1896 / 116 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 May 1896 18:00:01 GMT) scan diff

gehung unter dem Schutz des Aktiengesetzes unmöglich wäre, und daß, wenn eine solche Umgehung stattfindet, die Landesfinanz⸗ behörden das Recht haben, den Vortheil, den auf unlautere Weise die Fabriken sich angeeignet haben, wieder einzuklagen, bezw. einzufordern. Das ist der formelle Mangel. Ich muß aber auch auf das materielle Bedenken hinweisen. Es ist von dem Herrn Abg. Richter die große Differenzierung betont worden, daß die neuen Fabriken die Prämie von 2,50 zunächst nicht bekämen und die alten Fabriken sofort in den Genuß einer Ausfuhrprämie von 2,50 gelangten. Aber vergessen Sie, bitte, doch eines dabei nicht: je mehr man das schnelle Anwachsen von neuen Fabriken begünstigt, desto geringer wird das Kontingent, was auf die bestehenden Fabriken fallen kann, desto geringer ist naturgemäß auch die Prämie, welche die bestehenden Fabriken für ihre gesammte Produktion beziehen; denn wenn das Kontingent für die einzelnen Fabriken zu klein ausfällt, so sind sie gezwungen, ein erhebliches Superkontingent herzustellen, und zwar vielleicht ebensoviel, als sie Kontingent haben. Die Konsequenz davon wäre, daß die thatsächliche Prämie, welche die einzelne Fabrik für ihre Produktion bekommt, vielleicht auf den Satz herab⸗ gedrückt wird, der jetzt schon nach dem Gesetz als Prämie gewährt wird, während wir dem Auslande gegenüber den Schein erwecken, daß eine höhere Prämie gewährt wird. Je mehr Sie also das schnelle Anwachsen neuer Fabriken begünstigen, desto mehr perringert sich thatsächlich die Prämie für die bestehenden Fabriken. Meine Herren, wenn Sie diesen Weg gehen wollen, dann wäre es viel ein⸗ facher, Sie reduzierten die Prämie und erhöhten das Kontingent, dann schützen Sie durch das Gesetz wenigstens den Reichsfiskus davor, daß er fortgesetzt höhere Summen für Prämien ge⸗ währen muß; und eine Grenze muß es doch auch für das Kontingent geben, wo man sagt, das ist die Summe, die der normalen Produktion entspricht, und wenn das Kontingent jährlich noch um den doppelten Konsum wächst, so ist der heimische Rüben⸗ bauer gedeckt. Ich bleibe dabei, es ist eine Fiktion, daß man überall Rüben bauen kann, wo sie wachsen. Ja, man kann sie bauen, aber wenn in diesem Tempo neue Fabriken entständen, so würden die neuen Fabriken, sobald ein Rückgang im Preise eintritt, sehr bald ihren letzten Dampf abblasen.

Abg. Gamp zieht seinen Antrag zu Gunsten des Antrags des

Grafen Carmer zurück. sin⸗ Graf von Carmer ändert seinen Antrag dahin, daß die

Fabriken, welche er begünstigt wissen will, Kaufrüben im ersten Jahre nicht verarbeiten dürfen.

Der Antrag des Grafen Carmer wird mit 122 gegen 93 Stimmen angenommen. Mit dem Antrag Carmer wird § 76 angenommen. .

Nach § 77 wird das Kontingent jeder einzelnen Fabrik nach der Zuckermenge ermittelt, welche von der Fabrik in den letzten drei Betriebsjahren unter Weglassung der niedrigsten Jahreserzeugung durchschnittlich hergestellt ist. Das Betriebs⸗ jahr, in welchem die Kontingentierung vorgenommen wird, wird, abgesehen von der erstmaligen Kontingentierung, hierbei nicht berücksichtigt.

Abg. Dr. Graf Udo zu stimmung gestrichen wissen, gestellt würden als die alten,

Stolberg (d. kons.) will diese letztere Be⸗

weil sonst die neuen Fabriken günstiger welche ihren Betrieb erweitern.

Abg. Roesicke (b. k. F.): Das Gesetz ist nicht ein Gesetz zum Schutz des Besitzstandes geworden, sondern zur künstlichen Ver⸗ änderung des Besitzstandes, nicht ein Gesetz gegen die Ueberproduktion, sondern zur Förderung der Ueberproduktion. Redner spricht, nach⸗ dem er früher gegen die Interessen seines Wahlkreises gesprochen habe, jetzt im Interesse seines Wahlkreises gegen § 77, weil da⸗ durch die Zuckerfabriken seines Wahlkreises geschädigt würden.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Der Herr Abg. Graf Stolberg hätte seinen modifizierten Antrag auch zu § 75 stellen müssen; denn er erreicht nicht, was er will. Er wünscht, daß in demselben Jahr die Kon⸗ tingentierung vorgenommen wird, für welches sie gelten soll. Er will also entgegen den Wünschen, die in der Kommission im landwirth⸗ schaftlichen Interesse ausgesprochen wurden, die Kontingentierung näher an das Betriebsjahr heranlegen. Aber gerade seitens der landwirth⸗ schaftlichen Interessenten in der Kommission ist gewünscht, schon ein Jahr vorher den Fabriken die Kontingentierung mitzutheilen, damit sich die Fabriken und Landwirthe mit der Bestellung hiernach ein⸗ richten können.é Also dieser Antrag würde den landwirthschaftlichen Wünschen widersprechen, und ich kann nur bitten, es bei der Fassung der Kommission zu belassen.

Abg. Meyer⸗Danzig (Rp.) widerspricht dem Abg. Roesicke und empfiehlt den Antrag des Grafen Udo Stolberg. b

Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der Frei⸗

sinnigen und einiger Konservativen wird der Antrag Stolberg abgelehnt und § 77 unverändert angenommen.

§ 78 trifft Bestimmungen über die Kontingentierung der Mbt ben, welche sich nicht im Betriebe befunden haben oder ei denen eine Betriebsstörung stattgefunden hat.

