berechtigten bestellten
8 In der Zeit vom 1. April 1896 bis zum Schluß des Monats April 1896 sind im Deutschen Reich folgende Einnahmen (einschließlich der kreditierten Beträge) an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern sowie andere Einnahmen zur Anschreibung gelangt: ölle 38 132 828 ℳ (gegen denselben Zeitraum des Vorjahrs + 4586 350 ℳ), Tabacksteuer 563 49 (— 1 225 ℳ), ““ 5425 275 ℳ (— 740 Eö 2 930 498 ℳ — 30 185 ℳ), Maischbottich⸗ und Branntweinmaterialsteuer 740 628 ℳ (+ 20 023 ℳ), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 9 510 631 ℳ (— 157 546 ℳ), Brennsteuer 337 149 ℳ (+ 337 149 ℳ), Brausteuer 2 643 411 ℳ (+ 114 742 ℳ), Uebergangsabgabe von Bier 272 639 ℳ (— 17 492 ℳ), Summe 60 556 557 ℳ (+ 4111 515 ℳ). Stempelsteuer für: a. Werthpapiere 1 630 744 ℳ (+ 177 373 ℳ), b. Kauf⸗ und sonstige An⸗ schaffungsgeschäfte 1 248 054 ℳ ( 472 985 ℳ), c. Loose zu: Privatlotterien 343 908 ℳ (+ 139 166 ℳ), Staats⸗ —1 761 986 ℳ (+ 946 ℳ), Spielkartenstempel 107 352 ℳ (+ 10 850 ℳ), Wechselstempelsteuer 760 827 ℳ (+ 45 487 ℳ), Post⸗ und Telegraphenverwaltun 26 467 641 ℳ (+ 1 227 834 ℳ), Reichs⸗Eisenbahnverwal⸗ tung 5 814 000 ℳ 8. 392 000 ℳ). . “ Die zur Reichskasse gelangte Ist⸗Einnahme abzüglich der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten beträgt bei den nachbezeichneten Einnahmen bis Ende April 1896: ölle 35 217 339 ℳ (+ 5 015 116 ℳ), Tabacksteuer 35 384 ℳ (+ 91 888 ℳ), Zuckersteuer 8 129 330 ℳ — 307 084 ℳ), Salzsteuer 3 904 202 ℳ (+ 202 267 ℳ), aischbottich, und Branntweinmaterialsteuer 1 289 225 4 (+ 173 944 ℳ), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 9 890 836 ℳ (+ 34 185 ℳ), Brennsteuer 274 831 ℳ (+ 274 831 ℳ), Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 2 479 789 ℳ (+ 82 718 ℳ), Summe 61 920 966 ℳ (+ 5 567 865 ℳ). — Spielkarten⸗ stempel 143 595 ℳ (+ 1 476 ℳ).
In einem in Nr. 33 der Wochenschrift „Die Nation“ enthaltenen anonymen Artikel wird die Ansicht vertreten, daß der in der Nacht vom 3. zum 4. März d. J. auf der der Bergwerksgesellschaft G. von Giesche’'s Erben gehörigen Kleophasgrube bei Kattowitz in Oberschlesien vor⸗ gekommene schwere Unglücksfall, dem 114 Bergleute um Opfer gefallen sind, in innerem Zusammenhang sehe mit der Organisation der Bergpolizei innerhalb er Herrschaft slowitz⸗Kattowitz, in der das Bergregal gegenwärtig dem Grafen von Thiele⸗Winkler zu⸗ eht. Daß die Kleophasgrube in dem von Thiele⸗Winkler'’⸗ chen Privatregalbezirk belegen ist, trifft zu; abgesehen hiervon, enthält aber der fragliche Artikel eine so große Anzahl von Unrichtigkeiten und falschen Schlußfolgerungen, daß zur Ver⸗ meidung einer grundlosen Beunruhigung der betheiligten Kreise eine Berichtigung unerläßlich erscheint.
Im allgemeinen mag zunächst daran erinnert werden, daß nach den Grundsätzen des Preußischen Rechts (Allg. Landrecht, Theil II, Tit. 16, §§ 106 0 demjenigen, dem das Privat⸗ Bergwerksregal zusteht, an sich alle darunter begriffenen Re chte des Staates zukommen. Zu diesen Rechten gehören ins⸗ besondere das Recht der Verleihung des Bergwerks⸗ eigenthums an den verleihbaren Mineralien, die Aus⸗ übung der Bergpolizei und das Recht auf den Zehnten und sonstige gesetzliche Bergwerksabgaben. Doch bleibt der Berechtigte allemal der Oberaufsicht des Staates, den allgemeinen Bergpolizeigeseten und den Entscheidungen der höheren Bergaufsichtsbehörde unterworfen. Als wohlerworbene, auf anerkannten Rechtstiteln beruhende Privilegien über⸗ wiegend privatrechtlicher Natur können die im Privat⸗ besitz eehrosche ergregalitätsrechte nur im Ein⸗ verständniß der Berechtigten gegen volle Entschädigung aufgehoben werden. Aus dieser Rücksicht sind diese Berechtigungen auch in 250 des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 aufrechterhalten worden; ins⸗ besondere wird hier 85J daß die von den Regalitäts⸗
ergbehörden in Wirksamkeit bleiben. Der Versuch der Ablösung ist von der Staats⸗ regierung früher auch bei dem von Thiele⸗Winkler'schen Regal emacht worden; trotz der damaligen nur mäßigen Forderung des Regalinhabers und troß der erklärten Bereitwilligkeit der Staatsregierung, zu der A lösungssumme einen angemessenen Beitrag 8 leisten, scheiterten gleichwohl die Verhandlungen an der Weigerung der Eigenthümer der abgabepflichtigen Bergwerke, Beiträge zur Aufbringung der Entschädigung zu übernehmen.
