maßgabe der deutschen Gesetze, Verordnungen und Reglements Pla greifen, und umgekehrt sollen alle Rettungsmaßregeln hinsichtli deutscher, in den japanischen Küstengewässern verunglückter oder ge⸗ strandeter Schiffe in Gemäßheit der japanischen Gesetze, Verordnungen und Reglements erfolgen.

Ein derartiges gestrandetes oder verunglücktes Schiff oder Fahr⸗ zeug und alle Theile desselben, sewie alle seine Ausrüstungsgegenstände und Zubehörungen, ferner alle Güter und Waaren, weiche davon gerettet worden sind, einschließlich derer, welche in die See geworfen waren, oder der Erlös dieser Gegenstände, falls sie verkauft worden sind, ebenso alle an Bord eines solchen gestrandeten oder verunglückten Schiffes oder Fahrzeuges vorgefundenen Papiere sind den Eigen⸗ thümern oder deren Beauftragten auszuhändigen, sobald sie von den⸗ selben beansprucht werden. Wenn diese Eigenthümer oder Beauf⸗ tragten sich nicht an Ort uad Stelle befinden, so sind alle die gedachten Gegenstaͤnde den betreffenden General⸗Konsuln, Konsuln, Vize⸗Konsuln oder Konsular⸗Agenten, sofern die Herausgabe von denselben innerhalb der durch die ’n e festgesetzten Frist verlangt wird, auszu⸗ händigen, und diese Konsularbeamten, Eigenthümer oder Beauftragten sollen nur die durch die Rettung und Erhaltung der Güter erwachsenen Kosten, einschließlich des Bergelohnes, bezahlen, wie sie im Falle des Scheiterns eines inländischen Schiffes zu entrichten gewesen wären.

Die aus dem Schiffbruch geretteten Güter und Waaren sollen von allen Zöllen befreit sein, söstern sie nicht für den Verbrauch deklariert werden, in welchem Falle sie die gewöhnlichen Abgaben zu entrichten haben. 1

Wenn ein Schiff oder Fahrzeug, welches im Eigenthum von An⸗ gehörigen des einen der vertragschließenden Theile steht, in den Küsten⸗ gewässern des anderen strandet oder verunglückt, so sollen die be⸗ treffenden General⸗Konsuln, Konsuln, Vize⸗Konsuln und Konsular⸗ Agenten, falls der Eigenthümer oder der Schiffsführer oder ein anderer Beauftragter des Eigenthümers nicht anwesend ist, ermächtigt sein, amtlichen Beistand zu leisten, damit den Angehörigen des betreffenden Landes die erforderliche Unterstützung gewährt wird. Derselbe Grund⸗ satz soll in dem Fall Anwendung finden, wenn der Eigenthümer, Schiffsführer oder sonstige Beauftragte zugegen ist, indeß solchen Bei⸗ stand nachsucht.

Artikel XV.

Alle Schiffe, welche nach deutschem Recht als deutsche, und alle Schiffe, welche nach japanischem Recht als japanische Schiffe anzu⸗ sehen sind, sollen im Sinne dieses Vertrages als deutsche beziehungs⸗ weise japanische Schiffe gelten. 8

Artikel XVI. 8 Die vertragschließenden Theile kommen darin überein, daß in allen auf Handel und Schiffahrt bezüglichen Angelegenheiten jede Art von Vorrecht, Begünstigung oder Befreiung, welche der eine vertrag. schließende Theil der Regierung, den Schiffen oder den Angehörige irgend eines anderen Staates gegenwärtig eingeräumt hat oder in Zukunft einräumen wird, sofort und bedingungslos auf die Regierung, die Schiffe oder die Angehörigen des anderen vertragschließenden Theiles ausgedehnt werden soll, da es ihre Absicht ist, daß Handel und Schiffahrt eines jeden Landes von dem anderen in allen Be⸗ auf den Fuß der meistbegünstigten Nation gestellt werden

ollen. Artikel XVII.

Die Angehörigen des einen der vertragschließenden Theile sollen in den Gebieken des anderen in Bezug auf den Schutz von Erfindungen, von Mustern (einschließlich der Gebrauchsmuster) und Modellen, von Handels⸗ und Fabrikmarken, von Firmen und Namen dieselben Rechte, wie die eigenen Angehörigen unter der Voraussetzung genießen, daß sie die hierfür vom Gesetz vorgesehenen Bedingungen erfüllen.