Abg. Rimpau (nl.) beantragt folgenden Zusatz: Auf Antrag werden, wenn eine Zuckerfabrik vertragsmäßig den Betrieb dauernd zum Zweck der Vergrößerung anderer Zuckerfabriken im Laufe der letztvorhergegangenen drei Betriebsjahre eingestellt hat, die für die ver⸗ größerten Fabriken zu ermittelnden Zuckermengen um einen Betrag erhöht, welcher der Zuckererzeugung der eingegangenen Fabrik ent⸗ spricht. Die Fabriken dürfen jedoch nicht mehr als 30 km von ein⸗ ander entfernt sein.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren, ich glaube, nach den Erklärungen, die der Herr Antragsteller gegeben hat, soll sich der Paragraph nur auf die Ver⸗ gangenheit beziehen und nicht Anwendung finden auf Vereinigungen in der Zukunft nach Erlaß des Gesetzes. Es würde, um dem Gedanken des Herrn Antragstellers vollkommen gerecht zu werden, klarer werden, wenn man sagte, statt „der letztvorhergegan⸗ genen drei Betriebsjahre“ „der Betriebsjahre 1893/94 bis 1895/96“. (Zustimmung.) Es wird auch der Paragraph eventuell strikt zu interpretieren sein, d. h. nur in dem Falle Anwendung finden, wenn eine Fabrik vergrößert wird, weil eine andere eingeht, und wenn ihre erhöhte Leistung eine unmittelbare Folge der Betriebseinstellung der vertragsmäßig zu schließenden Fabrik ist. Würde man nicht so eng interpretieren, so könnte der Fall eintreten, daß erstens eine Fabrik ihre Leistungsfähigkeit vergrößert, infolgedessen ein größeres Quantum Rüben anderweit erwirbt und in Zucker um⸗ wandelt und dadurch schon ein größeres Durchschnittskontingent erwirbt. Nebenbei würde sie demnächst noch auf Grund eines Ver⸗ trags das Kontingent der eingegangenen Fabrik erhalten.

werden: einmal durch die Erhöhung ihres Durchschnitts in⸗ folge erhöhter Leistungsfähigkeit, thatsächlicher Leistung, und dann infolge Zurechnung des Kontingents einer auf Grund eines Ver⸗ trags geschlossenen und mit der vergrößerten Fabrik verbundenen

abrik. 5 Ich möchte also den Herrn Antragsteller bitten, zur größeren Klarheit statt der allgemeinen Bestimmung „im Laufe der letztvorher⸗ gegangenen drei Betriebsjahre“ einzusetzen „im Laufe der Betriebsjahre 1893/94 bis 1895/96“.

Abg. Placke (nl.) daß er A. 1d” Antrag

sucht dieses Bedenken dadurch zu beseitigen, Rimpau die drei Jahre 1893/94, 1894/95 und 1895/96 als diejenigen ausdrücklich bezeichnet, auf die sich der Antrag beziehe. § 78 wird mit diesem veränderten Antrag Rimpau an⸗ genommen. Nach § 79 soll die Feststellung der Kontingente endgültig durch die oberste Landes⸗Finanzbehörde nach näherer Be⸗ stimmung des Bundesraths erfolgen. 1““ Abg. von Staudy (d. kons.) beantragt, das Wort „endgültig zu streichen und eine Berufung an den Verwaltungsgerichtshof des betreffenden Landes oder, wo ein solcher nicht bestehe, an die ordent⸗

i ichte zuzulassen. lichen Gertchte b S owski will, daß die Kontingentierung nicht bloß

nach dem Rohzuckerwerth, sondern auch als Kontingen⸗ tierung der Zuckerrüben⸗Anbauflächen erfolge. Redner motiviert den Antrag mit der Fürsorge für die Rübenbauer gegen Uebergriffe der Fahrssn. von Staudy sieht in dem Antrage Komierowski dasselbe rinzip, das dem abgelehnten Antrag Podbielski zu Grunde gelegen Hiin und spricht sich für denselben aus; er empfiehlt ferner, ein geordnetes Verfahren für die Beschwerden gegen die Kontingentierung einzuführen. Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner: Mieine Herren! Bei der vorgerückten Zeit will ich mich nicht darauf einlassen, materiell diesen Antrag zu erörten. Es ist zweifelhaft, ob das Preußische Ober⸗Verwaltungsgericht beispielsweise die kompetentere Instanz wäre, um die richtige Zutheilung eines Kontingents zu beurtheilen, wie die oberste Verwaltungsbehörde der indirekten Steuerverwaltung, die fortgesetzt mit diesen Dingen zu thun hat. Ich habe aber das allergrößte staatsrechtliche Bedenken. Nach der Verfassung des Deutschen Reichs steht die Verwaltung und Er⸗ hebung der direkten Steuern und Zölle den Einzelstaaten zu, und wir können nicht gelegentlich bei diesem Gesetze ein völlig neues Prinzip in die Organisation der Steuerverwaltung der Einzelstaaten bringen. Wollte man das thun, meine Herren, so müßte man ein besonderes Gesetz machen und jedenfalls vorher erst eingehend mit den verbündeten Regierungen über diese Fragen konferieren. Aber durch ein solch' gelegentliches Amendement in den Organismus der indirekten Steuer⸗ verwaltung der Einzelstaaten einzugreifen, halte ich staatsrechtlich und

verfassungsrechtlich für unzulässig.

Beide vorliegenden Anträge werden gegen die Stimmen des Abg. von Staudy, der Polen, der und Sozialdemokraten abgelehnt und § 79 unverändert angenommen. Die übrigen Bestimmungen über das Verfahren bei der Kontingentierung, die Uebergangs⸗ und Schlußbestimmungen und die Art. II und III (Feststellung der Zuckersteuer auf

21 ℳ) werden ohne Debatte genehmigt 2 IV enthält Bestimmungen über das Inkrafttreten

des Gesetzes. 1 Abg. Dr. Paasche 89 beantragt, das Gesetz bezüglich der Vor⸗ schriften über die erstmalige Kontingentierung, sowie über den Eingangs⸗ zoll und die Zuckersteuer sofort na seiner Verkündigung, im übrigen mit dem 1. August 1896 in Kraft treten zu lassen.

Der Antrag wird angenommen.

Abg. Dr. Paasche berichtet über die Petitionen und hebt hervor, daß manchmal die Petenten seltsame Dinge behaupteten. In. einer Petition werde beispielsweise behauptet, - die Konditoren, die Thokoladefabriken und die Bäckereien 22 Millionen Zentner Zucker verbrauchten, während im ganzen Reich nur 11 Millionen Zentner überhaupt konsumiert würden.