Nach dem Vorstehenden wäre sonach der Inhaber des Privatregals in der Herrschaft Ehsloet Fattoüec an sich berechtigt gewesen, einmal den vollen Zehnten von allen hierin belegenen Bergwerken zu erheben. Durch freiwillige Ent⸗ chließung des Regalinhabers ist diese Abgabe den vor⸗ andenen Bergwerken gegenüber auf die Hälfte — den ermäßigt Ferner hätte er Bach pehe
wb — worden.
das Recht zur durch eigene Rechts
insoweit begeben, daß ihm thatsäch
selbständigen Ausübung der rgane in Anspruch nehmen können; auch dieses at er sich durch Penc mit der Staatsregierung
ich nur das Ehrenrecht der Ernennung — und Besoldung — der Bergpolizeibeamten für
von ihm
seinen Regalbezirk verblieben ist, während die voller Un⸗
ernannten Beamten ihre Obliegenheiten in abhängigkeit ledigliech auf Grund der Gesetze und unter der disziplinaren Aufsicht der staatlichen Bergbehörde Feih nehegen haben, jeder unmittelbaren Ein⸗ wirkung des Regalherrn auf ihre Amtsführung aber entzogen 8g. s bestimmt nämlich in dieser Beziehung das über die usübung der Privilegalitätsrechte in der Herrschaft Myslowitz⸗ Kattowitz zwischen der Staatsregierung und dem Regalherrn vereinbarte Regulativ vom 12. Oktober 1857 in § 9:
„Die Bergbeamten der Herrschaft Myslowitz⸗Kattowitz haben die Verwaltung der Bergpolizei selbständig und unter alleiniger Verantwortlichkeit auszuüben. Dem eeen steht eine unmittelbare Einwirkung auf diesen Theil ihrer Geschäftsführung nicht zu. 1
Die Geschäftsführung der Beamten steht unter der Aufsicht des Königlichen Ober⸗Bergamts zu Breslau und vigsr. sich nach einer von dieser Behörde zu ertheilenden Dienstinstruktion. .
Der Staatsbehörde steht das 5 zu, unfähige und flichtwidrige Beamte nach vorheriger Anhörung des Regal⸗ esitzers unter Beobachtung der für unmittelbare Staatsdiener
vorgeschriebenen Formen aus dem Dienste zu entfernen. Auch
steht dem Regalbesitzer die Besugniß zu, die Entfernung zu beantragen.“ 9
In der auf Grund dieser Bestimmung von dem Ober⸗ Bergamte zu Breslau erlassenen Dienstinstruktion vom 8 ärz 1870 sind die Bestimmungen, welche die Selbst⸗ ständigkeit der Amtsführung der herrschaftlichen Beamten bei Handhabung der bergpolizeilichen Aufsicht sichern und sie lediglich der Aufsicht der höheren staatlichen Be⸗ hörde unterstellen, mit noch größerer Schärfe hervor⸗ gehoben. Es wird darin ausdrücklich bestimmt, daß sie
„dem Königlichen Ober⸗Bergamt als ihrer vor⸗ gesetzten Behörde Gehorsam schuldig sind, welches auf sie die für die nicht richterlichen unmittelbaren Staats⸗ becneten, geltenden Disziplinargesetze in Anwendung zu bringen befugt ist“.
— bee wird bestimmt, daß die Dienstentlassung dieser Beamten ausschließlich durch die Staatsbehörde nach den für die unmittelbaren Staatsdiener vorgeschriebenen Normen er⸗ folge, daß also insbesondere dem Regalherrn das Recht zur Efexeäseteh derselben nicht zusteht. —
Da hiernach das dienstliche Verhältniß der herrschaftlich Myslowitz⸗Kattowitzer Aufsichtsbeamten dem Verhältniß der unmittelbaren Staatsbeamten nach Thunlichkeit angenähert ist, so ergab sich auch die Nothwendigkeit, sie auf die gewissenhafte Führung ihres Amts in derselben Art zu verpflichten, wie die Staatsbeamten überhaupt. Sie schwören daher nach § 8 des Regulativs vom 31. Oktober 1857 den Staatsdienereid in der allgemein üblichen Form, also an erster Stelle dem Landes⸗ herrn unterthänig, treu und gehorsam zu sein, und erst in einem Zusatz zu diesem Eide geloben sie gleichzeitig auch dem Regal⸗ herrn schuldige Treue und Gehorsam. Es muß befremden, daß der Verfasser des Artikels der „Nation“, dem doch an⸗ scheinend die Eidesformel wörtlich vorgelegen hat, sich zu der Behauptung veranlaßt sieht, der von Thiele⸗Winkler’sche Berg⸗ werks⸗Direktor schwöre nicht den allgemeinen Beamteneid, sondern schwöre nur seiner “
„Dienstherrschaft“, daß er „derselben Bestes möglichst be⸗ fördern wolle ꝛc.“ 1
Aus den vorstehenden Darlegungen ergiebt sich für 1anes Unbefangenen der Ungrund der Anse zpurtgen des erwähnten Artikels der „Nation“ zur Genüge. Da hiernach die berg⸗
olizeiliche Aufsicht in der Herrschaß Myslowitz⸗Kattowitz von “ geführt wird, die in dieser Beziehung nur der Autorität der Gesetze und der allgemeinen staatlichen Aufsichtsbehörden unterworfen sind, so 6g es unverständlich, wie hier be⸗ hauptet werden kann, daß die sicherheitspolizeiliche Aufsicht dem an dem Ertrag der beaufsichtigten Betriebe interessierten „Unternehmer“ ö sei. Abgesehen davon, daß „Unter⸗ nehmer“ bei der Kleophasgrube jedenfalls nicht der Graf von Thiele⸗Winkler, sondern die Bergwerksgesellschaft G. von Giesche's Erben ist, würde sogar auch dann, wenn der Regal⸗ herr selbst die Bergpolizei wahrnähme, eine Kollision zwischen seinem Recht zur Abgabenerhebung und den aus der Wahrnehmung der ergpolizei erwachsenden Verpflich⸗ tungen dennoch nicht vorliegen. Denn wie in dem Artikel der „Nation“ selbst hervorgehoben wird, ist die Regalitäts⸗ abgabe eine Brutto⸗Abgabe, die also vom Brutto⸗Ertrage des Bergbaues — nicht vom Reinertrage — erhoben wird, also auch durch erhöhte Aufwendungen für Sicherheits⸗ vorkehrungen und Arbeiterschutz in ihrem Betrage nicht ver⸗ mindert werden kann. Für den vorliegenden Fall kommt es aber auf diesen Nachweis der sachlichen Vereinbarkeit des Rechts zur Abgabenerhebung mit der Ausübung der bergpolizeilichen Aufsicht garnicht an, weil, wie oben dargelegt, der Regalherr sich jeder eigenen Einwirkung auf die Handhabung der Berg⸗ polizei rechtmäßig begeben hat.
Da sonach die Stellung der Bergpol ö in dem mehrgenannten Regalbezirk der Stellung der staat⸗ lichen Bergrevierbeamten im wesentlichen ist, und da ferner auch nach Bestimmung des Regulativs vom 31. Ok⸗ tober 1857 und der Dienstinstruktion vom 7. März 1870 in Beziehung 89 die technische und wissenschaftliche Quali⸗ fikation an die erstgenannten Beamten dieselben Anforderungen u stellen sind, wie an die staatlichen Bergbeamten, so sonnte⸗ es . keinem Bedenken unterliegen, ihnen in analoger Anwendung des § 189 A. B.⸗G., wie den Revierbeamten terencat, die Befugnisse und Obliegenheiten der im § 139 b der Reichs⸗Gewerbeordnung bezeichneten Aufsichtsbeamten zu übertragen. Die hierzu in dem Artikel der „Nation“ gestellte Frage: „Wer Landesregierung in der Herrschaft Myslowitz⸗
kattowitz sei, die von Thiele⸗Winkler'sche Familie oder der König von Preußen?“ ist eine durchaus müßige; denn die Ueber⸗ tragung der Funktionen des Gewerbe⸗Aufsichtsbeamten an den herrschaftlichen Revierbeamten ist thatsächlich von der Königlich preußischen Landesregierung und nicht von dem Grafen von Thiele⸗Winkler erfolgt. Nach der bestehenden Gepflogenheit ist sie nur au “ erfolgt, aber es mag hervorgehoben werden, daß die preußische Landesregierung nach ihren über die Dienstführung des betreffenden Beamten gemachten Wahr⸗ nehmungen und insbesondere auch aus dem Unglücksfall auf der Kleophasgrube keinen Anlaß gefunden hat, von dem vor⸗ behaltenen Widerrufe Gebrauch zu machen. Es kann umso⸗ weniger die Absicht sein, hier auf die Vergals sunß dieses bekla⸗
enswerthen Unglücksfalls näher einzugehen, als diese Frage noch
29 g-ehen der schwebenden gerichtlichen Untersuchung bildet; nur soviel mag bemerkt werden, daß, wenn der Verfasser des Artikels der „Nation“ in der Lage zu sein glaubt, znach übereinstimmenden Zeitungsberichten“ die Veranlassung der Katastrophe bestimmt anzugeben, sühe Auffassung in der Beurtheilung kompetenter Sachverständiger bisher noch keine Unterstützung gefunden hat.
Einer im „Marine⸗Verordnungsblatt“ veröffentlichten Bekanntmachung des Staatssekretärs des Reichs⸗Marine⸗Amts vom 15. d. M. zufolge haben Seine Nesese; der Kaiser unter dem 5. Mai d. Js. zu bestimmen geruht, daß das neu⸗ erworbene Eeonashetf für Konstantinopel den Namen „Loreley“ erhält, jedoch bis zur Streichung des Kanonenboots „Loreley“ aus der Liste der Kriegsschiffe „Ersatz Loreley“ zu nennen ist. „Ersatz Loreley“ zählt zu den „Schiffen zu besonderen Zwecken“ und wird der Marine⸗ station der Nordsee zugetheilt.
Eine weitere Bekanntmachung des Staatssekretärs des Reichs⸗Marine⸗Amts vom 2. d. M. betrifft den Verkehr auf dem Kaiser Wilhelm⸗Kanal und bestimmt Folgendes:
1) Nach der Betriebsordnung für den Kaiser Wilhelm⸗Kanal sind S ip von mehr als 6 ½ m d.- Lesn welche durch den Kanal fahren wollen, dem Eingangshafenamt anzumelden. Die Anmeldung hat im
allgemeinen 24 Stunden vorher zu erfolgen; in dringenden Fällen kann die Frist auf 12 Stunden ermäßigt werden.
Hat eine vorherige Anmeldung ausnahmsweise überhaupt nicht stattfinden können, so können die betreffenden Schiffe mit einer un⸗ gehinderten Durchfahrt nicht rechnen.
2) Mit gleicher Frist sind dem Eingangshafenamt Verbände von Schiffen mit weniger als 6 ½ m. Tiesgang anzumelden.
3) Falls Kriegsschiffe durch den Kanal fahren wollen, haben die Schiffs⸗Kommandos dem Marine⸗Kommissar hiervon rechtzeitig Mittheilung zu machen und denselben, falls er mitzufahren wünscht, durch Schiffsboote abholen und wieder an Land setzen zu lassen.
4) Die bei der Durchfahrt durch den Kanal sich für jedes einzelne Schiff ergebenden Erfahrungen über Steuereigenschaften ꝛc. sind seitens des Kouma in die Schiffs⸗Biographie, Abschnitt II, auf⸗ zunehmen.