Abg. Dr. Barth (fr. Vüg7. Es handelt sich augenscheinlich nur um einen Druckfehler; es soll statt „Zentner“ „Kilogramm“ heißen. Petitionen an den Reichstag sollten vom Referenten nicht so hnisch behandelt werden.

Abg. Dr. Paasche: und glaube, daß die Leute, was sie drucken lassen. ohne daß die Konditoren sie reicherung bedankt haben. wohl tragen können.

Abg. Dr. Barth: Ich bleibe dabei, daß der Wortlaut der Petition darauf schließen läßt, daß es sich um einen Druck⸗ bezw. Schreibfehler handelt; es lag also keine Veranlassung vor, von dieser Petition so viel Aufhebens zu machen. Wir würden vielmehr Veranlassung haben, uns über solche Petitionen zu erzürnen, welche uns immer wieder mit ungerechten Forderungen kommen. .

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Ich kann es einem Referenten nicht übelnehmen, wenn er derartige Petitionen hier auch zur Sprache bringt, und nicht nur diejenigen Petitionen erwähnt, die in sachlicher Weise für oder gegen Stellung nehmen, sondern auch diejenigen, die in un⸗ sachlicher und irreführender Weise Beschwerden vorbringen.

Abg. Dr. Paasche: Bei den Petitionen, welche ich nicht weiter erwähnt habe, handelt es sich um schwer bedrängte Landwirthe, welche mit voller Berechtigung in Wahrung ihrer Interessen um Schutz ge⸗ beten haben. Diese Petitionen sind allen Herren bekannt. 8

Die Diskussion wird geschlossen. Die Abstimmung über die Petitionen wird der dritten be

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 2 Uhr. (Dritte Bera 7- der Zuckersteuervorlagee

1 1“ 8 .“ 6

die so etwas drucken lassen, wissen müssen, Die Zuckerpreise sind so niedrig gewesen, an uns gewendet und für eine Be⸗ ie werden die kleine Mehrbelastung

Ich habe die Petition gedruckt vor mir nsen

8 8 A

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 7.. Sitzung vom 13. Mai 189b.ͤ

Ueber den ersten Theil der Sitzung ist vorgestern berichtet

worden. Nach der Annahme des Gesetzentwurfs, betreffend das

Lesung geht das entwurfs, betreffend die kosten an Regierungs⸗Baumeister, über.

Der Entwurf bestimmt, daß die in dem Gesetz, betreffend

aus zur Freben Berathung des Gesetz⸗

Staatsdienste außeretatsmäßig becafelguen Assessoren und

Anerbenrecht bei Renten⸗ und Ansiedelungsgütern, in dritter ewährung von Umzugs⸗ die Umzugskosten der Staatsbeamten, enthaltenen Bestimmungen über die Gewährung von Umzugskosten an die im höheren

Räthe auf die im höheren Staatsdienste außeretatsmäßig be⸗ chäftigten Regierungs⸗Baumeister Anwendung finden sollen,

Abg. Lohmann (nl.): Es ist in der Kommission zugesa 82 daß die Baumeister bei ihrer Berufung eine Mitthaflagt erhalten sollen, ob sie sich als dauernd beschäftigt ansehen können oder nicht. Wie steht es aber mit den bereits beschäftigten Bau⸗ meistern? Einem bereits zehn Jahre beschäftigten Baumeister wurde, als er fragte, ob er sich als dauernd beschäftigt ansehen könnte, ge⸗ antwortet, daß dies nicht der Fall sei, da er auf dauernde Be. schäftigung keinen Anspruch habe. Es empfiehlt sich vielleicht, eine mehr als dreijährige Beschäftigung als eine dauernde zu erachten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich habe bereits gestern in der Budgetkommission ausgesprochen, daß ich ja im allgemeinen dem Herrn Abg. Lohmann nur dankbar dafür sein kann, daß er sich der Beamten meines Ressorts in der guten Absicht annimmt, ihnen eine befriedigende und, wie er annimmt, gesichertere Stellung zu verschaffen. Meine Herren, ich halte den gegenwärtigen Gesetzentwurf für die Erreichung der letzteren Absicht von vornherein nur nicht für die geeignete Stelle. Der gegenwärtige Gesetzentwurf will weiter nichts als eine Disparität be⸗ seitigen, die innerhalb verschiedener Zweige der Staatsregierung bis jetzt bestanden hat und die dahin präzisiert ist, daß, während den

in Aussicht genommen werden kann, die reglementsmäßigen Umzugs⸗ kosten bewilligt werden, dies bei den Regierungsbaumeistern bisher nicht der Fall gewesen ist.

Gegen die Absicht des Gesetzes werden auch Einwendungen von keiner Seite, soviel mir bekannt, erhoben; es wird nur hervorgehoben, daß das Kriterium, welches für die Bewilligung der Umzugskosten im Gesetz vorgesehen, nicht das richtige sei, weil dieses Kriterium es lediglich in das Belieben der Staatsregierung, der Vorgesetzten der betreffenden Beamten legte, von wann ab seine dauernde Beibehaltung als feststehend angenommen werden kann.

Meine Herren, in dieser Beziehung wird Ihnen vorgeschlagen, ein bestimmtes thatsächliches Moment in das Gesetz hineinzubringen in § 1, und zwar dahin, daß gesagt wird, der Erklärung der aus⸗ drücklichen Uebernahme soll es gleich geachtet werden, wenn der be⸗ treffende Regierungs⸗Baumeister drei Jahre lang im Staatsdienste bereits beschäftigt gewesen ist.

Meine Herren, in der Budgetkommission habe ich ausgeführt, daß dieses Kriterium jedenfalls als ein zutreffendes und als ein solches, welches von der Staatsregierung angenommen werden kann, nicht zu be⸗ trachten ist, denn bei einer ganzen Reihe von Stellungen wissen wir von vornherein, daß die Beschäftigung des betreffenden Beamten lediglich eine vorübergehende ist. Ich muß darauf hinweisen, daß z. B. in der Staats⸗Eisenbahnverwaltung eine Reihe Hochbautechniker beschäftigt werden für ganz bestimmte Bahnbauten. Wenn der Bahnhof Ham⸗ burg umgebaut werden wird, so werden hierbei Hochbautechniker be⸗ schäftigt, deren Aufgabe beendigt, für die eine Beschäftigung nicht mehr vorhanden ist, wenn der Bahnhof fertiggestellt worden ist, wenigstens nicht auch nur mit einiger Sicherheit eine Beschäftigung schon gleich bei ihrer Einziehung oder nach drei Jahren vorausgesehen werden kann.

Meine Herren, der Fall, daß ein Regierungsbaumeister des Ingenieur⸗Baufachs, der einmal in die Staats⸗Eisenbahnverwaltung aufgenommen worden ist, wieder entlassen werden soll, ist ein außer⸗ ordentlich seltener. Ob nun dem Beamten eine Zusicherung gegeben wird, daß er zur ständigen Beschäftigung ausersehen sei, würde für ihn, wenn das im gegenwärtigen Gesetz geschieht, weiter keine Konsequenzen haben, als daß er bei der Versetzung auf die Umzugs⸗ kosten mit Sicherheit zu rechnen hat, denn für seine etatliche An⸗ stellung kann die Bestimmung des gegenwärtigen Gesetzes, wie auch der Herr Abg. Lohmann zugeben wird, absolut nicht maßgebend sein, sondern die Verbesserung der Lage in dieser Richtung kann nur dadurch geschehen, daß eine größere Anzahl etatsmäßiger Stellen in den nächsten Etat aufgenommen wird. Es ist bereits, wenn ich nicht irre, vom Herrn Finanz⸗Minister, jedenfalls aber von mir die Erklärung abgegeben worden, daß dieserhalb Ver⸗ handlungen zwischen den betheiligten Ressorts schweben.

Meine Herren, es handelt sich also hier nur um die gesetzliche Zusicherung von Umzugskosten. Nun kommt thatsächlich dabei nur in Betracht, daß Versetzungen innerhalb der Staats⸗Eisenbahn⸗ verwaltung sich hauptsächlich nur vollziehen unter den jüngeren Herren; die älteren sind zum weitaus größten Theil in Stellen beschäftigt, bei denen eine Versetzung nicht so häufig erfolgt, als das naturgemäß bei den jüngeren der Fall ist. Es würde also auch, selbst wenn die drei Jahre aufgenommen werden, damit verhältnißmäßig nur den jüngeren Herren ein Vorzug zu theil werden, der meines Erachtens in den Verhältnissen an sich nicht gerechtfertigt ist. Die Sicherheit, die reglementsmäßigen Umzugskosten zu erhalten, ist von weit größerem Werth für die älteren, meist schon verheiratheten Herren, die aber ja sich meist in Stellen befinden, in denen die Versetzung nicht so häufig vorkommt.

Meine Herren, es wird aber auch, wenn das Gesetz in der vor⸗ geschlagenen Form zur Verabschiedung gelangt, dem Arbeits⸗Minister beziehungsweise den Präsidenten der betreffenden Behörden die Möglichkeit nicht abgeschnitten werden, in solchen Fällen, wo eine dauernde Beibehaltung den Herren nicht zugesichert worden ist, eine Beihilfe nach wie vor zu geben, wie das jetzt schon geschieht. Ich gebe ja zu, daß das für die älteren Herren etwas Peinliches hat. Das wird ja nach Erlaß des Gesetzes in Zukunft in größerem Umfange nicht mehr stattfinden.

Ich möchte daher dringend das Haus bitten, sich dem Beschlusse seiner Butgetkommission anzuschließen und zwar um so mehr, da jede Abweichung von den Vorschlägen des Gesetzes eine neue Disparität schaffen würde zwischen den anderen Dienst⸗ zweigen und der Bauverwaltung resp. der Staats⸗Eisenbahn⸗ verwaltung⸗ Außerdem darauf ist in der Budgetkommission auch noch hingewiesen würde die Einfügung der drei Jahre die vor⸗ gesetzte Verwaltung in ganz anderem Umfang als bisher veranlassen und geradezu nöthigen, rigoros zu verfahren. Ein nicht unerheblicher Theil der jungen Leute, die ja zum theil der praktischen Ausbildung noch entbehren, entwickelt sich langsam; wir würden uns innerhalb der drei Jahre entschließen müssen, ein definitives Urtheil über die Herren zu fällen, und das halte ich nicht im Interesse der Verwaltung und noch weniger der Regierungs⸗Baumeister. Meine Herren, ich bitte Sie also nochmals dringend: nehmen Sie den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nach den Beschlüssen Ihrer Kommission an!

Abg. Rickert (fr. Vgg.) beantragt, in dem Entwurf den Satz

s würde also eine solche Fa

begünstigt

et ist

e 8 die Aussicht auf dauernde Verwendung ausdrück⸗ erö

soweit ihnen die Aussicht auf dauernde Verwendung ausdrücklich er⸗

1

Assessoren unter der Voraussetzung, daß ihre dauernde Beibehaltung

einer Kirchengemeinschaft.

langen Rede über die Lage der Alt⸗Lutheraner; er scheint damit die

merun, lautet:

zffnet ist“ zu streichen, also allen Baumeistern einen Anspruch auf Umzugskosten zu geben.

Abg. Wallbrecht (nl.) betont, daß es gerade der Zweck des Gesetzes sei, einen Anspruch auf vFefesstesten zu gewähren, wie ihn

die Assessoren schon jetzt haben; daher solle man die Baumeister nicht wieder auf den Weg des Bittens verweisen.

Der Antra Rickert wird abgelehnt und die Regierungs⸗ vorlage unverändert angenommen.

Cersahgh die Berathung von Petitionen.

Verschiedene Petitionen um anderweite Regelung der Rechte der von der Gemeinschaft der evangelischen Landes⸗ kirche sich getrennt haltenden Lutheraner beantragt die Petitionskommission der Regierung in dem Sinne zur Berück⸗ sichtigung zu überweisen, daß sie mit dem Ober⸗Kirchenkollegium der Lutheraner in Verhandlung trete über eine anderweitige gesetzliche Regelung der Rechte derselben als einer öffentlich anzuerkennenden Kirche, sowie über die Gewährung von Parochialrechten an dieselbe.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.) beantragt, an Stelle der Worte „anderweitige“ bis zum Schluß zu setzen: ihren Spezialwünschen entsprechende Erläuterung und Erweiterung der ihnen durch die General⸗Konzession vom 23. Juli 1845 ein⸗ geräumten Befugnisse.