5) Anweisungen für den Verkehr S. M. Kriegsschiffe auf dem Kaiser Wilhelm⸗Kanal sowie ein Abdruck der vom Reichsamt des Innern erlassenen Betriebsordnung für diesen Kanal werden in die Schiffsbücherliste aufgenommen werden.
Der General der Artillerie Edler von der Planitz, 14““ der Fuß⸗Artillerie, ist nach Berlin zurück⸗ gekehrt.
Der Königliche Gesandte in Karlsruhe, Wirkliche Geheime Rath von Eisendecher ist von dem ihm Allerhöchst be⸗ willigten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Der am hiesigen Allerhöchsten Hofe beglonhzge Königlich sächsische Gesandte Graf von Hohenthal und Bergen hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen. Während der Dauer seiner Abwesenheit fungiert der Legations⸗Sekretär von Stieglitz als iner erfgeer Geschäftsträger.
Der am hiesigen Allerhöchsten Hofe beglaubigte Königlich württembergische Gesandte Freiherr von Varnbüler hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen. Während der Dauer seiner Abwesenheit führt der Königlich württembergische Militärbevollmächtigte, General⸗Major Freiherr von Watter die Geschäfte der Gesandtschaft.
Der Landrath Dr. jur. Miesitscheck von Wischkau aus dem Kreise Wongrowitz ist in gleicher Amtseigenschaft in den Kreis Thorn vers t worden.
Der Regierungs⸗Assessor Ramm zu Hannover ist dem Königlichen Ober⸗Präsidium daselbst, und der Regierungs⸗ Afsessor Scheck zu Neustettin der Königlichen Regierung zu zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden. 8
Potsdam, 25. Mai. Vom schönsten Wetter begünstigt, fand heute Vormittag 11 Uhr das Stiftungsfest des Lehr⸗Infanterie⸗Bataillons statt. Den liturgischen Gottesdienst hielt der Divisions⸗Pfarrer Keßler ab; die Musik führte die Kapelle des 1. Garde⸗Regiments z. F., den Gesang der Garnison⸗Kirchenchor aus. Anwesend waren: Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin mit sämmtlichen 11“ und der Prinzessin⸗Tochter, Ihre Königlichen
oheiten der Prinz und die Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen, Ihre Hoheiten der Herzog und die Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg⸗Schwerin, der Prinz rnst von Sachsen⸗ Weimar, Seine Durchlaucht der Erbprinz von Hohenzollern, die Generalität von Berlin und Potsdam und sämmtliche fremdherrlichen Offiziere. Nach dem Gottesdienst stellte sich das Bataillon in Linie auf; Seine Majestät schritt die Front ab und nahm alsdann auf dem Platz vor dem Neuen Palais den Parademarsch des Bataillons ab. ierauf fand unter den Kolonnaden die Speisung der Mannschaften statt. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin begaben Sich mit sämmtlichen Anwesenden vom Neuen Palais zu Fuß nach den Kolonnaden. Dort hatten sämmtliche Musikkorps der Pots⸗ damer Garnison Aufstellung genommen und begrüßten Ihre Pisfehen mit der Nationalhymne. Seine Majestät der Kaiser brachte sodann ein Hoch auf die Armee aus; der kom⸗ mandierende General des Garde⸗Korps, General der Infanterie von Winterfeld erwiderte mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser, in welches die Truppen mit dreifachem Hurrah unter den Klängen der Natianalhyinn⸗ einstimmten. Nach kurzem Verweilen begaben Sich Ihre I nach dem Neuen Palais zurück, wo alsdann im Muschelsaale große Tafel stattfand.
Kiel, 26. Mai. Das erste Geschwader unter dem Kommando des Vize⸗Admirals Koester ist heute früh von hier ausgelaufen, um in dem östlichen Theil der Ostsee Uebungen abzühalten; dasselbe kehrt am 31. Mai hierher
Sachsen⸗Meiningen.
Seine Hoheit der Herzog hat nachstehendes Dankschreiben an den Landtag gerichtet:
„Der getreue Landtag hat Mir in einer reich ausgestatteten Adresse von künstlerischem Werth seine Glückwünsche zu Meinem 70. Geburtstag in Worten ausgesprochen, die Mich tief ergriffen haben. Gleichzeitig hat er Mir 50 000 ℳ aus den Kassenbeständen der Landeskasse zur Verfügung gestellt. Für diese Beweise der Treue und der anhänglichsten Hestnneng. worin Ich den schönsten Lohn für Meine dem Wohl des Landes und dem Schutze des Rechts gewidmeten Bestrebungen finde und die sichere Bürgschaft für ein dauerndes einträchtiges Zusammenwirken des getreuen Landtags mit Meiner Regierung erkenne, spreche Ich Meinen herzlichen, warmen Dank aus. ie werden Mir Zeit Meines Lebens in besonderer freudiger Erinnerung bleiben. Die Mir zur Verfügung estellte Summe habe Ich zur Errichtung eines Lehrergebäudes für das Herzog“ liche Lehrerseminar in 4 bestimmt; Ich will damit be⸗ kunden, welch' hohen Werth Ich den Veranstaltungen beilege, die auf gediegene Bildung unserer Volksschullehrer abzielen. Dem Landtag spreche Ich wiederholt die Versicherung Meiner besonderen Werth⸗ schätzung und treu wohlwollenden Gesinnung aus.
Roöm, den 1. Mak. 1899. —
3 Anhalt.
Die Festlichkeiten aus Anlaß des Regierungsjubiläums Seiner Hoheit des Herzogs haben, nachdem am Sonnabend Nachmittag ein Huldigungszug stattgefunden, an welchem etwa 10 000 Personen aus allen Theilen des Landes theil⸗ nahmen, gestern Abend mit einem glänzenden Reiterfest in der Herzoglichen Reitbahn ihren Abschluß gefunden.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser empfing am Sonnabend Nachmittag den Vertreter des Königs von Rumänien bei dem Fich nben ha s des Erzherzogs Carl Ludwig, General Bajeviano, die Ver⸗ treter des Königs von Serbien, General Milovanowic und Kapitän Markowic, ferner die Deputation des preußischen Ulanen⸗Regiments Graf zu Dohna (Ostpreußisches) Nr. 8 und die Deputation des russichen Dragoner⸗ Regiments Nr. 24. Am Vormittag um 11 Uhr hatte der Korbinal⸗Fürgegscha Gruscha in der Pfarrkirche der
ofburg in Anwesenheit des Kaisers, der Mitglieder des Hofferlichen Hauses und hoher Zivil⸗ und Militärpersonen ein Seelenamt für den verstorbenen Erzherzog Carl Ludwig elebriert. 8 Die deutsche Botschaft ließ am Sonntag für das Ulanen⸗ Regiment König Karl (I1. Württembergisches) Nr. 19 zu Ulm einen prachtvollen Lorbeerkranz mit Schleifen in den württembergischen Landesfarben am Sarge des Erzherzogs Carl Ludwig in der Kapuziner⸗Gruft niederlegen.
Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy hat sich gestern Abend zu kurzem Aufenthalt von Budapest nach Wien begeben.
Dem „Ungarischen Korrespondeuz⸗Bureau“ zufolge werden die Ausgleichsverhandlungen zwischen der ungarischen und der österreichischen Regierung mündlich und schriftlich fortgesetzt. Es sei nicht ausgeschlossen, daß die Vorlagen be⸗ züglich der Valuta⸗ und der Bankfrage noch in dieser Reichs⸗ tagssession würden eingebracht werden. 8
Der Feldzeugmeister Baron Kuhn ist gestern auf seinem Landsitze in Stassoldo gestorben.
Frankreich.
Der Präsident Faure hat sich am Sonntag Paris nach Tours und von dort nach Amboise begeben, wo er der Enthüllung des Denkmals für den Senator Guinot beiwohnte. Nach der Feier kehrte der Präsident nach Tours urück und sgefena bescch Nachmittags in der Präfektur die Behörden. Der Großvicar stellte die Geistlichkeit vor und erklärte in seiner Ansprache: gehorsam dem Papst, verharre die Geistlichkeit in Ergebenheit gegen die Republik und werde Gott bitten, daß er die auf die Erhaltung des Ansehens und der Ehre der Republik gerichteten Bestrebungen des Präsidenten segne. Um 7 Uhr Abends fand im Theater ein Festmahl statt. Auf eine Ansprache des Maire erinnerte der Präsident Faure in seiner Erwiderung an seine in Tours verlebten Jugendjahre, rühmte den Patriotismus und die republikanische Gesinnung der Be⸗ völkerung der Touraine und trank auf das Wohl der letzteren. Nach der Rede Faure's wurden die russische National⸗ hymne und die Marseillaise gespielt und stehend angehört. Als beide Lieder verklungen waren, ertönten wiederholt die Rufe: „Es lebe Rußland!“ und „Es lebe Frankreich!“. Auf der Rückfahrt nach der Präfektur wurde der Präsident mit herzlichen Zurufen begrüßt. Abends 88 eine glänzende Illumination statt. Auch in Amboise war der Präsident auf das herzlichste begrüßt worden. Gestern legte der Präsident in Tours den Grundstein zu einem neuen Bahnhofsgebäude und hielt dabei eine An⸗ sprache, worin er ausführte, das einträchtige “ von Kapital und Arbeit, wie sie durch den Verwaltungsrath der Eisenbahngesellschaft und die von ihr belafcgten Arbeiter repräsentiert würden, mache Frankreichs Größe und Wohl⸗ fahrt aus. Der Präsident wurde überall in der Stadt herzlich begrüßt.
In dem am Sonnabend abgehaltenen Ministerrath unterzeichnete der Präsident der Republik Faure die Ernen⸗ nung des bisherigen Seine⸗Präfekten Poubelle zum Bot⸗ schafter bei dem Vatikan und des bisherigen General⸗ Post⸗Direktors de Selves zum Seine⸗Präfekten, sowie die “ des Deputirten Delpeuch zum Unter⸗Staatssekretär der Posten und Telegraphen. Der Ministerrath setzte sodann die Prüfung des Entwurfs, betreffend die Reform der direkten Steuern, fort. — Der „Temps“ versichert, das Kabinet habe sich be dalich der geplanten finanziellen Reformen im Prinzip für eine Steuer auf französische und ausländische Rente ausgesprochen. Der Steuersatz und der Steuermodus würden wahrscheinlich in der 8 Kabinetssitzung festgestellt werden.
er Kriegs⸗Minister General Billot hat eine Kommission ernannt, um über möglichste Ersparnisse und Vereinfachungen in dem Budget des Kriegs⸗Ministeriums zu berathen.
Der Minister des Auswärtigen Hanotaux empfing gestern eine Depesche des französischen Konsuls in Canea, wonach es dort infolge einer Schlägerei zwischen Christen und Mohamedanern zu ernsten Unruhen gekommen sei. Der Marine⸗Minister beorderte auf das Ersuchen Hanotaux’ den egenwärtig im Hafen von Smyrna L. ge. französischen
euzer „Cosmao“ nach Canea zum Schutz der dortigen Franzosen.