Die Abgg. Schnaubert, von Kbölichen (kons.) und Gen. beantragen: in Erwägung, daß die Auffassung der Petenten, ihre unter dem Breslauer Ober⸗Kirchenkollegium vereinigten lutherischen Gemeinden bildeten, „und zwar ausschließlich, die Fortsetzung der alten lutherischen Kirche Preußens“ und seien als solche berechtigt, alle Rechte einer öffentlich aufgenommenen Religionsgemeinschaft zu beanspruchen, thatsächlich unrichtig ist, in Erwägung, daß es ihnen unbenommen bleibt, Spezialwünsche auf Erläuterung und Erweiterung der ihnen durch die General⸗Konzession vom 23. Juli 1845 eingeräumten Befugnisse der Regierung vorzutragen und seitens dieser eine wohlwollende Prüfung derselben zu erwarten ist, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen.

Dieser letztere Antrag findet nicht die genügende Unter⸗ stützung.

Abg. Irmer (kons.) schließt sich dem Antrage Zedlitz an, will aber im Kommissionsantrag statt „Berücksichtigung“ „Erwägung“ ge⸗ sagt wissen.

Geheimer Regierungs⸗Rath Schwartzkopff setzt eingehend die in Betracht kommenden rechtlichen und prinzipiellen Bedenken gegen die Erfüllung der Wünsche der Petenten auseinander, bemerkt, daß einzelne Wünsche der von der Regierung wohlwollend geprüft werden sollen, wenn sie nur an die Regierung gebracht würden, und empfiehlt den Uebergang zur Tagesordnung.

818 Sack (kons.) befürwortet die Wünsche der Petenten und empfiehlt die Annahme des Kommissionsantrages.

Abg. Schnaubert (kons.) spricht sich gegen die Gleichberechtigung der Lutheraner aus; sonst könnten mit demselben Rechte auch die Irvingianer und andere Sekten die Gleichberechtigung verlangen.

Abg. von Kardorff (fr. kons.) unterstützt die Wünsche der Petenten warm und bittet um Annahme des Antrags Zedlitz.

Geheimer Regierungs⸗Rath Schwartzkopff stimmt den Aus⸗ führungen des Abg. Schnaubert zu; den Lutheranern käme es garnicht auf Spezialwünsche an, sondern auf die Wahrung des Prinzips.

Abg. Irmer (kons.) will in dieser Zeit, wo der Indifferentismus sich breit mache, alle diejenigen unterstützen, welche die Konfessionalität betonen und wahren. Es komme hier nicht auf dogmatische Be⸗ denken an, sondern auf staatsrechtliche Rücksichten. Die Ueberweisung der Petition zur Erwägung sei besser als die zur Berücksichtigung, damit nicht der Anschein erweckt werde, als ob man die dogmatischen Anschauungen der Alt⸗Lutheraner unterstützen wolle. Wenn sein Antrag abgelehnt würde, werde er auch für den Antrag Zedlitz stimmen.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.) erklärt, für den Fall der Ablehnung seines Antrages dem Antrag Irmer zu⸗ stimmen zu wollen. Sein Antrag berücksichtige die Spezialwünsche 8 Alt⸗Lutheraner und gebe ihnen somit Alles, was sie verlangen

unen.

Abg. Knörcke (fr. Volksp.) will den überzeugungstreuen und streng religiösen Alt⸗Lutheranern soweit wie irgend möglich entgegen⸗ kommen und wünscht, daß ihnen ihr Recht geschehe, was bis jetzt nicht überall der Fall sei. Dazu diene am besten der Kommissions⸗ antrag, eventuell sei er auch für den Antrag Zedlitz.

Abg. Freiherr von Dobeneck k(kons.) stellt sich auf den Boden des Kommissionsbeschlusses. Die Alt⸗Lutheraner hätten nicht die Rechte, die ihnen zukommen, nicht einmal die, welche ihnen nach der General⸗Konzession von 1845 zukommen; sie seien keine Sekte, denn sie seien nicht aus der Union ausgetreten, sondern bei Gründung der Union einfach was sie waren, sie seien aber nicht anerkannt, sondern lediglich auf Wohlwollen angewiesen.

Abg. Grütering (Zentr.) erklärt sich namens des Zentrums für den Kommissionsantrag und eventuell für den Antrag Zedlitz. Es sei zwar Gewohnheit des Zentrums, sich in innerkirchlichen der anderen Konfession der Stimme zu enthalten, hier handle es sich aber nicht um solche Fragen, sondern um die Wahrung der Rechte

Die Debatte wird geschlossen. Der Abg. Lückhoff verbreitet sich als Berichterstatter in einer

Geduld des Hauses auf eine harte zu stellen. Man ruft ihm zu: „Hören Sie doch auf!“ „Es läuft ja Alles raus!“ „Schluß!“ „Nun hören Sie doch bloß bald auf!“ Die Abgg. Rudolphi und Schmieder erheben sich erregt, der erstere ruft: „Wir müssen doch in den Reichstag!“ Der Berichterstatter schließt endlich unter leb⸗ haftem, ironischem Beifall.

Der Kommissionsantrag wird angenommen.

Die Petition der Wittwe des Geheimen Kanzlei⸗Raths Borchert in Breslau um Abän derung des Gesetzes vom 20. Mai 1882, betreffend die Seng für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten, be⸗ antragt die Petitionskommission, der Regierung als Material zu überweisen.

Abg. Gothein (fr. Vgg.) bemerkt, daß der Petition eine be⸗ sondere gesetzliche Härte zu Grunde liege, und daß diese Fälle durch⸗ 5 nicht so vereinzelt seien, um nicht eine Gesetzesänderung vorzu⸗

ehmen.

Der Kommissionsantrag wird Segedenen

Die Petition des Bürgermeisters Middeldorf in Burtscheid LECEEEE’II“ Regelung des Beginns des schul⸗ pflichtigen Alters wird nach kurzer Debatte, entgegen dem auf Uebergang zur Tasezetdnung. lautenden Antrag der Unterrichesfomgrision, gemäß einem Antrag des Abg. Mooren (Zentr.) der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

Ueber die Ketien des Lehrers a. D. Grotefend in Stendal um Erhöhung der Pension der vor 1886 in den Ruhestand getretenen Lehrer geht das Haus zur Tagesordnung über.