Dem am Sonnabend Abend unter Vorsitz des Senats⸗ Präsidenten Loubet stattgehabten Jahresbankett der natio⸗ nalen Bimetallisten⸗Liga wohnten unter Anderen der Minister⸗Präsident Méline, der Handels⸗Minister Boucher, der Gouverneur der Bank von Frankreich Magnin und eine Anzahl von Senatoren und Deputirten bei. Beim Nach⸗ tisch verlas Loubet mehrere Telegramme auswärtiger bimetallistischen Vereinigungen, welche die französiche Liga zu ihren Erfolgen begluückwünschten. Loubet gab im
nschluß daran der Hoffnung Ausdruck, daß Mäline’'s Eintritt in die Staatsgewalt der Frage des internationalen Bimetallismus zum Triumph verhelfen werde. Der Minister⸗ Präsident Méline erwiderte, er habe es stets bedauert, daß die europäischen Staaten plötzlich auf ein Währungssystem verzichtet hätten, welches ihr wirthschaftliches Gedeihen gesichert haben würde und seit dessen Rusgebnng iich die Handelskrisis datiere. Das Heilmittel gegen dieselbe sei die Rückkehr zum Bimetallismus. Méäline erklärte, daß im Parlament gute Vorbedingungen für diese Rückkehr vorhanden seien. Was ihn persönlich anlange, so beharre er bei seiner früheren Ueberzeugung; allein diese rage sei eine wesentlich internationale. Die bimetallistische
ewegung mache sich in vr. Deutschland, Belgien und en Vereinigten Staaten lebhaft geltend, es fehle ihr nur der elektrische Funke; wann dieser Funke kommen werde, wisse er ficht aber kommen müsse er, weil es die Macht der Thatsachen
ere.
Bourgeois hielt gestern in Melun eine Rede, worin er erklärte: Die Demokratie müsse sich für zwei Ideen begeistern, welche wichtiger seien als alle anderen, nämlich erstens für die Reform der Steuern durch Einführung einer progressiven
nkommensteuer mit Steuerfreiheit für die untersten Klassen, sodann für die Revision der Verfassung mit Beibehaltung des
Senats als kontrolierender Versammlung, aber unter Abänderung des gegenwärtigen Organismus desselben, sodaß jedem Konflikt vorgebeugt werde. Bourgeois verlangte ferner, daß Bürgschaften für die Verantwortlichkeit der Minister ge⸗ schaffen würden und daß ein besonderes Verfahren hinsichtlich der Mißtrauensvoten gehen die Ministerien beobachtet werde. Er wünsche eine starke Regierung mit einer festen Richtung. Er verabscheue die kollektivistischen Sozialisten und bleibe dem Prinzip der menschlichen Freiheit und des persönlichen Eigen⸗ thums treu. Die soziale spelicht bestehe darin, an der Ver⸗ wirklichung der Souveränität Aller im Interesse der Solidarität Aller zu arbeiten.
Aus Anlaß der Krönungsfeier in Moskau hat der Kriegs⸗Minister den Truppen für den 26. d. Urlaub bewilligt; an diesem Tage wird Wein vertheilt, und die Strafen werden erlassen werden. Auf Bitten der russischen Militär⸗Schüler erhalten auch die französischen Schüler heute Urlaub. In der Oper fand, ebenfalls aus Anlaß der Krönungsfeierlichkeiten, gestern eine Gratis⸗Vor⸗ stellung statt. Das Stück, welches bereits im Jahre 1893, beim Besuch der Russen in Paris, aufgeführt worden ist, wurde mit Foßer Begeisterung und lautestem Beifall aufge⸗ nommen. Viele Häuser in Paris sowie die öffentlichen Denkmäler und die Militär⸗Kasinos sind heute mit Fahnen in russischen und französischen Farben geschmückt.
Rußland.
Am Sonntag Vormittag wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, in weiteren Theilen Moskaus die Proklamation der Krönung verlesen. Trotz des ungünstigen Wetters war eine große Volksmenge auf den Plätzen, sür welche die Zeremonie an⸗ gesagt war, versammelt. Die für Sonntag Kirchenparade auf dem Chodynsky⸗Platz Vertretung des Kaisers der Großfuüͤrst Wladimir ab. Erst nach ein Uhr begann der Himmel sich etwas aufzuklären. Nachmittags 3 Uhr fand im die kirchliche Einsegnung der neuen Reichs⸗ fahne statt. Dieselbe zeigt die Wappen sämmtlicher Gebiete Rußlands sowie die Hauptdaten der russischen Ge⸗ schichte; den bisherigen Zeichen des Reichswappens wurden solche von Gebieten hinzugefügt, die unter dem vorigen Herrscher erworben waren. Der Zere⸗ monie wohnten der Kaiser, die Kaiserin, die Großfürsten, die auswärtigen Fürstlichkeiten und die Generalität bei. Während die Geistlichkeit das Einsegnungs⸗ gee verrichtete, hielt der Kaiser die Hand auf dem Schaft er Fahne zum Zeichen dessen, daß er das Reichsbanner un⸗ getheilt, unbefleckt und unverletzlich übernommen habe und ebenso erhalten werde. Nach dem Gebet erfolgte die Be⸗ sprengung des Banners mit Weihwasser.
Gestern Vormittag fand zum dritten Mal die feierliche E der Krönung bei prachtvollem Wetter statt. Gegen 11 Uhr fuhren bei den Botschaftern und den Gesandten Zeremonienmeister vor, um denselben die heute stattfindende Krönung zu notifizieren. Nachmittags 3 ¼ Uhr wurden die Kaiserlichen Reichsinsignien in feierlichem Zuge aus dem Waffensaal des Kreml in den Fbronsgat des großen Kreml⸗ Palais übergeführt. Nachdem die Insignien den Assistenten derjenigen Würdenträger übergeben waren, welche am heutigen Krönungstage dieselben im Festzuge tragen sollen, begab sich der Zug unter Begleitung von Zeremonienmeistern mit Herolden und unter Eskorte von Palast⸗Grenadieren nach dem
hronsaal. Die Insignien wurden auf goldbrokatenen, mit den Reichsfarben geschmückten -. getragen. Besonders fielen das Reichsschwert, das Reichsbanner, die Purpurmäntel des Kaisers und der Kaiserin sowie die beiden Kronen durch da alterthümliche Pracht ins Auge. Bei der Ankunft im
angesagte nahm in
alast wurde der Zug von dem Ober⸗Hof⸗Marschall und seinen eamten empfangen. Im Thronsaal wurden die Insignien vom Krönungs⸗Marschall übernommen und auf rechts vom Thron besonders hergerichteten Sesseln niedergelegt; das Reichs⸗ banner wurde hinter denselben Eefer e Kammerherren, Kammerjunker sowie ein Zug Palast⸗Grenadiere übernahmen die Ehrenwache bei den Reichs⸗Insignien. Um 3 ½ Uhr be⸗ aben sich der Kaiser und die Kaiserin vom Alexander⸗ alais nach dem Kreml⸗Palais, wo Allerhöchstdieselben um 4 Uhr eintrafen. Eine zahlreiche Menschenmenge begrüßte die Majestäten auf dem ganzen Wege mit lebhaften Hoch⸗ rufen. Gestern Abend um 7 Uhr fand in der Erlöserkirche des Kremls ein Tedeum zur Feier des Vorabends des Krönungstages statt, welchem die Majestäten hinter einem vergoldeten Gitter beünahteg. Desgleichen wurden in allen Kirchen Moskaus feierliche Andachten 8g Heute früh um 7 Uhr wurden 21 Kanonenschüsse ab⸗ gefeuert, nach deren erstem die Glocken der Uspenski⸗Kathe⸗ drale und darauf die aller Kirchen Moskaus zu läuten be⸗ annen. Schon seit früher Morgenstunde waren, bei herrlichem etter, unzählige Tausende herbeigeeilt, um, wenn möglich, etwas von der Prozession zu erblicken oder wenigstens in der . 85 zu sein, wenn Glockengeläute und Kanonendonner den Vollzug der kirchlichen Weihe verkündigen würden. Die Menge verharrte in würdiger Ruhe, die Blicke waren zumeist nach der Uspenski⸗Kathedrale gerichtet, in der die heilige Handlung voln ge wird. 1b ei dem deutschen Botschafter Fürsten Radolin fanden am Sonnabend und gestern zu Ehren der in Moskau einge⸗ troffenen deutschen Feustlicheeten Galadiners statt. Nachdem sich heute früh alle zur Krönung geladenen Fürstlich eiten und amtlichen Zeugen in der Uspenski⸗ athedrale “ satten und nachdem insbesondere die Kaiserin⸗Wittwe, geschmückt mit Purpurmantel und Krone und umgeben von einem glänzenden Gefolge, auf ihrem Thron Platz genommen hatte, erschienen gegen 9 ྠUhr der Kaiser und die Kaiserin am Aus⸗ gang des Kreml und begaben sich in glänzendem Fuße mit den vorangetragenen Reichs⸗Insignien zur Uspenski⸗ athedrale. Beim Erscheinen des Herrscherpaares ertönten alle Glocken des Kreml und alsbald auch die der ganzen Stadt, die Truppen präsentierten, und die dichtgedrängte Volks⸗ menge brach in begeisterte, ftfnntce Jubelrufe aus, welche erst verstummten, als die ajestäten in die Iö eingetreten und den Blicken der Be⸗ völkerung entschcwunden waren. Um 11 Uhr 10 Minuten verkündeten das Geläute sämmtlicher Glocken Moskaus und der Donner der Geschütze, daß der Kaiser sich und der Kaiserin die Krone aufs Haupt gesetzt ,7 Ein abermaliges Läuten aller Glocken und Kanonensalven verkündeten um 12 Uhr, daß die heilige Salbung an dem s. und der Kaiserin voll⸗ zogen sei. Gegen 12 ½ Uhr waren die Krennngearexonäen beendet. Der Kaiser und die Kaiserin begaben sich darauf
nach der Verkündigungs⸗Kathedrale und dann nach der Archangel⸗Kathedrale zum Gebet und zogen sich gegen 1 Uhr in das Palais zurück. v .
Italien.
In der Sitzung der Deputirtenkammer vom Sonn⸗ abend wurden, dem „W. T. B.“ zufolge, die Verhandlungen über das Armee⸗Budget forcheseßt Bei dem Kapitel „Generalstab“ erklärte der Kriegs⸗Minister General Ricotti, er gebe zu, daß während des Krieges in Afrika manche Fehler im Generalstab vorgekommen seien, doch könnten individuelle Irrthümer nicht auf den ganzen Generalstab zurückfallen. In Betreff des Vorgehens des früheren Kriegs⸗Ministers und des Chefs des Generalstabs nach der Niederlage bei Amba Aladji erklärte der Kriegs⸗Minister, daß, wenn irgend welche Un⸗ regelmäßigkeiten vorgekommen, es die gewesen seien, daß der Generalstab nicht früͤher, wie er hätte thun sollen, den Plan für den 2” in Afrika in allen Einzelheiten geprüft habe. Aus diesem Grunde seien infolge mangelnder Vorbereitungen Verzögerungen eingetreten, und es sei eine Verwirrung entstanden, welche man später mit großer ege auszugleichen gesucht habe. Für diejenigen, welche den Grund wissen wollten, warum der Chef des Generalstabs seine gegeben, habe er die Antwort, daß, wenn derselbe seine Demission nicht gegeben hätte, er ihn dazu aufgefordert haben würde, weil er in Betreff der Pension des Chefs des Generalstabs Anschauungen hege, welche zu denen vieler anderer Persönlichkeiten im Gegensatz ständen. Er