Schluß nach 3 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Umzugskosten für Baumeister; Nachtrags⸗Etat; Petitionen.)

6

Parlamentarische Nachrichten. 8 8 8

A Der dem Reichstag zugegangene Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des Gesetzes vom 22. März 1891, betreffend 8* Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch⸗Ostafrika, und des Gesetzes vom 9. Juni 1895, betreffend die Kaiser⸗

chen Schutztruppen für Südwest⸗Afrika und für Ka⸗

Artikel I. An Stelle des § 1 des Gesetzes vom 22. März 1891 und des § 1 des Gesetzes vom 9. Juni 1855 tritt die folgende Bestimmung: Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit 2 83 1 -SS Scchu esfeten, insbesondere zur Bekämpfung des . werden utztruppen verwende Kriegsherr der Kaiser ist. 8 Artikel II.

An Stelle der §§ 3, 4, 5, 6 Abs. 2, 8 7 Abs. 1, 14, 16 Abs. 1 und § 17 des Gesetzes vom 22. März 1891 treten bo folgen⸗ den Bestimmungen:

§ 3.

Die den Schutztruppen zugetheilten deutschen Militärpersonen und Beamten scheiden aus dem Heere, und soweit sie der Kaiserlichen Marine angehören, aus dieser aus, jedoch bleibt ihnen der Rücktritt, 8 Mährung EEeE der 1 ihrer

„vorbehalten. Die den S 1 gelten als Militärbeamte. 11“

§ 4.

Hinsichtlich des strafgerichtlichen Verfahrens gegen die den Schutz⸗ truppen zugetheilten Militärpersonen sinber die Pdie den chut. eeerkeeesfcfer ge e e Faecs ee der 1 die

i Verhältnisse gebotenen Abwe w d iser⸗ liche Verordnung beisse a. werden. 1“

§ 5.

In Betreff der Versorgungsansprüche der den Schutztruppen zu⸗ getheilten Militärpersonen und ihrer Angehörigen finden, soweit sie dem Heer angehörten, die Bestimmungen, nnes- für die aus den Etats für die Verwaltung des Reichsheeres besoldeten Militärpersonen scüte⸗ und soweit sie der Kaiserlichen Marine angehörten, die Be⸗ timmungen für die aus dem Marine⸗Etat besoldeten Militärpersonen mit den nachstehenden Maßgaben Anwendung.

§ 6 Absatz 2.

truppen in ursächlichem Zusammenhang stehende Dienstbeschädigun vorliegt, erfolgt für 8b Personen des Soldatenstandes, neiees in das Heer zurückgetreten sind, durch die oberste Militärverwaltungs⸗ behörde des Kontingents und für die in die Kaiserliche Marine Zurückgetretenen durch den ö (Reichs⸗Marineamt).

§ atz 1.

Bei Bemessung der Höhe der Pension bleiben die Bezüge in den Schutztruppen außer Betracht. Hinsichtlich der Offiziere, Ingenieure des Soldatenstandes, Deckoffiziere, Sanitäts⸗Offiziere und oberen Beamten werden als pensionsfähiges Diensteinkommen die Gebühr⸗ nisse zu Grunde gelegt, welche ihnen nach ihrem Dienstalter und ihrer Charge, bei Fortsetzung ihres Dienstverhältnisses in der Hei⸗ math zugestanden hätten. Soweit sie in ihrer früheren Stellung ein Diensteinkommen nicht gehabt haben, wird der der Berechnung der Pension zu Grunde zu legende vom Reichskanzler bestimmt.

Werden Militärpersonen nach dem Ausscheiden aus der Schutz⸗ truppe wegen einer mit dem Dienst in letzterer in ursächlichem Zu⸗ sammenhange stehenden Dienstbeschädi ung pensioniert, nachdem sie in den Dienst des Heeres oder der Kasserlichen Marine wieder über⸗ nommen waren, so fällt die gesammte von ihnen erdiente Pension dem des Reichsheeres beziehungsweise der Kaiserlichen Marine

zur Last. 1 § 16 Absatz 1.

Die in den §§ 41 ff., § 56 und §§ 94 ff. des Gesetzes vom 27. Juni 1871 vorgesehenen Beihilfen stehen den Hinterbliebenen auch dann zu, wenn der Tod iesh gh einer militärischen Aktion oder klima⸗ tischer Einflüsse und vor Ablauf von sechs Jahren nach dem Aus⸗ scheiden aus der Schutztruppe eingetreten ist. Ist der Tod infolge einer solchen wböb oder klimatischer Einflüsse einge⸗ treten, so sind diese als Kriegsdienstbeschädigung im Sinne des § 14 des Reichsgesetzes vom 13. Juni 811 Feneer.

Oberste Verwaltungs⸗ beziehungsweise Reichsbehörde im Sinne der Pensionsgesetze ist für die Schutztruppen der Reichskanzler (Aus⸗ wärtiges Amt, Kolonial⸗Abtheilung).

Artikel III.

Hinter Abschnitt II des Gesetzes vom 22. März 1891

folgender Abschnitt eingeschaltet: 1“

IIa. Wehrpflicht. 17 a

Durch Kaiserliche Verordnung wird bestimmt, in welchen Schutz⸗ gebieten und unter welchen Voraussetzungen wehrpflichtige Reichs⸗ angehörige, die daselbst ihren Wohnsitz haben, ihrer aktiven Dienst⸗ pflicht bei den Schutztruppen I dürfen.

Die in den Schutzgebieten sich dauernd aufhaltenden Personen des Beurlaubtenstandes des Heeres und der Kaiserlichen Marine können durch Kaiserliche Verordnung in Fällen von Gefahr zu nothwendigen Verstärkungen der Schutztruppe herangezogen werden. In dringenden Fällen können solche Verstärkungen vorläufig durch den obersten Be⸗ amten des Schutzgebiets angeordnet werden. Jede Einberufung dieser Art ist einer Dienstleistung im Heere oder in der Kaiserlichen Marine gleich zu achten.

C.