werde diese seine Ansichten der Kammer demnächst unterbreiten. — In der gestrigen Sitzung interpellierte der Abg. Im⸗ briani die Regierung über die auswärtige Politik und führte aus: Der größte Schaden erwachse Italien aus der Zerfahrenheit der Politik und aus dem Dreibunde. Er wünsche, die Vereinbarungen des Dreibunds kennen zu lernen, und frage, ob derselbe ein Protektorat sei oder eine Garantie biete, und wenn dies der Fall sei, von wem oder worauf. Redner verlangte, daß die Regierung das Gerücht dementiere, wonach die Tripel⸗Allianz zur Unterdrückung etwaiger Volks⸗Agitationen dienen solle. Imbriani fragte weiter, welche Haltung die Regierung gegenüber England eingenommen habe, welches er zum großen Theil für die Metze⸗ leien in Armenien verantwortlich mache. Redner beschäftigte sich sodann in längerer Rede mit der britischen Politik, die er interessiert nannte. Die Mission Italiens sei eine eminent friedliche, weshalb er erstaunt darüber sei, daß Italien unaus⸗ gesetzt der britischen Politik gefolgt sei. Er beklage es, daß man alle Mittel angewandt habe, um die einungs⸗ verschiedenheiten zwischen Italien und Frankreich zu ver⸗
rößern, mit welchem Italien, wenn es wollte, sich verständigen önne. (Zuruf: „Und Biserta?“) Imbriani fuhr fort: Man füche Rußland zu necken und trachte, Italien Deutschland und essen Kaiser in allem unterthänig zu machen — (Zuruf: Er ist unser Freund!) Als Imbriani in seinen Ausfällen gegen den Deutschen Kaiser fortfuhr, ertheilte der Präsident ihm einen Ordnungsruf. Imbriani erklärte: „Mit dem Dreibund werden die Sieger oder die Besiegten die Hörigen Deutsch⸗ lands sein.“ (Zwischenruf: „Wir waren ja diejenigen Frank⸗ reichs.“) Imbriani: „Wir wollen weder Unterthanen Frank⸗ reichs, noch Deutschlands, noch Oesterreichs sein.“ Imbriani fragte, was man in Venedig anläßlich der . Zusammen⸗ kungt gethan habe. „Wir werden“, sagte Redner, „bald vor einer weiteren Erneuerung des Dreibundes stehen, deshalb erhebe ich meine Stimme. Angesichts des 88 anischen Un⸗ glücks, der Mittelmeer⸗Frage und der Thatsache, daß das Adriatische Meer ein ausschließlich österreichisches Meer ge⸗ worden ist, wünsche ich von dem Minister⸗Präsidenten ein Wort zu hören, daß mich beruhigen kann.“ Der Minister⸗Präsident di Rudini erwiderte, er P. immer geglaubt, daß der Drei⸗ bund eine Nothwendigkeit 88 Wenn er nicht bestände, so müßte man ihn schaffen. Man habe oft von dem Schaden gesprochen, der Italien vom Dreibund zugefügt sei; diese Behauptungaber niemals erwiesen. Der Dreibund habe Viaen niemals auch nur die ge⸗ ringste Last auferlegt, während er den Erfolg gehabt habe, den Fabeden lange Jahre hindurch erhalten zu haben. Italien be⸗ nde sch im Dreibund unter “ Bedingungen wie Oesterreich und Deutschland; wie könne man also davon sprechen, daß Italien unter einem Protektorat stehe? Di Rudini protestierte lebhaft gegen solche Unterstellung; wenn Imbriani die Ehre gehabt hätte, persönlich den Deutschen Kaiser kennen zu lernen, so würde er in ihm einen warmen und aufrichtigen Freund Italiens und einen Souverän von sehr edlem Geist und hoher Gesinnung erkannt haben. (Sehr lebhafter und anhaltender Beifall.) Die äußere Politik sei fortdauernd seit vielen Jahren unverändert, dies beweise, aß sie eine wahrhaft nationale und populäre sei. Wenn Imbriani auf die Freundschaft Frankreichs mit Rußland hin⸗ weise, so liefere er damit ein Argument, welches den Grund⸗ satz bestätige, daß kein Staat isoliert bleiben könne. Er sei gluͤcklich, daß Imbriani von den Beziehungen Italiens zu England gesprochen habe, weil er ihm noch ein⸗ mal die Freundschaft mit England und das vollständige System der italienischen Bündnisse darlegen könne; die schaft mit England rühre nicht allein von Gefühlen, sondern von Interessen her, weil die Interessen Englands und Italiens im Mittelmeer gemeinsame seien. Imbriani, sagte der Minister⸗Präsident, habe von einer Politik von Nörgeleien gegen andere Staaten gesprochen; er könne Imbriani ver⸗ sichern, daß dem gegenwärtigen Ministerium eine solche Politik fremd sei, weil der Dreibund auf den Frieden zwischen allen a abziele. Einige beschuldigten ihn (di Rudini) zu großer Zärtlichkeiten gegen Frankreich und Rußland. Er fühle sich erfreut diese Anklage, welche beweise, daß er eine herzliche Politik auch mit Mächten verfolge, die an dem Dreibund nicht theilnähmen; eine sorn. lichkeit, die übrigens auch in den Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland und swischen Oesterreich⸗Ungarn und ö existiere. Di Rudini schloß damit, die Politik der egierung bestehe darin: am Dreibunde festzuhalten und gleich⸗ zeitig herzliche Beziehungen zu allen Mächten, namentlich auch zu Rußland und Frankreich aufrecht zu erhalten.
Der General Graf Menabrea (von 1867 bis 1869 Minister⸗Präsident und Minister des Auswärtigen, dann von 1876 bis 1882 Botschafter in London und von 1882 bis 1892 Botschafter in Paris) ist gestern in Chambéry gestorben.
Der Major Nerazzini, welcher nach Zeila abgereist ist, um die Entsendung einer Karawane vorzubereiten, die ge⸗ mäß dem Wunsche der Regierung den gefangenen Italienern in Schoa Unterstützungen bringen soll, ist, wie die Blätter melden, ermächtigt worden, mit Menelik wegen der Freilassung der Gefangenen in Verhandlungen zu treten. .