1

Auf Geistliche sowie auf Ielsloare der in den Schutzgebieten thätigen wb vegelaben finden die vorstehenden Bestimmungen (§§ 17 a und 17 b) keine nwendung,

d.

In Betreff der Versorgungsansprüche der in den §§ 17 a und 17 b bezeichneten Militärpersonen finden die Bestimmungen dieses Gesetzes mit folgenden Einschränkungen Anwendung:

1) Die Pensionserhöhung des § 9 ist nur bei Invalidität infolge kriegerischer Unternehmungen zu gewähren,

2) die Depfelee Fatno der Dienstzeit nach Mehnge des § 11 findet nur für die auf kriegerische Unternehmungen entfallende Zeit statt.

Treten die in den §§ 17a und 17b genannten Angehörigen der Schutztruppen in ein Kapitulationsverhältniß zu diesen über, 2 fallen für das nunmehr beginnende Dienstverhältniß die vorstehend erwähnten

Einschränkungen fort. Artikel IV.

Der § 2 des Gesetzes ü 8 Snne 1895 wird aufgehoben. rtikel V. 3 § 4 des Gesetzes vom 9. Juni 1895 erhält folgenden usatz:

Vorstehende Bestimmungen finden auf die bei der Landes⸗ hauptmannschaft von Togo auf Grund von Dienstverträgen gebil⸗ deten Truppen entsprechende Anwendung.

Artikel VI. In dem Gesetze vom 22. März 1891 erhält die Ueberschrift des Abschnitts III die Fassung: 1 „Uebergangs⸗ und S AeZ Hinter § 20 tritt die felgense e estimmung: 5 Die näheren Vorschriften über die Organisation der Sch truppen werden vom Reichskanzler erlassen. Artikel VII.

Der Reichskanzler wird ermächtigt, die Bestimmungen der Gesetze vom 22. März 1891 und 9. Juni 1895, wie sie sich aus den Aende⸗ rungen dieses Gesetzes ergeben, als Gesetz, betreffend die Kaiserlichen Schutztruppen in den afrikanischen Schußgebieten und die Wehrpflicht daselbst, durch das Reichs⸗Gesetzblatt bekannt zu machen.

In der Begründung heißt es:

Durch die Gesetze vom 22. März 1891 und vom 9. Juni 1895 sind in den Schutzgebieten von Ost⸗Afrika, von Südwest⸗Afrika und Kamerun Kaiserliche Cen bein eingerichtet worden. Für die ost⸗

wird

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afrikanische Schutztruppe sind in Ergänzung des Gesetzes noch die Verordnungen vom 3. Juni 1891 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 341) über das strafgerichtliche Verfahren und die Allerhöchste Order

Die Entscheidung darüber, ob eine mit dem Dienst in den Schutz⸗

schen Offiziere, ergangen (vergl. Riebow, Deutsche Kolonial⸗ Plehgebung S. 162). Die „Organisation der Schutztruppe für

eutsch⸗Ostafrika, welche für die Schutztruppen für Südwest⸗ Afrika und Kamerun sinngemäße Anwendung findet, beruht auf der Allerhöchsten Ordre vom 9. April 1891 (Riebow a. a. O. S. 334). Der Grundcharakter der Organisation liegt in der Vorschrift der organisatorischen Bestimmungen, daß die Schutztruppe in Bezug auf militärische Organisation und Disziplin dem Reichs⸗Marineamt, in Betreff der Verwaltung und der Verwendung dem Gouverneur Landeshauptmann) und weiterhin dem Auswärtigen Amt, olonial⸗Abtheilung, untersteht. Hieraus ergab sich ein Nebenein⸗ anderbestehen zweier Organe sowohl an der Zentralstelle wie in der einzelnen Kolonie. Es mußte eine mehrjährige Erfahrung abgewartet werden, um beurtheilen zu können, ob eine derartige Organisation sich bewähren und den besonderen Verhältnissen in den Schutzgebieten entsprechen würde. Diese Organisation war in militärischer Be⸗ ziehung in so fern eine Nothwendigkeit, als die der Schutztruppe zu⸗ getheilten deutschen Militärpersonen zwar aus dem Heere und, soweit sie der Kaiserlichen Marine angehörten, auch aus dem Etat der letzteren ausschieden, aber als außer diesem Etat stehende, zeitweise abkommandierte Angehörige der Kaiserlichen Marine galten. Aus dieser Bestimmung ergab sich mit Nothwendig⸗ keit, daß die dentschen Angehörigen der Schutztruppen in dem Verbande der Kaiserlichen Marine verblieben, nur von dieser abkommandiert waren, und daß deswegen vom militärischen Standpunkt aus ein entscheidendes Gewicht darauf gelegt werden müßte, daß diese Militärpersonen in Bezug auf Organisation und Disziplin einer heimischen Militärbehörde unterworfen blieben. Es folgte aber ferner mit der nämlichen Nothwendigkeit, daß auch die Schutztruppen thunlichst denselben militärischen Grundsätzen unterzu⸗ ordnen waren, die für die heimischen Truppentheile traditionell waren und die sich durch ihre lange Anwendung in hohem Maße bewährt hatten. Diese an sich unanfechtbaren Grundsätze hatten die weitere Folge, daß in den Schutzgebieten sie nicht immer gleich erfolg⸗ reiche Anwendung finden konnten. Für die daselbst noch immer vor⸗ handenen und für unabsehbare Zeit zu erwartenden außerordentlichen Verhältnisse bedarf es auch, wie nunmehr eine mehrjährige Erfahrung gelehrt hat, einer anderweitigen Organisation. Die Lei⸗ tung der militärischen und der Zivilangelegenheiten in der Kolonie muß eine einheitliche sein. Um dies herbeizuführen und sowohl in den Schutzgebieten wie an der Zentralstelle die doppelten und ge⸗ trennt von einander thätigen Gewalten zu beseitigen, sowie anderer⸗ seits die militärischen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, welche den Zuzug tüchtiger Offiziere und Unteroffiziere zu den Schutztruppen er⸗ möglichen, bedarf es einer Aenderung der Gesetze, wie dies in dem Entwurf geschehen ist. Der charakteristische Unterschied des Entwurfs von dem gegenwärtigen gesetli een Zustand besteht darin, daß, während bisher die deutschen Militärpersonen der Schutztruppen als abkomman⸗ dierte Angehörige der Marine galten, sie nach dem Entwurf völlig aus dem Heere oder, soweit sie der Kaiserlichen Marine angehörten, aus dieser ausscheiden. Infolgedessen fallen die bisherigen militärischen Rücksichten, welche einer völligen Unterordnung unter die Zivilbehörden widerstrebten, weg. Andererseits aber ist diesen so ausgeschiedenen und in die Schutztruppen übergetretenen Militärpersonen der Rücktritt in die Armee oder in die Marine unter Wahrung ihres Dienstalters und unter der Voraussetzung vorbehalten, daß gegen ihre Tauglichkeit, d. h. gegen ihre Würdigkeit und ihre Diensesabigkeit keinerlei Be⸗ denken obwalten. Selbstverständlich 58e den gedachten Militär⸗ personen aus diesem Vorbehalt kein erzwingbarer Anspruch, vielmehr entscheidet über ihre Würdigkeit und Dienstfähigkeit ausschließlich der Allerhöchste Kontingentsherr.

Die Ausführung dieser Organisation ist, wie in dem § 21 des Entwurfs ausdrücklich bestimmt ist, in die Hände des Reichskanzlers gelegt, der hiernach in der Lage ist, sie so zu gestalten, wie sie den Verhältnissen in jedem einzelnen Schutzgebiet am meisten entsprechen. Dabei wird es selbstverständlich die Aufgabe der neuen Organisation sein müssen, den bisherigen militärischen Geist in der Truppe auf das sorgfältigfte zu wahren und sich bei den zu erlassenden Bestimmungen thunlichst an die bestehenden Verhältnisse zu halten. Die Bearbeitung der Angelegenheit der Schutztruppe wird fortan von dem Reichs⸗ Marineamt getrennt und dem Auswärtigen Amt, Kolonial⸗Abtheilung, übertragen werden. Zu letzterer wird behufs Bearbeitung der rein militärischen Verhältnisse ein Offizier kommandiert werden.

Statistik und Volkswirthschaft.

Staatliche Maßnahmen zur Förderung der technischen Leistungsfähigkeit des e in 5 e esg

Der kürzlich erschienene Bericht des österreichischen Hn über die Verwendung des zur örderung des Kleingewerbes bewilligten Kredits während des Jahres 1895 gewährt einen interessanten Einblick in den nunmehr seit vier Jahren mit gesteigertem Nachdruck fort⸗ gesetten Versuch, durch staatliche Veranstaltungen einen unmittelbar ördernden Einfluß auf die technische Leistungsfähigkeit des Kleingewerbes auszuüben. Im Jahre 1892 wurde mit diesen Maßnahmen nach drei Richtungen hin begonnen, erstens durch den Be⸗ trieb des Kleingewerbesaals im technologischen Gewerbe⸗ Museum in Wien, zweitens durch Veranstaltungen vorübergehender kleingewerblicher Ausstellungen in verschiedenen Orten der Kronlande, drittens durch die Anschaffung von „Arbeits⸗ behelfen“, d. i. Motoren, S. e und Werkzeugen, aus Staatsmitteln zum Zweck der leihweisen oder auch gegen billige Ratenzahlungen käuflichen Ueberlassung an Gewerbegenossenschaften, wirthschaftliche Vereinigungen und auch einzelne Kleingewerbtreibende. Im Jahre 1895 hat man dazu noch die Einrichtung von Meisterkursen im Kleingewerbesaal hinzugefügt. Während für die genannten Zwecke in den Jahren 1892 bis 1894 zusammen 50 000 Fl. 8 wurden und im Jahre 1895 bereits 44 500 Fl. dafür nothwendig waren, sind für das Jahr 1896 sogar 135 500 Fl. im Etat eingestellt worden. Die „Gewerbe⸗ förderungsaktion“ untersteht dem Gewerbedepartement des Handels⸗Ministeriums und liegt unter Leitung des Direktors des Gewerbe⸗Museums in Wien dem Personal des „Technischen Dienstes zur Förderung des Kleingewerbes“ ob. Zur Mitwirkung be⸗ rufen ist der „Beirath des Handels⸗Ministeriums in Gewerbeförderungs⸗ angelegenheiten“, dem zur Zeit 21 Mitglieder: 2 einer Anzahl Reichsraths⸗Abgeordneter mehrere Professoren der Technischen Ho schule zu Wien, Ministerial⸗Räthe, Vertreter von Handels⸗ und Ge⸗ werbekammern, der Anwalt des all emeinen Verbandes der deutschen Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenoszenschaften in Oesterreich, der Zentral⸗Gewerbeinspektor und neuerdings auch Professor von Philippovich der Universität Wien angehören.

Der sogenannte „Kleingewerbesaal“ in Wien besteht aus einer per⸗ manenten Ausstellung von „Arbeitsbehelfen“, und zwar setzte sich der Bestand im Jahre 1895 durchschnittlich bei öfterem Wechsel ein⸗ zelner Gegenstände zusammen aus etwa 10 bis 15 Motoren, 80 bis 100 Werkzeugmaschinen, 5 Werkzeugkollektionen. „Nach wie vor⸗ so bemerkt der ministerielle Bericht dazu „blieb es schwierig, bei den Maschinenfabrikanten für diese Institution, die, wenn sie auch in erster Linie zum Nutzen der Konsumenten geschaffen ist, doch nicht minder dem Erzeuger kleingewerblicher Arbeitsbehelfe geschaͤftlichen Vortheil sn bringen vermag, ein gleiches Interesse zu erwecken, wie hr seit ihrem Beginn von seiten ausländischer Firmen entgegengebracht wird.“ Im Jahre 1896 werden nicht nur Motoren und einzelne Arbeitsmaschinen, sondern regelmäßig ganze Maschinengruppen im Betriebe vorgeführt werden. Verbunden mit 88 Ausstellung wurden erläuternde Vorträge sowie ein sechswöchentlicher Abendkurs über technische Arbeitsbehelfe für das Kleingewerbe“. Daneben diente das Bureau des Kleingewerbesaals als fachliche Auskunftsstelle i- An⸗ fragen aus dem Kreise der Kleingewerbetreibenden über die Arbeits⸗

betreffend die Ehrengerichte der deut⸗

vom 16. Juni 1891,

behelfe.